Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25.9.2006, 12 O 84/06, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 110.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins der EZB seit dem 22.9.2005 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 110.206 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der am 15.6.2005 in Folge eines Adenokarzinoms des Magens verstorbene Ehemann der Klägerin (im Folgenden: Versicherungsnehmer) unterhielt seit dem 1.7.1995 bei der Beklagten eine für die Dauer von 10 Jahren abgeschlossene Risikolebensversicherung (Versicherungsschein-Nummer 1...) mit einer Versicherungssumme im Todesfall von 215.544 DM und einem monatlichen Beitrag in Höhe von zuletzt 34,77 EUR. Als Bezugsberechtigte ist die Klägerin benannt (Bl. 6 ff, 89 ff d.A.).
Im Jahre 2002 wandte sich der Versicherungsnehmer wegen einer Vertragsverlängerung an die Beklagte (Bl. 16) und stellte am 21.3.2003 einen neuen Versicherungsantrag über den Abschluss einer Risiko- Lebensversicherung ab dem 1.4.2003 mit einer Versicherungssumme von 110.000 EUR (Bl. 18, 19 d.A.). Die dort gestellten Gesundheitsfragen – nach derzeitigen oder in den letzten 5 Jahren erlittenen Krankheiten, Störungen oder Beschwerden und nach Untersuchungen, Beratungen, Behandlungen oder Operationen in den letzten 5 Jahren sowie stationären Behandlungen in den letzten 10 Jahren - wurden von dem Versicherungsnehmer sämtlich verneint und als der am besten über die Gesundheitsverhältnisse unterrichtete Arzt Dr. Sch. in W. angegeben. In der Schlusserklärung des Antragsformulars (Bl. 58) wird verlangt, dass die zu versichernde Person jede bis zur Annahme des Antrags noch eintretende oder bekannt werdende nicht unerhebliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes der Beklagten unverzüglich schriftlich anzeigen muss.
Diesem Antrag war eine Kopie der ersten Seite des Versicherungsscheins- Nummer 1... mit der handschriftlichen Bemerkung "siehe Neuantrag Verlängerung" beigefügt (Bl. 59 d.A.). Mit Schreiben vom 26.3.2003 gewährte die Beklagte im Hinblick darauf, dass wegen erhöhten Eingangs von Anträgen eine Verzögerung bei der Bearbeitung des Antrags eintreten könne, vorläufigen Versicherungsschutz (Bl. 20 d.A.). Mit Schreiben vom 29.3.2003 bat sie, den Antrag an markierten Stellen zu ergänzen (Bl. 21, 60 d.A.) und holte einen ärztlichen Bericht des Dr. Sch. ein (Bl. 61 d.A.). Dieser gab an, er habe den im Jahr 2000 an 10 Tagen wegen eines Ulcus ventriculi arbeitunfähig erkrankten Versicherungsnehmer wegen einer Antrumgastritis mit Ulcus behandelt (Bl. 66 d.A.).
Auf dem bei der Beklagten am 4.4.2003 eingegangenen ergänzten Antrag war im übrigen handschriftlich vermerkt, dass der Vertrag die Versicherung Nr. 1... ersetzen soll (Bl. 62,63 d.A.).
Im Hinblick auf die Ausführungen des Dr. Sch. sah die Beklagte sich zu einem Risikozuschlag und einer dadurch bedingten Prämienneuberechnung veranlasst, was sie dem Versicherungsnehmer mit Schreiben vom 12.5.2003 mitteilte; zugleich wies sie ihn auf die sich hieraus ergebende Notwendigkeit eines Zusatzantrages hin (Bl. 67 d.A.). Diesen vorformulierten Zusatzantrag, unterzeichnete der Versicherungsnehmer am 14.5.2003. Er ging bei der Beklagten am 23.5.2003 ein (Bl.70 d.A.).
