Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 27. Jan. 2010 - 1 Ss 1506/09

bei uns veröffentlicht am27.01.2010

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 23. Juli 2009 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen

a u f g e h o b e n .

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Stuttgart

z u r ü c k v e r w i e s e n .

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet

v e r w o r f e n .

Gründe

 
I.
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 27. November 2008 wegen Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 StGB) zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr sechs Monaten. Gegen das Urteil legten der Angeklagte und zu seinen Ungunsten die Staatsanwaltschaft, diese beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch, Berufung ein. Mit Urteil vom 23. Juli 2009 verwarf das Landgericht die Berufung des Angeklagten und änderte das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Staatsanwaltschaft dahin ab, dass eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren drei Monaten ausgesprochen wurde.
Die hiergegen in zulässiger Weise erhobene Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs; im Übrigen erweist sie sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
II.
1. Die von Amts wegen (freibeweislich) vorzunehmende Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergibt, dass das Hauptverfahren mit Beschluss des Amtsgerichts vom 15. September 2008 wirksam eröffnet wurde.
Anlass zur Erörterung gibt der Umstand, dass der von der Strafrichterin verwendete zweigeteilte Vordruck (I. Eröffnungsbeschluss, II. Terminsverfügung, Ladungsanordnung u.a.) zwar in beiden Teilen vollständig ausgefüllt, indes über dem vorgedruckten Namen der Richterin nicht eigenhändig unterzeichnet wurde. Dies führt indes hier nicht zur Unwirksamkeit der Eröffnungsentscheidung. Denn bereits aus dem Schriftstück selbst - bestätigt durch weitere Umstände - ergibt sich mit Sicherheit, dass die zuständige Strafrichterin mit ihrem schriftlich niedergelegten Beschluss vom 15. September 2008 das Hauptverfahren tatsächlich eröffnen wollte und es sich nicht um einen bloßen Entwurf handelte.
Mit unterschriebener Verfügung vom 22. August 2008 hatte die Strafrichterin die Zustellung der Anklageschrift und die Wiedervorlage der Akten nach Ablauf der einwöchigen Einlassungsfrist angeordnet. Sodann fügte die Strafrichterin am 15. September 2008 selbst alle wesentlichen, das konkrete Verfahren betreffenden Angaben zum Eröffnungsbeschluss wie das gerichtliche Aktenzeichen, den Namen des Angeklagten, den Gegenstand des Verfahrens und das Datum der zugelassenen Anklage in den Vordruck Eröffnungsbeschluss ein. Zugleich bestimmte sie einen zeitnahen Termin zur Hauptverhandlung, benannte die zu ladenden Zeugen, ordnete ihre Vernehmungszeiten an und verfügte, bei der Staatsanwaltschaft um die Sitzungsvertretung eines Referenten der Fachabteilung 2 nachzusuchen. Die Ladungsanordnung bezüglich des Verteidigers verband sie mit dem Hinweis auf die bereits erfolgte Absprache des Termins. Die Ladungsverfügung wurde umgehend ausgeführt. In der Hauptverhandlung stellte die Strafrichterin ausweislich der Sitzungsniederschrift fest, dass die Anklage durch Beschluss vom 15. September 2008 zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet worden sei.
Aufgrund der dargelegten Umstände, besonders der sorgfältigen Ausfüllung des Beschlussteils sowie der detaillierten Anordnungen in der Ladungsverfügung, verbunden mit dem Hinweis auf die bereits erfolgte Terminsabsprache, hat der Senat keinen Zweifel, dass die Strafrichterin mit ihrem schriftlichen Beschluss das Verfahren tatsächlich eröffnen wollte und das Schriftstück mit dem Willen der Realisierung der getroffenen Verfügungen umgehend in den Geschäftslauf gab.
