Oberlandesgericht München Endurteil, 24. Mai 2019 - 10 U 500 /16

bei uns veröffentlicht am24.05.2019
vorgehend
Landgericht München I, 12 O 19731/14, 29.12.2015

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten vom 01.02.2016 gegen das Endurteil des LG München I vom 29.12.2015 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das vorgenannte Urteil des Landgerichts sowie dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche des Klägers aus einer bei der Beklagten abgeschlossenen Fahrzeugvollversicherung. Kein Versicherungsschutz besteht nach den vereinbarten AKB (Anl. K 8 zur Klage) für Schäden, die der Versicherungsnehmer vorsätzlich herbeiführt sowie für Schäden, die bei Beteiligung an Fahrveranstaltungen entstehen, bei denen es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt. Im zwischen den Parteien vereinbarten Tarif besteht bei grob fahrlässiger Schadensherbeiführung keine Kürzungsmöglichkeit. Der Kläger verursachte mit seinem bei der Beklagten versicherten Pkw Porsche 911 am 10.03.2014 auf der L.straße 189 (W.straße) in Fahrtrichtung M. in einer etwas mehr als 400 m nach der Abzweigung G. liegenden Rechtskurve einen schweren Verkehrsunfall und kollidierte schleudernd mit einem entgegenkommenden Pkw, dessen Insasse, der Zeuge C. schwer verletzt wurde. Ausweislich eines erholten Dekra-Gutachtens (Sonderheft Gutachten der beigezogenen Akte 662 JS 100/14 Staatsanwaltschaft Bonn) betrug die Mindestkollisionsgeschwindigkeit des Klägers 98 km/h aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von mindestens 128 km/h 40 m vor der Kollision. Der Pkw des Klägers erlitt Totalschaden. Der Kläger wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerischts Siegburg vom 08.05.2015 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Bereich der Unfallstelle war auf 70 km/h beschränkt. Der Klägervertreter stellte in mündlicher Verhandlung 1. Instanz die seitens der Beklagten zunächst unter Beweis gestellte Mindestausgangsgeschwindigkeit von 140 km/h unstreitig, worauf die Beklagte eine solche von 180 km/h behauptete.

Der Kläger trägt vor, er habe sich von einem hinter ihm fahrenden Pkw, es handelte sich um einen Audi R 8, bedrängt gefühlt und sich von diesem absetzen wollen, eine Absprache eines Rennens habe nicht stattgefunden, er habe gedacht, er schaffe die Kurve.

Die Beklagte beruft sich auf Leistungsfreiheit, da es sich um eine Rennveranstaltung im Sinne der AKB gehandelt und überdies der Kläger den Unfall vorsätzlich herbeigeführt habe, was sich u.a. daraus ergebe, dass der Porsche bereits am Kurveneingang mit seiner linken Seite auf der Gegenfahrbahn war.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Endurteils des LG München I vom 29.12.2015, durch welches der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 82.217,05 € nebst Zinsen und Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt wurde (Bl. 107/119 d.A.), Bezug genommen.

Gegen dieses der Beklagten am 07.01.2016 zugestellte Urteil legte die Beklagte mit einem beim Oberlandesgereicht am 01.02.2016 eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten Berufung ein (Bl. 124/125 d.A.), welche nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgereicht am 07.04.2016 eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten (Bl. 130/135 d.A.) unter Vertiefung des erstinstanzlichen Parteivortrags begründet wurde. Die Schadenshöhe ist im Berufungsverfahren nicht mehr streitig.

Die Berufungsklägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen Der Berufungsbeklagte beantragt unter Verteidigung des Ersturteils,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akte der Staatsanwaltschaft Bonn, Az. 662 JS 100/14 beigezogen und diese sowie insbesondere die darin enthaltene Lichtbildmappe und das Gutachten der DEKRA zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht (Bl. 199 d.A.)

Der Senat hat gemäß Beweisanordnung vom 28.11.2016 (Bl. 188/191 d.A.) und 10.03.2017 (Protokoll v. 10.03.2017, S. 7 = Bl. 204 d.A.) Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen B., C., M.(Beifahrerin im R 8), Br., S. und G. sowie durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. R. Weiter hat der Senat den Kläger informatorisch angehört.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.03.2017 (Bl. 198/216 d.A.) verwiesen. Im Hinblick auf den erfolgten Richterwechsel haben sich die Parteien mit der Verwertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme einverstanden erklärt (Protokoll v. 24.05.2019, S. 2 = Bl. 298 d.A.).

Weiter hat der Senat Beweis erhoben durch Erholung eines ergänzenden schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. R. Auf den Beweisbeschluss vom 02.05.2017 (Bl. 220/222 d.A.) und die schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen vom 07.08.2018 (Bl. 262/274 d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 24.05.2017 (Bl. 297/305 d.A.) über die mündliche Anhörung des Sachverständigen und die ergänzende informatorische Anhörung des Klägers wird Bezug genommen.

Eine weitere Beweiserhebung mit dem Ziel der Durchführung von Fahrversuchen an der Unfallörtlichkeit mit einem Vergleichsfahrzeug und einem DTM-Testfahrer zur Ermittlung der physikalischen Kurvengrenzgeschwindigkeit hat der Senat mit Beschlüssen vom 31.10.2018 (Bl. 285/286 d.A.) und 27.11.2018 (Bl. 292/294 d.A.) zurückgewiesen. Auf die Schreiben des Sachverständigen vom 12.12.2017 (Bl. 235/237 d.A.) und 07.02.2018 (Bl. 245/248 d.A.) wird Bezug genommen.

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 25.04.2016 (Bl. 143/146 d. A.), auf die weiteren Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschriften vom 10.03.2017 und 24.05.2019 Bezug genommen.

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Zahlung der Neupreisentschädigung aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Fahrzeugvollversicherungsvertrag (Tarif Vollkasko Premium) bejaht. Unstreitig wurde der Pkw des Klägers bei dem Unfall am 10.03.2014 total beschädigt und dem Kläger steht wegen der Beschädigung innerhalb von 24 Monaten seit Erstzulassung der Neupreis abzüglich Restwert zu, Der Neupreis mit netto 111.710 € und der Restwert mit netto 26.050,42 € sind im Berufungsverfahren nicht mehr streitig, so dass sich ein Anspruch des Klägers auf 85.659,58 € abzüglich 500 € Selbstbeteiligung, mithin in Höhe von 85.159,58 € errechnen würde, der im Ersturteil zugesprochene Betrag ist daher in jedem Fall begründet.

Die Beklagte kann sich nicht auf einen Risikoausschluss nach den AKB berufen, weil die Voraussetzungen eines solchen nicht bewiesen sind. Nach § 286 I 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Diese Überzeugung des Richters erfordert keine - ohnehin nicht erreichbare- absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit (vgl. RGZ 15, 338 [339]; BGH NJW 1998, 2969 [2971]; BAGE 85, 140; Senat NZV 2006, 261, st. Rspr., zuletzt etwa NJW 2011, 396 [397] und NJW-RR 2014, 601; KG NJW-RR 2010, 1113) und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen intersubjektiv vermittelten (vgl. § 286 I 2 ZPO), für das praktische Leben brauchbaren Grad von (persönlicher) Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (grdl. BGHZ 53, 245 [256] - Anastasia, st. Rspr., zuletzt etwa NJW 2014, 71 [72] und VersR 2014, 632 f.; BAGE 85, 140; OLG Frankfurt a. M. zfs 2008, 264 [265]; Senat VersR 2004, 124; NZV 2006, 261; NJW 2011, 396 [397]; SP 2012, 111; LG Leipzig NZV 2012, 329 [331]), was auch für innere Vorgänge gilt (BGH NJW-RR 2004, 247; BayObLG SeuffArch 56 [1901] 110 f. [Nr. 63]).

1. Zum Risikoausschluss, weil eine Rennveranstaltung vorgelegen habe:

a) Maßgebliches Merkmal eines Rennens ist die Erzielung einer „Höchstgeschwindigkeit“ (BGH NJW 2003, 2018). Insoweit wird es etwa bei der Vorschrift des § 29 StVO als ausreichend erachtet, dass die Höchstgeschwindigkeit zumindest mitbestimmend ist. Um ein Rennen handelt es sich danach auch bei einem Wettbewerb, bei dem die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit bei Zurücklegung der Strecke zwischen Start und Ziel ermittelt wird (BGH aaO). Der Risikoausschluss gilt nicht nur für Rennen im sportlichen Sinne, sondern für Rennen jeder Art, insbesondere Geschwindigkeits-, Touren-, Sternfahrten u.ä., solange es um die Erzielung der höchsten Geschwindigkeit geht, mag diese auch nach den gegebenen Voraussetzungen in der absoluten Ziffer niedriger liegen können als bei Rennveranstaltungen im engeren Sinn. Für § 2 Nr. 3 b AKB a.F. hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass Fahrveranstaltungen, die auf besonders gesicherten oder abgesperrten Straßen stattfinden, ohne weiteres vom Anwendungsbereich der Ausschlussklausel erfasst werden, wenn für den Sieg im Wettbewerb die höchste Geschwindigkeit entscheidend ist (BGH VersR 1976, 381, 382). Allerdings ist dieses Merkmal nicht als erfüllt angesehen worden, wenn die Fahrveranstaltung auf einer öffentlichen Straße ausgetragen wurde, die Teilnehmer die Verkehrsvorschriften zu beachten hatten und die Veranstaltung lediglich auf die Erzielung einer hohen Durchschnittsgeschwindigkeit ausgerichtet war (BGH, aaO, S. 383).

