Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 16. Mai 2011 - 1 M 54/11

bei uns veröffentlicht am16.05.2011

Tenor

Der Antrag des Antragsgegners, den Beschluss des Gerichts vom 24. November 2010 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO entsprechend dem dortigen Antrag abzuändern und der Beschwerde stattzugeben, wird abgelehnt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 3.552,60 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beteiligten streiten um die Heranziehung der Antragstellerin zu Trinkwassergebühren für den Monat Januar 2010. Das Verwaltungsgericht Greifswald hat dem Antrag der Antragstellerin auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 08. Juni 2010 – 3 B 406/10 – stattgegeben. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat der Senat mit Beschluss vom 24. November 2010 – 1 M 145/10 – als unzulässig verworfen, weil das Beschwerdevorbringen nicht dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt hat.

2

Der Antragsgegner hat nunmehr beantragt, den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. November 2010 im Verfahren Az. 1 M 145/10 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO entsprechend dem dortigen Antrag abzuändern und der Beschwerde stattzugeben. Der Abänderungsantrag ist von einem Rechtsanwalt formuliert worden. Er bezieht sich eindeutig auf den Senatsbeschluss vom 24. November 2010 – 1 M 145/10 – im Beschwerdeverfahren und ist insoweit nicht auslegungsbedürftig.

3

Dieser Antrag ist bereits unzulässig, wobei dahin gestellt bleiben kann, ob insoweit der Gesichtspunkt der Statthaftigkeit oder des Rechtsschutzbedürfnisses maßgeblich ist.

4

Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache – vorliegend mit Blick auf das Verfahren Az. 1 L 125/10 also das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (Satz 2).

5

Das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ist nicht eine Art Rechtsmittelverfahren, sondern ein gegenüber dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO selbständiges neues Verfahren, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung der früheren Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO auf ihre Richtigkeit hin ist, sondern die Neuregelung der Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes für die Zukunft in einem von dem ergangenen Beschluss abweichenden Sinn (vgl. VGH München, Beschl. v. 11.02.2009 – 6 CS 08.2894 –, juris; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 80 Rn. 183). Gegenstand des Abänderungsantrages kann folglich nur derjenige gerichtliche Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO sein, der in der Vergangenheit und mit Wirkung noch im Zeitpunkt der Stellung des Antrages nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO die Frage der Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes entschieden hat und entsprechend materielle Rechtskraft entfaltet. Ein Beschluss des Beschwerdegerichts, der – wie vorliegend der Beschluss vom 24. November 2010 – lediglich in dem Sinne über das Rechtsmittel der Beschwerde entscheidet, dass er die Beschwerde gegen den Beschluss der Vorinstanz nach § 80 Abs. 5 VwGO zurückweist oder als unzulässig verwirft, kann infolgedessen nicht Gegenstand des Abänderungsantrages sein bzw. ist kein „Beschluss über Anträge nach Absatz 5“ im Sinne von § 80 Abs. 7 VwGO, der Rechtskraftwirkung entfalten könnte. Für die Abänderung einer solchen Beschwerdeentscheidung besteht auch kein Bedürfnis, da § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO die Möglichkeit zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung eröffnet. Ändert demgegenüber das Beschwerdegericht den Beschluss des Verwaltungsgerichts gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ab, ist diese Entscheidung des Beschwerdegerichts diejenige, die in der Vergangenheit und mit Wirkung noch im Zeitpunkt der Stellung des Antrages nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO die Frage der Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes entschieden hat, und kann diese folglich Gegenstand eines Abänderungsantrages sein. Dass der Beschluss des Beschwerdegerichts über die Zurückweisung oder Verwerfung der Beschwerde nicht Gegenstand eines Antrages nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO sein kann, folgt zudem aus der Erwägung, dass dann das Beschwerdegericht in seiner Funktion als Rechtsmittelgericht eine erneute oder – im Falle der vorherigen Verwerfung der Beschwerde – erstmalige Beurteilung der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung vornehmen müsste, die aber gerade im Abänderungsverfahren nicht erfolgt. Der Beschwerde – wie beantragt – stattzugeben, verlangte gerade eine entsprechende Richtigkeitsprüfung.

6

§ 80b Abs. 3 VwGO, nach dem § 80 Abs. 5 bis 8 und § 80a VwGO entsprechend gelten, erfasst schließlich nur Anordnungen des Oberverwaltungsgerichts nach § 80b Abs. 2 VwGO.

7

Der Antrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist jedenfalls auch unbegründet. Die Abänderung eines Beschlusses über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kommt nur in Betracht, wenn sich Umstände verändert haben oder Umstände im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemacht worden sind, die die entscheidungstragenden Erwägungen des Beschlusses betreffen, also entscheidungserheblich waren und sind. Der Abänderungsantrag ist vom Antragsgegner damit begründet worden, dass der Senat in den Berufungsverfahren Az. 1 L 59/10 und 1 L 125/10 nunmehr in der Sache zu Gunsten des Beklagten entschieden habe. Dieser Umstand ist hinsichtlich der tragenden Erwägung des Beschlusses vom 24. November 2010 – 1 M 145/10 –, das Beschwerdevorbringen genüge nicht dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO und folglich sei die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, offensichtlich ohne Relevanz: Die Frage der Erfüllung des Darlegungserfordernisses stellt sich nicht in einem anderen Licht dar, weil den Berufungen des Beklagten stattgegeben worden ist, unabhängig davon, dass die Urteile mit vollständiger Begründung ohnehin noch nicht zugestellt sind.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

9

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 47 GKG.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

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(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde 1. auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,2. auf Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80b


(1) Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage endet mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage endet mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Dies gilt auch, wenn die Vollziehung durch die Behörde ausgesetzt oder die aufschiebende Wirkung durch das Gericht wiederhergestellt oder angeordnet worden ist, es sei denn, die Behörde hat die Vollziehung bis zur Unanfechtbarkeit ausgesetzt.

(2) Das Rechtsmittelgericht kann auf Antrag anordnen, daß die aufschiebende Wirkung fortdauert.

(3) § 80 Abs. 5 bis 8 und die §§ 80a und 80c gelten entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage endet mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Dies gilt auch, wenn die Vollziehung durch die Behörde ausgesetzt oder die aufschiebende Wirkung durch das Gericht wiederhergestellt oder angeordnet worden ist, es sei denn, die Behörde hat die Vollziehung bis zur Unanfechtbarkeit ausgesetzt.

(2) Das Rechtsmittelgericht kann auf Antrag anordnen, daß die aufschiebende Wirkung fortdauert.

(3) § 80 Abs. 5 bis 8 und die §§ 80a und 80c gelten entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 24. Februar 2010 – 3 A 1156/08 – geändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldnerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Klägerin zu Gebühren für den Bezug von Trinkwasser in den Monaten Januar, August, September und Oktober 2008 für die Verbrauchsstelle der Klägerin unter der Rubrumsanschrift.

2

Die Klägerin verbraucht nach eigenen Angaben aus dem Jahr 2008 jährlich etwa 300.000 m³ Trinkwasser. Im Jahr 2010 wurde im Zweckverbandsgebiet eine Wassermenge von 5.346.876 m³ gefördert, im Jahr 2008 von etwa 4,5 Mio. m³. Der Zweckverband Wasserversorgung (ZWAR) betreibt die öffentliche Einrichtung Wasserversorgung für ein Versorgungsgebiet von 974 km². Der Anschlussgrad im Bereich Wasserversorgung beträgt ca. 98 %. Auf Rügen werden 65.677 und auf Hiddensee 1.086 Einwohner versorgt (Stand 2009), während der Sommersaison mit Urlaubern die zwei- bis dreifache Einwohnerzahl. Die einzelnen Wasserversorgungsanlagen haben außerhalb der Saison eine Auslastung im Bereich zwischen 12 und 70 %, der Durchschnittswert liegt bei 40 %. Die durch den erhöhten Saisonbedarf verursachten Herstellungskosten verhalten sich dazu in etwa proportional, liegen also je nach Ortsnetz um ca. 30 % bis ca. 90 % höher, als wenn die tourismusbedingten Höchstlasten nicht zu leisten wären. Von der geförderten Trinkwassermenge sind auf die Saisonmonate Juni – September monatlich 549.997 m³ entfallen, auf die restlichen 8 Monate jeweils 393.360 m³. Der Zeitpunkt der Fertigstellung der zentralen Trinkwasserversorgungsanlage steht noch nicht fest. Das Wasserversorgungskonzept des Zweckverbandes vom 25. November 2010 umfasst nunmehr einen Zeitraum von 2010 bis 2040. Zum 31. Dezember 2007 lagen die um das von der Nordwasser GmbH i. L. übernommene Anlagevermögen bereinigten Anschaffungs- und Herstellungskosten der Anlage bei 64,5 Mio. Euro. Zu ihrer Finanzierung hatte der Zweckverband Kredite in Höhe von 36,66 Mio. Euro aufgenommen, die zum 31. Dezember 2007 noch in Höhe von ca. 25,5 Mio. Euro valutierten. Die Gesamtkreditbelastung des Zweckverbandes belief sich zum 31. Dezember 2009 auf ca. 71 Mio. Euro, wovon auf die Sparte Trinkwasser ca. 29,5 Mio. Euro entfielen. Das erwähnte Wasserversorgungskonzept sieht im Zeitraum von 2010 bis 2040 geschätzte Investitionen in Höhe von ca. 84. Mio. € (einschließlich Hiddensee) vor.

3

Mit Bescheid vom 07. Februar 2008 setze der Beklagte gegenüber der Klägerin für den Abrechnungszeitraum 01. bis 31. Januar 2008 und die von ihr verbrauchte Trinkwassermenge eine Gebühr von 49.429,16 Euro fest.

4

In Abweichung zu dem Bescheid vom 07. Februar 2008 erfolgte mit dem streitgegenständlichem Änderungsbescheid vom 04. März 2008 (Kundennummer: 120 196) für denselben Abrechnungszeitraum und Verbrauch die Festsetzung von Wassergebühren in Höhe von nunmehr 61.986,33 Euro. Dem Änderungsbescheid lag die zwischenzeitliche Veränderung des Satzungsrechts des Zweckverbandes betreffend die Refinanzierung der Kosten für die Herstellung der zentralen Anlage der Trinkwasserversorgung zugrunde:

5

Ursprünglich sah die Satzung des Zweckverbandes „Wasserversorgung “ über die Erhebung von Anschlussbeiträgen und Kostenerstattungen für die Wasserversorgung – Wasserversorgungsbeitragssatzung – vom 09. Oktober 2002 (nachfolgend: WBS 2002) i. d. F. der 1. Satzung zur Änderung der Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 18. Juni 2004 in ihrem § 1 Abs. 2 Buchst. a) die Erhebung von Anschlussbeiträgen „zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen“ vor. Auf der Grundlage von Wasserversorgungsbeitragssatzungen wurden im Zeitraum von 1998 bis 2006 mit ca. 2.300 bis 2.500 Bescheiden Trinkwasseranschlussbeiträge im Umfang von 6.542.754,30 Euro erhoben, was ca. 6 bis 8 % des gesamten zu erhebenden Beitragsvolumens ausmachte. Die Klägerin selbst wurde vom Beklagten nie zu einem Anschlussbeitrag herangezogen.

6

Am 03. Mai 2006 fasste die Verbandsversammlung des Zweckverbandes den Beschluss, die Erhebung von Beiträgen für die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung für die „Altanschließergrundstücke“ „bis zur Klärung der Rechtslage“ auszusetzen. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2007 wandte sich der Zweckverband an das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Darin heißt es im Wesentlichen: Die Verbandsversammlung beabsichtige für die Trinkwasserversorgung ein reines Gebührenmodell einzuführen und bisher erhobene Beiträge in Höhe von ca. 5 Mio. Euro an die Grundstückseigentümer unverzinst zurückzuzahlen. Die Umstellung würde linear ansteigend bis zum Jahr 2012 unter gleichen Randbedingungen zu einer Erhöhung der Mengengebühr um ca. 0,50 € führen, also von bisher Brutto 1,41 € pro m³ auf rund 1,90 € pro m³. Man sehe sich als atypischen Fall. Insgesamt betrachtet habe der Zweckverband Anlagen der Wasserversorgung für rund 200.000 Einwohner vorzuhalten, die tatsächliche Einwohnerzahl betrage gut 70.000, d.h. außerhalb der Saison komme es teilweise nur zu einer Anlagenauslastung von unter 40 %. Die Vorteile der wasserseitigen Erschließung der Grundstücke könnten in der Regel nur die Grundstücke realisieren, die in den Ostseebädern und den „Ballungszentren“ A-Stadt und Sassnitz lägen und z.B. durch saisonale Vermietung an Touristen usw. auch wirtschaftlich genutzt würden. Üblicherweise befänden sich dort auch die kleinsten Grundstücke, so dass die ländlichen, historisch auch größeren Grundstücke die angeführten Vorteile mittragen müssten. Auf dieses Schreiben antwortete das Innenministerium M-V mit Erlass vom 24. Januar 2008 im Wesentlichen, es werde vor dem Hintergrund, dass nach wie vor unterschiedliche Auffassungen darüber bestünden, welche Bedeutung die Soll-Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V für die konkreten, bei den jeweiligen kommunalen Aufgabenträger durchaus unterschiedlich vorliegenden Fallkonstellationen habe, die unteren Rechtsaufsichtsbehörden darauf hinweisen, Beschlüsse oder Satzungen kommunaler Aufgabenträger wegen eines eventuellen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bis auf Weiteres nicht zu beanstanden. Sollte der Zweckverband dabei für die aus Gleichbehandlungsgründen sinnvolle und wohl auch erforderliche Rückzahlung von Anschlussbeiträgen Kredite benötigen, werde das Innenministerium auch insoweit der bereits von der unteren Rechtsaufsichtsbehörde in Aussicht gestellten Kreditgenehmigung nicht entgegentreten.

7

Am 28. August 2008 beschloss die Verbandsversammlung die Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung zur Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung (Aufhebungssatzung), die am 03. September 2008 ausgefertigt wurde. Die Aufhebungssatzung enthält zwei Bestimmungen:

8

§ 1
Aufhebung

Die Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002, in der Fassung der 1. Satzung zur Änderung der Satzung vom 18. Juni 2004, wird ersatzlos aufgehoben.

§ 2
In-Kraft-Treten

Diese Satzung tritt rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft.

9

Dem Erlass der Aufhebungssatzung vorausgegangen war ein – von der Kommunalaufsicht wegen seiner Form als ungeeignet zur Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung bewerteter – einfacher Beschluss der Verbandsversammlung vom 27. Februar 2008 über die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung. In der Beschlussvorlage dazu hieß es im Wesentlichen, § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V eröffne als "Soll-Regelung" bei Vorliegen einer atypischen Situation die Möglichkeit, auf eine Beitragserhebung zu verzichten und eine reine Gebührenfinanzierung zu installieren. Eine solche atypische Situation werde im Verbandsgebiet gesehen.

10

Unter dem 27. Januar 2008 hatte die Verbandsversammlung bereits zuvor die Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung über die Erhebung von Gebühren für die Wasserversorgung – Wasserversorgungsgebührensatzung (nachfolgend: WVGS 2008) – beschlossen, ausgefertigt am 20. März 2008. Auch diese Satzung trat gemäß ihrem § 10 rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft und ist Rechtsgrundlage des angefochtenen Änderungsbescheides.