Bei dieser Sachlage führt allein das Fehlen der Unterschrift nicht zur Unwirksamkeit des Beschlusses. Die Unterzeichnung ist keine unerlässliche Voraussetzung der Wirksamkeit eines schriftlichen Eröffnungsbeschlusses (vgl. BayObLG in StV 1990, 395; OLG Hamm in MDR 1993, 893; OLG Zweibrücken in NStZ-RR 1998, 75; OLG Düsseldorf in NStZ-RR 2000, 114 mit weiteren Nachw.; Schneider in KK, 6.Aufl., § 207 Rn. 15; anders OLG Frankfurt in NJW 1991, 2849).
Die Strafprozessordnung verlangt hinsichtlich der Eröffnungsentscheidung nach § 203 StPO einen Beschluss; § 207 StPO legt dessen Inhalt fest. In welcher Form der Beschluss zu ergehen hat, ist nicht ausdrücklich geregelt (vgl. BGH in StV 1995, 342). Nach einhelliger Meinung bedarf diese Entscheidung allerdings im Hinblick auf ihre Bedeutung für das Verfahren und im Interesse der Rechtssicherheit regelmäßig der schriftlichen Niederlegung. Für die Schriftform spricht auch die Vorschrift des § 215 S. 1 StPO i. V. m. § 35 Abs. 2 StPO über die Zustellung des Beschlusses. Der sprachliche Begriff der Schriftlichkeit umfasst jedoch nicht die Unterzeichnung durch den Verfasser. Anders als das Bürgerliche Gesetzbuch enthält die StPO auch keine gesetzliche Definition der Schriftform. Vielmehr sieht sie in mehreren Fällen, so etwa in § 275 Abs. 2 StPO für das schriftliche Urteil und in § 345 Abs. 2 StPO für die Revisionsbegründung, ausdrücklich die Unterzeichnung bestimmter Schriften vor. Dies spricht dafür, dass für den Begriff der Schriftlichkeit im Sinne der StPO die Unterzeichnung durch den Urheber nicht unerlässlich ist (BayObLG, OLG Düsseldorf, OLG Zweibrücken, jeweils a.a.O.). So stellt auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Wirksamkeit landgerichtlicher Eröffnungsbeschlüsse, bei denen die Unterschrift eines oder mehrerer Richter fehlen, als für die Wirksamkeit entscheidend nicht auf die Vollzähligkeit der Unterschriften, sondern allein darauf ab, ob die erforderliche Zahl der Richter an der tatsächlichen Beschlussfassung mitgewirkt hat, und klärt diese Frage im Wege des Freibeweises durch Einholung dienstlicher Äußerungen der Richter (BGH in BGHR StPO § 203 Unterschrift 1; BGHSt. 42, 380, 384 mit weiteren Nachw.). Die Klärung der Frage im Freibeweisverfahren setzt denknotwendig voraus, dass es auf die fehlende Unterschrift allein nicht ankommen kann (so schon OLG Zweibrücken a.a.O.).
Das Hauptverfahren ist somit von der Strafrichterin wirksam eröffnet worden.
10 
Dem stehen auch die in diesem Zusammenhang von der Verteidigung zitierten Entscheidungen des OLG Koblenz vom 4.3.2009 - 1 Ss 13/09 - und des OLG Zweibrücken vom 2.5.2008 - 1 Ws 142/08 - nicht entgegen. Die dort entschiedenen Sachverhalte waren anders gelagert. So fehlte es in dem vom OLG Zweibrücken entschiedenen Fall, in dem der - vom Richter unterzeichnete - „Eröffnungsbeschluss“ ausschließlich in einem vorgegebenen Textbaustein bestand, an jeglichen Hinzufügungen des Richters (in Bezug auf Aktenzeichen, Name des Angeklagten, nähere Bezeichnung der Anklage u.a.), die sich auf das zu eröffnende konkrete Verfahren bezogen; in ähnlicher Weise war der „Eröffnungsbeschluss“ in der vom OLG Koblenz entschiedenen Sache weder durch die Angabe eines Aktenzeichens noch durch die Personalien des Angeklagten konkretisiert.
11 
2. Hinsichtlich des Schuldspruches ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, weil die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
12 
3. Dagegen ist das Rechtsmittel hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs begründet.
13 
Die Strafkammer hat bei der Strafzumessung zu Ungunsten des Angeklagten u.a. Folgendes ausgeführt (UA S. 17)
14 
