Oberlandesgericht Köln Urteil, 06. Okt. 2016 - 7 U 131/16
Gericht
Tenor
1.
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 8.7.2016 verkündete Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 22 O 522/15 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 7.437,91,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.1.2016 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtstreits trägt die Klägerin.
2.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2(Von einer Darstellung des Sach– und Streitstandes wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.)
3I.
4Die zulässige Berufung ist überwiegend unbegründet.
51. Hinsichtlich der Zinsen und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat die Berufung nur insoweit Erfolg, als der Klägerin ein Anspruch auf Prozesszinsen nach § 291 BGB ab Eintritt der Rechtshängigkeit zusteht. Zu Recht nimmt das Landgericht an, dass sich die Beklagte bei Klageerhebung nicht im Schuldnerverzug befand. Denn bis zur Vorlage der von der Beklagten als Beleg geforderten Entlassungsbriefe (Epikrisen) hatte die Klägerin die Unfallbedingtheit der geltend gemachten Behandlungskosten nicht überprüfbar dargetan und nachgewiesen. Aus diesem Grunde befand sich die Beklagte in einem nicht verschuldeten Irrtum über die Berechtigung des Klageanspruches, so dass es an dem für den Verzugseintritt nach § 284 Abs. 4 BGB erforderlichen Verschulden fehlte. Die Klägerin kann daher weder Verzugszinsen noch die Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten beanspruchen. Sie hat jedoch einen Anspruch auf Prozesszinsen aus § 291 ZPO. Nach dieser Vorschrift hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist. Die Vorlage der Entlassungsbriefe war auch nicht Fälligkeitsvoraussetzung, sondern diente allein der Substantiierung der Klage und den Nachweis der Anspruchsberechtigung. Gemäß § 291 BGB muss der Schuldner auf die fällige Forderung ab Rechtshängigkeit stets Prozesszinsen zahlen; er trägt somit das Risiko seines Rechtsirrtums (Münchner Kommentar/Ernst, BGB, 7. Aufl., § 291 Rdn. 3). Die Klageforderung ist folglich ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtshängigkeit am 7.1.2016 (Bl. 80 R d.A.) zu verzinsen.
62. Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die Auferlegung der Kosten des Rechtstreits nach § 93 ZPO. Die Beklagte hat durch ihr Verhalten nicht Anlass zur Klage gegeben und die Klageforderung sofort anerkannt.
7a) Ein Beklagter gibt Anlass zur Klagerhebung, wenn er sich vor Prozessbeginn so verhält, dass der Kläger bei vernünftiger Würdigung davon ausgehen muss, er werde anders als durch eine Klage nicht zu seinem Recht kommen. An einer Klageveranlassung fehlt es grundsätzlich immer dann, wenn der Beklagte weder in Verzug war noch den Anspruch bestritten oder die Leistung verweigert hat. Das Gericht hat stets eine Wertungsentscheidung zu treffen, die alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Dabei kann auch dem Prozessverhalten des Beklagten Indizwirkung zukommen, namentlich ob dieser einem Anerkenntnis Taten folgen lässt (Erfüllung). Solche Erkenntnisse können unbedenklich auf die Zeit vor Klageerhebung rückbezogen werden, soweit sie die fortdauernde mangelnde Fähigkeit oder Bereitschaft zur Erfüllung belegen, freilich ohne dass ein vorprozessual fehlender Klageanlass rückschauend „nachwachsen“ könnte (zusammenfassend Münchener Kommentar/Schulz, ZPO, 5. Aufl., § 93 Rdn. 7 m.w.N.). Da sich die Beklagte – wie zu 1. ausgeführt – auf Grund des mangelnden Nachweises der Anspruchsberechtigung durch die Klägerin in einem unverschuldeten Rechtsirrtum befand, hatte sie bis zur Vorlage der Entlassungsberichte keinen Klageanlass geboten. Sie hatte die Klägerin bereits mit vorgerichtlichem Schreiben vom 26.6.2016 (Anl. K 4, Bl. 56 d.A.) darauf hingewiesen, dass sie die Vorlage dieser Berichte als notwendig erachte, um die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen zu überprüfen, und damit zu erkennen gegeben, dass sie nach Prüfung dieser Berichte grundsätzlich erstattungsbereit war (dazu Münchner Kommentar/Schulz, ZPO, 5. Aufl., § 93 Rdn. 8). Dementsprechend hat sie die Klageforderung nach Vorlage der Berichte auch sofort anerkannt. Der Einwand der Berufung, die Beklagte habe die Klageforderung nicht unverzüglich beglichen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar wird teilweise die Ansicht vertreten, der Beklagte müsse die anerkannte Forderung auch unverzüglich erfüllen (so etwa Zöller/Herget § 93 Rdn. 4 und 6 Stichwort „Geldschulden“ m.w.N.). Dem ist jedoch nicht zu folgen (BGH NJW 1979, 2040; Jaspersen/Wache in: BeckOK ZPO, Stand 1.7.2016, § 93 Rdn. 113; Münchener Kommentar/Schulz § 93 Rdn. 6 jew. m.w.N.). Für die Klageveranlassung kommt es grundsätzlich auf das Verhalten vor Prozessbeginn an (BGH NJW 1979, 2040; Musielak/Flockenhaus, ZPO, 13. Aufl., § 93 Rdn. 2). Indem der Beklagte dem Kläger durch sein Anerkenntnis einen Titel verschafft, genügt er dem Zweck des Erkenntnisverfahrens. Es bleibt dem Vollstreckungsverfahren überlassen, den Titel durchzusetzen. Im Hinblick hierauf ist eine einschränkende Auslegung des § 93 ZPO nicht gerechtfertigt (Münchener Kommentar/Schulz § 93 Rdn. 6).
