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| Die Klägerin verlangt die Bezahlung einer monatlichen Rente und ärztlicher Gebühren aus einer Unfallversicherung. |
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| Zwischen den Parteien besteht unter der Versicherungs-Nr. 21.905… ein Unfallversicherungsvertrag (Anl. K 1). Versicherungsbeginn war der 1.11.2002. Dem Versicherungsvertrag liegen u.a. die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen in der Fassung vom 1.1.2002 (AUB 2002) zugrunde. Außerdem sind die Besonderen Bedingungen für die Versicherung einer Unfall-Rente mit Rentengarantie bei einem Invaliditätsgrad ab 50 Prozent und die Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit Zuwachs von Leistung und Beitrag vereinbart (Anl. B 1 - B 3). Aufgrund des Nachtrages zum Versicherungsschein vom 29.8.2003 (Anl. K 2), gültig ab 1.11.2003, beträgt die Unfall-Rente ab einer Invalidität von 50 % monatlich 580,-- EUR und ab einer Invalidität von 90 % monatlich 1.160,-- EUR. |
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| Am 5.6.2004 gegen 20.30 Uhr ist die Klägerin auf einer abschüssigen Hofeinfahrt an ihrem Wohnort ausgerutscht und rückwärts mit dem Hinterkopf auf dem Boden aufgeschlagen. Vom 6.6.2004 bis 26.6.2004 war sie in stationärer Behandlung. Mit Unfallanzeige vom 22.6.2005 (Anl. B 4) hat sie den Unfall schriftlich bei der Beklagten gemeldet. Sie hat darin als Verletzungen eine schwere Gehirnerschütterung und Blutgerinnsel im Kopf angegeben und unfallbedingt den Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns geltend gemacht. In einem neurologischen Gutachten von Frau Dr. K. vom 20.6.2005 hat diese festgestellt, dass der Unfall Dauerfolgen hinterlassen werde, der Geruchs- und der Geschmacksinn seien nach dem HNO-ärztlichen Gutachten verloren. Die Beklagte hat zunächst mit Schreiben vom 28.6.2005 und nach ergänzender Prüfung mit Schreiben vom 18.12.2006 und 15.5.2007 ihre Leistungsverpflichtung abgelehnt. |
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| Die Klägerin behauptet, ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sei aufgrund des Unfalls um mindestens 90 % beeinträchtigt. Durch den Sturz habe sie ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten, eine Hirncontusion (contre coup) mit residuellen Veränderungen rechts, frontal/frontobasal und diskret auch links frontobasal. Die Klägerin stützt sich insoweit auf den Befundbericht von Frau Prof. Dr. B. vom 4.3.2006 (Anl. K 3) und auf das Gutachten von Frau Dr. M. vom 9.7.2007 (Anl. K 4). Sie behauptet, dass sie den Geruchs- und Geschmackssinn jeweils vollständig verloren habe, was nach der Gliedertaxe in Ziffer 2.1.2.2.1 AUB 2002 einen Invaliditätsgrad von 10 % bzw 5 % ausmache. Die Invalidität außerhalb der Gliedertaxe betrage aufgrund der erlittenen Kopfverletzungen zusätzlich über 80 %. Des Weiteren schulde ihr die Beklagte gemäß Ziffer 9.1 AUB 2002 auch in Höhe von 30 % der Unfallrente den Ersatz der ärztlichen Gebühren, die ihr zur Begründung des Leistungsanspruchs entstanden seien. |
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| Die Beklagte meint, dass aufgrund des Unfalls bei der Klägerin keine Invalidität von mindestens 50 % eingetreten sei. |
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| Auf die weiteren tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. |
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| Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines neurologischen Sachverständigengutachtens und Vernehmung der Zeugin Dr. M. abgewiesen, weil die Klägerin nicht habe nachweisen können, dass bei ihr aufgrund des Unfalls eine Invalidität von mindestens 50 % eingetreten sei. Wegen des vollständigen Verlustes des Geruchssinnes im Sinne einer Anosmie liege eine Invalidität nach der Gliedertaxe von 10 % vor. Einen vollständigen Verlust auch des Geschmackssinnes (Ageusie) habe die Klägerin aber nicht nachweisen können. Dieser sei nur teilweise beeinträchtigt, weshalb diesbezüglich nur eine Invalidität von 2,5 % eingetreten sei. Das Landgericht ist weiter aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. zu dem Ergebnis gelangt, dass zwar bei der Klägerin aufgrund des Unfalls eine frontale Hirnschädigung vorliege, die Schädigung anderer