Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 04. März 2005 - 18 UF 231/03

bei uns veröffentlicht am04.03.2005

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Konstanz vom 16.8.2003 dahingehend abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

2. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt der Kläger

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der am 22.5.1991 geborene Kläger nimmt seinen Vater auf Kindesunterhalt für die Zeit ab Januar 1996 in Anspruch. Die Ehe der Eltern des Klägers, die sich im Jahre 1995 getrennt hatten, wurde mit Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Konstanz vom 30.8.2002 geschieden. Der Kläger lebt seit der Trennung der Parteien bei seiner Mutter. Der Beklagte ist Vater eines weiteren Kindes (Nico, geb. 3.1.2000).
Das Amtsgericht – Familiengericht – Konstanz hat den Beklagten mit Urteil vom 16.8.2003, der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt am 5.9.2003, zur Zahlung rückständigen Kindesunterhalts in Höhe von 16.072 Euro (Zeitraum 1.1.1996 bis 31.8.2003) sowie zur Zahlung laufenden Kindesunterhalts ab 1.9.2003 in Höhe von monatlich 204,50 Euro verurteilt.
Mit seiner am 1.10.2003 beim Oberlandesgericht Karlsruhe eingegangenen und fristgemäß begründeten Berufung macht der Beklagte geltend, dass Unterhaltsansprüche bis September 2001 verwirkt seien, da die Mutter des Klägers ihn lediglich mit Anwaltsschreiben vom 31.10.1995 und dann erst wieder im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens durch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Schriftsatz vom 22.10.2001 zur Zahlung von Kindesunterhalt (ab 1.10.2001) aufgefordert habe. Bis Ende 1999 habe er im übrigen den Kindesunterhalt regelmäßig bezahlt. Seit März 2000 sei er leistungsunfähig. Jedenfalls sei der Beklagte nicht zur Leistung von Unterhalt verpflichtet, da die Mutter des Klägers über deutlich bessere Einkommensverhältnisse verfüge.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Konstanz vom 14.8.2003 dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Seine Mutter habe den Beklagten auch nach dem Anwaltsschriftsatz vom 31.10.1995 in der Folgezeit immer wieder – mindestens drei- bis viermal im Jahr – zur Zahlung von Kindesunterhalt aufgefordert. Zahlungen seien nicht erfolgt. Der Beklagte sei auch leistungsfähig, da ihm ein fiktives Einkommen in der Größenordnung von 1.200 bis 1.300 Euro zuzurechnen sei. Ein erhebliches wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen den Eltern liege nicht vor, zumal die Mutter des Klägers überobligationsmäßig tätig sei.
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll vom 20.12.2004 Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Berufung hat Erfolg, da etwaige Unterhaltsrückstände bis September 2001 verwirkt sind und für die Zeit danach von Leistungsunfähigkeit des Beklagten auszugehen ist. Die Unterhaltsklage ist daher abzuweisen.
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1. Etwaige Unterhaltsrückstände bis September 2001 sind verwirkt.
12 
Der Beklagte ist dem Kläger gemäß §§ 1601, 1603 BGB grundsätzlich zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet. Dabei kann Unterhalt für die Vergangenheit nur ab Rechtshängigkeit oder ab Verzug verlangt werden (§ 1613 Abs. 1 BGB). Vorliegend hat die gemäß § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB vertretungsberechtigte Mutter des Klägers den Beklagten zwar mit Anwaltsschriftsatz vom 31.10.1995 in Verzug gesetzt. Der Kläger kann sich jedoch bzgl. der bis September 2001 aufgelaufenen Unterhaltsrückstände unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung nicht auf die Verzugsfolgen berufen. Denn die Mutter des Klägers hat dessen Unterhaltsansprüche in der Folgezeit nicht mehr geltend gemacht und erst im Rahmen des