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| Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Geldbeträgen des klagenden Vaters, die der beklagte Sohn betrügerisch erlangt oder veruntreut haben soll. |
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| Durch Versäumnisurteil vom 10.03.2009 verurteilte das Landgericht Tübingen den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 71.449,70 EUR zuzüglich Zinsen und Anwaltskosten und setzte eine Einspruchsfrist von zwei Wochen fest. Sowohl die Anspruchsbegründung (zusammen mit der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens) als auch das Versäumnisurteil waren dem Beklagten öffentlich durch Aushang an der Gerichtstafel zugestellt worden, weil Auskünfte der Einwohnermeldeämter am letzten Wohnsitz des Beklagten in Reutlingen und in Rastatt vom Juli bzw. November 2008 keine aktuelle Zustellanschrift ergeben hatten, auch die Mutter des Beklagten seinen Aufenthalt nicht kannte und nach Mitteilungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart (zuletzt vom Oktober 2008) der Beklagte wegen unbekannten Aufenthalts zur Fahndung ausgeschrieben war. |
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| Mit Schreiben vom 23.01.2010, eingegangen am 25.01.2010, meldete sich der Beklagte persönlich von einer neuen Adresse in Bayern und legte Einspruch ein. Hingewiesen auf den Anwaltszwang bei Landgerichten ließ der Beklagte durch den Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 11.02.2010, eingegangen bei Gericht am 12.02.2010, erneut Einspruch einlegen und Wiedereinsetzungsantrag stellen mit der Begründung, der Beklagte habe bis 22.01.2010 von dem Rechtsstreit nichts erfahren, obwohl er von Januar 2008 bis April 2009 in Filderstadt gewohnt habe und dort gemeldet gewesen sei. Außerdem beantragte er Akteneinsicht, um inhaltlich vortragen zu können, sowie Prozesskostenhilfe. Mit Schriftsatz vom 10.03.2010 übersandte der Beklagte eine Meldebestätigung der Stadt Filderstadt für den Zeitraum 01.02.2008 bis 01.05.2009 mit dem handschriftlichen Zusatz „Anmeldung wurde am 03.09.2009 erfasst“ und „Abmeldung am 01.10.2009“ und eine eigene eidesstattliche Versicherung in Kopie, wonach die Anmeldung in Filderstadt zunächst vergessen und am 17.10.2008 nachgeholt worden sei. Mit Schriftsatz vom 19.03.2010 machte der Beklagte geltend, die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung hätten nicht vorgelegen, weil keine ausreichenden und zeitnahen Nachforschungen stattgefunden hätten, so dass die Einspruchsfrist nicht in Lauf gesetzt worden und der Einspruch rechtzeitig erfolgt sei. Im Übrigen sei er ohne Verschulden gehindert gewesen, früher Einspruch einzulegen, denn die Wiedereinsetzungsfrist beginne nach einer Entscheidung des OLG Nürnberg (OLGR Nürnberg 2009, 909 f.) erst in dem Moment zu laufen, in dem ihm durch die Akteneinsicht seines Prozessbevollmächtigten der Gegenstand der Klage bekannt geworden sei und er sich habe sachgerecht verteidigen können. Zumindest sei diese Rechtsauffassung vertretbar gewesen und ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldigt, so dass ihm selbst im Fall der Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist jedenfalls Wiedereinsetzung in diese zu gewähren sei. Desweiteren stellt der Beklagte dar, warum die eingeklagten Forderungen nicht bestünden bzw. durch Hilfsaufrechnung erloschen seien. |
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| Der Kläger ist den Anträgen des Beklagten entgegengetreten. |