Daraufhin stellte die Beklagte am 29.5.2003 einen neuen Versicherungsschein mit der Nummer 2... aus. Dieser sah einen Beginn der Versicherung ab dem 1.8.2003, eine Versicherungsdauer von 10 Jahren und eine Versicherungssumme im Todesfall in Höhe von 110.000 EUR vor. Als Begünstigte war auch hier die Klägerin benannt (Bl. 24 ff d.A.). Der monatliche Beitrag betrug 71,07 EUR. In einem Begleitschreiben vom selben Tag (Bl. 27 d.A.) wies die Beklagte darauf hin, dass mit dem Einsetzen des Versicherungsschutzes aus diesem Vertrag der bestehende Vertrag aufgelöst wird.
Tatsächlich befand sich der Versicherungsnehmer in der Zeit vom 14.4. bis 17.4.2003 in stationärer Behandlung im Klinikum W. B. zur diagnostischen Abklärung eines laut Anamnese bei einer ambulanten Gastroskopie-Kontrolle festgestellten deutlich suspekt erscheinenden Ulcus im Cardiabereich, die wegen eines seit 6 bis 7 Wochen bestehenden Druckgefühls im Bereich des Epigastrums sowie dem rechten Rippenbogen am 11.4.2003 durchgeführt worden war. Eine am 16.4.2003 erneut durchgeführte Oesophago-Gastro-Duodenoskopie nebst Biopsien ergab die Diagnose eines ulcerierten schleimbildenden Adenocarzinoms vom mittleren bis niedrigen Differenzierungsgrad der Cardia des Magens. Ferner wurde in der Epikrise von drei pathologisch vergrößerten Lymphknoten im Bereich der Konfluenz zur Pfortader und des Truncus coeliacus sowie einer hypodensen, metastasesuspekten Raumforderung im Segment 6 am Unterrand des rechten Leberlappens berichtet (Bl. 71-73 d.A.). Weiterhin befand sich der Versicherungsnehmer in der Zeit vom 3.5.-17.5.2003 im Klinikum W. B. in stationärer Behandlung wegen der operativen Entfernung des festgestellten Tumors (Bl. 74, 75 d.A.).
Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 20.6.2005 der Beklagten den Tod des Versicherungsnehmers angezeigt und die Auszahlung der Versicherungssumme verlangt hatte (Bl. 29 d.A.), stellte die Beklagte im Rahmen der veranlassten Leistungsprüfung Ermittlungen an. Unter Hinweis auf die von dem Versicherungsnehmer verschwiegenen stationären Krankenhausaufenthalte wegen Magenkrebses, die bis zur Annahme des neuen Antrages am 29.5.2003 und jedenfalls in dem noch am 14.5.2003 unterzeichneten Zusatzantrag zu offenbaren gewesen seien, lehnte sie mit Schreiben vom 16.8.2005 Leistungen wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ab und erklärte den Rücktritt vom Versicherungsvertrag. Später focht sie mit Schreiben vom 19.9.2005 den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an und erklärte nochmals den Rücktritt (Bl. 33, 34 d.A.).
Die Klägerin begehrt auf der Grundlage des mit Wirkung ab dem 1.7.1995 abgeschlossenen Versicherungsvertrages die dort vereinbarten Versicherungsleistungen. Sie vertritt die Auffassung, dass im Hinblick auf den von der Beklagten erklärten Rücktritt bzw. die ausgesprochene Anfechtung des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsschein-Nummer 2... und der hierdurch eingetretenen Unwirksamkeit des Vertrages von Anfang an der alte Versicherungsvertrag fortbestehe. Denn dieser sei durch den neuen Versicherungsvertrag weder aufgehoben noch ersetzt worden. Da es sich bei dem Abschluss des neuen und der Aufhebung des alten Vertrages um ein einheitliches Rechtsgeschäft handele, und beide Teile des Rechtsgeschäftes miteinander stehen und fallen sollten, sei gemäß § 139 BGB von einer Gesamtnichtigkeit auszugehen mit der Folge, dass auch der Aufhebungsvertrag keine Wirksamkeit mehr beanspruche und der alte Vertrag fortgelte. Da der Versicherungsfall innerhalb der bis zum 1.7.2005 vereinbarten Vertragsdauer eingetreten sei, sei die Beklagte leistungspflichtig.