8b) Die Beklagte hat den Anspruch auch sofort anerkannt. Das Landgericht hatte das schriftliche Vorverfahren nach § 276 ZPO angeordnet. Im schriftlichen Vorverfahren kann der Beklagte auch nach Ablauf der Notfrist des § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO den Anspruch noch „sofort“ anerkennen, wenn er zunächst seine Verteidigungsbereitschaft anzeigt, jedoch keinen klageabweisenden Sachantrag ankündigt (BGH NJW 2006, 2490). Zwar verliert er das Kostenprivileg jedenfalls mit Einreichung der Klageerwiderungsschrift, mit der – wie hier - ein Antrag auf Klageabweisung angekündigt wird (so BGH NJW-RR 2007, 397 Rdn. 8; Jaspersen/Wache in: BeckOK ZPO, Stand 1.7.2016, § 93 Rdn. 98; Münchener Kommentar/Schulz, ZPO, 5. Aufl., § 93 Rdn. 14). Das gilt aber dann nicht, wenn die Klage bis dahin unschlüssig war. Ist eine Klage zunächst nicht schlüssig, kann die beklagte Partei trotz angezeigter Verteidigungsbereitschaft im schriftlichen Vorverfahren nach entsprechend ergänztem Sachvortrag den Anspruch noch „sofort” i.S. von § 93 ZPO anerkennen (BGH NJW-RR 2004, 999; NZI 2007, 283 Rdn. 12 = MDR 2007, 858; Jaspersen/Wache in: BeckOK ZPO, Stand 1.7.2016, § 93 Rdn. 37, 38; Münchener Kommentar/Schulz § 93 Rdn. 15; Zöller/Herget § 93 Rdn. 93 Stichwort „unschlüssige Klage“). Dies war – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – im Hinblick auf die erst durch die Vorlage der Entlassungsberichte nachgeholte Substantiierung der Klageforderung der Fall.
9II.
10Die Entscheidung über die Kosten der Berufung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
11Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht vorliegen.
12Berufungsstreitwert: bis 3.000,-- €
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Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden.
Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
(1) Bestimmt der Vorsitzende keinen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung, so fordert er den Beklagten mit der Zustellung der Klage auf, wenn er sich gegen die Klage verteidigen wolle, dies binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht schriftlich anzuzeigen; der Kläger ist von der Aufforderung zu unterrichten. Zugleich ist dem Beklagten eine Frist von mindestens zwei weiteren Wochen zur schriftlichen Klageerwiderung zu setzen. Ist die Zustellung der Klage im Ausland vorzunehmen, so beträgt die Frist nach Satz 1 einen Monat. Der Vorsitzende kann in diesem Fall auch eine längere Frist bestimmen.
(2) Mit der Aufforderung ist der Beklagte über die Folgen einer Versäumung der ihm nach Absatz 1 Satz 1 gesetzten Frist sowie darüber zu belehren, dass er die Erklärung, der Klage entgegentreten zu wollen, nur durch den zu bestellenden Rechtsanwalt abgeben kann. Die Belehrung über die Möglichkeit des Erlasses eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 hat die Rechtsfolgen aus den §§ 91 und 708 Nr. 2 zu umfassen.
(3) Der Vorsitzende kann dem Kläger eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageerwiderung setzen.
Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.