Hirnstrukturen sei allerdings vollbeweislich nicht zu sichern. Zwar könne eine Frontalhirnschädigung zu hirnorganischen Wesensänderungen führen und bei der Klägerin zeige sich das Bild einer moros-dysphorischen depressiven Verstimmung mit einer geringeren Fähigkeit, auf Lebensereignisse zu reagieren. Es sei aber von einer ausgeprägten Aggravation von Beschwerden bei der Klägerin auszugehen, weshalb eine objektive Einschätzung des körperlich bedingten Teils äußerst schwierig sei. Die nicht nach der Gliedertaxe zu bemessende Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit betrage allenfalls 30 %. Die von der Klägerin weiter angegebenen Beschwerden und Beeinträchtigungen in Form von Kopfschmerzen und Schwindel seien nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit dem Unfallereignis zuzuordnen. |
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| In der mündlichen Verhandlung vom 30.4.2009 hat die Klägerin erstmals vorgetragen, unfallbedingt sei bei ihr außerdem eine Hochtoninnenohrschwerhörigkeit und eine Beeinträchtigung der Sehkraft eingetreten. Diesen Vortrag hat das Landgericht nach §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen. Außerdem seien diese Beschwerden bei der Bemessung der Invalidität nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und auch nicht innerhalb weiterer drei Monate ärztlich festgestellt und gegenüber der Beklagten geltend gemacht worden seien. |
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| Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Sie behauptet weiterhin, dass auch der Geschmackssinn nicht nur zur Hälfte sondern vollständig verloren gegangen sei, weshalb diesbezüglich eine Invalidität von 5 % vorliege. Obwohl nicht Gegenstand des Beweisbeschlusses habe das Landgericht die Ausführungen des Sachverständigen zum Geschmackssinn urteilsfindend gewertet. Darin liege ein Verstoß gegen § 282 ZPO. |
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| Des Weiteren habe der Sachverständige wegen der vorliegenden hirnorganischen Wesensänderung seine prozentuale Würdigung zum Invaliditätsgrad getroffen, ohne dass er die entscheidungserheblichen AUB der Beklagten gekannt habe. Bei einer umfassenden Bewertung und Berücksichtigung der AUB hätte wegen dieser Unfallfolge eine Invalidität von mindestens 40 % festgestellt werden müssen. |
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| Außerdem leide die Klägerin aufgrund des Unfalls an Kopfschmerzen und Schwindel, was zu einer zusätzlichen Invalidität von jeweils 10 % geführt habe. Der Sachverständige habe hier keine ausreichende Ursachenabklärung betrieben, weshalb eine Verletzung von § 412 ZPO vorliege. |
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| 1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 22.05.2009 wird aufgehoben. |
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| 2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständige Unfallrenten in Höhe von monatlich EUR 1.160,-- jeweils ab 01.06.04 - 01.10.04 zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz jeden Monat, beginnend mit dem 01.06.04 aus jeweils EUR 1.600,--, monatlich EUR 1.220,-- jeweils ab 01.11.04 - 01.10.05 zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz jeden Monat, beginnend mit dem 01.11.04 jeweils aus EUR 1.220,--, monatlich EUR 1.290,-- jeweils ab 01.11.05 - 01.10.06 in Höhe von EUR 1.290,-- zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz jeden Monat, beginnend mit dem 01.11.05 jeweils aus EUR 1.390,-- und monatlich EUR 1.360,-- jeweils ab 01.11.06 - 01.07.07 zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz jeden Monat, beginnend mit dem 01.11.06 jeweils aus EUR 1.360,-- zu bezahlen. |
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| 3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab dem 01.08.07 bis auf Weiteres eine monatliche Unfallrente in Höhe von EUR 1.360,-- zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus, beginnend mit dem 01.07.07 jeweils aus EUR 1.360,-- zu bezahlen. |
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| 4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin EUR 408,-- zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagerhebung zu bezahlen. |
