Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 17. Aug. 2016 - 4 Ws 180/16 (V)

bei uns veröffentlicht am17.08.2016

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 6. Juni 2016 mit den Feststellungen

aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stuttgart

zurückverwiesen.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf bis 500 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller, der eine restliche Freiheitsstrafe aus ursprünglich sieben Jahren in der Justizvollzugsanstalt Offenburg verbüßt, war für die Zeit vom 17. November 2015 bis zum 25. November 2015 an die Justizvollzugsanstalt Stuttgart überstellt. Am 19. November 2015 wurde er zu einem Termin vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg ausgeführt. Ihm wurden für die Fahrt von der Justizvollzugsanstalt zum Finanzgericht und den Fußweg vom Abstellort des Fahrzeugs zum Gericht auf Anordnung der Bereichsleiterin der Vorführabteilung Handschließen angelegt.
Bei der Strafvollstreckungskammer beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 25. November 2015 festzustellen, dass die Fesselung bzw. Art und Weise der Vorführung zum Finanzgericht am 19. November 2015 rechtswidrig war. Mit Schreiben vom 23. März 2016 beantragte er weiter, ihm eine Kopie der Fesselungsanordnung und der Allgemeinverfügung auszuhändigen, mit der die Befugnis zur Anordnung der besonderen Sicherungsmaßnahmen auf die Bereichsleisterin der Vorführabteilung übertragen worden sei. Außerdem beantragte er, „die Übergangshaft vom 17. bis 25. November 2015 insgesamt für rechtswidrig zu erklären“, nachdem zwischenzeitlich sein auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftbedingungen zielender Fortsetzungsfeststellungsantrag als unzulässig verworfen worden war (Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 24. November 2015 – 23 StVK 116/15; Senatsbeschluss vom 4. Januar 2016 – 4 Ws 397/15 (V)).
Zu den Umständen der Vorführung am 19. November 2015 hat der Antragsteller neben Beanstandungen, die das Transportfahrzeug betreffen, im Wesentlichen vorgetragen, er habe sich mehr als ein Jahr und acht Monate im offenen Vollzug bewährt, bevor er am 24. Oktober 2014 nicht von seinem Ausgang zurückgekehrt sei. Weitere für eine Fluchtgefahr sprechende Vorkommnisse habe es seither nicht gegeben. Gegen die Annahme von Fluchtgefahr spreche entscheidend, dass er demnächst die Aussetzung des letzten Drittels der verbüßten Freiheitsstrafe zur Bewährung zu erwarten habe. Der Antragsteller ist der Ansicht, die Fesselungsanordnung sei vor diesem Hintergrund nicht ausreichend begründet gewesen. Auf die erst im gerichtlichen Verfahren nachträglich vorgebrachte Begründung komme es nicht an.
Weiter hat der Antragsteller vorgetragen, die Haftbedingungen in der Justizvollzugsanstalt Stammheim seien menschenunwürdig, insbesondere weil eine gemeinschaftliche Unterbringung ohne seine Zustimmung erfolgt sei, weil der Haftraum sich in einem unhygienischen Zustand befunden habe und über keine räumlich getrennte Toilette verfügt habe und weil er dort täglich 23 Stunden eingeschlossen gewesen sei.
Die Antragsgegnerin ist den Anträgen entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, die Anordnung der Fesselung mit Handschließen sei zur Abwendung der Fluchtgefahr erfolgt. Diese resultiere daraus, dass das voraussichtliche Strafende erst am 7. November 2018 sei und der Antragsteller am 24. Oktober 2014 nicht von einem Ausgang zurückgekehrt sei. Wegen der angeblich unzumutbaren Haftbedingungen habe sich der Antragsteller nicht unmittelbar nach seiner Unterbringung in dem Haftraum, sondern erst geraume Zeit später beschwert. Auf seine Beschwerde hin habe sie seinem Anliegen Rechnung getragen. Der Haftraum, in dem der Antragsteller untergebracht gewesen sei, sei nicht unhygienisch gewesen; es würden mehrfach wöchentlich Grundreinigungen stattfinden.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 6. Juni 2016 den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Vorführung als unbegründet zurückgewiesen, den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftbedingungen als unzulässig zurückgewiesen und den Antrag auf Aushändigung einer Kopie der Fesselungsanordnung und der Allgemeinverfügung der Justizvollzugsanstalt Stuttgart abgelehnt. Sie führt aus, dass der Antrag auf Aushändigung von Kopien der Fesselungsanordnung und der Allgemeinverfügung abzulehnen sei, weil der Antragsteller nur dann einen Anspruch auf Aushändigung von Kopien habe, wenn es auf die Kenntnis des exakten Wortlautes der Schriftstücke ankomme. Soweit der Antragsteller die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftbedingungen begehre, sei sein Antrag unzulässig, zumindest aber unbegründet. Der Antrag sei bereits Gegenstand eines anderen Verfahrens gewesen. Selbst wenn der Antrag als allgemeiner Feststellungsantrag auszulegen sei, fehle das berechtigte Interesse an der nachträglichen Feststellung, das zu bejahen sie, wenn eine Verletzung der Menschenwürde durch eine besonders einschneidende Art und Weise der Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt in Frage stehe. Das sei der Fall, wenn ein Gefangener nicht nur wenige Tage in einem mit mehreren Personen belegten Haftraum untergebracht sei, ohne dass eine feste räumliche Abtrennung der Toilette, die einen Sicht-, Geruchs- und Geräuschschutz gewährleiste, vorhanden sei. Der Antragsteller habe keine Umstände vorgetragen, die einen solchen Schluss zuließen, weil er nur zweieinhalb Tage in einem mit drei weiteren Personen belegten Haftraum untergebracht gewesen sei.
Gegen diesen Beschluss der Strafvollstreckungskammer wendet sich der Antragsteller mit seinem zu Protokoll des Rechtspflegers des Amtsgerichts Offenburg erklärten Antrag auf gerichtliche Entscheidung, den er auf die Sachrüge und auf Verfahrensrügen stützt. Außerdem beantragt er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur weiteren Ausführung der Verfahrensrügen, weil sich der Rechtspfleger geweigert habe, die Verfahrensakten einzusehen und dies ihn an der formgerechten Erhebung von Verfahrensrügen gehindert habe.
II.
1. Die statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Es ist geboten, die die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 93 JVollzGB III, § 116 Abs. 1 Fall 1 StVollzG).
2. Die Rechtsbeschwerde erzielt bereits mit der Sachrüge einen vorläufigen Erfolg, weshalb es auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr ankommt. Der Wiedereinsetzungsantrag ist damit gegenstandslos.
10 
a) Der Antrag auf Aushändigung einer Kopie der Fesselungsanordnung und der Allgemeinverfügung ist kein selbständiger Anträge auf gerichtliche Entscheidung gegen eine Maßnahme der Justizvollzugsanstalt. Vielmehr zielt er ersichtlich auf Maßnahmen der Strafvollstreckungskammer innerhalb des Verfahrens über die Anträge auf gerichtliche Entscheidung. Der Antragsteller will sich mit diesem Antrag die Möglichkeit verschaffen, die Dokumente in ihrem Wortlaut zur Kenntnis zu nehmen, und auf dieser Grundlage seine Rechte wahrnehmen.
11 
b) Die Strafvollstreckungskammer konnte auf Grundlage der von ihr getroffenen Feststellungen den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Vorführung nicht als unbegründet verwerfen. Zwar führt die Strafvollstreckungskammer zu Recht aus, dass die Beschaffenheit des Transportfahrzeugs unter den konkreten Umständen des Streitfalls nicht geeignet ist, eine Rechtsverletzung des Antragsteller zu begründen. Jedoch kann der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht überprüfen, ob die Anordnung der Fesselung den Antragsteller in seinen Rechten verletzt hat.
12 
Die Anordnung der Fesselung bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport als besondere Sicherheitsmaßnahme setzt gemäß § 67 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 4 JVollzGB III Fluchtgefahr voraus. Der Justizvollzugsanstalt steht bei der Annahme von Fluchtgefahr zwar ein Beurteilungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Sie muss ihre Prognoseentscheidung aber auf einer im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren ermittelten Tatsachengrundlage treffen. Liegt die Fluchtgefahr nicht auf der Hand und macht der Gefangene gegen seine Fesselung substantiierte Einwände geltend, kann die Justizvollzugsanstalt zu weiteren Ermittlungen gedrängt sein und eine schriftliche Dokumentation der Gründe erforderlich werden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. November 2012 – 1 Ws 49/12, juris Rn. 5).