b) Weiter erfordert der Risikoausschluss vorliegend nach den zu Grunde zu legenden AKB das Vorliegen einer „Veranstaltung“. Selbst wenn man den Sachvortrag der Beklagten zugrunde legt, wonach der Kläger versucht habe, schneller als der hinter ihm fahrende Streitverkündete zu sein, so handelt es sich doch nicht um eine solche „Fahrveranstaltung“ i.S.v. A.2.17.3. der AKB. Die regelmäßig im Straßenverkehr stattfindenden Versuche von Verkehrsteilnehmern, an anderen Verkehrsteilnehmern vorbei zu fahren, diese zu überholen bzw. die Versuche der jeweils anderen Verkehrsteilnehmer, eben dies zu verhindern, sind selbst dann, wenn dies unter Missachtung oder Verletzung von Vorschriften der StVO geschieht, keine „Veranstaltung“, sondern allenfalls ein privates „Kräftemessen“ oder ein bloßes Ausleben von Egoismen (OLG Bamberg VersR 2010, 1029; Grimm in Beckonline, Unfallversicherung, 5. Aufl. 2013, AUB 2010 Ziffer 5, Rz. 60, 61). Freilich kann ein solches „Kräftemessen“, wenn es wie vorliegend unter Verletzung von Verkehrsvorschriften erfolgt, den Tatbestand einer Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) erfüllen. Der Versicherungsschutz ist dann nach A.2.17.1 der AKB ausgeschlossen. Bedingungsgemäß erfordert dies jedoch nicht nur eine Tatbestandsverwirklichung, sondern auch die Schuldform des Vorsatzes (s.u. 2.).

c) Für eine „Veranstaltung“ fehlt vorliegend jeglicher Anhaltspunkt und ein Rennen setzt zumindest eine wenn auch stillschweigende Übereinkunft der Beteiligten voraus.

(1) Letzteres scheitert schon nach dem unstreitigen Tatbestand des Ersturteils, an den der Senat gebunden ist. Danach bestand der Grund für die Geschwindigkeitsüberschreitung des Klägers, sich von einem dahinter fahrenden R 8 abzusetzen, welcher den Kläger nach dessen Vorbringen bedrängte. Der Tatbestand des Ersturteils bestimmt den für das Berufungsgericht nach § 529 I Nr. 1 ZPO maßgeblichen Sachverhalt (BVerfG NJW 2005, 657 [i. Erg.]; RGZ 2, 401; BGH VersR 1959, 853; 1983, 1160; BGHZ 140, 335 [339]; NJW 2001, 448; NJW-RR 2002, 1386 [1388]; NJW 2004, 1381; MDR 2007, 853; NJW-RR 2009, 981; BAGE 8, 156; BFH BFH/NV 1999, 1609; OLG Stuttgart NJW 1969, 2055; OLG München BauR 1984, 637 und Senat in st. Rspr., u. a. r+s 2010, 434; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 778 (779) und 891 (892); OLG Rostock OLGR 2004, 61; vgl. zu dem Fragenkreis umfass. Doukoff, a. a. O. Rz. 128-132). Mit der Berufung kann eine Tatbestandsberichtigung grundsätzlich nicht herbeigeführt werden (BGH VersR 1959, 853; 1983, 1160; BGHZ 122, 297; NJW 1994, 517; BGHZ 182, 76 [unter II 1]; OLG Stuttgart NJW 1969, 2055; OLG München BauR 1984, 637 und Senat in st. Rspr., u. a. r+s 2010, 434; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 778 [779] und 891 [892]; Doukoff, a. a. O. Rz. 137; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 320 Rz. 1). Wenn die Beklagte die erstgerichtliche Feststellung zum Grund der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht hätte hinnehmen wollen, hätte sie ein - fristgebundenes - Tatbestandsberichtigungsverfahren nach § 320 ZPO durchführen müssen (Senat in st. Rspr., u. a. r+s 2010, 434).

(2) Von einer Rennveranstaltung konnte sich der Senat aber auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht überzeugen.

(a) Der Zeuge B., ein Polizeibeamter, hatte Bereitschaftsdienst und näherte sich auf seinem Motorrad von hinten aufschließend im Bereich der Abzweigung nach H. dem Porsche und dem Audi, deren Abstand und Geschwindigkeit er als zunächst unauffällig wahrnahm. Nach Abbiegen eines vorausfahrenden Fahrzeugs haben seinen Angaben nach beide Fahrzeuge, der Porsche und der Audi stark beschleunigt, wobei der Audi so nah hinter dem Porsche herfuhr, dass er den Eindruck hatte, dass der Audi den Porsche vor sich herschiebt. Er konnte zwar den Abstand nicht genau beurteilen, nahm die Fahrzeuge aber als sehr dicht hintereinanderfahrend wahr („zwei Meter Abstand würde ich schon als viel ansehen“). Der Zeuge versuchte, den beiden Fahrzeugen hinterherzufahren. Er erinnerte sich, dass beide so schnell fuhren, dass er mit dem Motorrad nicht mehr hinterherkam und sich die Fahrzeuge trotz der von ihm gefahrenen 120 km/h absetzten, worauf er das Nachfahren im Hinblick auf eine relativ starke Rechtskurve abbrach, weil es ihm zu gefährlich wurde. Insbesondere hatte der Zeuge den Eindruck, dass der Audi hinter dem Porsche so nahe herfuhr, um zu sehen, ob der Porsche es schafft, sich abzusetzen. Im Bereich der Abzweigung nach O. verlor der Zeuge die Pkw aus den Augen. Eine Erinnerung daran, ob die Pkw die Gegenfahrspur benutzten, hatte der Zeuge nicht.

Der Zeuge S., ein Kfz-Mechaniker, war auf Probefahrt, als ihm die beiden Fahrzeuge, der Porsche und der Audi, entgegenkamen, wobei er deren Geschwindigkeit auf deutlich über 100 km/h schätzte und den Abstand zwischen den Fahrzeugen als sehr gering wahrnahm. („Ich würde sagen, die beiden Fahrzeuge waren so nah aufeinander, wie wenn der Porsche den Audi abgeschleppt hätte“). Seiner Erinnerung nach fuhren die Fahrzeuge im Moment der Beobachtung etwas versetzt, der Audi war mehr zur Mittellinie hin orientiert als der Porsche. Der Zeuge konnte nicht bestätigen, dass eines der beiden Fahrzeuge über die Mittellinie gefahren wäre, er empfand die Fahrzeuge auch nicht als Bedrohung für sich.

Die Zeugin M., Beifahrerin im Pkw Audi bestätigte ebenfalls einen sehr geringen Abstand der Fahrzeuge bei einer Geschwindigkeit, die ihr Anlass gab, den Fahrer, ihren Lebensgefährten, mehrfach aufzufordern, langsamer zu fahren. Der Porsche beschleunigte ihren Angaben nach dann in Annäherung an die Unfallstelle stark, worauf ihr Lebensgefährte die „Nachfahrt“ abbrach und der Abstand zwischen den Fahrzeugen rapide größer wurde. Ihrem Eindruck nach war Grund für die schnelle Fahrweise des Klägers, der mehrfach in den Rückspiegel schaute, auch die Fahrweise ihres Lebensgefährten.

Der Zeuge C. erinnerte sich, dass er kurz nach einer Rechtskurve, noch bevor er den Porsche sah, ein Quietschen von Reifen hörte und danach ein qualmendes und querstehendes Fahrzeug auf sich zukommen sah, dessen Geschwindigkeit er, der selbst mit ca. 70 km/h fuhr, als hoch einschätze.

Der Zeuge Br., der seinen Angaben nach etwa 70 m hinter dem Zeugen C. ebenfalls mit einer Geschwindigkeit von etwa 70 km/h fuhr, sah den Porsche erstmals mit dem Heck auf der Gegenfahrspur driftend auf sich und den Zeugen C. zukommen und mit dem Heck mit dem Passat des Zeugen C. kollidieren. Seiner Einschätzung nach betrug die Geschwindigkeit des Porsche über 100 km/h, womöglich 120 km/h. Den Audi hat der Zeuge nicht gesehen.

Der Zeuge G., Fahrer des Pkw Audi, hat sich auf sein Weigerungsrecht nach § 384 Nr. 1 ZPO berufen und zu seinem Fahrverhalten keine Angaben gemacht. Ein Zeugnisverweigerungsrecht stand dem Zeugen auch zu, da durch seine Angaben die tatsächlichen Voraussetzungen einer Haftung begründet werden könnten. Die bedrängende Fahrweise war zur Überzeugung des Senats mitursächlich für das Fahrverhalten des Klägers und damit den Unfall mit erheblichem Personen- und Sachschaden.

(b) Der Senat hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugen. Die Behauptung des Klägers, er habe nach dem Abbiegen des landwirtschaftlichen Fahrzeuges lediglich auf etwa 70 km/h beschleunigt, ist damit widerlegt. Der Senat geht auf Grund der Zeugenaussagen davon aus, dass die Fahrzeuge nach der Abzweigung nach H. beschleunigten und mit einer Geschwindigkeit von teilweise deutlich über 120 km/h fuhren, wobei der Zeuge G. im Audi den Kläger durch dichtes Auffahren bedrängte.

