Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 03. Feb. 2016 - 14 A 2225/15
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.673,16 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht vorliegen oder bereits nicht hinreichend dargelegt im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind.
3Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen aus den in der Antragsbegründung aufgeführten Gründen nicht. Kein tragender Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils ist mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden.
4Solche Zweifel werden mit der Rüge nicht begründet, die Rechtmäßigkeit der Satzung sei durch das Verwaltungsgericht ohne jegliche einzelfallbezogene Begründung ohne oder mit äußerst oberflächlicher Auseinandersetzung mit der Argumentation der Klägerin geprüft worden. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils richtet sich gegen die Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses.
5Vgl. Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 124 Rn. 98.
6Mit dem Einwand mangelhafter Intensität der Prüfung wird aber nicht das Ergebnis, sondern das Verfahren der Entscheidung angegriffen, es wird geltend gemacht, die Entscheidungsgründe (§ 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) ließen die Gründe nicht erkennen, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen seien (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
7Wenn man in dem Vortrag den ‑ nicht ausdrücklich geltend gemachten ‑ Zulassungsgrund eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) angesprochen sehen will, wäre er nicht hinreichend dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung, dass die Satzung nicht gegen höherrangiges Recht verstoße, auf eigene Entscheidungen, solche des Senats und einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen. Es ist prozessrechtlich grundsätzlich zulässig, die für die gerichtliche Überzeugung leitend gewesenen Gründe durch eine in den Entscheidungsgründen ausgesprochene Bezugnahme auf tatsächliche Feststellungen und rechtliche Erwägungen in einer genau bezeichneten anderen Entscheidung anzugeben. Die schriftliche Urteilsbegründung hat die Funktion, deutlich zu machen und sicherzustellen, dass das Gericht alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt und sich mit ihnen in der gebotenen Weise auseinander gesetzt hat, dass ferner den Beteiligten die Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels und dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung ermöglicht werden. Diese Funktion erfüllt auch eine Bezugnahme, sofern die Beteiligten die in Bezug genommene Entscheidung kennen oder von ihr ohne Schwierigkeiten Kenntnis nehmen können und sofern sich für sie und das Rechtsmittelgericht aus einer Zusammenschau der Ausführungen in der Bezug nehmenden und der in Bezug genommenen Entscheidung die für die richterliche Überzeugung maßgeblichen Gründe mit hinreichender Klarheit ergeben.
8Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3.1.2006 ‑ 10 B 17.05 ‑, juris Rn. 3 m.w.N.
9Die Klägerin legt nicht dar, dass ihr die vom Verwaltungsgericht ‑ allerdings nicht durchgängig mit Fundstellen ‑ zitierten Entscheidungen unbekannt seien (etwa weil sie nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen seien) und sie von diesen nur mit Schwierigkeiten Kenntnis nehmen könne oder dass die in den zitierten Entscheidungen enthaltenen Ausführungen die für die richterliche Überzeugung maßgeblichen Gründe nicht mit hinreichender Klarheit ergäben.
10Die Ermächtigung der Beklagten aus Art. 105 Abs. 2a des Grundgesetzes (GG), die Satzung zur Erhebung der Spielgerätesteuer zu erlassen, kann nicht damit in Frage gestellt werden, zwischenzeitlich sei wegen des neuen Glücksspielrechts die Steuer nicht mehr abwälzbar. Fragen der materiellen Verfassungsmäßigkeit der Steuer, insbesondere ihrer Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz oder den Freiheitsgrundrechten, sind ohne Einfluss auf die Beurteilung der Gesetzgebungskompetenz; denn die Kompetenznormen des Grundgesetzes enthalten grundsätzlich keine Aussage zu diesen materiellen Fragen.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.10.2015 ‑ 9 C 22.14 ‑, juris Rn. 11.
12Die Vergnügungssteuersatzung vom 16.12.2005 i.d.F. der Änderungssatzung vom 24.8.2007 ist nicht deshalb nichtig, weil die so geregelte Steuer nicht mehr abwälzbar wäre und zu einem Verbot der Tätigkeit eines Automatenaufstellers führte. Zu Unrecht meint die Klägerin, es hätte eines betriebswirtschaftlichen Gutachtens zur Tragbarkeit der Steuer bedurft, zumindest aber hätte die Bestandsentwicklung der Gerätezahl nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages (AG GlüStV NRW) festgestellt werden müssen. Das Verwaltungsgericht hat die Wirksamkeit der Satzung unter Bezugnahme auf seine Entscheidung
13VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14.8.2008 ‑ 2 K 4049/07 ‑, NRWE,
14begründet. Ob diese seit nunmehr zehn Jahren vom Steuermaßstab und Steuersatz unverändert gültige Steuersatzung heute erdrosselnd wirkt bzw. die Steuer nicht mehr auf die Spieler abwälzbar ist, hatte das Verwaltungsgericht nicht von Amts wegen erneut im Tatsächlichen durch Feststellung von Gerätebestandszahlen oder gar durch ein Sachverständigengutachten zu prüfen. Denn dazu hätte es eines Tatsachenvortrags der Klägerin bedurft, der diese bereits im verneinenden Sinne entschiedene Frage in Zweifel zu ziehen geeignet gewesen wäre und der deshalb dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit von Tatsachenfeststellungen aufgedrängt hätte. Einen solchen Vortrag legt die Klägerin im Zulassungsverfahren nicht dar. An ihm mangelt es schon deshalb, weil die Klägerin nicht darlegt, warum sie ‑ sollten keine auskömmlichen Einnahmen erzielt werden ‑ nicht die Preise durch Einsatz von Geräten mit höherem durchschnittlichem Kasseninhalt nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Spielverordnung einsetzt.
15Vgl. zu dieser Möglichkeit BVerwG, Urteil vom 14.10.2015 ‑ 9 C 22.14 ‑, juris Rn. 23; OVG NRW, Urteil vom 24.7.2014 ‑ 14 A 692/13 ‑, NRWE Rn. 65 ff.
16Die neuen Regelungen des Glücksspielrechts legen jedenfalls eine nunmehr erdrosselnde Wirkung der Steuer bzw. ein nunmehr eingetretenes Hindernis für die Abwälzung der Steuer auf die Spieler nicht nahe. Aus den umfangreichen gewerbe- und glücksspielrechtlichen Beschränkungen jenseits steuerlicher Belastungen können besondere, von der kommunalen Steuer unabhängige strukturelle wirtschaftliche Rahmenbedingungen erwachsen, die zu einem Wegbrechen vieler Betriebe und damit zu einer drastischen Verringerung der Bestandszahlen führen mögen. Das muss aber bei der Ausgestaltung einer berufsregelnden kommunalen Steuer nicht berücksichtigt werden.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.10.2015 ‑ 9 C 22.14 ‑, juris Rn. 18.
18Im Übrigen bewirken die Regelungen des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag, insbesondere das Verbot der Mehrfachkonzessionen und der Mindestabstand zu anderen Spielhallen, Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in § 16 Abs. 3 des Ausführungsgesetzes, eine Ausdünnung des Spielhallenbestands und damit eine Verknappung des Angebots. Für die verbleibenden Spielhallen erhöht dies deren Auslastung und verbessert die Möglichkeit zu Preiserhöhungen im Rahmen der Spielverordnung und Umsatzsteigerungen.
19Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1.10.2015 ‑ 14 B 857/15 ‑, NRWE Rn. 19 f.; Beschluss vom 18.2.2014 ‑ 14 A 2592/13 ‑, NRWE Rn. 4 ff.; Beschluss vom 26.11.2013 ‑ 14 A 2401/13 ‑, NRWE Rn. 23.
20Auch die allgemeinen Angriffe gegen die Aussagekraft der Gerätebestandszahlen zur Erdrosselungswirkung der Steuer dringen nicht durch. Entgegen dem Antragsvorbringen stellen im wesentlichen konstante oder gar steigende Gerätebestandszahlen ein schlüssiges Indiz für die fehlende Erdrosselungswirkung der Steuer dar. Wäre diese Wirkung vorhanden, müssten wirtschaftliche Auswirkungen dadurch feststellbar sein, dass die schwächsten Anbieter aus dem Markt scheiden, ohne dass neue ihren Platz einnehmen. Es müsste eine Tendenz zum Absterben der Spielgeräteaufstellerbranche erkennbar werden.
21Vgl. im Einzelnen zur Bedeutung der Bestandsentwicklung für eine behauptete Erdrosselungswirkung BVerwG, 26.10.2011 ‑ 9 B 16.11 ‑, NVwZ-RR 2012, 38; OVG NRW, Urteil vom 23.6.2010 - 14 A 597/09 -, NRWE Rn. 97 ff.
22Das wird durch Spekulationen darüber, dass trotz erdrosselnder Wirkung der Steuer einzelne Unternehmer dennoch den Gerätebestand halten oder gar ausweiten könnten, nicht in Frage gestellt.
23Die Rechtssache weist nicht die geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, weil die aufgeworfenen Fragen auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens mit der erforderlichen Sicherheit beantwortet werden können. Insbesondere werfen die Fragen der kalkulatorischen Abwälzbarkeit der Steuer und der Verfassungsgemäßheit der Vergnügungssteuererhebung keine solchen Schwierigkeiten auf. Auch in tatsächlicher Hinsicht ist ‑ aus den oben genannten Gründen ‑ eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich. Der Umstand, dass trotz geklärter Rechtslage und Fehlens sich stellender schwieriger Fragen immer wieder in der Literatur abweichende Stimmen laut werden oder Rechtsstreitigkeiten geführt werden, begründet den Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten nicht.
24Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht zu. Die insoweit aufgeworfenen Fragen, die sich mit den zum Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten vorgebrachten decken, sind nicht klärungsbedürftig, da geklärt.
25Das Verfahren wird auch nicht entsprechend dem Begehren der Klägerin gemäß § 94 VwGO ausgesetzt. Das Gericht kann nach § 94 VwGO, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Es ist nicht erkennbar, warum die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens im Sinne von § 94 VwGO von einem Rechtsverhältnis abhängen soll, das Gegenstand der in der Zulassungsbegründung genannten Verfahren ist. Sogar die Gleichheit der Rechtsfrage würde dieses Erfordernis nicht erfüllen.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.10.2015 ‑ 14 A 1730/15 ‑, NRWE Rn. 26 f.; W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 94 Rn. 4a; Rennert in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 94 Rn. 4; Rudisile in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Loseblattsammlung (Stand: März 2015), § 94 Rn. 43.; zum gleichlautenden § 148 ZPO vgl. BGH, Beschluss vom 28.2.2012 ‑ VIII ZB 54/11 ‑, NJW-RR 2012, 575; Beschluss vom 30.3.2005 ‑ X ZB 26/04 ‑, NJW 2005, 1947.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes.
28Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.
(2) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
die Urteilsformel, - 4.
den Tatbestand, - 5.
die Entscheidungsgründe, - 6.
die Rechtsmittelbelehrung.
(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.
(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der Antragsteller hat dem Antrag eine Beschreibung des Spielgerätes, einen Bauplan, eine Bedienungsanweisung, eine technische Beschreibung der Komponenten sowie ein Mustergerät beizufügen. Auf Verlangen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt hat er weitere Unterlagen, insbesondere auch über Herstellungs- und Wartungsprozesse, einzureichen. Der Antragsteller ist verpflichtet, der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt auf Verlangen ein Muster des Spielgerätes oder einzelner Teile zu überlassen.
(2) Der Antragsteller hat mit dem Antrag eine schriftliche Erklärung darüber vorzulegen, dass bei dem zu prüfenden Geldspielgerät
- 1.
Gewinne in solcher Höhe ausgezahlt werden, dass bei langfristiger Betrachtung kein höherer Betrag als 20 Euro je Stunde als Kasseninhalt verbleibt, - 2.
die Gewinnaussichten zufällig sind, für jeden Spieler gleiche Chancen eröffnet werden und die am Gerät dargestellten Gewinnaussichten zu keinem Zeitpunkt einen festen Gegenwert von 300 Euro übersteigen, - 3.
bei Beginn einer gemäß § 13 Nummer 6 erzwungenen Spielpause alle auf dem Geld- sowie Gewinnspeicher aufgebuchten Beträge automatisch ausgezahlt werden und - 4.
die Möglichkeit besteht, sämtliche Einsätze, Gewinne und Kasseninhalte für steuerliche Erhebungen zu dokumentieren.
(3) Der Antragsteller hat mit dem Antrag ein Gutachten einer vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik anerkannten oder gleichwertigen Prüfstelle darüber vorzulegen, dass das von ihm zur Prüfung eingereichte Geldspielgerät gemäß § 13 Nummer 11 gegen Veränderungen gesichert gebaut ist. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt kann vom Antragsteller die Vorlage weiterer Gutachten fordern, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich und wirtschaftlich vertretbar ist.
(4) Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt kann technische Richtlinien herausgeben und anwenden
- 1.
zur Sicherung der Prüfbarkeit der eingereichten Baumuster, - 2.
zur Durchführung der Bauartprüfung sowie - 3.
zu bauartabhängigen Voraussetzungen einer wirksamen Überprüfung aufgestellter Spielgeräte.
(5) Die Zulassungsprüfung wird in der Regel in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt durchgeführt, sie kann in Ausnahmefällen am Herstellungs-, Lieferungs- und Aufstellungsort des Spielgerätes erfolgen.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 31.576,43 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 224/15 vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gegen den Haftungsbescheid der Antragsgegnerin vom 16.12.2014 anzuordnen,
4hat auch im Beschwerdeverfahren keinen Erfolg. Dem Antrag ist nicht wegen der im Beschwerdeverfahren dargelegten, vom Senat alleine zu prüfenden Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) stattzugeben. Sie begründen nämlich keine die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO rechtfertigenden ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides im Sinne des entsprechend anzuwendenden § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Bescheid aus den dargelegten Gründen rechtswidrig ist.
5Es kommt somit auf Gründe für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und nicht darauf an, wie der Antragsteller auf S. 1 seiner Beschwerdebegründung vom 31.7.2015 meint, ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts bestehen oder die Entscheidung an Verfahrensmängeln leidet. Das sind lediglich Gründe, die zur Zulassung der Berufung gegen ein Urteil führen können (vgl. § 124 Abs. 2 VwGO).
6Soweit die Beschwerdebegründung im Schriftsatz vom 31.7.2015 auf den Seiten 3 bis 34 aus der Klagebegründung, der erstinstanzlichen Begründung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und aus dem angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zitiert, erfüllt das nicht die Darlegungserfordernisse einer Beschwerdebegründung. Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das kann mit Zitaten aus der Entscheidung vorangehenden Schriftsätzen oder mit Zitaten aus der Entscheidung selbst nicht geschehen.
7Ob das Verwaltungsgericht, wie der Antragsteller auf S. 34 f. seiner Beschwerdebegründung vom 31.7.2015 meint, von einem rechtsstaatswidrig verkürzten Prüfungsumfang ausgeht, ist für sich betrachtet unerheblich. Maßgeblich ist allein, ob und welchen Gesichtspunkt das Verwaltungsgericht hätte prüfen müssen, der zum Erfolg des Rechtsschutzantrags hätte führen müssen. Solche Gesichtspunkte zeigt der Antragsteller nicht auf.
8Gegen die Wirksamkeit der hier in Rede stehenden Vergnügungssteuersatzung vom 16.12.2005 i.d.F. der Ersten Änderungssatzung vom 24.8.2007 (im angegriffenen Beschluss irrtümlich 25.8.) bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Die Satzung ist mit Unionsrecht vereinbar, insbesondere auch was die unterschiedliche vergnügungssteuerliche Behandlung von Spielbanken und Spielhallen betrifft.
9Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.11.2010 ‑ 14 A 2442/08 ‑, NRWE Rn. 30 f. unter Verweis auf das Urteil vom 23.6.2010 ‑ 14 A 597/09 ‑, NRWE Rn. 30 ff., insbesondere 57 ff.
10Weder das Verwaltungsgericht noch der Senat sind prozessual gehalten, längst und wiederholt Entschiedenes erneut ausführlich auszuführen. Vielmehr kann insoweit auf den Beteiligten zugängliche Entscheidungen verwiesen werden.
11Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3.4.1990 ‑ 9 CB 5.90 ‑, juris Rn. 6.
12Von einem unzulässig verkürzten Prüfungsumfang der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung kann daher keine Rede sein, zumal der Antragsteller verkennt, dass der Prüfungsumfang im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes reduziert ist, wie das Verwaltungsgericht auf S. 2 f. des Beschlusses zutreffend ausgeführt hat.
13Im Übrigen geben die angesprochenen Gesichtspunkte, auch soweit sie Argumente über den in den genannten Entscheidungen bereits entschiedenen Umfang hinausgehen, für eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nichts her. Die Auffassung des Antragstellers, der Umstand, dass Spielbanken in steuerrechtlicher Hinsicht verschiedentlich günstiger gestellt seien als Spielhallen, stelle eine unzulässige Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dar, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides. Es ist nicht dargelegt und auch nicht erkennbar, warum eine ‑ unterstellte ‑ steuerliche Besserstellung als unzulässige Beihilfe die Rechtsfolge auslösen soll, eine ebensolche Beihilfe zu erhalten.
14So schon OVG NRW, Beschluss vom 28.5.2013 ‑ 14 A 1072/13 ‑, NRWE Rn. 11.
15Auch unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes bestehen keine Bedenken. Die Fallgruppen des Benutzens von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit einerseits außerhalb von und andererseits in Spielbanken sind nicht wesentlich gleich, so dass sie wegen des darin liegenden sachlichen Grundes vergnügungssteuerrechtlich unterschiedlich behandelt werden dürfen. Der Bundesgesetzgeber hat einen Unterschied gesehen zwischen den Spielapparaten, die in einer Spielbank (§ 33h Nr. 1 der Gewerbeordnung ‑ GewO ‑), und solchen, die an anderen Plätzen aufgestellt sind. Die in Spielhallen und anderen Plätzen besteuerten Spielgeräte unterliegen für ihre technische Zulassung bestimmten Einschränkungen, die die Gefahr unangemessen hoher Verluste in kurzer Zeit ausschließen sollen (§ 33e Abs. 1 Satz 1 GewO). Das gewerbsmäßige Aufstellen solcher Spielgeräte ist zwar erlaubnispflichtig (§ 33c Abs. 1 Satz 1 GewO), bei Vorliegen der Voraussetzungen besteht jedoch auf die Erteilung der Erlaubnis ein Rechtsanspruch. Die Spielgeräte in einer Spielbank sind demgegenüber uneingeschränkt zum Glücksspiel geeignet. Für sie gelten die Einschränkungen der Gewerbeordnung nicht (§ 33h Nr. 1 GewO). Das Glücksspiel ist aber nur aufgrund eigens erteilter staatlicher Konzession erlaubt (§ 4 Abs. 1 des Spielbankgesetzes NRW ‑ SpielbG NRW ‑); schon diese Unterschiede rechtfertigen eine unterschiedliche vergnügungssteuerliche Behandlung.
16Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.6.2013 ‑ 9 B 50.12 ‑, juris Rn. 6 m.w.N.
17Auch ist die Steuererhebung nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne, und zwar auch nicht in ihrer Kumulation mit den bau- und ordnungsrechtlichen Regelungen des neuen Glücksspielrechts. Dass die Steuererhebung den wirtschaftlichen Betrieb einer Spielhalle nahezu unmöglich macht, ist nicht erkennbar. Es ist aber schon nicht dargelegt, welche rechtlichen Regelungen es hier verböten, durch Einsatz von Geräten mit entsprechend hohem durchschnittlichen Kasseninhalt die Vergnügungssteuer tatsächlich auf die Spieler abzuwälzen.
18Vgl. zur Bedeutung der Möglichkeit, höher profitablere Geräte einzusetzen, OVG NRW, Urteil vom 24.7.2014 ‑ 14 A 692/13 ‑, NRWE Rn. 57 ff.
19Im Übrigen liegt auch bei einer Berücksichtigung der Regelungen des neuen Glücksspielrechts in dem zusätzlichen Eingriff durch Steuererhebung keine rechtswidrige, insbesondere unverhältnismäßige Belastung, selbst wenn mit der Steuer ein Lenkungszweck im Sinne der Verminderung des Bestands von Geldspielgeräten verbunden sein sollte. Die glücksspielrechtlichen Beschränkungen und die Steuererhebung verstärken sich nämlich nicht. Die Regelungen des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag, insbesondere das Verbot der Mehrfachkonzessionen und der Mindestabstand zu anderen Spielhallen, Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in § 16 Abs. 3 des Ausführungsgesetzes, bewirken eine Ausdünnung des Spielhallenbestands und damit eine Verknappung des Angebots. Für die verbleibenden Spielhallen erhöht dies deren Auslastung und verbessert die Möglichkeit zu Preiserhöhungen im Rahmen der Spielverordnung und Umsatzsteigerungen. Von einer unzumutbaren Steuererhebung in Verbindung mit den glücksspielrechtlichen Regelungen kann daher keine Rede sein.
20Vgl. zur Bedeutung der Kumulation der Belastungen OVG NRW, Beschluss vom 26.11.2013 ‑ 14 A 2401/13 ‑, NRWE Rn. 16 ff.
21Dem Vortrag des Antragstellers, die Satzung sei wegen eines Vollzugsdefizits im Hinblick auf die Erwirkung der Abgabe von Steuererklärungen unwirksam, ist im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Tatsächlichen nicht weiter nachzugehen. Ohnehin erscheint es unwahrscheinlich, dass Schätzungen für die Automatenaufsteller günstiger sind, da sich die Behörden bei Schätzungen wegen fehlender Mitwirkung des Steuerpflichtigen an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren dürfen.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.9.2013 ‑ 14 A 1903/13 ‑, NRWE Rn. 5 f.
23Schließlich ist der Umstand, dass die Antragsgegnerin das Unternehmen für im Haftungszeitraum gesund gehalten hat, für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides unerheblich. Wenn es insolvenzreif gewesen sein sollte und der Antragsteller keinen Insolvenzantrag gestellt hat, würde das lediglich zu seiner vollen Haftung ohne Quotenbeschränkung führen.
24Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.5.2015 ‑ 14 B 393/15 ‑, NRWE Rn. 15 f.
25Zu Unrecht meint der Antragsteller, das Verwaltungsgericht habe ihn nicht für die Zeit nach Ausscheiden aus der Geschäftsführerstellung ab dem 8.10.2010 als faktischen Geschäftsführer behandeln dürfen, da es am Merkmal des Auftretens nach außen fehle. Das Verwaltungsgericht hat ‑ im Beschwerdeverfahren unwidersprochen ‑ u. a. festgestellt, dass der Antragsteller in dieser Zeit Kontovollmacht besessen und Zahlungen für die Gesellschaft veranlasst habe. Das ist das erforderliche Auftreten im Rechtsverkehr.
26Vgl. Koenig in: ders., AO, 3. Aufl., § 35 Rn. 8.
27Die Einwände gegen die Berechnung der Haftungsquote durch die Antragsgegnerin greifen nicht durch. Sie begründen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides. Die Antragsgegnerin hat in dem angefochtenen Bescheid die Gesamtsumme der im Haftungszeitraum 1.1.2010 bis 17.11.2010 bestehenden Verbindlichkeiten mit 1.285.065,32 Euro berechnet. Zu dieser Summe ist sie nach Auswertung der Kontobewegungen gekommen, aus denen sich die Tilgung von Verbindlichkeiten in Höhe von 802.994,12 ergibt. Wie der Begründung des Bescheides auf S. 5 zu entnehmen ist, sollen nahezu alle Forderungen anderer Gläubiger als der Antragsgegnerin erfüllt worden sein. Die Forderungen der Antragsgegnerin im Haftungszeitraum berechnet sie mit bis zum 31.12.2009 rückständigen Vergnügungssteuerforderungen in Höhe von 256.544,14 Euro. Dazu kommen bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Säumniszuschläge und Mahngebühren in Höhe von 47.987 Euro. Schließlich kommen noch die mit dem angefochtenen Bescheid zur Haftung gestellten 147.540,06 Euro Vergnügungssteuern hinzu, die im Haftungszeitraum fällig geworden sind. Ohne dass Anhaltspunkte dafür vorhanden sind und in einem gewissen Gegensatz zu der Annahme, dass alle Forderungen anderer Gläubiger befriedigt worden sein sollen, nimmt die Antragsgegnerin für den Haftungszeitraum noch weitere offen gebliebene Verbindlichkeiten in Höhe von 30.000 Euro an. Jedenfalls wird durch diese Annahme der Antragsteller nicht belastet, da sie die Summe der Gesamtverbindlichkeiten im Haftungszeitraum erhöht und somit die Haftungsquote senkt. Dem setzt der Antragsteller nichts Substantielles entgegen. Vielmehr meint er unter Bezugnahme auf die Bilanz zum 31.12.2009, dass mindestens 354.346,85 Euro an Verbindlichkeiten anzusetzen gewesen wäre. Wie oben ausgeführt legt der Haftungsbescheid sogar Verbindlichkeiten über 1,285 Millionen Euro im Haftungszeitraum zugrunde. Der Antragsteller legt nicht dar, dass die von ihm genannten Beträge nicht in dieser Summe enthalten sind.
28Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 11.9.2015 Weiteres vorträgt, ist dies im Beschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen, da nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Gründe, aus denen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, binnen der Monatsfrist des Satzes 1 der Vorschrift darzulegen waren, hier also bis zum 3.8.2015. Im Übrigen bestätigt die zum Stichtag 31.10.2010 vorgelegte Zwischenbilanz die Annahme der Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid, dass an offenen Verbindlichkeiten fast nur noch Steuerforderungen vorhanden waren, also sonstige Verbindlichkeiten unter Verstoß gegen den Grundsatz gleichmäßiger Gläubigerbefriedigung vollständig befriedigt worden sind. Auch sind die Privatentnahmen des Antragstellers höher als im Haftungsbescheid angegeben, so dass sich insgesamt der Eindruck verdichtet, dass der Bescheid eine zu geringe Haftungssumme gegenüber dem Antragsteller verfügt.
29Für den hilfsweise gestellten Antrag der Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und der Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht gibt es keine prozessuale Grundlage
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes.
31Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 12.780,43 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht vorliegen oder bereits nicht hinreichend dargelegt im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind.
3Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen aus den in der Antragsbegründung aufgeführten Gründen nicht. Kein tragender Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils ist mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden.
4Keine ernstlichen Zweifel werden geweckt mit dem Vortrag, seit Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrags könne die Steuer nicht mehr auf den Spieler abgewälzt werden, so dass es sich bei der Steuer nicht mehr um eine Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 des Grundgesetzes (GG) handele und die Vergnügungssteuersatzung damit mangels Normsetzungskompetenz nichtig sei. Es ist schon nicht erkennbar, warum durch das Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag ein Hindernis zur Abwälzung der Steuer geschaffen worden sein soll. Die von der Klägerin genannten Regelungen zur Erlaubnisbedürftigkeit des Spielhallenbetriebs, des Nachweises bestimmter Konzepte, des Mindestabstands von Spielhallen, des Verbots von Mehrfachkonzessionen, der Werbeeinschränkung und der Sperrzeitverlängerung mögen die Neuerrichtung von Spielhallen und den Betrieb existierender Spielhallen erschweren.
5Zur Unerheblichkeit des Glücksspielstaatsvertrags für die Vergnügungssteuererhebung vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.8.2013 ‑ 14 A 1677/13 ‑, NRWE Rn. 16 ff.
6Die Abwälzung der Steuer über den Preis ‑ die konzeptionell bei der Aufwandsteuer in erster Linie erstrebte Abwälzung ‑ wird aber lediglich durch die Spielverordnung (SpielV) begrenzt, insbesondere über den langfristigen Kasseninhalt (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Buchst a SpielV). Das Verwaltungsgericht hat auf S. 6 des angegriffenen Urteils ausdrücklich auf die der Klägerin offenstehende Möglichkeit verwiesen, u. a. durch den Einsatz anderer Spielgeräte die Steuer im Rahmen der Grenzen der Spielverordnung auf den Spieler abzuwälzen. Die Klägerin behauptet aber nicht einmal, geschweige denn, dass dies zulassungsrechtlich hinreichend dargelegt würde, dass die von ihr aufgestellten Geldspielgeräte die Grenzen der Spielverordnung ausreizten und deshalb durch Einsatz anderer Spielgeräte eine weitere Abwälzung rechtlich unmöglich sei. Damit erübrigt sich auch der Einwand, mangels Abwälzbarkeit könne ein Lenkungszweck nicht erreicht werden.