Die Beklagte vertritt demgegenüber die Auffassung, dass der alte Versicherungsvertrag wirksam aufgehoben worden sei und die Aufhebung und Neubegründung kein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne von § 139 BGB darstellten. Vielmehr sei, wie die handschriftliche Formulierung auf dem am 4.4.2003 eingegangenen ergänzten Antrag zeige der neue Versicherungsvertrag an die Stelle des alten Vertrages getreten. Rücktritt und Anfechtung beträfen mithin allein den neuen Vertrag und ließen die Aufhebung des alten Vertrages unberührt. Dessen ungeachtet lägen die Voraussetzungen für eine Gesamtnichtigkeit auch im Übrigen nicht vor.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil dem Klageantrag entsprochen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass in Folge der Anfechtung des neuen Versicherungsvertrag der den alten Versicherungsvertrag betreffende Aufhebungsvertrag ebenfalls "ex tunc" unwirksam sei, so dass der alte Versicherungsvertrag wieder aufgelebt sei. Denn der Neuabschluss und der Aufhebungsvertrag stellten bei der gebotenen Betrachtungsweise und dem erkennbaren Parteiwillen ein einheitliches Rechtsgeschäft dar (§ 139 BGB). Zu keiner anderen Beurteilung führe das Gebot von Treu und Glauben, da die Beklagte nicht unbillig benachteiligt werde.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Rechtsstandpunktes das Vorliegen der Voraussetzungen des § 139 BGB verneint.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 25.9.2006, 12 O 84/06, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
II.
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Denn die Klägerin kann aufgrund des am 7.8.1995 abgeschlossenen und wirksamen Versicherungsvertrages, während dessen Laufzeit bis zum 1.7.2005 der Versicherungsfall eingetreten ist, im Wesentlichen die versprochene Versicherungssumme beanspruchen. Der am 7.8.1995 abgeschlossene Versicherungsvertrag ist von den Vertragsparteien nicht vollständig aufgehoben und durch den am 29.5.2003 policierten Versicherungsvertrag ersetzt sondern abgeändert worden; daher hat die von der Beklagten ausgesprochene Anfechtung ihrer Vertragserklärung auch von vornherein nur diese Neuregelung erfasst. Unabhängig davon würde die Anfechtung des Versicherungsvertrages vom 29.5.2003 auch die in ihm enthaltene „Ablösung“ des Versicherungsvertrages vom 7.8.1995 erfassen.
1.
Durch die in der Police vom 29.5.2003 (Nr. 2...) zum Ausdruck kommenden Abreden des Versicherungsnehmers und der Beklagten ist kein neuer, eigener Versicherungsvertrag – unter Aufhebung des Versicherungsvertrages vom 7.8.1995 – geschlossen, sondern der Versicherungsvertrags vom 7.8.1995 (Nr. 1...) – im Wesentlichen durch die Vereinbarung einer längeren Laufzeit und einer dem veränderten Risiko angepassten Prämie - abgeändert worden.
a. Treffen Parteien eines Versicherungsvertrages von ihm abweichende Vereinbarungen, so kann es sich um eine Abänderung des bestehenden Vertrages oder aber um dessen Aufhebung und den Abschluss eines neuen Vertrags handeln (vgl. Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 3 VVG, Rdn. 7). Entscheidend für die Frage, ob das eine oder das andere anzunehmen ist, ist der Wille der Parteien, insbesondere der im Versicherungsantrag zum Ausdruck gekommene Wille des Versicherungsnehmers (vgl. Prölss, aaO., § 3 VVG, Rdn. 7). Die auf den Vertragsabschluss gerichteten Erklärungen der Parteien sind daher gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts auszulegen (vgl. OLG Köln, NVersZ 2002, 469). Dabei kann von dem Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil ein neuer Versicherungsschein ausgestellt worden ist. Jedoch kann je nach den Umständen des Einzelfalls dafür sprechen, dass ein vollständig neuer Versicherungsantrag gestellt worden ist oder in ihrer Gesamtheit erhebliche Neuregelungen des versicherten Interesses, der Versicherungssumme, der Prämienhöhe und der Versicherungsdauer vereinbart worden sind. Jedoch muss wegen der weit reichenden Folgen der Ersetzung bestehenden Versicherungsschutzes durch einen neuen, eigenen Versicherungsvertrag ein dahingehender Vertragswille deutlich erkennbar zum Ausdruck kommen (vgl. OLG Köln, aaO; OLG Hamm, VersR 1979, 413; ÖOGH, VersR 1986, 271; Prölss, aaO.; Knappmann in Prölss/Martin, aaO, § 38, Rdnr. 4; Römer in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 38, Rdnr. 6).