11

§ 1 Abs. 1 Buchst. a) WVGS 2008 lautet im Wesentlichen wie folgt:

12

„Der … Zweckverband Wasserversorgung … erhebt nach Maßgabe dieser Satzung:
a) Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Wasserversorgung zur Deckung der Kosten gemäß § 6 Abs. 2 … (KAG M-V) sowie zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen …“

13

Den Zusatz „sowie zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen“ enthielt die vorher geltende Wasserversorgungsgebührensatzung vom 03. November 2005 (WVGS 2005) nicht. Die Gebühren werden gemäß § 1 Abs. 2 WVGS 2008 als Grundgebühren (Buchst. a) und Zusatzgebühren (auch Mengen- oder Verbrauchsgebühren, Buchst. b) erhoben.

14

Die Zusatzgebühr beträgt gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 WVGS 2008 (einschließlich Umsatzsteuer in Höhe von 7 %) 1,77 Euro/m³ zugeführten Wassers. Demgegenüber regelte die Vorläuferbestimmung des § 3 Abs. 2 Satz 1 WVGS 2005 vom 03. November 2005 insoweit noch einen Gebührensatz von 1,41 Euro/m³. Die Grundgebühr gemäß § 3 Abs. 1 WVGS 2008 blieb gegenüber der Satzung von 2005 unverändert.

15

Die Wasserversorgungsgebührensatzung vom 20. März 2008 erfuhr mit der 1. Satzung zur Änderung der Satzung des ZWAR über die Erhebung von Gebühren sowie Kostenerstattungsansprüchen für die Wasserversorgung vom 03. September 2008, rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft getreten, Änderungen in einigen anderen Bestimmungen.

16

In der Zeit nach der Änderung des Satzungsrechts des Zweckverbandes wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt von den vereinnahmten Anschlussbeiträgen 5.479.355,81 Euro zurückgezahlt oder gegen bestehende Forderungen des Zweckverbandes verrechnet, was nach Angaben des Beklagten einer Quote von 84 % entspricht. Während der bereits anhängigen Verwaltungsstreitverfahren hat die Landrätin des Landkreises Rügen als untere Rechtsaufsichtsbehörde unter dem 04. Juni 2009 dem Zweckverband auf Grundlage des Beschlusses der Verbandsversammlung vom 17. Dezember 2008 (Beschluss Nr.: 562-67-31/08) von dem unter Punkt 2.1 der Zusammenstellung zum Wirtschaftsplan für das Wirtschaftsjahr 2009 veranschlagten Gesamtbetrag der Kredite für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen den mit der Genehmigung vom 19. Januar 2009 ausgesetzten Teilbetrag in Höhe von 6 Mio. Euro genehmigt.

17

Den am 28. März 2008 beim Beklagten eingegangenen Widerspruch der Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 04. März 2008, der u. a. darauf verwies, dass der erhöhte Gebührensatz bei ihr – als Vielfaches der "Anschlussgebühren" – zu jährlichen Mehrkosten in der Größenordnung von 72.000,00 Euro führe, wies dieser mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2008 – zugestellt am 19. Juli 2008 – zurück.

18

Mit weiteren Bescheiden vom 03. September 2008, 15. Oktober 2008 und 12. November 2008 (jeweils Kundennummer: 120 196) zog der Beklagte die Klägerin zu Wassergebühren für die Zeiträume August, September und Oktober 2008 in Höhe von 52.776,99 Euro, 77.152,84 Euro und 48.279,41 Euro heran, wogegen diese jeweils am 30. September 2008, 03. November 2008 bzw. 04. Dezember 2008 Widerspruch einlegte. Mit Widerspruchsbescheiden vom 17. November 2008 (betreffend die Bescheide vom 03. September und 15. Oktober 2008) – zugestellt am 19. November 2008 – und 08. Dezember 2008 – zugestellt am 12. Dezember 2008 – wies der Beklagte die Rechtsbehelfe zurück.

19

Am 01. August 2008 hat die Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 04. März 2008 Klage beim Verwaltungsgericht Greifswald (Az. 3 A 1156/08) erhoben (vorläufiges Rechtsschutzverfahren: VG Az. 3 B 1161/08, OVG Az. 1 M 157/08), am 19. Dezember 2008 gegen die Gebührenbescheide vom 03. September 2008 und 15. Oktober 2008 jeweils zu den Az. 3 A 2078/08 und 3 A 2082/08 (vorläufiges Rechtsschutzverfahren: VG Az. 3 B 2079/08 , OVG Az. 1 M 19/09) und am 12. Januar 2009 gegen den Gebührenbescheid vom 12. November 2008 zum Az. 3 A 45/09 (vorläufiges Rechtsschutzverfahren: VG Az. 3 B 49/09); die Verfahren sind zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden (Az. 3 A 1156/08).

20

Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen vorgetragen,

21

ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage, die Gebührensatzung sei unwirksam. Die Einführung des sogenannten reinen Gebührenmodells verstoße gegen die Sollregelung in § 9 Abs. 1 KG M-V, da keine atypische Ausnahme gegeben sei, die ein Absehen von der grundsätzlich gebotenen Beitragserhebung rechtfertige. Die Satzung verstoße zudem gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Die Kalkulation der Gebührensätze sei methodisch fehlerhaft.

22

Die Klägerin hat beantragt,

23

den Bescheid des Beklagten vom 04.03.2008 – Kundennummer 120196 – in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15.07.2008 insoweit aufzuheben, als die Festsetzung den Betrag von Euro 49.429,16 übersteigt, und dessen Bescheide vom 03.09.2008, vom 15.10.2008 sowie vom 12.11.2008 – Kundennummern 120196 – in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17.11.2008 bzw. 18.12.2008 insgesamt aufzuheben.

24

Der Beklagte hat beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Er hat im Wesentlichen vorgetragen,

27

die Gebührensatzung sei wirksam, die Umstellung des Finanzierungssystems auf das reine Gebührenmodell zulässig. Mit der Sollregelung des § 9 Abs. 1 KAG M-V sei der Spielraum der Aufgabenträger bei der Wahl des Refinanzierungssystems im Verhältnis zur früheren Rechtslage erweitert worden. Nach einschlägiger Kommentarliteratur bestehe sogar ein freies Wahlrecht zwischen einem Mischsystem aus Beitrags- und Gebührenerhebung und einem reinen Gebührenmodell. Die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Greifswald bestehende „Höchstkreditquote“ von etwa einem Drittel des beitragsfähigen Herstellungsaufwandes finde im Gesetz keine Grundlage. Die Auslegung des § 9 Abs. 1 KAG M-V habe sich nicht an § 44 Abs. 3 KV M-V zu orientieren. Das Vorliegen einer atypischen Ausnahme sei nach anderen Kriterien als dem einer bestimmten Kreditquote zu ermitteln. Eine atypische Ausnahme sei vorliegend gegeben, denn das Geschäftsgebiet des Zweckverbandes sei erheblich durch eine touristische Struktur mit hoher Auslastung zu den Saison- und äußerst niedriger Auslastung zu den übrigen Zeiten geprägt. Wegen der durch die notwendige Höherdimensionierung verbundenen Mehrkosten sei es gerechter, touristisch genutzte Grundstücke stärker an den Kosten zu beteiligen. Dies werde – wobei sich der Beklagte auf entsprechende Beispielsrechnungen in seinem Schriftsatz vom 05. November 2008 im Verfahren Az. 3 B 1161/08 bezieht – durch das reine Gebührenmodell erreicht. Im Übrigen wären Kreditkosten auch bei einer Beibehaltung des bisherigen Finanzierungsmodells entstanden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Anschlussbeiträge wegen drohender Festsetzungsverjährung bis zum Ablauf des Jahres 2008 zu erheben gewesen wären. Zum einen hätte dies wegen zeitgleicher Beitragserhebung in anderen Bereichen eine erhebliche Belastung vieler Haushalte bedeutet. Zum anderen sei der mit einer Beitragserhebung verbundene Verwaltungsaufwand in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten gewesen. Wegen der Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung seien Beiträge immer erst im zeitlichen Zusammenhang mit Baumaßnahmen im Bereich der betroffenen Grundstücke erhoben worden. Vor diesem Hintergrund habe mit dem drohenden Ablauf der Verjährungsfrist eine „gröblich unangemessene Eilsituation“ bestanden, die zu einer erheblichen Fehleranfälligkeit bei der Beitragserhebung geführt hätte. Weiter sei zu berücksichtigen, dass im Land 80 von 89 Aufgabenträgern im Trinkwasserbereich keine Beiträge erheben würden.

28

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 24. Februar 2010 – 3 A 1156/08 – stattgegeben und die angegriffenen Bescheide entsprechend dem Klageantrag aufgehoben. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die streitgegenständlichen Bescheide seien rechtswidrig, weil ihnen die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KG M-V erforderliche Rechtsgrundlage fehle. Die Wasserversorgungsgebührensatzung vom 20. März 2008 in der Fassung der 1. Änderung sei unwirksam. Sie leide zwar nicht an einem methodischen Fehler bei der Gebührenkalkulation. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Zweckverband die von ihm vereinnahmten Anschlussbeiträge im Rahmen der Kalkulation nicht Gebühren mindernd berücksichtigt habe. Jedoch verstoße die mit dem Erlass der Wasserversorgungsgebührensatzung bzw. mit deren § 1 Abs. 1 Buchst. a) verbundene Einführung des sogenannten reinen Gebührensystems gegen die Soll-Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, die eine Beitragsfinanzierung vorsehe. Diese Vorschrift schließe die Einführung eines sogenannten „reinen Gebührenmodells“ nicht völlig aus, regele aber als Kollisionsnorm das Verhältnis zwischen beiden Finanzierungsmethoden. Mit ihr habe der Gesetzgeber eine Nachrangigkeit der Gebührenfinanzierung angeordnet. Ein einschränkungsloses Wahlrecht der Aufgabenträger, statt eines „Beitragsmodells“ ein „Gebührenmodell“ einzuführen, bestehe nicht. Eine vollständige oder überwiegende Gebührenfinanzierung sei auf so genannte atypische Fälle beschränkt. Hinsichtlich der Kriterien für das Vorliegen einer Ausnahme komme es maßgebend auf die systematischen Bezüge an, die die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu den allgemeinen Grundsätzen der gemeindlichen Einnahmebeschaffung und dabei insbesondere zu der Bestimmung des § 44 Abs. 3 Kommunalverfassung – KV M-V – aufweise. Die Gesetzesmaterialien seien für die Auslegung der Bestimmung demgegenüber unergiebig. Bei § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V handele es sich um die bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 KV M-V normierten allgemeinen Grundsatzes, dass eine Gemeinde Kredite nur aufnehmen dürfe, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich sei oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Danach sei die Kreditfinanzierung gegenüber allen anderen Finanzierungsformen subsidiär, sie solle möglichst vermieden, zumindest aber auf das unabdingbare Maß reduziert werden. Damit erkläre sich, warum die Beitragserhebung die regelmäßige Finanzierungsform für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen darstelle. Die Finanzierung der Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten leitungsgebundener Anlagen durch Benutzungsgebühren erfordere in der Regel einen deutlich höheren Kreditbedarf als eine Beitragsfinanzierung. Das mit der Soll-Regelung verbundene Regelungsziel der Senkung des Fremdkapitalbedarfs gebe auch den Rahmen vor, in dem Ausnahmen zulässig seien. Es müsse ein innerer Zusammenhang zwischen Regel und Ausnahme vorhanden sein. Daraus folge, dass es für die Ausnahme nicht auf eine besondere Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers ankommen könne. Eine am Regelungsziel des § 9 Abs. 1 S. 1 KAG M-V orientierte Ausnahme sei jedoch immer dann gegeben, wenn die Eigenkapitalausstattung für die betreffende Maßnahme – aus welchen Gründen auch immer – so gut sei, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa einem Drittel der Herstellungskosten nicht deutlich übersteige. In diesem Fall sei es nicht einsehbar, warum der Aufgabenträger daran gehindert sein sollte, die Refinanzierung der Anlage ganz oder überwiegend durch Benutzungsgebühren vorzunehmen. Bei der Bemessung der Quote lasse sich das Verwaltungsgericht davon leiten, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V – ebenso wie strengere Regelung in § 8 Abs. 1 KAG M-V 1993 – den Aufgabenträger nicht dazu zwinge, bei der Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 100 % anzustreben; vielmehr sei ein niedrigerer Deckungsgrad zulässig. Dadurch werde die Flexibilität des Aufgabenträgers erhöht und insbesondere gewährleistet, dass er die Belastung der Beitragspflichtigen in einem gewissen Umfang abmildern könne. Allerdings stelle sich bei einem sinkenden Deckungsgrad ab einem bestimmten Punkt die Frage, ob die Beitragserhebung noch mit der Soll-Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V vereinbar sei. Die Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes müsse in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch Beiträge erfolgen. Die Festlegung der insoweit tolerablen Quote von etwa 70 % Beitragsfinanzierung orientiere sich an der Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern, das in seinem Urteil vom 02. Juli 2004 – 4 K 38/02 – bei einem Aufgabenträger, der über die Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 70 % angestrebt habe, die Frage eines Verstoßes gegen die damals noch geltende Beitragserhebungspflicht nach § 8 Abs. 1 KAG M-V 1993 noch nicht einmal angesprochen habe. Daraus folge nach Auffassung der Kammer, dass ein angestrebter Deckungsgrad von 70 % voraussetzungslos zulässig sei, ohne dass es auf das Vorliegen atypischer Umstände ankomme. Nach diesen Kriterien liege eine atypische Ausnahme im Falle des ZWAR nicht vor, da die tolerable Quote einer Kreditfinanzierung vorliegend weit überschritten sei. Andere Umstände, die die Annahme einer atypischen Ausnahme erlaubten, seien ebenfalls nicht erkennbar. Die Auffassung des Beklagten, dass in Regionen mit einer ausgeprägten touristischen Struktur eine atypische Ausnahme vorliegen solle, klinge in den Gesetzgebungsmaterialien nicht einmal an. Hinzu komme, dass gerade in diesen Regionen die Einführung eines reinen Gebührensystems zu einer nicht gerechtfertigten Mehrbelastung der Eigentümer ganzjährig genutzter Grundstücke führe.

29

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Das Urteil ist dem Beklagten ausweislich Empfangsbekenntnisses am 12. März 2010 zugestellt worden. Er hat am 15. März 2010 beim Verwaltungsgericht Berufung gegen das Urteil eingelegt und diese mit am 06. April 2010 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz im Wesentlichen wie folgt begründet:

30

Die angefochtene Entscheidung begegne ernstlichen Richtigkeitszweifeln, die Frage des Systemwechsels sei von grundsätzlicher Bedeutung. Die Satzung wie auch die ihr zugrunde liegende Kalkulation seien entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts rechtmäßig. Auf die Entscheidung des Senats zum Az. 1 M 157/08 und den dortigen sowie anderweitigen Vortrag werde verwiesen. Die in ihr thematisierte Problematik der im Rahmen der Gebührenkalkulation nicht berücksichtigten Einnahmen aus Beiträgen sei obsolet. Die vereinnahmten Trinkwasserbeiträge würden laufend zurückgezahlt, was im Erlasswege geschehe. Der Zweckverband befinde sich auch in einer atypischen Situation im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Dabei sei, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt habe, der Inhalt der Gesetzesmaterialien ohne Belang. Unklar sei dann aber, weshalb das Verwaltungsgericht diese teilweise ausführlich thematisiere und letztlich doch zur Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V dort heranziehe, wo dies der Auffassung des Gerichts dienlich scheine. Einer solchen Auslegung bedürfe es nicht, weil der Regelungsgehalt einer Soll-Regelung geklärt sei. Ob eine atypische Ausnahme vorliege, die es rechtfertigen könne, von der Soll-Regelung abzuweichen, beurteile sich nach allgemeinen tatsächlichen Kriterien. Die Soll-Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V habe die Rechtslage öffnen und Spielräume geben wollen. Diese seien vom Zweckverband in nicht zu beanstandender Weise genutzt worden. Insbesondere von den Gerichten sei zu klären, ob Regionen mit einer ausgeprägten touristischen Struktur eine atypische Ausnahmesituation für sich in Anspruch nehmen dürften.

