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Der Kläger begehrt von der Beklagten Versicherungsleistungen wegen eines Leitungswasserschadens.
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Der Kläger ist Eigentümer eines mit einem Vorder- und einem Hinterhaus bebauten Grundstücks in L.. Er unterhält für dieses Objekt bei der Beklagten seit April 2001 eine verbundene Wohngebäudeversicherung, die unter anderem das Risiko aus Leitungswasserschäden umfasst. Dem Vertrag liegen die VGB 88 - Fassung Juli 2000 zugrunde.
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Das Vorderhaus ist sanierungsbedürftig und steht seit der Aufnahme von Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten, die im November 1998 abgebrochen und seither nicht wieder aufgenommen wurden, weitgehend leer. Teile des Erdgeschosses und der Kellerräume wurden jedoch von einer Mieterin des Klägers zur Lagerung von Baustoffen, Büro- und Wohnmöbeln sowie Elektrogeräten genutzt.
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Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Januar/Februar 2002 platzten in den Abstellkammern zwischen dem Erdgeschoss und dem ersten Obergeschoss sowie dem ersten und dem zweiten Obergeschoss des Vorderhauses Wasserzähler, was den Austritt von Trinkwasser zur Folge hatte und zu einer starken Durchfeuchtung von Teilen des Treppenhauses und der Geschossdecken führte. Die Schäden wurden von der Mieterin des Klägers im März 2002 entdeckt.
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Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 13.06.2002 (Anlage K 5) eine Schadensregulierung ab, weil der Kläger in grob fahrlässiger Weise gegen seine Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag verstoßen habe, das leerstehende Gebäude genügend häufig zu kontrollieren und dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen absperren, zu entleeren und entleert zu halten. Sie beruft sich insoweit auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung und Gefahrerhöhung; zugleich kündigte sie den Versicherungsvertrag.
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Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger jedenfalls seine Obliegenheiten gemäß § 11 Ziff. 1 c und d VGB 88 in grob fahrlässiger Weise verletzt habe.
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Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und beantragt, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 14.959,01 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus EUR 13.920,00 ab 09.08.2002 sowie aus EUR 1.039,01 ab Zustellung der Klage vom 03.12.2002 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils, die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Außerdem wird auf die Hinweisverfügung vom 04.12.2003 Bezug genommen.
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Die Berufung ist zum überwiegenden Teil begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Versicherungsleistungen zu.
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1. Die Beklagte ist nicht, wie sie in der dem Ablehnungsschreiben vom 13.06.2002 nachfolgenden Korrespondenz eingewendet hat, bereits gemäß § 9 Abs. 3 a VGB 88 leistungsfrei. Danach erstreckt sich der Versicherungsschutz gegen Leitungswasser ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Schäden an versicherten Sachen, solange das versicherte Gebäude noch nicht bezugsfertig oder wegen Umbauarbeiten für seinen Zweck nicht mehr benutzbar ist.
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§ 9 Nr. 3 a VGB 88 darf, da es sich um eine Risikoausschlussklausel handelt, nicht weiter ausgedehnt werden, als es der Sinn der Bestimmung unter Beachtung des wirtschaftlichen Ziels und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (BGH VersR 2003, 454 unter II 1 m.w.N.).
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Das streitgegenständliche Vorderhaus war bei Schadenseintritt im Januar/Februar 2002 nicht "noch nicht bezugsfertig" im Sinne der Klausel, da die Wendung ersichtlich auf den Erstbezug eines neu errichteten Gebäudes abstellt (OLG Hamm VersR 1989, 365, 366; Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Auflage, Anmerkung F IV 18).