Daher genügt es für die Annahme des Abschlusses eines neuen Vertrages regelmäßig nicht, wenn unter Wahrung der Vertragsidentität lediglich die bisherige Leistungspflicht des Versicherers inhaltlich oder zeitlich erweitert wird (so wohl BGH, Urt. v. 9.12.1992 - IV ZR 232/91 VersR 1993, 213, 214 unter 2 ; vgl.i.ü. ÖOGH, VersR 1990, 549; Prölss, aaO., § 3 VVG, Rdnr. 7 unter Hinweis auf ÖOGH, SZ 63, Nr. 64; Römer, aaO; Riedler in: Berliner Kommentar zum VVG, 1998, § 38, Rdnr.9).
b. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im Streitfall von einer bloßen Änderung des ursprünglichen Vertrages und nicht von dem Abschluss eines neuen Vertrages auszugehen.
Dagegen spricht nicht, dass die Beklagte auf den Antrag des Versicherungsnehmers vom 21.3.2003 in seiner ergänzten Fassung sowie den Zusatzantrag vom 14.5.2003 hin einen neuen Versicherungsschein mit der Nummer 2... ausgestellt hat. Die Ausfertigung eines neuen Versicherungsscheins spricht für sich genommen nicht für den Neuabschluss eines Versicherungsvertrages (Prölss, aaO, § 3, Rdnr. 7 unter Hinweis auf ÖOGH SZ 63, Nr. 64; Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl., § 1, Anm. 124; Riedler, aaO; OLG Köln, VersR 1990, 1004; ÖOGH, VersR 1986, 271).
Auch der Umstand, dass der Antrag vom 21.3.2003 handschriftlich um den Passus „Die Versicherung soll die Vers.-Nr. 1... ersetzen" ergänzt worden ist, lässt nicht auf einen Neuabschluss schließen. (vgl. OLG Hamm, VersR 1980, 137; vgl. den Hinweis von Bruck/Möller, aaO, auf eine entsprechende reichsgerichtliche Rechtsprechung, deren Grundlage die Bezeichnung eines Versicherungsvertrags als „erloschen“ war). Wesentlich ist vielmehr, ob der Sache nach ein neuer Vertrag begründet oder der frühere Vertrag unter Wahrung seiner – im Wesentlichen durch die Vertragsparteien, das versicherte Interesse und die Versicherungssumme bestimmte – Identität lediglich abgeändert werden sollte.
Auch die – unverlangte – Gewährung von vorläufigem Versicherungsschutz spricht nicht für den dem Versicherungsnehmer erkennbaren Willen der Beklagten zu einem Neuabschluss. Gerade diese Gewährung bei völlig fehlender Erforderlichkeit spricht im Gegenteil dafür, dass die Beklagte das Verlangen des Versicherungsnehmers „routinemäßig“ wie jeden anderen Neuantrag behandelte ohne sich Gedanken über den in dessen Antrag zum Ausdruck gekommenen Willen zu einer Abänderung gemacht zu haben.
Dass die Beklagte in ihrem Begleitschreiben vom 29.5.2003 darauf „aufmerksam" gemacht hat, dass mit dem Einsetzen des Versicherungsschutzes aus diesem Vertrag der bestehende Vertrag aufgelöst wird, führt zu keiner anderen Beurteilung. Wenn der Versicherer den bisherigen Vertrag – in nachteiliger Abweichung von dem wohl verstandenen Antrag des Versicherungsnehmers – als erloschen bezeichnet, und damit unter Umständen einen von dem Versicherungsnehmer bereits erreichten Schutzstandard herabsetzt, so ist dieser Hinweis ohne rechtliche Wirkung, falls er nicht gemäß § 5 Abs. 2 VVG erfolgt und kenntlich gemacht worden ist. Solchen Anforderungen genügt das Schreiben der Beklagten vom 29.5.2003 zweifellos nicht.
