Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 02. Mai 2013 - Ws 119/13

bei uns veröffentlicht am02.05.2013

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

1

Der Verurteilte Peter B. wendet sich mit der "sofortigen" Beschwerde im Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 18.03.2012, näher ausgeführt mit Schreiben vom 19.03.2013, gegen den Beschluss der 3. Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Rostock vom 27.02.2013, mit dem diese die nach vollständiger Verbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren aus dem Urteil des Landgerichts Rostock vom 10.10.2003 - II KLs 48/03 - von Gesetzes wegen eingetretene Führungsaufsicht nach Ablauf der Höchstdauer von fünf Jahren nachträglich gemäß § 68c Abs. 3 Ziff. 2 lit a), § 68d Abs. 1 StGB unbefristet verlängert hat.

2

Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf die Verwerfung des Rechtsmittels angetragen. Der Verurteilte hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

1.

3

Gegen die Entscheidung, die Führungsaufsicht nach § 68c Abs. 3 Ziff. 2 lit a), § 68d Abs. 1 StGB nachträglich unbefristet zu verlängern, ist gemäß § 463 Abs. 2, § 453 Abs. 2 Satz 1 StPO das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde gegeben (Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 463 Rdz. 5; MK-Groß, StGB, 2. Aufl., § 68c Rdz. 23 f. und § 68d Rdz. 6; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. § 68d Rdz. 7; LR-Graalmann-Scherer, StPO, 26. Aufl. § 453 Rdz. 5; vgl. auch § 453 Abs. 2 Satz 2, zweite Alternative StPO, wonach gegen die nachträgliche Verlängerung der Bewährungszeit ebenfalls nur die einfache Beschwerde stattfindet). Ein Fall des § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO (analog) liegt nicht vor.

4

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist deshalb entsprechend § 300 StPO in eine einfache Beschwerde umzudeuten. Dass das Landgericht keine Entscheidung über die Abhilfe getroffen hat, steht dem weiteren Beschwerdeverfahren nicht entgegen (Meyer-Goßner a.a.O., § 306 Rdz. 10 m.w.N.).

2.

5

Nachdem es vorliegend um die nachträgliche Verlängerung der Dauer der Führungsaufsicht geht, unterliegt die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung durch das Beschwerdegericht nicht den Einschränkungen des § 453 Abs. 2 Satz 2, erste Alternative StPO, vielmehr findet über § 463 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 453 Abs. 2 Satz 2, zweite Alternative StPO eine unbeschränkte Überprüfung statt (Paeffgen SK-StPO, 4. Aufl. § 453 Rdz. 21; Meyer-Goßner a.a.O. § 453 Rdz. 11; Graalmann-Scherer a.a.O. Rdz. 39).

3.

6

Die Beschwerde hat bei Anlegung des vorstehend unter Ziffer 2 dargestellten Prüfungsmaßstabs keinen Erfolg.

a)

7

Zunächst steht der Ablauf der Höchstdauer der Führungsaufsicht ihrer erst nachträglich angeordneten - unbefristeten - Verlängerung nicht entgegen, weil der Verurteilte noch vor dem Ende der Fünfjahresfrist (07.02.2013) durch Schreiben der Strafvollstreckungskammer vom 14.01.2013, welches ihm jedenfalls vor dem 23.01.2013 zugegangen sein muss, weil sich seine Verteidigerin daraufhin mit Schreiben vom 23.01.2013 bei Gericht gemeldet hat, von der möglichen Verlängerung der Maßregel auf unbestimmte Dauer erfahren hat und das Verlängerungsverfahren nachfolgend ohne wesentliche Verzögerungen betrieben worden ist (vgl. MK-Groß, StGB, 2. Aufl., § 68c Rdz. 24; Stree/Kinzig a.a.O. § 68d Rdz. 5a; OLG Karlsruhe StRR 2009, 243). Die Senatsentscheidung vom 23.02.2011 (StV 2012, 425) steht dem bei vorliegender Konstellation nicht entgegen.

b)

8

Die Gründe, die die Strafvollstreckungskammer dazu veranlasst haben, die Dauer der Führungsaufsicht auf unbestimmte Dauer zu verlängern, halten rechtlicher Überprüfung stand.