31

Mit am 14. Dezember 2010 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, es liege ein atypischer Fall vor, der den Zweckverband berechtige, auf ein reines Gebührenmodell zu wechseln. Für die Forderung des Verwaltungsgerichts, es müsse eine bestimmte Kreditquote eingehalten werden, würden weder § 44 Abs. 3 KV M-V noch der – gelockerte – § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V etwa hergeben. Im Hinblick auf die „zwingende“ Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 müsse beachtet werden, dass sie von 90 % der betroffenen Körperschaften eben nicht als zwingend angesehen worden sei. Das Gebührensystem sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht ungerechter. Ein Beispiel für die bis zur Unzumutbarkeit reichenden Schwierigkeiten in der täglichen Anwendung des Rechts im Bereich der Beitragserhebung stelle die wohl richtige jüngere Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zum Az. 4 K 12/07 dar. Es habe als gesichert gelten dürfen, dass der Grundsatz der Typengerechtigkeit auch bei der rechtlichen Beurteilung einer Tiefenbegrenzung Bedeutung gewinnen könne. Dies könne nach der genannten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht mehr angenommen werden. Auch habe es als gesichert gelten dürfen, dass eine satzungsmäßige Tiefenbegrenzung von 50 m aufgrund von Vorschriften im Brandschutzrecht, die von einer Ortsüblichkeit der Bebauung in dieser Tiefe ausgingen, nicht gesondert zu begründen sei. Die gewählte Tiefenbegrenzung müsse nun aber nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts in jedem Fall in Ausübung dargelegten Ermessens hergeleitet und erläutert sein. Anderenfalls fehle es an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung und damit an einer methodisch korrekten Kalkulation. Keiner der in der Vergangenheit beschlossenen Wasserversorgungsbeitragssatzungen des Zweckverbandes habe eine dokumentierte Erfassung der ortsüblichen Bebauungstiefe zugrunde gelegen. Die jeweils gewählte Grenze von 50 m habe allein auf der sog. „Feuerwehrschlauch-Rechtsprechung“ beruht. Ein Systemwechsel liege nicht vor, weil es niemals eine rechtmäßige Trinkwasserbeitragserhebung gegeben habe.

32

Der Beklagte beantragt,

33

die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

34

Die Klägerin beantragt,

35

die Berufung zurückzuweisen.

36

Sie trägt vor,

37

die Berufung des Beklagten sei bereits gemäß § 124 a Abs. 3 Satz 5 VwGO unzulässig, da die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 124 a Abs. 3 Satz 2 VwGO nicht genüge. Insbesondere begründe der Beklagte die zwei geltend gemachten Berufungsgründe der „ernstlichen Richtigkeitszweifel“ und der grundsätzlichen Bedeutung der „Angelegenheit Systemwechsel“ nicht hinreichend. Die bloße Bezugnahme auf das Vorbringen erster Instanz und in diversen anderen Verfahren genüge nicht. Es fehle insgesamt an der rechtlichen Auseinandersetzung mit dem angegriffenen Urteil. Mit Blick auf die zwischenzeitlichen Entscheidungen des Senats in parallelen Beschwerdeverfahren würden für Beschwerde- und Berufungsbegründung die gleichen Maßstäbe gelten. Die Berufung sei zumindest unbegründet. Die Unwirksamkeit der möglichen Rechtsgrundlagen ergebe sich neben den Erwägungen des Verwaltungsgerichts Greifswalds auch aus den Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 25. Mai 2009 – 1 M 157/08 –. Unzutreffend sei die Auffassung des Beklagten, die in diesem Beschluss thematisierte Problematik der im Rahmen der Gebührenkalkulation nicht berücksichtigten Einnahmen aus Beiträgen sei obsolet, da die vereinnahmten Trinkwasserbeiträge laufend zurückgezahlt würden. Der Beklagte habe sein Satzungsrecht nicht angepasst; unabhängig davon trage er schon nicht vor, warum in seinem Verbandsgebiet eine atypische Situation vorliege. Der Beklagte behaupte lediglich, in seinem Verbandsgebiet herrsche eine touristische Struktur vor. Warum es sich bei dieser um eine „atypische“ handele und sie sich im Übrigen atypisch auf die Beitragserhebung auswirke, sei bisher auch nicht erläutert. Die Beitragserhebung im Abwasserbereich laufe problemlos, dort gebe es anscheinend keine atypische Situation. Selbst wenn die reine Gebührenfinanzierung – wie vorgetragen werde – abgabengerechter wäre, führte die bloße größere Abgabengerechtigkeit in einem Verbandsgebiet nicht zu einer atypischen Situation. Die reine Gebührenfinanzierung sei bei einer touristischen Struktur außerdem gerade nicht abgabengerechter, weil damit die Dauernutzer für die – aufgrund der Wochenend- und Feriennutzung – notwendigen Spitzenlastreserven anteilig durch den ganzjährigen Wasserverbrauch mehr zahlten als diejenigen, die für die „Spitzenlasten“ verantwortlich seien. Die vom Beklagten vorgelegten Unterlagen zur Tiefenbegrenzungsregelung der früheren Wasserversorgungsbeitragssatzung seien unzureichend. Bei ordnungsgemäßer Ermessensausübung wäre die Tiefenbegrenzung ebenfalls auf 50 m festgelegt worden, somit sei die Satzung nach den zwischenzeitlich durchgeführten Ermittlungen wirksam gewesen. Die Beitragsbescheide seien bestandskräftig und nicht aufgehoben worden. Auch deshalb sei die Systemumstellung rechtswidrig. Die Kalkulation der Gebühr sei nicht nachvollziehbar.

38

Auf eine vom Berichterstatter gegenüber dem Beklagten erlassene Verfügung gemäß § 87 b Abs. 2 VwGO hat der Beklagte in der ihm zum 07. März 2011 gesetzten Frist u. a. ergänzend vorgetragen: Bei den wesentlichen Ursachen der Gebührenerhöhung fielen Personalaufwand, sonstige betriebliche Aufwendungen sowie Steuern besonders ins Gewicht. Der Systemwechsel bzw. der Umstand, dass erst jetzt vollumfänglich Gebühren erhoben würden, schlage sich im ersten Jahr bei der Gebühr mit ca. 30 Cent, im zweiten Jahr mit noch ca. 19 Cent und ab dem dritten Jahr nur noch mit ca. 2 Cent nieder. Die Beitragsrückzahlung erfolge aus Kreditmitteln. Allerdings habe der Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 50 m in den Satzungswerken des Zweckverbandes eine Ermittlung der örtlichen Verhältnisse/ortsüblichen Bebauungstiefe nebst entsprechender Dokumentation zur Untermauerung der Ermessensentscheidungen, wie sie nun das OVG Mecklenburg-Vorpommern im Sinne methodisch korrekten Kalkulationsvorgehens verlange, nie zu Grunde gelegen. Es habe eine gefestigte Einschätzung bei den zuständigen Sachbearbeitern bestanden. Danach entspreche diese Begrenzung der ortsüblichen Bebauung zumindest insoweit sicher, dass sich jedenfalls keine offenkundigen Unbilligkeiten häuften. Aufgrund dieser aus profunder persönlicher Ortskenntnis und punktuell in Ortsbegehungen gewonnenen Einschätzung seien Ermittlungen, die bislang nur bei Festlegung einer anderen als der 50-Meter-Begrenzung angezeigt erschienen, für entbehrlich gehalten worden. Gezielte bzw. methodische Erhebungen geschweige denn explizite Dokumentationen diesbezüglich, die das Verbandsgebiet insgesamt oder auch nur ermessensrichtig ausgewählte Repräsentativbereiche zum Gegenstand hätten, würden erst jetzt, im Nachgang zur OVG-Rechtsprechung, durchgeführt und sollten noch im März 2011 abgeschlossen werden.

39

Zwischenzeitlich sind zwischen den Beteiligten weitere Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anhängig gewesen, in denen die Klägerin erstinstanzlich obsiegt hat; die Beschwerden des Beklagten, die im Wesentlichen wortlautidentisch mit seiner Berufungsbegründung gemäß Schriftsatz vom 31. März 2010 gewesen sind, hat der Senat mit Beschlüssen vom 24. November 2010 mangels Erfüllung des Darlegungserfordernisses als unzulässig verworfen (Az. 3 B 406/10 und 1 M 145/10, 3 B 542/10 und 1 M 150/10; 3 B 811/10 und 1 M 213/10; 3 B 912/10 und 1 M 214/10; 3 B 1003/10 und 1 M 229/10), ebenso die Beschwerde in einem Parallelverfahren (Beschluss v. 23.11.2010 – 1 M 125/10 –).

40

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, ferner auf die gerichtlichen Verfahrensakten Az. 1 L 125/10 samt Beiakten, 1 M 157/08, 1 M 19/09, 1 M 145/10, 1 M 150/10, 1 M 213/10, 1 M 214/10 und 1 M 229/10, die sämtlich zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

41

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg; sie ist zulässig (I.) und begründet (II.).

42

I. Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht eingelegte Berufung des Beklagten ist entgegen der Auffassung der Klägerin zulässig.

43

1. Die nach Zustellung des Urteils am 12. März 2010 in der Frist des § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO am 15. März 2010 beim Verwaltungsgericht eingelegte Berufung bezeichnet zunächst das angefochtene Urteil hinreichend im Sinne von § 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist es erforderlich, dass Gewissheit über die Identität des angefochtenen Urteils besteht. Eine vollständige Bezeichnung des angefochtenen Urteils erfordert grundsätzlich die Angabe der Beteiligten, des Verwaltungsgerichts, des Aktenzeichens und des Verkündungsdatums (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 124a VwGO Rn. 34, 170 ff.; BGH, Beschl. v. 21.03.1991 – IX ZB 6/91 –, NJW 1991, 2081 – zitiert nach juris; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 02.11.2004 – 1 B 144/04 –, Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 21 – zitiert nach juris). Die Berufungsschrift des Beklagten benennt zwar das Aktenzeichen des angefochtenen Urteils nicht. Vorliegend ist das Urteil jedoch aufgrund sonstiger, innerhalb der Rechtsmittelfrist des § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO erkennbarer Umstände derart individualisierbar, dass seine Identität für den Rechtsmittelgegner und das angerufene Gericht zweifelsfrei feststeht (vgl. BGH, Urt. v. 27.06.1984 – VIII ZR 213/83 –, VersR 1984, 870 –; Beschl. v. 12.04.1989 – IVb ZB 23/89 –, NJW-RR 1989, 958 – jeweils zitiert nach juris). Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hatte am 15. März 2010 zunächst um 11.26 Uhr sein Empfangsbekenntnis, das Urteil vom 24. Februar 2010 – 3 A 1156/08 – am 12. März 2010 erhalten zu haben, per Telefax übermittelt. Die Berufungsschrift ging am selben Tag um 17.16 Uhr auf demselben Weg beim Verwaltungsgericht ein. Insbesondere mit Blick auf die in der Berufungsschrift enthaltene Angabe des Zustellungsdatums war eine hinreichende Verknüpfung zum Empfangsbekenntnis hergestellt, das das Aktenzeichen des Urteils benannte. Auf dieser Basis hat das Verwaltungsgericht eine entsprechende Zuordnung der Berufung vorgenommen, ebenso das Berufungsgericht im Rahmen der Eingangsverfügung. Die am 06. April 2010 schließlich in der Frist des § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO eingegangene Berufungsbegründung spricht entsprechend von der „hier angefochtenen Entscheidung zum Az. 3 A 1156/08“.

44

2. Dieser am 06. April 2010 in der Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1, 2 VwGO beim Oberverwaltungsgericht eingereichte Schriftsatz des Beklagten vom 31. März 2010 zur Begründung der Berufung genügt entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch noch den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO, wonach die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten muss sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).

45

Dem Antragserfordernis und dem Formerfordernis einer gesonderten Berufungsbegründung wird nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig entsprochen, wenn in dem einzureichenden Schriftsatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass, in welchem Umfang und weshalb der Berufungsführer die zugelassene Berufung durchführen will (stRspr des BVerwG; vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 02.06.2005 – 10 B 4.05 –, juris; Beschl. v. 16.12.2004 – 1 B 59.04 –, juris Rn. 2; Beschl. v. 07.03.2003 – 2 B 32.02 –, juris Rn. 4; Beschl. v. 08.03.2004 – 4 C 6.03 –, Buchholz 310 § 124 a VwGO Nr. 26; jeweils zitiert nach juris). Der Wortlaut des 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO, die nach seiner Entstehungsgeschichte gewollte Anlehnung an die im verwaltungsprozessualen Revisionsrecht und im Zivilprozess für die Berufungsbegründung geltenden Anforderungen sowie der Zweck der Bestimmung, mit der Berufungsbegründungspflicht die Berufungsgerichte zu entlasten und dadurch das Berufungsverfahren zu straffen und zu beschleunigen, lassen erkennen, dass die Berufungsbegründung dabei substantiiert und konkret auf den zu entscheidenden Fall bezogen sein muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 09.12.2004 – 2 B 51.04 –, juris). Sie hat in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Einzelnen auszuführen, weshalb das angefochtene Urteil nach der Auffassung des Berufungsführers unrichtig ist und geändert werden muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.07.2008 – 10 B 3.08 –, juris). Welche Mindestanforderungen in Anwendung dieser Grundsätze jeweils an die Berufungsbegründung zu stellen sind, hängt wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.04.2001 – 1 C 33.00 –, BVerwGE 114, 155 – zitiert nach juris; vgl. zum Ganzen auch BVerwG, Beschl. v. 02.06.2005 – 10 B 4.05 –, juris). Grundsätzlich kann es zur Erfüllung des Begründungserfordernisses aus § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO nicht ausreichen, dass der Berufungskläger in der Berufungsbegründung erklärt, er halte an seiner erstinstanzlich bereits dargelegten Rechtsauffassung fest und wünsche eine Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht, er nehme insoweit – konkludent – Bezug auf den erstinstanzlichen Vortrag (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.03.2005 – 5 B 58.04 –, juris). Soweit das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Beschl. v. 30.01.2009 – 5 B 44.08 –, Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 39; Beschl. v. 02.07.2008 – 10 B 3.08 –; Urt. v. 08.03.2004 – 4 C 6.03 –, Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 26 = NVwZ-RR 2004, 541 – jeweils zitiert nach juris) eine Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen im Begründungsschriftsatz für zulässig hält, betrifft dies nur die Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen, also auf die Begründung im Antragsverfahren auf Zulassung der Berufung, nicht hingegen auf die Begründung im erstinstanzlichen Klageverfahren. Insoweit gilt mithin, dass die pauschale Bezugnahme auf einen gegenüber der Vorinstanz eingenommenen Rechtsstandpunkt grundsätzlich nicht ausreichend sein kann.

46

Die Berufungsbegründung des Beklagten in dessen Schriftsatz vom 31. März 2010 erfüllt noch die nach Maßgabe dieses Maßstabes von § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO gestellten Anforderungen, obwohl der Senat seine Beschwerden in parallel gelagerten Beschwerdeverfahren insbesondere zwischen den Beteiligten, deren Begründungen im Wesentlichen wortlautidentisch mit dieser Berufungsbegründung gewesen sind, jeweils mit Beschlüssen vom 24. November 2010 mangels Erfüllung des Darlegungserfordernisses gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO als unzulässig verworfen hat.