Scheidungsverfahrens mit Antragsschrift vom 22.10.2001, der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt am 25.10.2001, erneut Unterhalt – ab 1.10.2001 – gefordert. Erst mit dem im vorliegenden Verfahren unter dem 5.5.2003 eingereichten Antrag auf Prozesskostenhilfe wurden erstmals wieder Unterhaltsrückstände für die Zeit ab Januar 1996 verlangt. Soweit damit Unterhalt für die Zeit bis September 2001 verlangt wird, ist dieses Verhalten als illoyal verspätete Rechtsausübung zu qualifizieren, so dass dem Anspruch des Klägers der Einwand der Verwirkung entgegensteht.
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Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (sog. Zeitmoment), und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (sog. Umstandsmoment). Insofern gilt für Unterhaltsrückstände nichts anderes als für andere in der Vergangenheit fällig gewordenen Ansprüche (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung BGHZ 84, 280, 281; FamRZ 1988, 270 ff.; 2002, 1698 ff.; 2004, 531 ff.). Gerade bei derartigen Ansprüchen spricht sogar vieles dafür, an das sog. Zeitmoment der Verwirkung keine strengen Anforderungen zu stellen. Nach § 1613 Abs. 1 BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit ohnehin nur ausnahmsweise gefordert werden. Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, muss eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Andernfalls können Unterhaltsrückstände – wie das vorliegende Verfahren zeigt – zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen. Im übrigen sind im Unterhaltsrechtsstreit die für die Bemessung des Unterhalts maßgeblichen Einkommensverhältnisse der Parteien nach längerer Zeit oft nur schwer aufklärbar. Diese Gründe, die eine möglichst zeitnahe Geltendmachung auch von Unterhalt nahe legen, sind so gewichtig, dass das Zeitmoment der Verwirkung bereits dann erfüllt sein kann, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die etwas mehr als ein Jahr zurückliegen (BGH FamRZ 1988, 370, 372; FamRZ 2002, 1698, 1699). Denn nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1585 b Abs. 3, 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB verdient der Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes bei Unterhaltsrückständen für eine mehr als ein Jahr zurückliegende Zeit besondere Beachtung. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Unterhaltsansprüche teilweise (Zeitraum 1.8.2000 bis 31.5.2003) auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangen waren. Denn durch den gesetzlichen Übergang von Unterhaltsansprüchen wird deren Natur, Inhalt und Umfang nicht verändert. Deshalb ist es nicht von Bedeutung, dass die Unterhaltsvorschusskasse – anders als der Kläger – nicht lebensnotwendig auf die Realisierung der Forderungen angewiesen war (BGH FamRZ 2002, 1698, 1699).
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Diese Grundsätze gelten auch für Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes, das sich das Verhalten seiner Mutter zurechnen lassen muss (BGH FamRZ 1999, 1422; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1039, 1040). Insbesondere steht der Umstand, dass die Verjährung der Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes gegenüber seinen Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes gehemmt ist (§ 207 Satz 2 Nr. 3 BGB), der Annahme einer Verwirkung der Ansprüche während der Dauer der Minderjährigkeit nicht entgegen. Zu fordern ist allerdings, dass aus besonderen Gründen die Voraussetzungen sowohl des Zeit- als auch des Umstandsmoments der Verwirkung zu bejahen sind (BGH FamRZ 1999, 1422; im Ergebnis ebenso: OLG Hamm FamRZ 1996, 1239; OLG Naumburg FamRZ 1996, 1239, 1240; Johannsen/Henrich/Graba, Eherecht, 4. Aufl. 2003, § 1613 Rdnr. 10; Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl. 2004 Rdnr. 1227; krit.: Luthin/Seidel, Handbuch des Unterhaltsrechts sich, 10. Aufl. 2004, Rdnr. 3123; Brudermüller, NJW 2004, 633, 639; Büttner, FamRZ 2003, 449 f.).