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| Durch Urteil vom 25.03.2010 verwarf das Landgericht Tübingen den Einspruch vom 11.02.2010 als unzulässig und lehnte eine Wiedereinsetzung und Gewährung von Prozesskostenhilfe ab. Zur Begründung führt das Landgericht aus, eine andere Form als die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils sei nicht möglich gewesen, weil der Beklagte damals noch nicht einmal von der Staatsanwaltschaft Stuttgart im Zug des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens habe ausfindig gemacht werden können und die eigene Mutter seinen Aufenthalt nicht gekannt habe. Aus der Meldebestätigung der Stadt Filderstadt sei ersichtlich, dass die Anmeldung in Filderstadt erst deutlich nach der Bewilligung der öffentlichen Zustellung, nämlich am 03.09.2009, erfasst worden sei. Eine verspätete Anmeldung in Filderstadt räume der Beklagte in seiner eidesstattlichen Versicherung jedenfalls dem Grunde nach auch ein. Weitere Ermittlungen seien bei dieser Sachlage nicht erfolgversprechend gewesen, so dass der Kläger habe davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte untergetaucht sei. Die Wiedereinsetzung scheitere daran, dass die Frist nicht unverschuldet versäumt worden sei, denn der Beklagte habe nach einem Forderungsschreiben der Klägerseite vom Juni 2007 und der Vernehmung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens am 26.11.2007 mit einem Rechtsstreit rechnen müssen. Außerdem sei der Wiedereinsetzungsantrag verfristet, weil der Einspruch nicht innerhalb von zwei Wochen nach dem Tag der Kenntniserlangung vom Versäumnisurteil (22.01.2010) wirksam eingelegt worden sei. |
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| Das Urteil wurde dem Beklagtenvertreter am 06.04.2010 zugestellt. Die sofortige Beschwerde vom 13.04.2010 (hinsichtlich der Prozesskostenhilfeentscheidung betreffend die I. Instanz) ist am 14.04.2010 bei Gericht eingegangen und der Antrag auf Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung vom 22.04.2010 am selben Tag. Beide Anträge begründet der Beklagte im Wesentlichen mit den erstinstanzlich vorgetragenen Argumenten, die er erweitert und vertieft. Der Kläger ist beiden Anträgen entgegengetreten. |
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| Das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten für die II. Instanz ist unbegründet. Seiner beabsichtigten Berufung fehlt eine hinreichende Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO). |
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| Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Einspruch des Beklagtenvertreters vom 11.02.2010 verspätet eingelegt worden ist und daher gem. § 341 S. 2 ZPO zu verwerfen war. Die Einspruchsfrist war mit der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteil vom 10.03.2009 ordnungsgemäß in Lauf gesetzt worden. |
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| a) Zwar wäre die öffentliche Zustellung unwirksam gewesen, wenn ihre Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten und das Landgericht das hätte erkennen können (BGH, U. v. 19.12.2001, VIII ZR 282/00, BGHZ 149, 311 = NJW 2002, 827; OLG Stuttgart, U. v. 02.12.2004, Az. 13 U 133/04, MDR 2005, 472, 473), so dass die die von der Zustellung ausgelösten Fristen nicht in Gang gesetzt worden wären (BGH, U. v. 06.10.2006, V ZR 282/05, NJW 2007, 303). So liegt die Sache aber nicht. Im vorliegenden Fall war eine andere Zustellungsmöglichkeit für das Gericht nicht ersichtlich und es gab aus der maßgeblichen Sicht ex ante auch keinen Grund, den Kläger zu weiteren Ermittlungen anzuhalten, was nach ganz überwiegender Auffassung für eine wirksame Zustellung nach §§ 185 ff. ZPO ausreicht (BGH, U. v. 11.12.2002, XII ZR 51/00, BGHZ 153, 189 = NJW 2003, 1326, 1327, 1328; OLG Köln NJW-RR 1993, 446; OLG Hamm NJW-RR 1998, 497; OLG Stuttgart aaO.; vgl. auch MünchKomm-ZPO/Häublein, 3. Aufl., § 185 Rn. 11). |