47

Zunächst ist prinzipiell zu berücksichtigen, dass mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein nach der Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht überspannt werden und dieses nicht leer laufen lassen dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642; Beschl. v. 08.12.2009 – 2 BvR 758/07 –, NVwZ 2010, 634, 640). Dies gilt umso mehr in Verfahren, in denen der Rechtsmittelführer wegen der Verneinung von Zulässigkeitsvoraussetzungen einen endgültigen Rechtsverlust erleiden würde, also insbesondere mit Blick auf § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Prozesssituation stellt sich – hier – im Berufungsverfahren damit grundlegend anders dar als im Beschwerdeverfahren, in denen der Rechtsmittelführer bei Verneinung der dort geltenden Darlegungsanforderungen grundsätzlich – obsiegt er später im Hauptsacheverfahren – „nur“ zeitlich vorübergehend, für die Dauer des Hauptsacheverfahrens eine Rechtsbeeinträchtigung, aber keinen endgültigen Rechtsverlust hinnehmen müsste.

48

Die entscheidungstragenden Erwägungen aus den Senatsbeschlüssen in den erwähnten Beschwerdeverfahren können vorliegend zudem schon deshalb nicht „eins zu eins“ übernommen werden, weil die für das Erfordernis der Begründung des jeweiligen Rechtsmittels geltenden gesetzlichen Anforderungen in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO einerseits und § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO andererseits vom Gesetzgeber grundlegend unterschiedlich formuliert worden sind: Während § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Darlegung der Gründe, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und ausdrücklich die Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung verlangt, fordert § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO „nur“, dass die Gründe der Anfechtung – die „Berufungsgründe“ – im Einzelnen anzuführen sind. Gerade der Verzicht auf das Erfordernis der Auseinandersetzung gibt schon nach dem Wortlaut des Gesetzes einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO gegenüber denen des § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO weniger streng sind.

49

Zudem sind vorliegend besondere Umstände des konkreten Einzelfalles zu beachten, die die an die Berufungsbegründung des Beklagten zu stellenden Mindestanforderungen herabsenken. Insbesondere unter Berücksichtigung seines Vorbringens in den in gleicher Angelegenheit bzw. hinsichtlich der gleichen Rechtsfragen schon im Vorfeld der Berufung geführten vorläufigen Rechtsschutz- bzw. Beschwerdeverfahren (Az. 1 M 157/08, 1 M 19/09) – auf die sich der Beklagte teilweise ausdrücklich, wenn auch pauschal, bezieht – ergibt sich hinreichend, dass der Beklagte – nach wie vor – für das Berufungsgericht erkennbar auf dem Rechtsstandpunkt steht, aus § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V folge ebenso wie aus § 44 Abs. 3 KV M-V entgegen der vom Verwaltungsgericht auch in dem angefochtenen Urteil geäußerten Rechtsauffassung keine Beitragserhebungspflicht in dem Sinne, dass diese eine Gebührenfinanzierung ausschließen würde; jedenfalls würden sich aus den von ihm angeführten Umständen hinreichend Gründe ergeben, die eine atypische Situation, wie sie das Verwaltungsgericht als erforderlich für die Normierung eines reinen Gebührensystems verlange, begründeten. Hieran knüpft die Berufungsbegründung ersichtlich an und macht damit unter Berücksichtigung der vorweggeschickten grundsätzlichen Erwägungen zu den verfassungsrechtlichen Maßgaben für das Rechtsmittelrecht und den Unterschieden in den Begründungsanforderungen der verschiedenen Rechtsmittel nach der VwGO gerade noch hinreichend deutlich, dass der Beklagte das stattgebende Urteil mit der Berufung insgesamt angreifen will und weshalb er abweichend vom Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig hält. Insbesondere den Ausführungen zur – nach Auffassung des Beklagten – Unbeachtlichkeit der Entstehungsgeschichte kann noch entnommen werden, dass auch die von ihm ins Feld geführten Aspekte der touristischen Struktur entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts eine atypische Situation begründen können sollen, die das Gebührenfinanzierungssystem des ZWAR rechtfertigten. Ferner hat er vorgetragen, „das Problem (solle) im Bereich der Kommunalabgaben verbleiben, wo es systematisch hingehöre, und nicht über die sonst zu erhebende Umlage in das die (auch die nicht bevorteilte) Allgemeinheit betreffende Steuerrecht verlagert werden“. Damit vertritt der Beklagte noch erkennbar auch den Standpunkt, dass systematisch das allgemeine Kommunalverfassungsrecht nicht die Auslegung des spezielleren Kommunalabgabenrechts determinieren könne. Ferner kann sein Vortrag dahin verstanden werden, dass zwar Abgaben nach dem Kommunalabgabengesetz erhoben werden müssen und nicht in eine Steuerfinanzierung ausgewichen werden dürfe, innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens aber keine Beitragserhebungspflicht bestehe. Eine darüber hinausgehende substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils verlangt § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO – anders als § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO – hingegen nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.06.2005 – 10 B 4.05 –, juris; vgl. allerdings auch BVerwG, Beschl. v. 02.07.2008 – 10 B 3.08 –, juris; Beschl. v. 03.03.2005 – 5 B 58.04 –, juris). Der Berufungsführer genügt grundsätzlich seiner gesetzlichen Begründungspflicht, wenn er in der Berufungsbegründung an seiner in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht insoweit hinreichend konkret erläuterten Auffassung festhält, der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig, und dadurch zum Ausdruck bringt, dass er von den gegenteiligen Erwägungen des angefochtenen Urteils nicht überzeugt ist. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO verlangt demgegenüber nicht, dass der Berufungsführer hierzu auf die Begründungserwägungen des angefochtenen Urteils im Einzelnen eingeht. Würde dies gefordert, lehnte sich der Senat zu eng an die Rechtsprechung zur Berufungsbegründung im Zivilprozess und zur Revisionsbegründung im Verwaltungsprozess an und berücksichtigte dabei zu wenig die Unterschiede zwischen diesen Verfahren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.06.2005 – 10 B 4.05 –, juris).

50

Ebenso wenig musste der Beklagte sich in seiner Berufungsbegründung näher dazu verhalten, dass der Senat in seinem Beschluss vom 25. Mai 2009 – 1 M 157/08 – entscheidungstragend angenommen hatte, die Wasserversorgungsgebührensatzung vom 20. März 2008 sei wegen einer methodisch fehlerhaften Kalkulation unwirksam. Das Verwaltungsgericht ist – anders als etwa in seinem Beschluss vom 08. Juni 2010, Az. 3 B 406/10 (1 M 145/10), weil darin lediglich auf die S. 10 ff. des Entscheidungsumdrucks des vorliegend angefochtenen Urteils verwiesen wird – der entsprechenden Rechtsauffassung des Senats entgegen getreten. Da dies für den Beklagten günstig war, bestand unabhängig von der Frage der Richtigkeit der entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Ausführungen für ihn keine Veranlassung, hierzu in der Berufungsbegründung näher vorzutragen.

51

II. Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24. Februar 2010 ist zu ändern und die Klage abzuweisen.

52

Die zulässige Klage der Klägerin ist unbegründet; die angefochtenen Gebührenbescheide sind – soweit angefochten – rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

53

Den Bescheiden liegt mit der Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung- über die Erhebung von Gebühren für die Wasserversorgung (Wasserversorgungsgebührensatzung – WVGS 2008) vom 20. März 2008 in der Fassung der 1. Änderung vom 03. September 2008 die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche wirksame Rechtsgrundlage zugrunde. Das in § 1 Abs. 1 Buchst. a) WVGS 2008 grundsätzlich und in weiteren Satzungsbestimmungen näher ausgeformte System der Finanzierung zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen (sog. reines Gebührenfinanzierungssystem) ist rechtmäßig. Es steht entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und der Klägerin nicht im Gegensatz zu § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, wonach „zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Versorgung mit Wasser oder Wärme oder zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung Anschlussbeiträge erhoben werden sollen“.

54

§ 1 Abs. 1 Buchst. a) WVGS 2008 bestimmt für eine solche öffentliche Wasserversorgungseinrichtung, dass der Zweckverband Wasserversorgung nach Maßgabe dieser Satzung Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Wasserversorgung zur Deckung der Kosten gemäß § 6 Abs. 2 KAG M-V sowie zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen erhebt. Diese satzungsrechtlich vorgeschriebene Refinanzierung des Herstellungsaufwandes für die vom Zweckverband betriebene öffentliche Wasserversorgungsanlage steht sowohl mit § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V (1.) als auch mit sonstigem höherrangigen Recht (2.) in Einklang.

55

1. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V begründet keine Beitragserhebungspflicht in dem Sinne, dass eine teilweise oder vollständige Gebührenfinanzierung des Herstellungsaufwandes für alle Träger von Wasserversorgungseinrichtungen im Land Mecklenburg-Vorpommern grundsätzlich ausgeschlossen wäre. Die Bestimmung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass sie jedenfalls dann, wenn ein Versorgungsträger erstmalig (gewissermaßen in der „Stunde Null“) in rechtswirksamer Weise die Entscheidung über die Art und Weise der Refinanzierung des Herstellungsaufwandes für seine Einrichtung zu treffen hat bzw. sie – wie regelmäßig anzunehmen ist – in der Vergangenheit bereits getroffen hat, dessen grundsätzliches Wahlrecht hinsichtlich der Finanzierungsart, das schon nach altem Recht nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes vom 01. Juni 1993 (KAG 1993) bestand, nicht – rückwirkend – einschränkt. Ihr unmittelbares Regelungsziel besteht darin, (nur) in den Fällen, in denen sich ein Versorgungsträger in der Vergangenheit bereits rechtswirksam für eine Beitragsfinanzierung entschieden hat, zukunftsgerichtet die Möglichkeit, von diesem Refinanzierungssystem zu Gunsten eines anderen Systems wieder abzurücken, zwar nicht vollständig, aber doch weitgehend nach Maßgabe einer Soll-Bestimmung in der Regel auszuschließen bzw. einzuschränken. Sie hat also gerade den „echten“ Systemwechsel im Blick, der dadurch zu charakterisieren ist, dass ein Versorgungsträger ein bestehendes System rechtswirksamer bzw. rechtmäßiger Beitragsfinanzierung seines Herstellungsaufwandes durch eine Gebühren- oder anderweitige Finanzierung (privatrechtliche Entgelte) ablösen will. Eine Beitragserhebungspflicht begründet § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V nach Maßgabe einer Soll-Bestimmung in allen Fällen, in denen eine wirksame Beitragssatzung und damit eine wirksame Rechtsgrundlage für eine Beitragserhebung existiert. Daraus folgt im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats insbesondere die Verpflichtung, einen wirksam entstandenen Beitragsanspruch vollständig auszuschöpfen, etwa auch Beiträge nachzuerheben (vgl. Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris).

56

a) Einen zentralen Schlüssel und damit Zugang zum Verständnis des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bieten die Regelungen und das Normgefüge des Kommunalabgabengesetzes 1993 – hier insbesondere des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993. Diesen kann eine Beitragserhebungspflicht in dem vom Verwaltungsgericht angenommenen umfassenden Sinne, derzufolge Beiträge grundsätzlich in jedem Fall ausnahmslos – also nicht nur in der vorstehend skizzierten Situation – vorrangig gegenüber Gebühren zu erheben sind, nach Überzeugung des Senats nicht entnommen werden. Vielmehr ließen die Bestimmungen des KAG 1993 dem Einrichtungsträger grundsätzlich eine Wahlfreiheit hinsichtlich der Art der Finanzierung des Herstellungsaufwandes.

57

Eine reine Gebührenfinanzierung verstieß unter der Geltung des KAG 1993 nicht gegen dessen § 8 Abs. 1 KAG 1993. Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Aus- und Umbau, die Verbesserung, Erweiterung und Erneuerung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen und Anlagen sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 nach festen Verteilungsmaßstäben von denjenigen Grundstückseigentümern, zur Nutzung von Grundstücken dinglich Berechtigten und Gewerbebetreibenden zu erheben, denen hierdurch Vorteile erwachsen. Die Beiträge sind nach Vorteilen zu bemessen (Satz 2).

58

Diese Vorschrift hat keine Pflicht der abgabenberechtigten Körperschaft angeordnet, den Aufwand für Herstellung, Aus- und Umbau der öffentlichen Einrichtung speziell durch Beiträge zu decken. Ihr ist kein Vorrang der Beitragserhebung im Verhältnis zu einer Refinanzierung des Herstellungsaufwandes durch die Erhebung von Gebühren zu entnehmen (so auch Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: August 2010, § 9 Anm. 2.1, S. 8 und Aussprung, Wichtige Änderungen des Kommunalabgabenrechts Mecklenburg-Vorpommern durch das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes, NordÖR 2005, 245; vgl. auch Sauthoff, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2009, § 8 Rn. 1611 einerseits, Rn. 1614 am Ende andererseits).

59

Bereits der Wortlaut der Vorschrift spricht nicht zwingend für eine Beitragserhebungspflicht, die ein Refinanzierungssystem auf der Grundlage einer reinen Gebührenerhebung ausschließen würde. Er lässt für sich betrachtet im Gegenteil eher als die Festlegung einer Beitragserhebungspflicht ein Normverständnis zu, wonach sich die durch das Wort „sind“ geregelte Anordnung sprachlich auf die Art der Verteilungsmaßstäbe und den Kreis der Beitragspflichtigen bezieht und die Rechtsfolge von § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 damit ihrer Zielrichtung nach der des Satzes 2 dieser Regelung entspricht. Danach sind Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Die Beitragserhebungspflicht stünde demgemäß nicht auf der Rechtsfolgenseite, sondern erwiese sich als tatbestandliche Voraussetzung und wäre inhaltlich also wie folgt zu verstehen: Wenn Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung … erhoben werden, dann sind sie (zwingend im Sinne einer Muss-Vorschrift) nach festen Verteilungsmaßstäben von denjenigen Grundstückseigentümern, zur Nutzung von Grundstücken dinglich Berechtigten und Gewerbetreibenden zu erheben, denen hierdurch Vorteile erwachsen. Mit diesem nach dem Wortlaut der Bestimmung deutlich näher liegenden Normverständnis ist ohne weiteres ersichtlich keine Beitragserhebungspflicht für Herstellungskosten insbesondere der leitungsgebundenen Einrichtungen der Wasserversorgung geregelt, erst recht kein Vorrang der Beitrags- gegenüber der Gebührenerhebung. Eine solche Interpretation der Bestimmung steht im Einklang mit der zu dem wortidentischen § 8 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein vertretenen herrschenden Rechtsauffassung. Auch dort wird der Gesetzeswortlaut so verstanden, dass für den Fall der Beitragserhebung Beiträge nach festen Verteilungsmaßstäben zu erheben sind, ohne dass hieraus eine Beitragserhebungspflicht hergeleitet werden könnte (vgl. Habermann, in: KAG S-H, Kommentar, Stand: November 2010, § 8, Rn. 12).

