Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 11. Juli 2016 - 2 Ws 150/16

bei uns veröffentlicht am11.07.2016

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 15. Januar 2016 wird als unbegründet verworfen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen (§ 121 Abs. 4 StVollzG i.V.m. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

3. Der Geschäftswert des Verfahrens wird auf 50.- EUR festgesetzt (§§ 65, 60, 52 GKG).

Gründe

 
I.
Der Beschwerdeführer befindet sich in der Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt F. Am 18.09.2015 wurde von der Anstaltsleitung bekannt gegeben, dass WC-Reinigertabs nicht mehr beim Anstaltskaufmann zu erwerben seien. Dem Antragsteller wurde mitgeteilt, dass dieses Bezugsverbot auch für ihn gelte.
Am 22.09.2015 stellte der Untergebrachte einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem er die Aufhebung der Verfügung vom 18.09.2015 begehrt und die weitere Einkaufsmöglichkeit von WC-Reinigertabs erstrebt, die seit 2014 bestanden hat. Auf Aufforderung der Antragsgegnerin bietet der Anstaltskaufmann seit November 2015 als Ersatz WC-Frische Sticks an.
Mit der angefochtenen Entscheidung vom 15.01.2016, dem Untergebrachten zugestellt am 21.01.2016, wies das Landgericht Freiburg den Antrag zurück. Hiergegen richtet sich die am 27.01.2016 eingelegte, auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde des Untergebrachten.
II.
1. Die den Erfordernissen des § 118 StVollzG entsprechende Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen, § 116 Abs. 1 StVollzG. Der Fall gibt Veranlassung, Rechtsfragen, die sich aus der Regelung des § 81 JVollzGB V betreffend die Aufhebung von begünstigenden Maßnahmen ergeben und die durch obergerichtliche Entscheidungen nicht hinreichend geklärt sind, zu klären.
2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die von der Antragsgegnerin am 18.09.2015 durch nicht näher begründeten Aushang in der Justizvollzugsanstalt bekannt gemachte Entscheidung, dass ab sofort beim Anstaltskaufmann WC-Reinigertabs nicht mehr erworben werden dürfen, hat den Antragsteller zwar in seinen Rechten verletzt, da die Antragsgegnerin bei der Aufhebung der den Antragsteller begünstigenden Maßnahme entgegen der gesetzlichen Vorgabe des § 81 Abs. 4 Satz 1 JVollzGB V den Vertrauensschutz des Antragstellers bei Aufhebung der ihn begünstigenden rechtswidrigen Maßnahme nicht berücksichtigt hat, als sie zu diesem Zeitpunkt keine - erkennbare - Abwägung zwischen dem Vertrauen des Antragstellers in den Fortbestand der Maßnahme mit den vollzuglichen Interessen an der Aufhebung vorgenommen hat (BeckOK Strafvollzug Baden-Württemberg/Grube JVollzGB V § 81 Rn. 12; OLG Celle NStZ 2011, 704).
Nachdem die streitgegenständlichen WC-Reinigertabs als ätzender Stoff fraglos sicherheitsgefährdend verwendet werden und damit gemäß § 20 Abs. 2 JVollzGB V vom Einkauf ausgeschlossen sind und die Antragstellerin den Anstaltskaufmann mit den Reiniger-Sticks einen vergleichbaren Artikel als Ersatz in das Angebot hat aufnehmen lassen, war trotz des Ermessensnichtgebrauchs bei Erlass der Verfügung die Antragstellerin nicht zu verpflichten, den Antragsteller neu zu bescheiden, sondern die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen, da ein Fall der Reduzierung des Ermessens auf Null gegeben ist und nur noch die Entscheidung der Antragsgegnerin rechtlich vertretbar war (vgl. Arloth, StVollzG, 3. Aufl. 2011, § 115 Rn. 12; Bachmann in LNNV, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl. 2015, Abschn P Rn. 82 m.w.N.).
Im Einzelnen: Gemäß § 81 Abs. 4 JVollzGB V dürfen begünstigende Maßnahmen nach den Absätzen 2 oder 3 von § 81 JVollzGB Vnur zurückgenommen oder widerrufen werden, wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung in Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahmen überwiegen. § 81 Abs. 4 Satz 1 JVollzGB V enthält damit zur Berücksichtigung des Vertrauensschutzes eine bindende Vorgabe für die Aufhebung begünstigender Maßnahmen unabhängig davon, ob es sich um rechtmäßige oder rechtswidrige Maßnahmen handelt (BeckOK Strafvollzug Baden-Württemberg/Grube JVollzGB V § 81 Rn. 12). Diesen rechtlichen Maßstäben wird die ohne Begründung erfolgte Verfügung der Justizvollzugsanstalt vom 18.09.2015 nicht gerecht.
