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Die Klägerin, die in M. ein Restaurant mit griechischer Küche betreibt, begehrt vom Beklagten, einem Bezirksschornsteinfegermeister, Ersatz eines Brandschadens.
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Am 04.12.2002 stellte der Beklagte anlässlich einer Feuerstättenschau fest, dass sich im Kamin stark fetthaltiger Ruß (sog. „Glanzruß“) niedergeschlagen hatte. Die hierdurch bedingte erhöhte Brandgefahr wollte der Beklagte am 17.04.2003 gegen 9.20 Uhr durch ein sog. „kontrolliertes laminares Ausbrennen“ beheben. Hierbei wird eine Schale mit brennendem Material von oben in den Kamin eingeführt und langsam herabgelassen. Auf diese Weise soll erreicht werden, dass sich der an den Kaminwänden sitzende Ruß entzündet und langsam abbrennt. Das Feuer geriet allerdings außer Kontrolle. Unter anderem schlugen die Flammen auch in das im Erdgeschoss liegende Restaurant. Der Umfang der hierdurch verursachten Schäden ist zwischen den Parteien ebenso streitig wie die Verantwortlichkeit des Beklagten.
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Die Klägerin hat behauptet, sie habe das Restaurant wegen der Schäden in der Zeit vom 17.04.2003 bis 22.5.2003 nicht betreiben können. Die Beklagte macht für diese Zeit einen Gewinnausfall von 55.669,09 EUR geltend. Hierauf wurde vom Versicherer der Klägerin ein Betrag von 21.455.- EUR erstattet. Die Differenz von 34.214,09 EUR ist Gegenstand der Klage. Für die Zeit vom 23.05.2003 bis zum 31.12.2003 macht die Klägerin einen weiteren Schaden in Höhe von 38.231,58 EUR geltend. Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie ohne das Schadensereignis bereits im Jahr 2003 einen Rohertrag von 302.597,05 EUR hätte erwirtschaften können. Die Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Rohertrag (217.300,15 EUR) und dem ohne das Schadensereignis erzielbaren Rohertrag (302.597,05 EUR) beträgt 38.213,58 EUR.
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Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 72.445,67 EUR nebst Zinsen seit dem 17.4.2003 aus 34.214,09 EUR und aus 38.231,58 EUR seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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Der Beklagte bestreitet, dass der Schaden von ihm zu vertreten ist. Der Brand sei entstanden, weil sich eine für ihn unvorhersehbare große Menge Fett im Kamin befunden habe. Dieses habe sich kurz nach dem Beginn des Abbrennvorgangs gelöst und entzündet. Der Schaden sei allein von der Klägerin zu vertreten. Jedenfalls treffe die Klägerin ein überwiegendes Mitverschulden. Denn die Grillanlage habe sich nicht in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden. In der Gaststätte seien zudem keine Schäden entstanden. Lediglich die Grillanlage sei beschädigt worden. Der Schaden habe innerhalb weniger Tage beseitigt werden können.
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Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Die Haftung des Beklagten richte sich nach § 839 Abs.1 Satz 1 BGB ergeben, denn der Beklagte sei bei der Feuerstättenschau, wie sie hier stattgefunden habe, Beamter im haftungsrechtlichen Sinn, denn die Feuerstättenschau sei nach § 3 Abs.2 Satz 2 des Schornsteinfegergesetzes (SchfG) den öffentlichen Aufgaben zugeordnet und damit hoheitliche Tätigkeit. Für Amtspflichtverletzungen im Zusammenhang mit solchen Tätigkeiten hafte der Bezirksschornsteinfegermeister persönlich. Es liege auch eine objektive Amtspflichtverletzung vor, da der Zustand der Anlage dem Ausbrennen entgegengestanden habe (§ 2 Abs.1 Satz 2 KÜV). Ob der Beklagte den Brand auch verschuldet habe, bedürfe keiner Aufklärung, weil die Klägerin jedenfalls nicht bewiesen habe, dass ihr ein Schaden entstanden sei, der über den ihrem Versicherer bezahlten Betrag von EUR 21.455,- hinausgehe.
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Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch nur noch in Höhe von 56.051,32 EUR (restlicher Verlust des Roherlöses im Unterbrechungszeitraum 25.610, 32 EUR sowie ausgebliebene Umsatzsteigerung 2003 30.441,00 EUR) weiter. Sie vertritt die Auffassung, das Landgericht habe die Beweiserleichterungen, die aus § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO folgten, verkannt.