13 
Die Gründe des angefochtenen Beschlusses ermöglichen es dem Senat nicht zu überprüfen, ob die Antragsgegnerin ihre Anordnung auf einer nach dem konkreten Umständen des Falles ausreichenden Tatsachengrundlage getroffen und die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten hat. Der angefochtene Beschluss lässt nicht erkennen, ob die Antragsgegnerin ihre Entscheidung über die Fesselung des Antragstellers und gegebenenfalls die dafür tragenden Gründe schriftlich dokumentiert hat. Der Senat kann deshalb nicht überprüfen, ob die im gerichtlichen Verfahren geltend gemachten Gründe für die Annahme der Fluchtgefahr maßgeblich waren. Der angefochtene Beschluss lässt nicht erkennen, ob der Antragsteller vor oder während seiner Fesselung Einwände gegen diese Maßnahme erhoben hat. Dieser Umstand ist aber für die erforderliche Begründungstiefe von entscheidender Bedeutung. Aus- und Vorführungen sind eine im Vollzugsalltag vielfach praktizierte Routine. Die Justizvollzugsanstalt hat im Allgemeinen keinen Anlass, die für einen Gefangenen allgemein angeordnete besondere Sicherungsmaßnahme der Fesselung bei jeder anstehenden Aus- oder Vorführung und bei jedem Transport erneut auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen, wenn sich nicht aufgrund besonderer Umstände aufdrängt, dass die Fesselung im Einzelfall entbehrlich ist.
14 
c) Die Begründung, mit der die Strafvollstreckungskammer die Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung in Bezug auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftbedingungen verneint hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
15 
aa) Der vom Antragsteller erhobene allgemeine Feststellungsantrag ist statthaft (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Juni 2015 – 2 BvR 1206/13, juris Rn. 21 f. mit weiteren Nachweisen). Die gemeinschaftliche Unterbringung in dem Haftraum hat sich erledigt, bevor der Antragsteller gegen diese im Wege eines Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrags vorgehen konnte.
16 
bb) Die im Verfahren 23 StVK 116/15 getroffene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer begründet für den hier in Rede stehenden Verfahrensgegenstand keine entgegenstehende Rechtskraft. In jenem Verfahren begehrte der Antragsteller zum einen im Wege eines Fortsetzungsfeststellungsantrags (§ 115 Abs. 3 StVollzG) die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftbedingungen. Zum anderen beantragte er im einstweiligen Rechtsschutz (§ 114 Abs. 3 Satz 2 StVollzG, § 123 VwGO), die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm einen Einzelhaftraum zuzuweisen. Ersteren Antrag verwarf die Strafvollstreckungskammer als unzulässig, letzteren sah sie als gegenstandslos an. Rechtskraftwirkung kommt dieser Entscheidung allenfalls für den zur Unzulässigkeit bzw. zur Gegenstandslosigkeit des Antrags führenden Grund zu. Sie bezieht sich nicht auf die Frage, ob die Haftbedingungen rechtmäßig waren, und steht deshalb der Zulässigkeit des allgemeinen Feststellungsantrags des Antragstellers nicht entgegen.
17 
cc) Das Feststellungsinteresse kann auf Grundlage des bisherigen Vorbringens des Antragstellers nicht verneint werden.
18 
Im Ausgangspunkt zutreffend geht die Strafvollstreckungskammer davon aus, dass ein Feststellungsinteresse dann besteht, wenn die diskriminierenden Folgen einer Maßnahme über deren Erledigung hinaus andauern, was insbesondere bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen vorliegt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Februar 2002 – 2 BvR 553/0, juris Rn. 11; Schuler/Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 5. Aufl., § 115 Rn. 17). Die Beurteilung, ob ein das Feststellungsinteresse begründender Eingriff vorliegt, erfolgt auf der Grundlage des vom Antragsteller behaupteten Sachverhalts; ob sein Sachvortrag tatsächlich zutrifft, ist eine Frage der Begründetheit.
19 
Nach der Rechtsprechung sind bei der Belegung und Ausgestaltung der Hafträume dem Ermessen der Justizvollzugsanstalt durch das Recht des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG Grenzen gesetzt. Ob die Art und Weise der Unterbringung eines Strafgefangenen die Menschenwürde verletzt, hängt von einer Gesamtschau der tatsächlichen die Haftsituation bestimmenden Umstände ab. Als Faktoren, die eine aus den räumlichen Haftbedingungen resultierende Verletzung der Menschenwürde indizieren, kommen in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenem und die Situation der sanitären Anlagen, insbesondere die Abtrennung und Belüftung der Toilette, in Betracht. Als ein die Haftsituation abmildernder Faktor kann die Verkürzung der täglichen Einschlusszeiten wirken. Darüber hinaus kann die Dauer der Unterbringung maßgeblich sein, sofern die Unterbringung für eine Übergangszeit zumutbar erscheint. In Fällen einer nur vorübergehenden Unterbringung ist zudem zu berücksichtigen, ob die begrenzte Dauer für den Gefangenen von vornherein absehbar war. Im Einzelfall können weitere Umstände von Bedeutung sein, etwa die Lage und Größe des Fensters, die Ausstattung und Belüftung des Haftraums und die hygienischen Verhältnisse (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 22. März 2016 – 2 BvR 566/15, juris Rn. 19; vom 13. Juli 2016 – 1 BvR 826/13, juris Rn. 14 jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Gefangenen können zwar aus der Regelung des § 7 Abs. 2, 4 JVollzGB I über die Mindestnettogrundflächen und die sanitären Einrichtungen in Hafträumen keine unmittelbaren Rechte ableiten (vgl. Egerer in Beck-OK Strafvollzug Baden-Württemberg, § 7 JVollzGB I Rn. 1). Die Vorschrift zielt jedoch darauf, anknüpfend an die sich aus der Rechtsprechung ergebenden Anforderungen die Achtung der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG zu gewährleisten (vgl. LT-Drucks. 14/5012, S. 171). Dementsprechend lässt das Unterschreiten der Mindestgrößen eines Haftraums und Fehlen einer baulich abgetrennten und entlüfteten Sanitäreinrichtung in einem Gemeinschaftshaftraum zwar keinen zwingenden Schluss auf eine Verletzung der Menschenwürde zu; jedoch ist eine sorgfältige Abwägung der maßgeblichen die Haftsituation bestimmenden Umstände erforderlich, wenn die Mindestgröße des Haftraums unterschritten ist oder der Gemeinschaftshaftraum über keine baulich abgetrennte und entlüftete Sanitäreinrichtung verfügt.
20 
Nach diesen Maßstab kann auf Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen eine Verletzung der Menschenwürde nicht ausgeschlossen und das Feststellungsinteresse des Antragstellers nicht verneint werden. Der Antragsteller war zumindest zweieinhalb Tage mit drei anderen Gefangenen in einem Gemeinschaftshaftraum, der über keine baulich getrennte und entlüftete Sanitäreinrichtung verfügt und dessen Nettofläche die Strafvollstreckungskammer nicht festgestellt hat, untergebracht.
21 
3. Weil sowohl hinsichtlich der Anordnung der Fesselung als auch hinsichtlich der Umstände der Unterbringung in dem Gemeinschaftshaftraum die erforderlichen Feststellungen fehlen, kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden. Deshalb ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an die Strafvollstreckungskammer zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 4 Satz 3 StVollzG). Für das weitere Verfahren regt der Senat an, die Akten des Verfahrens 23 StVK 116/15 beizuziehen. In diesem Verfahren haben sich die Beteiligten eingehender zu den Haftbedingungen geäußert. Unter anderem war die Größe des in Rede stehenden Haftraums streitig. Bestreitet ein Gefangener die Sachverhaltsdarstellung der Justizvollzugsanstalt, so darf das Gericht seiner Entscheidung nicht ohne weiteres deren Ausführungen zugrunde legen. Zwar können auch in einem solchen Fall weitere tatsächliche Ermittlungen entbehrlich sein; die Annahme, es könne ohne weitere Sachverhaltsaufklärung von der Richtigkeit der behördlichen Darstellung ausgegangen werden, bedarf aber konkreter, auf die Umstände des Falles bezogener Gründe (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. März 2016 – 2 BvR 566/15, juris Rn. 19).