a. Die Gestattung des Erwerbs von Gegenständen beim Anstaltskaufmann (hier: WC-Reinigertabs) umfasst regelmäßig auch die Genehmigung zum Besitz dieser Gegenstände. Die erfolgte Untersagung des Erwerbs derartiger Gegenstände, stellt eine Regelung dar, die auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet war (Arloth, StVollzG, 3. Aufl. 2011, § 109 Rn. 7). Damit handelt es sich bei der mit Aushang bekannt gegebenen Entscheidung um die Aufhebung einer begünstigenden Maßnahme, für welche § 81 des am 01.06.2013 in Kraft getretenen JVollzGB V die Rechtsgrundlage bildet.
Nach der Gesetzesbegründung ist die Regelung subsidiär gegenüber besonderen Aufhebungsbestimmungen. Absatz 1 erstreckt den Anwendungsbereich auf alle Maßnahmen, die nach § 109 Absatz 1 Satz 1 StVollzG Gegenstand gerichtlichen Rechtsschutzes sein können. Die dortige weite Definition der Maßnahme wurde übernommen. Die in Absatz 2 und Absatz 3 getroffene Unterscheidung zwischen rechtswidrigen und rechtmäßigen Maßnahmen entspricht den Regelungen im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht. Dementsprechend ermöglicht Absatz 2 grundsätzlich die Rücknahme rechtswidriger Maßnahmen für die Zukunft oder für die Vergangenheit. Dies ist häufig erforderlich und geboten, um etwaige Folgewirkungen rechtswidriger Maßnahmen beseitigen zu können. Rechtmäßigen Maßnahmen ist eine höhere Rechtsbeständigkeit zuzuerkennen. Für deren Widerruf enthält Absatz 3 daher einschränkende tatbestandliche Voraussetzungen. Absatz 4 enthält eine bindende Vorgabe zur Berücksichtigung des Vertrauensschutzes Betroffener, der in Anlehnung an das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht gesetzlich verankert wurde. Führt die gebotene Abwägung zwischen Vertrauensschutz und vollzuglichen Interessen zu dem Ergebnis, dass Letztere überwiegen, bedeutet das nicht, dass Rücknahme und Widerruf zu erfolgen hätten, sondern nur, dass der Raum für weitere Ermessenserwägungen eröffnet ist. Die Bestimmung verzichtet auf eine nähere Ausdifferenzierung der Begriffe des schutzwürdigen Vertrauens und der vollzuglichen Interessen, da die entsprechenden Begriffe im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht etabliert sind. Lediglich der dort gebräuchliche weite Begriff des öffentlichen Interesses wird entsprechend dem Regelungsbereich dieses Gesetzes auf vollzugliche Interessen eingeengt (LT-Drs. 15/2450, Seite 85f).
10 
b. Das grundsätzliche Recht des Antragstellers zum Besitz von Gegenständen (wie der WC-Reinigertabs) ergibt sich aus der gemäß § 20 Abs. 1 JVollzGB V für Sicherungsverwahrte gegebenen Möglichkeit, unter Vermittlung der Justizvollzugsanstalt in angemessenem Umfang einzukaufen. Denn die Erlaubnis zum Erwerb von Gegenständen beinhaltet regelmäßig auch die Erlaubnis zum Besitz dieser Gegenstände, solange die Vollzugsbehörde keinen entsprechenden Vorbehalt einräumt (OLG Celle NStZ-RR, 2011, 31 und NStZ 2011, 704).
11 
c. Aus § 20 Abs. 2 JVollzGB V ergibt sich allerdings, dass Gegenstände, die die Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt gefährden, vom Einkauf ausgeschlossen sind und somit das Recht zum Einkauf - und damit auch Besitz von eingekauften Gegenständen - beschränkt ist (Nestler in LNNV, a.a.O., Abschn. F Rn. 12 m.w.N.).
12 
Das Tatbestandsmerkmal der Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, dessen Auslegung und Anwendung durch die Vollzugsbehörde der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt und sich am Verhältnismäßigkeits-grundsatz auszurichten hat (Arloth, StVollzG, 3. Aufl. 2011, § 22 Rn. 4; OLG Hamm, Beschluss vom 24.03.1995, 1 Vollz (Ws) 226/94, OLG Koblenz StV 1981, 184).
13 