7Im Übrigen stellt die Möglichkeit der Abwälzung zwar eine Bedingung der materiellen Verfassungsmäßigkeit dar, lässt aber den Charakter der Steuer als Aufwandsteuer unberührt. Ihr Fehlen wäre somit kein Kompetenzhindernis für den Erlass der Vergnügungssteuersatzung.
8Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4.2.2009 - 1 BvL 8/05 ‑, BVerfGE 123, 1 (18).
9Soweit die Klägerin die Kumulation von Umsatzsteuer und Vergnügungssteuer beklagt, ist nicht erkennbar, was daran rechtlich bedenklich sein soll. Steuerliche Doppelbelastungen sind dem Steuerrecht nicht unbekannt.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.8.2012 ‑ 14 A 1532/12 ‑, NRWE Rn. 13 ff.
11Dem verfassungsrechtlich allenfalls relevanten Aspekt einer übermäßigen, weil erdrosselnden Steuer ist hier nicht weiter nachzugehen, weil die Klägerin ausdrücklich erklärt, sie mache keine Erdrosselungswirkung durch die Vergnügungssteuer geltend.
12Zu Unrecht ist die Klägerin der Auffassung, hier seien die Steuern (Umsatzsteuer und Vergnügungssteuer) gegenseitig Bemessungsgrundlagen. Jedenfalls für die Vergnügungssteuer ist das falsch, da Bemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Vergnügungssteuersatzung vom 1.2.2006 i. d. F. der Zweiten Änderungssatzung vom 22.11.2010 das Einspielergebnis in Gestalt der elektronisch gezählten Bruttokasse ist. Dass aus diesem Einspielergebnis sowohl die Vergnügungssteuer als auch die Umsatzsteuer zu begleichen ist, macht diese Steuerbeträge nicht zur Bemessungsgrundlage. In Wirklichkeit bemängelt die Klägerin, dass Bemessungsgrundlage nicht das um die zu zahlende Steuer verminderte Einspielergebnis ist (Nettokasse). Das ist aber nicht erforderlich. Bei dem Steuerabzug von der Bemessungsgrundlage handelt es sich um eine Frage der Berechnung der Steuer. Ein verfassungsrechtlicher Grundsatz, dass eine Steuer nur nach dem Nettobetrag erhoben werden kann, besteht nicht.
13Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.6.2010 ‑ 14 A 597/09 ‑, NRWE Rn. 94 ff. m. w. N.
14Die von der Klägerin genannten Gesichtspunkte rechtfertigen auch keine Zulassung unter dem Gesichtspunkt besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die angebliche "Uneinheitlichkeit der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur" zur kalkulatorischen Abwälzbarkeit und zur Kompetenz der Beklagten zum Erlass der Vergnügungssteuersatzung ist nicht entscheidungserheblich, da ‑ wie oben ausgeführt ‑ bereits die Abwälzbarkeit über den Preis nicht hinreichend von der Klägerin in Frage gestellt wird.
15Allerdings will die Klägerin wohl behaupten, dass sie als im Wettbewerb mit anderen Spielhallenbetreibern Stehende ohnehin den höchstdurchsetzbaren Preis fordere, aber am Markt kein weiterer Spielraum für eine Abwälzung über den Preis bestehe. Es ist jedoch nicht dargelegt oder sonst erkennbar, warum die damit behauptete fehlende Bereitschaft der Spieler, höhere Preise zu akzeptierten, ein relevantes Hindernis für die Steuererhebung sein soll. Weder das Verfassungsrecht, insbesondere die Berufsfreiheit des Art 12 Abs. 1 GG, noch einfaches Recht gewährleisten, dass durch Steuern bewirkte Kostenerhöhungen ohne Umsatzeinbußen vom Markt aufgefangen werden. Im Gegenteil ist dies sogar manchmal gerade der Lenkungszweck einer Steuererhöhung, wie das Beispiel der Tabaksteuer zeigt. Das Berufsgrundrecht wäre erst dann verletzt, wenn durch die Steuer der Preis auf eine Höhe getrieben würde, der die Ausübung des Berufs übermäßig beeinträchtigte. Dafür ist nichts ersichtlich, zumal noch nicht einmal etwas zum tatsächlichen Preisniveau dargelegt ist und die Klägerin sogar ausdrücklich eine Erdrosselungswirklung der Steuer verneint. Daher ist auch nicht erkennbar, warum dem Verwaltungsgericht sich Ermittlungen zur Bestandsentwicklung bei den Geldspielgeräten oder zur Marktsituation hätten aufdrängen sollen.
16Unverständlich ist die Auffassung der Klägerin, das Verwaltungsgericht hätte das Verfahren aussetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vergnügungssteuersatzung vorlegen müssen. Gegenstand der konkreten Normenkontrolle nach Art, 100 Abs. 1 GG, § 80 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes sind allein formelle Gesetze des Bundes und der Länder, nicht aber kommunale Satzungen.
17Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.9.2005 ‑ 2 BvL 11-13/02 ‑, BVerfGE 114, 303 (310 f.).
18Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht zu. Die insoweit aufgeworfenen Fragen,
19"1. Ist die streitgegenständliche Festsetzung der Vergnügungssteuer verfassungsmäßig?
20a. Ist die Gemeinde Viersen legitimiert auf der Rechtsgrundlage der Vergnügungssteuersatzung die Vergnügungssteuer zu erheben (formeller Aspekt)?
21b. Handelt es sich bei der Vergnügungssteuer im Land Nordrhein-Westfallen (insb. Gemeinde Viersen) (noch) um eine Aufwandsteuer (materieller Aspekt)?
222. Ist die Doppelbesteuerung, die zustande kommt, wenn wie u. a. in Viersen die auf dem Vergnügen lastende Umsatzsteuer wiederum Bemessungsgrundlage der Vergnügungssteuer ist, mit dem Grundgesetz (nicht mit dem EU-Vertrag) vereinbar?"
23begründen keine grundsätzliche Bedeutung. Die unter Nr. 1 aufgeworfenen Fragen sind nicht klärungsbedürftig, da sie auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens ohne Weiteres im bejahenden Sinne beantwortet werden können, wie sich aus den Ausführungen zum Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel ergibt.
24Die unter Nr. 2 aufgeworfene Frage ist ‑ wörtlich genommenen ‑ nicht klärungsfähig, da sie sich in einem durchzuführenden Berufungsverfahren nicht stellen würde, denn die Umsatzsteuer ist nicht Bemessungsgrundlage der Vergnügungssteuer, sondern das Einspielergebnis im Sinne der Bruttokasse. Selbst wenn man die Frage im Sinne der obigen Ausführungen zum Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel versteht, stellt sie sich aus den ebenfalls dort genannten Gründen als nicht klärungsbedürftig dar, da sie auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens ohne Weiteres zu bejahen ist.
25Soweit die Klägerin einen Klärungsbedarf im Zusammenhang mit dem Hinweis des Verwaltungsgerichts sieht, dass ein Rückgang der Spielhallen als Auswirkung des Glücksspielstaatsvertrags für die verbleibenden Hallen umso größere Möglichkeiten biete, Umsatz und Gewinn zu steigern, ist nicht dargelegt, worin hier ein Klärungsbedarf bestehen soll. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand. Warum diese tatsächliche Annahme eine Rechtsverletzung der Klägerin begründen soll, erschließt sich dem Senat nicht.
26Der Zulassungsgrund eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann, (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Insoweit wird zwar der Verfahrensmangel unterbliebener Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend gemacht. Es wird aber nicht erkennbar, warum konkrete Ermittlungsmaßnahmen sich dem Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsaufassung zur Frage der Abwälzbarkeit hätten aufdrängen müssen. Dafür bestand schon deswegen kein Anlass, weil die Klägerin lediglich Irrelevantes zu den Erschwernissen durch den neuen Glücksspielstaatsvertrag und das dazu ergangene Ausführungsgesetz vorgetragen hat, nicht aber ‑ was allein für die Frage der Abwälzbarkeit von Bedeutung gewesen wäre ‑, dass sie mit ihren Geräten bereits die nach der Spielverordnung höchstzulässigen Preise fordere. Eines Hinweises zu relevantem Vortrag in dieser Hinsicht bedurfte es nicht. Der Anspruch auf rechtliches Gehört wird erst dann verletzt, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Gleiches gilt, wenn das Gericht in seiner Entscheidung auf einen Gesichtspunkt abhebt, mit dem ein sachkundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte. Das ist hier bezüglich der angeblichen Unmöglichkeiten der Abwälzung nicht der Fall.
27Ein zulassungsrechtlich relevanter Verfahrensmangel liegt auch nicht deshalb vor, weil die Übertragung auf den Einzelrichter gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig gewesen wäre. Ein solcher ‑ unterstellter ‑ Verfahrensmangel unterliegt nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts (§ 6 Abs. 4 Satz 2 VwGO), so dass eine Berufungszulassung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO darauf nicht gestützt werden kann.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 21.642,22 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht vorliegen oder bereits nicht hinreichend dargelegt im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind.
3Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen aus den in der Antragsbegründung aufgeführten Gründen nicht. Kein tragender Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils ist mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden.