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a) Für die Unterhaltsrückstände aus der Zeit vor Oktober 2001 ist das Zeitmoment unproblematisch erfüllt. Denn es ist davon auszugehen, dass die Mutter des Klägers den Beklagten erstmals wieder im Rahmen des Scheidungsverfahrens mit Antragsschrift vom 22.10.2001 zur Zahlung von laufendem Unterhalt ab 1.10.2001 aufgefordert hat. Rückstände aus der Zeit davor wurden erstmals wieder im vorliegenden Verfahren mit Antragsschrift vom 5.5.2003 verlangt. Bzgl. dieser Rückstände war die Mutter des Klägers mithin nach dem einmaligen Aufforderungsschreiben Ende 1995 insgesamt 7 ½ Jahre untätig, bzgl. des zuletzt fällig gewordenen Unterhalts (September 2001) hat sie gut 1 ½ Jahre verstreichen lassen, so dass auch insoweit nach der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung das Zeitmoment des Verwirkungstatbestands gegeben ist.
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(1) Soweit der Kläger behauptet, seine Mutter habe den Beklagten in der Zeit von 1996 bis 2000 bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder zur Unterhaltszahlung aufgefordert, ist dieser Vortrag nicht ausreichend substantiiert. Zwar ist für eine etwaige Verwirkung rückständigen Kindesunterhalts grundsätzlich der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Da es sich insoweit indes um die Darlegung einer negativen Tatsache handelt (der Beklagte behauptet, dass die Mutter des Klägers ihn seit Ende 1995 nicht mehr zur Zahlung von Kindesunterhalt aufgefordert hat), darf sich der Kläger nicht mit einem einfachen Bestreiten der entsprechenden Behauptung des Beklagten begnügen, sondern muss diese Behauptung seinerseits substantiiert bestreiten (BGH NJW 1958, 1188, 1189). Der Kläger wäre daher gehalten gewesen vorzutragen, wann, in welcher Form, bei welcher Gelegenheit, wie oft, unter Anwesenheit welcher Personen usw. seine Mutter den Beklagten zur Zahlung von Kindesunterhalt aufgefordert hat. Trotz des entsprechenden schriftlichen Hinweises mit Terminsverfügung vom 2.11.02 hat der Kläger seinen diesbezüglichen unbestimmten Vortrag indes nicht weiter präzisiert. Auch die mündliche informatorische Anhörung seiner Mutter im Termin am 20.12.2004 brachte insoweit keinen Erkenntnisgewinn. Im Gegenteil gewann der Senat durch die Anhörung den Eindruck, dass diese mit der unstreitig erfolgten pauschalen Bezahlung ihrer Arbeitsleistungen im Betrieb des Beklagten in gewisser Weise zufrieden gewesen ist und dass das Verhältnis der Eltern zueinander nicht durch eine genaue Abrechnung, sondern durch eine Vermischung der jeweiligen Vermögenssphären und Geldflüsse gekennzeichnet war. Da es damit an einem substantiierten Bestreiten der Behauptung des Beklagten fehlt, gilt diese gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
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(2) Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 18.2.2005 vorträgt, dass eine Bekannte der Kindesmutter mehrfach anwesend gewesen sei, als diese den Beklagten persönlich oder telefonisch zur Zahlung von Unterhalt aufgefordert habe, hat er zwar eine gewisse Substantiierung seiner Behauptung vorgenommen. Der Vortrag ist indes erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt und daher gem. §§ 525, 296 a ZPO nicht zu berücksichtigen. Gleiches gilt für die mit Schriftsatz vom 18.1.2005 erstmals vorgetragene Behauptung, die Unterhaltsvorschusskasse K habe den Beklagten mit Rechtswahrungsanzeige vom 28.8.2000 zur Zahlung von Unterhalt ab 1.8.2000 aufgefordert und in der Folgezeit verschiedene Mahnschreiben an ihn gerichtet.