Aus dem Umstand, dass der Versicherungsnehmer seinem Antrag eine Kopie der ersten Seite des Versicherungsscheins- Nummer 1... mit der handschriftlichen Bemerkung "siehe Neuantrag Verlängerung" beigefügt hat (Bl. 59 d.A.), kann die Beklagte nichts für sich herleiten. Zwar kann sich die Klägerin insoweit – zur Untermauerung des Arguments, der Beklagten sei die ausdrückliche bloße Verlängerungsabsicht des Versicherungsnehmers erkennbar gewesen – nicht auf das Schreiben des Versicherungsnehmers vom 22.8.2002 berufen, in dem er bei der Beklagten angefragt hatte, zu welchen Konditionen die Beklagte den bestehenden Vertrag um weitere 10 Jahre bis 2015 verlängern würde und um Zusendung eines Angebotes gebeten hatte. Denn die Beklagte bestreitet, dass ihr das – im übrigen nicht unterzeichnete – Faxschreiben zugegangen ist. Jedoch zeigt allein schon der Wortlaut des Zusatzes auf der der Beklagten bei Antragstellung beigefügten Kopie der alten Police, worum es ihm ging. Damit hatte der Versicherungsnehmer klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Verlängerung des bestehenden Versicherungsschutzes und nicht etwa den Abschluss eines neuen Vertrages wünschte.
Für einen auf eine Novationsabrede gerichteten Antrag fehlte es bei dem Versicherungsnehmer im Übrigen auch erkennbar an einem verständlichen wirtschaftlichen oder sonstigen Interesse. Denn mit Ausnahme der Laufzeit des Vertrages sind auf der Grundlage des Antrages des Versicherungsnehmers keine nennenswerten Änderungen des ursprünglichen Vertrages erfolgt. Abgesehen davon, dass die Person des Versicherten und das versicherte Interesse sowie selbst die Person der Bezugsberechtigten unverändert blieben, wurde auch die Versicherungssumme – sie betrug im Versicherungsschein-Nr. 1... 215.544 DM, umgerechnet 110.205,89 EUR, in der abgeänderten Police Nr. 2222222 110.000 EUR - beibehalten. Nichts Anderes ergibt sich aus der Erhöhung der Prämie. Sie beruhte ausschließlich auf der Veränderung des Risikos durch Verlängerung der Versicherungsdauer und auf den dabei zusätzlich zu berücksichtigenden neuen Gefahrumständen aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Versicherungsnehmers.
Aus der handschriftlich durch den Passus „Die Versicherung soll die Vers.-Nr. 1... ersetzen" vorgenommenen nachträglichen Ergänzung auf dem Antragsformular vom 21.3.2003 kann nicht auf einen Neuabschluss geschlossen werden. Der Begriff „ersetzen" setzt nicht notwendigerweise voraus, dass der bisherige Vertrag erlischt und ein neuer abgeschlossen wird. Ersetzen kann vielmehr auch die Umgestaltung des bestehenden Vertrages unter Beibehaltung seiner Existenz bedeuten, wodurch die bisher geltenden Einzelregelungen von neuen „ersetzt" werden. Jedenfalls kann von einem juristischen Laien nicht erwartet werden, dass er einen rechtstechnisch korrekten Begriff gebraucht und sauber zwischen Ersetzung und Neuabschluss einerseits sowie modifizierender Vertragsverlängerung andererseits unterscheidet. Entscheidend ist, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin in der Sache die Verlängerung des bestehenden Versicherungsschutzes wollte und dass er dies der Beklagten gegenüber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Beklagte konnte daher von ihrem Empfängerhorizont aus klar erkennen, dass mit „Ersetzung" eben diese Verlängerung des Vertrags zu gleichen Konditionen gemeint war.