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(1) Der Strafsenat entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. (2) Seiner Prüfung unterliegen nur die Beschwerdeanträge und, soweit die Rechtsbeschwerde auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die in der Begründung der

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 114 Aussetzung der Maßnahme


(1) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keine aufschiebende Wirkung. (2) Das Gericht kann den Vollzug der angefochtenen Maßnahme aussetzen, wenn die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesen

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Tenor Der Beschluss des Landgerichts Gießen vom 22. Oktober 2014 - 2 StVK-Vollz.-133/14 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2015 - 3 Ws 1038/14 (StVollz) -

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(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.

(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1a) Das Gericht kann anordnen, dass eine Anhörung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Gefangenen zeitgleich in Bild und Ton in die Vollzugsanstalt und das Sitzungszimmer übertragen wird. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.

(2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist.

(3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(1) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Das Gericht kann den Vollzug der angefochtenen Maßnahme aussetzen, wenn die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird und ein höher zu bewertendes Interesse an dem sofortigen Vollzug nicht entgegensteht. Das Gericht kann auch eine einstweilige Anordnung erlassen; § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidungen sind nicht anfechtbar; sie können vom Gericht jederzeit geändert oder aufgehoben werden.

(3) Der Antrag auf eine Entscheidung nach Absatz 2 ist schon vor Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung zulässig.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Gießen vom 22. Oktober 2014 - 2 StVK-Vollz.-133/14 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2015 - 3 Ws 1038/14 (StVollz) - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Gießen zurückverwiesen.

Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Verfassungsgemäßheit der vorübergehenden Unterbringung eines Strafgefangenen in einem Einzelhaftraum mit einer Fläche von mindestens 4,49 m2 und höchstens 6,16 m2.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Butzbach. Aus organisatorischen Gründen wurde er entweder am 14. März 2014 oder am 21. März 2014 in eine sogenannte "Schlauchzelle" verlegt, deren Grundfläche nach dem Vortrag des Beschwerdeführers 4,49 m2 und nach den fachgerichtlichen Feststellungen etwa 6 m2 betrug. Am 14. April 2014 bezog der Beschwerdeführer einen Haftraum mit einer Fläche von ca. 9 m2.

3

2. Bereits am 23. März 2014 hatte der Beschwerdeführer einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und die Verlegung in einen größeren Haftraum beantragt. Die Unterbringung in der "Schlauchzelle", die 2,48 m lang und 1,81 m breit sei und somit eine Fläche von 4,49 m² aufweise, verletze ihn in seiner Menschenwürde. Nachdem er am 14. April 2014 in einen größeren Haftraum verlegt worden war, beantragte die Justizvollzugsanstalt, den Antrag für erledigt zu erklären und dem Beschwerdeführer die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Der verfahrensgegenständliche Haftraum habe eine Fläche von etwa 6 m² und genüge noch den gesetzlichen Anforderungen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nur vorübergehend dort untergebracht worden sei. Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer die Feststellung, dass die Unterbringung in der "Schlauchzelle" rechtswidrig gewesen sei. Ein Feststellungsinteresse sei gegeben, da eine gewichtige Grundrechtsverletzung vorliege. Zudem bestehe Wiederholungsgefahr, da die "Schlauchzellen" in der Justizvollzugsanstalt Butzbach weiterhin genutzt würden. Die Angaben der Anstalt zu der Haftraumgröße seien falsch. Darüber hinaus treffe es nicht zu, dass die Unterbringung des Beschwerdeführers in der "Schlauchzelle" von vornherein als vorübergehend geplant gewesen sei. Vielmehr sei er nur in einen größeren Haftraum verlegt worden, weil er einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt habe. Andere Gefangene, die den Rechtsweg nicht beschritten hätten, seien noch immer in "Schlauchzellen" untergebracht. An Werktagen sei der Beschwerdeführer in der Anstalt einer Beschäftigung nachgegangen; an den Wochenenden habe er jedoch täglich 23 Stunden in seinem Haftraum verbringen müssen. Nach Aufforderung durch das Landgericht legte die Justizvollzugsanstalt Lichtbilder vor, die den verfahrensgegenständlichen Haftraum zeigen sollen, und erklärte, dass dieser etwa 1,94 m breit und 3,18 m lang sei und somit eine Grundfläche von etwa 6,16 m2 aufweise.

