Oberlandesgericht Koblenz Urteil, 15. Juli 2011 - 1 U 133/11

ECLI:ECLI:DE:OLGKOBL:2011:0715.1U133.11.0A
15.07.2011

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Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 13. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin verfolgt gegenüber der beklagten - verbandsangehörigen - Stadt als Straßenreinigungspflichtige und zugleich als Eigentümerin der erschlossenen Grundstücke Schadensersatzansprüche wegen eines behaupteten Sturzes auf schneeglatter Straßenfläche.

2

Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

3

In der Satzung über die Reinigung öffentlicher Straßen der beklagten Stadt vom 5. Juli 1983 (Anlage K 3; Bl. 10 ff. GA) heißt es:

4

§ 1Reinigungspflicht

5

(1) Die Straßenreinigungspflicht, die gemäß § 17 Abs. 3 LStrG der Gemeinde obliegt, wird den Eigentümern oder Besitzern derjenigen bebauten oder unbebauten Grundstücke auferlegt, die durch eine öffentliche Straße erschlossen werden oder an sie angrenzen. (…) Die Reinigungspflicht der Gemeinde als Grundstückseigentümern oder dingliche Berechtigte ergibt sich unmittelbar aus § 17 Abs. 3 LStrG. (…)

6

§ 3Gegenstand der Reinigungspflicht

7

(1) Die Reinigungspflicht umfasst die innerhalb der geschlossenen Ortslage gelegenen öffentlichen Straßen.

8

(2) Geschlossene Ortslage ist der Teil des Gemeindegebietes, der in geschlossener oder offener Bauweise zusammenhängend bebaut ist. Einzelne unbebaute Grundstücke, zur Bebauung ungeeignetes oder ihr entzogenes Gelände oder einseitige Bebauung unterbrechen den Zusammenhang nicht. Zur geschlossenen Ortslage gehört auch eine an der Bebauungsgrenze verlaufende, einseitig bebaute Straße, von der aus die Baugrundstücke erschlossen sind.

9

(…)

10

§ 6Umfang der Straßenreinigung

11

Die Reinigungspflicht umfasst insbesondere

12

1. (…),

13

2. die Schneeräumung auf den Straßen (§ 8),

14

3. das Bestreuen der Gehwege, Fußgängerüberwege und der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen bei Glätte (§ 9),

15

4. (…)

16

§ 8Schneeräumung

17

(1) Wird durch Schneefälle die Benutzung von Fahrbahnen und Gehwegen erschwert, so ist der Schnee unverzüglich wegzuräumen. Gefrorener oder festgetretene Schnee ist durch Loshacken zu beseitigen. (…)

18

(2) Die vom Schnee geräumten Flächen vor den Grundstücken müssen so aufeinander abgestimmt sein, dass eine durchgehende benutzbare Gehfläche gewährleistet ist. (…)

19

§ 9Bestreuen der Straßen

20

(1) Die Streupflicht erstreckt sich auf Gehwege, Fußgängerüberwege und die besonders gefährlichen Fahrbahnstellen bei Glätte. (…)

21

(4) Die Straßen sind erforderlichenfalls mehrmals am Tage so zu streuen, dass während der allgemeinen Verkehrszeiten 7.00 bis 20.00 Uhr auf den Gehwegen, Fußgängerüberwegen und besonders gefährlichen Fahrbahnstellen keine Rutschgefahr besteht.

22

(…)

23

Das Landgericht hat nach Anhörung der Klägerin mit Urteil vom 13. Januar 2011 (Bl. 63 ff. GA) die Klage abgewiesen; hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

24

Die Klägerin rügt „nicht ganz vollständige bzw. einseitig dargestellte“ tatbestandliche Feststellungen sowie eine rechtsfehlerhaft unterlassene Anwendung des vorliegend heranzuziehenden „Ortsrechts“ der beklagten Stadt (Reinigungssatzung). Zum fraglichen Unfallzeitpunkt sei dem hier gegenständlichen (Fußgänger-)Weg entlang der Straße „...[X]“, wie sich zwingend aus der Anhörung der Klägerin habe ergeben müssen (Sitzungsprotokoll vom 16. Dezember 2010; Bl. 54 f. GA), im Blick auf die Sperrung der Innenstadt wegen Straßen(um-)bauarbeiten eine „extreme Verkehrsbedeutung“ beigekommen; es habe sich um eine „allgemein bekannte und beliebte Spazierstrecke“ (Rundweg) gehandelt. Dem angefochtenen Urteil sei zwar insofern zuzustimmen, als dort eine allgemeine Verkehrssicherungspflichtverletzung der öffentlichen Hand verneint werde; es ignoriere indessen vollkommen - entscheidungserheblich - das geltende Ortsrecht, namentlich die sich hieraus ergebenden Räum- und Streupflichten (§§ 8 und 9 der Reinigungssatzung). Die beklagte Stadt müsse sich gerade so wie jeder Anlieger, dem sie Reinigungspflichten überbürdet habe, behandeln lassen; bereits das Abstreuen der fraglichen Örtlichkeit hätte den Unfall der Klägerin verhindert. Ein Mitverschulden am Unfallgeschehen könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden. Sie habe keine „Abkürzung aus Bequemlichkeit“, sondern für ihren üblichen Nachmittagsspaziergang den damals „sichersten Weg“ gewählt.