60

Gegen die Herleitung einer Beitragserhebungspflicht bereits aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 KAG 1993 spricht auch die dessen Satzstruktur ähnliche Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993. Danach „sind“ Benutzungsgebühren zu erheben, „wenn eine Einrichtung oder Anlage überwiegend der Inanspruchnahme einzelner Personen oder Personengruppen dient, sofern nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird“. Dieser Bestimmung ist im Sinne einer Definition der Benutzungsgebühr (s. dazu Siemers, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: August 2010, § 6, Anm. 2) zu entnehmen, dass die Gebühr im Falle der Inanspruchnahme einer Einrichtung oder Anlage durch einzelne Personen oder Personengruppen erhoben wird. Sie regelt hingegen nicht, dass für Einrichtungen oder Anlagen, die überwiegend der Inanspruchnahme durch Personen dienen, Gebühren erhoben werden müssen. Wollte man die Regelung in diesem Sinne als Muss-Vorschrift verstehen und entnähme man auch dem vergleichbar strukturierten § 8 Abs. 1 KAG eine Pflicht zur Erhebung von Beiträgen, so bestünde für dieselbe Anlage oder Einrichtung zugleich sowohl eine Gebühren- als auch eine Beitragserhebungspflicht. Denn nach beiden Bestimmungen kann ohne weiteres ausgehend von den jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen die Refinanzierung der Herstellungskosten der öffentlichen Einrichtung der leitungsgebundenen Trinkwasserversorgung in die jeweils geregelte Abgabenform einbezogen werden. Ein solches Ergebnis kann nicht gewollt sein. Die Festlegung einer auf die Erhebung bestimmter Abgaben gerichteten Pflicht des Einrichtungsträgers hätte daher eine dahingehend eindeutige und klare Bestimmung erfordert. Dies gilt umso mehr, als allgemein anerkannt ist, dass dem Ortsgesetzgeber bzw. Zweckverband bei abgabenrechtlichen Regelungen ein weitgehender Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2006 – 8 BN 3.05 –, SächsVBl. 2006, 163 – zitiert nach juris; Urt. v. 16.09.1981 – 8 C 48.81 –, DVBl. 1982, 76 – zitiert nach juris).

61

Auch die Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 1 KAG 1993 erlaubt nicht den Schluss auf eine Verpflichtung des Abgabenberechtigten zur Erhebung von Beiträgen. In der Begründung des Gesetzentwurfes der Landesregierung zu dieser Bestimmung (LT-Drs. 1/2558) heißt es zwar, dass Beiträge zu erheben seien sowohl für die Herstellung, den Aus- und Umbau sowie für die Verbesserung, Erweiterung und Erneuerung von Straßen als auch für Maßnahmen der Abwasserbeseitigung (S. 25). An anderer Stelle der Begründung (a.a.O., S. 26) heißt es dann aber, dass öffentliche Einrichtungen und Anlagen (z.B. Abwasserbeseitigung, Wasserversorgung) Gegenstand der Maßnahmen seien, die eine Beitragspflicht auslösen „können“. Der bei Siemers (a.a.O., § 6, Anm. 5.4.2.2) wiedergegebenen Stellungnahme des Innenministeriums (Ausschussdrucksache 1/34) kann entnommen werden, dass es mit der Schaffung von § 8 Abs. 1 KAG 1993 (vgl. § 8 Abs. 1 KAG 1991 „können“) darum ging zu verhindern, dass den Kommunen auch bei Straßenbaubeiträgen (Ausbaubeiträgen) ein Wahlrecht zustehen würde, wenn das Gesetz den Begriff „können“ enthielte. Bei Straßenbaubeiträgen würde eine Gebührenerhebung ausscheiden und daher bestand die Befürchtung, dass bei einem Verzicht auf die Erhebung von Beiträgen überhaupt keine Refinanzierung durch spezielle Entgelte stattfinden könnte. Es sollte für die Refinanzierung von Straßenausbaumaßnahmen der gleiche rechtliche Zustand geschaffen werden wie er nach den Bestimmungen des Baugesetzbuches für Erschließungsbeiträge bestehe, wonach die Gemeinden zur Erhebung verpflichtet seien. Dass der Gesetzgeber allgemein das Verhältnis von Gebühren- und Beitragserhebung hatte regeln wollen, ist damit an keiner Stelle des Gesetzgebungsverfahrens festzumachen. Vielmehr drängt sich die Annahme auf, dass allein verhindert werden sollte, durch eine Erhebungsfreistellung bei Straßenausbaumaßnahmen Finanzierungsausfälle zu verursachen.

62

Ebenfalls gegen eine aus § 8 Abs. 1 KAG 1993 folgende Pflicht zur Erhebung von Beiträgen spricht, dass es den kommunalen Einrichtungsträgern freistand, anstelle von öffentlich-rechtlichen Beiträgen oder Gebühren privatrechtliche Entgelte zu erheben. Diese nunmehr ausdrücklich auch für das Verhältnis zu Beiträgen in § 1 Abs. 3 KAG M-V geregelte Refinanzierungsalternative hat ebenso unter Geltung des Kommunalabgabengesetzes vor der Novellierung im Jahre 2005 bestanden (vgl. Siemers, a.a.O., § 6, Anm. 4.7; vgl. auch Brüning, Kombination und Surrogation öffentlich-rechtlicher Abgaben und privatrechtlicher Entgelte in der kommunalen Ent- und Versorgungswirtschaft, KStZ 2004, 181 ff.). Zwar ist in § 6 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz KAG 1993 ausdrücklich nur die Erhebung von Benutzungsgebühren unter den Vorbehalt gestellt worden, dass nicht ein privatrechtliches Entgelt erhoben wird. Dieser Vorbehalt galt jedoch auch für das Verhältnis zur Beitragserhebung. In der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 KAG M-V heißt es, dass diese Vorschrift Zweifel (vgl. dazu OVG Lüneburg, Urt. v. 25.06.1997 – 9 K 5855/95 –, NVwZ 1999, 566) daran ausräumen sollte, dass – wie im Übrigen für den überwiegenden Teil der Wasserversorgungseinrichtungen und verschiedene kommunale Abwasserentsorgungseinrichtungen tatsächlich bereits gehandhabt (s. dazu die Anlage zu dem Bericht der Landesregierung zur Erhebung von Anschlussbeiträgen gemäß §§ 7 und 9 KAG M-V für die zentrale Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, LT-Drs. 5/1652) – auch anstelle von Beiträgen privatrechtliche Entgelte erhoben werden konnten. Dies steht im Einklang mit der der Kommune grundsätzlich zustehenden Formenwahlfreiheit hinsichtlich der Regelung der Benutzungsverhältnisse ihrer öffentlichen Einrichtungen. Diese Wahlfreiheit ermöglicht eine privatrechtliche Ausgestaltung, etwa auch eine privatrechtliche Entgeltregelung, immer dann, wenn diese nicht durch kommunalrechtliche Vorschriften ausdrücklich ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.04.2005 – 8 CN 1.04 –, juris, Rn. 27). Solche Ausschlussvorschriften sah das Kommunalabgabengesetz vor der Novellierung im Jahr 2005 ebenso wenig vor wie in der nunmehr geltenden Fassung.

63

Den Bestimmungen des § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 kann letztlich entnommen werden, dass der Gesetzgeber diejenigen zur Deckung des Aufwandes für eine öffentliche Einrichtung heranziehen wollte, denen aus ihr bzw. ihrer Inanspruchnahme ein – unterschiedlich definierter – Vorteil erwächst. Nach seinen finanzpolitischen Vorstellungen soll der Sonderaufwand für die kommunalen öffentlichen Versorgungseinrichtungen, die dem Vorteil oder den Bedürfnissen einzelner oder bestimmter Gruppen dienen, also billigerweise nicht aus allgemeinen Finanzmitteln, letztlich dem Steueraufkommen, gedeckt werden, sondern von denen aufgebracht werden, denen nach dem Veranlassungs- oder Vorteilsprinzip dieser besondere Aufwand speziell zuzurechnen ist (vgl. Siemers, a. a. O., § 6 Anm. 4.1). Diese Zweckbestimmung der Vorschriften des KAG 1993 fand ihre Entsprechung in den kommunalverfassungsrechtlichen Bestimmungen des § 44 Abs. 1 und 2 KV M-V. Werden nicht zulässigerweise privatrechtliche Entgelte erhoben, haben die Kommunen/Zweckverbände keine Wahlmöglichkeit, die öffentlichen Einrichtungen der Wasserversorgung entweder aus allgemeinen Finanzmitteln/Steuern oder aus Abgaben zu finanzieren. In diesem Sinne kann man von einer Abgabenerhebungspflicht sprechen (vgl. VGH München, Urt. v. 15.04.1999 – 23 B 97.1108 –, juris Rn. 27 f. zu Art. 8 Abs. 2 Bay KAG; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.06.2007 – 9 A 77.05 –, LKV 2008, 377 – zitiert nach juris, Rn. 35). Eine Pflicht zur Beitragserhebung, die die Gebührenerhebung ausgeschlossen hat, bestand jedoch nicht (vgl. im Ergebnis wohl ebenso Siemers, a. a. O., § 6 Anm. 5.4.2.1 und 5.4.2.2; Aussprung, in: KAG M-V, Stand: August 2010, § 9 Anm. 2.1). Vielmehr dienen beide Abgabenarten demselben Ziel, Aufwendungen des Einrichtungsträgers für spezielle Leistungen sachgerecht zu finanzieren (vgl. VGH München, Urt. v. 15.04.1999 – 23 B 97.1108 –, a. a. O.).

64

Schließlich steht der dargestellten Interpretation des Normgefüges des KAG 1993 allgemein und von § 8 Abs. 1 KAG 1993 im Besonderen auch nicht § 44 KV M-V i. V. m. § 161 Abs. 1 KV M-V entgegen. Nach § 44 Abs. 1 KV M-V erhebt die Gemeinde Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften. Sie hat die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen, soweit vertretbar und geboten aus Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen und im Übrigen aus Steuern zu beschaffen, soweit die sonstigen Erträge und Einzahlungen nicht ausreichen (Absatz 2). Nach § 44 Abs. 3 KV M-V darf die Gemeinde Kredite für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen nur aufnehmen, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Dieser Bestimmung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nichts Entscheidendes für einen Vorrang der Beitrags- gegenüber der Gebührenfinanzierung entnommen werden.

65

§ 44 Abs. 1 und Abs. 2 KV M-V enthalten für die Abgabenerhebung einen Verweis auf die gesetzlichen Vorschriften und damit auf das Kommunalabgabengesetz. Der Begriff „geboten“ in Absatz 2 Nr. 1 spricht die für Entgelte, u. a. Gebühren und Beiträge bestehenden Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes an (Schröder, in: Schröder u. a.: Kommunalverfassungsrecht M-V, Stand: Dezember 2010, § 44, Rn. 6.2). § 44 KV M-V selbst enthält sich jeder näheren Regelung zur Frage der Abgabenfinanzierung kommunaler öffentlicher Einrichtungen. Damit ist hinsichtlich der Art und Weise der Refinanzierung des Aufwandes für kommunale Einrichtungen bei richtigem Verständnis des Regelungszusammenhangs das Kommunalabgabengesetz gegenüber § 44 KV M-V das speziellere Gesetz und liegt die Annahme fern, das Verhältnis von Gebühren- und Beitragsfinanzierung im Sinne eines Vorranges einer der Finanzierungsformen gegenüber der anderen wäre bereits durch § 44 Abs. 3 KV M-V vorgegeben bzw. das Normverständnis von § 8 Abs. 1 KAG 1993 wäre von dieser allgemeinen Bestimmung vorgezeichnet. Es spricht nichts dafür, dass für die grundlegende und spezielle Frage des Finanzierungssystems von kommunalen Einrichtungen als einzige abgabenrechtliche Fragestellung und systematisch gegenläufig zu der in § 44 Abs. 1 KV M-V enthaltenen Verweisung auf die (speziellen) gesetzlichen Vorschriften bereits an dieser Stelle das entscheidende Kriterium im Sinne eines Vorrangs der Beitragserhebung festgelegt werden sollte.

66

Dagegen spricht vielmehr, dass das Kommunalabgabengesetz den rechtlichen Rahmen der Gebühren- und Beitragserhebung in detaillierter Form regelt und es unverständlich wäre, wenn der Gesetzgeber das Verhältnis von Gebühren- und Beitragserhebung im Sinne eines Vorranges der einen Finanzierungsform gegenüber der anderen nicht in demselben Spezialgesetz löste, vielmehr hier den Gesichtspunkt des Kreditbedarfs gar nicht anspricht, sondern einer allgemeinen Regelung der Kommunalverfassung überließe, obwohl diese für die fragliche Materie ihrerseits ausdrücklich auf andere „gesetzliche Vorschriften“ verweist. Folglich kann man § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 nicht als „bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 KV M-V normierten Grundsatzes“ entsprechend der vom Verwaltungsgericht zu § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V vertretenen Rechtsauffassung betrachten.

67

Im Übrigen sind die Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 KV M-V und die sich aus § 8 KAG 1993 für die Frage der Finanzierungsmöglichkeit der Herstellungskosten der öffentlichen Einrichtung der leitungsgebundenen Wasser- und Abwasserversorgung ergebenden Konsequenzen genauer in den Blick zu nehmen: § 44 Abs. 3 KV M-V erlaubt die Kreditaufnahme insbesondere, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich wäre. § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG 1993 sah vor, dass die sachliche Beitragspflicht abgesehen von Sonderfällen mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung oder Anlage entsteht. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 entsteht die sachliche Beitragspflicht im Falle der Erhebung eines Anschlussbeitrages, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. § 8 Abs. 7 Satz 3 KAG 1993 regelte schließlich, dass die Satzung einen späteren Zeitpunkt bestimmen kann. Die Beitragserhebung sah mithin im Grundsatz vor, dass überhaupt erst einmal eine Einrichtung geschaffen worden sein musste, an die ein Grundstück angeschlossen werden konnte. Die Investitionen für die Herstellung müssen also schon – im Wesentlichen – getätigt sein, bevor eine Beitragserhebung erfolgen darf. Der Zeitpunkt einer möglichen Beitragserhebung verschiebt sich auf der Zeitachse noch weiter nach hinten, wenn es zunächst – wie es in der Vergangenheit häufig der Fall gewesen ist – an einer wirksamen Satzung fehlt, und nochmals weiter, wenn der Ortsgesetzgeber von der Möglichkeit der Bestimmung eines späteren Zeitpunkts Gebrauch macht. Eine Finanzierung dieses Herstellungsaufwandes aus Beiträgen ist also in derartigen Fällen – zunächst – nicht möglich im Sinne von § 44 Abs. 3 KV M-V, folglich eine Kreditfinanzierung ohne weiteres erlaubt, obwohl die grundsätzliche Möglichkeit der Abgabenfinanzierung durch Beitragserhebung besteht. Wenn aber auch im Falle der Beitragserhebung im erheblichen Umfang eine Kreditfinanzierung notwendig oder jedenfalls rechtlich möglich wird, besteht im Prinzip kein Unterschied zur Refinanzierung durch Gebührenerhebung. Kann hinsichtlich der Notwendigkeit der Kreditaufnahme kein prinzipieller Unterschied zwischen der endgültigen Finanzierung durch Beiträge oder Gebühren festgestellt werden, lässt sich aus § 44 Abs. 3 KV M-V diesbezüglich nichts für ein Vorrang/Nachrang-Verhältnis entnehmen. § 44 Abs. 3 KV M-V und erst recht den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes lässt sich auch nichts dazu entnehmen, dass eine – theoretisch – geringere oder schneller zurückzuführende Kreditbelastung überhaupt Regelungsgegenstand oder gar ein Kriterium wäre, bestimmte abgabenrechtliche Refinanzierungsmöglichkeiten, die jeweils zu einer vollständigen Refinanzierung der öffentlichen Einrichtung führen, zu bevorzugen (vgl. schon Senatsbeschl. v. 25.05.2009 – 1 M 157/08 –, a.a.O.).

68

§ 44 KV M-V und insbesondere dessen Absatz 3 verfolgen zudem das Ziel, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kommunen zu gewährleisten. Kann und wird eine Investition entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen letztlich endgültig aus Abgaben finanziert, ist es aus dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kommunen bzw. des § 44 Abs. 3 KV M-V aber grundsätzlich ohne Belang, wie eine erforderliche Zwischen- oder Überbrückungsfinanzierung ausgestaltet ist. Belange der Abgabenschuldner sind im Rahmen des § 44 Abs. 3 KV M-V nicht von Bedeutung. Demnach wird insoweit auch das Ermessen des Ortsgesetzgebers nicht eingeschränkt, ob er Beiträge und/oder Gebühren erhebt.