4

3. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 verwarf das Landgericht den Feststellungsantrag als unzulässig. Der verfahrensgegenständliche Haftraum habe eine Größe von etwa 6 m2. Es sei kein Feststellungsinteresse gegeben, da weder Wiederholungsgefahr noch ein tiefgreifender Grundrechtseingriff vorlägen. Eine vorübergehende Unterbringung in Hafträumen wie dem verfahrensgegenständlichen genüge noch den gesetzlichen Anforderungen. Insoweit verwies das Landgericht auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Beschluss vom 28. Oktober 2003 - 3 Ws 957/03 -, juris), in der eine Grundfläche von 6,11 m2 als mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 EMRK noch vereinbar angesehen worden war. Zwar sei dem Beschwerdeführer zuzugeben, dass der Haftraum ausgesprochen klein sei, "ungeachtet ob er nun eine Breite von 1,94 m oder 1,81 m" habe. Dies sei auch auf den vorgelegten Lichtbildern erkennbar. Darüber hinaus habe sich der erkennende Richter "eine Schlauchzelle" angesehen und könne bestätigen, dass diese Hafträume klein seien. Gleichwohl fänden darin ein Bett, ein Tisch und ein Stuhl Platz, so dass bei einer nur vorübergehenden Unterbringung keine tiefgreifende Grundrechtsbeeinträchtigung festzustellen sei.

5

4. In seiner Rechtsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer, dass die Unterbringung in der "Schlauchzelle" gegen die Menschenwürde und das Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung aus Art. 3 EMRK verstoßen habe. Da ein schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliege, verletze die Verneinung des Feststellungsinteresses den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG. Darüber hinaus habe das Landgericht seine Amtsaufklärungspflicht verletzt. Es habe den Vortrag der Justizvollzugsanstalt, wonach die Größe des Haftraums etwa 6 m2 betrage, als zutreffend unterstellt, obwohl der Beschwerdeführer vorgetragen habe, dass der Haftraum 1,81 m mal 2,48 m messe und seine Grundfläche somit etwa 4,49 m2 betrage. Der erkennende Richter habe sich zwar eine "Schlauchzelle" angesehen; dabei habe es sich jedoch nicht um den verfahrensgegenständlichen Haftraum gehandelt. Um seiner Amtsaufklärungspflicht nachzukommen, hätte das Gericht ein Sachverständigengutachten einholen oder die Baupläne der Anstalt beiziehen müssen. Der angegriffene Beschluss beruhe auch auf der Aufklärungspflichtverletzung, da das Landgericht anderenfalls die Rechtswidrigkeit der Unterbringung festgestellt hätte.

6

5. Mit Beschluss vom 10. Februar 2015 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Die Verfahrensrüge sei nicht in einer Weise ausgeführt worden, die den Anforderungen des "§ 118 Abs. 3 S. 2 StVollzG" genüge. Das Landgericht habe seine Amtsaufklärungspflicht nicht verletzt. Die Entscheidung beruhe auf einer ausreichenden Beurteilungsgrundlage, da die eingeholten Lichtbilder einen hinreichenden Eindruck von dem verfahrensgegenständlichen Haftraum vermittelten und sich die Kammer zudem einen persönlichen Eindruck von einem baugleichen Haftraum verschafft habe. Ob die Grundfläche des Haftraums 4,49 m2 oder ca. 6 m2 betrage, sei vor diesem Hintergrund unerheblich. Selbst wenn der Haftraum lediglich 4,49 m2 groß gewesen sei, habe die Unterbringung den Beschwerdeführer nicht in seiner Menschenwürde verletzt. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Unterbringung menschenunwürdig sei, sei eine Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei seien neben der Größe des Haftraums die Anzahl der darin untergebrachten Gefangenen, die Ausgestaltung der sanitären Einrichtungen, die Gesamtdauer der Unterbringung und die täglichen Einschlusszeiten zu berücksichtigen. Eine Orientierung biete die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die im Hinblick auf die Haftraumgröße von einem Regelwert von 4 m2 pro Inhaftiertem ausgehe. Hierzu verwies der Senat auf ein Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2007 (EGMR, Testa v. Kroatien, Nr. 20877/04, EuGRZ 2008, S. 21). Dieser Regelwert sei eingehalten worden. Außerdem sei in den Blick zu nehmen, dass der Haftraum in akzeptabler Weise mit Mobiliar ausgestattet, der Beschwerdeführer nur vorübergehend für einen Zeitraum von vier Wochen darin untergebracht gewesen und die mangelhafte Bewegungsmöglichkeit durch die Arbeit in der Schreinerei und die Aufschlusszeiten kompensiert worden sei. Auch die fehlende Abtrennung des Toilettenbereichs verletze bei einer Einzelunterbringung nicht die Menschenwürde. Mit der Sachrüge sei ebenfalls keine Rechtsverletzung zu Lasten des Beschwerdeführers aufgezeigt worden. Im Übrigen sah das Oberlandesgericht gemäß § 119 Abs. 3 StVollzG von einer Begründung ab.

7

Eine gegen diesen Beschluss erhobene Anhörungsrüge hatte keinen Erfolg.

II.

8

1. Der Verfassungsbeschwerde lässt sich bei wohlverstandener Auslegung entnehmen, dass der Beschwerdeführer sowohl den Beschluss des Landgerichts als auch den Beschluss des Oberlandesgerichts angreifen will. Er rügt insbesondere eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG.

9

Eine Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls ergebe, dass die Unterbringung in der "Schlauchzelle" mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar gewesen sei. Zwar habe er montags bis freitags täglich zwölf Stunden außerhalb des Haftraums verbringen können, an Samstagen und Sonntagen sei er jedoch nahezu 20 Stunden eingeschlossen gewesen. Unter diesen Bedingungen stelle es auch eine erhebliche Zumutung dar, dass sich die Toilette im Haftraum befunden habe. Zudem sei verkannt worden, dass für den Beschwerdeführer nicht absehbar gewesen sei, wie lange die Unterbringung in der "Schlauchzelle" andauern würde, weshalb er in Hoffnungslosigkeit verfallen sei. Indem das Landgericht den Antrag des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen habe, habe es ihn in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.

10

Das Landgericht habe seine Amtsaufklärungspflicht verletzt, da es von einer Haftraumgröße von 6 m2 ausgegangen sei, obwohl der Beschwerdeführer den diesbezüglichen Vortrag der Justizvollzugsanstalt bestritten und die Haftraumgröße mit 4,49 m2 angegeben habe. Der erkennende Richter habe sich zwar eine "Schlauchzelle" angesehen, hierbei habe es sich aber nicht um diejenige des Beschwerdeführers gehandelt. Auch die von der Anstalt vorgelegten Lichtbilder seien nicht eindeutig dem Haftraum des Beschwerdeführers zuzuordnen. Hinsichtlich der Größe hätte das Landgericht weitere Ermittlungen anstellen und den Haftraum vermessen, ein Sachverständigengutachten einholen oder die Baupläne beiziehen müssen. Wäre dies geschehen, wäre die Kammer nicht zu der Feststellung gelangt, wonach die Größe des Haftraums etwa 6 m2 betrage.