25

Die Klägerin beantragt,

26

das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 13. Januar 2011 abzuändern und

27

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen infolge des von der Klägerin erlittenen Unfalls vom Sonntag, 20. Dezember 2009, ca. 16.30 Uhr, auf dem Bürgersteig in der Gemeinde ...[Y] gegenüber der Sonderschule (Gehweg am Gemeindeparkplatz) - Sturz durch Schnee/Eisglätte mit Unfallverletzung, insbesondere Bruch des rechten Oberarms -, soweit die Schadensersatzansprüche nicht auf den Träger der Sozialversicherung übergegangen sind beziehungsweise übergehen;

28

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt, welches für den Fall der Säumnis einen Betrag in Höhe von 12.000,00 € nicht unterschreiten sollte, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Juli 2010;

29

3. die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Auslagen/Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.023,16 € zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. September 2010.

30

Die Beklagte beantragt,

31

die Berufung zurückzuweisen.

32

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht. Die Straßenbauarbeiten hätten sich ausschließlich auf den Fahrzeugverkehr bezogen; eine Umleitungs-/Einbahnregelung für den Fußgängerverkehr habe es gerade nicht gegeben (Verkehrskonzept Bl. 125 ff. GA). Eine gegenüber der öffentlich-rechtlichen Räumpflicht erweiterte Pflichtstellung könne durch das Ortsrecht nicht statuiert werden. Sei die Ortsgemeinde als Grundstückseigentümerin schon nicht Adressat der Reinigungssatzung, so könne der Ortsgesetzgeber keinen vom Regelungsgehalt des Landesstraßengesetzes abweichenden Umfang der Streupflicht normieren; eine Ausdehnung wäre nämlich nicht mehr von der Ermächtigungsnorm in § 17 Abs. 3 LStrG gedeckt. Im Ergebnis könne aber dem Landgericht jedenfalls darin beigetreten werden, dass eine Haftung der Beklagten wegen eines weit überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin ausscheide.

Entscheidungsgründe

II.

33

Die - zulässige - Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

34

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die beklagte Stadt wegen Verletzung der ihr obliegenden Straßenreinigungspflicht besteht bereits dem Grunde nach nicht.

35

Es wird auf die ausführlichen Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Bezug genommen, die wie folgt zusammengefasst und ergänzt werden:

36

1. Die Berufung wendet sich allein gegen die Verneinung der Haftung der beklagten Stadt als Anliegerin/Grundstückseigentümerin nach allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätzen (Räum- und Streupflicht nach der örtlichen Reinigungssatzung). Die Verneinung der Haftung nach amtshaftungsrechtlichen Grundsätzen (§§ 17, 48 Abs. 2 LStrG; vgl. hierzu Senatsurteil vom 27. Oktober 2010 - 1 U 170/10 - VRR 2011, 67; zur überkommenen „polizeilichen“ Reinigungspflicht der Ortsgemeinde vgl. BGH VersR 1997, 311) wird hingegen ausdrücklich hingenommen. Das Verhältnis der unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen bedarf daher im Streitfall ebenso wenig einer näheren Erörterung wie eine gegebenenfalls bei der beklagten Stadt verbliebene Überwachungspflicht (vgl. zur sog. elektiven Konkurrenz Unberath in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Auflage 2008, § 262 Rn. 5; zu alternativen Begründungselementen innerhalb eines prozessualen Anspruchs vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2011 - XII ZB 572/10 -).

37

2. Das Landgericht hat im Ergebnis mit Recht eine Schadensersatzverpflichtung der beklagten Stadt wegen Verletzung der diese als Anliegerin selbst treffenden Räum- und Streupflichten (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 8 und 9 der Reinigungssatzung vom 5. Juli 1983) verneint.

38

a) Die beklagte Stadt hat - gestützt auf die Ermächtigungsgrundlage in § 17 Abs. 3 Satz 5 und 6 LStrG i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 1 GemO (vgl. allg. zur sachlichen Rechtfertigung BVerwGE 22, 26 ff.; Lange/Schmidbauer in: jurisPK-BGB 5. Auflage § 823 Rn. 145) - die Straßenreinigungspflicht, namentlich auch die Schneeräumung auf den Fahrbahnen und Gehwegen sowie das Bestreuen der Gehwege, Fußgängerüberwege und der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen bei Glätte (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 und 3 LStrG), den Eigentümern oder Besitzern derjenigen bebauten oder unbebauten Grundstücke auferlegt, die durch eine öffentliche Straße erschlossen werden oder die an sie angrenzen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der Reinigungssatzung vom 5. Juli 1983). Die beklagte Stadt ist - unstreitig - Eigentümerin der Anliegergrundstücke (Parkplatz) im Bereich der von der Klägerin behaupteten Unfallstelle (Gehweg der Straße „...[X]“ gegenüber der ...[A]schule [Luftbilder Bl. 8 und 43 GA; Beschilderungsplan/Flurkarte Bl. 134 GA]). In Ansehung der ihr insoweit auferlegten Verkehrssicherungspflicht wird die beklagte Stadt nicht als Hoheitsträgerin tätig; sie haftet - ebenso wie ein privater Anlieger - nach allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätzen (BGH MDR 1992, 750 Tz. 13; Lange/Schmid-bauer a.a.O.; Reinert in: Bamberger/Roth a.a.O. § 839 Rn. 49). Die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 3 der Reinigungssatzung setzt sich hiermit nach dem Verständnis des Senats nicht in Widerspruch.