Der Senat glaubt aber dem Kläger, dass es keine Verabredung zu einem Rennen gab und es ihm nicht auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit, sondern darauf ankam, sich von dem dicht hinter ihm bedrängend fahrenden Pkw abzusetzen.

Seine Angaben werden insbesondere gestützt durch die Zeugin M. Nach deren Aussage hat ihr Lebensgefährte den Kläger durch seine Fahrweise bedrängt, der Kläger dann in Annäherung an die Unfallstelle seine Geschwindigkeit nochmals erheblich erhöht, wodurch sich der Abstand zwischen den Fahrzeugen rapide vergrößerte und der Zeuge G. das dichte Auffahren abgebrochen. Dafür, dass sich der Kläger und der Fahrer des R 8 vor dem Unfall kannten, ergaben sich keine Anhaltspunkte. Die Angaben der Zeugen und das Ergebnis des Sachverständigengutachtens zur schnellen Fahrweise in knappem Abstand und zur Ausgangsgeschwindigkeit des 911er vor dem Abdriften auf die Fahrbahnhälfte für den Gegenverkehr genügen auch nicht für eine Überzeugungsbildung für eine während der Fahrt getroffene stillschweigende Übereinkunft der Beteiligten, ein Rennen auszutragen. Zwar musste der Kläger, um sein Ziel zu erreichen, sich von dem ihm bedrängenden Pkw Audi abzusetzen, schneller fahren als der Zeuge G. Auch dadurch wird das Geschehen nicht zu einer Rennveranstaltung. Eine Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn vor der Kurve, in welcher das Heck des Pkw Porsche ausbrach, was größere Kurvenradien und höhere Geschwindigkeiten ermöglicht hätte, ist nicht bewiesen und insbesondere machte der Audi seinerseits keine Anstalten, den vorausfahrenden Porsche zu überholen. Der Zeuge G. beabsichtigte dies nach Angaben der Zeugin M., von denen der Senat ausgeht, auch nicht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ließ der R8 deutlich vor der Kurve, in der sich der Unfall ereignete, den Kontakt abreißen. Die Zeugen konnten auch nur angeben, dass es auf Grund der Fahrweise dem äußeren Anschein nach wie ein Rennen aussah. Auf eine Veranstaltung im oben dargelegten Sinn kann aus den Beobachtungen der Zeugen aber nicht geschlossen werden. Weiter geht der Senat auf Grund der Angaben des Klägers und der Ausführungen des Sachverständigen davon aus, dass der Kläger im Kurvenbereich Gas wegnahm und es durch diesen Lastwechsel zu einer Instabilität des Pkw Porsche mit Ausbrechen des Hecks nach kurvenaußen kam. Der Kläger gab an, dass er, um vom Audi wegzukommen, kurzzeitig Vollgas gab und dann entweder noch in Geradeausfahrt oder schon in der Kurve (Protokoll v. 10.03.2017, S. 4, 14, 15) abrupt vom Gas ging. Der Sachverständige führte aus (Gutachten v. 07.08.2018, S. 5, 6 = Bl. 266/367 d.A.), dass der Pkw Porsche mit technisch höchster Wahrscheinlichkeit im Kurvenbereich auf Grund Wegnahme von Gas und des damit verbundenen Lastwechsels instabil wurde, wobei es sich um einen typischen Fahrfehler von Verkehrsteilnehmern handelt, die beim Befahren von Kurven im Grenzbereich nicht erfahren sind. Um einen solchen Fahrer handelt es sich nach Überzeugung des Senats beim Kläger, da über eine derartige Erfahrung in der Regel nur aktive Fahrer aus dem Rennsport verfügen (Ausführungen des Sachverständigen in der Sitzung v.24.05.2019, Protokoll S. 4 = Bl. 300 d.A.), wozu der Kläger nicht gehört. Er gab auch an, über eine derartige Erfahrung nicht zu verfügen (Protokoll aaO S. 6 = Bl. 302 d.A.). Die Gaswegnahme erfolgte zu einem Zeitpunkt, als der Audi den Kläger nicht mehr bedrängte (vgl. auch die Angabe des Klägers, dass seine Aktion Wirkung zeigte, weil er den anderen im Rückspiegel nicht mehr sah, Protokoll v. 10.03.2017, S. 3 = Bl. 200 d.A.), was ebenfalls für die Einlassung des Klägers und damit gegen eine Rennveranstaltung spricht.

2. Eine Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Schadensherbeiführung besteht nicht. Aus der vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung kann vorliegend nicht auf einen bedingten Vorsatz geschlossen werden, der Kläger habe das Wegdriften in der Kurve in die Gegenfahrbahn und die Beschädigung seines Fahrzeugs billigend in Kauf genommen.

Der Kläger gab an, er habe gedacht, er schaffe die Kurve.

a) Die nachweisbare Ausgangsgeschwindigkeit beträgt mindestens 145 km/h, möglicherweise, aber nicht gem. § 286 ZPO bewiesen, 155 km/h. Die Annäherung an die Rechtskurve verläuft bei einer Fahrbahnbreite von 5,7 m geradlinig, die Unfallstelle liegt im Bereich einer langgezogen, nach den Feststellungen des Sachverständigen übersichtlichen Rechtskurve, die in der Annäherung bei erkennbarem Kurvenverlauf nicht als sehr enge Kurve erkennbar ist, vergleichbar mit einer Autobahnausfahrtsschleife (Protokoll v. 10.03.2017, Bl. 212 d.A. und v. 24.05.2019, S. 5 = Bl. 301 d.A.). Am Kurveneingang waren zunächst nur die vorderen linken Reifen leicht, 20 cm - 30 cm, jenseits der Fahrbahnmitte, woraus aus technischer Sicht nicht auf eine bewusste Fahrt in der Fahrbahnhälfte für den Gegenverkehr geschlossen werden kann (Protokoll v. 24.05.2019, Bl. 213 d.A.). Von einer solchen geht der Senat daher und auf Grund der Angaben des Klägers nicht aus. Der Sachverständige hat die Unfallstelle besichtigt und vermessen und gelangte auf Grund der Spuren, Endlagen und Beschädigungen zu einer Kollisionsgeschwindigkeit von 87 km/h - 104 km/h und unter Berücksichtigung der Drift- und Schleuderspuren zu einer Geschwindigkeit bei Schleuderbeginn von 145 km/h bis 155 km/h. Eine Differenz zur Schleuderspurlänge wie im Gutachten der DEKRA im Strafverfahren angenommen besteht nicht (Protokoll v. 24.05.2019, Bl. 301 d.A.). Zum Driften auf die Gegenfahrbahn kam es nach den Bekundungen des Sachverständigen wegen Verlusts der Seitenführungskräfte entweder, weil der Kläger vom Gas ging, bremste oder das Fahrzeug weiter über die Kurvengrenzgeschwindigkeit hinaus beschleunigte. Der Kläger gab hierzu an, er habe bereits vor der Kurve die Geschwindigkeit verringert und entweder noch in Geradeausfahrt oder im Kurvenbereich abrupt Gas weggenommen. Der Sachverständige hat in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt und dies bei seiner mündlichen Anhörung bestätigt, dass der Pkw Porsche mit technisch höchster Wahrscheinlichkeit am Kurvenbeginn auf Grund Wegnahme von Gas instabil wurde. Davon geht der Senat aus, weshalb die nachweisbare Ausgangsgeschwindigkeit bei Schleuderbeginn 145 km/h beträgt.

Bei der vom Kläger gewählten Fahrlinie ergab sich von Schleuderbeginn bis zur Kollision ein mittlerer Kurvenradius von 155 m (Protokoll v. 24.05.2019, S. 5 = Bl. 301 d.A. mit Anlage) und damit Querbeschleunigungen von 10,46 - 11,93 m/Sek.². Da Fahrversuche auf Rennstrecken mit einem dem Klägerfahrzeug vergleichbaren Fahrzeugtyp mögliche maximale Querbeschleunigungen von 11,87 - 12,85 m/Sek.² ergaben, folgt der Senat dem Ergebnis des Sachverständigen, dass der Kläger sein Fahrzeug vor der Gaswegnahme vorliegend im Bereich der möglichen physikalischen Kurvengrenzgeschwindigkeit bewegte, die gerade noch nicht überschritten war (ergänzende Stellungnahme vom 07.08.2018, S. 8 = Bl. 269 d.A.). Hinsichtlich der Einwände der Beklagten insbesondere bzgl. einer Kurvengrenzgeschwindigkeit „höchstens für Sportrennfahrer“ von 133 km/h, einem „Sprung des Porsche nach vorne“ durch Wahl des manuellen Modus seitens des Klägers sowie im Schriftsatz vom 25.10.2018 (Bl. 282/284 d.A.) wird auf die Ausführungen des Sachverständigen in seiner ergänzenden Stellungnahme und im Termin vom 24.05.2019 Bezug genommen, denen der Senat folgt.

