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| Die Kläger begehrt - über vorprozessuale Zahlungen hinaus - weitere Invaliditätsleistungen aus einer Unfallversicherung. |
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| Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Unfallversicherung; u.a. ist die Geltung der AUB 2000 vereinbart. Am 01.02.2012 erlitt der Kläger bei einem Verkehrsunfall Kopfverletzungen. Sein behandelnder Arzt bescheinigte ihm am 02.04.2013 unfallbedingte Dauerbeeinträchtigungen in Form von Narbenbeschwerden und Schwindel (Anl. K5, AH I 33). Die Beklagte erbrachte vorprozessual Leistungen auf der Grundlage eines von ihr angenommenen Grads der dauerhaften Beeinträchtigung von 3%. |
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| Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, er leide unfallbedingt an Schwindel, Kopfschmerzen und Ohrgeräuschen; deshalb sei er zu 30% dauerhaft beeinträchtigt. Er hat beantragt, |
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| die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger |
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| 1. 23.538,80 EUR nebst fünf Prozentpunkte Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2014 zu zahlen, sowie |
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| 2. außergerichtliche Kosten in Höhe von 1.242,84 EUR nebst fünf Prozentpunkte Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2014 zu zahlen, hilfsweise den Kläger von diesen Kosten freizustellen. |
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| Die Beklagte hat beantragt, |
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| Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Sachverständigengutachten; wegen der Ergebnisse wird auf die schriftlichen Gutachten vom 25.02.2015 (nebst Zusatzgutachten, AS I 103-137) und 30.09.2015 (AS I 199 ff.) sowie das Protokoll vom 23.02.2016 (AS I 239 ff.) Bezug genommen. |
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| Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe eine über 3 % hinausgehende unfallbedingte Dauerbeeinträchtigung nicht nachgewiesen. Soweit der Sachverständige eine diskrete Leistungsverzögerung des rechtsseitigen Blinkreflexes sowie eine Amplitudenminderung beim Trigemus-SEP rechts festgestellt habe, könne dies dem Unfall nicht zugeordnet werden. Denn entsprechende Beschwerden hätten gleich nach dem Unfall auftreten müssen und nicht - wie vom Kläger geschildert - etwa eineinhalb Jahre danach. Auch die vom Kläger angegebenen Ohrgeräusche, die etwa ein Jahr nach dem Unfall aufgetreten seien, könnten dem Unfall nicht ohne Weiteres zugeordnet werden. Unter Umständen komme ein Zusammenhang in Betracht, wenn es beim Unfall zu einem Schädelhirntrauma gekommen wäre. Ob dies der Fall gewesen sei, könne allenfalls anhand der unfallnahen Dokumentation beurteilt werden. Derartige Unterlagen habe der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung und Fristsetzung jedoch nicht vorgelegt. Ohne diese Unterlagen könne selbst durch ein erneutes MRT ein Zusammenhang der jetzigen Beschwerden mit dem Unfall nicht festgestellt werden. Nach den überzeugenden Angaben des Sachverständigen spreche gegen einen solchen Zusammenhang zudem, dass keinerlei Anhaltspunkte für Brückensymptome bestünden. Nachdem der Kläger die Vorlage der erforderlichen medizinischen Unterlagen versäumt habe, bedürfe es keiner weiteren Beweisaufnahme. |
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| Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Es sei eine ergänzende Begutachtung erforderlich. Der Sachverständige und das Landgericht hätten die vom Kläger vorgelegten Befunde nicht berücksichtigt. Das Gutachten sei nicht brauchbar, so dass die Sachverständigenkosten niederzuschlagen seien. |
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| das Urteil des Landgerichts Baden-Baden abzuändern und nach seinen erstinstanzlichen Anträgen zu entscheiden, |
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| hilfsweise das Urteil des Landgerichts Baden-Baden aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Baden-Baden zurückzuverweisen. |
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| Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt, |
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| die Berufung zurückzuweisen. |
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| Der Senat hat mit Verfügungen vom 29.06.2016 (AS II 27) und 24.08.2016 (AS II 87) darauf hingewiesen, dass der Kläger bislang nicht vollständig zu den Anspruchsvoraussetzungen vorgetragen hat, insbesondere nicht zur Jahresfrist nach Ziff. 2.1.1.1 AUB 2000. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird, soweit in diesem Urteil keine anderen Feststellungen getroffen sind, auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung, die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie die von ihnen vorgelegten Anlagen Bezug genommen. |