4Weder der Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung noch ein etwaig mit der Steuer verfolgter Lenkungszweck stehen der Steuererhebung hier entgegen. Der Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung verlangt, dass bei der Ausübung einer Normsetzungskompetenz konzeptionelle Entscheidungen eines anderen Normgebers, die er im Rahmen seiner Kompetenz getroffen hat, nicht verfälscht werden, namentlich dürfen den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen.
5Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Oktober 1998 - 1 BvR 2306/96 u.a. -, BVerfGE 98, 265 (301).
6Bei der Ausübung der Steuernormsetzungskompetenz zur Lenkung in einem anderweitig geregelten Sachbereich dürfen keine Regelungen herbeigeführt werden, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Regelungen widersprechen.
7Vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 -, BVerfGE 98, 106 (118).
8Der Steuergesetzgeber ist nicht gehindert, außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen. Er darf nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. Der Bürger wird dann nicht rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, erhält aber durch Sonderbelastung eines unerwünschten Verhaltens oder durch steuerliche Verschonung eines erwünschten Verhaltens ein finanzwirtschaftliches Motiv, sich für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu entscheiden.
9Vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2008 - 2 BvL 1/07 u. a. -, BVerfGE 122, 210 (231 f.).
10Nur wenn die steuerliche Lenkung nach Gewicht und Auswirkung einer verbindlichen Verhaltensregel nahekommt, die Finanzfunktion der Steuer also durch eine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter verdrängt wird, bietet die Besteuerungskompetenz keine ausreichende Rechtsgrundlage
11Vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 -, BVerfGE 98, 106 (118).
12Die Vergnügungssteuer führt hier nicht zu einem faktischen Verbot der Automatenaufstellung, so dass keine Verbotsnorm im bloß formellen Kleid einer Steuernorm vorliegt. Namentlich ergibt sich aus den Vorgaben der Spielverordnung dafür nichts. Abgesehen davon, dass nicht dargelegt ist, dass die Klägerin und andere Unternehmer diese Vorgaben im Hinblick auf den Preis und die Gewinnquote vollständig ausgereizt haben, ist nicht erkennbar, warum die Regelungen des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags sowie die des zum Glücksspielstaatsvertrag ergangenen Ausführungsgesetzes (vgl. Art. 1 und 2 des Gesetzes zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland, GV.NRW. 2012 S. 523) der Erhebung der Vergnügungssteuer entgegenstehen sollten. Die Regelungen schränken im Interesse der Bekämpfung der Spielsucht die Errichtung und den Betrieb von Spielhallen ein.
13Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 16/17, S. 43 f.
14Da der gesetzgebungskompetenzrechtlich seit der Föderalismusreform 2006 für das Spielhallenrecht zuständige Landesgesetzgeber mit dem genannten Ausführungsgesetz den Betrieb von Spielhallen nicht verboten hat, muss der kommunale Satzungsgeber im Rahmen des Vergnügungssteuerrechts berufsgrundrechtlich beachten, dass das Betreiben von Spielhallen nach geltendem Recht eine zulässige Berufsausübung ist. Er darf daher keine Steuerregelung mit der Wirkung treffen, dass die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage wären, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen. Dass diese Wirkung hier nicht eintritt, hat das Verwaltungsgericht ausgeführt. Dagegen werden zulassungsrechtlich keine substanziierten Einwände erhoben.
15Ein etwaig mit der Steuer verfolgter Lenkungszweck zur Eindämmung des Bestands an Geldspielgeräten stünde hier gerade im Einklang mit der Zielrichtung des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag. Auch kann dem Gesetz nicht entnommen werden, dass eine Unterstützung der Ziele des Gesetzes durch die - im Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes bereits existierende ‑ Steuer ausgeschlossen sein sollte.
16Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Gesamtwirkung der Regelungen des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag und der zur Vergnügungssteuererhebung sei als sog. kumulativer oder additiver Grundrechtseingriff unzulässig.
17Vgl. zu dieser Rechtsfigur BVerfG, Beschluss vom 27.3.2012 ‑ 2 BvR 2258/09 ‑, BVerfGE 130, 372 (392) m. w. N.
18Diese Rechtsfigur erlaubt keineswegs, alle für sich betrachtet zulässigen Grundrechtseingriffe gegen einen Grundrechtsträger in einer Gesamtbetrachtung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten als unzulässigen kumulativen Grundrechtseingriff zu qualifizieren. Zumindest ist für eine kumulative Gesamtbetrachtung erforderlich, dass es sich um Eingriffe mit gleichem Regelungsziel in den gleichen Lebensbereich handelt.
19Vgl. Hillgruber in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 9, 3. Aufl., § 200 Rn. 97; Lücke: Der additive Grundrechtseingriff sowie das Verbot der übermäßigen Gesamtbelastung des Bürgers, DVBl. 2001, 1469 (1470).
20Daran fehlt es. Die gewerberechtlichen Beschränkungen für den Betrieb von Spielhallen in §§ 16 f. des genannten Ausführungsgesetzes einerseits und die Erhebung einer Vergnügungssteuer auf den Spieleraufwand zur Erlangung des Spielvergnügens mit Geldspielgeräten andererseits verfolgen nicht das gleiche Regelungsziel. Die gewerberechtlichen Regelungen schränken ‑ wie oben ausgeführt ‑ im Interesse der Bekämpfung der Spielsucht die Errichtung und den Betrieb von Spielhallen ein. Mit der Vergnügungssteuererhebung wird beabsichtigt, Einnahmen zu erzielen (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen i. V. m. § 3 Abs. 1 1. Halbs. der Abgabenordnung). Ob etwas anderes gilt, wenn die Einnahmeerzielung bloßer Nebenzweck gegenüber einem Hauptzweck der Lenkung wäre,
21so Lücke: Der additive Grundrechtseingriff sowie das Verbot der übermäßigen Gesamtbelastung des Bürgers, DVBl. 2001, 1469 ( 1475),
22kann dahinstehen, da dafür nichts ersichtlich ist.
23Im Übrigen liegt auch bei einer Berücksichtigung der Regelungen des Ausführungsgesetzes in dem zusätzlichen Eingriff durch Steuererhebung keine rechtswidrige, insbesondere unverhältnismäßige Belastung, selbst wenn mit der Steuer ein Lenkungszweck im Sinne der Verminderung des Bestands von Geldspielgeräten verbunden sei sollte. Die gewerberechtlichen Beschränkungen und die Steuererhebung verstärken sich nämlich nicht. Die Regelungen des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag, insbesondere das Verbot der Mehrfachkonzessionen und der Mindestabstand zu anderen Spielhallen, Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in § 16 Abs. 3 des Ausführungsgesetzes, bewirken eine Ausdünnung des Spielhallenbestands und damit eine Verknappung des Angebots. Für die verbleibenden Spielhallen erhöht dies deren Auslastung und verbessert die Möglichkeit zu Preiserhöhungen im Rahmen der Spielverordnung und Umsatzsteigerungen.
24Ob die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags und des dazu ergangenen Ausführungsgesetzes verfassungsgemäß sind, namentlich unter Berücksichtigung des nach Auffassung der Klägerin höheren Suchtgefährdungspotentials von Online-Glücksspielen und Spielbanken, ist für die hier in Rede stehende Steuererhebung unerheblich.
25Die hier erhobene Steuer ist auch, was auf Grund der Eigenschaft der Steuer, örtliche Aufwandsteuer zu sein, erforderlich ist, auf den eigentlichen Steuerträger, den Spieler, abwälzbar. Insoweit genügt die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerpflichtige den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen treffen kann. Die rechtliche Gewähr, dass er den von ihm entrichteten Betrag immer von demjenigen erhält, der nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen soll, muss dem Steuerschuldner nicht geboten werden. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn eine Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt. Bei der Kalkulation seiner Selbstkosten sind dem Automatenaufsteller zwar durch die Vorgaben in der Spielverordnung Grenzen gesetzt. Dies bedeutet aber nicht, dass ihm keine anderen Maßnahmen bleiben, um die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens aufrecht zu erhalten. Für eine kalkulatorische Überwälzung ist dabei nicht die absolute Höhe der Steuer ausschlaggebend, sondern die Möglichkeit, die Steuer in die Kosten einzubeziehen. Es handelt sich hierbei um einen wirtschaftlichen Vorgang, wobei das Gesetz es dem Steuerschuldner überlässt, die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch unter Berücksichtigung des Steuerbetrages zu wahren.
26Dass eine solche wirtschaftliche Möglichkeit nicht gegeben wäre, kann aus dem Vortrag zu Kostensteigerungen und Beschränkungen aufgrund des Glücksspielstaatsvertrags und zu den Vorgaben der Spielverordnung nicht geschlossen werden.
27Vgl. im Einzelnen zur Abwälzbarkeit der Steuer OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2010 - 14 A 597/09 -, NRWE Rn. 126 ff.
28Angesichts dessen ergeben auch die von der Klägerin ins Feld geführten Grundrechte nichts für eine verfassungsrechtliche Unzulässigkeit der Steuererhebung.
29Unverständlich ist die Kritik der Klägerin an den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass die Erreichbarkeit eines Nebenzwecks unerheblich sei, da sich Steuern schon wegen der bloßen Einnahmeerzielung rechtfertigten. Das trifft zu. Mehr als Einnahmeerzielung muss mit einer Steuer nicht bezweckt werden. Die Klägerin benennt auch keinen Rechtsgrund, warum etwas anderes gelten sollte.
30Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht zu. Die insoweit aufgeworfene Frage
31"Hält die Veranlagung von Vergnügungssteuer unter Berücksichtigung des im Land Nordrhein-Westfalen mit Wirkung zum 01.12.2013 kumulativ hinzugetretenen Rechtsrahmens ‑ Glücksspielstaatsvertrag, AG GlüStV (NRW) einer verfassungsrechtlichen Prüfung am Maßstab des Art, 105 Abs. 2a GO stand?"
32ist nicht klärungsbedürftig, da sie auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens ohne Weiteres im für den Zulassungsantrag negativen Sinne beantwortet werden kann. Es ist unter keinem Gesichtspunkt ersichtlich, warum die hier erhobene Steuer ihren Charakter als örtliche Aufwandsteuer verloren haben könnte, weil der Glücksspielstaatsvertrag Regelungen über Spielhallen enthält.
33Die Frage
34"Wirkt es sich auf den Typus der verfahrensgegenständlichen Vergnügungssteuer als einer örtlichen Aufwandssteuer aus, dürfte selbige ‑ wie bundesgesetzlich geregelte ‑ ausschließlich aus fiskalischen Erwägungen erhoben und erhöht werden?"
35ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig. Eine örtliche Aufwandsteuer kann ‑ wie jede Steuer ‑ ausschließlich aus fiskalischen Erwägungen erhoben und erhöht werden.
36Die Frage
37"Verstößt die Vergnügungssteuererhebung in ihrer jetzigen Ausprägung, mit welcher die Absicht verfolgt wird, die Zahl der Aufstellorte und -geräte zu verringern, seit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages i. V. m. den Ausführungsgesetzen der Länder gegen das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und gegen die Verpflichtung des Landes ‑ mithin auch des materiellen Gesetzgebers, sich im Rahmen von Lenkungssteuern nicht zu den Entscheidungen des Bundesgesetzgebers in Widerspruch setzen."
38ist nicht klärungsfähig, da sie sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen würde. Es ist nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, zu welcher Entscheidung des Bundesgesetzgebers sich die Vergnügungssteuererhebung in Widerspruch setzten sollte. Der Glücksspielstaatsvertrag und das Ausführungsgesetz sind jedenfalls keine Entscheidungen des Bundesgesetzgebers.
39Die Fragen
40"Führt die Erhebung der Vergnügungssteuer nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags i. V. m. dem AG GlüStV (NRW) zu einem kumulativen Grundrechtseingriff dergestalt, dass die damit einhergehende Berufsausübungsregelung in eine Berufszulassungsregelung umschlägt?"
41und
42"Sind mit der Vergnügungssteuererhebung einhergehende Verkürzungen des grundrechtlich geschützten Bereichs der Berufsfreiheit nach Inkrafttreten des neuen Rechtsrahmens ‑ gewichtige, den Eingriff rechtfertigende, hinreichend mit der Steuererhebung verfolgte Interessen der Allgemeinheit unterstellt ‑ noch verhältnismäßig?"
43sind nach den oben gemachten Ausführungen zum kumulativen Grundrechtseingriff nicht klärungsbedürftig, da sie auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens ohne Weiteres im für den Zulassungsantrag negativen Sinne beantwortet werden können.
44Die Frage
45"Führt das kumulative, sich überlagernde und verstärkende Regelungssystem (GlüStV, AG GlüStV (VRW) VS) zu einer Einschränkung betriebswirtschaftlicher Spielräume dergestalt, dass kalkulatorische Abwälzbarkeit der Steuer ‑ aus Rechtsgründen ‑ nicht mehr möglich ist?"
46ist nicht klärungsfähig, da sie sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen würde. Es ist nicht ersichtlich, warum die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags und der Ausführungsvorschriften dazu die Abwälzung der Steuer auf den Spieler durch Preiserhöhung im Rahmen der Spielverordnung, durch Umsatzsteigerung oder Kostensenkung hindern sollten, wie oben bereits ausgeführt wurde.
47Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes.
48Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 21.648,94 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht vorliegen oder bereits nicht hinreichend dargelegt im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind.
3Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen aus den in der Antragsbegründung aufgeführten Gründen nicht. Kein tragender Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils ist mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden.
4Solche Zweifel werden nicht deshalb aufgeworfen, weil ‑ wie die Klägerin meint ‑ die erhobene Vergnügungssteuer nach den Regelungen der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSysRL, ABl. vom 11.12.2006 ‑ L 347/1 ‑) unzulässig wäre. Nach Art. 401 MwStSysRL hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf u.a. Spiele und Wetten sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist.
5Die Spielgerätesteuer hat nicht den Charakter von Umsatzsteuern im Sinne des Art. 401 MwStSysRL, denn sie erfüllt die erforderlichen Merkmale der Umsatzsteuer nicht: Sie muss ganz allgemein für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte gelten, sie muss, unabhängig von der Anzahl der getätigten Geschäfte, proportional zum Preis dieser Gegenstände und Dienstleistungen sein, sie muss auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebes erhoben werden, und sie muss sich schließlich auf den Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen beziehen, d.h., die bei einem Geschäft fällige Steuer wird unter Abzug der Steuer berechnet, die bei dem vorhergehenden Geschäft schon entrichtet worden ist.
6Diese Merkmale liegen fast alle nicht vor: Die Vergnügungssteuer wird nicht allgemein, sondern nur für Spielgeräte und sonstige Vergnügungen, örtlich unterschiedlich und nicht flächendeckend im gesamten Bundesgebiet erhoben. Die Vergnügungssteuer wird ferner nicht auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebes erhoben. Besteuert wird vielmehr nur einmal der Aufwand für die Benutzung durch den jeweiligen Spieler. Zudem bezieht sich die hier in Rede stehende Steuer nicht auf den Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen. Die Steuer wird nicht nur zufällig, sondern von ihrem Konzept her nur einmal erhoben. Sie ist strukturell nicht auf einen Vorsteuerabzug angelegt.
7Unabhängig davon handelt es sich bei der Vergnügungssteuer in Gestalt der Spielautomatensteuer aber noch nicht einmal um eine Steuer auf Dienstleistungen. Steuergegenstand ist keine Dienstleistung, die der Halter der Spielautomaten gegenüber den Spielern erbringt, sondern der Vergnügungsaufwand des einzelnen Spielers.
8Vgl. zur Vereinbarkeit der Spielgerätesteuer mit Europarecht im Einzelnen BVerwG, Beschluss vom 11.9.2013 ‑ 9 B 43.13 ‑, juris Rn. 3; OVG NRW, Urteil vom 23.6.2010 - 14 A 597/09 -, NRWE Rn. 31 ff.
9Da diese Fragen in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt sind oder zweifelsfrei bejaht werden können, bedarf es einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union nicht. Es besteht daher - auch unter dem Gesichtspunkt des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) - keine Veranlassung zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.
10Zu Unrecht meint die Klägerin, aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union,
11EuGH, Urteil vom 17.1.2013 ‑ C-224/11 ‑, Rn. 67,
12herauslesen zu können, dass nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie eine Abgabe wie die Vergnügungssteuer auf Glücksspielaufwand nur erhoben werden dürfe, wenn zugleich eine Befreiung von der Mehrwertsteuer ausgesprochen werde. Das Gegenteil ist geltendes Unionsrecht.
13EuGH, Urteil vom 24.10.2013 ‑ C-440/12 ‑, Leitsatz 1.
14Die anderslautende Bewertung im Urteil C-224/11 beruht darauf, dass die dort in Rede stehenden Versicherungsumsätze nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. a) MwStSysRL im Gegensatz zu Umsätzen aus Glücksspiel,
15vgl. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i), dazu EuGH, Urteil vom 10.6.2010 ‑ C-58/09 ‑, Leitsatz,
16von Unionsrechts wegen von der Mehrwertsteuer befreit sind.
17Der Spieleinsatzmaßstab ist ein zulässiger Steuermaßstab. In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist der Satzungsgeber nicht gehalten, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Ihm steht vielmehr ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der erst dann überschritten wird, wenn ein einleuchtender Grund für eine Ungleichbehandlung fehlt und die Steuererhebung daher willkürlich wäre. Der verwendete Steuermaßstab muss in einem zumindest lockeren Bezug zu dem letztlich zu besteuernden Vergnügungsaufwand der Spieler stehen. Das ist bei dem hier in Rede stehenden Besteuerungsmaßstab der Fall. Er lässt einen hinreichend zuverlässigen Schluss auf den individuellen wirklichen Vergnügungsaufwand als den sachgerechtesten Maßstab zu.
18Vgl. dazu im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 23.6.2010 - 14 A 597/09 -, NRWE Rn. 68 ff.; BVerwG, Beschluss vom 21.6.2012 ‑ 9 B 13.12 ‑, juris Rn. 5.)
19Das wird durch das Gutachten des von der Klägerin genannten Ingenieurs nicht in Frage gestellt, insbesondere nicht durch den Umstand, dass der Einsatz von Prüftestgeld von der Zähleinrichtung nicht automatisch erfasst wird.
20Vgl. dazu, dass eine Steuersatzung vorsehen kann, dass Prüftestgeld nicht von der Bemessungsgrundlage (dort: Einspielergebnis) abgezogen werden darf, OVG NRW, Beschluss vom 29.6.2015 ‑ 14 A 685/15 ‑, NRWE Rn. 8 ff.
