Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 06. Juni 2016 - 6 A 1737/14
Gericht
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
3Aus den mit dem Zulassungsantrag dargelegten Gründen, die der Senat allein zu prüfen hat, ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch weist die Rechtssache besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2) oder hat sie grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
4Der Kläger begehrt in erster Linie eine Neubewertung seiner im Eignungsfest-stellungsverfahren (EFV) am 1. und 2 Dezember 2011 erbrachten Leistungen. Das EFV dient der Feststellung der Ausprägung der Leitungskompetenzen von durch besondere Fortbildung qualifizierten Lehrkräften, die sich um eine Schulleiterstelle bewerben möchten, und wird im Sinne eines Assessment-Centers durchgeführt (vgl. Satz 1 und Nr. 2 Abs. 1, Nr. 3 Abs. 1, Nr. 4 Satz 1, Nrn. 5 und 7 des Runderlasses des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 25. November 2008 – 412-6.07.01-50216).
5Zum Verfahren im Einzelnen: Vgl. OVG NRW,
6Urteil vom 21. Juni 2012 – 6 A 1991/11 – sowie
7Beschluss vom 19. November 2014 – 6 B 1107/14 -, jeweils juris.
8Im Falle des Klägers bestand das EFV aus den Übungen Postkorb, Gespräch, Gruppendiskussion und Präsentation und damit aus weitestgehend mündlich zu erbringenden Leistungen. Es folgte damit den Eigengesetzlichkeiten einer mündlichen Prüfung und ist demgemäß an den besonderen Kriterien zu messen, die für die gerichtliche Überprüfung einer darauf aufbauenden Verwaltungsentscheidung gelten. Die Neubewertung einer mündlichen Prüfung kommt danach nur dann in Betracht, wenn sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der fehlerhaft durchgeführten oder fehlerhaft bewerteten Prüfung erfolgt. Nur in diesem Fall sind die Prüfer in der Lage, sich an den Ablauf der Prüfung und die für die Bewertung maßgeblichen Gesichtspunkte - etwa unter Zuhilfenahme schriftlicher Notizen – zu erinnern. Ist dagegen seit der Ablegung der mündlichen Prüfung ein längerer Zeitraum – hier von mehr als 4 Jahren - verstrichen, ist eine Neubewertung nicht mehr möglich. Der das Prüfungsrecht beherrschende und verfassungsrechtlich in Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz der Chancengleichheit gestattet es nicht, im Wege der Neubewertung über eine Prüfungsleistung zu entscheiden, wenn eine verlässliche Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der Frage, ob die an eine erfolgreiche Prüfung zu stellenden Mindestanforderungen erfüllt sind, nicht oder nicht mehr vorhanden ist. Eine verfahrensfehlerhaft zustande gekommene oder inhaltlich fehlerhaft bewertete Prüfung muss nach gefestigter Rechtsprechung ganz oder teilweise wiederholt werden, wenn und soweit auf andere Weise eine zuverlässige Bewertungsgrundlage für die erneut zu treffende Prüfungsentscheidung nicht zu erlangen ist.
9Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2002 – 6 C 7.02 -; Beschluss vom 11. April 1996 – 6 B 13.96 –; OVG NRW Urteile vom 27. August 2001 – 14 A 4913/96 – und vom 27. Oktober 1995 – 19 A 4947/94 -, alle juris und mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung.
10So gestaltet sich die Sachlage hier. Aufgrund des weitestgehend mündlichen Verlaufs des EFV liegt im Falle des Klägers keine verlässliche Entscheidungsgrundlage für eine Neubewertung seiner Leistungen mehr vor. Die wenigen in den Prüfungsunterlagen enthaltenen Notizen der Beobachter genügen insoweit zur Erinnerung an die vom Kläger gezeigten Leistungen nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers ergeben sich auch keine in der konkreten Ausgestaltung des EFV begründeten und gegen die Anwendung der dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze sprechenden fallspezifischen Besonderheiten dadurch, dass den Einzelbewertungen der Beobachter konkrete Punktwerte zugeordnet sind (vgl. Nr. 8 Satz 2 des Runderlasses), deren Summe letztlich die Kompetenzbewertung der vier Leitungskompetenzen und damit den Gesamtpunktwert bestimmt. Denn die Zuordnung nach Nr. 8 Satz 2 des Runderlasses setzt voraus, dass die sieben Beobachter fachspezifische Wertungen getroffen, nämlich entschieden haben, ob der jeweilige Teilnehmer die Kriterien für die zu ermittelnden Leitungskompetenzen „gut erfüllt“, „erfüllt“, „zum Teil erfüllt“ oder „nicht erfüllt“ hat. Diese Entscheidung liegt im klassischen prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum, für den die dargestellte Rechtsprechung gilt.
11Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die vom Kläger erhobenen Einwände berechtigt sind, weil Fehler im Prüfungsverfahren oder bei der Leistungsbewertung vorliegen. Selbst wenn solche gegeben sein sollten, ergäbe sich hieraus für den Kläger kein Anspruch auf Neubewertung, sondern allenfalls auf Wiederholung des EFV. Anderenfalls wäre es nicht mehr gewährleistet, dass für vergleichbare Prüflinge soweit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten, denn dem Kläger würde im Falle einer Neubewertung nach mehreren Jahren die Chance einer vom Vergleichsrahmen unabhängigen Bewertung eingeräumt.
12Kommt infolge der Unerfüllbarkeit des Anspruchs auf Neubewertung wegen Unmöglichkeit der Leistung mithin nur eine Wiederholung des EFV in Betracht, erwiese sich die Klage - auch wenn man den Klageantrag zu 2. in diesem Sinne auslegte (vgl. § 88 VwGO) - mangels Rechtsschutzbedürfnisses als nicht erfolgreich. Da der Kläger das EFV jederzeit wiederholen kann und die Zahl der Prüfungsversuche keinen Beschränkungen unterliegt (vgl. Nr. 9 Abs. 4 Satz 3 des Runderlasses), kann er seine Rechtsstellung durch ein das beklagte Land zur Wiederholung des EFV verpflichtendes Urteil nicht verbessern.
13Ebenso wenig lässt sich ein Rechtsschutzinteresse für eine isolierte Aufhebung der Mitteilung über das Nichtbestehen des EFV feststellen. Insoweit ergeben sich weder aus dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge noch aus dem Vorbringen des Klägers Anhaltspunkte dafür, dass die Aufhebung der Mitteilung des Ergebnisses des EFV für ihn rechtlich vorteilhaft sein könnte. Durch sie würde der Kläger lediglich so gestellt, als hätte er an dem Prüfungsversuch nicht teilgenommen. Rechtlich nachteilige Konsequenzen ergeben sich aus dem Umstand, dass der Kläger das EFV im Dezember 2011 erfolglos absolviert hat, hingegen nicht. Denn nur das erfolgreich absolvierte EFV ist als Personalauswahlinstrument regelmäßig Erkenntnismittel bei Beförderungsentscheidungen; Lehrkräfte, die das EFV bestanden haben, sind unverzüglich und unabhängig von der Bewerbung um ein konkretes Schulleitungsamt durch die obere Schulaufsicht dienstlich zu beurteilen. Ferner ist das Ergebnis des EFV nebem einem Leistungsbericht des Schulleiters Grundlage der dienstlichen Beurteilung (vgl. Nr. 10 Abs. 1 und 2 des Runderlasses). Im Falle des Nichtbestehens werden die Teilnehmer hingegen lediglich darüber informiert, in welchen Bereichen für sie Fortbildungsbedarf besteht. Sie werden nach der im Fall des Klägers anzuwendenden Fassung des Runderlasses - ohne dass ihnen eine das EFV abschließende dienstliche Beurteilung erteilt wird - nach einem Jahr erneut zum EFV zugelassen (vgl. Nr. 9 Absatz 4 Sätze 2 und 3 des Runderlasses; anders die Regleung in Nr. 11 Abs. 1 Satz 4 des Runderlasses vom 26. Juni 2013, welche auch für erfolglose Teilnehmer des EFV, die einen entsprechenden Antrag stellen, dienstliche Beurteilungen vorschreibt). Es lässt sich ferner nicht feststellen und ist vom Kläger auch nicht geltend gemacht, dass der Dienstherr dem Umstand, dass ein Bewerber um eine Schulleiterstelle das EFV nicht bereits im ersten, sondern erst in einem späteren Versuch bestanden hat, bei der Auswahl zwischen mehreren geeigneten Bewerbern für eine Beförderungsstelle mitentscheidende Bedeutung beimisst. Zudem erscheint es wenig naheliegend, dass sich für den mittlerweile 59 Jahre alten Kläger eine derartige Konkurrenzsituation ergeben könnte. Er hat das EFV bislang nicht wiederholt und auch nicht geltend gemacht, in absehbarer Zeit am EFV erneut teilnehmen zu wollen.
14Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG).
15Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
16Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.