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| 5. Die Beklagte wird verurteilt, der Klagepartei weitere EUR 832,88 zuzüglich 5 % Zins- en über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagerhebung zu bezahlen. |
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| die Berufung zurückzuweisen. |
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| Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts. |
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| Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. |
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| Der Senat hat den Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. ergänzend angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2009 (Bl. 181 - 184) Bezug genommen. |
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| Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. |
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| Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Bezahlung einer Unfall-Rente und auf Erstattung ärztlicher Gebühren. Das Landgericht hat die Klage zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass bei der Klägerin aufgrund des Unfalls vom 5.6.2004 ein Invaliditätsgrad von mindestens 50 % nicht vorliegt. |
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| Der Klägerin steht aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag, unter Einbeziehung der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 2002) und den Besonderen Bedingungen für die Versicherung einer Unfallrente eine Unfallrente nur dann zu, wenn sie aufgrund eines Unfallereignisses unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erlitten hat, die zu einer innerhalb eines Jahres eingetretenen und innerhalb von weiteren drei Monaten ärztlich festgestellten und gegenüber der Beklagten geltend gemachten Beeinträchtigung ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) geführt hat und der Grad der Invalidität mindestens 50 % bzw. 90 % beträgt. |
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| Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist von der Versicherungsnehmerin zu beweisen (Grimm, Unfallversicherung, 4. Aufl., § AUB 99 Rn 45; Prölss/Martin-Knappmann, VVG, 27. Aufl. § 7 AUB 94 Rn 2). Dies ist der Klägerin nicht hinsichtlich aller Vorraussetzungen gelungen. |
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| Nach 1.3 AUB 2002 liegt ein Unfall vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. |
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| Am 5.6.2004 ist die Klägerin unstreitig vor ihrem Haus in der abschüssigen Hofeinfahrt ausgerutscht und rückwärts mit dem Hinterkopf auf den Boden aufgeschlagen. |
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| Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof . Dr. Dr. W. hat die Klägerin durch den Sturz auf den Hinterkopf ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten mit Einblutungen frontobasal rechts und etwas weniger auch links im Sinne einer sog. Contre-coup-Hirnkontusion, also einer Hirnschädigung auf der Gegenseite. Außerdem hat sie eine Geruchssinnstörung (Anosmie) und eine Geschmackssinnstörung (Ageusie) erlitten. |
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| Formale Voraussetzung für die Invaliditätsleistung ist, dass aufgrund der unfallbedingten Gesundheitsschädigung eine Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei der Versicherung geltend gemacht wird (2.1.1.1. AUB 2002). |
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| Das Erfordernis fristgerechter ärztlicher Feststellung der Invalidität ist eine Anspruchsvoraussetzung. Der Anspruch des Versicherungsnehmers entsteht nicht, wenn Invalidität nicht fristgerecht durch einen Arzt festgestellt worden ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2009, AZ: I-4 U 64/08; BGH, VersR 2007, 1114; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, VersR 2005, 929). |
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| Die ärztliche Feststellung muss einen Dauerschaden, der für eine Invalidität verantwortlich gemacht wird, zumindest enthalten. Es sind zwar an die Feststellung der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen, so muss sich die Feststellung nicht abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern und die Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens braucht noch nicht einmal richtig zu sein (BGH, VersR 2007, 1114). Allerdings muss dieser Dauerschaden aufgeführt sein. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, dass der Versicherer in der Lage versetzt wird, den Sachverhalt weiter aufzuklären. |