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Die Klägerin ist ferner der Ansicht, der Beklagte sei passivlegitimiert. Die Frage, ob gemäß Art. 34 GG eine Haftung des öffentlich-rechtlichen Dienstherrn gegeben sei, könne dahinstehen, weil der Beklagte bei Kehrarbeiten keine hoheitliche, sondern eine privatrechtliche Tätigkeit ausübe. Zwar werde der Beklagte aufgrund des dem öffentlichen Recht zugehörenden Kehrzwangs tätig; dieser führe aber zum Abschluss privatrechtlicher Verträge mit den Parteien, wie sich aus der Eigenschaft des Bezirksschornsteinfegermeisters als Gewerbetreibender des Handwerks ergebe. Dass die Schornsteinfegergebühren gesetzlich geregelt seien, schließe den privatrechtlichen Charakter der Verträge nicht aus. Das Ausbrennen des Kamins stehe gerade nicht im Zusammenhang mit der Feuerstättenschau. Es sei vielmehr als privatrechtliche Tätigkeit einzustufen; der Beklagte habe der Klägerin die Ausbrennarbeiten in Rechnung gestellt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Beklagte ist nicht passivlegitimiert, weil gemäß Art. 34 S. 1 GG die Haftung für das Schadensereignis allenfalls das Land Baden-Württemberg treffen könnte.
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1. Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, dass der Beklagte bei dem Ausbrennen des Kamins der Klägerin hoheitlich und damit als Beamter im haftungsrechtlichen Sinne tätig geworden ist.
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Die Rechtsverhältnisse der Bezirksschornsteinfegermeister richteten sich nach dem Gesetz über das Schornsteinfegerwesen (SchornstFG). Danach ist der Bezirksschornsteinfegermeister kein Beamter im Sinne der Beamtengesetze. Vielmehr gehört er, wie § 3 Abs 2 Satz 1 SchornstFG ausdrücklich hervorhebt, als Gewerbetreibender dem Handwerk an. Dementsprechend wird überwiegend angenommen, dass der Bezirksschornsteinfegermeister im Allgemeinen seine Kehrarbeiten im Rahmen privatrechtlicher Werkverträge mit den Eigentümern der betreuten Grundstücke ausführt. Bei bestimmten Tätigkeiten, nämlich bei der Feuerstättenschau, bei der Bauabnahme und bei Tätigkeiten im Rahmen des Immissionsschutzes sowie der rationellen Energieverwendung, nimmt der Bezirksschornsteinfegermeister jedoch öffentliche Aufgaben wahr (§ 3 Abs 2 Satz 2 SchornstFG). Der Bezirksschornsteinfegermeister wird somit gegenüber dem Betreiber der Feuerstätte als beliehener Unternehmer hoheitlich tätig (BVerwG NVwZ-RR 1990, 975). Soweit er in Erfüllung solcher Aufgaben einem Dritten Schaden zufügt, richten sich dessen Schadensersatzansprüche daher nach § 839 BGB (BGHZ 62, 372).
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Der Beklagte ist im Rahmen der Feuerstättenschau gegenüber der Klägerin hoheitlich tätig geworden. Die hoheitliche Tätigkeit erschöpft sich dabei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in der Prüfung und Begutachtung der Anlage, sondern umfasst auch das - nach dem Ergebnis der Feuerstättenschau erforderliche - nur von einem Schornsteinfegermeister (§ 2 Abs. 1 Satz 3 KÜO BW) auszuführende Ausbrennen (BVerwG a.a.O.). Als eine "besondere Kehrarbeit" im Sinne von § 2 KÜO BW steht sie im engen sachlichen Zusammenhang mit der eigentlichen Prüfung und Begutachtung der Anlage. Das Ausbrennen einer kehrpflichtigen Anlage stellt, wie § 2 KÜO BW zeigt, eine besonders gefahrträchtige Maßnahme zur Abwehr von Brandgefahren dar, die nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig ist: Vorab muss überprüft werden, ob der Zustand der Anlage oder sonstige gefahrbringende Umstände entgegenstehen (§ 2 Abs. 1 S. 2 KÜO BW); der Zeitpunkt des Ausbrennens ist nicht nur dem Eigentümer und den Hausbewohnern, sondern auch dem zuständigen Polizeirevier und der Feuerwehrleitstelle vorher mitzuteilen (§ 2 Abs. 1 S. 4 KÜO); schließlich ist eine nachgängige Überprüfung auf Brandgefahr erforderlich (§ 2 Abs. 1 S. 5 KÜO). Die Notwendigkeit dieser Maßnahme bedarf daher der gesonderten Feststellung durch die Feuerstättenschau. Zum einen ist das Ausbrennen somit Ergebnis und Folge der Feuerstättenschau, zum anderen gehören vorgeschriebene Maßnahmen des Ausbrennens wiederum zum Bereich der Überprüfung und Begutachtung. Überprüfung und Ausführung stehen damit in einer Wechselbeziehung, die einer Aufspaltung des Gesamtvorgangs in hoheitliche und privatrechtliche Teile entgegen steht. Dies erweist sich gerade an der Problemstellung des vorliegenden Falls, in dem dem Beklagten auch zum Vorwurf gemacht wird, vorab den Zustand des Kamins nicht hinreichend untersucht zu haben.