9

Die Grundvoraussetzung des § 68c Abs. 3 Ziff. 2 lit a) StGB (Verurteilung des Beschwerdeführers wegen einer Straftat der in § 181b StGB genannten Art zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren) ist erfüllt. Ferner wird in dem angefochtenen Beschluss dargelegt, dass der Beschwerdeführer zumindest in zwei Fällen gegen Ende der zeitlich befristeten Führungsaufsicht gegen die ihm erteilten Weisungen verstoßen hat, jeglichen Konsum von Alkohol zu unterlassen sowie keinen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufzunehmen, nicht mit ihnen zu verkehren und sie nicht zu beherbergen. Dass er wegen dieser auch vom Amtsgericht Rostock so festgestellten - vorsätzlichen (!) - Zuwiderhandlungen nicht wegen Straftaten nach § 145a StGB verurteilt worden ist, liegt allein darin begründet, dass das Gericht sich nicht davon zu überzeugen vermochte, dass er auch die damit verbundene Gefährdung des Zwecks der Maßregel zumindest billigend in Kauf genommen hat (vgl. Urteil vom 22.02.2013 - 21 Ds 536/12 -; dort Seite 3 f.). Die Staatsanwaltschaft hat gegen das freisprechende Urteil Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden worden ist.

10

Während eine strafrechtliche Verurteilung wegen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht auch hinsichtlich der davon ausgehenden Gefährdung des Zwecks der Maßregel zumindest bedingten Vorsatz voraussetzt (Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder a.a.O. § 145a Rdz. 9) verlangt § 68c Abs. 3 Ziff. 2 lit a) StGB für die Verlängerung der Führungsaufsicht lediglich, dass sich aus dem Verstoß gegen Weisungen nach § 68b Abs. 1 StGB konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine Gefährdung der Allgemeinheit durch die Begehung weiterer Straftaten zu befürchten ist. Abzustellen ist dabei nicht auf die subjektive Tatseite oder die Sicht des Betroffenen, sondern auf die des für die Verlängerungsentscheidung zuständigen Gerichts.

11

Vorliegend hat die Strafvollstreckungskammer unter Anführung konkreter Tatsachen dargelegt, dass sich der Beschwerdeführer gegen Ende der Führungsaufsicht immer häufiger über die Abstinenzweisung hinweggesetzt und auch wieder vermehrt gegen das Verbot des Umgangs mit Kindern und Jugendlichen verstoßen hat. Beides waren erhebliche konstellative Faktoren bei Begehung der zu seiner Anlassverurteilung durch das Landgericht Rostock wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in fünf Fällen führenden Taten. Auch der Senat hat sich in seinem Beschluss vom 12.11.2012 - I Ws 301 und 302/12 - hierzu geäußert, in dem er die Rechtmäßigkeit der deswegen erteilten Weisungen für die Führungsaufsicht bestätigt hat. An der dortigen Einschätzung hat sich seither nichts geändert.

12

Die gegenteilige Auffassung der Verteidigung gibt keinen Anlass zu abweichender Beurteilung. Insbesondere verfängt das Argument, der Verurteilte sei alkoholabhängig und deshalb zur Einhaltung des Abstinenzgebots nicht in der Lage, nicht, nachdem feststeht, dass er hierzu nach seiner Haftentlassung durchaus über einen erheblichen Zeitraum fähig gewesen ist. Der Verurteilte kann zwar abstinent leben, er will es ausweislich seiner Erklärungen nur nicht länger. Eine ähnlich gleichgültige Einstellung zeigt er mittlerweile im verbotenen Umgang mit Kindern, wobei sich die Gefahr, dass es wieder zu einschlägigen Straftaten kommen kann, dadurch erhöht hat, dass er mittlerweise wieder über eine eigene Wohnung verfügt und dort u.a. Modelautos sammelt, die für Kinder durchaus einen Anreiz bieten können, sich dorthin zu begeben und sich bei ihm aufzuhalten. Der Senat schließt sich den dazu gemachten Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in deren Zuschrift vom 09.04.2013 an.

c)

13

Der weitere - unbefristete - Vollzug der Maßregel ist auch nicht unverhältnismäßig (§ 68b Abs. 3 StGB).