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| Die Klägerin hat am 18.6.2004 den Unfall telefonisch und mit Unfallanzeige vom 22.6.2005 schriftlich gemeldet. In der schriftlichen Unfallanzeige gab sie an, dass sie sich aufgrund des Unfalls eine schwere Gehirnerschütterung sowie ein Blutgerinnsel im Kopf zugezogen und außerdem den Geruchsinn und Geschmacksinn verloren habe. |
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| Am 20.6.2005 hat Frau Dr. S. K. ein neurologisches Gutachten erstellt (Anl. B 6). Aus den ihr vorliegenden Befunden konnte sie entnehmen, dass die Klägerin eine kleine Kontusionsblutung rechts frontal erlitten habe. Sie gelangte zu der Feststellung, dass der Unfall Dauerfolgen hinterlassen würde und ein Geruchs- und Geschmacksinnverlust vorliege. Darüber hinaus lägen unter ausschließlicher Berücksichtigung medizinischer Gesichtspunkte keine Unfallfolgen vor, die nicht Gliedmaßen oder Sinnesorgane betreffen. Zentralnervöse Ausfälle lägen nicht vor und auch psychoreaktive Unfallfolgen bestünden nicht. Unfallunabhängig seien bei angespannter familiärer Situation psychoreaktive Beschwerden festzustellen. |
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| Die Beklagte ist nach der Unfallanzeige der Klägerin in die Prüfung des Versicherungsfalles eingetreten und hat bei Prof. Dr. P., ein Gutachten eingeholt (Anl. B 8 nach Bl. 20). Dieser hat eine zusätzliche Invalidität wegen der frontalen Hirnschädigung festgestellt. |
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| Erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 30.4.2009 vor dem Landgericht hat die Klägerin in vorliegendem Rechtsstreit vorgetragen, es sei durch den Unfall auch eine Hochtoninnenohrschwerhörigkeit und eine Minderung der Sehkraft eingetreten. Abgesehen davon, dass in der Berufungsbegründung insoweit keine Rüge erhoben worden ist, bleibt festzustellen, dass das Landgericht diesen Vortrag zurecht gemäß § 296 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 282 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen hat. Ausweislich der ebenfalls erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgelegten ärztlichen Atteste aus den Jahren 2005 und 2006, die diesen Vortrag stützen sollten, waren die vorgetragenen Beschwerden lange bekannt, so dass die verspätete prozessuale Geltendmachung dieser Beschwerden als unfallbedingte Folgen auf einer groben Nachlässigkeit der Klägerin beruht. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ein entsprechender Vortrag nicht rechtzeitig erfolgt ist. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass ihr eine frühere Geltendmachung nicht möglich gewesen wäre. Bei der Zulassung des Vortrages hätte ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen, was zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt hätte. Die Klägerin bleibt deshalb gem. § 531 Abs. 1 ZPO mit diesem Angriffsmittel ausgeschlossen. |
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| Die durch den Unfall verursachten Gesundheitsschäden haben zu einer dauerhaften Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) der Klägerin geführt (2.1.1.1 AUB 2002). Das Landgericht ist nach der vom ihm durchgeführten Beweisaufnahme jedoch zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin aufgrund des Unfalls eine Invalidität von mindestens 50 % nicht nachweisbar vorliegt. Ein anderes Ergebnis hat auch die ergänzende Befragung des Sachverständigen in der Berufungsverhandlung vom 17.12.2009 nicht ergeben. Somit ist der für die Bezahlung einer Unfallrente erforderliche Mindestinvaliditätsgrad nicht erreicht. |
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| Vorweg geschickt sei, dass nunmehr auch der Klägervertreter in der Berufungsverhandlung klargestellt hat, dass die hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen über das Vorhandensein und die Bemessung der Invalidität sich nicht wesentlich von den üblichen unterscheiden. Die hier relevanten Regelungen sind auch über die verschiedenen Änderungen der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen hinweg inhaltlich nahezu gleich geblieben. Der Sachverständige ist bei der Prüfung, ob und in welcher Höhe eine Invalidität bei der Klägerin unfallbedingt eingetreten ist, somit von den maßgeblichen Bestimmungen ausgegangen. |