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| b) Dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Bewilligung der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils am 11.03.2009 wie schon zuvor zum Zeitpunkt der Bewilligung der öffentlichen Zustellung der Klage am 15.01.2009 unbekannten Aufenthalts war, ergibt sich aus den vom Kläger zusammengetragenen und in den Schriftsätzen vom 18.11.2008, 27.11.2008, 10.12.2008, 11.12.2008 und 05.01.2009 dargestellten Umständen. Der Mahnbescheid konnte unter der letzten bekannten Wohnanschrift in Reutlingen nicht zugestellt werden. Nach Mitteilung des Klägers waren Anfragen bei den Einwohnermeldeämtern in Reutlingen im Juli 2008 und in Rastatt im Oktober 2008 ohne Hinweis auf den aktuellen Aufenthalt des Beklagten geblieben und hatten nur ergeben, dass der Beklagte schon im Januar 2008 von Reutlingen nach unbekannt weggezogen war. Nicht einmal bei der eigenen Mutter des Beklagten, der ehemaligen Ehefrau des Klägers, hatte er in Erfahrung bringen können, wo der Sohn inzwischen zu erreichen sei. Dass er bei der doppelten Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart dahin informiert wurde, man kenne den Aufenthalt auch nicht und habe den Beklagten zur Fahndung ausgeschrieben, ließ für den Kläger und auch das Landgericht keinen anderen Schluss zu, als dass der Beklagte untergetaucht sein müsse. Dazu hatte er jedenfalls aus Sicht des Klägers allen Grund, wozu der Umstand beiträgt, dass der Beklagte am 26.11.2007 ausführlich als Beschuldigter vernommen worden war. Nachdem die vier wichtigsten Erkenntnisquellen ausgeschöpft waren, nämlich Zustelldienst, Meldeamt, Eltern und Strafverfolgungsbehörden, versprachen weitere Nachforschungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. |
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| c) Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, dass eine Nachfrage beim Ausländerzentralregister unterlassen worden sei, denn dort konnten keine weitergehenden Meldedaten vorliegen als bei den jeweiligen örtlichen Behörden erfasst worden. Dass Nachfragen beim Arbeitgeber oder ehemaligen Nachbarn hätten Erfolg haben können, ist von Beklagtenseite nicht dargelegt, zumal sich aus der von Klägerseite vorgelegten polizeilichen Vernehmung der Vertreterin der ehemaligen Arbeit- bzw. Auftraggeberin des Beklagten, Rechtsanwältin B. (Anl. K10, Bl. 65 d.A.), ergibt, dass der Beklagte für dieses Unternehmen nur bis April 2006 tätig gewesen, unter Zurücklassung von Verbindlichkeiten einfach verschwunden und im Übrigen die Zusammenarbeit in der Regel ohne persönlichen Kontakt und über die Ferne erfolgt sei. Unter den besonderen Umständen des Falls, in denen alle Indizien in eine Richtung wiesen, brauchten der Kläger und das Landgericht die eingeholten Auskünfte auch nicht laufend aktualisieren. Ein festes „Verfallsdatum“ für die Daten, die den Schluss auf einen unbekannten Aufenthalt zulassen, kennt § 185 Nr. 1 ZPO und die dazu (bzw. dem früheren § 203 ZPO a.F.) ergangene Rechtsprechung nicht. |