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Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war nicht veranlasst, da weder die Voraussetzungen des § 156 Abs. 2 ZPO vorliegen noch gem. § 156 Abs. 1 ZPO ein Wiedereintritt in die mündlichen Verhandlung geboten erscheint. Was die mit Schriftsatz vom 18.1.2005 vorgetragene Behauptung angeht (Mahnung durch die Unterhaltsvorschusskasse), könnte selbst die Wiedereröffnung der Verhandlung der Berufung für den insoweit inmitten stehend Zeitraum ab 1.8.2000 nicht zum Erfolg verhelfen, da ein Unterhaltsanspruch – wie sich im Folgenden zeigen wird – an der fehlenden Leistungsfähigkeit des Beklagten scheitert. Auch im übrigen ist eine Wiedereröffnung nicht geboten. Entsprechender Vortrag hätte bei sorgfältiger und auf Förderung des Verfahrens bedachter Prozessführung spätestens auf die Terminierung vom 2.11.2004 erfolgen müssen. Gründe für die Verspätung seines Vortrags, dessen Erheblichkeit sich aufdrängt, hat der Kläger nicht genannt und sind auch nicht ersichtlich, so dass der verspätete Vortrag als grob nachlässig qualifiziert werden muss. Mit einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung wäre eine, dem Beklagten angesichts der bisherigen Verfahrensdauer kaum zuzumutende erhebliche Verzögerung des Verfahrens verbunden, da über die streitige Frage der Zahlungsaufforderungen Zeugenbeweis zu erheben wäre. Es spricht daher viel dafür, dass der Vortrag ohnehin gem. 621 d ZPO präkludiert wäre, so dass schon von daher eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ausscheidet. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es für den Kläger lediglich um rückständigen, und damit nicht unmittelbar seinen derzeitigen Lebensunterhalt gewährleistenden Unterhalt geht, dessen Durchsetzungsmöglichkeit zudem bei dem stark verschuldeten und lediglich über Sozialhilfe verfügenden Beklagten äußerst fraglich erscheint.
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b) Auch das Umstandsmoment ist vorliegend erfüllt. Denn der Beklagte durfte sich nach Treu und Glauben darauf einrichten, dass Kindesunterhalt für die Vergangenheit nicht mehr geltend gemacht wird.
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Erschwerend zu der langjährigen Untätigkeit der Mutter des Klägers kommt vorliegend hinzu, dass die Eltern des Klägers mit Ehevertrag vom 17.4.1997 die gegenseitigen Ansprüche umfangreich geregelt haben (Zugewinnausgleich, nachehelicher Unterhalt und Versorgungsausgleich). Unterstellt man den Vortrag des Klägers als zutreffend, dass der Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt keinen Pfennig Kindesunterhalt bezahlt und mehrfach zur Zahlung von Kindesunterhalt aufgefordert worden ist, hätte es sich aufgedrängt, im Rahmen dieses Ehevertrags auch den Kindesunterhaltsanspruch des Klägers zu titulieren. Die Tatsache, dass dies nicht erfolgt ist, lässt nur den Schluss zu, dass Kindesunterhalt entgegen der ursprünglichen, mit Anwaltsschriftsatz vom 1995 geäußerten Absicht nicht mehr verlangt werden sollte. Hierfür spricht auch, dass in zeitlichem Zusammenhang mit der Beantragung einer einstweiligen Anordnung für den laufenden Kindesunterhalt Ende 2001 immer noch keine Unterhaltsrückstände gefordert, geschweige denn rechtshängig gemacht worden sind. Zudem spricht die Tatsache, dass die Mutter des Klägers erst im Jahre 2000 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz beantragt hat, dafür, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt den Bedarf des Klägers – sei es durch eigene Leistung, sei es durch Zahlungen des Beklagten – als gedeckt empfunden hat. Schließlich hat die Mutter des Klägers bei ihrer Anhörung durch den Senat am 20.12.2004 geäußert, dass sie mit dem Geld, dass sie für ihre Arbeitsleistung in der Gaststätte des Beklagten verdient habe, zufrieden gewesen sei. Auch von daher erscheint es unwahrscheinlich, dass sie den Beklagten unmissverständlich zur Zahlung von Kindesunterhalt zusätzlich zu den Geldbeträgen, die sie – pauschal und ohne genaue Abrechnung – von ihm erhalten hat, aufgefordert hat.
