Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 11. Juni 2015 - 4 Ws 220/15

11.06.2015

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts -Strafvollstreckungskammer - Tübingen vom 21. Mai 2015 wird als unbegründet

verworfen.

Der Verurteilte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

 
I.
Der Verurteilte wurde mit Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 21. Februar 2007 wegen schweren Raubes, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 23 Fällen, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen sowie wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit einem Vorwegvollzug von zwei Jahren und vier Monaten der Freiheitsstrafe angeordnet. Seit dem 3. November 2008 befand er sich im Maßregelvollzug im …. in ….
Das Landgericht Tübingen setzte am 29. Dezember 2011, rechtskräftig seit 12. Januar 2012, die weitere Vollstreckung der Reststrafe und der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aus dem Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 21. Februar 2007 für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung aus.
Durch Urteil vom 20. August 2014 wurde er vom Landgericht Ravensburg wegen besonders schweren Raubes, begangen am 28. November 2013, zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig seit 26. Februar 2015.
Im Hinblick hierauf beantragte die Staatsanwaltschaft Ravensburg den Widerruf der Strafrestaussetzung zur Bewährung.
Das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Tübingen verfügte durch den Vorsitzenden am 13. April 2015 die Zustellung eines Anschreibens an den Verurteilten, in dem es ihn auf die durch Urteil vom 20. August 2014 erkannte erneute Straffälligkeit während laufender Bewährung und die deswegen verhängte Freiheitsstrafe sowie auf den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Bewährung hinwies und ihm Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zugang des Anschreibens einräumte. Das Anschreiben wurde dem Verurteilten am 4. Mai 2015 in der Justizvollzugsanstalt … zugestellt. Eine Stellungnahme bis zum Ablauf der Frist ist nicht eingegangen.
Mit Beschluss vom 21. Mai 2015 hat das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Tübingen daraufhin die dem Verurteilten durch Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 29. Dezember 2011 hinsichtlich der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 21. Februar 2007 bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Der Beschluss ist dem Verurteilten am 27. Mai 2015 in der Justizvollzugsanstalt … zugestellt worden.
Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit Schreiben vom 28. Mai 2015, eingegangen beim Landgericht am 1. Juni 2015, mit dem er „Beschwerde“ gegen den Widerrufsbeschluss einlegt und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Stellungnahmefrist stellt.
II.
Die „Beschwerde“ des Verurteilten ist als sofortige Beschwerde gem. § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO statthaft und zulässig. Sie ist fristgerecht erhoben. Sie ist jedoch unbegründet.
1.
Der Senat sieht sich nicht an einer eigenen Sachentscheidung gehindert.
a)
10 
Zwar hat der Verurteilte mit der Beschwerde zugleich einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt, über den grundsätzlich zunächst vom Landgericht als gem. § 46 Abs. 1 StPO zuständigem Gericht entschieden werden müsste (BGH, NJW 1958, 509; Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 46 Rn. 7; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2006, 215-216).
11 
Der vom Verurteilten gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch nicht statthaft, weil er sich nicht auf eine Frist i.S.d. § 44 StPO bezieht.
b)
12 
Ein Wiedereinsetzungsantrag ist ein Rechtsbehelf, der es dem Betroffenen ermöglichen soll, prozessuale Rechte wahrzunehmen, die ihm wegen Ablaufs einer Frist nicht mehr zustehen.
13 
Gegenstand eines Wiedereinsetzungsantrages ist mithin eine Frist, nach deren Ablauf dem Betroffenen die Vornahme einer Prozesshandlung oder die Wahrnehmung eines Prozessrechts verwehrt ist.
14 
Dies soll schon bei einer gesetzlichen Ausschlussfrist nicht der Fall sein, die mangels tatsächlicher oder rechtlicher Wahrnehmungsmöglichkeit nicht zu laufen beginnt (OLG Bremen, GA 1956, 185 für den Fall der Behinderung der Einhaltung der Strafantragsfrist nach damaligem § 61 StGB).
15 
Aber auch richterliche Fristen ohne Ausschlussfunktion bedürfen demnach nicht in jedem Fall der Wiedereinsetzung (Matt in Löwe-Rosenberg, StPO, aaO, § 306 Rn. 8; Valerius in Münchener Kommentar, StPO, 1. Auflage, § 44 Rn. 5; Ziegler in KMR, StPO, § 44 Rn. 5).
c)
16 
In der Rechtsprechung wurde dies für eine richterlich gesetzte Frist zur Begründung einer Beschwerde (OLG Karlsruhe, MDR 1983, 250), eine richterlich gesetzte Frist zur Begründung einer Berufung (OLG Dresden, Beschluss vom 20. Mai 1977 - 1 Ws 115/97 -, zit. nach juris) und - nach Rechtslage vor der Neufassung des § 72 Abs. 1 und Abs. 2 OWiG vom 19. Februar 1987 - für eine richterlich gesetzte Frist zur Einlegung eines Widerspruchs gegen eine Entscheidung im Beschlusswege (BayObLG, NJW 1972, 1724) bereits entschieden. Für eine richterlich gesetzte Frist zur Gewährung rechtlichen Gehörs - hier vor einer Entscheidung über den Antrag auf Widerruf einer Bewährung (§ 453 Abs. 1 Satz 2 StPO) - kann nichts anderes gelten.