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Auch die zweite Variante von § 9 Ziff. 3 a VGB 88 ist bei der gebotenen engen Auslegung nicht einschlägig. Die Formulierung, wonach "das versicherte Gebäude" für seinen Zweck nicht mehr benutzbar ist, erfordert eine Unbenutzbarkeit des gesamten versicherten Gebäudes wegen Umbauarbeiten. Dass bereits der Umbau einzelner Räume oder Gebäudeteile den Versicherungsschutz entfallen lassen soll, wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nach dem Wortlaut der Klausel nicht hinreichend verdeutlicht. § 9 Ziff. 3 a VGB 88 schließt den Versicherungsschutz daher nur aus, wenn über die von den Arbeiten betroffenen Räume hinaus das ganze Gebäude unbenutzbar wird, was nur selten der Fall sein dürfte (Martin a.A. O. F IV 19). Im Streitfall ist bereits fraglich, ob eine (teilweise) Unbenutzbarkeit "wegen Umbauarbeiten" angenommen werden kann. Denn nach dem unbestrittenen und durch das Schreiben der Firma T. vom 16.11.1998 (Anlage K 16) belegten Klägervortrag sind die Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten bereits im November 1998 eingestellt worden. Jedenfalls fehlt es an einer zweckentsprechenden Unbenutzbarkeit jedoch insoweit, als mehrere Räume des Gebäudes im Keller und Erdgeschoss seit längerer Zeit zur Lagerung von Gegenständen einer Mieterin dienten. Damit war bei Eintritt des Versicherungsfalles die für den Risikoausschluss erforderliche vollständige Unbenutzbarkeit nicht gegeben.
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2. Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 11 Nr. 2 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 VVG wegen Obliegenheitsverletzung leistungsfrei. Es kann dahinstehen, ob der Kläger, indem er sowohl ein Entleeren der Wasserleitungen als auch die Beheizung des Vorderhauses über Winter unterlassen hat, die in § 11 Nr. 1 c, d VGB 88 verlangten Sicherheitsvorkehrungen grob fahrlässig außer Acht gelassen hat. Selbst wenn von einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung sowie deren Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls gemäß § 6 Abs. 2 VVG auszugehen wäre, ist die Beklagte nicht leistungsfrei geworden, da sie nicht, wie gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG erforderlich, den Versicherungsvertrag innerhalb eines Monats, nachdem sie von der Verletzung Kenntnis erlangt hatte, gekündigt hat. Nach ihrem eigenen Vorbringen und ausweislich der Anlagen B II 1 und 2 hatte sie das Gutachten der Sachverständigen W./B. vom 26.04.2002, auf das sie sich in ihrem Leistungsablehnungs- und Kündigungsschreiben vom 13.06.2002 zur Begründung der Obliegenheitsverletzung berief, bereits am 16.05.2002 erhalten, während das Schreiben vom 13.06.2002 dem Kläger erst per Einschreiben am 24.06.2002 zuging. Damit war die Monatsfrist nach § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG nicht gewahrt. Die Frist beginnt, wenn der Versicherer den objektiven Tatbestand der Obliegenheitsverletzung kennt. Von solcher Kenntnis ist auszugehen, wenn dem Versicherer das Tatsachenmaterial vorliegt, nach dem eine Kündigung wegen Obliegenheitsverletzung ernstlich in Betracht kommt (vgl. Römer/Römer, VVG, 2. Aufl. § 6 Rn. 73; Prölss/Prölss, VVG, 26. Aufl. § 6 Rn. 107). Das war hier mit Zugang des Gutachtens der Sachverständigen W./B., in dem insbesondere auf Seite 4 als mögliche Schadenursache das Platzen der Wasserzähler "infolge eingefrorener Leitungen bei sehr niedrigen Außentemperaturen um den Jahreswechsel bzw. im Februar" genannt wird, der Fall. Gerade hierauf hat die Beklagte ihre Leistungsablehnung und Kündigung im Schreiben vom 13.06.2002 auch gestützt. Die Monatsfrist nach § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG lief am Montag, den 17.06.2002 ab. Entscheidend für ihre Einhaltung ist - entsprechend der allgemeinen Regelung des § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB - der Zugang der Kündigungserklärung (Prölss aaO § 8 VVG Rn. 15; vgl. auch Römer aaO § 6 VVG Rn. 97), der hier jedoch erst am 24.06.2002 erfolgte. Hatte die Beklagte somit die Kündigungsfrist versäumt, kann sie sich gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG auf die vereinbarte Leistungsfreiheit nicht berufen. Dass die Beklagte erst nach dem Versicherungsfall Kenntnis von der möglichen Obliegenheitsverletzung erlangt hat, ändert hieran nichts (BGH VersR 1999, 301).