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2. Nach Art. 34 S. 1 GG trifft die Verantwortlichkeit, die einem Amtsträger aufgrund der Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes einem Dritten gegenüber obliegt, „grundsätzlich“ den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Amtsträger steht. Damit wird die Haftung, die den Beamten im haftungsrechtlichen Sinne nach § 839 BGB trifft, auf den Staat oder die Anstellungskörperschaft übergeleitet mit der Folge, dass nicht der Beamte, sondern der Staat oder die Anstellungskörperschaft für die Schadensersatzklage passivlegitimiert sind. Von dieser Haftungsüberleitung können einfachgesetzliche Ausnahmen vorgesehen werden, die sich freilich an der Grundentscheidung der Verfassung orientieren, also eng umgrenzt und durch sachliche Gesichtspunkte gerechtfertigt sein müssen (vgl. BGHZ 25, 231 sub 3 c); 62, 372 ff. sub II.1.). Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehlt es hier an einer solchen Ausnahme.
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Die Entscheidung des BGH in BGHZ 62, 372 hat zwar eine solche Ausnahme vom Grundsatz der Haftungsüberleitung bei einem Bezirksschornsteinfegermeister angenommen, der als sog. „Gebührenbeamter“ in Ausübung eines öffentlichen Amtes handelt, aber ausschließlich auf den Bezug von Gebühren angewiesen ist (vgl. §§ 24, 25 SchFG; BGHZ 62, 372 ff. sub II.3.). Die Entscheidung stützt sich dabei auf fortgeltendes Recht für Reichsbeamte und preußisches Staatshaftungsrecht. Für Gebührenbeamte sahen bereits das Gesetz über die Haftung des Reichs für seine Beamten von 1910 (§ 5 Abs. 1 RBHaftG) sowie das Preußische Staatshaftungsgesetz von 1909 (§ 1 Abs. 3 PrStHG) Ausnahmen vom Grundsatz der Haftungsüberleitung auf den Staat vor. Diese Beschränkungen der Staatshaftung sind durch Art. 34 GG nicht beseitigt worden.
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Beide Gesetze finden auf den Beklagten indessen keine Anwendung. Das RBHaftG galt nach seinem Wortlaut (vgl. § 1 Abs. 1) und seiner systematischen Stellung - die Länder hatten eigene Regelungen erlassen - nur für
Reichs
beamte, nicht für Beamte der deutschen Länder. Die Körperschaft, die den Bezirksschornsteinfegermeister mit seiner öffentlichen Aufgabe betraut, müsste daher die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs sein (vgl. OLG München, OLGR München 2004, 227). Das ist indessen nicht der Fall. Der Bezirksschornsteinfegermeister wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde bestellt (§ 3 Abs. 1 SchfG); in Baden-Württemberg sind die unteren Verwaltungsbehörden des Landes zuständig (§ 2 Abs. 1 SchfZuVO BW), also die Landratsämter und die Gemeinden (§ 13 Abs. 1 LVG).
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Das PrStHG hat jedenfalls in Baden zu keinem Zeitpunkt Gültigkeit gehabt (vgl. Frowein JZ 1964, 358, 360). Die Staatshaftung war in Art. 4 des badischen AGBGB von 1899 geregelt, der in Absatz 1 eine dem Art. 34 GG entsprechende Haftungsüberleitung auf den Staat oder die Anstellungskörperschaft enthielt. Eine Ausnahme für Gebührenbeamte enthielt die Regelung nicht (vgl. Merk, Handbuch der Badischen Verwaltung, Bd. 1, 2. Aufl. [1930], S. 274). Das PrStHG ist auch nicht aufgrund gewohnheitsrechtlicher Anerkennung im gesamten Bundesgebiet anwendbar; vielmehr ist seine Fortgeltung in jedem Fall zu prüfen (vgl. BGHZ 146, 17 ff.) Eine sonstige einfachgesetzliche Regelung, die eine Ausnahme von Art. 34 S. 1 GG enthielte, galt jedenfalls zum Zeitpunkt der Tätigkeit des Beklagten - soweit ersichtlich - nicht.
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