b) Fahrversuche an der Unfallörtlichkeit mit einem DTM-Fahrer zur weiteren Ermittlung der Kurvengrenzgeschwindigkeit waren nicht veranlasst. Zum einen bieten die Fahrversuche aus der Literatur wie vom Sachverständigen ausgeführt eine hinreichende Grundlage zur Beurteilung und bestätigen das Ergebnis des Sachverständigen. Weiter wäre ein Erkenntnisgewinn aus den Fahrversuchen zur Ermittlung der physikalischen Kurvengrenzgeschwindigkeit nur dahin zu erzielen, dass diese geringer oder höher ist als vom Sachverständigen berechnet, sich aber am Ergebnis des Sachverständigen, dass der Kläger seinen Pkw mit hoher Wahrscheinlichkeit im Bereich der Kurvengrenzgeschwindigkeit bewegte, nichts ändern würde (vgl. Schreiben des Sachverständigen vom 12.12.2017, Bl. 235/237 d.A.). Zudem wäre eine völlige Übereinstimmung von Testfahrten mit der tatsächlichen Fahrt beim Unfallgeschehen nicht zu erzielen und die Ermittlung dessen, was physikalisch gerade noch möglich ist, wäre mit der Gefährdung von Leib und Leben der Untersuchungspersonen verbunden (vgl. auch insoweit das Schreiben des Sachverständigen Dipl. Ing. (FH) R., a.a.O.), weshalb eine weitere Beweiserhebung zur Ermittlung der physikalisch möglichen Kurvengrenzgeschwindigkeit zu unterbleiben hatte. Die Beauftragung des Sachverständigen diente ausschließlich dazu, durch die Kenntnis der technischen Grundlagen des Fahrvermögens des klägerischen Kraftfahrzeugs die Beurteilung der Willensrichtung des Klägers im Vorfeld des Unfalls zu verbessern. Entscheidungsrelevant ist weder die Frage, ob und in welcher Form der Sachverständige oder ein von ihm beauftragter Rennwagenfahrer in der Lage ist, in der Unfallkurve an die Kurvengrenzgeschwindigkeit heranzufahren, noch, ob deren Gemütslagen bei diesen Fahrvorgängen die Überlegungen des Klägers damals widerspiegeln.

Der Sachverständige hat die Geschwindigkeit, mit der ein durchschnittlich im öffentlichen Straßenverkehr erfahrener Verkehrsteilnehmer die Kurve durchfahren würde, ohne u.a. im Hinblick auf die auftretende Querbeschleunigung Angst zu bekommen, zunächst mit 100 km/h bis 120 km/ angegeben (Protokoll v. 10.03.2017, Bl. 214 d.A.) und im Rahmen seiner mündlichen Anhörung präzisiert, dass er als Durchschnittsfahrer ohne Rennsporterfahrung die Autobahnausfahrtschleife Passau-Mitte mit einem dem Unfallgeschehen ähnlichen Kurvenradius von 156 m mit einer Geschwindigkeit von 135 km/h bis 140 km/h gefahrlos durchfahren konnte (Protokoll v. 24.05.2019, S. 4, 5 = Bl. 300, 301 d.A. mit Anlage).

c) Bedingt vorsätzliches Verhalten (§ 276 I 1, 1. Alt. BGB) ist von grob oder bewusst fahrlässigem Verhalten (§ 276 I 1, 2. Alt., II BGB) wie folgt abzugrenzen:

Bedingter Vorsatz ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH gegeben, wenn der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs als möglich und nicht völlig unwahrscheinlich erkannt und gebilligt wird. Die Annahme (einer) Billigung liegt nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang und überhaupt das Nichtvorliegen des objektiven Tatbestandes vertrauen zu können, und wenn er es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht. In Kauf nimmt der Täter auch einen an sich unerwünschten Erfolg, mit dessen möglichen Eintritt er sich aber abfindet; anders ist es, wenn der Täter ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, dass der Erfolg nicht eintritt“ (BGH NJW-RR 2002, 740; NStZ 1981, 22).

Beide Elemente der inneren Tatseite, also die Erkenntnis eines nicht ganz fernliegenden tatbestandlichen Erfolgs und ein Billigen der oder Abfinden mit der Tatbestandverwirklichung, müssen in jedem Einzelfall gesondert geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Beschluss vom 07.09.2015 - 2 StR 194/15 [juris]). Insoweit ist eine Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände notwendig (BGH NStZ 2012, 443, 444), wobei die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator darstellt (BGH NJW 1999, 2533, 2534). Diese Anforderungen mindern sich, wenn das äußere Unfallgeschehen einen eindeutigen Schluss auf die innere Tatseite zulässt (BGH NStZ 2000, 583; KG NZV 2012, 497; OLG Schleswig Urt. v. 17.04.2008 - 5 U 156/07 [IBRRS 2008, 2896]).

Die genannten subjektiven Elemente können fehlen, wenn der Schadensverursacher insoweit in „gutem Glauben“ gehandelt hat (OLG Hamm, Urt. v. 27.03.2013 - 11 U 25/12 [BeckRS 2013, 9145]), typische Verhaltensweisen in besonderen Situationen (OLG Koblenz, r+s 2014, 154), oder Einschränkungen der Einsichts- oder Hemmungsfähigkeit vorlagen (OLG Frankfurt, Urt. v. 02.07.2010 - 3 U 21/10 [BeckRS 2011, 24553]).

Das Willenselement des bedingten Vorsatzes wird maßgeblich bestimmt durch das Handlungsziel des Verursachers, dessentwegen er sich mit dem Erfolg zumindest abgefunden hat, mag er ihm auch unerwünscht sein. Gleichgültigkeit hinsichtlich des Erfolgseintrittes kann zwar das zum bedingten Vorsatz gehörende Willenselement der Billigung sein, aber nur dann, wenn das Wissenselement des bedingten Vorsatzes gegeben ist (BayObLG Beschluss vom 28.08.2002 - 5 St RR 179/02 [BeckRS 2002, 9396]).

Die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts sind keine allein maßgeblichen Kriterien für die Entscheidung, ob der Täter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat; vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalles an (BGH DAR 2018, 377; DAR 2018, 380). Ein wesentlicher vorsatzkritischer Gesichtspunkt ist die Eigengefährdung des Täters. Dabei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Zwar gibt es keine Regel, wonach es einem Vorsatz entgegensteht, dass mit der Vornahme einer fremdgefährdenden Handlung auch eine Eigengefährdung einhergeht. Bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die - wie vorliegend - nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, kann aber eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraut hat (vgl. BGH DAR 2018, 377; DAR 2018, 380; BayObLG, NJW 1955, 1448, 1449)

d) Die vorstehenden Grundsätze liefern im Streitfall folgendes Ergebnis:

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass es in Annäherung an die Kurve, in der sich der Unfall ereignete, nicht zu gefährlichen Situationen unter Inanspruchnahme der Fahrbahnhälfte für den Gegenverkehr durch Driften oder Instabilität oder einer gefährlichen Begegnung kam. Der Kläger bewegte sein Fahrzeug im Bereich der technisch möglichen Kurvengrenzgeschwindigkeit und überschritt dabei die Geschwindigkeit, die auch von einem durchschnittlich erfahrenen Verkehrsteilnehmer ohne Rennsporterfahrung bei ähnlichen Kurvenradien als nicht gefahrträchtig angesehen wird, um weniger als 10%. Die Gaswegnahme als zur Instabilität führender Fahrfehler zeigt gerade, dass der Kläger eine Eigengefährdung erkannte, da die Geschwindigkeitsreduzierung nach Angaben des Klägers dazu diente, die Kurve durchfahren zu können, ohne zu verunfallen. Der Senat glaubt daher dem Kläger, dass er nicht wollte, dass ein Schaden entsteht und er darauf vertraute, dass er die Kurve durchfahren kann. Das Vertrauen des Klägers war, wie das Ergebnis des Sachverständigen zeigt, auch nicht völlig unrealistisch, da es ohne die Gaswegnahme wegen des erkannten Gefährdungspotentials nicht zwingend zur Instabilität gekommen wäre. Angesichts dessen konnte sich der Senat von einem bedingten Schädigungsvorsatz nicht überzeugen.

3. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten belaufen sich bei Ansatz einer 1,3 Gebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer auf 2.201,98 €, weshalb das Freistellungsbegehren in Höhe von 1.120,62 € vom Landgericht zu Recht als berechtigt zuerkannt wurde.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

V.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 II 1, 47 I 1, 40, 48 I 1 GKG, 3 ff. ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 320 Berichtigung des Tatbestandes


(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung ein

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 29 Übermäßige Straßenbenutzung


(1) (weggefallen) (2) Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, insbesondere Kraftfahrzeugrennen, bedürfen der Erlaubnis. Das ist der Fall, wenn die Benutzung der Straße für den Verkehr wegen der Zahl oder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 384 Zeugnisverweigerung aus sachlichen Gründen


Das Zeugnis kann verweigert werden:1.über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer Person, zu der er in einem der im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Verhältnisse steht, einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde;2.über

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2015 - 2 StR 194/15

bei uns veröffentlicht am 07.09.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 S t R 1 9 4 / 1 5 vom 7. September 2015 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. Sept

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil, 17. Apr. 2008 - 5 U 156/07

bei uns veröffentlicht am 17.04.2008

Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das am 7. November 2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist vo

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(1) (weggefallen)

(2) Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, insbesondere Kraftfahrzeugrennen, bedürfen der Erlaubnis. Das ist der Fall, wenn die Benutzung der Straße für den Verkehr wegen der Zahl oder des Verhaltens der Teilnehmenden oder der Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge eingeschränkt wird; Kraftfahrzeuge in geschlossenem Verband nehmen die Straße stets mehr als verkehrsüblich in Anspruch. Veranstaltende haben dafür zu sorgen, dass die Verkehrsvorschriften sowie etwaige Bedingungen und Auflagen befolgt werden.