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3. Leistungsfreiheit der Beklagten besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer nachträglichen Gefahrerhöhung, §§ 23, 25 VVG. Diese erfordert eine nach Vertragsschluss eingetretene, auf eine gewisse Dauer angelegte Änderung der tatsächlichen gefahrerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht (vgl. BGHZ 42,295; Prölss aaO § 23 VVG Rn. 4). Eine Gefahrerhöhung gemäß § 10 Nr. 3 b VGB 88, also weil ein Gebäude oder der überwiegende Teil eines Gebäudes nicht (mehr) genutzt wurde, liegt nicht vor. Das Vorderhaus war bereits bei Vertragsschluss unbewohnt, was der Beklagten durch die Angaben im Versicherungsantrag zu den Gefahrenverhältnissen (Anlage K 9, Anlagenheft S. 75) "HH bewohnt, VH Keller genutzt" auch hinreichend deutlich war. Eine nachträgliche Gefahrerhöhung kann auch nicht gemäß § 11 Nr. 2 Abs. 3 VGB 88 i.V.m. §§ 23 ff VVG angenommen werden, soweit der Kläger eine Entleerung der Wasserleitungen und die Beheizung des Gebäudes pflichtwidrig unterlassen hat. Unstreitig befand sich bereits bei Vertragsschluss Wasser in den Leitungen und war das leerstehende Gebäude unbeheizt. Die Erfüllung der dem Kläger nach § 11 Nr. 2 Abs. 3 VGB 88 obliegenden Sicherheitsvorkehrungen hätte daher lediglich dem bereits bei Abschluss des Vertrages bestehenden Gefahrenzustand entgegengewirkt, nicht aber eine nachträgliche Gefahrerhöhung beseitigt.
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4. Auf eine an sich ebenfalls denkbare Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls gemäß § 61 VVG hat die Beklagte sich nicht berufen. Es bedarf daher keiner Prüfung, ob hier eine Herbeiführung durch das Unterlassen einer möglicherweise gebotenen Sicherheitsvorkehrung in Betracht kommt (vgl. dazu Prölss aaO § 61 VVG Rn. 6 m.w.N.).
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5. Der von der Beklagten nach § 15 Nr. 1 b VGB 88 zu ersetzende Schaden ist gemäß § 287 ZPO auf den insoweit geltend gemachten Betrag von EUR 13.920,00 (= EUR 12.000 zzgl. Mehrwertsteuer) zu veranschlagen. Der Betrag entspricht dem vom Kläger eingeholten günstigsten Festpreisangebot der Firma S. vom 02.05.2002 (K 12), die mit der Sanierung auch beauftragt wurde. Zwar wurden die Schadensbeseitigungskosten im Sachverständigengutachten vom 26.04.2002, S. 13, lediglich auf netto EUR 8.700,00 geschätzt. Dabei handelte es sich jedoch um eine ausdrücklich unter dem Vorbehalt weiterer Erkenntnisse im Verlauf der Sanierungsdurchführung erstellte Schätzung. Nach der ersten Abrechnung der Fa. S. vom 14.10.2002 (K 17) betreffend die Sanierung der Fußböden belaufen sich die bisher angefallenen Kosten bereits auf EUR 10.342,79. Damit sind, wie der Kläger mit Schriftsatz vom 05.02.2003 nachvollziehbar und zutreffend dargelegt hat, unter Zugrundelegung des Gutachtens W./B. weitere Maßnahmen mit einem Aufwand von EUR 4500,80 (einschließlich Mehrwertsteuer) erforderlich, die den vom Kläger vereinbarten Festpreis sogar deutlich übersteigen würden.
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Ein Anspruch auf Ersatz der Kosten des vom Kläger vorgerichtlich in Eigeninitiative eingeholten Gutachtens des Sachverständigenbüros W./B. vom 26.04.2002 in Höhe von EUR 1.039,01 (vgl. Anlage K 15) besteht gemäß § 66 Abs. 2 VVG nicht. Eine Erstattungspflicht solcher Kosten ist im Versicherungsvertrag nicht vorgesehen.
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6. Die zugesprochenen Zinsen sind unter dem Gesichtspunkt des Zahlungsverzuges gerechtfertigt.
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