Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 03. März 2010 - 5 U 246/09 - 65
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 3.4.2009 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 12 O 122/08 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.405 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
"1.1. Kostenersatz
1.1.1. Nach Vorleistung des gesetzlichen Versicherers sind erstattungsfähig:
a) die vom Krankenhaus berechneten Kosten der Wahlleistungen gemäß Bundespflegesatzverordnung bzw. Krankenhausentgeltgesetz,
b) Arzthonorare,
[...]
1.2 Krankenhaustagegeld neben Kostenersatz
i.
Wird vom Versicherungsnehmer nur auf eine der nachstehenden Leistungen verzichtet, zahlt der Versicherer für jeden Tag einer voll stationären Unterbringung im Krankenhaus
- bei Verzicht auf privatärztliche Behandlung 30 EUR Krankenhaustagegeld
- bei Verzicht auf die Unterbringung im Ein- oder Zweibettzimmer 25 EUR Krankenhaustagegeld
1.3 Krankenhaustagegeld anstelle von Kostenersatz
Anstelle der Leistungen gemäß 1.1 und 1.2 zahlt der Versicherer für jeden Tag einer voll stationären Unterbringung im Krankenhaus 55 EUR Krankenhaustagegeld, wenn auf Kostenersatz verzichtet wird oder dies für den Versicherungsnehmer günstiger ist."
die Beklagte zu verurteilen,
1. an ihn einen Betrag in Höhe von 10.175 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 26.3.2007 zu zahlen,
2. an ihn an vorgerichtlichen Kosten einen Betrag in Höhe von 837,53 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 26.3.2007 zu zahlen.
die Klage abzuweisen.
die Beklagte zu verurteilen,
1. an ihn einen Betrag in Höhe von 9.405 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 26.3.2007 zu zahlen,
2. an ihn an vorgerichtlichen Kosten einen Betrag in Höhe von 837,53 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 26.3.2007 zu zahlen
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen,
a. an Herrn R. L. einen Betrag in Höhe von 9.405 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 26.3.2007 zu zahlen,
b. an Herrn R. L. an vorgerichtlichen Kosten einen Betrag in Höhe von 837,53 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 26.3.2007 zu zahlen,
weiter hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
die Berufung zurückzuweisen.
II.
1.
2.
3.
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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
(1) Das Gericht kann anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Das Gericht kann hierfür eine Frist setzen sowie anordnen, dass die vorgelegten Unterlagen während einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Geschäftsstelle verbleiben.
(2) Dritte sind zur Vorlegung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383 bis 385 berechtigt sind. Die §§ 386 bis 390 gelten entsprechend.
(3) Das Gericht kann anordnen, dass von in fremder Sprache abgefassten Urkunden eine Übersetzung beigebracht wird, die ein Übersetzer angefertigt hat, der für Sprachübertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften ermächtigt oder öffentlich bestellt wurde oder einem solchen Übersetzer jeweils gleichgestellt ist. Eine solche Übersetzung gilt als richtig und vollständig, wenn dies von dem Übersetzer bescheinigt wird. Die Bescheinigung soll auf die Übersetzung gesetzt werden, Ort und Tag der Übersetzung sowie die Stellung des Übersetzers angeben und von ihm unterschrieben werden. Der Beweis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Übersetzung ist zulässig. Die Anordnung nach Satz 1 kann nicht gegenüber dem Dritten ergehen.
Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten.
(1) Durch Vertrag kann eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung bedungen werden, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern.
(2) In Ermangelung einer besonderen Bestimmung ist aus den Umständen, insbesondere aus dem Zwecke des Vertrags, zu entnehmen, ob der Dritte das Recht erwerben, ob das Recht des Dritten sofort oder nur unter gewissen Voraussetzungen entstehen und ob den Vertragschließenden die Befugnis vorbehalten sein soll, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: Bis 1.200 €.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Ehemann der Klägerin hält beim Beklagten eine private Krankheitskostenversicherung , der Musterbedingungen für die Krankheitskostenversicherung (MB/KK) zugrunde liegen und in die die Klägerin als mitversicherte Person einbezogen ist. Sie begehrt im eigenen Namen die Erstattung des nach Leistungen der Beihilfestelle ihres Ehemannes noch offenen Restbetrages von 615,40 € für eine vom behandelnden Arzt am 11. November 2003 in Rechnung gestellte Heilbehandlung. Des Weiteren hatte sie ursprünglich die Feststellung begehrt, dass die so genannte Schulmedizinklausel des § 4 Abs. 6 MB/KK 94 nicht Bestandteil des Krankenversicherungsvertrages geworden sei. Nachdem der Beklagte dies gegenüber dem Ehemann der Klägerin schriftlich bestätigt hat, hat die Klägerin den Feststellungsantrag für erledigt erklärt.
- 2
- Dem hat der Beklagte widersprochen und beantragt, die Klage insgesamt abzuweisen. Er meint, die Klägerin könne Rechte aus dem Krankenversicherungsvertrag nicht im eigenen Namen geltend machen, und bestreitet hilfsweise die Notwendigkeit der durchgeführten Heilbehandlung.