„Erheblich strafschärfend wirkt schließlich, dass der Angeklagte - ‚um seine Haut zu retten’ - es zuließ, dass die Nebenklägerin einen Meineid schwor. Dass sie falsch aussagen werde, wusste er spätestens seit ihrem Zusammentreffen am Vorabend vor der Berufungsverhandlung. Dies hätte er unterbinden müssen“.
15 
Hierzu ist den Urteilsgründen, zwar nicht dem festgestellten Sachverhalt, jedoch den Ausführungen zur Beweiswürdigung hinsichtlich der Aussagen der Nebenklägerin nur Folgendes zu entnehmen (UA S. 14):
16 
„Wenn der Angeklagte und die Nebenklägerin übereinstimmend bekunden, dass sie bei dem auf Veranlassung der Nebenklägerin am Vorabend vor dem ersten Verhandlungstag stattgefundenen Treffen nicht über die unmittelbar anstehende Verhandlung gesprochen hätten, sondern er sie lediglich aufgefordert habe, sie solle die Wahrheit sagen, und sie nur von ihrem Urlaub in Italien berichtet habe, glaubt ihnen die Strafkammer nicht. Vielmehr wurden bei diesem Treffen die Aussagen - auch wenn sie bei nicht strafrechtlich relevantem Geschehen teils nicht übereinstimmen - abgesprochen...“
17 
Die strafschärfende Bewertung der bloßen Duldung oder Nichtverhinderung einer von ihm nicht veranlassten Falschaussage eines Zeugen durch den Angeklagten begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - keine Feststellungen getroffen sind, die das Verhalten des Angeklagten nicht allein auf die Furcht vor Bestrafung zurückführen, sondern als Ausdruck besonderer Rechtsfeindlichkeit oder Uneinsichtigkeit kennzeichnen ließen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 20; BGH in StV 1995, 297; BGH Beschluss v. 29.5.1981 - 2 StR 191/81, zit. nach juris; Theune in LK StGB, 12. Aufl., Rn. 210 zu § 46; Fischer StGB, 57. Aufl., Rn 53 zu § 46). Auch die Kenntnis von einem besonderen Umfang der Konsequenzen einer Falschaussage für den Zeugen, hier wegen der erfolgten Vereidigung, rechtfertigt keine andere Beurteilung (vgl. BGH in StV 1995, 297).
18 
Die Strafkammer hat auch nicht festgestellt, dass der Angeklagte die Nebenklägerin bei dem auf ihre Veranlassung erfolgten Treffen am Vorabend der Verhandlung oder zuvor zu ihrer Falschaussage veranlasst hätte. Soweit die Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung (UA S. 14) ausführt, sie glaube nicht den übereinstimmenden Angaben des Angeklagten und der Nebenklägerin, sie hätten nicht über die Verhandlung gesprochen, vielmehr seien die Aussagen abgesprochen worden, fehlt es an der Mitteilung entsprechender Beweistatsachen, die einen dahingehenden Schluss auf eine gesicherte Tatsachengrundlage stellen könnten.
19 
Bereits der aufgezeigte rechtliche Mangel nötigt zur Aufhebung des Strafausspruches, zumal die Strafkammer selbst diesen rechtsfehlerhaft bejahten Strafschärfungsgrund als „erheblich strafschärfend“, somit als wesentlich für die gefundene Strafe bezeichnet hat.
20 
Angemerkt sei, dass auch gegen die weitere zu Ungunsten des Angeklagten angestellte Erwägung der Strafkammer, es wiege zu seinen Lasten, dass er, „damit seine sprudelnde Einnahmequelle nicht versiege“, auf die Nebenklägerin „massiven psychischen Druck“ ausübte, als diese nicht weiter der Prostitution nachgehen wollte, im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB erheblichen Bedenken begegnet. Um eine über die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale der dirigistischen Zuhälterei hinausgehende besondere Intensität der Tathandlungen oder ihrer Gefährlichkeit - die sich nicht ohne weiteres aus dem festgestellten Sachverhalt ergeben - hervorzuheben, hätte die Wertung „massiv“ konkret belegt werden müssen.
21 
Das angefochtene Urteil war nach alledem im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgericht zurückzuverweisen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 27. Jan. 2010 - 1 Ss 1506/09