14

Die bei einem Rückfall zu besorgenden Straftaten und die damit verbundenen Gefahren für die Allgemeinheit sind ganz erheblich. Die Führungsaufsicht ist die einzig verbleibende strafrechtliche Möglichkeit, den Verurteilten weiterhin unter Aufsicht und Kontrolle zu halten. Der von der Verteidigung gezogene Vergleich mit der Sicherungsverwahrung geht schon deshalb fehl, weil die Führungsaufsicht es dem Beschwerdeführer ermöglicht, in Freiheit zu bleiben, so lange er sich an die ihm erteilten Weisungen hält. Diese sind für ihn mit keinen unzumutbaren Einschränkungen verbunden. Im Übrigen hat es der Betroffene selbst in der Hand, durch künftiges, nachhaltig weisungskonformes Verhalten die Voraussetzungen für eine Beendigung der Führungsaufsicht zu schaffen (§ 68d Abs. 1 StGB). Schließlich wird in zweijährigen Abständen die weitere Notwendigkeit der unbefristeten Führungsaufsicht auch von Amts wegen zu überprüfen sein (§ 68e Abs. 3 Ziff. 2 StGB).

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Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

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(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen, 1. den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,2. sich nicht an

Strafprozeßordnung - StPO | § 463 Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung


(1) Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) § 453 gilt auch für die nach den §§ 68a bis 68d des Strafgesetzbuches zu tr

Strafprozeßordnung - StPO | § 300 Falschbezeichnung eines zulässigen Rechtsmittels


Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

Strafprozeßordnung - StPO | § 453 Nachträgliche Entscheidung über Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt


(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß

Strafgesetzbuch - StGB | § 145a Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht


Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf A

Strafgesetzbuch - StGB | § 68d Nachträgliche Entscheidungen; Überprüfungsfrist


(1) Das Gericht kann Entscheidungen nach § 68a Abs. 1 und 5, den §§ 68b und 68c Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 und 3 auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben. (2) Bei einer Weisung gemäß § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 prüft das Gericht spätestens

Strafgesetzbuch - StGB | § 181b Führungsaufsicht


In den Fällen der §§ 174 bis 174c, 176 bis 180, 181a, 182 und 184b kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Das Gericht kann Entscheidungen nach § 68a Abs. 1 und 5, den §§ 68b und 68c Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 und 3 auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben.

(2) Bei einer Weisung gemäß § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 prüft das Gericht spätestens vor Ablauf von zwei Jahren, ob sie aufzuheben ist. § 67e Absatz 3 und 4 gilt entsprechend.

(1) Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) § 453 gilt auch für die nach den §§ 68a bis 68d des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen.

(3) § 454 Abs. 1, 3 und 4 gilt auch für die nach § 67c Abs. 1, § 67d Abs. 2 und 3, § 67e Abs. 3, den §§ 68e, 68f Abs. 2 und § 72 Abs. 3 des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 68e des Strafgesetzbuches bedarf es einer mündlichen Anhörung des Verurteilten nicht. § 454 Abs. 2 findet in den Fällen des § 67d Absatz 2 und 3 und des § 72 Absatz 3 des Strafgesetzbuches unabhängig von den dort genannten Straftaten sowie bei Prüfung der Voraussetzungen des § 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches auch unabhängig davon, ob das Gericht eine Aussetzung erwägt, entsprechende Anwendung, soweit das Gericht über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden hat; im Übrigen findet § 454 Abs. 2 bei den dort genannten Straftaten Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 des Strafgesetzbuches sowie der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 des Strafgesetzbuches hat das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen namentlich zu der Frage einzuholen, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, rechtzeitig vor einer Entscheidung nach § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches einen Verteidiger.