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Zwar mag sein, dass ein ausdrücklicher Verzicht auf Unterhalt nicht erfolgt ist und die Mutter des Klägers subjektiv sich die Geltendmachung von Unterhalt vorbehalten wollte. Dies ist indes nicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, ob das Verhalten der Mutter des Klägers nach dem objektiven Empfängerhorizont dahin gehend auszulegen war, dass Kindesunterhalt nicht geltend gemacht wird. Nachdem die Mutter des Klägers mit den Geldbeträgen, die ihr vom Beklagten zugewandt wurden, zufrieden war, spricht nichts dafür, dass sie in der erforderlichen Deutlichkeit Kindesunterhalt vom Beklagten verlangt hat. Nach alledem durfte der Beklagte sich nach Treu und Glauben darauf einrichten, dass Kindesunterhalt für die Vergangenheit nicht mehr geltend gemacht wird.
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Der Beklagte verfügt über keine Rücklagen, sondern ist erheblich verschuldet; seine Inanspruchnahme auf Unterhalt für Zeiträume, in denen er mit einer Inanspruchnahme nicht mehr rechnen musste, wäre daher mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren.
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2. Auch für die Zeit ab Oktober 2001 ist die Klage abzuweisen.
24 
Dabei kann dahin stehen, ob eine Unterhaltspflicht des Beklagten schon deswegen zu verneinen ist, weil die Mutter des Klägers im fraglichen Zeitraum über ein deutlich höheres Nettoeinkommen verfügte als dasjenige, das dem Beklagten nach Auffassung des Klägers fiktiv zuzurechnen ist (1.200 Euro bis 1.300 Euro). Denn der Beklagte war im fraglichen Zeitraum entweder arbeitsunfähig oder – trotz Zurechnung fiktiver Einkünfte – leistungsunfähig.
25 
Leistungsfähigkeit könnte vorliegend nur bei Zurechnung fiktiver Einkünfte angenommen werden. Denn der Beklagte bezieht seit Aufgabe seiner selbständigen Tätigkeit im März 2000 Sozialhilfe. Auch soweit er kurzzeitig erwerbstätig war – 1.9.2003 bis 5.2.2004 (Tätigkeit als Gartenhelfer) – verdiente er lediglich 784 Euro netto, nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen knapp 730 Euro netto, so dass eine Unterhaltspflicht in jedem Fall die Zurechnung fiktiver Einkünfte voraussetzt.
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a) In Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Beklagten scheidet die Zurechnung fiktiven Einkommens aus. Es handelt sich insoweit zum einen um den Zeitraum 28.01.-18.05.2002, in dem der der Beklagte eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme wegen Spielsucht absolvierte. Zum anderen ist der Beklagte seit Aufhebung des Arbeitsvertrags als Gartenhelfer am 5.2.2004 arbeitsunfähig.
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b) Für den Zeitraum bis 28.1.2002 kann dahin stehen, ob der Beklagte wegen der bei ihm bestehenden, in der mündlichen Verhandlung unstreitig gewordenen Spielsucht arbeitsunfähig war. Denn angesichts seiner bisherigen Biographie, insbesondere seiner fehlenden Berufsausbildung und seiner 50 %-tigen Schwerbehinderung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er bei entsprechenden Bemühungen ein Erwerbseinkommen hätte erzielen können, das über dem notwendigen Selbstbehalt von 840 Euro liegt. Gleiches gilt für den Zeitraum, in dem der Beklagte als arbeitsfähig anzusehen ist (18.5.2002-31.8.2003).
28 