39

b) Nach der ständigen ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung – auch derjenigen des Senats – richten sich Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht nach den Umständen des Einzelfalles. Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht steht unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es namentlich auch auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt. Grundsätzlich muss sich der Straßenverkehr auch im Winter den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen. Der Sicherungspflichtige hat aber durch Schneeräumen und Bestreuen mit abstumpfenden Mitteln die Gefahren, die infolge winterlicher Glätte für den Verkehrsteilnehmer bei zweckgerechter Wegebenutzung und trotz Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bestehen, im Rahmen und nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze zu beseitigen (vgl. BGHZ 112, 74, 75; BGH NJW 1993, 2802 ff.; 2003, 3622 f.; Senat VRR 2011, 67; Reinert in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Auflage 2008, § 839 Rn. 46 ff.).

40

Die Straßenreinigungspflicht und damit als deren Teilbereich auch die winterliche Räum- und Streupflicht obliegt gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 LStrG unmittelbar der (Orts-)Gemeinde; es handelt sich nicht um eine der Verbandsgemeinde übertragene Aufgabenerfüllung im Zuständigkeitsbereich der Straßenbaubehörde (§ 68 Abs. 2 Satz 1 GemO i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 2 LStrG; vgl. BGH VersR 1997, 311 ff.). Eben diesen („polizeilichen“ und in Rheinland-Pfalz zugleich auch „verkehrsmäßigen“; vgl. BGH VersR 1997, 750 ff.) Pflichtenkreis hat die beklagte Stadt als örtlicher Gesetzgeber nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 1 Abs. 1 Satz 1 der Reinigungssatzung vom 5. Juli 1983 in seiner Gesamtheit namentlich den Eigentümern der Anliegergrundstücke als privatrechtliche Verkehrssicherungspflicht überbürdet. Diese haben mithin anstelle der Gemeinde, bei der eine Überwachungspflicht verbleibt (BGH NJW 1992, 2476; VersR 1997, 750 Tz. 6; Spindler in: Bamberger/Roth a.a.O. § 823 Rn. 333), deren - gesetzliche - Straßenreinigungspflichten zu erfüllen (Delegation). Eine darüber hinausgehende, weiter gezogene Pflichtenstellung des privaten Anliegers statuiert die gegenständliche Reinigungssatzung ersichtlich nicht. Es bedarf daher im Streitfall auch keiner Erörterung, ob eine derartige, die privatrechtlichen Verkehrssicherungspflichten „intensivierende“ Satzungsregelung überhaupt noch von der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt sein könnte (vgl. zur verfassungsrechtlichen Schranke der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit OLG Thüringen NVwZ-RR 2006, 60 Tz. 20; OLG Zweibrücken OLGR 2001, 99). Die behauptete Sturzstelle betrifft den öffentlichen Straßenbereich (§§ 1 Abs. 3 Nr. 2, 3 Nr. 3 Buchst. a LStrG); eine Verkehrssicherungspflichtigkeit für eine auf dem Anliegergrundstück selbst liegende Zuwegung steht nicht in Rede.

41

c) An dem so bestimmten Pflichtenkreis der Grundstückseigentümer respektive Anlieger hat sich auch die (einschränkende; „verfassungskonforme“) Auslegung der in §§ 8 und 9 der Reinigungssatzung konkretisierten - überwälzten - Räum- und Streupflichten auszurichten. Dies gilt im Besonderen hinsichtlich der gegenständlichen, zeitlichen sowie räumlichen Modalitäten (vgl. BGH VersR 1997, 750 Tz. 21 expressis verbis zur Inhaltsgleichheit der spezialgesetzlichen „polizeilichen“ Reinigungspflicht mit der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht privatrechtlicher Natur). Eine winterliche Reinigungspflicht zum Schutze der Fußgänger besteht danach im Ausgangspunkt - auch - für die Anlieger nur insoweit, als dies für den Verkehr tatsächlich notwendig ist; ein innerörtlicher Gehweg ist nur dann zu räumen und zu streuen, wenn und soweit hierzu ein berechtigtes Bedürfnis des Verkehrs besteht (vgl. BGHZ 112, 74, 76; NZV 1995, 144; Thüringer OLG a.a.O.). Es ist darauf abzustellen, ob der Fußgänger bei vernünftigen Sicherheitserwartungen mit der Räumung des Gehweges rechnen darf oder nicht; von der Streupflicht auszunehmen sind daher tatsächlich entbehrliche Wege, für die ein echtes, jederzeit zu befriedigendes Verkehrsbedürfnis nicht besteht (OLG Hamm OLGR 2004, 38, 39; Thüringer OLG a.a.O.; OLG Dresden OLGR 2003, 293 ff.; Lange/Schmidbauer a.a.O. Rn. 154).

