Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 14. Jan. 2004 - 1 Ws 392/03

published on 14/01/2004 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 14. Jan. 2004 - 1 Ws 392/03
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Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Gefangenen wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - K. vom 06. November 2003 aufgehoben.

2. Die Vollzugsbehörde wird verpflichtet, dem Gefangenen entsprechend dessen Antrag vom 24. Februar 2003 (Eingabe Nr. 121/03) folgende Gegenstände zum Besitz in seiner Zelle auszuhändigen:

1 Minenbleistift mit Ersatzminen

1 Füllfederhalter mit Ersatzpatronen

1 Papierschere mit runden Kanten

1 Rolle Nähgarn

1 Nähnadel

3. Die Kosten des Verfahrens und die dem Gefangenen entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

4. Der Gegenstandswert wird auf Euro 50 festgesetzt.

Gründe

 
I.
Am 18.02.2003 beantragte der Gefangene die Aushändigung verschiedener Gegenstände (1 Minenbleistift mit Ersatzminen, 1 Füllfederhalter mit Ersatzpatronen, 1 Papierschere mit runden Kanten, 1 Rolle Nähgarn und 1 Nähnadel), welche ihm bei einer Kontrolle seines Haftraumes in der Justizvollzugsanstalt Br. im November 2002 entnommen und zu seiner Habe bei den Effekten genommen worden waren. Dies lehnte die Anstalt mit der Begründung ab, bei der letzten Haftraumkontrolle sei festgestellt worden, dass der Gefangene über genügend Schreibmaterialien verfüge und dieser ohnehin „zuviel diverse Schriftstücke und andere Gegenstände“ in seinem Haftraum lagere und zu einer Art „Sammlerleidenschaft“ neige.
Mit Beschluss vom 06.11.2003 wies die Strafvollstreckungskammer den Antrag als unbegründet zurück, da sich aus den Erwägungen der Anstalt über den Zustand des Haftraumes noch ausreichend auf eine Gefährdung der Übersichtlichkeit des Haftraumes schließen lasse. Gegen diesen dem Gefangenen am 17.11.2003 zugestellten Beschluss hat er zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle am 11.12.2003 Rechtsbeschwerde eingelegt, mit welchem er die Verletzung materiellen Rechts geltend macht.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig, da es geboten ist, die Nachprüfung des Beschlusses zur einer Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1 StVollzG).
Dem Rechtsmittel kann ein Erfolg nicht versagt bleiben, da weder die Anstalt noch die Strafvollstreckungskammer in ausreichendem Umfang Gründe für die Versagung der Aushändigung der beantragten Gegenstände dargetan haben.
Nach § 70 Abs. 1 StVollzG darf der Gefangene in angemessenen Umfang Bücher oder andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung besitzen, es sei denn hierdurch wird das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet (§ 70 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG). Die Frage des Maßes der Angemessenheit richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Größe des Haftraumes und dessen Übersichtlichkeit und Durchsuchbarkeit (OLG Karlsruhe Justiz 2002, 251 ff.: Ermittlungsakten; Justiz 2002, 379 ff: Salomonenkakadu; Callies/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 9. Auflage 2002, § 70 Rn. 2). Überschreitet der Gefangene durch Erwerb von Gegenständen diese Grenze, so ist es auch grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Anstalt nach zuvor erfolgter vergeblicher Aufforderung Gegenstände aus dem Haftraum entnimmt und so dem vorhandenen Sicherheitsbedürfnis Rechnung trägt.
Die Entscheidung, ob eine derartige Überfüllung eingetreten und hierdurch die angeführten Belange beeinträchtigt sind, steht jedoch nicht im Belieben der Anstalt, vielmehr handelt es sich bei dem Merkmal der Angemessenheit um einen sog. unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Vorliegen der vollen gerichtlichen Nachprüfung obliegt (OLG Karlsruhe a.a.O.). Aus diesem Grund hat die Vollzugsbehörde, aber auch die Strafvollstreckungskammer als gerichtliche Tatsacheninstanz die entsprechenden Feststellungen zur Ausfüllung dieses Merkmals zu treffen. Diesen Anforderungen genügt der bloße Hinweis, der Gefangenen lagere „zuviel diverse Schriftstücke und andere Gegenstände in seinem Haftraum“, nicht, vielmehr hätte es konkreter Darlegungen zur Größe und Ausstattung der Zelle und zur Frage bedurft, inwieweit durch die von der Anstalt beanstandeten Gegenstände die Übersichtlichkeit und Durchsuchbarkeit über das übliche Maß hinaus erschwert werden würde.
Da solche Ausführungen fehlen, war der Beschluss der Strafvollstreckungskammer aufzuheben. Der Senat hat jedoch davon abgesehen, das Verfahren zur weiteren Sachaufklärung an diese zurückzugeben, sondern hat aufgrund Spruchreife selbst in der Sache entschieden (§ 115 Abs. 1 StVollzG). In Anbetracht des geringen Umfangs der begehrten Gegenstände kann ausgeschlossen werden, dass durch eine Aushändigung dieser Schreibmaterialien der angemessene Umfang der Ausstattung des Haftraumes überschritten werden könnte oder durch den Besitz der in der Anstalt im übrigen frei erhältlichen Gegenstände eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt eintreten könnte. Ob der Gefangene hingegen derzeit noch über entsprechende Schreibutensilien verfügt, war für die Entscheidung ohne Belang, denn auch der Besitz von mehreren gleichartigen Gegenständen ist dem Gefangenen in den Grenzen der Hausordnung und sonstiger vollzugsrechtlicher Bestimmungen nicht verwehrt, solange er hierdurch insgesamt den angemessenen Umfang der Ausstattung seiner Zelle nicht überschreitet.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 121 Abs. 4 StVollzG i.V.m. der entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 48 a, 13 GKG.
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(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. (2) Die Re

(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind. (2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Ver
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published on 15/11/2010 00:00

Tenor 1. Der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Ravensburg vom 25. Oktober 2010 wird aufgehoben, soweit die Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Sigmaringen vom 17. März 20
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Annotations

(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.

(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

(1) Der Gefangene darf in angemessenem Umfang Bücher und andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung besitzen.

(2) Dies gilt nicht, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstands

1.
mit Strafe oder Geldbuße bedroht wäre oder
2.
das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würde.

(3) Die Erlaubnis kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 widerrufen werden.

(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1a) Das Gericht kann anordnen, dass eine Anhörung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Gefangenen zeitgleich in Bild und Ton in die Vollzugsanstalt und das Sitzungszimmer übertragen wird. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.

(2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist.

(3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind.

(2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. Hat sich die Maßnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen.

(3) Bei erstinstanzlichen Entscheidungen des Gerichts nach § 119a fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3.

(4) Im übrigen gelten die §§ 464 bis 473 der Strafprozeßordnung entsprechend.

(5) Für die Kosten des Verfahrens nach den §§ 109ff. kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.