Unerheblich ist ferner, dass der von dem Versicherungsnehmer eingereichte Versicherungsantrag umfassende Gesundheitsfragen enthält, die dieser auch beantwortet hat, und es im Zuge der von der Beklagten hierauf veranlassten Ermittlungen zu einem Zusatzantrag gekommen ist. Regelmäßig hat nämlich der Versicherer auch in Fällen, in denen kein neuer Vertrag abgeschlossen, sondern lediglich seine bisherige Leistungspflicht inhaltlich oder zeitlich erweitert wird, also bei Änderungsverträgen, ein erkennbares und anerkennenswertes Interesse an der Prüfung der aktuellen Gefahrenlage. Daher hat der Versicherungsnehmer auch in diesen Fällen Anzeigeobliegenheiten gemäß §§ 16, 17 VVG (vgl. BGH, Urt. v. 09.12.1992 – IV ZR 232/91, VersR 1993, 213, 214).
2. Die Anfechtung des Abänderungsvertrages Nr. 2... lässt die Leistungspflicht aus dem 1995 abgeschlossenen Versicherungsvertrag nicht entfallen.
a. Zwar hat die Beklagte die am 29.5.2003 policierte Vereinbarung wirksam mit der Folge ihrer Nichtigkeit angefochten (§§ 22 VVG; 123, 142 Abs. 1 BGB). Denn der Versicherungsnehmer hatte der Beklagten nicht, wie ihm nach § 16 Abs. 1 VVG oblag, die bis zur Annahme seines Antrages neu eingetretenen gefahrerheblichen Umstände – die zur Entdeckung einer Karzinomerkrankung führenden stationären Untersuchungen und Behandlungen vom 14.4. bis 17.4.2003 und 3.5. bis 17.5.2003 im Klinikum W. B. zählten dazu – anzuzeigen. Dass sein Verschweigen wissentlich und in dem Bewusstsein geschehen ist, auf die Entschließung des Versicherers Einfluss zu nehmen, ist nicht zweifelhaft.
b. Die Anfechtung dieses Versicherungsvertrages lässt indessen die Leistungspflicht der Beklagten unberührt. Denn sie berührt nur die Willenserklärung, deren Abgabe durch einen Willensmangel beeinflusst worden ist, also die zur Abänderung des Versicherungsvertrages vom 7.8.1995 führende Verlängerung durch die Policierung vom 29.5.2003 (ÖOGH VersR 1990, 549; Voit in: Berliner Kommentar zum VVG, § 22, Rdnr. 6, 7, m.w.N.; so auch Bruck/Möller, aaO, Anm. 125; Prölss, aaO, § 22, Rdnr. 3). Das folgt schon aus dem Wortlaut des § 123 Abs. 1 BGB, beruht aber auch darauf, dass ein unterschiedliche Regelungen enthaltendes Rechtsgeschäft, das nur in Teilen von einer arglistigen Täuschung beeinflusst worden ist, auch nur insoweit nichtig sein soll, weil das Anfechtungsrecht deren nachteilige Folgen ungeschehen machen, nicht aber ein allgemeines Reuerecht des Getäuschten begründen will.
3. Nichts Anderes ergäbe sich, nähme man an, bei Policierung vom 29.5.2003 handele es sich um den Neuabschluss eines Versicherungsvertrages, so dass die Frage offen bleiben kann, ob sich in solchen Fällen der Versicherungsschutz von den im Wesentlichen formalen Kriterien der Unterscheidung zwischen Änderungsverträgen und Neuabschlüssen richten darf.
a. Denn selbst wenn sich die Anfechtungserklärung der Beklagten, deren Wortlaut den „Vertrag Nr. 2...“ (insgesamt) betrifft, also auch dessen Regelungsbestandteil der „Ersetzung“ des bestehenden Vertrages, ihrem Sinn nach nur auf eine neue Begründung eines Versicherungsverhältnisses bezöge, wären die Abreden der Parteien insgesamt nichtig, weil nicht anzunehmen ist, die „Ersetzung“ der Police vom 7.8.1995 wäre auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden (§ 139 BGB).
Beide Vereinbarungen sind nämlich durch den erklärten Willen der Parteien erkennbar derart zu einem einheitlichen Geschäft miteinander verbunden, dass die Gültigkeit des einen Rechtsgeschäfts von der des anderen abhängen soll.