42

In Anwendung dieser Grundsätze bestand im vorliegenden Fall eine Verkehrssicherungspflicht der beklagten Stadt als Anliegerin von vornherein nicht. Das Landgericht hat tatbestandlich - insofern unbeanstandet und im Einklang mit der zur Akte gelangten Dokumentation (Luftbilder Bl. 8 und 43 GA; Beschilderungsplan/Flurkarte Bl. 134 GA) - für den Bereich der von der Klägerin behaupteten Unfallstelle festgestellt (LGU S. 3 und 7), dass die abseits des Zentrums gelegene Straße „...[X]“ dort keine Wohnbebauung, sondern nur „zwei sonntags geschlossene Schulen“ erschließt, sowie des Weiteren, dass die dort „eben verlaufende“ Straßenfläche keine „besondere Gefahrenstelle“ darstellte. Dies trägt in rechtlicher Hinsicht auch nach der Auffassung des Senats die Feststellung, dass dem besagten Straßenbereich jedenfalls am behaupteten Unfalltag, einem Sonntag, keine die Reinigungspflicht auslösende Bedeutung für den Fuß- respektive Spaziergängerverkehr zukam. Die Bekundung der Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Landgericht zeigt insofern - entgegen der Rüge der Berufung - keinen Widerspruch auf. Die dort angesprochene (baustellenbedingte) Verkehrs-umleitung hatte für Fußgänger, wie die Berufungserwiderung unwidersprochen dargelegt hat, keinerlei Auswirkung.

43

d) Die auf die Anlieger überwälzte Reinigungspflicht umfasst im Übrigen nach der Maßgabe von § 3 Abs. 1 und 2 der Reinigungssatzung - im Einklang mit § 17 Abs. 1 Satz 1 LStrG - nur die „innerhalb der geschlossenen Ortslage gelegenen öffentlichen Straßen“. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung offengelegt, dass von dieser tatbestandlichen Voraussetzung - nach der konkreten Lage der behaupteten Unfallstelle (keine zusammenhängende Bauweise; auch keine an der Bebauungsgrenze verlaufende, einseitig bebaute Straße) - gerade nicht ausgegangen werden kann. Hieran wird festgehalten.

44

e) Der Senat hat schließlich in der mündlichen Verhandlung - ergänzend - darauf hingewiesen, dass eine Haftung der beklagten Stadt nach der Lage der Dinge in jedem Fall aufgrund des deutlich überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin am Hergang des behaupteten - bedauerlichen - Unfalls ausscheidet (§ 254 Abs. 1 BGB). Insofern wird auf die betreffenden Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, gegen die durchgreifende Bedenken nicht bestehen.

III.

45

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

46

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache betrifft die Entscheidung in einem Einzelfall (Auslegung einer örtlichen Reinigungssatzung) und hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch ist der Streitfall zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu eröffnen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

V.

47

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird gemäß §§ 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO festgesetzt auf17.000 Euro.

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(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 29. Januar 2010 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits im ersten und zweiten Rechtszug trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin nimmt die beklagte Stadt wegen eines Glatteisunfalls auf einem öffentlichen Parkplatz auf Schmerzensgeld und weiteren Schadensersatz in Anspruch.

2

Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

3

Die Klägerin hatte in der Klageschrift vorgetragen, dass der Parkplatz zur betreffenden Zeit „vollkommen vereist“ gewesen sei; in ihrer Replik (Schriftsatz vom 20. März 2007 – Bl. 42 ff. GA – i.V.m. Schriftsatz vom 27. März 2007 – Bl. 77 GA –) hat sie dies dahingehend „relativiert“, dass die Vereisung „in dem Bereich, in dem [sie] letztlich zu Fall geraten ist“ vorgelegen und sie „beim erstmaligen Queren des Parkplatzes (…) eine Eisglätte nicht bemerkt“ habe.

4

Das Landgericht hat – nach Anhörung der Klägerin (Protokoll Bl. 107 ff. GA) und Beweisaufnahme (Zeugen; Sachverständigengutachten) – mit Urteil vom 29. Januar 2010 (Bl. 285 ff. GA) der Klage im Wesentlichen stattgegeben; hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

5

Die Beklagte rügt, dass schon vom Sachvortrag der Klägerin die Annahme einer schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht getragen werde; eine Räum- und Streupflicht bestehe nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nämlich nur bei „allgemeiner Glättebildung“. Aber auch das Ergebnis der vom Landgericht ungeachtet des unschlüssigen Klagevorbringens durchgeführten Beweisaufnahme rechtfertige den festgestellten Haftungsgrund nicht; es sei kein anderer Geschehensablauf denkbar als derjenige, dass in der kurzen Zeitspanne zwischen dem ersten Eintreffen der Klägerin einerseits und deren Rückkehr andererseits eine „plötzliche Glättebildung“ aufgetreten sei. Jedenfalls aber liege – vorsorglich – ein anspruchsminderndes, wenn nicht sogar haftungsausschließendes Mitverschulden der Klägerin am Unfallgeschehen vor; aus Sicht der Klägerin sei am besagten Tage generell mit einer Glättebildung durch überfrierendes Tauwasser auf dem Parkplatzgelände zu rechnen gewesen. Schließlich sei auch – weiter vorsorglich – das vom Landgericht bemessene Schmerzensgeld übersetzt.

6

Die Beklagte beantragt,

7

das Urteil des Landgerichts Trier vom 29. Januar 2010 teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

9

die Berufung zurückzuweisen.