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| Der Geruchsinn ist aufgrund der unfallbedingten Gesundheitsschädigung völlig aufgehoben. Nach der Regelung in 2.1.2.2.1. AUB 2002 (Gliedertaxe) liegt deshalb insoweit eine Invalidität von 10 % vor. |
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| Was den Geschmackssinnverlust anbelangt so ist dem Landgericht aufgrund der nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen darin zu folgen, dass hier nur ein hälftiger Verlust und damit nur eine Invalidität von 2,5 % vorliegt. |
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| Mit der Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen auch insoweit, hat das Landgericht entgegen dem Vorbringen der Klägerin in der Berufung nicht gegen § 282 ZPO verstoßen. Auch wenn die Beklagte ursprünglich selbst von einem vollständigen Verlust des Geschmackssinns ausgegangen ist und hier eine Invalidität von 5 % entsprechend der Gliedertaxe (2.1.2.2.1 AUB 2002) zugrunde gelegt hat, war es ihr nicht verwehrt, nachdem der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten zu dem Ergebnis gekommen ist, dass hier allenfalls ein hälftiger Verlust vorliege, sich diese Ausführung in ihrem Schriftsatz vom 15.9.2008 (Bl. 99/100) zu eigen zu machen. Ein Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht gemäß § 282 ZPO ist nicht erkennbar. Die Klägerin hatte bis zur mündlichen Verhandlung am 30.4.2009 ausreichend Zeit auf dieses nunmehr geltend gemachte Verteidigungsmittel der Beklagten zu reagieren. |
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| Der Sachverständige hat auch nachvollziehbar festgestellt, dass aufgrund des stattgefundenen Unfalls ein vollständiger Verlust auch des Geschmackssinns nicht erklärbar ist. Angesichts der komplexen Geschmacksbahn sind Geschmacksstörungen traumatischer Ursache nur dann zu erwarten, wenn ausgedehnte Mittelgesichtsfrakturen, Schäden des Hirnstamms oder Schäden des Thalamus vorliegen. Solche Verletzungen sind bei der Klägerin jedoch durch den Unfall nicht eingetreten. In seiner ergänzenden Befragung vor dem Senat hat der Sachverständige nochmals bekräftigt, dass für einen vollständigen Verlust des Geschmackssinnes die anatomischen Vorraussetzungen fehlen. |
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| Auch die Ärztin Dr. K. hat in ihrem neurologischen Gutachten vom 20.6.2005 ausgeführt, dass am Geschmacksempfinden mehrere Hirnnerven beteiligt seien, deren gleichzeitige Schädigung hier unter Berücksichtigung des übrigen neurologischen Befundes nicht erklärt werden könne (Anl. B 6, dort S. 7). |
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| Erfolglos wird von der Berufung auch die Feststellung des Landgerichts angegriffen, dass die Invalidität im Übrigen allenfalls insgesamt 30 % beträgt. |
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| In den vereinbarten Versicherungsbedingungen (2.1.2.2.2. AUB 2002) ist festgelegt, dass für andere Körperteile und Sinnesorgane sich der Invaliditätsgrad danach bemisst, wie die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt ist, wobei ausschließlich medizinische Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. 5.2.6. AUB 2002 enthält einen Leistungsausschluss für krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen, auch wenn diese durch einen Unfall verursacht wurden. |
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| Der Sachverständige hat in seiner ergänzenden Befragung nochmals bekräftigt, dass er keinen Zweifel daran hege, dass die Klägerin eine Hirnschädigung erlitten hat. |