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 27. Jan. 2010 - 1 Ss 1506/09

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 27. Jan. 2010 - 1 Ss 1506/09 zitiert 10 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafprozeßordnung - StPO | § 345 Revisionsbegründungsfrist


(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn d

Strafprozeßordnung - StPO | § 275 Absetzungsfrist und Form des Urteils


(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hau

Strafprozeßordnung - StPO | § 203 Eröffnungsbeschluss


Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

Strafprozeßordnung - StPO | § 207 Inhalt des Eröffnungsbeschlusses


(1) In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll. (2) Das Gericht legt in dem Beschluß dar, mit welchen

Strafprozeßordnung - StPO | § 35 Bekanntmachung


(1) Entscheidungen, die in Anwesenheit der davon betroffenen Person ergehen, werden ihr durch Verkündung bekanntgemacht. Auf Verlangen ist ihr eine Abschrift zu erteilen. (2) Andere Entscheidungen werden durch Zustellung bekanntgemacht. Wird durch d

Strafprozeßordnung - StPO | § 215 Zustellung des Eröffnungsbeschlusses


Der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist dem Angeklagten spätestens mit der Ladung zuzustellen. Entsprechendes gilt in den Fällen des § 207 Abs. 3 für die nachgereichte Anklageschrift.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 27. Jan. 2010 - 1 Ss 1506/09 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 27. Jan. 2010 - 1 Ss 1506/09 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 04. März 2009 - 1 Ss 13/09

bei uns veröffentlicht am 04.03.2009

Tenor 1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Betzdorf vom 4. November 2008 mit den Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt. 2. Die Staatskasse hat die Kosten des Verfahrens und die notwendi

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

(1) In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung zu und bezeichnet das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll.

(2) Das Gericht legt in dem Beschluß dar, mit welchen Änderungen es die Anklage zur Hauptverhandlung zuläßt, wenn

1.
wegen mehrerer Taten Anklage erhoben ist und wegen einzelner von ihnen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird,
2.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne abtrennbare Teile einer Tat beschränkt wird oder solche Teile in das Verfahren wieder einbezogen werden,
3.
die Tat rechtlich abweichend von der Anklageschrift gewürdigt wird oder
4.
die Verfolgung nach § 154a auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Straftat begangen worden sind, beschränkt wird oder solche Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbezogen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 und 2 reicht die Staatsanwaltschaft eine dem Beschluß entsprechende neue Anklageschrift ein. Von der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen kann abgesehen werden.

(4) Das Gericht beschließt zugleich von Amts wegen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung.

Der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist dem Angeklagten spätestens mit der Ladung zuzustellen. Entsprechendes gilt in den Fällen des § 207 Abs. 3 für die nachgereichte Anklageschrift.

(1) Entscheidungen, die in Anwesenheit der davon betroffenen Person ergehen, werden ihr durch Verkündung bekanntgemacht. Auf Verlangen ist ihr eine Abschrift zu erteilen.

(2) Andere Entscheidungen werden durch Zustellung bekanntgemacht. Wird durch die Bekanntmachung der Entscheidung keine Frist in Lauf gesetzt, so genügt formlose Mitteilung.

(3) Dem nicht auf freiem Fuß Befindlichen ist das zugestellte Schriftstück auf Verlangen vorzulesen.

(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.

(2) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.

(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen.