(3) Einer Erlaubnis bedarf der Verkehr mit Fahrzeugen und Zügen, deren Abmessungen, Achslasten oder Gesamtmassen die gesetzlich allgemein zugelassenen Grenzen tatsächlich überschreiten. Das gilt auch für den Verkehr mit Fahrzeugen, deren Bauart den Fahrzeugführenden kein ausreichendes Sichtfeld lässt.

(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.

(2) Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Der Antrag kann schon vor dem Beginn der Frist gestellt werden. Die Berichtigung des Tatbestandes ist ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten seit der Verkündung des Urteils beantragt wird.

(3) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme. Bei der Entscheidung wirken nur diejenigen Richter mit, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters den Ausschlag. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(4) Die Berichtigung des Tatbestandes hat eine Änderung des übrigen Teils des Urteils nicht zur Folge.

Das Zeugnis kann verweigert werden:

1.
über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer Person, zu der er in einem der im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Verhältnisse steht, einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde;
2.
über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einem seiner im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Angehörigen zur Unehre gereichen oder die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden;
3.
über Fragen, die der Zeuge nicht würde beantworten können, ohne ein Kunst- oder Gewerbegeheimnis zu offenbaren.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 1 9 4 / 1 5
vom
7. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 7. September 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 9. Februar 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug der verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten "einschließlich der erlittenen Untersuchungshaft" angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Der mehrfach - auch wegen Körperverletzungsdelikten - vorbestrafte Angeklagte, der sich zum Tatzeitpunkt im offenen Vollzug befand, besuchte mit seiner Ehefrau, seinem Schwager und dessen Freundin ein Stadtfest. Obwohl ihm während seines Hafturlaubs der Genuss von Alkohol untersagt war, trank er im Laufe des Abends mindestens zwei Liter Bier und konsumierte 0,2 bis 0,3 Gramm Kokain. Der Angeklagte trennte sich gegen 23.00 Uhr kurzfristig von der Gruppe, um an einer Tankstelle einzukaufen. Währenddessen geriet die Ehefrau des Angeklagten in eine Auseinandersetzung mit dem ihr unbekannten Zeugen S. , von dem sie sich "angemacht" fühlte und dem sie (deswegen) den Inhalt ihres Glases ins Gesicht schüttete. Dabei traf sie den Zeugen mit dem Glas "leicht am Kinn", woraufhin dieser ihr eine Ohrfeige versetzte und sich entfernte. Die Ehefrau des Angeklagten lief dem Zeugen S. nach und "schrie unterdessen hysterisch mehrmals" nach ihrem Bruder. Im weiteren Verlauf kam es zu einer Schlägerei zwischen ihrem Bruder, dem Zeugen S. und weiteren - teils unbekannten - Personen.
4
Währenddessen war der Angeklagte mit einer gläsernen Flasche Bier zu 0,5 Liter, die er zuvor etwa zur Hälfte ausgetrunken hatte, zu seiner Ehefrau zurückgekehrt. Sie berichtete ihm "laut weinend und hysterisch, dass sie von einem jungen Türken belästigt und geschlagen worden sei. Auf seinen Einwand , er sei im offenen Vollzug, forderte die Ehefrau ihn auf, wenigstens ihren Bruder aufzusuchen und dafür zu sorgen, dass nichts passiere".
5
Der Angeklagte lief zu der sich am Boden prügelnden Gruppe und ging davon aus, dass sich dort sein Schwager befand. Er nahm ferner wahr, dass abseits von dieser Schlägerei der Zeuge A. stand, von dem der Angeklagte annahm, dass dieser entweder selbst der Türke sei, der seine Frau belästigt habe oder aber zumindest zur Gruppe der Türken gehöre, die für die Beleidigung seiner Ehefrau verantwortlich sei. Der Angeklagte schlug dem Zeugen A. ohne Vorwarnung mit erhobener rechter Hand unvermittelt von oben mit voller Wucht die halb gefüllte Bierflasche auf die rechte Kopfseite; die Glasfla- sche zersplitterte infolge des wuchtigen Schlages an der rechten Schläfe des Geschädigten. Dem Angeklagten, dessen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit 1,46 ‰ betrug, war bei der Tatausführung bewusst, dass ein solcher massiver Schlag mit einer Glasflasche gegen den Kopf eines Menschen geeignet ist, schwerste Verletzungen mit tödlichem Ausgang herbeizuführen, was ihm jedoch gleichgültig war.
6
Der Geschädigte trug eine Platz-Schnittwunde davon, bei der eine Arterie eröffnet wurde, so dass es zu einer heftigen Spritzblutung kam. Der Angeklagte zog die abgebrochene Flasche von der Schläfe des Geschädigten in Richtung des rechten Ohrs bis hinter die Ohrmuschel. Der Zeuge A. sackte zu Boden und rief mehrfach, dass er verblute und sterbe. Der Angeklagte nahm wahr, dass er dem Geschädigten schwerste Verletzungen zugefügt hatte, zumal der Zeuge A. wiederholt rief "Ich sterbe". Er verließ den Tatort, ohne sich um Hilfe zu bemühen. Der Geschädigte zog sich mehrere Schnittwunden am Kopf und eine Schädelprellung zu, die ärztlich versorgt wurden.
7
b) Seine Überzeugung, dass der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, hat das Schwurgericht auf die Lebensgefährlichkeit der konkreten Verletzungshandlung gestützt. Dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass der Schlag mit einer gläsernen Bierflasche gegen den Kopf des Zeugen A. dessen Tod herbeiführen konnte; dies entspräche "dem Allgemeinwissen eines durchschnittlich intelligenten Menschen", wozu auch der Angeklagte gehöre. Die Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände ergebe auch, dass dem Angeklagten der Tod des Zeugen A. gleichgültig gewesen sei.
8
2. Der Schuldspruch wegen versuchten Totschlags hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes ist nicht tragfähig begründet.
9
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, und dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet. Beide Elemente der inneren Tatseite müssen in jedem Einzelfall gesondert geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. Senat, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151; BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702; Senat, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 2 StR 504/14). Annahme oder Ablehnung bedingten Tötungsvorsatzes können nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 - 1 StR 26/99, NJW 1999, 2533, 2534). Neben der konkreten Angriffsweise ist dabei regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die erforderliche Gesamtbetrachtung einzubeziehen (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Juni 2007 - 2 StR 133/07, NStZ-RR 2007, 267, 268; Beschluss vom 9. Juni 2015 - 2 StR 504/14).
10
b) Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Entscheidung nicht gerecht. Das Landgericht hat schon nicht eindeutig das kognitive Moment des bedingten Tötungsvorsatzes festgestellt. Auch wenn dem Angeklagten - wovon das Landgericht ausgeht - "bewusst" gewesen ist, dass man mit einer Bierflasche einen Menschen töten könne, so belegt dies nur das Wissen um die all- gemeine Gefährlichkeit des Einsatzes dieses Tatwerkzeugs gegen den Kopfbereich eines Menschen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. Juli 1994 - 4 StR 348/94, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 41 mwN). Daraus lässt sich indes nicht ohne weiteres herleiten, dass der Angeklagte in der konkreten Tatsituation auch tatsächlich mit der Möglichkeit rechnete, der Zeuge A. könne durch einen Schlag mit einer Flasche auf dessen Kopf zu Tode kommen, und er dies in seine Überlegungen mit einbezog. Es ist durchaus möglich, dass der Angeklagte zwar alle Umstände kannte, ohne sich indes in der konkreten Situation bewusst zu sein, dass sein Vorgehen zum Tode des Opfers führen könne (vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Dezember 1987 - 4 StR 539/87, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 10; Beschluss vom 19. Juli 1994 - 4 StR 348/94, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 41). Das Landgericht hätte sich insoweit insbesondere mit den besonderen Tatumständen auseinandersetzen müssen, die zu einer erheblichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit führten: Aufgrund der deutlichen Tatzeitalkoholisierung des Angeklagten mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,46 ‰, des zusätzlichen Konsums von Kokain, seiner Übermüdung und des aggressiven Impulsdurchbruchs als Reaktion auf das hysterische Verhalten seiner Ehefrau kann dem Angeklagten, der zudem unmittelbar zuvor erklärt hatte, sich im offenen Vollzug zu befinden, das Bewusstsein gefehlt haben, dass seine spontane Tathandlung den Tod des Zeugen A. zur Folge haben könnte.
11
3. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Schuldspruchs insgesamt. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1; Gericke in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12). Die Sache bedarf insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Fischer Eschelbach Ott Zeng Bartel

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 7. November 2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin macht gegen den Beklagten als Geschäftsführer der mittlerweile insolventen Firma Baugeschäft B GmbH Schadensersatzansprüche wegen Verstoßes gegen das Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen (GSB) geltend. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien erster Instanz und ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

2

Ergänzend ist auszuführen:

3

Die Firma B GmbH hatte unter dem 8. November 2004 zunächst ein Angebot an die Eheleute P auf vollständige Errichtung des Einfamilienhauses zu einer Auftragssumme von 91.500,00 Euro hergegeben (Bl. 30 ff. d. A.). Weil sich die Bauherren dann aber entschlossen, eine sog. Futura-Bodenplatte herstellen zu lassen, gab die Firma B GmbH unter dem 4. Februar 2005 ein weiteres Angebot ab, Bl. 34 ff. d. A. Danach sollte sich der Preis von 91.500,00 Euro auf 74.000,00 Euro ändern, weil wegen der Entscheidung für die Futura-Bodenplatte die Gewerke bzw. Preise aus der Bau-Leistungsbeschreibung nämlich: "Erdarbeiten, Heizung, Beton, Verlegung von Schweißbahn, Betonsteine und Baustahl, Estrich" entfielen.