11

Indem das Oberlandesgericht die Verfahrensrüge als unzulässig verworfen habe, habe es ebenfalls Art. 19 Abs. 4 GG verletzt, da dem Anspruch des Beschwerdeführers auf Achtung seiner Menschenwürde nicht genügt worden sei.

12

2. Die Hessische Staatskanzlei hat zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Sie hält sie für zulässig und begründet. Der Beschluss des Oberlandesgerichts verletze den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG.

13

Die Ausführungen des Oberlandesgerichts seien nicht geeignet, die Einschätzung zu tragen, dass das Landgericht seiner Aufklärungspflicht genügt habe. So habe der Senat außer Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer in Frage gestellt habe, ob die vorgelegten Lichtbilder tatsächlich den verfahrensgegenständlichen Haftraum zeigten. Außerdem sei er ohne weiteres davon ausgegangen, dass der von der Kammer besichtigte Haftraum baugleich sei. Überdies habe der Senat ausgeführt, dass im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau auch die Einschlusszeiten zu berücksichtigen seien, und gleichwohl nicht beanstandet, dass das Landgericht die konkreten Einschlusszeiten nicht festgestellt habe.

14

Im Übrigen halte die rechtliche Einschätzung des Oberlandesgerichts, wonach eine Haftraumfläche von 4,49 m2 grundsätzlich unbedenklich und eine Vermessung der "Schlauchzelle" daher nicht erforderlich gewesen sei, einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Der in der zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte genannte Regelwert von 4 m2 beziehe sich auf die Unterbringung in Gemeinschaftshafträumen. Demgegenüber habe das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) bei Einzelhafträumen eine Mindestgrundfläche von 7 m2 für wünschenswert erklärt. Zudem seien die vom Gerichtshof aufgestellten Mindeststandards nicht notwendig identisch mit den Anforderungen des Grundgesetzes. Dies zeige auch die jüngere Rechtsprechung deutscher Obergerichte zur Größe von Einzelhafträumen, mit der sich das Oberlandesgericht nicht auseinandergesetzt habe. So hätten der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin (Beschluss vom 3. November 2009 - 184/07 -, juris) und das Kammergericht (Urteile vom 14. August 2012 - 9 U 121/11 - und 27. Januar 2015 - 9 U 232/12 -, juris) Menschenwürdeverstöße bei Haftraumgrößen von etwa 5,3 m2 festgestellt. Diese Entscheidungen legten nahe, dass es auf die genaue Größe des Haftraums ankomme.

15

Es sei anzunehmen, dass sich die Fehlannahmen des Oberlandesgerichts auch auf seine Einschätzung ausgewirkt hätten, die Verfahrensrüge sei nicht hinreichend ausgeführt. Der Senat habe nur deshalb zu dieser Einschätzung kommen können, weil er davon ausgegangen sei, dass genauere Sachverhaltsfeststellungen aus materiell-rechtlichen Gründen nicht erforderlich seien.

III.

16

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden; danach ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

17

1. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

18

a) Der Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten, da er auf einer unzureichenden Sachverhaltsaufklärung beruht.

19

aa) Die fachgerichtliche Überprüfung grundrechtseingreifender Maßnahmen kann die rechtsstaatlich gebotene Beachtung des geltenden Rechts und den effektiven Schutz der berührten materiellen Rechte nur gewährleisten, wenn sie auf zureichender Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts beruht (vgl. BVerfGE 101, 275 <294 f.>; BVerfGK 9, 390 <395>; 9, 460 <463>; 13, 472 <476>; 13, 487 <493>; 17, 429 <430 f.>; 19, 157 <164>; 20, 107 <112>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. November 2013 - 2 BvR 2784/12 -, juris, Rn. 27; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Mai 2014 - 2 BvR 2512/13 -, juris, Rn. 14; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 18. März 2015 - 2 BvR 1111/13 -, juris, Rn. 39). Dies gilt auch für die gerichtliche Überprüfung von Maßnahmen im Strafvollzug. Die materiell berührten Grundrechte, das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG und das Rechtsstaatsprinzip sind verletzt, wenn grundrechtseingreifende Maßnahmen im Strafvollzug von den Gerichten ohne zureichende Sachverhaltsaufklärung als rechtmäßig bestätigt werden (vgl. BVerfGK 9, 390 <395>; 9, 460 <464>; 13, 472 <476>; 13, 487 <493 f.>; 17, 429 <431>; 19, 157 <164>; 20, 107 <112>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. November 2013 - 2 BvR 2784/12 -, juris, Rn. 27). Wird die Sachverhaltsdarstellung der Vollzugsanstalt vom Gefangenen bestritten, so darf das Gericht seiner Entscheidung nicht ohne weiteres die Ausführungen der Anstalt zugrunde legen. Zwar können auch in einem solchen Fall weitere tatsächliche Ermittlungen entbehrlich sein; die Annahme, es könne ohne weitere Sachverhaltsaufklärung von der Richtigkeit der behördlichen Darstellung ausgegangen werden, bedarf aber konkreter, auf die Umstände des Falles bezogener Gründe (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Februar 2009 - 2 BvR 1533/08 -, juris, Rn. 10; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 18. März 2015 - 2 BvR 1111/13 -, juris, Rn. 42).

20

bb) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird der Beschluss des Landgerichts nicht gerecht. Nach den Feststellungen der Kammer beträgt die Grundfläche des verfahrensgegenständlichen Haftraums etwa 6 m2, obgleich der Beschwerdeführer dies nachdrücklich bestritten und die Größe des Haftraums mit 4,49 m2 beziffert hatte. Das Landgericht hat zwar Lichtbilder eingeholt und "eine Schlauchzelle" in Augenschein genommen (wobei unklar bleibt, ob es sich um einen vollständig baugleichen Haftraum handelte). Aufklärungsmaßnahmen zur Feststellung der genauen Größe des Haftraums hat die Kammer indes nicht veranlasst. Vielmehr hat sie die Angaben der Anstalt ungeprüft übernommen. Der Beschluss des Landgerichts beruht auf der Aufklärungspflichtverletzung, da es nahe liegt, dass bei einer Größe von 4,49 m2 ein Feststellungsinteresse bejaht und die Rechtswidrigkeit der Unterbringung festgestellt worden wäre.

