Oberlandesgericht Köln Beschluss, 22. Juni 2015 - 5 W 12/15
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 17.3.2015 wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 12.1.2015 – 11 OH 19/13, soweit er sich auf die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens bezieht, aufgehoben.
Das Landgericht wird angewiesen, das selbständige Beweisverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats fortzuführen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2Die sofortige Beschwerde vom 17.3.2015 ist gemäß §§ 567 Abs. 1, 252 ZPO statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und mithin insgesamt zulässig.
3Durch den Beschluss vom 12.1.2015, nach dessen Inhalt das Landgericht das selbständige Beweisverfahren als beendet angesehen und an dem es ungeachtet der in eine andere Richtung weisenden Verfügung vom 14.1.2015 ausweislich der Verfügung vom 13.3.2015 und des Nichtabhilfebeschlusses vom 31.3.2015 festgehalten hat, ist das Verfahren in Stillstand geraten. Gegen alle den Stillstand des Verfahrens herbeiführenden Entscheidungen, auch solche die nicht in §§ 239 ff. ZPO genannt sind, findet die sofortige Beschwerde gemäß §§ 567 Abs. 1, 252 ZPO statt (Zöller/Greger, ZPO 30. Aufl. § 252 Rdn. 1 m.w.Nachw.).
4Zwar ist die nach § 569 Abs. 1 ZPO maßgebliche Beschwerdefrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 19.1.2015 begann, nicht gewahrt. Die sofortige Beschwerde vom 17.3.2015 ist erst am 18.3.2015 bei Gericht eingegangen. Der Antragstellerin ist aber vom Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert war, §§ 233, 236 Abs. 2 S. 2 ZPO. Denn aufgrund der Verfügung des Landgerichts vom 14.1.2015, mit der sie zur Stellungnahme zu dem Umstand aufgefordert worden war, dass der Antragsgegner mit dem am 14.1.2015 eingegangen Schriftsatz vom 8.1.2015 zwei Bilder oder Kopien auf einfachem Papier der Implantate in regio 14 und 24 eingereicht hatte, durfte sie darauf vertrauen, dass das Landgericht das selbständige Beweisverfahren in der Sache fortsetzen werde. Erst aus der Verfügung vom 13.3.2015, mit der das Landgericht auf den Beschluss vom 12.1.2015 verwiesen hat, ergab sich für sie, dass dies nicht der Fall war. Daraufhin hat sie umgehend und innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO die sofortige Beschwerde vom 17.3.2015 eingereicht.
5Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
6Das selbständige Beweisverfahren war weder bei Erlass des Beschlusses vom 12.1.2015 beendet noch ist eine Beendigung nunmehr eingetreten.
7Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein selbständiges Beweisverfahren beendet, wenn die Beweissicherung sachlich erledigt ist. Erfolgt die Beweiserhebung durch ein schriftliches Sachverständigengutachten, ist das selbständige Beweisverfahren mit dessen Übersendung an die Parteien beendet, wenn weder das Gericht nach § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO eine Frist zur Stellungnahme gesetzt hat noch die Parteien innerhalb eines angemessenen Zeitraums Einwendungen dagegen oder das Gutachten betreffende Anträge oder Ergänzungsfragen mitteilen. In den letztgenannten Fällen endet das selbständige Verfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt. Bei mündlicher Erläuterung eines schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen enden die Beweisaufnahme und damit das Beweisverfahren mit dem Verlesen oder der Vorlage zur Durchsicht des Sitzungsprotokolls über die Vernehmung des Sachverständigen (BGH, Urteile vom 3.12.1992 – VII ZR 86/92, iuris Rdn. 6, abgedruckt in BGHZ 120, 329 ff., vom 20.2.2002 - VIII ZR 228/00, iuris Rdn. 13, abgedruckt in BGHZ 150, 55 ff. und vom 28.10.2010 – VII ZR 172/09, iuris, Rdn. 11, abgedruckt in NJW 2011, 594 ff.)