10

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil nach Grund und Höhe des festgestellten Schadensersatzanspruchs. Die Streupflicht der beklagten Stadt sei am Morgen des Unfalltages gegeben gewesen (06.00 Uhr; -3° C); die Beweisaufnahme und –wür-digung im ersten Rechtszug habe dies bestätigt. Die von der Berufung herausgestellte angebliche „Blitzeisbildung“ (Ausnahmesituation) sei schon in tatsächlicher Hinsicht nicht nachvollziehbar; sie – die Klägerin – habe auf dem Hinweg keine Glätte festgestellt und habe deshalb auch auf dem („vorsichtig gegangenen“) Rückgang von fehlender Glätte ausgehen dürfen.

Entscheidungsgründe

II.

11

Die – zulässige – Berufung hat in der Sache Erfolg.

12

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die – verbandsangehörige – beklagte Stadt wegen schuldhafter Verletzung der Räum- und Streupflicht (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG; § 48 Abs. 2 LStrG) besteht bereits dem Grunde nach nicht.

13

1. Der hier gegenständliche Parkplatz in der …[X] Straße in …[Y] (Lichtbilder Bl. 116 – 118 GA) steht als Gemeindestraße (§ 3 Nr. 3 Buchst. a LStrG) in der Unterhaltungslast der beklagten Stadt (§ 11 Abs. 1, 14 LStrG). Der Träger der Straßenbaulast soll nach besten Kräften auch die Straßen von Schnee räumen und bei Schnee- und Straßenglätte streuen (§ 11 Abs. 2 LStrG). In Rheinland-Pfalz besteht daneben die öffentlich-rechtlich ausgestaltete Amtspflicht der Gemeinden zur Straßenreinigung (§§ 17, 48 Abs. 2 LStrG); sie entspricht inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (BGH NJW 1993, 2802). Die Reinigungspflicht obliegt unmittelbar der (Orts-)Gemeinde (§ 17 Abs. 3 Satz 1 LStrG); sie umfasst insbesondere auch das Bestreuen der Gehwege, Fußgängerüberwege und der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen bei Glätte (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LStrG). Es handelt sich nicht um eine der Verbandsgemeinde übertragene Aufgabenerfüllung im Zuständigkeitsbereich der Straßenbaubehörde (§ 68 Abs. 2 Satz 1 GemO i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 2 LStrG; vgl. BGH VersR 1997, 311 f. zur überkommenen „polizeilichen Reinigungspflicht“).

14

2. Nach der ständigen ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung – auch derjenigen des Senats – richten sich Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht nach den Umständen des Einzelfalles. Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Räum- und Streupflicht steht unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es namentlich auch auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt. Grundsätzlich muss sich der Straßenverkehr auch im Winter den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen. Der Sicherungspflichtige hat aber durch Schneeräumen und Bestreuen mit abstumpfenden Mitteln die Gefahren, die infolge winterlicher Glätte für den Verkehrsteilnehmer bei zweckgerechter Wegebenutzung und trotz Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bestehen, im Rahmen und nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze zu beseitigen (vgl. BGHZ 112, 74, 75; BGH NJW 1993, 2802 ff.; 2003, 3622 f.; Senatsurteil vom 18. August 2010 – 1 U 201/10 –; Reinert in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Auflage 2008, § 839 Rn. 46 ff.).

15

Zum Schutze des Fußgängerverkehrs müssen innerhalb der geschlossenen Ortschaft die belebten, über die Fahrbahn führenden unentbehrlichen Fußgängerüberwege bestreut werden; soweit es um die Sicherung von Örtlichkeiten geht, an denen regelmäßig oder zu bestimmten Zeiten starker Fußgängerverkehr herrscht, kann den Pflichtigen eine gesteigerte Sicherungspflicht treffen (BGH NJW 1993, 2802). Die Fußgängerwege sind für den normalen Tagesverkehr zu sichern. Dabei braucht der Streudienst im Regelfall (zum Ausnahmefall des „vorbeugenden Streuens“ vgl. BGH VersR 1985, 189) erst eine angemessene Zeit nach Eintritt der Glätte zu beginnen; morgens müssen die Streuarbeiten aber so rechtzeitig einsetzen, dass der vor dem allgemeinen Tagesverkehr liegende Hauptberufsverkehr geschützt wird. Bei Auftreten von Glätte im Laufe des Tages ist dem Streupflichtigen wiederum eine gewisse Zeit zur Durchführung zuzubilligen; das Streuen ist in angemessener Zeit zu wiederholen, wenn das Streugut seine Wirkung verloren hat. Bei nachhaltigem Dauerschneefall oder fortdauerndem eisbildenden Regen darf das Streuen unterbleiben, falls es wirkungslos wäre; der Pflichtige braucht keine zwecklosen Maßnahmen zu ergreifen (BGH VersR 1987, 989 f.; Stein/Itzel/Schwall , Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrecht, 2005, Rn. 552 ff.).

16

Auf öffentlichen Parkplätzen müssen bei winterlicher Glätte die von den Kraftfahrzeugen befahrenen Teile zum Schutze der Fahrzeugbenutzer bestreut werden, wenn diese den betreffenden Bereich nicht nur wenige Schritte als Fußgänger betreten müssen und es sich um einen belebten Parkplatz handelt (BGH NJW 1966, 202; VersR 1983, 162). Eine umfassende Streu- und Räumpflicht besteht auch hier nicht; es reicht in der Regel aus, wenn den Fahrzeugbenutzern ein sicherer (Zugangs-)Weg zum weiterführenden Gehwegsbereich offensteht (vgl. Stein/ Itzel/Schwall a.a.O. Rn. 554 f.; Reinert a.a.O. Rn. 51).