Die Frage, ob die – berechtigte - Anfechtung des neuen Versicherungsvertrages auch den Aufhebungsvertrag in Wegfall bringt, ist danach zu beantworten, ob die beiden an sich selbständigen Vereinbarungen durch den erklärten Willen der Parteien derart zu einem einheitlichen Geschäft miteinander verbunden sind, dass die Gültigkeit des einen Rechtsgeschäfts von der des anderen abhängen soll. Es kommt entscheidend darauf an, ob nach den Vorstellungen der Vertragschließenden die Vereinbarungen nicht für sich allein gelten, sondern gemeinsam miteinander "stehen und fallen", somit kraft ihrer rechtlichen und nicht nur wirtschaftlichen Verbindung Teile eines Gesamtgeschäfts bilden sollten. Deshalb wird die Einheitlichkeit grundsätzlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Rechtsgeschäfte verschiedenen rechtlichen Geschäftstypen angehören, zwischen ihnen nicht bereits ein rechtlicher Zusammenhang durch rechtsgeschäftliche Bedingungen hergestellt wird oder nicht durchweg dieselben Personen teilgenommen haben. Entscheidend ist vielmehr der unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu ermittelnde Einheitlichkeitswille der Beteiligten zur Zeit des Vertragsschlusses. Dabei sind mehrere Vereinbarungen auch dann als einheitliches Rechtsgeschäft anzusehen, wenn nur der eine Vertragspartner einen solchen Einheitlichkeitswillen hatte, dieser aber dem anderen Partner erkennbar war und von ihm gebilligt oder zumindest hingenommen wurde (BGH, Urt. v. 30.4.1976, V ZR 140/74, MDR 1977, 127, unter Hinweis auf weitere Senatsrechtsprechung; statt aller Hefermehl in Soegel, BGB, 12. Aufl., § 139, Rdnr.16).
Unter Berücksichtigung dessen unterliegt es im Streitfall keinem Zweifel, dass der Aufhebungsvertrag und der neue Versicherungsvertrag derart miteinander verbunden worden sind, dass die Gültigkeit des einen Rechtsgeschäfts von der des anderen abhängig ist.
Der Versicherungsnehmer hatte noch während des Bestehens des alten Lebensversicherungsvertrages bei der Beklagten den Antrag auf Verlängerung der Versicherungsdauer gestellt. Auch wenn es ihm dabei unter Umständen um das Aushandeln günstigerer Konditionen als bei Abwarten des Ablaufs der vereinbarten Versicherungsdauer ging, sollte jedenfalls ein ununterbrochener und jedenfalls bis zum Ablauf der ursprünglichen Vertragslaufzeit geltender Versicherungsschutz sichergestellt sein. Ein dahingehender Wille des Versicherungsnehmers erschließt sich ohne weiteres daraus, dass der Antrag auf eine - lediglich - zeitliche Erweiterung der bisherigen Leistungspflicht des Versicherers unter Wahrung der Vertragsidentität im Übrigen geraume Zeit vor Vertragsablauf gestellt worden ist. Die Annahme, der Versicherungsnehmer sei auch unabhängig von der Verlängerung der Versicherungsdauer bereit gewesen, seinen bestehenden Risikoschutz aufzugeben, liegt völlig fern. Diesen auf Verbundenheit der Rechtsgeschäfte gerichteten Willen des Versicherungsnehmers hat die Beklagte letztlich auch gebilligt, jedenfalls aber angenommen. Darüber, dass sie im Gegensatz hierzu (rechtlich) unabhängige (Teil-)Rechtsgeschäfte abschließen wollte, hat die Beklagte weder belehrt noch in sonstiger Weise gegenüber dem in versicherungsrechtlichen Angelegenheiten unkundigen Versicherungsnehmer gegenüber zum Ausdruck gebracht.
