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Die Gläubigerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruches des Schiedsverbandes der Republik China (Taiwan) vom 19.07.2006, in dem die Schuldnerin zur Zahlung von 377.300,- U.S.-Dollar und 296.250,- Neue Taiwan Dollar nebst Zinsen verurteilt ist.
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Die Gläubigerin trägt im Wesentlichen vor,
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sie habe den Schiedsspruch in beglaubigter Abschrift vorgelegt, weshalb ihr Antrag den Anforderungen an die Zulässigkeit genüge. Mit allen vorgetragenen Einwendungen gegen die Vollstreckbarerklärung sei die Schuldnerin präkludiert, weil sie in Taiwan als dem Schiedsort ein Aufhebungsverfahren fristgemäß nicht betrieben habe. Im Übrigen seien die vorgetragenen Einwendungen auch unbegründet. Die beglaubigte Übersetzung des chinesischen Schiedsspruchs und die englischsprachige Schiedsvereinbarung (S. 15 d.A.) mit späterem Zusatzmemorandum (S. 173 d.A.) seien eine ausreichende Grundlage zur sachlichen Prüfung der Einwendungen. Danach falle der Schiedsfall unter die Schiedsklausel. Das Schiedsgericht sei auch zutreffend gebildet worden. Die Schiedsklausel verweise auf Taiwan und nationalchinesisches Verfahrensrecht. Zwar sei ausdrücklich kein institutionelles chinesisches Schiedsgericht vereinbart, jedoch seien sich beide Parteien über die Anrufung eines institutionellen Schiedsgerichts einig gewesen, denn die Schuldnerin habe nie ein Ad-hoc-Schiedsgericht gefordert, sondern nur deutsche institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit. Es sei deshalb richtig gewesen, ersatzweise den chinesischen Schiedsverband um Benennung eines Schiedsrichters der Beklagtenseite zu bitten und nicht - wie beim Ad-hoc-Schiedsgericht - die staatliche chinesische Gerichtsbarkeit. Im Übrigen habe die Schuldnerin nichts zum nachteiligen Einfluss dieser Benennung auf das Verfahren dargetan. Die bloße Tatsache dreier Schiedsrichter chinesischer Staatsangehörigkeit begründe keinen Ordre public-Verstoß.
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Die Gläubigerin beantragt,
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1. Der Schiedsspruch des Schiedsverbands der Republik China (Taiwan) Nr. 42/94 Chung-Sheng-Ai vom 19. Juli 2006, erlassen durch das aus Frau Ying-Fang L. (Vorsitzende), Frau Shu-Yuan T. und Herrn Hsin-He Li. zusammengesetzte Schiedsgericht in Taipeh, Republik China (Taiwan), wonach die Schuldnerin zur Zahlung von 377.300,- US-Dollar und 296.250,- Neue Taiwan Dollar, jeweils nebst Zinsen von 5% seit 1. November 2003 bis zum Tilgungstag an die Gläubigerin verurteilt wurde, wird für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklärt.
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2. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
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3. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
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Die Schuldnerin beantragt,
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den Antrag auf Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs kostenpflichtig zurückzuweisen und festzustellen, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen sei.
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Die Schuldnerin trägt im Wesentlichen vor,
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der Antrag der Gläubigerin sei unzulässig, weil eine beglaubigte Urschrift der Schiedsvereinbarung mit Übersetzung fehle, ebenso wie dies bei dem zusätzlichen Memorandum der Parteien über die Abwicklung der streitgegenständlichen Geschäftsbeziehungen der Fall sei. Der Antrag sei aber auch unbegründet, weil der Rechtsstreit nicht unter die Schiedsklausel falle. Die ersatzweise Benennung eines Schiedsrichters habe nicht durch den chinesischen Schiedsverband, sondern durch ein staatliches Gericht erfolgen müssen. Die Bestellung dreier nationalchinesischer Schiedsrichter verletze das Neutralitätsgebot und damit den Ordre public.
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Der Antrag der Gläubigerin ist zulässig und begründet. Die Gläubigerin kann nach § 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. III und IV UNÜ die Vollstreckbarerklärung verlangen.