21

Die Formulierung "Dem Antragsteller ist zuzugeben, dass der Haftraum […] ausgesprochen klein ist, ungeachtet ob er nun eine Breite von 1,94 m oder 1,81 m hat" lässt nicht den Schluss zu, dass die Frage, ob der Haftraum 4,49 m2 oder 6 m2 aufwies, aus Sicht des Landgerichts nicht entscheidungserheblich war. Zum einen ist der genannte Satz in Ausführungen eingebunden, die die Auffassung des Beschwerdeführers stützen ("Dem Antragsteller ist zuzugeben […]"). Zum anderen wurde nicht nur um die Breite, sondern auch um die Länge des Haftraums gestritten. Insbesondere aber hat das Landgericht zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Unterbringung auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt verwiesen, wonach ein Einzelhaftraum mit einer Bodenfläche von 6,11 m2 "gerade noch hinnehmbar" sei (Beschluss vom 28. Oktober 2003 - 3 Ws 957/03 -, juris). Hätte das Landgericht offenlassen wollen, ob der Haftraum 4,49 m2 oder 6 m2 aufwies, hätte es sich nicht auf diese Entscheidung stützen können.

22

b) Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer ebenfalls in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, da das Oberlandesgericht die Rechtsverletzung des Landgerichts nicht beseitigt, sondern die Rechtsbeschwerde verworfen hat.

23

aa) Die Ausführungen des Oberlandesgerichts halten einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Der Senat stellt zunächst fest, dass die Verfahrensrüge nicht hinreichend ausgeführt sei, und erläutert sodann, weshalb keine Aufklärungspflichtverletzung vorliege. Ob es sich bei diesen Ausführungen um Zulässigkeitserwägungen im Rahmen der Prüfung des § 118 Abs. 2 Satz 2 StVollzG oder um hilfsweise angestellte Erwägungen im Hinblick auf die Begründetheit der Aufklärungsrüge handeln soll, bleibt unklar. Dies kann indes offen bleiben, da andere Gründe für die Unzulässigkeit der Aufklärungsrüge nicht ersichtlich und die im Beschluss genannten Erwägungen nicht geeignet sind, die Verfassungsgemäßheit des landgerichtlichen Beschlusses zu begründen.

24

Das Oberlandesgericht ist der Ansicht, dass die Entscheidung des Landgerichts schon deshalb auf einer ausreichenden Beurteilungsgrundlage beruhe, weil die Kammer Lichtbilder des verfahrensgegenständlichen Haftraums sowie einen baugleichen Haftraum in Augenschein genommen habe. Indes liegt der Beurteilung des Landgerichts auch die auf einer unzureichenden Sachaufklärung beruhende Annahme zugrunde, dass der Haftraum eine Grundfläche von etwa 6 m2 aufweise. Zwar vertritt das Oberlandesgericht die Auffassung, dass weitere Aufklärungsmaßnahmen insoweit aus materiell-rechtlichen Gründen nicht erforderlich gewesen seien, da die Unterbringung des Beschwerdeführers bei einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls auch dann nicht zu beanstanden sei, wenn die Haftraumfläche lediglich 4,49 m2 betragen haben sollte. Dabei verkennt das Oberlandesgericht jedoch, dass das Landgericht außer zur Größe und Möblierung des Haftraums sowie zur Dauer der Unterbringung keinerlei Feststellungen getroffen hat, die in eine Gesamtschau einfließen könnten. So stellt das Oberlandesgericht bei der Gesamtwürdigung unter anderem darauf ab, dass die mangelhafte Bewegungsmöglichkeit durch die tägliche Arbeit in der Schreinerei und die Aufschlusszeiten kompensiert worden sei. Zu den Arbeits- und Aufschlusszeiten hat das Landgericht jedoch keine Feststellungen getroffen, da es diese offenbar nicht für entscheidungserheblich hielt. Die Verneinung einer Aufklärungspflichtverletzung kann aber nicht mit tatsächlichen Umständen begründet werden, zu denen keine Feststellungen getroffen worden sind. Hält das Oberlandesgericht die im Rahmen der Gesamtschau zu treffenden Feststellungen in erheblicher Weise für lückenhaft, muss es die erstinstanzliche Entscheidung aufheben und das Verfahren zur weiteren Sachaufklärung zurückverweisen. Bereits aus diesem Grunde ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts aufzuheben, so dass es insbesondere nicht mehr darauf ankommt, ob der vom Landgericht in Augenschein genommene Haftraum baugleich mit dem des Beschwerdeführers war und ob die eingeholten Lichtbilder den verfahrensgegenständlichen Haftraum zeigen.

25

bb) Des Weiteren sieht sich die Kammer zu dem Hinweis veranlasst, dass die Auffassung des Oberlandesgerichts, wonach hinsichtlich der Mindestgröße für Einzelhafträume im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von einem Orientierungswert von 4 m2 auszugehen sei, gewichtigen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.

26

Die zitierte Entscheidung des Gerichtshofs vom 12. Juli 2007 (EGMR, Testa v. Kroatien, Nr. 20877/04, EuGRZ 2008, S. 21) betrifft die Unterbringung in einem Gemeinschaftshaftraum. Ob sich der darin genannte Orientierungswert auf Einzelhafträume übertragen lässt, erscheint zweifelhaft. Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) hat bei Einzelräumen für Aufenthalte von Gefangenen von mehr als einigen Stunden Dauer eine Mindestgröße von 7 m2 für wünschenswert erklärt, auch wenn es ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass es sich hierbei nicht um einen Minimalstandard handele (CPT-Standards, CPT/Inf/E [2002] 1 - Rev. 2010, S. 8). In seinem Jahresbericht 2010/2011 hat das Komitee betont, dass für die Unterbringung von Gefangenen kein Raum mit weniger als 6 m2 verwendet werden solle (21st General Report vom 10. November 2011, CPT/Inf [2011] 28, S. 47). Im Übrigen sind die sich aus Art. 3 EMRK ergebenden Mindeststandards nicht notwendig identisch mit den Anforderungen des Grundgesetzes. Insbesondere darf der Grundrechtsschutz nach dem Grundgesetz durch die Europäische Menschenrechtskonvention nicht eingeschränkt werden; das schließt auch die Konvention selbst aus (vgl. Art. 53 EMRK, siehe BVerfGE 128, 326<371>).