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| Zu diesem Ergebnis gelangte er nach Würdigung der ihm vorliegenden Ergebnisse diverser Computer- und Kernspintomographien, die bei der Klägerin kurze Zeit nach dem Unfall gemacht wurden, sowie der Ergebnisse der eigenen Untersuchung der Klägerin mit Durchführung diverser Tests. Er hat weiter überzeugend ausgeführt, dass Frontalhirnschädigungen häufig zum Bild der sogenannten hirnorganischen Wesensänderung führen, nach dem gängigen Wissensstand in drei möglichen Ausprägungsformen. Eine davon ist die hier vorliegende dysphorische-antriebsarme Form mit Umstellungserschwernis und neurasthenem Beschwerdebild. Er hat hierzu angegeben, dass sich bei der Klägerin, soweit beurteilbar, das Bild einer moros-dysphorischen, depressiven Verstimmung zeigt mit einer geringen Fähigkeit, auf Lebensereignisse zu reagieren. Die daraus folgende, nicht nach der Gliedertaxe zu bemessende Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit bemisst er mit 20 % bis 30 %. |
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| Hierbei hat er berücksichtigt, dass eine ausgeprägte Aggravation der Beschwerden bei der Klägerin zu beobachten war. Als Aggravation wird das bewusst übertriebene Betonen von vorhandenen Krankheitssymptomen aufgrund von (vermehrter) Selbstbeobachtung gezeichnet. Beim aggravierenden Patienten besteht im Unterschied zum Simulant ein echtes Symptom, dessen Schwere jedoch nicht dem objektiven Krankheitsbefund entspricht. Zu diesem Schluss kam der Sachverständige nachvollziehbar aufgrund der Ergebnisse seiner Untersuchung und den dabei auch durchgeführten Simulationstests (GA vom 3.9.2008, S. 24 ff). Einige dieser Tests haben zu Werten geführt, die eine Debilität nahelegen würden. Dies ist jedoch, so der Sachverständige überzeugend, mit dem übrigen Verhalten der Klägerin, nämlich dass sie ein Auto führen und Schreibarbeiten erledigen kann und beim Sachverständigen häufig korrigierend in dessen Diktat eingegriffen hat, um Fehler zu vermeiden, nicht in Einklang zu bringen. |
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| Aus diesen Testergebnissen und dem Verhalten der Klägerin hat der Gutachter geschlossen, dass von einer ausgeprägten, bewusstseinsnahen Aggravation auszugehen ist, welche die subjektiv gemachten Angaben der Klägerin in erheblichem Umfang relativiert. Ein weiteres Indiz für die vorhandenen Aggravationstendenzen ist darin zu sehen, dass die Klägerin während der Untersuchung beim Sachverständigen angegeben hat, sie könne ohne Medikamente wegen der massiven Beschwerden gar nicht mehr leben. Ein entsprechend durchgeführter Medikamentenspiegel hat jedoch gezeigt, dass die von ihr angegebenen Substanzen sich nicht bzw. nicht in dem Umfang in ihrem Blut wiederfinden, wie es ihre Angaben hätten vermuten lassen. Auch fällt in diesem Zusammenhang auf, worauf auch der Sachverständige hinweist, dass in den vorgerichtlichen Gutachten, beginnend mit dem Gutachten von Frau Dr. K. von Juni 2005 über die Begutachtung von Herrn Prof. P. im November 2006 bis zum Gutachten von Frau Dr. M. von Juli 2007 eine kontinuierliche Beschwerdeausweitung von der Klägerin beschrieben wurde. |
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| Wegen dieser Aggravationstendenzen der Klägerin ist es ohne weiteres nachvollziehbar, dass eine objektive Einschätzung der körperlich oder geistig bedingten Einschränkung der Leistungsfähigkeit wegen der tatsächlich vorliegenden frontalen Hirnschädigung sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist. Der Sachverständige hat sich deshalb zulässigerweise damit beholfen, seiner Bewertung neben seinen eigenen Feststellungen und den Ergebnissen der MRT-Bilder, die in den Vorgutachten plausibel beschriebenen Beschwerdebilder zugrunde zu legen. Dies ist nicht zu beanstanden und macht das Gutachten nicht ungenügend. Ein höherer als der vom Sachverständigen als zutreffend angesehene Invaliditätsgrad ist somit nicht bewiesen. Die Einholung eines weiteren Gutachtens gem. § 412 ZPO ist nicht erforderlich. |
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| Auch die als sachverständige Zeugin vernommene Frau Dr. M. war insoweit zu keiner abweichenden Bewertung gelangt, wobei sie ergänzend zu ihrem vorgerichtlich erstatteten Gutachten ausgesagt hat, dass ihr bei der Untersuchung keine Aggravationstendenzen aufgefallen seien. Sie hat, anders als der gerichtliche Sachverständige, keinerlei vergleichbare Tests durchgeführt, sondern sich nur auf die Äußerungen und Selbsteinschätzungstests der Klägerin bezogen. Diese scheinen aber nicht geeignet, ebenso fundierte Ergebnisse hervorzubringen. |