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| Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht den geltend gemachten Anspruch auf weitere Invaliditätsleistung aus § 180 VVG abgelehnt. |
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| 1. Die Klage ist bereits unschlüssig. Der Kläger hat trotz entsprechender Hinweise des Senats nichts dazu vorgetragen, ob die behauptete Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten ist. Das ist jedoch nach Ziff. 2.1.1.1 (1. Spiegelstrich) AUB 2000 Voraussetzung für den Versicherungsfall (vgl. zur AGB-rechtlichen Wirksamkeit BGH NJW 2012, 3184). Diese Voraussetzung ist im Prozess von Amts wegen zu prüfen; der Anspruchsteller hat dazu - gegebenenfalls wie hier auf richterlichen Hinweis - substantiiert vorzutragen (Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 29. Aufl., Ziff. 2 AUB 2000 Rn. 29; Kloth, Private Unfallversicherung, 2. Aufl., G.121 ff. mwN.). |
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| Hier hat die Beklagte diesen Punkt - jedenfalls in der Berufungsinstanz - sogar ausdrücklich gerügt. Den Eintritt der geltend gemachten Invalidität innerhalb der Jahresfrist hat die Beklagte auch zuvor nicht zugestanden. Insbesondere stellt die vorprozessuale Zahlung kein konkludentes Zugeständnis bestimmter Beeinträchtigungen dar. Sie erfolgte offenbar aus Kulanzgründen (vgl. AS I 31) und beinhaltete jedenfalls keinen Rechtsbindungswillen hinsichtlich eines über 3 % hinausgehenden Invaliditätsgrads. |
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| Dass die geltend gemachte Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten wäre, ergibt sich auch nicht indirekt aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen. Im Gegenteil: Ausweislich des von ihm vorgelegten Attests vom 23.01.2013 (Anl. K1 z. SchrS v. 14.04.2015) ging sein behandelnder Arzt zu diesem Zeitpunkt - eine Woche vor Ablauf der Jahresfrist - davon aus, dass abgesehen von den Narben keine Unfallfolgen verblieben seien, die zu funktionellen Störungen geführt hätten; Probleme seit April 2012 seien ihm nicht bekannt. Der Kläger geht in seiner Berufungsbegründung selbst davon aus, dass „erstmals“ in der ärztlichen Invaliditätsfeststellung vom 23.04.2013 (Anl. K5) - also deutlich nach Ablauf der Jahresfrist - Narbenbeschwerden und Schwindel diagnostiziert wurden (AS II 41). Gegenüber dem Sachverständigen hat er in der persönlichen Untersuchung am 04.02.2015 als Beschwerden angegeben, dass er seit etwa einem Jahr an einem Ohrgeräusch und seit etwa einem halben Jahr an Kopfschmerzen leide (AS I 105), also jeweils erst seit dem Jahr 2014. |
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| Die Jahresfrist, innerhalb derer die Invalidität eingetreten sein muss, ist dabei auch nicht nach § 186 S. 2 VVG unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift kann sich der Versicherer auf eine Fristversäumnis nicht berufen, wenn er auf die einzuhaltende Frist nicht hingewiesen hat. Inwieweit die Beklagte hier auf die Jahresfrist hingewiesen hat, kann dabei dahinstehen. Denn die Unbeachtlichkeit der Fristversäumnis nach § 186 S. 2 VVG betrifft nur solche Fristen, die der Versicherungsnehmer auf entsprechenden Hinweis durch sein Verhalten bewusst „einhalten“ oder versäumen kann (wie die Frist zur ärztlichen Feststellung, dazu unten 2.). Die Frist für den Invaliditätseintritt gehört nicht dazu; denn dabei handelt es sich um eine objektive Bedingung, deren Eintritt oder Nichteintritt der Versicherungsnehmer - unabhängig von einem Hinweis - nicht willentlich beeinflussen kann (MünchKomm-VVG/Dörner, § 186 Rn. 6 a.E.; Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 29. Aufl., § 186 Rn. 1; Langheid/Rixecker, VVG, 5. Aufl., § 186 Rn. 2). |
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| 2. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass es auch an der förmlichen Voraussetzung des Leistungsanspruchs nach Ziff. 2.1.1.1 (2. Spiegelstrich, 1. Alt.) AUB 2000 fehlen dürfte, wonach die unfallbedingte Invalidität innerhalb von 15 Monaten ärztlich festgestellt werden muss. |
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| Zwar ist hier innerhalb der 15-Monatsfrist eine entsprechende ärztliche Feststellung getroffen worden (Anl. K5); grundsätzlich sind an diese Feststellung auch keine hohen Anforderungen zu stellen, sie muss nicht einmal inhaltlich richtig sein (BGH VersR 2007, 1114 mwN.). Zumindest muss sie aber die angenommene Invaliditätsursache und die Art ihrer Auswirkungen konkret angeben, um dem Versicherer eine Prüfung seiner Leistungspflicht zu ermöglichen und etwaige Spätschäden auszugrenzen. Deshalb kann sich der Versicherungsnehmer später für seinen Anspruch auf Invaliditätsleistung nur auf solche Dauerschäden berufen, die in der ärztlichen Feststellung benannt sind (BGH aaO.). Ein entsprechender Ausschluss kommt hier in Betracht, nachdem der Kläger als jetzige Beschwerden Ohrgeräusche und Kopfschmerzen angibt (vgl. auch AS I 241), während sich die ärztliche Feststellung auf Narbenbeschwerden und Schwindel beschränkt. |