27

Bei der Belegung und Ausgestaltung der Hafträume sind dem Ermessen der Justizvollzugsanstalt durch das Recht des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG Grenzen gesetzt (vgl. BVerfGK 12, 417 <419 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Februar 2002 - 2 BvR 553/01 -, juris, Rn. 14; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. März 2002 - 2 BvR 261/01 -, juris, Rn. 17; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 409/09 -, juris, Rn. 29; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. November 2011 - 1 BvR 1403/09 - juris, Rn. 37; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2015 - 1 BvR 1127/14 -, juris, Rn. 17). Ob die Art und Weise der Unterbringung eines Strafgefangenen die Menschenwürde verletzt, ist von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände abhängig (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2015 - 1 BvR 1127/14 -, juris, Rn. 18; vgl. auch VerfGH Berlin, Beschluss vom 3. November 2009 - 184/07 -, juris, Rn. 26). Als Faktoren, die eine aus den räumlichen Haftbedingungen resultierende Verletzung der Menschenwürde indizieren, kommen in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenem und die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, in Betracht, wobei als ein die Haftsituation abmildernder Faktor die Verkürzung der täglichen Einschlusszeiten berücksichtigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 409/09 -, juris, Rn. 30; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. November 2011 - 1 BvR 1403/09 -, juris, Rn. 38). Darüber hinaus kann die Dauer der Unterbringung maßgeblich sein, sofern die Unterbringung für eine Übergangszeit zumutbar erscheint (vgl. VerfGH Berlin, Beschluss vom 3. November 2009 - 184/07 -, juris, Rn. 32). In Fällen einer nur vorübergehenden Unterbringung ist zudem zu berücksichtigen, ob die begrenzte Dauer für den Betroffenen von vornherein absehbar war (vgl. VerfGH Berlin, Beschluss vom 3. November 2009 - 184/07 -, juris, Rn. 33). Im Einzelfall können weitere Umstände von Bedeutung sein, etwa die Lage und Größe des Fensters, die Ausstattung und Belüftung des Haftraums und die hygienischen Verhältnisse. Mit Blick auf die Mindestgröße von Einzelhafträumen hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts festgestellt, dass eine Grundfläche von nur wenig über 6 m2 an der unteren Grenze des Hinnehmbaren liege (BVerfGK 20, 125 <125>). Die 3. Kammer des Ersten Senats hat die Auffassung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin (VerfGH Berlin, Beschluss vom 3. November 2009 - 184/07 -, juris) gebilligt, wonach eine Unterbringung für einen Zeitraum von knapp drei Monaten in einem Einzelhaftraum mit einer Bodenfläche von 5,25 m² bei einer Gesamtschau der dortigen Umstände die Menschenwürde verletze (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2015 - 1 BvR 1127/14 -, juris, Rn. 18; vgl. zur Mindestgröße von Einzelhafträumen ferner schon BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Oktober 1993 - 2 BvR 1778/93 -, juris, Rn. 9).

28

Eine dauerhafte Unterbringung in einem Haftraum mit einer Größe - wie sie im vorliegenden Fall in Rede steht - von etwa 4,5 m² wäre mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar. Bei einer Unterbringung von mehreren Wochen liegt ein Verfassungsverstoß nahe, weshalb eine umfassende Aufklärung der für die Bewertung der Unterbringung bedeutsamen Umstände in besonderem Maße geboten ist.

29

cc) Dass das Oberlandesgericht teilweise gemäß § 119 Abs. 3 StVollzG von einer Begründung abgesehen hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar fehlt es insoweit an Entscheidungsgründen, die einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen werden könnten. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Beschluss selbst sich verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Wird gemäß § 119 Abs. 3 StVollzG von einer Begründung abgesehen, ist die Entscheidung vielmehr bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführers erhebliche Zweifel bestehen (vgl. BVerfGK 19, 157 <167>; 19, 306 <317 f.>; 20, 307 <315>).

30

2. Die Aufhebungsentscheidung und die Zurückverweisung folgen aus §§ 93c Abs. 2, 95 Abs. 2 BVerfGG. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 23. März 2012 - 21 O 613/11 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 15. Februar 2013 - 4 W 61/12 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes und werden aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Bayreuth zurückverwiesen.

3. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

4. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

5. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurückweisung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern wegen menschenunwürdiger Unterbringung in Strafhaft.

2

1. Mit Schriftsatz an das Landgericht Bayreuth vom 22. August 2011 übersandte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst Klageentwurf für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern. Er machte geltend, 125 Tage lang unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Justizvollzugsanstalt Bayreuth in Haft gewesen zu sein.

3

Im Zeitraum vom 30. April 2009 bis zum 1. September 2009 sei er neben sechs weiteren Mitgefangenen im Haftraum Nr. 106 untergebracht gewesen. Der Haftraum habe eine Gesamtgrundfläche von 25 m2 gehabt; neben der Möblierung habe sich darin eine vom übrigen Haftraum optisch abgetrennte, jedoch nicht gesondert entlüftete Toilette befunden.

4

2. Mit angegriffenem Beschluss vom 23. März 2012 verweigerte das Landgericht dem Beschwerdeführer die Prozesskostenhilfe. Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg; die Unterbringung des Beschwerdeführers sei nicht menschenunwürdig. Auf Grundlage der Angaben des Freistaats Bayern zu den Raumverhältnissen hätten dem Beschwerdeführer, der in verschiedenen Hafträumen untergebracht gewesen sei, anteilig zwischen 4,69 m2 und 5,75 m2 Haftraumfläche zur Verfügung gestanden. Raumhöhen zwischen 2,95 m und 3,75 m hätten für ein besseres Raumklima gesorgt; die Toiletten seien baulich abgetrennt und gesondert entlüftet gewesen. Durch Arbeitsaufnahme des Beschwerdeführers und Aufschlusszeiten sei die beengte Unterbringung weiter kompensiert worden.

5

3. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht mit angegriffenem Beschluss vom 15. Februar 2013 zurück. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs führte das Oberlandesgericht - soweit hier erheblich - aus, dass sich nicht abstrakt-generell klären lasse, ob der Vollzug der Haft als menschenunwürdig anzusehen sei; vielmehr bedürfe es jeweils einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls. Dabei kämen als Faktoren, die eine aus den räumlichen Haftbedingungen resultierende Verletzung der Menschenwürde indizierten, in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen in Betracht, namentlich Abtrennung und Belüftung der Toilette. Eine Menschenwürdeverletzung sei danach nicht festzustellen.

6

Die räumlichen Verhältnissen seien für sich betrachtet zwar vorübergehend "grenzlastig" gewesen, führten aber noch nicht zu einem Verstoß gegen Art. 1 GG. Als Grenzwert zur menschenunwürdigen Unterbringung sei eine Bodenfläche von 5 m2 je Gefangenen anzusehen. Dieser Grenzwert sei zwar für einen gewissen Zeitraum geringfügig unterschritten worden. Weitere Umstände, die zur Verschärfung der räumlichen Situation beigetragen hätten, seien aber nicht ersichtlich. Die Grenze zur menschenunwürdigen Unterbringung sei, auch eingedenk der Arbeits- und Aufschlusszeiten des Beschwerdeführers, noch nicht erreicht.

7

4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seines Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

8

5. Dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz sowie der Präsidentin des Bundesgerichtshofs wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie halten die Verfassungsbeschwerde jeweils für unbegründet. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

9

Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.

10

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen Fragen zu Inhalt und Reichweite des aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 ff.>; 92, 122 <124>). Die Verfassungsbeschwerde ist danach hinsichtlich der Rüge einer Verletzung der Rechtsschutzgleichheit im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zulässig und offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit.

11

a) Die Gewährleistung der Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 9, 124 <130 f.>; stRspr). Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>).

12

Danach dürfen bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Dabei muss Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe kann ungeachtet des Fehlens einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf Auslegungshilfen, die von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellt werden, ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Ist dies jedoch nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen fehlender Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfGE 81, 347 <359>). Ansonsten würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06 u.a. -, NVwZ 2006, S. 1156 <1157>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1807/07 -, NJW 2008, S. 1060 <1061>; Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 409/09 -, NJW-RR 2011, S. 1043 <1044> und vom 7. November 2011 - 1 BvR 1403/09 -, juris).