4

Den Kreditvertrag schlossen die Bauherren unter dem 19. November 2004 mit der Deutschen Genossenschafts-Hypothekenbank AG Hamburg. Es handelt sich nach dem Text des Vertrages um einen grundpfandrechtlich gesicherten Kredit in Höhe von 105.500,00 Euro.

5

Das Landgericht hat der Klage aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 1 Abs. 1 GSB stattgegeben. Bei dem Geld zur Finanzierung des Hausbaus der Bauherren habe es sich um Baugeld im Sinne des § 1 Abs. 1 GSB gehandelt, denn das Geld habe für den Bau eines Einfamilienhauses verwendet werden sollen und das Darlehen sei im Grundbuch des Grundstücks mit einer Grundschuld zugunsten der Bank abgesichert. Die GmbH sei auch Empfänger von Baugeld im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 GSB. Zwar seien aus dem ursprünglichen Angebot gewisse Arbeiten herausgenommen worden und es sei umstritten, ob in einem solchen Fall ein Unternehmer Empfänger von Baugeld sei. Der BGH habe dies in NJW 2000, 956 f. für einen Fall abgelehnt, wo ein Unternehmer nur mit einzelnen Teilen des Baus beauftragt worden sei. Von einer teilweisen Beauftragung könne hier aber wegen des Umfangs des Auftrags nicht ausgegangen werden.

6

Der Beklagte habe auch Kenntnis davon gehabt, dass es sich bei dem erhaltenen Werklohn um Baugeld gehandelt habe. Der GmbH sei die Absicherung der Finanzierung über die Grundschuld bekannt gewesen. Die Kenntnis folge daraus, dass von der dinglichen Absicherung eines Baugeldkredits als absoluter Regelfall ausgegangen werden müsse.

7

Das Baugeld sei schließlich zweckwidrig verwendet worden. Eine ordnungsgemäße Verwendung habe der Beklagte nicht nachgewiesen. Der Beklagte habe rechtswidrig und vorsätzlich gehandelt und hafte der Klägerin als Geschäftsführer der GmbH persönlich.

8

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingereichte und begründete Berufung des Beklagten, der geltend macht:

9

Es handele sich hier nicht um Baugeld im Sinne von § 1 GSB. Denn zur Begründung der Baugeldeigenschaft bedürfe es einer Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien des Baugeldvertrages, dass die Darlehenssumme zur Bestreitung der Kosten eines Baus bestimmt sein solle. Darüber finde sich in dem hier vorgelegten Kreditvertrag nichts, mit dem sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt habe. Enthalte ein Darlehensvertrag keine Angaben über die Verwendung des Darlehens, dann sei der Zweck der Darlehensgewährung auf andere Weise zu ermitteln und zwar in erster Linie durch Befragung des zuständigen Bankmitarbeiters als Zeugen. Ein entsprechendes Beweisangebot habe die Klägerin nicht einmal ausgebracht. Es finde sich lediglich ein Beweisangebot auf Vernehmung der Bauherren - Eheleute P - als Zeugen. Dem hätte das Landgericht nachgehen müssen. Das Landgericht habe sich auch nicht damit befasst, dass nicht einmal die Klägerin behaupte, das volle Baugeld von 105.500,00 Euro sei der GmbH zugeflossen. Die Vermutung von § 1 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 GSB greife zugunsten der Klägerin nicht ein. In dem Darlehensvertrag sei keine Regelung enthalten, dass die Auszahlung der Darlehensvaluta nach Maßgabe des Baufortschrittes erfolgen solle.

10

Unabhängig davon sei jedenfalls die GmbH kein Baugeldempfänger im Sinne von § 1 Abs. 1 GSB. Solches sei nämlich dann nicht der Fall, wenn ein Unternehmer lediglich mit der Ausführung einzelner Gewerke - wie hier - beauftragt werde. Es reiche nicht aus, dass "wesentliche Leistungen" zu erbringen seien. Auf den wesentlichen Umfang einer Beauftragung habe der BGH in der fraglichen Entscheidung nicht abgestellt. Zwischenzeitlich liege eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 5. November 2004, OLGR Düsseldorf 2005, 152 ff., vor. Dort habe das OLG zutreffend hervorgehoben, dass eine Differenzierung nach Teilgewerken oder einer Mehrzahl von Gewerken nicht in Betracht komme, weil eine sichere Abgrenzung auch vor dem Hintergrund der Strafandrohung in § 5 GSB nicht mehr möglich sei. Offengelassen sei lediglich, ob eine Anwendung des GSB noch in Betracht komme, wenn einer Firma nahezu alle Arbeiten im Rahmen eines Bauvorhabens übertragen worden seien und nur noch unwesentliche Restarbeiten verbleiben würden. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Sollte der Senat entgegen der Entscheidung des OLG Düsseldorf urteilen wollen, werde bereits jetzt die Zulassung der Revision beantragt.

11

Schließlich habe der Beklagte auch keine Kenntnis davon gehabt, dass es sich bei dem erhaltenen Werklohn um Baugeld im Sinne des § 1 GSB gehandelt habe. Der Beklagte habe gerade nicht gewusst, dass das nach der Bankbestätigung offensichtlich den Eheleuten P in Aussicht gestellte Darlehen tatsächlich später fließen würde und er habe erst recht nicht gewusst, dass dieses grundpfandrechtlich gesichert gewesen sei. Selbst wenn die Mehrzahl der Häuslebauer grundpfandrechtlich gesicherte Kredite aufnehmen sollten, hieße das noch nicht, dass dies der absolute Regelfall sei. Mit einer solchen Auslegung des GSB würde man gegen den Grundsatz der Privatautonomie gemäß den Art. 2, 12, 14 GG verstoßen. Eine solche Auslegung sei deshalb nicht mehr verfassungskonform, worauf zu Recht das Landgericht Bremen im Urteil vom 4. Februar 2005, 6 O 212/02 (juris), hingewiesen habe.

12

Der Beklagte beantragt,

13

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

14

Die Klägerin beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Die Klägerin erwidert:

17

Zwischen den Bauherren und dem zuständigen Mitarbeiter der Deutschen Genossenschafts-Hypothekenbank sei ausdrücklich besprochen worden, dass die 105.500,00 Euro als Baukosten für den Bau des Hauses und die Errichtung von Außenanlagen zu dienen hätten. Es sei auch vereinbart worden, dass das Darlehen entsprechend dem Baufortschritt abgerufen und die Auszahlung des Darlehens unmittelbar an die beteiligte Baufirma aufgrund von Abschlagsrechnungen erfolgen sollte. Es sei im Übrigen ausreichend, wenn sich die Zweckbindung aus den Umständen ergebe. Hier habe die Klägerin bereits erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen, dass sich die B GmbH eine Finanzierungszusage der Bank habe vorlegen lassen. Der Beklagte habe in erster Instanz nicht bestritten, dass das Geld dazu dienen sollte, die Baukosten - wie von der Klägerin vorgetragen - des Einfamilienhauses zu bestreiten,  dass das Baudarlehen ratierlich auszuzahlen und es grundbuchlich abzusichern gewesen sei. In erster Instanz sei dazu seitens des Beklagten lediglich vorgetragen worden: "Ob und in welcher Weise eine Absicherung durch welche Bank erfolgte, entzieht sich der Erinnerung des Beklagten". Das sei kein ausreichendes Bestreiten.

18

Die GmbH sei auch durchaus Baugeldempfänger gewesen. Es gehe hier nicht um einen Fall, wie er vom BGH im Urteil vom 16. Dezember 1999 entschieden worden sei, wo nämlich nur ein Werkvertrag über ein einzelnes Gewerk abgeschlossen worden sei und keine Treuhandpflichten zu erfüllen gewesen seien. Die B GmbH sei vielmehr umfassend mit dem Bau beauftragt worden. Herausgenommen worden sei lediglich die Erstellung des sog. "Futura-Klima-Bodens". Neben den Rohbauarbeiten, die die B GmbH selbst habe ausführen sollen, habe der Bauvertrag noch die Ausführung von Elektroarbeiten, von Sanitärarbeiten, Fenster- und Türarbeiten und Verputzarbeiten umfasst. Hier seien vier weitere Firmen tätig geworden, die im Wesentlichen nicht bezahlt worden seien. Für diese Leistungen der Subunternehmer habe die B GmbH Baugeld erhalten und sei wirtschaftlich betrachtet Treuhänderin gewesen. Auf eine derartige wirtschaftliche Betrachtung komme es an; richtig gelesen ergebe sich insoweit auch aus dem Urteil des OLG Düsseldorf vom 5. November 2004 nichts anderes.