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| d) Aus diesem Grund kann auch offen bleiben, ob sich der Beklagte, wie das Landgericht aus dem handschriftlichen Vermerk auf der späteren Meldeauskunft der Stadt Filderstadt vom 10.03.2010 (Anl. B1, Bl. 144) schließt, in Filderstadt überhaupt nicht bzw. erst nach seinem Wegzug im September 2009 nachträglich polizeilich angemeldet hatte (ggf. auch durch die Anmeldung am jetzigen Wohnort in Saal a.d. Saale) oder ob er dies entsprechend seiner - freilich nur in Kopie vorliegenden - „eidesstattlichen Erklärung“ vom 10.03.2010 (Anl. B2, Bl. 145 d.A.) mit „nur“ neun Monaten Verspätung am 17.10.2008 erledigt hat. Im ersten Fall hätte eine nochmalige Anfrage in Reutlingen selbst unmittelbar vor der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils keine neuen Erkenntnisse bringen können. Im anderen Fall hätte zwar das Ordnungsamt am neuen Wohnort in Filderstadt gem. § 28 Abs. 1 S. 1 u. 2 MeldeG Baden-Württemberg die Behörde in Reutlingen unverzüglich zu unterrichten gehabt, so dass die neue Anschrift bei nochmaliger Nachfrage im ersten Halbjahr 2009 vor Erlass des Versäumnisurteils vorgelegen hätte. Wie oben dargestellt mangelte es einer bloßen Wiederholung der bereits getätigten Aufenthaltsermittlungen jedoch unter den konkreten Umständen an der hinreichenden Aussicht auf Erfolg. Nachdem sich der Beklagte seinen Angaben zufolge mit so beträchtlichem Verzug in Filderstadt angemeldet hatte, konnte dem Kläger die richtige Anschrift durch die am 11.07.2008 in Reutlingen erteilte Auskunft nicht bekannt werden unabhängig vom konkreten Datum der jedenfalls deutlich verspäteten Anmeldung. Eine Pflicht zur Wiederholung derselben Anfrage vor Antrag auf öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils bestand bei der gegebenen Sachlage nicht. |
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| e) Unerheblich ist schließlich, ob der Beklagte tatsächlich von der Staatsanwaltschaft zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben war, denn der Klägervertreter durfte sich auf die Richtigkeit der Mitteilung der zuständigen Staatsanwältin verlassen und der erstinstanzliche Vorsitzende auf die Richtigkeit der Angaben des Klägervertreters. Dies gilt insbesondere, weil Hinweise auf eine Verwechslung oder ein Missverständnis nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich sind und sich die damals vorliegenden, verschiedenen Informationen widerspruchsfrei ergänzen. |
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| Eine Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist hat das Landgericht mit zutreffender Begründung abgelehnt. |
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| a) Der Wiedereinsetzungsantrag vom 11.02.2010 ist nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 236 Abs. 1 S. 1 ZPO gestellt und daher bereits nicht zulässig. Die Frist begann an dem Tag zu laufen, an dem das Hindernis für die Einlegung des Einspruchs entfallen und der Beklagte vom Versäumnisurteil erfahren hat. Das war spätestens am 23.01.2010 der Fall, denn an diesem Tag hat der Beklagte in seinem persönlichen Schreiben (Bl. 125 d.A.) Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt, sogar unter Angabe des korrekten Aktenzeichens. Insofern ist der Einwand des Beklagtenvertreters, ohne Kenntnis der Akten habe Einspruch nicht eingelegt werden können, durch das Verhalten der eigenen Partei widerlegt. Auf einen etwaigen Rechtsirrtum, nicht gewusst zu haben, dass Anwaltszwang besteht, kann sich der Beklagte nicht berufen. Wer Rechtsmittel einlegt, muss sich über die Möglichkeiten, Fristen und Formerfordernisse selbst informieren (Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 233 Rn. 23 „Rechtsirrtum“ mwN.). |