17 
Wie in den Fällen nicht gesetzlich vorgeschriebener Beschwerde- oder Berufungsbegründungsfristen oder - nach alter Rechtslage - einer Widerspruchsfrist steht es dem Gericht auch im Rahmen der Anhörung zum Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung frei, eine solche Frist zu bestimmen. Eine solchermaßen gesetzte Frist soll dem Verurteilten erklären, dass er vor Ablauf der Frist nicht mit einer Entscheidung des Gerichts zu rechnen hat, ohne ihm die Stellungnahmemöglichkeit nach Ablauf der Frist zu nehmen.
18 
Wäre vom Gericht keine Frist gesetzt, wären hiergegen auch im Rahmen der Anhörung zum Widerruf der Bewährung unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs - unter Einhaltung einer angemessenen Zeit bis zur Entscheidung - keinerlei Bedenken zu erheben. Eine Wiedereinsetzung würde sich schon begrifflich ausschließen, da es in diesem Fall gar keine Frist gäbe.
19 
Aus dem Umstand, dass mit der Einräumung einer Frist mehr geschehen ist als rechtlich geboten, können - abgesehen von der Beachtung der Sperrwirkung der Frist durch das Gericht - keine weitergehenden Rechte des Verurteilten hergeleitet werden (OLG Karlsruhe, aaO; BayObLG, aaO).
20 
Dies muss im Vergleich mit den Fällen der Beschwerde- oder Berufungsbegründung für die Anhörung vor Widerruf einer Strafaussetzung Bewährung umso mehr gelten, als dem Verurteilten gegen einen Widerrufsbeschluss gem. § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO die sofortige Beschwerde zusteht und auch das Beschwerdegericht bei seiner eigenen Sachentscheidung gem. § 309 Abs. 2 StPO weiteren Sachvortrag des Verurteilten berücksichtigen muss, dem Verurteilten also sein Anhörungsrecht zusätzlich noch in einer zweiten Instanz zur Verfügung steht.
21 
Zum gestellten Wiedereinsetzungsantrag des Verurteilten bedarf es deshalb keiner vorangehenden Entscheidung des Landgerichts.
2.
22 
Das Landgericht Tübingen hat die im Beschluss vom 29. Dezember 2011 gewährte Reststrafaussetzung zur Bewährung zu Recht widerrufen, weil der Verurteilte in der Bewährungszeit eine Straftat begangen und dadurch gezeigt hat, dass er die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, nicht erfüllt hat (§ 56f Abs. 1 Satz 1 StGB).
23 
Im Widerrufsverfahren nach § 56f Abs. 1 Satz 1 StGB muss zu der Feststellung des Vorliegens einer neuen Straftat eine Prüfung der Frage hinzukommen, ob sich dadurch die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, nicht erfüllt hat. Dabei stehen auch einschlägige Rückfalltaten, jedenfalls wenn sie von geringerem Gewicht sind, der Annahme einer neuerlichen günstigen Prognose nicht von vornherein entgegen. Das den Widerruf prüfende Gericht hat in jedem Fall eine eigene Prognoseentscheidung zu treffen, ob durch die neuen Taten die Erwartung, die der Strafaussetzung zur Bewährung zugrunde lag, widerlegt ist oder dennoch fortbesteht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. November 2001 - 2 Ws 222/01, juris Rn. 10).
24 
Der Verurteilte hat nach den rechtskräftigen Erkenntnissen des Landgerichts Ravensburg im Urteil vom 20. August 2014 am 28. November 2013 und damit während laufender Bewährungszeit einen besonders schweren Raub begangen. Er hatte bei dieser Tat zwar nicht die ausführende Rolle, initiierte und plante die Tat jedoch unter maßgeblichem Einfluss auf seine ausführenden Mittäter. Damit hat er eine vorsätzliche, schwerwiegende und einschlägige Straftat begangen, ohne sich hiervon durch die Einwirkung des vorangegangen länger andauernden Strafvollzugs abhalten zu lassen. Die Erwartung des Landgerichts Tübingen im Strafaussetzungsbeschluss vom 29. Dezember 2011, der Verurteilte werde unter dem Eindruck der erfahrenen Strafvollstreckung keine weiteren Straftaten mehr begehen, hat er damit deutlich widerlegt.
25 
Angesichts des gravierenden Rückfalls ist zu befürchten, dass der Verurteilte auch künftig Straftaten begehen wird.
b)
26 
Der Senat erkennt gegenwärtig keine milderen Möglichkeiten als den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, um auf den Verurteilten in ausreichendem Maße dahingehend einwirken zu können, ihn zu zukünftiger Straffreiheit zu bewegen. Insbesondere reicht es nicht aus, die Bewährungszeit - möglicherweise, wie vom Verurteilten in seinem Beschwerdevorbringen angedacht - bis nach der erfolgten Vollstreckung der mit Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 20. August 2014 verhängten Freiheitsstrafe zu verlängern.
27 
Zum einen wäre die Verlängerung um - mindestens - den Zeitraum der aus dem Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 20. August 2014 anstehenden Strafzeit nicht zulässig (§ 56f Abs. 2 Satz 2 StGB).
28 
Zum anderen stellt der für den Verurteilten anstehende Vollzug der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 20. August 2014, von dem zu hoffen ist, dass er seine Wirkung auf den Verurteilten nicht verfehlen wird, gegenwärtig noch keinen Umstand dar, auf den eine günstige Prognose gegründet werden könnte. Dazu ist zunächst der weitere Vollzugsverlauf abzuwarten.
29 
Dem Verurteilen mag es unbenommen sein, zu gegebenem Zeitpunkt einen Antrag nach § 57 StGB zu stellen.