69

Ist nach alledem nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes 1993 eine Wahlfreiheit zwischen der Gebühren- und Beitragserhebung anzunehmen, so steht damit die bisherige Rechtsprechung des Senates und der Verwaltungsgerichte im Einklang, wonach seit jeher eine gemischte Beitrags- und Gebührenfinanzierung mit einem nur teilweisen Deckungsgrad der Beitragserhebung für zulässig, weil vom ortsgesetzgeberischen Ermessen gedeckt gehalten worden ist (vgl. nur Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, DVBl. 2005, 64; Urt. v. 15.11.2000 – 4 K 8/99 –, juris, Rn. 66; Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97 –, NordÖR 1998, 256). Die innere Rechtfertigung für die Zulässigkeit eines nur teilweisen Deckungsgrades kann nur in der bestehenden Wahlfreiheit zwischen der Refinanzierung durch Gebühren oder durch Beiträge liegen. Mit einer Beitragserhebungspflicht wäre eine gemischte Finanzierung des Herstellungsaufwandes in Form einer nur teilweisen Deckung des Aufwandes durch Beiträge nicht vereinbar.

70

Die Wahlmöglichkeit, – abgesehen von der Erhebung privatrechtlicher Entgelte – entweder nur Beiträge oder nur Gebühren oder Gebühren und Beiträge zu erheben, begegnet grundsätzlich auch unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bedenken: Es macht unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit keinen erheblichen Unterschied, wenn der Investitionsaufwand über Beiträge oder über Benutzungsgebühren finanziert wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2006 – 8 BN 3.05 –, SächsVBl. 2006, 163 – zitiert nach juris).

71

b) Regelte demgemäß das Kommunalabgabengesetz von 1993 keine Beitragserhebungspflicht in dem vom Verwaltungsgericht angenommenen Sinne, dass Beiträge vorrangig gegenüber Gebühren zu erheben gewesen wären, sondern bestand danach vielmehr grundsätzlich eine Wahlfreiheit der Einrichtungs- und Versorgungsträger hinsichtlich der Art der Finanzierung des Herstellungsaufwandes, kann dies nicht ohne Bedeutung für das Verständnis der Neufassung, die Frage einer Beitragserhebungspflicht nach dessen Bestimmungen und die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bleiben.

72

Der Gesetzgeber fand im Jahr 2005 entstehungsgeschichtlich betrachtet eine Situation vor, in der sich auf der Grundlage des vorhergehenden KAG 1993 bereits alle Träger von Trinkwasserversorgungseinrichtungen (oder Abwasserentsorgungseinrichtungen) im Rahmen ihrer Wahlfreiheit nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen für ein bestimmtes Refinanzierungssystem entschieden hatten bzw. entschieden haben mussten. Der Gesetzgeber stand gerade nicht – mehr – vor der Notwendigkeit, erstmalig solche Refinanzierungsmöglichkeiten zu eröffnen bzw. erstmalig im Sinne einer „Geburtsstunde“ hierfür gesetzliche Vorgaben zu regeln. Danach liegt es auf der Hand, dass eine gesetzliche Neuregelung im Bereich der Refinanzierung der leitungsgebundenen Einrichtungen zukunftsorientiert war bzw. nur zukunftsorientiert sein konnte. Nach Überzeugung des Senats verbietet sich die Annahme, der Gesetzgeber des Jahres 2005 habe die über viele Jahre auf der Grundlage der bisherigen gesetzlichen Regelungen gewachsenen Refinanzierungsstrukturen im Lande einer grundsätzlichen Revision unterziehen, die von zahlreichen Versorgungsträgern insbesondere im Trinkwasserbereich (vgl. zur geringen Zahl der Versorgungsträger, die jemals Anschlussbeiträge im Bereich der Trinkwasserversorgung erhoben haben, den Bericht der Landesregierung zur Erhebung von Anschlussbeiträgen gemäß §§ 7 und 9 KAG M-V für die zentrale Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, LT-Drs. 5/1652, S. 2 ff. sowie die entsprechende Anlage) gewählte Refinanzierungsform – mit unabsehbaren bzw. gesetzlich nicht aufgefangenen Folgen – „über den Haufen werfen“ bzw. zahlreiche Versorgungsträger wieder in „die Stunde Null“ zurückversetzen wollen. Hierfür bestand keinerlei Notwendigkeit oder Anlass; im Gegenteil erschiene die Annahme eines entsprechenden gesetzgeberischen Willens – auch unter dem Blickwinkel der Rechtssicherheit – abwegig.

73

Dies bestätigt auch die Bestimmung des § 22 Abs. 2 KAG M-V, deren Satz 1 bestimmt, dass Satzungen, die aufgrund des Kommunalabgabengesetzes vom 1. Juni 1993, geändert durch Art. 27 des Gesetzes vom 22. November 2001 gültig erlassen worden sind, weiterhin in Kraft bleiben. Dies gilt folglich auch für das in ihnen geregelte Finanzierungssystem. § 22 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V regelt darüber hinaus (nur), dass die betreffenden Satzungen bis zum 1. Januar 2007 dem geänderten Recht anzupassen sind. Von der „Anpassung“ einer bestehenden Satzung könnte aber im Wortsinne keine Rede mehr sein, wollte man annehmen, diejenigen Versorgungsträger, die sich unter der Geltung des KAG 1993 für eine (reine) Gebührenfinanzierung ihres Herstellungsaufwandes für ihre öffentlichen Wasserversorgungseinrichtungen entschieden hatten, wären bis zu dem genannten Datum etwa mit Blick auf § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V verpflichtet, ein System der Beitragsfinanzierung – erstmalig – zu installieren. Dabei handelte es sich nicht um eine „Anpassung“ einer bestehenden Satzung, sondern um eine in ihrem Kern bzw. hinsichtlich der Grundentscheidung für eine bestimmte Finanzierungsform „andere“ bzw. gänzlich „neue“ Satzung.

74

Schließlich kann davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes, die ohne weiteres seit jeher eine Finanzierung des Herstellungsaufwandes gleichzeitig sowohl über Beiträge als auch Gebühren zuließ (vgl. etwa OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, juris; Beschl. v. 05.02.2004 – 1 M 256/03 –, juris; OVG Greifswald, Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, - K 18/97 -, NordÖR 1998, 256 – zitiert nach juris; vgl. auch Beschl. v. 15.07.2003 – 1 M 60/03 –, juris; Urt. v. 15.11.2000 – 4 K 8/99 –, juris), bekannt war (vgl. auch die Hinweise von Aussprung im Rahmen der öffentlichen Anhörung, LT-Drs. 4/1576, S. 69), und nichts dafür ersichtlich ist, dass er dieser Rechtsprechung ein Ende bereiten wollte. Für eine Widersprüche vermeidende Auslegung der Neuregelung des KAG M-V bleibt damit nur das vorstehende Verständnis, dass es bei der grundsätzlichen Wahlfreiheit bleiben sollte.

75

c) Damit ergibt sich zwanglos und naheliegend, dass die Neuregelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bzw. die in ihr enthaltene „Soll-Bestimmung“ die auf der Basis des KAG 1993 geschaffenen Finanzierungsstrukturen unberührt lassen sollte und wollte. Unter Zugrundelegung dieses Normverständnisses verbleibt folgender Regelungs- und Anwendungsbereich der Norm:

76

§ 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist dahingehend zu verstehen, dass damit nicht die Situation der „Stunde Null“, also des Moments der erstmaligen rechtswirksamen Entscheidung eines Entsorgungsträgers für ein bestimmtes Refinanzierungssystem, erfasst werden soll oder der Gesetzgeber die in dieser Situation grundsätzlich bestehende Wahlfreiheit des Ortsgesetzgebers bzw. des Norm setzenden Organs einengen wollte. Ihr unmittelbares Regelungsziel besteht vielmehr darin, (nur) in den Fällen, in denen sich ein Versorgungsträger in der Vergangenheit bereits rechtswirksam für eine Beitragsfinanzierung entschieden hatte, zukunftsgerichtet die Möglichkeit, von diesem Refinanzierungsmodell zu Gunsten eines anderen Systems wieder abzurücken, zwar nicht vollständig, aber doch weitgehend nach Maßgabe einer Soll-Bestimmung in der Regel auszuschließen bzw. weitgehend einzuschränken. Sie regelt gerade den Fall des „echten“ Systemwechsels, der dadurch charakterisiert ist, dass ein Versorgungsträger ein bestehendes System rechtswirksamer bzw. rechtmäßiger Beitragsfinanzierung seines Herstellungsaufwandes durch eine Gebührenfinanzierung oder anderweitige Finanzierungsform (privatrechtliche Entgelte) ablösen will.

77

Nicht erfasst ist demgegenüber der Fall, in dem es einem Versorgungsträger nicht gelungen ist, überhaupt eine rechtswirksame Refinanzierung zu schaffen, er sich also nach wie vor oder wiederum in dem Sinne in der Situation der „Stunde Null“ findet, als er erstmals eine rechtswirksame Entscheidung darüber zu treffen hat, wie er grundsätzlich die in seiner Trägerschaft befindliche Anlage refinanzieren will.

78

In dieses Bild fügt sich ebenfalls zwanglos die Senatsrechtsprechung (vgl. Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris) zur Nacherhebungspflicht im Falle einer rechtswirksam bestehenden Beitragssatzung ein, wonach das Recht und die Verpflichtung der beitragserhebenden Körperschaft besteht, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass ein wirksam entstandener Anschlussbeitragsanspruch voll ausgeschöpft wird.

79

d) Ebenso können, wie die Ausführungen zur Rechtslage nach dem KAG 1993 gezeigt haben, die Regelungen bzw. das Normgefüge des KAG M-V im Übrigen ohne weiteres und in sich stimmig dahingehend ausgelegt werden, dass Gebührenerhebung und Beitragserhebung im Falle der – aus welchen Gründen auch immer – erstmalig zu treffenden Entscheidung für das Finanzierungssystem grundsätzlich „gleichberechtigt“ als Refinanzierungsinstrumente neben einander stehen und es der allgemein anerkannten weitgehenden Gestaltungsfreiheit des normsetzungsbefugten Aufgabenträgers bei abgabenrechtlichen Regelungen des Satzungsrechts unterliegt, welches Instrument er zur Finanzierung des Investitions- bzw. Herstellungsaufwandes einer konkreten Versorgungseinrichtung wählt; aus § 44 Abs. 3 KV M-V folgt nichts Abweichendes, die vorstehenden Erwägungen gelten mit Blick auf die Regelungen des § 9 KAG M-V entsprechend.

80

Nach wie vor enthält das Kommunalabgabengesetz M-V keine Bestimmung, die ausdrücklich ein Vorrang/Nachrang-Verhältnis von Gebühren und Beiträgen zueinander für den Fall vorsehen würde, dass beide Abgabenformen tatbestandlich gleichermaßen als Finanzierungsinstrument in Betracht kommen.

81

Auch § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sieht weiterhin vor, dass „Benutzungsgebühren zu erheben sind“. Nach wie vor enthält § 6 KAG M-V Bestimmungen (vgl. Abs. 2d, Abs. 3), die ausdrücklich die Wasserversorgungseinrichtungen zum Gegenstand haben, ohne eine ausdrückliche Einschränkung dahingehend vorzunehmen, dass ihre Herstellungskosten grundsätzlich nicht durch Gebühren finanziert werden dürften. Im Gegenteil werden in § 6 Abs. 2a Satz 4 und Abs. 2b Satz 1 KAG M-V nunmehr Herstellungswerte und Herstellungskosten sogar ausdrücklich erwähnt, ohne dass der Gesetzgeber klarstellend eine Einschränkung geregelt hätte, die die Finanzierung des Herstellungsaufwandes aus Benutzungsgebühren in irgendeiner Form einschränken würde.

82

Kommt damit tatbestandlich eine Finanzierung sowohl über Gebühren als auch Beiträge in Betracht, verhielte es sich nunmehr sogar so, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V als Muss-Vorschrift „stärker“ formuliert ist als die Soll-Bestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V.

83

Beide Regelungen können – wie § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 – als „Muss-Vorschriften“ in einem weiteren Sinne dergestalt begriffen werden, dass auch der Gesetzgeber des KAG M-V diejenigen zur Deckung des Aufwandes für eine öffentliche Einrichtung heranziehen will, denen aus ihr bzw. ihrer Inanspruchnahme ein – unterschiedlich definierter – Vorteil erwächst. Der Sonderaufwand für die kommunalen öffentlichen Versorgungseinrichtungen, die dem Vorteil oder den Bedürfnissen einzelner oder bestimmter Gruppen dienen, darf billigerweise nicht aus allgemeinen Finanzmitteln, letztlich also aus dem Steueraufkommen gedeckt werden, sondern muss von denen aufgebracht werden, denen nach dem Veranlassungs- oder Vorteilsprinzip dieser besondere Aufwand speziell zuzurechnen ist. Daraus folgt, dass nach wie vor keine Wahlmöglichkeit dahingehend besteht, die öffentlichen Einrichtungen etwa der Wasserversorgung aus allgemeinen Finanzmittel/Steuern oder aus Abgaben (alternativ: privatrechtlichen Entgelten, vgl. § 1 Abs. 3 KAG M-V) zu finanzieren: Die Refinanzierungmuss vielmehr über die Erhebung von Abgaben (oder privatrechtliche Entgelte) erfolgen. Dass es unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit – Art. 3 Abs. 1 GG – keinen erheblichen Unterschied macht, wenn der Investitionsaufwand über Beiträge oder über Benutzungsgebühren finanziert wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2006 – 8 BN 3.05 –, SächsVBl. 2006, 163 – zitiert nach juris), wurde bereits erläutert, ebenso, dass sich diese Betrachtungsweise nahtlos in das Bild einer weitgehenden Gestaltungsfreiheit des Ortsgesetzgebers/normsetzungsbefugten Zweckverbandes bei abgabenrechtlichen Regelungen des Satzungsrechts einfügt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2006 – 8 BN 3.05 –, a. a. O.; Urt. v. 16.09.1981 – 8 C 48.81 –, DVBl. 1982, 76 – zitiert nach juris; vgl. auch OVG Greifswald, Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, - K 18/97 -, NordÖR 1998, 256 – zitiert nach juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 21.03.2007 – 1 L 282/05 –).