Um zu einer auch unter Berücksichtigung seiner weiteren Unterhaltspflicht gegenüber dem minderjährigen Sohn Nico nennenswerten Unterhaltverpflichtung des Beklagte zu gelangen, müsste er – bei Berücksichtigung der anfallenden Kosten für eine Monatskarte von 55 Euro – mindestens gut 900 Euro netto verdienen können, was einem Stundenlohn von gut 7 Euro brutto entsprechen würde. Zuletzt hat er netto 784 Euro verdient, was jedenfalls ein tatsächliches Indiz für die erzielbaren Einkünfte darstellt. Nach dem substantiierten und unbestrittenen Vortrag des Beklagten beträgt der maximal als Küchenhilfe erzielbare Lohn 7,05 Euro brutto pro Stunde. Zwar meint der Kläger, der Beklagte könne eine Stelle als Koch finden. Dies erscheint indes angesichts der fehlenden Ausbildung des Beklagten und des Umstandes, dass er sich mit seiner gescheiterten selbständigen Tätigkeit kaum für eine qualifizierte Aufgabe wird empfehlen können, zweifelhaft. Angestellte Tätigkeiten als Koch liegen – soweit überhaupt vorgetragen – lange Zeit zurück und sind daher ebenfalls kaum für erfolgreiche Bewerbungen fruchtbar zu machen. Für die Zeit nach Abschluss der Reha-Maßnahme kommt hinzu, dass die Einsatzfähigkeit des Beklagten durch die bestehenden psychischen Beeinträchtigung – Angst, Konzentrationsstörungen (vgl. psychotherapeutisches Attest vom 17.12.2004) – weiter eingeschränkt ist. Der Senat hält daher nach alledem lediglich einen Bruttolohn von etwa 7 Euro für realistischerweise erzielbar.
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c) Auch im Zeitraum 1.9.2003 bis 5.2.2004, in dem der Beklagte einer Vollzeittätigkeit als Gartenhelfer nachging, ist von Leistungsunfähigkeit auszugehen. Die Zurechnung fiktiven Einkommens würde hier voraussetzen, dass dem Beklagten zusätzlich zu einer Vollzeittätigkeit eine Nebentätigkeit zuzumuten gewesen wäre. Zwar kann im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht des § 1603 Abs. 2 BGB neben die Verpflichtung zur vollschichtigen Erwerbstätigkeit auch die Obliegenheit treten, noch eine zweite Arbeit anzunehmen, um das Existenzminimum minderjähriger Kinder zu gewährleisten. Dies geht aber nicht so weit, eine solche Verpflichtung zum Regelfall zu erheben. Vielmehr sind die Interessen des minderjährigen Kindes und die Belange des Unterhaltspflichtigen jeweils im konkreten Fall gegeneinander abzuwägen (OLG Oldenburg FamRZ 2003, 1207 f.). Dabei spricht die Tatsache, dass eine Nebentätigkeit tatsächlich ausgeübt wird, für deren Zumutbarkeit (BVerfG FamRZ 2003, 661 f.). Wenn einem Unterhaltspflichtigen aber fiktive Nebenverdienste angerechnet werden sollen, ist am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob die zeitliche und physische Belastung durch die ausgeübte und die zusätzliche Arbeit dem Unterhaltspflichtigen unter Berücksichtigung auch der Bestimmungen, die die Rechtsordnung zum Schutze der Arbeitskraft vorgibt, abverlangt werden kann (BVerfG a. a. O.). Diese Abwägung wird nach Auffassung des Senats im Regelfall zu dem Ergebnis führen, dass ein fiktives Einkommen aus Nebentätigkeit nicht zugerechnet werden kann, der Unterhaltspflichtige vielmehr bereits durch die Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit seiner Unterhaltsverpflichtung genügt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.2.2004 – 18 UF 223/03; ähnlich OLG Celle FamRZ 02, 694; JAmt 2003, 267). So auch im vorliegenden Fall. Fiktiv kann dem Kläger ein weiterer Verdienst nicht zugerechnet werden, da von einer eher unterdurchschnittlichen psychischen und physischen Leistungsfähigkeit des Klägers auszugehen ist.
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Aus dem selben Grunde kann auch in Zeiten der Arbeitslosigkeit, in denen dem Beklagten ein Bruttoeinkommen in Höhe von rund 7 Euro/Stunde fiktiv zuzurechnen ist, die Leistungsfähigkeit nicht durch Zurechnung eines weiteren fiktiven Einkommens aus Nebentätigkeit hergestellt werden.
31 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 156 Wiedereröffnung der Verhandlung