13

b) Gemessen an diesen Grundsätzen halten die Prozesskostenhilfe versagenden Beschlüsse des Landgerichts und Oberlandesgerichts einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht haben ihre Einschätzung fehlender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung auf ein Verständnis der Menschenwürdegarantie in der Haftunterbringung gestützt, das in der bisherigen Rechtsprechung der Fachgerichte noch keine hinreichende Klärung gefunden hat. Die damit verbundenen Fragestellungen durften demnach nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden.

14

aa) Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung sind Landgericht und Oberlandesgericht im Ansatz davon ausgegangen, dass die Frage nach der Menschenwürdigkeit der Unterbringung von Strafgefangenen von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände abhängt, wobei als Faktoren in räumlicher Hinsicht in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenen und die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, zu beachten sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2015 - 1 BvR 1127/14 -, NJW 2016, S. 389 <390>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. März 2016 - 2 BvR 566/15 -, juris) und als die Haftsituation mildernde oder verschärfende Merkmale der Umfang der täglichen Einschlusszeiten und die Belegdichte des Haftraums Berücksichtigung finden. Die Frage, wie diese Faktoren zu bewerten sind und insbesondere, ob oder unter welchen Bedingungen - wie es die angegriffenen Entscheidungen für ausreichend halten - auch eine anteilige Grundfläche von unterhalb von 6 m2 pro Strafgefangenen den Anforderungen der Menschenwürdegarantie genügen kann, ist in der Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt.

15

Allerdings lässt sich die Frage, wann die räumlichen Verhältnisse in einer Strafanstalt derart beengt sind, dass die Unterbringung eines Gefangenen dessen Menschenwürde verletzt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht abstrakt-generell klären, sondern muss der tatrichterlichen Beurteilung überlassen bleiben (beispielhaft BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12 -, BGHZ 198, 1). Danach kann es die Klärung eines verfassungsmäßigen Raummindestsolls im Sinne schematisch festgelegter allgemeiner Maßzahlen nicht geben (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09 -, NJW-RR 2010, S. 1465). Dies stellt jedoch nicht in Frage, dass es für die Anforderungen an menschenwürdige Haftbedingungen der Herausbildung auch übergreifender Grundsätze und Unterscheidungsmerkmale bedarf, die sowohl den Betroffenen als auch den Behörden Kriterien an die Hand geben, die die Beurteilung der Menschenwürdigkeit der Unterbringung hinreichend vorhersehbar machen.

16

bb) Diese Anforderungen sind zurzeit nicht geklärt und werden von den Gerichten verschieden beurteilt.

17

So setzt die obergerichtliche Rechtsprechung bei mehrfach belegten Hafträumen zum Teil Regelwerte von 6 m2, zum Teil auch von 7 m2 Bodenfläche pro Gefangenen an. Deren Unterschreitung wird zum Teil als Menschenwürdeverletzung beurteilt, wenn zugleich die Toilette nicht abgetrennt beziehungsweise nicht gesondert entlüftet ist (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Juli 2003 - 3 Ws 578/03 -, NJW 2003, S. 2843 <2845>; OLG Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2005 - 1 U 43/04 -, juris, Rn. 42; OLG Koblenz, Urteil vom 15. März 2006 - 1 U 1286/05 -, juris, Rn. 11 ff.). In anderen Fällen haben Fachgerichte eine Verletzung der Menschenwürde unabhängig hiervon allein wegen der Unterschreitung eines gewissen Bodenflächenmaßes bejaht, da die räumliche Enge eine Bewegung und Entfaltung der Gefangenen nicht erlaube (so OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21. Februar 2005 - 3 Ws 1342 - 1343/04 [StVollz] u.a. -, NStZ-RR 2005, S. 155 <156>: Menschenwürdeverletzung bei 3,85 m2 pro Gefangenen in Mehrfachbelegung bei abgetrennter Toilette; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 19. Juni 2008 - 11 U 24/07 -, juris, Rn. 26: 3,75 m2 pro Gefangenen bei hinzukommender Erschwernis der nicht abgetrennten Toilette). Die Oberlandesgerichte Hamm und Düsseldorf setzen einen fixen Schwellenwert von 5 m2 Grundfläche pro Gefangenen an, dessen Unterschreitung ungeachtet anderer Parameter eine Menschenwürdeverletzung bedinge (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. November 2011 - I-18 W 31/11, 18 W 31/11 -, juris; OLG Hamm, Urteil vom 29. September 2010 - 11 U 88/08, I-11 U 88/08 -, juris; Urteil vom 18. März 2009 - 11 U 88/08 -, juris; Beschluss vom 25. März 2009 - 11 W 106/08 -, NStZ-RR 2009, S. 326). Bezüglich der Unterbringung in einem Einzelhaftraum hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin eine längere Unterbringung in einem 5,25 m2 messenden Einzelhaftraum ohne abgetrennte Toilette für menschenwürdewidrig befunden und das Hauptaugenmerk auf die beengte Haftsituation gelegt (vgl. BerlVerfGH, Beschluss vom 3. November 2009 - VerfGH 184/07 -, LKV 2010, S. 26). Angesichts der Rechtsprechung (weitere Nachweise in BVerfGK 12, 417 <420 f.> sowie BGHZ 198, 1 <4 ff.>) kann nicht als geklärt gelten, dass und unter welchen Umständen eine Haftraumfläche wie hier von weniger als 6 m2 den Erfordernissen der Menschenwürdegarantie des gemeinschaftlich untergebrachten Strafgefangenen entspricht.

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cc) Indem Landgericht und Oberlandesgericht der beabsichtigten Amtshaftungsklage ungeachtet dieser ungeklärten Rechtsfrage die Erfolgsaussicht von vornherein abgesprochen und Prozesskostenhilfe verweigert haben, haben sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf Rechtsschutzgleichheit verletzt. Die für die Beurteilung des Begehrens des Beschwerdeführers maßgeblichen Rechtsfragen durften nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden, sondern bedürfen einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren, die es dem Beschwerdeführer auch ermöglicht, diese gegebenenfalls einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen.

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2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandwerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Der Strafsenat entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß.

(2) Seiner Prüfung unterliegen nur die Beschwerdeanträge und, soweit die Rechtsbeschwerde auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die in der Begründung der Rechtsbeschwerde bezeichnet worden sind.

(3) Der Beschluß, durch den die Beschwerde verworfen wird, bedarf keiner Begründung, wenn der Strafsenat die Beschwerde einstimmig für unzulässig oder für offensichtlich unbegründet erachtet.

(4) Soweit die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet wird, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Der Strafsenat kann an Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheiden, wenn die Sache spruchreif ist. Sonst ist die Sache zur neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.

(5) Die Entscheidung des Strafsenats ist endgültig.