17

Eine Streu- und Räumpflicht setzt grundsätzlich eine allgemeine Glättebildung und nicht nur das Vorhandensein vereinzelter Glättestellen voraus (BGH NJW 2009, 3302 ff.; VersR 1982, 299; Senatsurteil vom 27. August 2008 – 1 U 24/08 –). Der Verletzte trägt die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen, aus denen nach den gefestigten Rechtsprechungsgrundsätzen eine Streupflicht erwächst. Bei Glatteisunfällen sind die Regeln über den Anscheinsbeweis anwendbar, wenn der Verletzte innerhalb der zeitlichen Grenzen der Streupflicht zu Fall gekommen ist. Diese Beweiserleichterung greift aber erst dann Platz, wenn zuvor festgestellt ist, dass das Unfallereignis in einem Zeitraum stattgefunden hat, während dessen die Unfallstelle gestreut gewesen sein musste; dafür bleibt der Anspruchsteller beweisbelastet (BGH NJW 2009, 3302 ff.; NJW-RR 2005, 1185; Senatsurteil vom 18. August 2010 a.a.O.).

18

3. In Anwendung dieser Grundsätze kann im Streitfall – was die Berufung mit Recht rügt – der Sturz der Klägerin nicht auf eine Amtspflichtverletzung der zuständigen Bediensteten der Beklagten zurückgeführt werden. Es fehlt schon an der schlüssigen Darlegung der objektiven Verletzung einer der beklagten Stadt gegenüber der Klägerin obgelegenen Streupflicht.

19

a) Nach den aufgezeigten Rechtsprechungsgrundsätzen (sub II.2.) besteht eine Streu- und Räumpflicht der Gemeinde auf öffentlichen Parkflächen nicht generell und unbeschränkt, sondern vielmehr allein auf „belebten Parkplätzen“ und auch nur hinsichtlich eines (einzigen) frei zu haltenden Zugangswegs. Vortrag hierzu hat die Klägerin nicht gehalten noch hat das Landgericht insofern Feststellungen getroffen. Es mag aber zu Gunsten der Klägerin von einer entsprechenden Verkehrsbedeutung und Ausgestaltung des Parkplatzes …[X] Straße ausgegangen werden. Des Weiteren kann offen bleiben, ob die Klägerin, die nach ihrer Sachverhaltsschilderung (Protokoll Bl. 108 f. GA) den betreffenden Parkplatz gerade nicht als Fahrzeugbenutzerin (vgl. BGH NJW 1966, 202) in Anspruch genommen hat, überhaupt in den Schutzkreis einer Verkehrssicherungs- respektive Reinigungspflicht der Gemeinde einzubeziehen ist.

20

b) Nach dem – im Verlauf des Rechtsstreits korrigierten und sodann noch in der Berufungserwiderung (Schriftsatz vom 27. April 2010, Seite 4; Bl. 335 GA) bekräftigten – Klagevortrag war der gegenständliche Parkplatz beim „ersten Überqueren“ auf dem Hinweg zur Arztpraxis nicht großflächig vereist und die Klägerin hat auch sonst eine Eisglätte auf dem Parkplatz nicht festgestellt; beim „zweiten Überqueren“ auf dem Rückweg von der Arztpraxis ist die Klägerin sodann – wie sie weiter vorgetragen und erläutert hat (Protokoll Bl. 108 f. GA) – auf einem „vereisten (asphaltierten) Bereich“ des Parkplatzes unvermittelt zu Fall gekommen. Diese Unfallschilderung erlaubt – wie es der Senat in der mündlichen Verhandlung offen gelegt und mit den Parteien ausführlich erörtert hat – bei verständiger Würdigung den tatsächlichen Rückschluss, dass bei der Ankunft der Klägerin auf dem Parkplatz gerade keine „allgemeine Glätte“ vorherrschte, sondern allenfalls „vereinzelte Glättestellen“ vorhanden waren (vgl. BGH NJW 2009, 3302); bei ihrer Rückkehr hatten sich sodann möglicherweise weitere Glättestellen gebildet oder verstärkt. Dies harmoniert auch bruchlos mit den Bekundungen der vom Landgericht vernommenen Zeugen (Protokolle Bl. 107 ff. und Bl. 136 ff. GA). Im Besonderen der Zeuge Dr. …[A] hat – was die Klägerin noch im nachgelassenen Schriftsatz vom 14. Oktober 2010 (Bl. 346 ff. GA) ausblendet – ausdrücklich eine „Eisglätte des Parkplatzes wie bei sog. Blitzeis“ bekundet. Umstände oder auch nur Anhaltspunkte für eine sofortige Einschritts- oder vorbeugende Streupflicht der Beklagten, gerade im Zeitraum zwischen der ersten und zweiten Überquerung des Parkplatzes durch die Klägerin, sind weder dargetan noch überhaupt ersichtlich.