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(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der

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War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1

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(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre. (2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung. (3) Gegen die den Antrag verwerfende E

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(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person 1. in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,2. gegen Weisungen gröblich od

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(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß

Strafprozeßordnung - StPO | § 309 Entscheidung


(1) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht ohne mündliche Verhandlung, in geeigneten Fällen nach Anhörung der Staatsanwaltschaft. (2) Wird die Beschwerde für begründet erachtet, so erläßt das Beschwerdegericht zugleich die in der Sache erfor

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 72 Entscheidung durch Beschluß


(1) Hält das Gericht eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich, so kann es durch Beschluß entscheiden, wenn der Betroffene und die Staatsanwaltschaft diesem Verfahren nicht widersprechen. Das Gericht weist sie zuvor auf die Möglichkeit eines solch

Strafgesetzbuch - StGB | § 61 Übersicht


Maßregeln der Besserung und Sicherung sind 1. die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus,2. die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt,3. die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung,4. die Führungsaufsicht,5. die Entziehung der Fahre

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(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. § 246a Absatz 2 und § 454 Absatz 2 Satz 4 gelten entsprechend. Hat das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll es dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Ist ein Bewährungshelfer bestellt, so unterrichtet ihn das Gericht, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlaß in Betracht kommt; über Erkenntnisse, die dem Gericht aus anderen Strafverfahren bekannt geworden sind, soll es ihn unterrichten, wenn der Zweck der Bewährungsaufsicht dies angezeigt erscheinen läßt.

(2) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. Der Widerruf der Aussetzung, der Erlaß der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat (§§ 56f, 56g, 59b des Strafgesetzbuches), können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.

(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre.

(2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung.