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| Ob der Auffassung des OLG Nürnberg (U. v. 29.09.2009, 1 U 710/09, OLGR Nürnberg 2009, 909) zu folgen ist, wonach das Hindernis nicht schon durch die Kenntnis entfällt, dass überhaupt ein Versäumnisurteil ergangen ist, sondern erst durch die Kenntnis des Akteninhalts, was angesichts der Rechtsprechung des BGH fraglich erscheint (vgl. Bs. v. 21.01.2010, IX ZB 83/06, MDR 2010, 650; Bs. v. 15.01.2001, II ZB 1/00, NJW 2001, 1430), braucht nicht entschieden zu werden. Denn der Beklagtenvertreter hat durch Schriftsatz vom 11.02.2010 ohne Kenntnis des Akteninhalts Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzung beantragt. Diesen Antrag hat er auch unter Hinweis darauf begründet, dass der Beklagte im fraglichen Zeitraum in Filderstadt gewohnt habe und gemeldet gewesen sei. Erst in diesem Zusammenhang wurde das Akteneinsichtsgesuch angebracht. Folglich war diese Verteidigung auch ohne Akteneinsicht möglich, so dass sich die vom OLG Nürnberg erörterte Frage, ob ein solcher „blinder“ Wiedereinsetzungsantrag zumut- und verantwortbar ist, im Fall des Beklagten nicht stellt. |
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| Selbst wenn man davon ausginge, dass die Wiedereinsetzungsfrist erst mit Zugang der Akten beim Beklagtenvertreter zu laufen begonnen hätte, was spätestens unter dem Datum des Rückgabeschreibens vom 18.02.2010 der Fall war (Bl. 137 d.A.), so wäre sie nicht eingehalten, da tragende Wiedereinsetzungsgründe nicht innerhalb der dann ab 18.02.2010 laufenden Zweiwochenfrist vorgetragen und glaubhaft gemacht worden sind, soweit sie nicht bereits im Schriftsatz vom 11.02.2010 enthalten waren. Denn die Meldebestätigung und seine „eidesstattliche Erklärung“ je vom 10.03.2010 hat der Beklagte erst danach durch Schriftsatz vom 10.03.2010 vorlegen lassen. Daraus folgt zugleich, dass es dem Beklagten für den Wiedereinsetzungsantrag nicht auf den Inhalt der Prozessakte ankam. |
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| b) Der Wiedereinsetzungsantrag vom 11.02.2010 war ohnehin unbegründet, weil der Beklagte die Einspruchsfrist nicht schuldlos versäumt hat. |
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| Ob Verschulden anzunehmen ist, richtet sich danach, ob eine Partei ihren Meldepflichten nachkommt (BGH, Bs. v. 22.06.1977, IV ZB 28/77, VersR 1977, 432) und danach, ob mit der Zustellung von amtlichen Dokumenten wie etwa einer Klage gerechnet werden konnte oder musste (BGH, B. v. 07.05.1986, VIII ZB 16/86, NJW 1986, 2958), was unter anderem davon abhängt, ob ein Rechtsstreit bereits läuft oder absehbar ist oder ob mit Derartigem überhaupt nicht gerechnet zu werden braucht (Musielak/Grandel, ZPO, 7. Aufl., § 233 Rn. 53 mwN.; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 233 Rn. 30). |
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| Im Fall des Beklagten liegt Verschulden in mehrfacher Hinsicht vor. Weil er seine Meldepflichten versäumt und sich auch nach eigener Darstellung entgegen § 15 Abs. 1 MeldeG Baden-Württemberg nicht innerhalb einer Woche am neuen Wohnort in Filderstadt angemeldet hat, mussten die bis zum Herbst 2009 erfolgenden Zustellversuche u.a. des ursprünglich beantragten Mahnbescheids und die nach der gescheiterten Zustellung erfolgten Nachforschungen des Klägers und der Staatsanwaltschaft erfolglos bleiben. Mit amtlichen Zustellungen musste der Beklagte ab Januar 2008 schon wegen des laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens rechnen. Dass der Kläger zivilrechtliche Ansprüche gerichtlich geltend machen würde, lag angesichts der sich aus den vorgelegten Aktenteilen der Ermittlungsakten ergebenden Vorgeschichte zwischen Vater und Sohn und der enormen Höhe der vom Beklagten angelegten oder zumindest verwalteten Gelder von über 100.000 EUR mehr als nahe. Dem Beklagten wurde die drohende Klage sogar konkret vor Augen geführt, weil er nach unbestrittenem Klägervortrag (Schriftsatz vom 17.03.2010, Bl. 147d.A.) vorgerichtlich mehrmals zur Erfüllung der Ansprüche unter Androhung gerichtlicher Maßnahmen aufgefordert worden war und sich mit den Forderungen auch inhaltlich auseinandergesetzt und diese zurückgewiesen hatte. |