(4) Im Rahmen der Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 des Strafgesetzbuches) nach § 67e des Strafgesetzbuches ist eine gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung einzuholen, in der der Verurteilte untergebracht ist. Das Gericht soll nach jeweils drei Jahren, ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren nach jeweils zwei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen. Der Sachverständige darf weder im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein noch in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten, in dem sich die untergebrachte Person befindet, noch soll er das letzte Gutachten bei einer vorangegangenen Überprüfung erstellt haben. Der Sachverständige, der für das erste Gutachten im Rahmen einer Überprüfung der Unterbringung herangezogen wird, soll auch nicht das Gutachten in dem Verfahren erstellt haben, in dem die Unterbringung oder deren späterer Vollzug angeordnet worden ist. Mit der Begutachtung sollen nur ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden, die über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen. Dem Sachverständigen ist Einsicht in die Patientendaten des Krankenhauses über die untergebrachte Person zu gewähren. § 454 Abs. 2 gilt entsprechend. Der untergebrachten Person, die keinen Verteidiger hat, bestellt das Gericht für die Überprüfung der Unterbringung, bei der nach Satz 2 das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden soll, einen Verteidiger.

(5) § 455 Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet ist. Ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden und verfällt der Verurteilte in Geisteskrankheit, so kann die Vollstreckung der Maßregel aufgeschoben werden. § 456 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet ist.

(6) § 462 gilt auch für die nach § 67 Absatz 3, 5 Satz 2 und Absatz 6, den §§ 67a und 67c Abs. 2, § 67d Abs. 5 und 6, den §§ 67g, 67h und 69a Abs. 7 sowie den §§ 70a und 70b des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches ist der Verurteilte mündlich zu hören. Das Gericht erklärt die Anordnung von Maßnahmen nach § 67h Abs. 1 Satz 1 und 2 des Strafgesetzbuchs für sofort vollziehbar, wenn erhebliche rechtswidrige Taten des Verurteilten drohen.

(7) Für die Anwendung des § 462a Abs. 1 steht die Führungsaufsicht in den Fällen des § 67c Abs. 1, des § 67d Abs. 2 bis 6 und des § 68f des Strafgesetzbuches der Aussetzung eines Strafrestes gleich.

(8) Wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, für die Verfahren über die auf dem Gebiet der Vollstreckung zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen einen Verteidiger. Die Bestellung hat rechtzeitig vor der ersten gerichtlichen Entscheidung zu erfolgen und gilt auch für jedes weitere Verfahren, solange die Bestellung nicht aufgehoben wird.

(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. § 246a Absatz 2 und § 454 Absatz 2 Satz 4 gelten entsprechend. Hat das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll es dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Ist ein Bewährungshelfer bestellt, so unterrichtet ihn das Gericht, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlaß in Betracht kommt; über Erkenntnisse, die dem Gericht aus anderen Strafverfahren bekannt geworden sind, soll es ihn unterrichten, wenn der Zweck der Bewährungsaufsicht dies angezeigt erscheinen läßt.

(2) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. Der Widerruf der Aussetzung, der Erlaß der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat (§§ 56f, 56g, 59b des Strafgesetzbuches), können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

In den Fällen der §§ 174 bis 174c, 176 bis 180, 181a, 182 und 184b kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Abs. 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle (§ 68a) verfolgt.

(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen,

1.
den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,
2.
sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
5.
bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen,
6.
Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
7.
sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden,
8.
jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,
9.
sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,
10.
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
11.
sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder
12.
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Eine Weisung nach Satz 1 Nummer 12 ist, unbeschadet des Satzes 5, nur zulässig, wenn
1.
die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,
2.
die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,
3.
die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und
4.
die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.
Die Voraussetzungen von Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Nummer 2 liegen unabhängig davon vor, ob die dort genannte Führungsaufsicht nach § 68e Absatz 1 Satz 1 beendet ist. Abweichend von Satz 3 Nummer 1 genügt eine Freiheits- oder Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, wenn diese wegen einer oder mehrerer Straftaten verhängt worden ist, die unter den Ersten oder Siebenten Abschnitt des Besonderen Teils fallen; zu den in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Straftaten gehört auch eine Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1.

(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.

(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.

(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.

(1) Das Gericht kann Entscheidungen nach § 68a Abs. 1 und 5, den §§ 68b und 68c Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 und 3 auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben.

(2) Bei einer Weisung gemäß § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 prüft das Gericht spätestens vor Ablauf von zwei Jahren, ob sie aufzuheben ist. § 67e Absatz 3 und 4 gilt entsprechend.