19

Der Beklagte habe auch die nötige Kenntnis gehabt, dass und wie die Absicherung des Baugeldes erfolgt sei und dass nach Raten auszuzahlen gewesen sei. Die Vorlage der Bankbescheinigung sei unstrittig. Dann könne der Beklagte nicht schlicht vortragen, er erinnere sich nicht, ob und in welcher Weise eine Absicherung durch welche Bank für die Bauraten erfolgt sei. Dem Beklagten als Geschäftsführer einer mit dem schlüsselfertigen Erstellen von Einfamilienhäusern befassten Gesellschaft sei auch bekannt, dass eine solche Finanzierung üblicherweise grundbuchlich abgesichert werde.

20

Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen

II.

21

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

22

Das Landgericht hat einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten als Geschäftsführer der insolventen Firma B GmbH aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 1 Abs. 1 GSB bejaht. Es ist anerkannt, dass der Geschäftsführer einer GmbH aus den § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1, 5 GSB, 14 StGB persönlich schadensersatzpflichtig ist, wenn er vorsätzlich entgegen der Verwendungspflicht des § 1 Abs. 1 GSB Baugelder zweckwidrig verwendet hat (BGH WM 1990, 773 ff. bei Juris Rn. 8 und OLG Dresden, BauR 2000, 585 ff. bei Juris Rn. 11 sowie Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl. 2002 Rn. 1869).

1.

23

Entgegen der Auffassung der Berufung kann der Senat feststellen, dass es hier um Baugeld im Sinne von § 1 GSB geht. Nach der Definition des Begriffs in § 1 Abs. 3 GSB muss es sich um Geldbeträge handeln, die zum Zweck der Bestreitung der Kosten eines Baus in der Weise gewährt werden, dass zur Sicherung der Ansprüche des Geldgebers eine Hypothek oder Grundschuld an dem zu bebauenden Grundstück dient.

24

Die Sicherung des Kredits der Deutschen Genossenschafts-Hypothekenbank AG Hamburg an dem zu bebauenden Grundstück ist hier nicht im Streit, wohl aber die Frage, ob der Kredit "zum Zwecke der Bestreitung der Kosten eines Baus" gewährt worden ist. Denn unter Berücksichtigung der Vorgabe des Gesetzes ist nicht jeder aus Anlass eines Bauvorhabens gewährte Betrag "Baugeld". Vielmehr muss der Kredit zur Bestreitung der Kosten des Baus bestimmt und mithin zwischen dem Darlehensgeber und dem Darlehensnehmer vereinbart worden sein, dass das Darlehen gewährt wird, damit der Darlehensnehmer seine Verbindlichkeiten gegenüber Personen tilgen kann, die an der Herstellung des Baus aufgrund eines Werk- oder Werklieferungsvertrags beteiligt sind. Die Zweckbestimmung - so hat es der III. Strafsenat des BGH in seinem Urteil vom 11. April 2001 (NJW 2001, 2484 f. bei Juris Rn. 13) ausgeführt -, dass der ausgezahlte Betrag der Bestreitung der Kosten eines Baus dienen soll, muss Inhalt des Darlehensvertrages sein, nicht aber lediglich Motiv einer der Parteien. Nicht erforderlich ist jedoch, dass diese Zweckabrede ausdrücklich in dem Text des Kreditvertrages niedergelegt worden ist. Es reicht aus, dass sie schlüssig getroffen wurde, weil sich die Parteien darüber einig sind, dass die zugesagten Kreditmittel der Finanzierung eines Bauvorhabens in der genannten Weise dienen sollen (BGH a. a. O.; Werner/Pastor, a. a. O., Rn. 1866).

25

Der Berufung ist Recht zu geben, dass dem (Bl. 36-38 d.A. vorgelegten) Text des Kreditvertrages selbst eine solche Zweckbestimmung nicht zu entnehmen ist. Andererseits steht aber fest und ist unstreitig vorgetragen, dass sich die B GmbH eine Bankbescheinigung vorlegen ließ, in der die kreditgebende Bank die Finanzierung des Bauvorhabens bestätigt hat. Diese Finanzierungsbestätigung lag bei Abschluss des Bauvertrages vor. Hat die darlehensgebende Bank aber sogar nach außen hin gegenüber dem Bauunternehmen bestätigt, dass sie den Bauvertrag finanzieren wird, dann lässt sich daraus im Verhältnis Darlehensgeber zu Darlehensnehmer entnehmen, dass die Kreditmittel in Höhe des gegenüber dem Bauunternehmen geschuldeten Festgeldbetrages zur Bestreitung der Kosten des zu errichtenden Baus dienen sollten und mithin kraft konkludenter Vereinbarung Baugeld sind. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass der gesamte in einem Kredit eingeräumte Darlehensbetrag Baugeld sein muss (vgl. Werner/ Pastor, a. a. O., Rn. 1866 und OLG Dresden BauR 2000, 585 ff. Rn. 13).

26

Einer Vernehmung der Eheleute P über die Frage etwaiger ausdrücklicher Absprachen zur Verwendung des Kredits mit ihrer Bank bedarf es deshalb nicht.

2.

27

Die Firma B GmbH ist entgegen der Annahme der Berufung auch Baugeldempfängerin im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 GSB.

28

Der Bundesgerichtshof hat stets ausgeführt, dass es dem Schutzzweck des Gesetzes entspreche, den Begriff "Empfänger von Baugeld" im Interesse der an der Herstellung des Baus Beteiligten weit zu fassen. Unter diesem Aspekt können Bauträger, Generalunternehmer und Generalübernehmer Baugeldempfänger sein. Entscheidend soll nach dem Urteil des BGH vom 16. Dezember 1999 (WM 2000, 735 ff. bei Juris Rn. 13) sein, dass die Baugeldempfänger hinsichtlich des Teils der ihnen als Vergütung bezahlten Beträge, die bei wirtschaftlicher Betrachtung den ihnen nachgeordneten Unternehmen gebühren, einem Treuhänder angenähert sind. Generalunternehmer und Generalübernehmer seien in aller Regel darüber informiert, ob und inwieweit der Bauherr des Objekts seinerseits durch Hypothek oder Grundschuld gesicherte Gelder verwende. Sie würden darüber bestimmen, wie diese Gelder weiter verwendet würden und hätten insoweit die volle Verfügungsgewalt über das Baugeld zur Finanzierung der Handwerkerleistungen. Der BGH hat diese "Empfänger von Baugeld" abgegrenzt gegenüber den nur mit einzelnen Teilen des Baus beauftragten Unternehmen, die nicht wie Bauträger, Generalunternehmer oder Generalübernehmer an Stelle des Kreditnehmers über die Finanzierungsmittel verfügen. Eine Erstreckung des Anwendungsbereichs auf diese Unternehmer - im Sachverhalt des zitierten Urteils ging es um eine mit Elektroarbeiten beauftragte Firma, die eine Subunternehmerin eingesetzt hatte - würde den Inhalt des Gesetzes unzulässig erweitern. Dann nämlich würde auch eine Haftung des Unternehmers in Rede stehen, der mit dem Werklohn seine Lieferanten oder seine Arbeitskräfte nicht bezahlt habe. Das entspreche nicht dem Schutzzweck des GSB.

29

Das OLG Düsseldorf hatte sich in seinem Urteil vom 5. November 2004 (OLGR Düsseldorf 2005, 152 ff.) mit einer Fallgestaltung zu befassen, wo ein Bauunternehmer nur die Tief- und Rohbauarbeiten übernommen hatte, während der Innenausbau und die Gewerke Elektroinstallation, Heizung, Brandwände und Treppen in diesem Auftrag nicht erfasst waren. Die Gewerke Tief- und Rohbau machten bei Gesamtinvestitionen für den Bau von 4,2 Mio. DM ein Auftragsvolumen von 2,89 Mio. DM aus. Das OLG Düsseldorf hat ausgeführt, das fragliche Unternehmen sei nicht als Empfänger von Baugeld anzusehen. Es sei zwar zutreffend - unter Verweis auf die Entscheidung des Strafsenats des BGH, a. a. O. -, dass Baugeld nicht notwendigerweise der gesamte Betrag eines anlässlich des Baus gewährten Darlehens sein müsse. Empfänger von Baugeld sei aber nur, wer umfassend oder doch mindestens zu einem ganz überwiegenden Teil mit der Erstellung des Gebäudes beauftragt sei. Letztlich könne offen bleiben, ob Empfänger von Baugeld auch derjenige sei, dem nahezu alle Arbeiten im Rahmen eines Bauvorhabens übertragen worden seien, sodass nur unwesentliche Restarbeiten verbleiben würden. Um unwesentliche Restarbeiten gehe es in jenem Fall jedenfalls nicht. Die Ausführungen des BGH (a. a. O.) seien dahin auszulegen, dass eine dem Treuhänder vergleichbare Position nur dann bestehe, wenn der Unternehmer volle Verfügungsgewalt über das ausgezahlte Baugeld habe, d. h. einerseits die freie Entscheidung über die Verwendung des Baugelds und andererseits auch eine umfassende Verfügungsgewalt, was den Umfang des Baugelds selbst betreffe. Es sei nicht zulässig eine Differenzierung nach Teilgewerken und einer Mehrzahl von Gewerken vorzunehmen, weil eine sichere Abgrenzung dann im Einzelfall nicht gewährleistet sei und die Ausdehnung des Anwendungsbereichs mangels zureichender Bestimmtheit auch im Hinblick auf die Strafandrohung in § 5 GSB auf eine unzulässige Analogie hinausliefe. Im Rahmen einer Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB iVm der Verletzung eines Schutzgesetzes, welches eine Strafandrohung enthalte, müsse die aus strafrechtlicher Sicht gebotene Einschränkung des Anwendungsbereichs im Zivilrecht ebenfalls Berücksichtigung finden.