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1. Die Zulässigkeit des Antrags beurteilt sich nach §§ 1064 Abs. 1, 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Danach reicht - wie geschehen - die Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Schiedsspruches aus. Nach § 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. VII Abs. 1 UNÜ gehen die günstigeren nationalen Vorschriften dem strengeren Konventionsrecht vor, sodass entgegen Art. IV UNÜ die Vorlage der Schiedsvereinbarung im Original oder in beglaubigter Form ebenso wenig nötig ist wie eine Übersetzung (BGH NJW-RR 2004, 1504, 1505 I. Sp.).
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2. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist auch begründet (§ 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. III UNÜ). Denn die Schuldnerin ist nach der Rechtsprechung des Senats mit ihrer Berufung auf Anerkennungsverweigerungsgründe präkludiert, weil sie die fristgemäße Geltendmachung nach Maßgabe des nationalchinesischen Aufhebungsverfahrens versäumt hat (Beschlüsse vom 27.03.06 - 9 Sch 2/05 und vom 28.06.06 - 9 Sch 1/06 = SchiedsVZ 06, 282 mAnm
Gruber
).
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a) Nach überkommener Rechtsprechung können Anerkennungsverweigerungsgründe im Vollstreckbarerklärungsverfahren nur berücksichtigt werden, wenn eine zulässige und inhaltlich einschlägige Aufhebungsklage im Herkunftsstaat des Schiedsspruches nicht verfristet ist (wohl zuletzt BGH NJW-RR 2001, 1059 f.). Zwar ist unter Geltung des neuen § 1061 ZPO die Fortgeltung dieser Rechtsprechung bestritten (
Zöller/Geimer
, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 1061 Rn. 29; BayObLG NJW-RR 2001, 431; Schleswig RIW 2000, 706), weil Art. V UNÜ keine Regelung eines Rügeverlustes enthalte. Eine restriktive Handhabung von Anerkennungsbegründungen verwehrt den deutschen Gerichten aber weder die völkervertragliche Geltung des UNÜ noch seine Geltung als einfaches Recht aufgrund des Verweises in § 1061 ZPO. Das UNÜ verhindert keine anerkennungsfreundlichere Praxis nationalen Rechts (dazu Art. VII Abs. 1 UNÜ). Die teleologische Reduktion nationalen Rechts steht den Gerichten also nach wie vor frei, sodass alle Gründe auch unter der neuen Regelung fortbestehen, die eine Präklusion unter altem Recht gerechtfertigt haben (so insbesondere MünchKomm/
Münch
, ZPO, 2. Aufl. 2001, § 1061 Rn. 7;
Thomas/Putzo/Reichold
, 28. Aufl. 2007, § 1061 Rn. 6;
Musielak/Voigt
, ZPO, 5.Aufl. 2007, § 1061 Rn. 20; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2003 - 1 Sch 16/02 und 6/03; OLG Hamm SchiedsVZ 2006, 107, 108). Bei deutschen Schiedssprüchen geht die Neuregelung eindeutig von einer Präklusion bei versäumtem Aufhebungsverfahren aus (§ 1059 Abs. 2 S. 3 ZPO), ausländischen Präklusionsregelungen sollte deshalb in gleicher Weise Geltung verschafft werden, um dem Gedanken der Rechtssicherheit durch Schiedssprüche möglichst Rechnung zu tragen.
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b) Im Streitfalle handelte es sich unstreitig um einen nationalchinesischen Schiedsspruch (dazu auch S. 116 d.A.), der dem chinesischen Prozessvertreter der Schuldnerin am 11.08.2006 zugestellt wurde (Anlage Ast 3 zum Schriftsatz vom 25.06.07), spätestens aber der Schuldnerin in Deutschland vor dem 05.04.07 (S. 119 d.A.). Nach Art. 40 Abs. 2 des Arbitration Law of the Republic of China von 1998 ist eine Aufhebungsklage gegen nationalchinesische Schiedssprüche binnen 30 Tagen nach Kenntnis des Schiedsspruchs zu erheben. Diese Frist hat die Schuldnerin eindeutig versäumt.