(4) (weggefallen)

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.



Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Betzdorf vom 4. November 2008 mit den Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

2. Die Staatskasse hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten zu tragen.

Gründe

1

Die Angeklagte wurde durch Urteil des Jugendrichters beim Amtsgericht Betzdorf vom 4. November 2008 des Fahrens ohne Fahrerlaubnis für schuldig befunden (wobei im Tenor keine Schuldform angegeben ist). Mit der Revision beanstandet sie zu Recht das Fehlen eines ordnungsgemäßen Eröffnungsbeschlusses und damit das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses.

2

1. In den Akten findet sich folgendes teilweise ausgefülltes Formular:

Abbildung

3

Die „Ausfertigungen“ wurden von der Geschäftsstelle um ein Rubrum und ein Aktenzeichen sowie die Angabe eines Verfahrensgegenstands ergänzt, mit einem Ausfertigungsvermerk versehen und sodann versandt.

4

2. Zu den wesentlichen Förmlichkeiten eines Eröffnungsbeschlusses gehören seine schriftliche Abfassung und die Unterzeichnung durch den zuständigen Richter (siehe dazu OLG Zweibrücken v. 02.05.2008, 1 Ws 142/08, juris). Die Verwendung von Vordrucken, auch wenn sie den Eröffnungsbeschluss mit einer Terminsbestimmung und einer Ladungsverfügung kombinieren, ist zwar grundsätzlich zulässig. Sie müssen deshalb eindeutig abgefasst und vollständig ausgefüllt werden. Das ist hier offensichtlich nicht der Fall, weil sowohl ein Aktenzeichen als auch die Personalien der Person fehlen, gegen die das Verfahren geführt wird.

5

Bei unvollständiger Ausfüllung ist der Eröffnungsbeschluss nur dann ordnungsmäßig erlassen, wenn der nur teilweise ausgefüllte Vordruck mit einer Unterschrift versehen wurde und sich die fehlenden Teile aus den ausgefüllten , auch einer anschließenden Terminsverfügung, unzweideutig ergänzen lassen. Dies ist hier auch nicht der Fall. Bl. 24 d.A. ist aus sich heraus nicht verständlich, es ist somit nicht dokumentiert, in welchem Verfahren das Hauptverfahren eröffnet wurde.

6

3. Allein die handschriftliche Eintragung des Datums der Anklageschrift genügt nicht. Das mag zwar an einem kleinen Amtsgericht im Einzelfall für eine richtige Zuordnung ausreichen. Bei größeren Amtsgerichten wie in Koblenz oder gar Frankfurt ist das aber mit Sicherheit nicht der Fall. Es versteht sich von selbst, dass die Anforderungen an einen Eröffnungsbeschluss nicht von der Größe eines Gerichts abhängig sein können.

7

4. Die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses wurde nicht dadurch geheilt, dass die als Ausfertigungen bezeichneten Schriftstücke Aktenzeichen und Rubrum enthalten. Eine Ausfertigung hat die Urschrift so – und nur so –, wie sie erstellt wurde, wiederzugeben (siehe dazu OLG Zweibrücken v. 02.05.2008, 1 Ws 142/08, juris Rn. 23). Im konkreten Fall hatte die Geschäftsstelle, ohne dazu befugt zu sein, erstmals ein Schriftstück hergestellt und versandt, das die äußere Form eines richterlichen Beschlusses hat, aber keiner ist, weil ihm die richterliche Bestätigung fehlt (siehe auch BGH v. 27.06.2003, IXa ZB 72/03, juris - NJW 2003, 3136).

8

5. Da der Eröffnungsbeschluss auch nicht nachgeholt wurde, ist das Verfahren unter Aufhebung des angefochtenen Urteils auf Kosten des Staatskasse (§ 467 Abs. 1 StPO) einzustellen (BGH NStZ 1981, 448; BayObLG StV 1986, 336). Die Einstellung steht einer neuen Anklageerhebung nicht entgegen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.