(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen. (2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn 1. das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295),

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1603 Leistungsfähigkeit


(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. (2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren min

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1629 Vertretung des Kindes


(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind alle

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1601 Unterhaltsverpflichtete


Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1613 Unterhalt für die Vergangenheit


(1) Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von dem Zeitpunkt an fordern, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 207 Hemmung der Verjährung aus familiären und ähnlichen Gründen


(1) Die Verjährung von Ansprüchen zwischen Ehegatten ist gehemmt, solange die Ehe besteht. Das Gleiche gilt für Ansprüche zwischen1.Lebenspartnern, solange die Lebenspartnerschaft besteht,2.dem Kind unda)seinen Eltern oderb)dem Ehegatten oder Lebensp

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Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

(1) Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von dem Zeitpunkt an fordern, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu welchem der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. Der Unterhalt wird ab dem Ersten des Monats, in den die bezeichneten Ereignisse fallen, geschuldet, wenn der Unterhaltsanspruch dem Grunde nach zu diesem Zeitpunkt bestanden hat.

(2) Der Berechtigte kann für die Vergangenheit ohne die Einschränkung des Absatzes 1 Erfüllung verlangen

1.
wegen eines unregelmäßigen außergewöhnlich hohen Bedarfs (Sonderbedarf); nach Ablauf eines Jahres seit seiner Entstehung kann dieser Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn vorher der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Anspruch rechtshängig geworden ist;
2.
für den Zeitraum, in dem er
a)
aus rechtlichen Gründen oder
b)
aus tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Unterhaltspflichtigen fallen,
an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert war.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 kann Erfüllung nicht, nur in Teilbeträgen oder erst zu einem späteren Zeitpunkt verlangt werden, soweit die volle oder die sofortige Erfüllung für den Verpflichteten eine unbillige Härte bedeuten würde. Dies gilt auch, soweit ein Dritter vom Verpflichteten Ersatz verlangt, weil er anstelle des Verpflichteten Unterhalt gewährt hat.

(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 übertragen ist. Bei Gefahr im Verzug ist jeder Elternteil dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; der andere Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten.

(2) Der Vater und die Mutter können das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1824 ein Betreuer von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist. Steht die elterliche Sorge für ein Kind den Eltern gemeinsam zu, so kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. Das Familiengericht kann dem Vater und der Mutter nach § 1789 Absatz 2 Satz 3 und 4 die Vertretung entziehen; dies gilt nicht für die Feststellung der Vaterschaft.

(2a) Der Vater und die Mutter können das Kind in einem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 nicht vertreten.

(3) Sind die Eltern des Kindes miteinander verheiratet oder besteht zwischen ihnen eine Lebenspartnerschaft, so kann ein Elternteil Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen, solange

1.
die Eltern getrennt leben oder
2.
eine Ehesache oder eine Lebenspartnerschaftssache im Sinne von § 269 Absatz 1 Nummer 1 oder 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwischen ihnen anhängig ist.
Eine von einem Elternteil erwirkte gerichtliche Entscheidung und ein zwischen den Eltern geschlossener gerichtlicher Vergleich wirken auch für und gegen das Kind.

(1) Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von dem Zeitpunkt an fordern, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu welchem der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. Der Unterhalt wird ab dem Ersten des Monats, in den die bezeichneten Ereignisse fallen, geschuldet, wenn der Unterhaltsanspruch dem Grunde nach zu diesem Zeitpunkt bestanden hat.

(2) Der Berechtigte kann für die Vergangenheit ohne die Einschränkung des Absatzes 1 Erfüllung verlangen

1.
wegen eines unregelmäßigen außergewöhnlich hohen Bedarfs (Sonderbedarf); nach Ablauf eines Jahres seit seiner Entstehung kann dieser Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn vorher der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Anspruch rechtshängig geworden ist;
2.
für den Zeitraum, in dem er
a)
aus rechtlichen Gründen oder
b)
aus tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Unterhaltspflichtigen fallen,
an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert war.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 kann Erfüllung nicht, nur in Teilbeträgen oder erst zu einem späteren Zeitpunkt verlangt werden, soweit die volle oder die sofortige Erfüllung für den Verpflichteten eine unbillige Härte bedeuten würde. Dies gilt auch, soweit ein Dritter vom Verpflichteten Ersatz verlangt, weil er anstelle des Verpflichteten Unterhalt gewährt hat.

(1) Die Verjährung von Ansprüchen zwischen Ehegatten ist gehemmt, solange die Ehe besteht. Das Gleiche gilt für Ansprüche zwischen

1.
Lebenspartnern, solange die Lebenspartnerschaft besteht,
2.
dem Kind und
a)
seinen Eltern oder
b)
dem Ehegatten oder Lebenspartner eines Elternteils
bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes,
3.
dem Vormund und dem Mündel während der Dauer des Vormundschaftsverhältnisses,
4.
dem Betreuten und dem Betreuer während der Dauer des Betreuungsverhältnisses und
5.
dem Pflegling und dem Pfleger während der Dauer der Pflegschaft.
Die Verjährung von Ansprüchen des Kindes gegen den Beistand ist während der Dauer der Beistandschaft gehemmt.

(2) § 208 bleibt unberührt.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.

(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn

1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt,
2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder
3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.

(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.