- 3
- Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision hat Erfolg.
- 5
- I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, weil ihr die gegenüber dem Beklagten geltend gemachten Rechte aus dem Krankenversicherungsvertrag nicht selbst zustünden. Auch eine Abtretung der Rechte ihres Ehemannes an sie sei nicht erfolgt. Die Klägerin sei lediglich als mitversicherte Person im Rahmen der Familienversicherung anzusehen, und habe, weil sie über kein eigenes Einkommen verfüge, als reine Gefahrperson keine eigenen Rechte aus dem Versicherungsvertrag. Denn dieser sei zwar mit Blick auf die Klägerin als Fremdversicherung im Sinne des § 74 Abs. 1 VVG anzusehen, der Ehemann als Versicherungsnehmer habe aber allein sein eigenes Interesse versichert, vor finanziellen Einbußen geschützt zu sein, die ihm aus Heilbehandlungen der Klägerin entweder über § 1357 BGB oder aufgrund seiner Unterhaltspflicht drohten.
- 6
- Selbst wenn man die Klägerin nicht als bloße Gefahrperson ansähe , scheitere die Klage auch an § 75 Abs. 2 VVG, denn die dort vorausgesetzte Zustimmung des Versicherungsnehmers verstoße - unabhängig davon, ob die Klägerin im Besitz des Versicherungsscheins sei oder nicht - gegen das Abtretungsverbot aus § 6 Abs. 6 MB/KK 94.
- 7
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 8
- 1. Wie der Senat in seinem - erst nach Erlass des hier angefochtenen Berufungsurteils ergangenen - Urteil vom 8. Februar 2006 (IV ZR 205/04 - VersR 2006, 686 unter 1 b) im Einzelnen dargelegt hat, ist die Anwendung der §§ 74 bis 80 VVG in der privaten Krankheitskostenversicherung durch § 178a Abs. 2 VVG ausgeschlossen. Wird der Ehepartner des Versicherungsnehmers mitversichert (§ 178a Abs. 1 VVG) und enthalten die Versicherungsbedingungen - wie hier - keine besonderen Bestimmungen über seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag, ist er nicht lediglich als bloße Gefahrperson eines allein im Eigeninteresse des Versicherungsnehmers abgeschlossenen Versicherungsvertrages anzu- sehen, sondern es liegt eine Krankheitskostenversicherung für fremde Rechnung vor, die wegen der Unanwendbarkeit der §§ 74 bis 80 VVG uneingeschränkt den Regelungen über den Vertrag zugunsten Dritter (vgl. insbesondere §§ 328 Abs. 1, 335 BGB) unterliegt. Darauf, ob der mitversicherte Ehepartner einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgeht oder durch Tätigkeit im Haushalt zum Familienunterhalt beiträgt, kommt es für die Frage, welches Interesse versichert ist, nicht an (Senat aaO unter 1 c und 2 a).
- 9
- 2. Der mitversicherte Ehepartner kann deshalb nach § 328 Abs. 1 BGB eine ihn betreffende Versicherungsleistung gegenüber dem Versicherer in eigenem Namen - auch gerichtlich - geltend machen (Senat aaO unter 2 b). Weiter gibt § 328 Abs. 1 BGB ihm die Befugnis, das Bestehen grundlegender Anspruchsvoraussetzungen gerichtlich feststellen zu lassen (Senat aaO unter 2 c). Darin liegt keine Vertragsgestaltung, solange ein Feststellungsantrag nicht auf eine Veränderung des bestehenden Vertrages gerichtet ist, sondern nur darauf, dessen Inhalt als Voraussetzung für einen Leistungsanspruch festzustellen. Dazu gehört unter anderem auch das Begehren, die Wirksamkeit von Vertragsklauseln anhand der §§ 9 AGBG/307 BGB gerichtlich überprüfen zu lassen. Demgemäß konnte die Klägerin hier im eigenen Namen auf Feststellung klagen, dass die Schulmedizinklausel des § 4 Abs. 6 MB/KK 94, auf die der Beklagte vorgerichtlich seine Leistungsablehnung gestützt hatte, nicht Vertragsbestandteil geworden war.
- 10
- Die 3. Sache bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung, weil der Tatrichter die weiteren Voraussetzungen des Klagebegehrens bisher noch nicht geprüft hat.
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
AG Lampertheim, Entscheidung vom 19.08.2005 - 3 C 107/05 -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 18.01.2006 - 7 S 130/05 -
(1) Durch Vertrag kann eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung bedungen werden, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern.
(2) In Ermangelung einer besonderen Bestimmung ist aus den Umständen, insbesondere aus dem Zwecke des Vertrags, zu entnehmen, ob der Dritte das Recht erwerben, ob das Recht des Dritten sofort oder nur unter gewissen Voraussetzungen entstehen und ob den Vertragschließenden die Befugnis vorbehalten sein soll, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.