21

Soweit das Landgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung ausgeführt hat (LGU S. 6, dritter Absatz),

22

„Wenn die Klägerin dann gerade einmal eine halbe bis dreiviertel Stunde später auf dem asphaltierten Fahrweg zwischen den Stellplätzen auf eisglatter Fläche gestürzt ist, kann das Abstreuen (…) nicht ordnungsgemäß gewesen sein.“

23

verkennt dies die Grundsätze und die Grenzen des Anscheinsbeweises. Allein der Sturz auf Eisglätte erlaubt keinesfalls den tatsächlichen und rechtlichen Schluss auf eine Verletzung der gemeindlichen Streu- und Räumpflicht (vgl. Senatsurteil vom 18. August 2010 a.a.O.). Im Streitfall ist – wie gezeigt – nämlich schon nicht schlüssig vorgebracht, dass das Unfallereignis in einem Zeitraum stattgefunden hat, während dessen die fragliche Unfallstelle hätte abgestreut werden müssen. Der – im sachlichen Widerspruch zum Klagevortrag stehende – neue Sachvortrag im nachgelassenen Schriftsatz vom 14. Oktober 2010 vermag hieran nichts zu ändern.

III.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

25

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird gemäß §§ 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO festgesetzt auf 11.294 Euro.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 572/10
vom
15. Juni 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 85 Abs. 2, 139 Abs. 1, 233 Fd, 520 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2

a) Ist das angefochtene Urteil hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere
voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt
, muss die Berufungsbegründung das Urteil fristgerecht in allen diesen Punkten
angreifen und daher für jede der Erwägungen darlegen, warum sie die Entscheidung
nicht trägt; anderenfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (im Anschluss
an BGH Beschluss vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04 - NJW-RR 2006, 285).

b) Die Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze muss sich entweder - für alle
Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer
konkreten Einzelanweisung ergeben. Eine konkrete Einzelanweisung des
Rechtsanwalts an sein Büropersonal, einen fristwahrenden Schriftsatz per Telefax
zu übersenden, macht die weitere Ausgangskontrolle nicht entbehrlich (im Anschluss
an den Senatsbeschluss vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10 - NJW-RR 2010,
1648 Rn. 12 ff.).
BGH, Beschluss vom 15. Juni 2011 - XII ZB 572/10 - LG Dortmund
AG Dortmund
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juni 2011 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dose, Schilling und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 20. Oktober 2010 wird auf Kosten des Beklagten verworfen. Beschwerdewert: 940 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten um Räumung und Herausgabe einer Campingplatzparzelle. Das Urteil des Amtsgerichts wurde dem Beklagten am 22. Juli 2010 zugestellt. Noch am gleichen Tag legte er gegen dieses Urteil Berufung ein. Auf Antrag des Beklagten wurde die Berufungsbegründungsfrist bis zum 6. Oktober 2010 verlängert. Im Rahmen der Begründung eines Vollstreckungsschutzantrages , der am 11. August 2010 beim Landgericht einging, wandte sich der Beklagte auch gegen den vom Amtsgericht festgestellten Zahlungsverzug als Kündigungsgrund.
2
Am 7. Oktober 2010, einem Donnerstag, ging die Berufungsbegründung beim Landgericht ein, in der sich der Beklagte erneut gegen den Zahlungsverzug und erstmals auch gegen die Unzumutbarkeit der Fortführung des Pacht- verhältnisses aus weiteren vom Amtsgericht festgestellten Gründen wandte. Auf Hinweis des Landgerichts hat der Beklagte mit einem am 15. Oktober 2010 eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und seine Berufung erneut begründet.
3
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Eine Entscheidung des Beschwerdegerichts ist entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
5
Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Beklagten die begehrte Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verwehrt und seine Berufung als unzulässig verworfen.
6
1. Im Gegensatz zur Auffassung der Rechtsbeschwerde hat der Beklagte seine Berufung nicht rechtzeitig begründet.
7
a) Die Rechtsbeschwerde weist allerdings zutreffend darauf hin, dass der Vollstreckungsschutzantrag des Beklagten am 11. August 2010 und somit noch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist beim Landgericht eingegangen ist. Dieser Schriftsatz enthält zugleich eine vorläufige Berufungsbegründung. Zwar fehlt es an einem eigenständigen Berufungsantrag. Das Fehlen eines förmlichen Berufungsantrags ist aber unschädlich, wenn der Berufungsbegründung eindeutig zu entnehmen ist, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Änderungen erstrebt werden (BGH Beschluss vom 19. November 1987 - VII ZB 10/87 - BGHR ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 1 Berufungsantrag 1). An dieser schon früher geltenden Rechtslage hat sich durch das zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Zivilprozessreformgesetz nichts geändert. Die Neufassung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO konkretisiert zwar gegenüber § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO aF die inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsgründe. Dies bewirkt aber keine qualitative Änderung, sondern lediglich eine Präzisierung der Berufungsanforderungen, soweit es die Zulässigkeit der Berufung betrifft. Eine Verschärfung kann weder dem Gesetzestext noch den Materialien entnommen werden (Senatsbeschluss vom 28. Mai 2003 - XII ZB 165/02 - FamRZ 2003,

1271).