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| Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Beklagte den Kläger vorprozessual hinreichend auf die Frist für die ärztliche Feststellung hingewiesen hat oder ob mangels eines ordnungsgemäßen Hinweises eine Nachholung auch nach Fristablauf noch möglich wäre (§ 186 VVG), kann dabei auf sich beruhen. Denn der Kläger hat eine ärztliche Feststellung hinsichtlich seiner jetzigen Beschwerden (Ohrgeräusche, Kopfschmerzen) bis zum Schluss der Berufungsverhandlung nicht nachgeholt, so dass seine Klage auch im Falle der Nachholbarkeit abzuweisen wäre (vgl. OLG Rostock MDR 2009, 568 mwN.). |
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| 3. Unabhängig davon ist das Landgericht aber auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger eine unfallbedingte Invalidität nicht bewiesen hat. |
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| a) Dazu wäre zum einen der Nachweis eines entsprechenden Primärschadens (insbesondere in Form einer unfallbedingten Hirnverletzung; „haftungsbegründende Kausalität“) erforderlich gewesen; zum anderen hätte der Kläger beweisen müssen, dass sich aus diesem Primärschaden die jetzigen Beschwerden als Sekundärschaden ergaben (“haftungsausfüllende Kausalität“). Das ist nicht gelungen. Der Sachverständige hat, da ihm keine entsprechenden unfallnahen Befunde vorlagen, schon keine hinreichenden Feststellungen zum Primärschaden treffen können. Selbst für den Fall des Nachweises eines Primärschadens sah er überdies einen Zusammenhang der jetzigen Beschwerden des Klägers mit dem Unfall mangels Brückensymptomen als „sehr unwahrscheinlich“ und „spekulativ“ an (AS I 245, 205, 113 u.). |
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| b) Der Kläger meint, die von ihm erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 14.04.2015 (AS I 157) vorgelegten Dokumente (Anl. K1 und 2: Arzt- und Krankenhaus-Attest vom 23.01.2013 und 19.02.2013) seien bei der Begutachtung nicht berücksichtigt worden. Dieser Einwand ist nicht nachvollziehbar. Im Ergänzungsgutachten vom 30.09.2015 (AS I 199) hat sich der Gutachter ausführlich mit diesen nachträglich erstellten Attesten auseinandergesetzt und erläutert, dass diese nicht ausreichen, sondern vielmehr die Vorlage der medizinischen Originaldokumentation - also insbesondere der bildgebenden Verfahren - erforderlich sei (AS I 143 f.; ebenso in der ergänzenden mündlichen Anhörung, AS I 243 f.). |
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| Auf dieser Grundlage konnte der dem Kläger obliegende Beweis nicht als geführt angesehen werden. |
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| c) Soweit der Kläger weitere medizinische Befunde erstmals im Berufungsverfahren vorgelegt hat (AH II), ist dieses neue Vorbringen im Berufungsverfahren nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht berücksichtigungsfähig. |
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| Gründe nach § 531 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ZPO, die das Unterbleiben in erster Instanz und die Berücksichtigung in der Berufung ausnahmsweise rechtfertigen könnten, sind weder dargelegt noch ersichtlich. Vielmehr ist von Nachlässigkeit auf Seiten des Klägers auszugehen. Dabei mag dahinstehen, ob sich für den Kläger aus dem ersten Gutachten (AS I 113 f.) und der daran anschließenden Fristsetzung des Landgerichts (Beschl. v. 14.08.2015, AS I 171) bereits hinreichend konkret ergab, welche genauen Dokumente fehlten. Jedenfalls stellte das Ergänzungsgutachten vom 30.09.2015 unmissverständlich klar, dass die vom Kläger auf das erste Gutachten hin nachgereichten Atteste (vom 23.01.2013 und 19.02.2013, Anl. K1 und 2) aus Sicht des Sachverständigen nicht ausreichten (AS I 203). Innerhalb der zum Ergänzungsgutachten gesetzten Stellungnahmefrist (AS I 209) hat der Kläger keine weiteren Befunde vorgelegt, obwohl die von ihm selbst zuvor eingereichten Atteste ausdrücklich auf unfallnah gefertigte MRT- und CT-Aufnahmen verwiesen. In der erstinstanzlichen Verhandlung wurden diese früheren Aufnahmen ebenfalls ausdrücklich angesprochen; unmissverständlich stellte der Sachverständige dabei klar, dass eine weitere Begutachtung ohne Einbeziehung dieser früheren Aufnahmen sinnlos sei (AS I 245). Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte eine auf die Einhaltung ihrer Prozessförderungspflicht bedachte Partei diese Aufnahmen nachreichen müssen, gegebenenfalls im Wege eines zu beantragenden Schriftsatznachlasses. Das hat der anwaltlich vertretene Kläger unterlassen. |
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| Entgegen der Auffassung des Klägers besteht für eine Niederschlagung der Kosten der erstinstanzlichen Beweisaufnahme keine Grundlage. Eine Niederschlagung nach § 21 GKG setzt voraus, dass die Kosten auf einem schweren Verfahrensverstoß seitens des Gerichts beruhen (BGH MDR 2005, 956). Das ist hier nicht ersichtlich. |
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