(3) Gegen die den Antrag verwerfende Entscheidung ist sofortige Beschwerde zulässig.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

Maßregeln der Besserung und Sicherung sind

1.
die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus,
2.
die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt,
3.
die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung,
4.
die Führungsaufsicht,
5.
die Entziehung der Fahrerlaubnis,
6.
das Berufsverbot.

(1) Hält das Gericht eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich, so kann es durch Beschluß entscheiden, wenn der Betroffene und die Staatsanwaltschaft diesem Verfahren nicht widersprechen. Das Gericht weist sie zuvor auf die Möglichkeit eines solchen Verfahrens und des Widerspruchs hin und gibt ihnen Gelegenheit, sich innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Hinweises zu äußern; § 145a Abs. 1 und 3 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. Das Gericht kann von einem Hinweis an den Betroffenen absehen und auch gegen seinen Widerspruch durch Beschluß entscheiden, wenn es den Betroffenen freispricht.

(2) Geht der Widerspruch erst nach Ablauf der Frist ein, so ist er unbeachtlich. In diesem Falle kann jedoch gegen den Beschluß innerhalb einer Woche nach Zustellung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den gleichen Voraussetzungen wie gegen die Versäumung einer Frist beantragt werden; hierüber ist der Betroffene bei der Zustellung des Beschlusses zu belehren.

(3) Das Gericht entscheidet darüber, ob der Betroffene freigesprochen, gegen ihn eine Geldbuße festgesetzt, eine Nebenfolge angeordnet oder das Verfahren eingestellt wird. Das Gericht darf von der im Bußgeldbescheid getroffenen Entscheidung nicht zum Nachteil des Betroffenen abweichen.

(4) Wird eine Geldbuße festgesetzt, so gibt der Beschluß die Ordnungswidrigkeit an; hat der Bußgeldtatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur Bezeichnung der Ordnungswidrigkeit verwendet werden. § 260 Abs. 5 Satz 1 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. Die Begründung des Beschlusses enthält die für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen das Gericht die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit sieht. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Ferner sind die Umstände anzuführen, die für die Zumessung der Geldbuße und die Anordnung einer Nebenfolge bestimmend sind.

(5) Wird der Betroffene freigesprochen, so muß die Begründung ergeben, ob der Betroffene für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die als erwiesen angenommene Tat nicht als Ordnungswidrigkeit angesehen worden ist. Kann der Beschluß nicht mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist.

(6) Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn die am Verfahren Beteiligten hierauf verzichten. In diesem Fall reicht der Hinweis auf den Inhalt des Bußgeldbescheides; das Gericht kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen zusätzliche Ausführungen machen. Die vollständigen Gründe sind innerhalb von fünf Wochen zu den Akten zu bringen, wenn gegen den Beschluß Rechtsbeschwerde eingelegt wird.

(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. § 246a Absatz 2 und § 454 Absatz 2 Satz 4 gelten entsprechend. Hat das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll es dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Ist ein Bewährungshelfer bestellt, so unterrichtet ihn das Gericht, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlaß in Betracht kommt; über Erkenntnisse, die dem Gericht aus anderen Strafverfahren bekannt geworden sind, soll es ihn unterrichten, wenn der Zweck der Bewährungsaufsicht dies angezeigt erscheinen läßt.

(2) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. Der Widerruf der Aussetzung, der Erlaß der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat (§§ 56f, 56g, 59b des Strafgesetzbuches), können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.

(1) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht ohne mündliche Verhandlung, in geeigneten Fällen nach Anhörung der Staatsanwaltschaft.

(2) Wird die Beschwerde für begründet erachtet, so erläßt das Beschwerdegericht zugleich die in der Sache erforderliche Entscheidung.

(1) Das Gericht widerruft die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person

1.
in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,
2.
gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß sie erneut Straftaten begehen wird, oder
3.
gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft oder bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung in einem einbezogenen Urteil und der Rechtskraft der Entscheidung über die Gesamtstrafe begangen worden ist.

(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,

1.
weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder
2.
die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern.
In den Fällen der Nummer 2 darf die Bewährungszeit nicht um mehr als die Hälfte der zunächst bestimmten Bewährungszeit verlängert werden.

(3) Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen, Anerbieten, Weisungen oder Zusagen erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die die verurteilte Person zur Erfüllung von Auflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 oder entsprechenden Anerbieten nach § 56b Abs. 3 erbracht hat, auf die Strafe anrechnen.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.