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c) Die Schuldnerin konnte alle ihre wesentlichen Einwendungen im Rahmen einer Aufhebungsklage mit Präklusionsfrist vorbringen, sowohl die fehlende Erfassung des Streitfalles durch die Schiedsklausel (Art. 38 No. 1, 40 No. 1 Arbitration Law) als auch die Gesetzwidrigkeit der Zusammensetzung des Schiedsgerichts (Art. 40 No. 4 Arbitration Law), also insbesondere das vermeintlich falsche Benennungsverfahren durch den Schiedsverband statt durch staatliche Gerichte. Die behauptete fehlende Neutralität wegen einheitlicher Nationalität der Schiedsrichter hätte ebenfalls schon während des Verfahrens gerügt und vor staatliche Gerichte gebracht werden müssen (Art. 15 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 3, 40 No. 5 Arbitration Law).
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3. Im Übrigen erscheinen die Einwendungen der Schuldnerin aber auch sachlich unbegründet.
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a) Die Schiedsklausel erfasst nach Auffassung des Senats den Schiedsfall (Art. V 1 c UNÜ). Die weite Auslegung der Schiedsklausel des Art. 15 1 Exclusive Agent Agreement durch das Schiedsgericht ist insgesamt überzeugend. Denn der Wortlaut der Klausel ist sehr breit („… any dispute arising from or in connection with to the interpretation or execution of this Agreement …“). Es ist zwar richtig, dass die streitgegenständliche Verpflichtung des “Memorandum” nicht ursprünglicher Vertragsgegenstand des Handelsvertretervertrags war. Es ist aber trotzdem mit guten Gründen davon auszugehen, dass das „Memorandum“ mit seinen weiteren, wechselseitigen Pflichten auf der Basis der Handelsvertreterbeziehungen zustande kam und nicht als isolierte, völlig neue Vertragsbeziehung zu betrachten ist. Das „Memorandum“ (S. 173 d.A.) nimmt deshalb bei den Zahlungspflichten auch auf das „exclusive agent agreement“ ausdrücklich Bezug (Zif. 4: „In accordance with the exclusive agent agreement …“).
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b) Fehler bei Bildung des Schiedsgerichts vermögen eine Anerkennungsverweigerung ebenfalls nicht zu rechtfertigen (Art. V Abs. 1 d. UNÜ). Denn auch wenn man unterstellt, dass nicht der Schiedsverband, sondern staatliche Gerichte für die ersatzweise Benennung des Schiedsrichters zuständig gewesen wären (Art. 11-12 Arbitration Law), so bliebe doch substantiiert darzutun, inwieweit die Ernennung durch das staatliche Gericht möglicherweise zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätte (dazu statt vieler Musielak/Voit, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 1061 Rn. 17), insbesondere, dass dann z.B. kein weiterer Schiedsrichter gleicher Nationalität bestellt worden wäre, was die Schuldnerin als besonders beschwerlich darlegt. Im Übrigen hat die vom Schiedsgericht vorgenommene Auslegung der Schiedsklausel dahin, dass das einzige institutionelle Schiedsgericht in Taipei berufen sein solle, vieles für sich („…to submit such dispute to arbitration in Taipei …“). Wäre es nur darum gegangen, einen Schiedsspruch unter nationalchinesischem Schiedsverfahrensrecht zu vereinbaren, u.U. damit irgendeinen Schiedsort in Nationalchina, hätte man Taipei nicht erwähnen müssen. Auch enthalten Klauseln über ein Ad-hoc-Schiedsgericht regelmäßig einen Hinweis auf den Benennungsmechanismus, der hier fehlt, sodass der Gedanke einer Zuständigkeitsbegründung für die einzige örtliche institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit nahe liegt.
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c) In der bloßen Tatsache, dass die Nationalität aller drei Schiedsrichter mit der Nationalität einer Partei übereinstimmt, liegt noch kein Neutralitätsverstoß, der den Ordre public-Einwand (Art. V Abs. 2 b UNÜ) begründen könnte. Hierzu bedürfte es der Darlegung konkreter, den Eindruck der Parteilichkeit rechtfertigender Tatsachen.
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4. Nachdem die Schuldnerin mit ihren Anfechtungsgründen präkludiert war, bedurfte es keiner mündlichen Verhandlung (dazu BGHZ 142, 204, 207). Der Einwand der Präklusion war von der Gläubigerin ausführlich vorgetragen und begründet worden, ohne dass die Schuldnerin trotz ihrer Ankündigung in angemessener Frist erwidert hätte, sodass die Schuldnerin über diesen rechtlichen Gesichtspunkt ausreichend und eindrücklich informiert war (§ 139 Abs. 2 ZPO).
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