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| Nachdem eine Wiedereinsetzung nicht nur an der Einhaltung der Frist des § 234 ZPO scheitert, sondern auch an den inhaltlichen Anforderungen, kommt es letztlich nicht darauf an, ob dem Beklagten Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren gewesen wäre. |
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| Allerdings lägen die Voraussetzungen dafür ohnehin nicht vor, weil der Beklagte bzw. der Beklagtenvertreter - dessen Verschulden dem Beklagten zuzurechnen wäre, sollte er noch rechtzeitig beauftragt worden sein (§ 85 ZPO) - die Wiedereinsetzungsfrist nicht schuldlos versäumt hat. Dass das OLG Nürnberg in der von Beklagtenseite zitierten und oben in Bezug genommenen Entscheidung in einem anders gelagerten Fall die Auffassung vertreten hat, das Hindernis für die Einlegung des Rechtsbehelfs sei erst ab Kenntnis des Akteninhalts entfallen, entlastet die Beklagtenseite nicht. Zum Einen steht diese Entscheidung nicht im Einklang mit den oben zitierten Beschlüssen des Bundesgerichtshofs (MDR 2010, 650; NJW 2001, 1430), wonach eine auch nur telefonisch in Erfahrung gebrachte Information über eine Zustellung die Wiedereinsetzungsfrist in Lauf setzt.. Auch musste die Beklagtenseite die Rechtsprechung des BVerfG beachten, wonach ein möglicher Rechtsbehelf ggf. auch vorsorglich eingelegt werden muss (Bs. v. 26.02.2008, 1 BvR 2327/07, NJW 2008, 2167, 2168). Bei zweifelhafter Rechtslage musste der Beklagtenvertreter so handeln, wie es bei einer für den Beklagten ungünstigen Entscheidung zur Wahrung von dessen Belangen erforderlich war (vgl. auch BVerfG, Bs. v. 27.09.2002, 2 BvR 855/02, NJW 2003, 575; BGH, Bs. v. 24.01.1990, XII ZB 143/89, NJW 1991, 2709, 2710) und von zwei in Betracht kommenden Fristen die kürzere wählen (BGH, Bs. v. 17.10.2000, X ZR 41/00, GRUR 2001, 271, 272). Nachdem abweichende Rechtsprechung - zumal übergeordneter Instanzen - veröffentlicht war, durfte er sich nicht auf die seiner Rechtsauffassung entsprechende Entscheidung verlassen (BGH, U. v. 22.09.1958, III ZR 16/58, NJW 1959, 141; BGH, U. v. 10.06.1965, VII ZB 1/65, VersR 1965, 791, 792). |
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| Wäre der Beklagtenvertreter erst nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist beauftragt worden, läge das Verschulden des Beklagten darin, sich nicht unverzüglich anwaltlicher Hilfe bedient zu haben. |
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| Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob die finanziellen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe trotz der von Klägerseite vorgebrachten Bedenken vorliegen. |
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| Die sofortige Beschwerde gegen die Prozesskostenhilfeentscheidung des Landgerichts vom 25.03.2010 ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet, weil der Verteidigung des Beklagten in I. Instanz hinreichende Erfolgsaussicht gefehlt hat. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. |
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| Die Gebühr gem. Ziff. 1812 GKG-VV für die erfolglose Beschwerde trägt die Beklagte. Im Übrigen ergeht diese Entscheidung gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO). |
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| Die Sache hat ersichtlich keine grundsätzliche Bedeutung, sondern erschöpft sich in einer Abwägung von Gesichtspunkten eines Einzelfalls, so dass die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO nicht vorliegen. |
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