30

In der Literatur ist zu dieser Entscheidung die Auffassung vertreten worden, das OLG Düsseldorf hätte im Lichte des BGH-Urteils weiter fragen müssen, ob die GmbH wie ein Treuhänder Baugelder für Nachunternehmer verwahrt habe und ob sie darüber hätte selbständig verfügen dürfen. Denn die treuhandähnliche Funktion sei das entscheidende Abgrenzungskriterium für die Eigenschaft des Baugeldempfängers (Stammkötter in JBR 2005, 1191, Bl. 95 d. A.).

31

Im vorliegenden Fall wollte die Firma B GmbH nach ihrem ursprünglichen Angebot als Generalunternehmerin das gesamte Einfamilienhaus zu einem Preis von 91.500,00 Euro errichten. Die Auftragssumme ist dann auf 74.000,00 Euro reduziert, weil sich "die Bauherren … für eine Futura-Bodenplatte entschieden haben" (so das Schreiben der B GmbH vom 4. Februar 2005, Bl. 34 d. A.). Es würden aus der Bau-Leistungsbeschreibung die Gewerke bzw. Preise für Erdarbeiten, Heizung, Beton, Verlegung von Schweißbahnen, Betonsteine und Baustahl sowie Estrich entfallen. Die Klägerin hat insoweit näher dargelegt - dies kann auch im Internet weiter nachvollzogen werden und war im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht streitig -, dass es sich bei der "Futura Klima-Bodenplatte" um ein integriertes System handelt, wo innerhalb der Sohle bereits eine Flächenheizung eingebaut ist und zudem eine geglättete Oberfläche erstellt wird, die belagsfertig ist und weiteren Estrich überflüssig macht. Es ist also aus dem Bauvertrag ein integriertes Gewerk "Bodenplatte" herausgenommen worden, während die Firma Baugeschäft K für sämtliche oberhalb dieser Bodenplatte zu errichtenden Teile des Hauses verantwortlich sein sollte. Der Bauvertrag enthält deshalb auch weiterhin die Formulierung "Der Auftragnehmer errichtet im Auftrag des Bauherren ein Einfamilienhaus" . Nicht bestritten ist der Vortrag der Klägerin in der Berufungserwiderung, dass die Firma B GmbH neben den von ihr selbst ausgeführten Rohbauarbeiten insbesondere die Gewerke Elektroarbeiten, Sanitärarbeiten, Fenster- und Türarbeiten sowie Verputzarbeiten an vier weitere Firmen als Subunternehmer vergeben hat.

32

Vor diesem Hintergrund ist einerseits festzustellen, dass - bezogen auf die gesamte Errichtung des Hauses und die dafür aufzuwendenden Baukosten – aus dem ursprünglichen Komplettangebot zwar nicht nur ein unwesentlicher Teil herausgenommen worden ist. Andererseits entspricht die von der Firma B GmbH übernommene Aufgabe weiterhin der Aufgabe einer Generalunternehmerin. Sie ist keinesfalls nur mit einzelnen Teilen des Baus beauftragt und hat auch wie eine Generalunternehmerin an Stelle des Kreditnehmers im Rahmen einer treuhänderähnlichen Stellung über die Finanzierungsmittel verfügt, die bei wirtschaftlicher Betrachtung den mindestens vier nachgeordneten Unternehmen, ihren Subunternehmern, gebühren. Auf eine "wirtschaftliche Betrachtung" unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes hat aber der BGH (a. a. O., Rn. 13 f. bei Juris) deutlich abgestellt. Nicht zu bezweifeln ist auch, dass die Firma B GmbH über die ihr ausgezahlten rund 74.000,00 Euro die volle Verfügungsgewalt hatte. Sie hatte die tatsächliche Möglichkeit der freien Entscheidung über die Verwendung dieses Baugelds.

33

Nach Auffassung des Senats ist die genannte GmbH auf der Grundlage der zitierten BGH-Rechtsprechung als Empfängerin von Baugeld iSd GSB anzusehen. Es ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anzustellen und zu fragen, ob das betreffende beauftragte Unternehmen wie ein Bauträger oder Generalunternehmer an Stelle des Kreditnehmers über die Finanzierungsmittel im Sinne einer treuhänderähnlichen Stellung verfügt, oder ob es eine derartige Stellung nicht hat, weil es nur mit einzelnen Teilen des Baus beauftragt ist. Damit ist der Anwendungsbereich des GSB auch im Hinblick auf die Strafandrohung in § 5 GSB ausreichend deutlich eingeschränkt und bleibt bestimmbar.

34

Anders als im Fall des OLG Düsseldorf – wo nur die Tief-und Rohbauarbeiten beauftragt waren – hat die genannte GmbH den Auftrag zur Errichtung eines Einfamilienhauses im Sinne einer Generalunternehmerin erhalten, auch wenn ein abgrenzbarer Teil – nämlich die besondere Bodenplatte – aus dem Auftrag herausgenommen worden ist. Der Fall liegt nicht anders, als wenn nach Abriss eines Altbaubestandes auf der noch erhalten gebliebenen Bodenplatte ein Neubau errichtet wird und dazu einem Unternehmen der Generalauftrag erteilt wird (wie dies etwa nach Zerstörung des Altbaus oberhalb der Bodenplatte durch Brandschaden vorkommen kann).  

3.

35

Der Senat folgt nicht der Auffassung der Berufung, die nötige Kenntnis des Beklagten, dass es sich bei dem erhaltenen Werklohn um Baugeld im Sinne des § 1 GSB handele, sei nicht dargelegt und lasse sich nicht feststellen.

36

Zwar muss ein Verstoß gegen § 1 GSB vorsätzlich erfolgen, es reicht aber ein bedingter Vorsatz (BGH WM 2002,861 bei juris Rn. 8 ff). Hier sind ausreichend konkrete Umstände dargelegt, aus denen der Schluss gezogen werden kann, dass dem Baugeldempfänger Anhaltspunkte dafür vorlagen, es handele sich bei dem von den Bauherrn empfangenen Geldern um Fremdmittel, die durch eine Grundschuld oder Hypothek an dem zu bebauenden Grundstück gesichert waren (zu diesen Kriterien vgl. OLG Brandenburg, OLGR Brandenburg 1999, 398 ff. bei Juris Rn. 30, 32). Ein bedingter Vorsatz liegt bereits dann vor, wenn der Geschäftsführer der GmbH das Vorliegen von Baugeld billigend in Kauf nimmt. Mit einer Finanzierung über dinglich gesicherte Fremdmittel muss jedenfalls "ab einer gewissen Größenordnung … bei nahezu allen Bauvorhaben ernsthaft" gerechnet werden (OLG Dresden, a. a. O., bei Juris Rn. 36; Werner/ Pastor, a. a. O., Rn. 1871; vgl. auch BGH WM 2002, 861 bei juris Rn. 11).

37

Im vorliegenden Fall ist der GmbH unstreitig eine Finanzierungsbestätigung vorgelegt worden. Der Einsatz von Fremdmitteln einer Bank zur Finanzierung des Bauvorhabens war dort mithin bekannt. Der Beklagte hat die seinerzeitige Kenntnis von der grundbuchlichen Absicherung nicht ausreichend bestritten. Denn er hat dazu erstinstanzlich in der Klagerwiderung (Bl. 43 d.A.) nur geschrieben: "Ob und in welcher Weise eine Absicherung durch welche Bank erfolgte, entzieht sich der Erinnerung des Beklagten". Im übrigen stammt die unstreitig vorgelegte Bankbestätigung von der "Deutschen Genossenschafts-Hypothekenbank AG", die sich also schon nach ihrem Namen mit grundbuchlich gesicherten Krediten beschäftigt. Vor diesem Hintergrund hatte der Beklagte jedenfalls ausreichende Hinweise für eine grundbuchliche Absicherung. Angesichts der genannten Umstände musste der Beklagte als in der Baubranche tätiger Unternehmer  mit der dinglichen Absicherung des Kredits an dem Baugrundstück rechnen, so dass ein bedingter Vorsatz nicht fehlt.

38

Hatte sich der Beklagte eigens eine Bankbestätigung über die Finanzierung der Baukosten vorlegen lassen, so kann er bei lebensnaher Betrachtung nicht geltend machen, er habe aber nicht sicher gewusst, ob tatsächlich diese Bankmittel später geflossen seien. Unstreitig ist der GmbH der Werklohn über die genannte Bank ausgezahlt worden.

4.

39

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

40

Der Senat hat die Revision nach § 543 II Nr. 2 ZPO zugelassen, weil in Anbetracht der zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf nicht gänzlich geklärt ist, ob Empfänger von Baugeld im Sinne des Schutzgesetzes § 1 Abs. 1 S. 1 GSB auch sein kann, wer nicht mit allen Teilen der Errichtung eines Gebäudes befasst ist, auch wenn er dem Leitbild nach die Rolle eines Generalunternehmers behält.


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.