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| Nachdem die Klägerin auch die Beweislast für den Umfang der Invalidität trägt, gehen verbleibende Zweifel zu ihren Lasten (OLG Frankfurt, zfs 2006, 524). |
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| Nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen ist auch die Behauptung der Klägerin, dass zusätzlich auch Kopfschmerzen und Schwindel durch den Unfall verursacht wurden. |
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| Der Sachverständige hat plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass aufgrund seiner eigenen Untersuchung der Klägerin und nach Einsicht in die Vorbefunde und in die Unterlagen der Klinik und in die gefertigten Kernspin- und Computertomographien, die von der Klägerin beschriebenen occipitalen Kopfschmerzen nicht mit der frontalen Hirnschädigung in Einklang zu bringen sind. Zwar ist die Klägerin auf den Hinterkopf gefallen und hat deshalb dort eine Schädelprellung erlitten. Darüber hinaus sind dort aber keine lokalen Schäden in den vorliegenden Röntgen- und Kernspinbildern dokumentiert. Es ergeben sich insbesondere keine Anhaltspunkte für eine occipitale Schädelfraktur oder sonstige Verletzungen, etwa Zerreißungen von schmerzempfindlichen Strukturen im Gehirn. Nur bei solchen gravierenden Verletzungen, die aber bei der Klägerin nicht vorlagen, wäre auch nach den ergänzenden Angaben des Sachverständigen ein heute noch vorhandener Kopfschmerz mit dem Unfallereignis nachvollziehbar in Einklang zu bringen. |
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| Ebenso wenig kann der von der Klägerin berichtete Schwindel mit der gemäß § 286 ZPO erforderlichen Überzeugung dem Unfallereignis zugeordnet werden. Der Sachverständige hat hierzu angegeben, dass sich in den Befunden der erstversorgenden Klinik kein Hinweis auf Schwindel findet. Er hat weiter ausgeführt, dass wenn es bei dem Unfallereignis zu einer Schädigung des Gleichgewichtsorgans gekommen wäre, die initiale Symptomatik heftig gewesen und dann im weiteren Verlauf abgeklungen wäre. Der möglicherweise jetzt vorhandene Schwindel ist nach den nachvollziehbaren Angaben des Sachverständigen somit nicht Folge der frontalen Hirnschädigung sondern hat andere Ursachen. |
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| Das Gutachten ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch in diesem Punkt nicht ungenügend. Die Berufung wirft dem Sachverständigen vor, er habe bei der Kopfschmerz- und der Schwindelsymptomatik Mutmaßungen zu deren Ursachen angestellt, anstatt weitere Untersuchungen durchzuführen. Aufgabe des Sachverständigen war es jedoch, zu prüfen, ob die Kopfschmerzen und der Schwindel mit den aufgrund des Unfalles erlittenen Verletzungen und den nach dem Unfall dokumentierten Befunden in Einklang zu bringen sind. Eine solche Feststellung konnte der Sachverständige nachvollziehbar nicht treffen. Es war nicht seine Aufgabe herauszufinden, welche anderweitigen, nicht unfallbedingten Ursachen diese Symptome haben. Er hat lediglich zur Erläuterung mögliche denkbare Ursachen genannt. Für die Einholung eines weiteren medizinischen Sachverständigengutachtens gemäß § 412 ZPO bestand deshalb keine Veranlassung. |
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| Insgesamt steht somit nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats allenfalls ein Invaliditätsgrad von 42,5 % fest. Selbst wenn man mit der Klägerin von einem völligen Verlust des Geschmackssinnes ausgehen würde und damit insoweit von einer Invalidität von 5 % statt 2,5 %, so wäre auch dann die erforderliche Invalidität von insgesamt mindestens 50 % nicht erreicht. |
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| Ein Anspruch auf die ebenfalls verlangten ärztlichen Gebühren in Höhe von 408,00 EUR besteht ebenfalls nicht, denn Vorraussetzung für deren anteilige Übernahme durch die Beklagte ist gemäß 9.1 AUB 2002, dass der Klägerin überhaupt eine Unfall-Rente zusteht, was mangels Vorliegens des erforderlichen Invaliditätsgrades nicht der Fall ist. |
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| Die Vorraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtsstreit hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. |
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