21Die Steuererhebung ist nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne, und zwar auch nicht in ihrer Kumulation mit den glücksspielrechtlichen Regelungen. Dass die Steuererhebung den wirtschaftlichen Betrieb einer Spielhalle nahezu unmöglich macht, ist nicht erkennbar. Es ist aber schon nicht dargelegt, welche rechtlichen Regelungen es hier verböten, durch Einsatz von Geräten mit höherem durchschnittlichen Kasseninhalt die höhere Vergnügungssteuer tatsächlich auf die Spieler abzuwälzen.
22Vgl. zur Bedeutung der Möglichkeit, höher profitablere Geräte einzusetzen, OVG NRW, Urteil vom 24.7.2014 ‑ 14 A 692/13 ‑, NRWE Rn. 57 ff.
23Im Übrigen liegt auch bei einer Berücksichtigung der Regelungen des neuen Glücksspielrechts in dem zusätzlichen Eingriff durch Steuererhebung keine rechtswidrige, insbesondere unverhältnismäßige Belastung, selbst wenn mit der Steuer ein Lenkungszweck im Sinne der Verminderung des Bestands von Geldspielgeräten verbunden sei sollte. Die glücksspielrechtlichen Beschränkungen und die Steuererhebung verstärken sich nämlich nicht. Die Regelungen des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag, insbesondere das Verbot der Mehrfachkonzessionen und der Mindestabstand zu anderen Spielhallen, Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in § 16 Abs. 3 des Ausführungsgesetzes, bewirken eine Ausdünnung des Spielhallenbestands und damit eine Verknappung des Angebots. Für die verbleibenden Spielhallen erhöht dies deren Auslastung und verbessert die Möglichkeit zu Preiserhöhungen im Rahmen der Spielverordnung und Umsatzsteigerungen. Von einer unzumutbaren Steuererhebung in Verbindung mit den glücksspielrechtlichen Regelungen kann daher keine Rede sein.
24Vgl. zur Bedeutung der Kumulation der Belastungen OVG NRW, Beschluss vom 26.11.2013 ‑ 14 A 2401/13 ‑, NRWE Rn. 16 ff.
25Der geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt. Dazu hätte eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage aufgeworfen werden müssen. Sollten die unter dem Gesichtspunkt der ernstlichen Zweifel aufgeworfenen Einwände gemeint sein (unionsrechtliche Zulässigkeit der Steuer, Zulässigkeit des Spieleinsatzmaßstabs, Kumulation von Steuer und glücksspielrechtlichen Regeln), so sind die sich insoweit stellenden Fragen geklärt und somit nicht klärungsbedürftig.
26Das Verfahren wird nicht gemäß § 94 VwGO wegen eines laufenden Revisionsverfahrens vor dem Bundesfinanzhof ausgesetzt. Das Gericht kann danach, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Es ist nicht erkennbar, warum die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens im Sinne von § 94 VwGO von einem Rechtsverhältnis abhängen soll, das Gegenstand des genannten Revisionsverfahrens ist. Sogar die Gleichheit der Rechtsfrage würde dieses Erfordernis nicht erfüllen.
27Vgl. W.-R. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 94 Rn. 4a; Rennert in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 94 Rn. 4; Rudisile in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Loseblattsammlung (Stand: März 2015), § 94 Rn. 43.; zum gleichlautenden § 148 ZPO vgl. BGH, Beschluss vom 28.2.2012 ‑ VIII ZB 54/11 ‑, NJW-RR 2012, 575; Beschluss vom 30.3.2005 ‑ X ZB 26/04 ‑, NJW 2005, 1947.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin begehrt von dem beklagten Sonderkunden die Zahlung restlichen Entgelts für Gaslieferungen; insoweit streiten die Parteien über die Berechtigung von Gaspreiserhöhungen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewie- sen. Das Landgericht (Zivilkammer 4) hat das Berufungsverfahren analog § 148 ZPO bis zur Entscheidung der beim Senat anhängigen Revisionsverfahren VIII ZR 93/11 und VIII ZR 94/11, die Parallelverfahren der Klägerin gegen andere Kunden betreffen, ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beklagten.
II.
- 2
- Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
- 3
- 1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 4
- Zwar sei eine Vorgreiflichkeit im Sinne des § 148 ZPO nicht gegeben. Das vorliegende Verfahren könne aber analog § 148 ZPO ausgesetzt werden, da es sich hierbei um einen Teil eines "Massenverfahrens" handele und die Unmöglichkeit einer angemessenen Bewältigung der Gesamtheit der Verfahren das Gewicht verfahrenswirtschaftlicher Erwägungen so erhöhe, dasshierdurch ein qualitativ anderer Wertungsgesichtspunkt als die "normale" Prozessökonomie begründet werde. Bei dem Landgericht Hamburg seien mehrere Hundert gleichgelagerte Berufungen anhängig. Nach Abschluss der beim Bundesgerichtshof anhängigen Revisionsverfahren sei zu erwarten, dass entweder die Klägerin ihre Berufung zurücknehme oder die Beklagtenseite den Klageanspruch anerkenne. Eine streitige Fortsetzung des vorliegenden Verfahrens zum gegenwärtigen Zeitpunkt würde daher zu einer erheblichen Mehrbelastung des Gerichts führen. Sie wäre insbesondere auch für die betroffenen Parteien in einem Maße unwirtschaftlich, dass es gerechtfertigt erscheine, dem Wertungsgesichtspunkt der Prozessökonomie das erforderliche Gewicht beizumessen.
- 5
- 2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 6
- a) Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit die Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus, also dass die Entscheidung in dem einen Rechtsstreit die Entscheidung des anderen rechtlich beeinflussen kann (BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, BGHZ 162, 373, 375). Diese Voraussetzung ist - wie das Landgericht auch erkannt hat - vorliegend nicht erfüllt, da die beim Senat anhängigen Revisionsverfahren VIII ZR 93/11 und VIII ZR 94/11 im Hinblick auf das der Rechtsbeschwerde zu Grunde liegende Verfahren weder materielle Rechtskraft entfalten noch Gestaltungs- oder Interventionswirkung haben (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 148 Rn. 23 ff.). Es genügt nicht, dass die in den genannten Revisionsverfahren zu erwartenden Entscheidungen (lediglich) geeignet sind, einen rein tatsächlichen Einfluss auf die zu treffende Entscheidung zu haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, aaO; vom 25. Januar 2006 - IV ZB 36/03, juris Rn. 2; BAG, NJOZ 2005, 2318, 2324).
- 7
- b) Allein die Tatsache, dass in einem anderen Verfahren über einen gleich oder ähnlich gelagerten Fall nach Art eines Musterprozesses entschieden werden soll, rechtfertigt für sich genommen ebenfalls noch keine Aussetzung analog § 148 ZPO (BGH, Beschlüsse vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, aaO S. 376, und X ZBX ZB 20/04, juris Rn. 11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Januar 2006 - IV ZB 36/03, aaO; Senatsurteil vom 21. Februar 1983 - VIII ZR 4/82, NJW 1983, 2496 unter II 2 a; OLG Stuttgart, OLGR 1999, 134 f.).
- 8
- c) Die vom Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang bislang ausdrücklich offen gelassene Frage, ob bei "Massenverfahren" die Unmöglichkeit der angemessenen Bewältigung der Gesamtheit der Verfahren das Gewicht verfahrenswirtschaftlicher Erwägungen so zu erhöhen vermag, dass hierin ein nicht nur quantitativ, sondern qualitativ anderer Wertungsgesichtspunkt als die "normale" Prozessökonomie hervortritt (BGH, Beschlüsse vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, aaO S. 377, und X ZBX ZB 20/04, aaO Rn. 13; vgl. auch Stürner, JZ 1978, 499), bedarf auch vorliegend keiner Entscheidung. Voraussetzung für die Annahme eines derartigen "Massenverfahrens" wäre jedenfalls, dass das Gericht mit einer schlechthin nicht zu bewältigenden Vielzahl von gleichgelagerten Verfahren befasst ist (BGH, Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 20/04, aaO Rn. 15). Dazu hat das Landgericht bislang keine zureichenden Feststellungen getroffen.
- 9
- Der Beschluss lässt bereits nicht erkennen, wie viele der bei dem Landgericht Hamburg anhängigen gleichgelagerten Berufungsverfahren, deren Zahl mit mehreren Hundert angegeben ist, gerade bei der Zivilkammer 4 anhängig sind. Diese Angabe ist jedoch erforderlich, um beurteilen zu können, ob das Gericht mit einer schlechthin nicht zu bewältigenden Vielzahl von gleichgelagerten Verfahren befasst ist, die es gegebenenfalls rechtfertigen könnte, aus besonderen verfahrenswirtschaftlichen Erwägungen eine Aussetzung jedenfalls eines Teils der anhängigen Verfahren in Betracht zu ziehen. Allein der Umstand , dass auch bei anderen Spruchkörpern desselben Gerichts weitere gleichgelagerte Verfahren anhängig sind, lässt eine solche Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO nicht zu, da dies für die Belastung des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers und dessen Fähigkeit zur angemessenen Bewältigung der bei ihm anhängigen Verfahren ohne Aussagekraft ist.