84

Dagegen, dass der Gesetzgeber mit dem Kommunalabgabengesetz 2005 erstmalig eine Beitragserhebungspflicht im Sinne der angefochtenen Entscheidung normieren wollte, spricht zudem ganz maßgeblich die Bestimmung des § 1 Abs. 3 KAG M-V. Nach § 1 Abs. 3 KAG M-V bleibt die Befugnis der in den Absätzen 1 und 2 genannten kommunalen Körperschaften, für ihre öffentlichen Einrichtungen Benutzungs- oder Entgeltregelungen in privatrechtlicher Form zu treffen, unberührt. Die Bestimmung fand – wie ausgeführt – zuvor nur eine teilweise Entsprechung in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 („soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird“). Nach Maßgabe der Begründung des insoweit unverändert Gesetz gewordenen Gesetzentwurfs der Landesregierung hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es den kommunalen Körperschaften grundsätzlich freigestellt sei, ob sie die Benutzung und die Entgelte ihrer öffentlichen Einrichtungen durch Satzung (öffentlich-rechtlich) oder privatrechtlich regeln. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert, dass Zweifel daran geäußert worden seien (siehe dazu oben), ob das auch im Verhältnis zu den Anschlussbeiträgen gelte, weil in § 8 KAG 1993 eine mit § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 vergleichbare Regelung gefehlt habe. Mit der Neuregelung in § 1 Abs. 3 KAG M-V, die damit alle hierfür in Frage kommenden Entgeltabgaben (Benutzungsgebühren, Anschlussbeiträge, Erstattungen für Haus- und Grundstücksanschlüsse) erfasse, würden diese Zweifel ausgeräumt (vgl. Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes, LT-Drs. 4/1307, S. 24, zu Nr. 2b - § 1 Abs. 3). Wenn der Gesetzgeber den kommunalen Körperschaften damit aber ausdrücklich auch für die Erhebung von Anschlussbeiträgen die freie Wahl überlässt, sich anstelle einer Abgaben- bzw. Beitragsfinanzierung ihrer Einrichtungen für ein privatrechtliches Entgelt- bzw. Finanzierungssystem zu entscheiden, wäre es unverständlich, wenn im Rahmen der Finanzierungsoptionen nach dem KAG M-V demgegenüber eine grundsätzlich freie Wahl im hier entwickelten Sinne zwischen Gebühren- und/oder Beitragsfinanzierung ausgeschlossen sein sollte.

85

Gegenteiliges folgt im Übrigen auch nicht aus der von der Klägerin in Bezug genommenen Rechtsprechung des Thüringischen Oberverwaltungsgerichts (Urt. v. 31.05.2005 – 4 KO 1499/04 –, LKV 2006, 178). Diese bezieht sich zum einen auf das dortige Landesrecht. Zum anderen betrifft sie die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen, die gerade nicht durch eine Gebührenfinanzierung ersetzt werden kann, und damit einen anderen Sachverhalt.

86

e) Das hier zugrunde gelegte Normverständnis insbesondere des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V steht auch zwanglos in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung beider Verwaltungsgerichte – auch des Verwaltungsgerichts Greifswald, wie in der angefochtenen Entscheidung noch einmal betont – und des Oberverwaltungsgerichts (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 21.03.2007 – 1 L 282/05 –; Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, DVBl. 2005, 64; Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, 4 K 18/97 –, NordÖR 1998, 256 – zitiert nach juris), nach der seit jeher eine gemischte Refinanzierung leitungsgebundener Einrichtungen aus Beiträgen und Gebühren zulässig sein sollte und das ortsgesetzgeberische Ermessen u. a. eine gerichtlich nur beschränkt überprüfbare Entscheidung der Frage beinhaltet, „welcher Kostendeckungsgrad … durch das Erheben der Gebühren angestrebt wird, welcher Eigenanteil übernommen werden soll… bzw. wie im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen die Aufteilung zwischen Beiträgen und Gebühren erfolgen soll“ (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, 4 K 18/97 –, a.a.O.).

87

f) Demgegenüber vermag die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zum Vorrang der Beitragsfinanzierung nach näheren Maßgaben nicht zu überzeugen: Soweit sich diese Auffassung auf ein bestimmtes Verständnis des § 44 Abs. 3 KV M-V im Verhältnis zu § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bezieht, kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.

88

Die Zweckbestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V soll im Übrigen unter systematischem Rückgriff auf § 44 Abs. 3 KAG M-V nach Auffassung des Verwaltungsgerichts darin bestehen, dass das Gesetz mit dieser Regelung eine Kreditfinanzierung der Herstellungskosten insbesondere der Trinkwasserversorgungsanlagen ausschließen oder doch wenigstens auf das unabdingbare Maß reduzieren wolle, die Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch eine Beitragserhebung erfolgen müsse. Das anknüpfend an diese Zweckbestimmung vom Verwaltungsgericht entwickelte System von erforderlichem Deckungsgrad durch Beitragsfinanzierung, Regel und zulässiger bzw. unzulässiger Ausnahme überzeugt auch abgesehen von der Frage der zulässigen Anknüpfung an § 44 Abs. 3 KV M-V nicht.

89

Das Verwaltungsgericht begründet nicht, warum es § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V als „bereichspezifische Ausprägung“ des § 44 Abs. 3 KV M-V von seinem Standpunkt aus grundsätzlich überhaupt erlauben sollte, die Trinkwasserversorgungsanlagen auch nur anteilig über Gebühren zu refinanzieren, da dies in jedem Fall nach Maßgabe seiner Argumentation gegenüber einer Beitragserhebung einen höheren Kreditbedarf auslösen würde. Im Verständnis einer Sollvorschrift im verwaltungsrechtlichen Sinne (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2010 – 4 C 8.10 –, juris; Urt. v. 26.03.2009 – 2 C 46.08 –, juris; Urt. v. 02.07.1992 – 5 C 39.90 –, BVerwGE 90, 275 – zitiert nach juris; Beschl. v. 03.12.2009 – 9 B 79.09 –, juris; Urt. v. 22.11.2005 – 1 C 18.04 –, BVerwGE 124, 326 – zitiert nach juris; Urt. v. 16.12.2010 – 4 C 8.10 –, juris) „muss“ aber der Einrichtungsträger im Regelfall zur Refinanzierung Beiträge erheben. Gerade der vom Verwaltungsgericht herangezogene § 44 Abs. 3 KV M-V böte jedenfalls keine argumentativen Anhaltspunkte dafür, dass „ein wenig“ Gebührenfinanzierung bzw. „ein wenig mehr“ Kreditbedarf mit der gesetzlichen Regel bzw. regelmäßigen Finanzierungsform der Beitragserhebung vereinbar wäre oder dieser entspräche.

90

Mit Blick auf den Charakter des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V als Soll-Vorschrift bleibt in den Ausführungen des Verwaltungsgerichts regelungssystematisch unklar, warum eine Refinanzierung über Gebühren im Umfang von etwa 30 % der Herstellungskosten bzw. eine Kostendeckung von nur etwa 70 % der Herstellungskosten „voraussetzungslos“ zulässig bzw. nicht als Ausnahme von der Regel des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu qualifizieren wäre, die das Vorliegen atypischer Umstände erforderte. Soweit das Verwaltungsgericht dazu auf das Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 02. Juni 2004 – 4 K 38/02 – (DVBl. 2005, 64) verweist, ersetzt dies keine Begründung aus dem Gesetz. Dies gilt umso mehr, als der Senat – woran festzuhalten ist – bereits in seinem zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss vom 25. Mai 2009 – 1 M 157/08 – (NordÖR 2010, 299) dazu folgendes ausgeführt hat:

91

„Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass die - wesentlich mit entscheidungstragenden - Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts den Eindruck erwecken, das OVG Mecklenburg-Vorpommern habe in seinem Urteil vom 02. Juni 2004 - 4 K 38/02 - (a.a.O.) im Kontext des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG (M-V) eine Mindestgrenze für die Deckung des Herstellungsaufwandes durch Beiträge dergestalt festgelegt, dass ein Deckungsgrad von 70 % oder mehr angestrebt werde bzw. anzustreben sei und jedenfalls ein solcher Deckungsgrad "voraussetzungslos" zulässig sei. Derartige Aussagen, die diese und die daran anknüpfenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts stützen könnten, lassen sich diesem in Bezug genommenen Urteil jedoch nicht entnehmen. Zwar ist in dem Urteil der Gesichtspunkt des Deckungsgrades angesprochen, dies jedoch in einem anderen Zusammenhang: In dem dortigen Verfahren ging es ausschließlich um die Frage, ob die sich aus einem Schreibfehler in der Kalkulation ergebende geringfügige Verschiebung des tatsächlichen Deckungsgrades durch Beiträge (71,24 %) gegenüber dem beschlossen Deckungsgrad von 70,01 % unter verschiedenen rechtlichen Blickwinkeln einen beachtlichen Mangel der angegriffenen Satzung begründet habe (dort verneint). Mit dem erforderlichen Maß der beitragsfinanzierten Deckung befasst sich das Urteil demgegenüber nicht; es enthält - mangels diesbezüglicher Rügen - keine näheren Erwägungen hierzu. Allenfalls kann man der Entscheidung entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht den beschlossenen bzw. tatsächlichen Deckungsgrad nicht in einer Weise für offensichtlich problematisch erachtet hat, die eine nähere Auseinandersetzung erfordert hätte.

92

Die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte "kritische Grenze" einer Kreditquote von etwa 1/3 bzw. 30 % findet demzufolge in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern keine Rechtfertigung. Das Verwaltungsgericht nennt auch keine rechtliche Grundlage, die - zumal nach dem Prüfungsmaßstab des summarischen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes - eine solche Grenzziehung erlaubte; insoweit wäre im Hinblick auf die Annahme einer solchen "Kreditquote" der Rahmen einer zulässigen richterlichen Rechtsauslegung bzw. Rechtsfortbildung zu bedenken. …“

93

Ebenfalls lässt das Verwaltungsgericht offen, was im Falle eines gebührenfinanzierten Anteils an den Herstellungskosten von 49 % bis 31 % gelten soll. Lediglich eine „vollständige oder überwiegende Gebührenfinanzierung“ von Maßnahmen im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V soll nach seinen Ausführungen nämlich auf atypische Fälle beschränkt bleiben, wobei von „überwiegender“ Gebührenfinanzierung wohl begrifflich erst bei einem Prozentsatz von 51 % und mehr ausgegangen werden könnte.

94

Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts dazu, wann eine Ausnahme von der Sollvorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zulässig sei, erscheint nicht schlüssig: Eine an deren Regelungsziel orientierte Ausnahme sei danach immer dann gegeben, wenn die Eigenkapitalausstattung für die betreffende Maßnahme – aus welchen Gründen auch immer – so gut sei, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa einem Drittel der Herstellungskosten nicht deutlich übersteige. In diesem Fall sei es „nicht einsehbar“, warum der Aufgabenträger daran gehindert sein solle, die Refinanzierung der Anlage ganz oder überwiegend durch Benutzungsgebühren vorzunehmen. Die Einhaltung des gesetzgeberischen Regelungsziels sei bei Zulassung dieser Ausnahme gewährleistet. Für die Bemessung der Quote sei maßgeblich, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V den Aufgabenträger nicht dazu zwinge, bei der Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 100 Prozent anzustreben; vielmehr sei ein Deckungsgrad von nur 70 % nach der bereits benannten Rechtsprechung des OVG M-V „voraussetzungslos“ zulässig. Damit werde akzeptiert, dass die Refinanzierung von 30 % der Herstellungskosten der Anlage durch Gebühren erfolge und insoweit ein Kreditbedarf des Aufgabenträgers bestehen könne, wobei diese Quote nicht als feste Grenze sondern als Richtwert zu verstehen sei.

95

Da diese Argumentation wiederum an die vorstehend schon erörterte Entscheidung des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 02. Juni 2004 – 4 K 38/02 – (a. a. O.) anknüpft bzw. auf dieser beruht, kann zunächst auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Darüber hinaus stellte der vom Verwaltungsgericht angenommene Sachverhalt einen Regelfall und nicht einen atypischen Fall dar, da dieser vom Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V im Sinne der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Zweckbestimmung erfasst wäre und in wesentlichen Grundzügen mit den zu regelnden Fällen übereinstimmte. Dieser Zweckbestimmung wird das Verwaltungsgericht mit der von ihm für zulässig erachteten Ausnahme nicht durch die bloße Aussage gerecht, „es sei nicht einsehbar“, warum in dem von ihm gebildeten Fall eine Kreditfinanzierung unzulässig sein sollte. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit es sich bei der vom Verwaltungsgericht erörterten Sachverhaltskonstellation um einen für den Normgeber unvorhersehbaren Ausnahmefall handeln könnte. Die Grenzziehungen, die das Verwaltungsgericht hinsichtlich erforderlichem Deckungsgrad und zulässiger Finanzierungsquote vornimmt, hätte der Gesetzgeber ohne weiteres im Kommunalabgabengesetz entsprechend regeln können, wenn er es denn gewollt hätte. Im Übrigen ist der vom Verwaltungsgericht entwickelte Fall schwer vorstellbar: An welches – zweckfreie – Eigenkapital zu denken wäre, bleibt hinsichtlich seiner Quelle unklar. Gleiches gilt für den Zusammenhang zwischen Eigenkapitalausstattung und Kreditbedarf für die Herstellungskosten, wenn doch nach den gesetzlichen Bestimmungen die Herstellungskosten von den Bevorteilten zu tragen und nicht, auch nicht teilweise, aus irgendwelchem Eigenkapital zu finanzieren sind (aus welchen Gründen auch immer solches ohne Zweckbindung vorhanden sein sollte). Eigenkapital aus Beiträgen kann nicht gemeint sein, da dann die eingesetzten Beiträge wiederum ihrerseits mit Krediten ersetzt werden müssten. Außerdem hieße das, dass erst Beiträge in der vom Verwaltungsgericht für erforderlich erachteten Höhe eingenommen worden sein müssten, bevor eine Gebührenerhebung zulässig würde. Es geht aber bei der Frage des zulässigen Finanzierungssystems gerade darum, ob die Refinanzierung von Anfang an auch aus Gebühren erfolgen kann. Auch Zuschüsse können nicht gemeint sein. Diese sind im Falle des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG M-V nicht dazu da, Gebühren oder Beiträge vorzufinanzieren, sondern vermindern neben diesen den Kreditbedarf. Anderenfalls müssten die Zuschüsse ihrerseits durch Kredite zeitweise substituiert werden, was wiederum nicht mit der Zweckbestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts vereinbar wäre. Zuschüsse im Sinne von § 9 Abs. 2 S. 5, 6 KAG M-V können ebenfalls nicht gemeint sein, da sie per definitionem zweckgebunden sind.

96

g) § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V steht mit seinem vorstehend erläuterten Regelungsgehalt der vorliegend zu überprüfenden Entscheidung des Zweckverbandes Wasserversorgung, gemäß § 1 Abs. 1 Buchst a) WVGS 2008 – nach Maßgabe näherer Ausformung in der Satzung – eine reine Gebührenfinanzierung umzusetzen, nicht entgegen. Der Zweckverband befand sich zum Zeitpunkt der Entscheidung für dieses Finanzierungssystem in einer Situation, in der er sich auf die grundsätzliche Wahlfreiheit hinsichtlich der Art der Finanzierung seines Herstellungsaufwandes für die öffentliche Einrichtung der Wasserversorgung berufen konnte bzw. kann. Denn der Zweckverband verfügt weder aktuell über eine rechtwirksame Beitragssatzung, noch konnte er sich in der Vergangenheit auf eine solche stützen; auf das Vorliegen atypischer Umstände, die ein Abweichen von § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V rechtfertigen könnten, kommt es folglich nicht an.