Liegt in diesem Sinn ein einheitliches Rechtsgeschäft vor, kann das Anfechtungsrecht hinsichtlich der verbundenen Rechtsgeschäfte grundsätzlich nur einheitlich ausgeübt werden. Daraus folgt, dass mit der von der Beklagten erklärten Anfechtung nicht nur ein neuer Versicherungsvertrag, sondern auch eine Aufhebung des alten ihre Wirksamkeit von Anfang an verloren hätten, also dem Versicherungsnehmer der bis zum 1.7.2005 bestehende Versicherungsschutz zum Zeitpunkt seines Todes weiter zustand (im Ergebnis ebenso Knappmann, aaO, § 38, Rdnr. 5).
b. Daran ändert auch, anders als die Beklagte meint, § 142 Abs. 2 BGB nichts. Danach wird zwar, wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen, wenn die Anfechtung erfolgt. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, der Versicherungsnehmer hätte die definitive Ersetzung der Police vom 7.8.1995 auch im Bewusstsein der Anfechtbarkeit des neu gestalteten Vertragsverhältnisses akzeptiert. § 142 Abs. 2 BGB enthält keine den arglistig Täuschenden betreffende Regelung; sie wäre nicht erforderlich, da er die Anfechtbarkeit eines Rechtsgeschäfts notwendigerweise kennt. Ihr Sinn besteht vielmehr allein darin, Dritten, die von der rückwirkenden Vernichtung eines Rechtsgeschäfts betroffen sind, Gutglaubensschutz zu gewähren. Im übrigen wäre auch Rechtsfolge ihrer verallgemeinernden Anwendung allein, dass sich der Versicherungsnehmer so behandeln lassen müsste, als hätte er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts – nämlich die Verlängerung des Versicherungsschutzes unter Ersetzung des bestehenden Vertrages – gekannt. Daraus folgt aber nicht, dass er dann einen separaten Aufhebungsvertrag geschlossen hätte.
c. Dies erscheint auch nicht unbillig. Denn hätte der Versicherer bei redlicher Anzeige den Antrag des Versicherungsnehmers abgelehnt, wäre der alte Versicherungsvertrag nicht aufgehoben und durch den neuen Versicherungsvertrag ersetzt worden. In diesem Fall wäre der Versicherer wegen des Fortbestandes des alten Vertrages zur Leistung verpflichtet, weil der Versicherungsfall während der Vertragsdauer eingetreten ist. Der Versicherer steht also letztlich keineswegs schlechter, als er bei Beachtung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit gestanden hätte.
d. Allerdings darf die Arglistanfechtung auch nicht dazu führen, dass die Klägerin besser gestellt wird, als sie ohne den Makel der Police stünde. Sie kann also keine höhere Versicherungssumme als jene verlangen, die sich aus dem Vertrag vom 29.5. 2003 ergibt.
4. Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 BGB i.V.m. § 11 VVG begründet. Verzug des Versicherers tritt mit der Ablehnung der Versicherungsleistung ein. Der Verzug ist von der Beklagten auch verschuldet. Zwar kann ein unverschuldeter Rechtsirrtum des prozessierenden Schuldners ihn von den Folgen des Verzugsfreistellen, doch werden dabei an die Sorgfaltspflichten des Schuldners strenge Anforderungen gestellt. Es reicht nicht aus, dass er sich seine eigene Rechtsauffassung nach sorgfältiger Prüfung und sachgemäßer Beratung gebildet hat. Unverschuldet ist ein solcher Irrtum nur, wenn der Schuldner nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage mit einem Unterliegen im Rechtsstreit nicht zu rechnen braucht. Das kann vor allem bei höchstrichterlich ungeklärten Rechtsfragen anzunehmen sein; bei Beweisfragen bildet ein fehlendes Verschulden des Schuldners die Ausnahme. Ein nur "normales Prozessrisiko" entlastet den Schuldner nicht (BGH, Urt. v. 6.12.2006, IV ZR 34/05, VersR 2007, 537). Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte die Verzögerung der Versicherungsleistung verschuldet. Das allgemeine Risiko, die Rechtslage unzutreffend zu beurteilen, trägt grundsätzlich der Schuldner. Ein Irrtum des Schuldners über eine Leistungspflicht, insbesondere eine falsche Einschätzung der Sach- und Rechtslage, steht der Annahme des Verzuges nur ganz ausnahmsweise entgegen, etwa bei einer unerwarteten Änderung der Rechtsprechung oder vergleichbaren Sachverhalten (BGH, Urt.v. 16.05.1990, IV ZR 334/88, VersR 1990, 893; Urt. v. IVa ZR 156/88 - VersR 1990, 153). Ein solcher Sachverhalt ist hier nicht gegeben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.
Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.