8
Indem der Beklagte "das Urteil… in vollem Umfang“ zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt hat, wird sein Begehren auf Klageabweisung hinreichend deutlich. Weil der rechtzeitig eingegangene Schriftsatz neben weiteren Angriffen zum Zahlungsverzug auch die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Beklagten trägt, ist er zugleich als Berufungsbegründung aufzufassen. Umstände, die dem entgegenstehen könnten, liegen hier nicht vor. Insbesondere hat sich der Beklagte ausdrücklich eine "weitergehende Berufungsbegründung" innerhalb der Begründungsfrist vorbehalten (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Dezember 2010 - XII ZB 140/10 - FamRZ 2011, 366 Rn. 6 und vom 18. Juli 2007 - XII ZB 31/07 - FamRZ 2007, 1726 Rn. 10).
9
b) Die rechtzeitig eingegangene vorläufige Berufungsbegründung steht der Verwerfung der Berufung gleichwohl nicht entgegen, weil mit ihr nicht alle alternativen Begründungselemente angegriffen wurden.
10
Hat das erstinstanzliche Gericht sein Urteil hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen und daher für jede der mehreren Erwägungen darlegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt, anderenfalls das Rechtsmittel unzulässig ist (BGH Beschluss vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04 - NJW-RR 2006, 285 Rn. 8 und Urteil vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 228/05 - NJW-RR 2007, 414 Rn. 10).
11
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Das Amtsgericht hatte den Räumungsanspruch auf eine berechtigte außerordentliche Kündigung gestützt , die es aus zwei alternativen Gründen für wirksam erachtet hat. Zum einen hatte das Amtsgericht einen zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden Zahlungsverzug angenommen. Daneben hat es auch das Verhalten des Beklagten, nämlich mehrfache und nachhaltige Beleidigungen der Klägerin und ihrer Verwandten, sowie den Vorwurf eines strafbaren Verhaltens für "mitentscheidend" erachtet. Auch dieser Umstand lasse erkennen, dass der Klägerin eine Fortsetzung des Pachtverhältnisses nicht weiter zumutbar sei. Darin liegt eine Alternativbegründung, die der Beklagte zwar in seiner verspätet eingegangen Berufungsbegründung, nicht aber bereits in dem rechtzeitig eingegangenen Schriftsatz vom 11. August 2010 angegriffen hat.
12
2. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht dem Beklagten die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt, weil auf der Grundlage seines Vortrags ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden nicht ausgeräumt ist.
13
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu prüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (Senatsbeschlüsse vom 22. September 2010 - XII ZB 117/10 - FamRZ 2010, 2063 Rn. 11 und vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07 - FamRZ 2008, 1515 Rn. 11 jeweils mwN). Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Fehlt es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die Einzelanweisung, einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellte ist dann zusätzlich anzuweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen (Senatsbeschlüsse vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07 - FamRZ 2008, 1515 Rn. 12 und vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722 Rn. 6). Eine konkrete Einzelanweisung des Rechtsanwalts an sein Büropersonal , einen Frist wahrenden Schriftsatz per Telefax zu übersenden, macht die weitere Ausgangskontrolle somit nicht entbehrlich (Senatsbeschluss vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10 - NJW-RR 2010, 1648 Rn. 12 ff.).
14
Mit seinem Wiedereinsetzungsantrag hat der Beklagte vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter habe die Kanzleiangestellte noch am Tag des Fristablaufs angewiesen, die Berufungsbegründung umgehend per Telefax an das Berufungsgericht zu senden. Dieser Weisung sei die Mitarbeiterin aus nicht erklärbaren Gründen nicht nachgekommen. Damit ist ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht ausgeschlossen. Das Wiedereinsetzungsgesuch verhält sich schon nicht zu der Frage, ob zur wirksamen Fristenkontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten ein Fristenbuch geführt wird. Insbesondere ist nicht vorgetragen, dass die darin eingetragenen Fristen - wie es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt wird - erst dann gelöscht werden dürfen, wenn die Versendung am gleichen Tag gesichert ist oder - bei Versendung per Telefax - der Zugang durch Kontrolle des Sendeberichts überprüft worden ist. Im vorgetragenen Umfang genügt die Organisation im Büro des Prozessbevollmächtigten des Beklagten mithin nicht der notwendigen Ausgangskontrolle, was dem Beklagten als Verschulden seines Rechtsanwalts gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.
15
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Berufungsgericht auch nicht verpflichtet, den Beklagten nach § 139 Abs. 1 ZPO auf seinen unzureichenden Vortrag zur Ausgangskontrolle hinzuweisen. Nach der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags besteht kein Anhaltspunkt für die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangte Ausgangskontrolle durch Führung eines Fristenkalenders. Ob der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist im vorliegenden Fall mittels eines gesondert geführten Kalenders kontrolliert wurde und die Frist erst nach einer Ausgangskontrolle gestrichen werden durfte, ist weder innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgetragen noch sonst ersichtlich. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt , der dem Senatsbeschluss vom 13. Juni 2007 (XII ZB 232/06 - FamRZ 2007, 1458) zugrunde lag. Wenn die insoweit darlegungspflichtige Prozesspartei nichts zur Ausgangskontrolle vorgetragen hat, ist das Gericht nicht nach § 139 Abs. 1 ZPO verpflichtet, auf den insoweit notwendigen Vortrag hinzuweisen. Der Vortrag des Beklagten zur Einzelanweisung genügt diesen Anforderungen nicht.
Hahne Weber-Monecke Dose Schilling Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Dortmund, Entscheidung vom 15.07.2010 - 405 C 8675/09 -
LG Dortmund, Entscheidung vom 20.10.2010 - 1 S 189/10 -

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.