- 10
- Ebenso wenig wird eine solche Aussetzung durch die Überlegung des Berufungsgerichts gerechtfertigt, dass eine streitige Fortsetzung des vorliegenden Verfahrens zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu einer erheblichen Mehrbelastung des Gerichts führen würde und auch für die betroffenen Parteien in besonderer Weise unwirtschaftlich wäre. Zu einer solchen erheblichen Mehrbelastung der Zivilkammer 4 ist - wie ausgeführt - nichts Näheres festgestellt, so dass sich auch schon deshalb der Hinweis auf die Unwirtschaftlichkeit einer Verfahrensfortsetzung noch im Bereich "normaler" Prozessökonomie bewegt, die die vor- genommene Verfahrensaussetzung nicht trägt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, und X ZB 20/04; jeweils aaO). Ball Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Bünger
AG Hamburg-Harburg, Entscheidung vom 02.07.2010 - 645 C 320/09 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 23.08.2011 - 304 S 54/10 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I. Die Klägerin nimmt die beklagten Landwirte auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung für den Nachbau teils nach Gemeinschaftsrecht , teils nach dem Sortenschutzgesetz geschützter Getreidesorten in den Wirtschaftsjahren 1997/98 bis 1999/2000 in Anspruch.
Das Landgericht hat die Beklagten im wesentlichen antragsgemäß verurteilt.
Das Berufungsgericht hat die Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Verfahren vor dem Bundesgerichtshof mit den Aktenzeichen X ZR 156/03, X ZR 157/03 und X ZR 158/03 ausgesetzt.
Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
1. Das Berufungsgericht hat die Aussetzung der Verhandlung, der die Beklagten, nicht aber die Klägerin zugestimmt haben, damit begründet, daß der Bundesgerichtshof, bei dem drei Parallelverfahren mit einem vergleichbaren Streitgegenstand anhängig seien, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften um eine Vorabentscheidung ersucht habe. Bei dieser Sachlage erachte es der Senat gerade auch im Interesse der Parteien (u.a. im Kosteninteresse ) für angemessen, die Verhandlung entsprechend § 148 ZPO auszusetzen , da in den beim Bundesgerichtshof anhängigen Verfahren abschließend über den geltendgemachten Entschädigungsanspruch der Klägerin in gleichgelagerten Fällen entschieden werde.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen , daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Die Aus-
setzung der Verhandlung setzt damit Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtstreit oder dem Verwaltungsverfahren zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus (Baumbach /Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 148 Rdn. 4; Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 148 Rdn. 5; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 148 Rdn. 3; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 148 Rdn. 5; vgl. auch BGH, Urt. v. 10.7.2003 - VII ZB 32/02, NJW 2003, 3057). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt, da den beim Senat anhängigen anderen Verfahren, an denen die Beklagten nicht beteiligt sind, im Hinblick auf das Streitverfahren allenfalls die Bedeutung eines Musterprozesses zukommt.
Soweit in der Literatur eine Aussetzung bereits dann für möglich gehalten wird, wenn ein rein tatsächlicher Einfluß in Betracht kommt, den Vorgänge in einem anderen Prozeß, wie etwa eine Beweisaufnahme, oder die Entscheidung des anderen Verfahrens auf die Entscheidung in dem zweiten Verfahren ausüben könnten (in diesem Sinne etwa Peters in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 148 Rdn. 10), kann dem nicht gefolgt werden. § 148 ZPO stellt nicht auf sachliche oder tatsächliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Verfahren , sondern auf die Abhängigkeit vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab. Allein die tatsächliche Möglichkeit eines Einflusses genügt dieser gesetzlichen Voraussetzung nicht und wäre im übrigen auch ein konturenloses Kriterium, das das aus dem Justizgewährleistungsanspruch folgende grundsätzliche Recht der Prozeßparteien auf Entscheidung ihres Rechtsstreits in seinem Kern beeinträchtigen würde.
b) Die Aussetzung der Verhandlung wird aber auch nicht durch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 148 ZPO, wie sie das Berufungsgericht für möglich gehalten hat, gerechtfertigt.
aa) Daß in einem anderen Verfahren über einen gleich oder ähnlich gelagerten Fall nach Art eines Musterprozesses entschieden werden soll, rechtfertigt für sich genommen noch keine Analogie zu der in § 148 ZPO geregelten Fallkonstellation. Denn die Vorschrift dient zwar auch der Prozeßökonomie , indem sie die Gerichte vor der doppelten Befassung mit zumindest teilweise identischem Streitstoff bewahrt (Sen.Beschl. v. 6.4.2004 - X ZR 272/02, GRUR 2004, 710 - Druckmaschinen-Temperierungssystem, für BGHZ 158, 372 vorgesehen; BGH, Beschl. v. 25.3.1998 - VIII ZR 337/97, NJW 1998, 1957; Beschl. v. 17.12.1997 - XII ARZ 32/97, FamRZ 1998, 1023). Darin erschöpft sich der Zweck der Norm jedoch nicht; § 148 ZPO enthält keine allgemeine Ermächtigung, die Verhandlung eines Rechtsstreits zur Abwendung einer vermeidbaren Mehrbelastung des Gerichts auszusetzen. Vielmehr ist die Aussetzung grundsätzlich nur dann eröffnet, wenn die Entscheidung in dem einen Rechtsstreit die Entscheidung des anderen rechtlich beeinflussen kann.
bb) Ist die Verfassungsmäßigkeit eines entscheidungserheblichen Gesetzes Gegenstand einer anhängigen Verfassungsbeschwerde oder Richtervorlage , ist es hiernach zulässig, die Verhandlung in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO auszusetzen, solange sich das erkennende Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit des entscheidungserheblichen Gesetzes überzeugt hat (BGH, Beschl. v. 18.7.2000 - VIII ZR 323/99, RdE 2001, 20; Beschl. v. 25.3.1998 aaO; s. auch BVerfG, NJW 2000, 1484). Denn wird das entscheidungserhebliche Gesetz für nichtig erklärt, wirkt dies erga omnes und beeinflußt damit notwendigerweise das ausgesetzte Verfahren rechtlich.
cc) Ob darüber hinaus Fälle denkbar sind, in denen der rechtlich erhebliche Einfluß des Verfahrens, bis zu dessen Entscheidung ausgesetzt wird, durch einen anderen, über bloße Prozeßwirtschaftlichkeit hinausreichenden Wertungsgesichtspunkt ersetzt werden kann, muß im Streitfall nicht abschlie-
ßend entschieden werden. Es kann auch dahinstehen, ob bei "Massenverfahren" die Unmöglichkeit einer angemessenen Bewältigung der Gesamtheit der Verfahren das Gewicht verfahrenswirtschaftlicher Erwägungen gegebenenfalls so zu erhöhen vermag, daß hierin ein nicht nur quantitativ, sondern qualitativ anderer Wertungsgesichtspunkt als die "normale" Prozeßökonomie hervortritt (s. dazu Stürner, JZ 1978, 499, 501; Musielak/Stadler aaO, § 148 Rdn. 5; Peters aaO, § 148 Rdn. 9; LG Freiburg, NJW 2003, 3424; ablehnend Kähler, NJW 2004, 1132, 1136; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 148 Rdn. 16). Denn die angefochtene Entscheidung läßt keinen Wertungsgesichtspunkt erkennen , der die Aussetzung der Verhandlung tragen könnte.
Die beim Senat anhängigen Verfahren X ZR 156/03, X ZR 157/03 und X ZR 158/03 rechtfertigen die Aussetzung der Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht. Sie betreffen zwar wie der Streitfall die Höhe der angemessenen Entschädigung für den Nachbau. Die bloße Übereinstimmung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage erlaubt jedoch die Aussetzung jedenfalls dann nicht, wenn sie nicht mit Zustimmung beider Parteien erfolgt. Zwar spricht das Berufungsgericht abschließend bei der Begründung der Zulassung der Rechtsbeschwerde (in Anführungszeichen) auch von Massenverfahren. Daß das Berufungsgericht mit einer schlechthin nicht zu bewältigenden Vielzahl von gleichgelagerten Berufungsverfahren befaßt wäre, läßt seine Entscheidung jedoch nicht erkennen; andere gegebenenfalls relevante Gründe für eine Aussetzung führt es nicht an.
3. Es rechtfertigt die angefochtene Entscheidung auch nicht, daß der Senat in den vom Berufungsgericht genannten Verfahren zwischenzeitlich dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vier Fragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 2, 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission über die Ausnahmeregelung gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG)
Nr. 2100/94 des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz vom 24. Juli 1995 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 der Kommission vom 3. Dezember 1998 nach Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt hat (jeweils Sen.Beschl. v. 11.10.2004; der Beschluß in der Sache X ZR 156/03 - Nachbauentschädigung - ist in GRUR 2005, 240 veröffentlicht). Denn eine Ermessensentscheidung des Inhalts, die Verhandlung auszusetzen, bis über diese Vorlagen entschieden ist, hat das Berufungsgericht nicht getroffen . Sie kann von dem zur Entscheidung über die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts (im derzeitigen Verfahrensstadium) nicht befugten beschließenden Senat nicht nachgeholt werden. Daher bedarf es keiner Entscheidung, ob das Berufungsgericht berechtigt gewesen wäre, eine solche Aussetzungsentscheidung zu treffen (s. dazu BAG, Beschl. v. 6.11.2002 - 5 AZR 279/01 (A), bei juris ; BPatGE 45, 89 = GRUR 2002, 734), wofür immerhin sprechen könnte, daß die Gemeinschaftsgerichte und die nationalen Gerichte zu loyaler Zusammenarbeit verpflichtet sind (EuGH, GRUR Int. 2001, 333 Rdn. 58 - Masterfoods/HB Ice Cream) und die Erfüllung der Aufgabe des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, nicht als Rechtsmittelgericht in mitgliedstaatlichen Verfahren tätig zu werden, sondern verbindlich über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu entscheiden, durch eine Vielzahl von gleichgelagerten, nichts zu einer Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen beitragenden Vorabentscheidungsersuchen eher beeinträchtigt denn gefördert werden könnte.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Kirchhoff
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.