97

Die Satzung des Zweckverbandes „Wasserversorgung “ über die Erhebung von Anschlussbeiträgen und Kostenerstattungen für die Wasserversorgung – Wasserversorgungsbeitragssatzung – vom 09. Oktober 2002 (nachfolgend: WBS 2002) i. d. F. der 1. Satzung zur Änderung der Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 18. Juni 2004, die in ihrem § 1 Abs. 2 Buchst. a) die Erhebung von Anschlussbeiträgen „zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen“ vorgeschrieben hat, ist – unabhängig von der Frage ihrer in zeitlicher Hinsicht nur teilweisen Aufhebung gemäß Aufhebungssatzung vom 03. September 2008 – unwirksam gewesen (vgl. dazu, dass im Übrigen alle früheren Wasserversorgungsbeitragssatzungen unwirksam gewesen sind, weil bei der Kalkulation der Beitragssätze entgegen § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG 1993 sog. Altanlagenbuchwerte aufwandserhöhend berücksichtigt worden sind, bereits den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschl. des VG Greifswald v. 27.10.2008 – 3 B 1161/08 –, Der Überblick 2009, S. 40, 46, unter Hinweis auf sein Urt. v. 31.08.2005 – 3 A 3684/04 und entsprechend den Senatsbeschl. v. 03.03.2005 – 1 L 56/04 –, der die Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002 ebenfalls als erste wirksame Satzung betrachtet hat). Die in § 3 Abs. 4 Buchst d) WBS 2002 geregelte Tiefenbegrenzungsregelung hat sich zwischenzeitlich als unwirksam erwiesen, was für entsprechende Vorläuferbestimmungen in gleicher Weise anzunehmen ist. Nach dieser Bestimmung gilt als beitragsfähige Grundstücksfläche bei Grundstücken, die (in Bezug auf ihre Tiefe) teils dem Innenbereich und im Übrigen dem Außenbereich zuzuordnen sind, oder bei denen (hinsichtlich ihrer Tiefe) fraglich sein kann, ob sie insgesamt dem Innenbereich zugeordnet werden können, die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen; bei Grundstücken, die nicht an eine Straße angrenzen oder nur durch einen zum Grundstück gehörenden Weg (oder durch Wegerecht über dritte Grundstücke) mit einer Straße verbunden sind (Hinterliegergrundstücke), die Fläche zwischen der der Straße abgewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen.

98

Diese sogenannte qualifizierte Tiefenbegrenzungsregelung genügt nicht den Anforderungen, die an eine solche Regelung nach Maßgabe höherrangigen Rechts und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zu stellen sind. Danach gilt:

99

Eine Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht grundsätzlich zulässig. Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Die damit verbundene und im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen allgemein als zulässig angesehene Pauschalierung wirkt sich in Einzelfällen mehr oder weniger zu Lasten einzelner Beitragspflichtiger aus. Eine Tiefenbegrenzung findet gerade im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegender unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V). Danach sind die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden. Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem – wie in § 3 Abs. 2 WBS 2002 geregelten – kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen. Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist im Prinzip der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Denn läge bei exakter Betrachtung des einzelnen Grundstückes die Grenze des baurechtlichen Innenbereiches (§ 34 Abs. 1 BauGB) vor (straßenseits) der Tiefenbegrenzungslinie, so würde der Eigentümer des Grundstückes – aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich zulässigerweise – höher belastet als es ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung der Fall wäre. Gleichermaßen würde derjenige Grundstückseigentümer, dessen Grundstück ohne die Vermutung der Tiefenbegrenzung erst jenseits der Tiefenlinie in den Außenbereich überginge, besser gestellt als ohne Geltung der Tiefenbegrenzungslinie. Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Der Senat hat daher in seiner bisherigen Rechtsprechung durchweg darauf abgestellt, ob sich die gewählte Tiefenlinie als ortsangemessen darstellt bzw. den örtlichen Verhältnissen entspricht. Dies stimmt mit den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erschließungsbeitragsrecht an die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung überein. Danach muss die gewählte Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden. Das Gericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 – m. w. N.).

100

Der Zweckverband hat nach seinen eigenen Ausführungen, an denen zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat, die Anforderungen an eine solche sorgfältige, methodenrichtige Ermittlung der örtlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet in der Vergangenheit nicht erfüllt. Der Beklagte hat hierzu ausgeführt, der Festlegung der Tiefenbegrenzung in den Satzungswerken des Zweckverbandes habe jedenfalls die vom Oberverwaltungsgericht im Sinne methodisch korrekten Kalkulationsvorgehens verlangte Ermittlung der örtlichen Verhältnisse/ortsüblichen Bebauungstiefe nebst entsprechender Dokumentation zur Untermauerung der Ermessensentscheidungen auch zur Tiefenbegrenzung von 50 m zu keiner Zeit zu Grunde gelegen. Gezielte bzw. methodische Erhebungen geschweige denn explizite Dokumentationen diesbezüglich, die das Verbandsgebiet insgesamt oder auch nur ermessensrichtig ausgewählte Repräsentativ-Bereiche zum Gegenstand hätten, würden erst jetzt, im Nachgang zum Urteil des 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 14. September 2010 – 4 K 12/07 –, durchgeführt.

101

Damit fehlt es vorliegend an der für die ordnungsgemäße Ausübung des normgeberischen Ermessens vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung erforderlichen sorgfältigen und willkürfreien Ermittlung der örtlichen Verhältnisse in allen Bereichen des Verbandsgebiets. Die Tiefenbegrenzungsregelung in § 3 Abs. 4 Buchst d) WBS 2002 ist nach dem Vorbringen der Beklagten ausschließlich gestützt auf die sog. „Feuerwehrschlauch-Rechtsprechung“ insbesondere des Verwaltungsgerichts Greifswald und die „profunde persönliche Ortskenntnis“ der Behördenmitarbeiter. Die Festsetzung der Tiefenbegrenzung ist damit offensichtlich willkürlich erfolgt und unwirksam. Diese Unwirksamkeit zieht die Unwirksamkeit der Gesamtsatzung nach sich, weil es dann an einer Maßstabsregelung für Übergangsgrundstücke fehlt und entgegen dem Grundsatz der konkreten Vollständigkeit gleichheitswidrig nicht alle Beitragsfälle von der Satzung erfasst würden. Ebenso ist die Festlegung des Beitragssatzes ermessensfehlerhaft, da auf eine nach willkürlichen Kriterien erstellte Kalkulation gestützt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beklagte – unsubstantiiert – vorgetragen hat, nunmehr durchgeführte Untersuchungen würden die Tiefenbegrenzung vom 50 m stützen. Selbst wenn dies so wäre, würden sich die Grundlagen für eine Ermessensentscheidung über eine Tiefenbegrenzung inhaltlich in einer Weise verändert haben, die der Schlussfolgerung entgegenstünde, der Fehler sei unbeachtlich, weil mit Sicherheit davon ausgegangen werden könne, die Verbandsversammlung hätte auch auf der veränderten Basis die gleiche Regelung getroffen. Dies gilt umso mehr, als der Verbandsversammlung auf der Grundlage ordnungsgemäß ermittelter ortsüblicher Verhältnisse wiederum Ermessen eingeräumt ist.

102

Dem in diesem Zusammenhang lediglich im Schriftsatz vom 21. März 2011 gestellten Antrag der Klägerin auf „Akteneinsicht in sämtliche Verwaltungsvorgänge im Original zum Erlass aller Wasserversorgungsbeitragssatzungen im Verbandsgebiet nach der Wende, insbesondere für die Satzung vom 09.10.2002“ konnte der Senat schon deshalb nicht nachkommen, weil er solche Akten nicht beigezogen bzw. vorliegen hat. Es bestand im Übrigen auch keine Veranlassung, von Amts wegen im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes etwa die Vorlage weiterer Vorgänge zu fordern, da nach dem Vorbringen des Beklagten, der der prozessualen Wahrheitspflicht unterliegt, entsprechende Verwaltungsunterlagen zur Festlegung der Tiefenbegrenzung gerade nicht existieren (vgl. dazu, dass im Übrigen alle vorhergegangenen Wasserversorgungsbeitragssatzungen auch unwirksam gewesen sind, weil bei der Kalkulation der Beitragssätze entgegen § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG 1993 sog. Altanlagenbuchwerte aufwandserhöhend berücksichtigt worden sind, den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschl. des VG Greifswald v. 27.10.2008 – 3 B 1161/08 –, Der Überblick 2009, S. 40, 46, und im Ergebnis entsprechend den Senatsbeschl. v. 03.03.2005 – 1 L 56/04 –, der die Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002 ebenfalls als erste wirksame Satzung betrachtet hat). Insbesondere mit Blick auf ggf. drohende strafrechtliche Konsequenzen hat das Gericht keine Veranlassung, an der Richtigkeit des Vortrags des Beklagten zu zweifeln, zumal dieser im Bereich der Schmutzwasserbeiträge durchaus negative Konsequenzen für ihn zeitigen kann.

103

2. Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Buchst a) WVGS 2008 erweist sich auch nicht aus anderen Gründen wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht als unwirksam, weil sie eine ausschließliche Gebührenfinanzierung des Herstellungsaufwandes regelt.

104

a) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass aufgrund der zwischenzeitlichen Erkenntnisse zur satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzungsregelung die maßgeblichen Erwägungen im Beschluss des Senats vom 25. Mai 2009 – 1 M 157/08 – nicht mehr tragfähig sind. Sie beruhten wesentlich auf der Annahme, dass eine wirksame und nicht rückwirkend aufgehobene Beitragssatzung eine Pflicht zum Behaltenmüssen der vereinnahmten Anschlussbeiträge begründet habe und deren Nichtberücksichtigung im Rahmen der Gebührenkalkulation deshalb fehlerhaft sei. Fehlte jedoch von Anfang an eine wirksame Beitragssatzung, entfällt zugleich die entsprechende Beitragserhebungs- und Behaltenspflicht. Eine Auseinandersetzung mit den ablehnenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu dem vom Senat eingenommenen Rechtsstandpunkt erübrigt sich damit. Aufgrund der bestandskräftigen Beitragsbescheide kann nur noch von einem „Behalten dürfen“ die Rede sein. Hat aber der Normgeber wie im vorliegenden Fall dann einen „Systemwechsel“ bzw. eine zukünftig reine Gebührenfinanzierung beschlossen und in seiner Gebührenkalkulation bzw. Gebührensatzung die vereinnahmten Beiträge nicht mehr gebührenmindernd berücksichtigt, ist eine Ermessensreduktion dahingehend eingetreten, dass die vereinnahmten Beiträge – mit welcher rechtlichen Konstruktion auch immer – zurückzuzahlen sind.

105

b) Die Wahlfreiheit des Zweckverbandes war auch nicht durch das Kommunalabgabengesetz M-V im Übrigen oder sonstiges höherrangiges Recht beschränkt.

106

Haben Nutzer bereits durch Beiträge zur Finanzierung des Aufwandes einer öffentlichen Einrichtung beigetragen, verstößt die undifferenzierte Erhebung von Gebühren von diesen Nutzern ohne Berücksichtigung ihrer geleisteten Beiträge im Verhältnis zu den übrigen Nutzern gegen das Verbot einer Doppelbelastung (vgl. hierzu ausführlich OVG Greifswald, Beschl. v. 25. Mai 2009 – 1 M 157/08 –; Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris), den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit sowie den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Denn erstere haben im Unterschied zu den übrigen Nutzern mit ihrer auf den Aufwand der Einrichtung bezogenen Leistung wirtschaftlich gesehen Anteile an den Anschaffungs- und Herstellungskosten der Anlage erbracht. Zahlt der Einrichtungsträger im Fall einer Umstellung auf eine reine Gebührenfinanzierung die von den Nutzern geleisteten Beiträge nicht zurück, muss er diesen Grundsätzen auf andere Weise (Regelung unterschiedlicher <„gespaltener“> Gebührensätze, Ausgleich durch eine Billigkeitsregelung im Rahmen des Heranziehungsverfahrens ) Rechnung tragen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.09.1981 – 8 C 48.81 –, DVBl. 1982, 76; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. 06.06.2007 – 9 A 77.05 –, LKV 2008, 377 – zitiert nach juris).

107

Da der Beklagte eine Rückzahlung vereinnahmter Beiträge im Erlasswege schon weitgehend vorgenommen hat und auch laufend weiter durchführt, sind unter diesem Blickwinkel keine rechtlichen Bedenken gegen die Systemumstellung gegeben. Soweit die Klägerin die Rechtmäßigkeit des Rückzahlungsverfahrens in Frage stellt bzw. auf die Bestandskraft der Beitragsbescheide verweist, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass sie insoweit in eigenen Rechten verletzt sein könnte. Weil sie selbst in der Vergangenheit nicht Adressatin eines Beitragsbescheides geworden ist, scheidet für sie die Annahme einer Doppelbelastung aus.

108

Da der Anteil der vom Beklagten in der Vergangenheit bereits erhobenen Beiträge – ob aus billigenswerten Gründen kann dahingestellt bleiben – im Verhältnis zum voraussichtlichen Gesamtbeitragsvolumen vergleichsweise gering war (6 - 8 %), stellt sich die Systemumstellung im Sinne der erstmaligen Einführung einer Aufwandsfinanzierung ausschließlich über Gebühren gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. a) WVGS 2008 auch im Übrigen als zulässig dar.

109

Dabei erscheint dem Senat folgende Klarstellung geboten: Wenn eine Beitragserhebung schon – bis zu welcher Grenze kann vorliegend offen blieben und wird im Übrigen von den Umständen des Einzelfalles abhängen – erheblich fortgeschritten oder gar nahezu abgeschlossen wäre, würde sich eine Systemumstellung demgegenüber als offensichtlich fehlerhafte bzw. willkürliche Ausübung des ortsgesetzgeberischen Ermessens und eine Überschreitung der Grenzen der für das Normsetzungsorgan geltenden Gestaltungsfreiheit im Abgabenrecht darstellen, selbst wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt herausgestellt haben sollte, dass die bisher als Rechtsgrundlage angesehene Beitragssatzung rechtswidrig und unwirksam war. Es wären kaum vernünftige, sachlich einleuchtende Gründe denkbar, die es rechtfertigen könnten, eine bereits in erheblichem Umfang oder weitgehend erfolgte und gelungene Refinanzierung des Herstellungsaufwandes wieder rückgängig zu machen, um eine nochmalige bzw. wiederholte Finanzierung auf anderem Wege vorzunehmen. Dagegen spricht zudem allein schon der erhebliche Verwaltungsaufwand, der dadurch ohne jede Rechtfertigung produziert würde. Die Vereinbarkeit einer solchen Vorgehensweise mit den Grundsätzen einer geordneten Haushaltswirtschaft erschiene ebenfalls kaum vorstellbar, die dadurch bedingte Gebührenerhöhung für die Gebührenschuldner voraussichtlich unzumutbar. Ein Aufgabenträger wäre in dieser Situation gehalten, eine neue Beitragssatzung zu erlassen, die Rechtsgrundlage für die bereits durchgeführte und zukünftig abzuschließende Beitragserhebung werden würde. Der Zweckverband Wasserversorgung stand demgegenüber jedoch faktisch erst „am Anfang“ der Umsetzung seines ursprünglichen Finanzierungssystems, das sich zwischenzeitlich als rechtswidrig herausgestellt hat.

110

Die systemumstellungsbedingte Erhöhung der Zusatzgebühr bewegt sich noch im Rahmen der im Lande Mecklenburg-Vorpommern üblichen Höhe von Trinkwasserverbrauchsgebühren (vgl. den statistischen Bericht des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern „Wasser- und Abwasserentgelte für die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in Mecklenburg-Vorpommern 2010“ vom 21.01.2011 unter www.statistik-mv.de), so dass der Senat auch unter dem Blickwinkel der Zumutbarkeit der Umstellung für die Gebührenschuldner keine durchgreifenden Bedenken gegen die Ermessensentscheidung zur Einführung des reinen Gebührensystems hat. Für die von der Klägerin in der Zukunft befürchteten weiteren umstellungsbedingten erheblichen Gebührensteigerungen gibt es keine substantiellen Anhaltspunkte. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte schon in seinem Schreiben an das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 19. Dezember 2007 eine Erhöhung der Mengengebühr ansteigend bis zum Jahr 2012 um insgesamt ca. 0,50 Euro prognostiziert hatte und damit immer noch in dem genannten Rahmen läge. Die erhebliche zusätzliche Gebührenbelastung für die Klägerin ist letztlich angesichts ihres enormen Wasserverbrauchs vorteilsgerecht. Die Angriffe der Klägerin gegen die Gebührenkalkulation schließlich sind unsubstantiiert geblieben.

111

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

112

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

113

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.