Das Vorliegen einer Gefährdung der Sicherheit nach § 20 Abs. 2 JVollzGB V kann allein wegen der grundsätzlich gegebenen Eignung eines Gegenstandes für sicherheits- oder ordnungsgefährdende Verwendungen bejaht werden, sofern konkrete derartige Verwendungen nur mit einem unangemessenen Kontrollaufwand ausgeschlossen werden können (vgl. BVerfG NStZ 2003, 621; 1994, 453; OLG Naumburg, Beschluss vom 20. Juli 2011 - 1 Ws 70/11 - juris). Auch insoweit genügt schon die einem Gegenstand allgemein innewohnende Gefährlichkeit, ohne dass in der Person des Gefangenen liegende Anhaltspunkte für eine Gefährdung von Sicherheit und Ordnung vorliegen müssen (vgl. BVerfG a.a.O.). Die Rechtsprechung hat bei Anwendung dieser Maßstäbe den Ausschluss verschiedener Waren vom Anstaltseinkauf für zulässig erachtet (BeckOK Strafvollzug Baden-Württemberg/Egerer JVollzGB III § 18 Rn. 4 und 5 m.w.N.).Da die WC-Reinigertabs ätzenden Stoffe enthalten, ist die grundsätzliche Eignung dieses Artikels für sicherheits- oder ordnungsgefährdende Verwendungen im Sinne von § 20 Abs. JVollzGB V gegeben. Die Gestattung des Besitzes von unbekannten Mengen von WC-Reinigertabs war damit rechtswidrig, da sie § 20 Abs. 2 JVollzGB V widerspricht.
14 
d. In der Justizvollzugsanstalt F. war - nach dem von der Strafvollstreckungskammer festgestellten Sachverhalt - Sicherungs-verwahrten der Erwerb der streitgegenständlichen WC-Reinigertabs seit 2014 möglich. Unabhängig von der Frage, ob die Antragsgegnerin die Aufnahme dieses Produktes in die Liste des Anstaltskaufmanns im Jahr 2014 bemerkt hat, bestand nach dem festgestellten Sachverhalt seit 2014 für den Antragsteller die Möglichkeit zum Erwerb der WC-Reinigertabs. Damit lag eine den Antragsteller begünstigende rechtswidrige Maßnahme vor.
15 
e. Diese den Antragsteller begünstigende rechtswidrige Maßnahme wurde mit der Verfügung der Antragsgegnerin vom 18.09.2015 zurückgenommen, ohne dass sie die nach der Rechtsgrundlage für die Rücknahme einer begünstigenden Maßnahme erforderlichen Abwägung gemäß § 81 Abs. 4 JVollzGB V erkennbar durchgeführt und dem Antragsteller mitgeteilt hätte. Durch die Nichtberücksichtigung des bestehenden Vertrauensschutzes wurde der Antragsteller - entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer - in seinen Rechten verletzt.
16 
Es stand im Ermessen der Antragsgegnerin, die rechtswidrige Maßnahme der Gestattung des Einkaufs und Besitzes von ätzenden WC-Reinigertabs - derer sie sich bei einer Überprüfung der Einkaufsliste bewusst wurde - ganz oder teilweise zurückzunehmen, wobei sie, da es sich um eine begünstigende Maßnahme handelte, gemäß § 81 Abs. 4 JVollzGB V abwägen musste, ob die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung der Maßnahme gegenüber dem schutzwürdigen Vertrauen des Betroffenen auf den Bestand der Maßnahme überwiegen. Zu den vollzuglichen Interessen i.S.v. § 81 Abs. 4 JVollzGB V zählt insbesondere die Sicherheit der Einrichtung. Ob das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdig ist, ist erst durch die Abwägungsentscheidung zu klären (BeckOK Strafvollzug Baden-Württemberg/Grube JVollzGB V § 81 Rn. 12).
17 
Neben dem vollzuglichen Interesse an einer Entfernung der sicherheitsgefährdenden WC-Reinigertabs von der Einkaufsliste war das Interesse des Antragstellers daran, WC-Reinigermittel weiterhin selbst erwerben und besitzen zu können, in die Abwägung einzubeziehen. Rechtsfehlerfrei war nach dem festgestellten Sachverhalt gegenüber einer alleinigen Streichung dieses Artikels als milderes Mittel nur möglich, dem Antragsteller durch Aufnahme eines vergleichbaren Artikels in die Einkaufsliste weiterhin zu ermöglichen, einen nicht sicherheitsgefährdenden vergleichbaren Artikel (die WC-Frische-Sticks) erwerben und benutzen zu können und damit seinem insoweit schutzwürdigen Interesse so weit als möglich Rechnung zu tragen. Da nach dem hinreichend festgestellten Sachverhalt nur noch die von der Antragstellerin getroffene Entscheidung rechtlich vertretbar war, war eine Reduzierung des Ermessens auf Null gegeben, weshalb die Entscheidung im Ergebnis zutreffend ist und daher nicht aufzuheben war.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 11. Juli 2016 - 2 Ws 150/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 11. Juli 2016 - 2 Ws 150/16

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 11. Juli 2016 - 2 Ws 150/16 zitiert 10 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 116 Rechtsbeschwerde


(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. (2) Die Re

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 121 Kosten des Verfahrens


(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind. (2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Ver

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 109 Antrag auf gerichtliche Entscheidung


(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 118 Form. Frist. Begründung


(1) Die Rechtsbeschwerde muß bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, binnen eines Monats nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung eingelegt werden. In dieser Frist ist außerdem die Erklärung abzugeben, inwieweit die Entscheidung

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 60 Gerichtliche Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes


Für die Bestimmung des Werts in gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, ist § 52 Absatz 1 bis 3 entsprechend anzuwenden; im Verfahren über den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs ei

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 65 Wertfestsetzung in gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes


In gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, ist der Wert von Amts wegen festzusetzen. § 63 Absatz 3 gilt entsprechend.

Referenzen

(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind.

(2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. Hat sich die Maßnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen.

(3) Bei erstinstanzlichen Entscheidungen des Gerichts nach § 119a fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3.

(4) Im übrigen gelten die §§ 464 bis 473 der Strafprozeßordnung entsprechend.

(5) Für die Kosten des Verfahrens nach den §§ 109ff. kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

In gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, ist der Wert von Amts wegen festzusetzen. § 63 Absatz 3 gilt entsprechend.

Für die Bestimmung des Werts in gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, ist § 52 Absatz 1 bis 3 entsprechend anzuwenden; im Verfahren über den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs einer Maßnahme der Vollzugsbehörde oder auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gilt § 52 Absatz 1 und 2 entsprechend.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Die Rechtsbeschwerde muß bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, binnen eines Monats nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung eingelegt werden. In dieser Frist ist außerdem die Erklärung abzugeben, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Aufhebung beantragt wird. Die Anträge sind zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob die Entscheidung wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(3) Der Antragsteller als Beschwerdeführer kann dies nur in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle tun.

(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.

(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.

(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Dient die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches im Vollzug der Sicherungsverwahrung oder der ihr vorausgehenden Freiheitsstrafe, so ist dem Antragsteller für ein gerichtliches Verfahren von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen, es sei denn, dass wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint oder es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen kann. Über die Bestellung und einen Widerruf entscheidet der Vorsitzende des nach § 110 zuständigen Gerichts.