8Gemessen an diesen Maßstäben ist das vorliegende selbständige Beweisverfahren nicht sachlich erledigt. Auf das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dr. X vom 19.10.2014 hin hat die Antragstellerin innerhalb der mit Beschluss vom 22.10.2014 gesetzten Frist mit Schriftsatz vom 11.11.2014 geltend gemacht, dass die Frage, ob die Implantate in regio 14 und 24 in die Kieferhöhle ragen, anhand von vom Antragsgegner vorzulegenden hochauflösenden Ausdrucken auf Fotopapier der DVT, deren digitale Speicherung Dr. X an seinem Computer nicht öffnen konnte, oder einer digitalen Übermittlung der DVT in dem vom Sachverständigen gewünschten JPEG-Format zu prüfen und zu bewerten sei. Weder hat Dr. X eine entsprechende Prüfung vorgenommen und die Frage in dem einen oder dem anderen Sinne beantwortet noch war und ist erkennbar, dass dem Antragsgegner eine Vorlage oder Übermittlung von entsprechenden Ausdrucken oder Dateien in vollem Umfang unmöglich ist und schon daher eine weitere Sachaufklärung ausscheidet. Tatsächlich hat der Antragsgegner mit dem am 14.1.2015 eingegangen Schriftsatz vom 8.1.2015 immerhin zwei Bilder oder Kopien auf einfachem Papier der Implantate in regio 14 und 24 eingereicht, die er von Zahntechnik U GmbH erhalten hat, von der offenbar seinerzeit die DVT erstellt worden ist.
9Eine weitere sachverständige Überprüfung ist daher zur Zeit zumindest anhand der zwei Bilder oder Kopien auf einfachem Papier sowie zusätzlich anhand der mit Schriftsatz vom 12.3.2015 überreichten DVD/CD möglich, die die Daten der dreidimensionalen bildgebenden Untersuchung enthält, die die Antragstellerin am 10.2.2015 im C Krankenhaus In N neu hat vornehmen lassen.
10Möglicherweise kann der Sachverständige Dr. X auch die weitere DVD/CD öffnen, die die Antragstellerin dem Schriftsatz vom 12.3.2015 beigefügt hat und die offenbar die ursprüngliche DVT betrifft.
11Über den Antrag der Antragstellerin aus dem Schriftsatz vom 12.3.2015, der Zahntechnik U GmbH aufzugeben, die Implantat-Regionen 14 und 24 hochauflösend auf Fotopapier oder auf einem Datenträger im JPEG-Format zur Verfügung zu stellen, wird das Landgericht in eigener Zuständigkeit entscheiden zu haben, sofern die Antragstellerin diesen Antrag aufrecht erhält. Der Senat weist in diesem Zusammenhang vorsorglich darauf hin, dass Dritte gemäß § 142 Abs. 1 ZPO nur zur Vorlage vorhandener Urkunden und Unterlagen, nicht aber zu deren Bearbeitung oder Modifizierung verpflichtet sein dürften.
12Eine Kostenentscheidung ist im Beschwerdeverfahren nicht veranlasst (vgl. BGH, Beschluss vom 12.12.2005 – II ZB 30/04, iuris Rdn. 12, abgedruckt in NJW-RR 2006, 1289 f.).
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Referenzen - Gesetze
Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Zivilprozessordnung - ZPO | § 567 Sofortige Beschwerde; Anschlussbeschwerde
Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist
Zivilprozessordnung - ZPO | § 569 Frist und Form
Zivilprozessordnung - ZPO | § 236 Wiedereinsetzungsantrag
Zivilprozessordnung - ZPO | § 411 Schriftliches Gutachten
Zivilprozessordnung - ZPO | § 142 Anordnung der Urkundenvorlegung
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Urteil einreichenOberlandesgericht Köln Beschluss, 22. Juni 2015 - 5 W 12/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2005 - II ZB 30/04
Landgericht Itzehoe Beschluss, 17. Juli 2015 - 7 O 19/15
(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.
(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.
(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses. Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Notfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Notfristen erhoben werden.
(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt werde.
(3) Die Beschwerde kann auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, wenn
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.
(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.
(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.
(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.
(1) Das Gericht kann anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Das Gericht kann hierfür eine Frist setzen sowie anordnen, dass die vorgelegten Unterlagen während einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Geschäftsstelle verbleiben.
(2) Dritte sind zur Vorlegung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383 bis 385 berechtigt sind. Die §§ 386 bis 390 gelten entsprechend.
(3) Das Gericht kann anordnen, dass von in fremder Sprache abgefassten Urkunden eine Übersetzung beigebracht wird, die ein Übersetzer angefertigt hat, der für Sprachübertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften ermächtigt oder öffentlich bestellt wurde oder einem solchen Übersetzer jeweils gleichgestellt ist. Eine solche Übersetzung gilt als richtig und vollständig, wenn dies von dem Übersetzer bescheinigt wird. Die Bescheinigung soll auf die Übersetzung gesetzt werden, Ort und Tag der Übersetzung sowie die Stellung des Übersetzers angeben und von ihm unterschrieben werden. Der Beweis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Übersetzung ist zulässig. Die Anordnung nach Satz 1 kann nicht gegenüber dem Dritten ergehen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Geschäftswert: 10.500,00 €
Gründe:
- 1
- I. Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Eigentümerin des Wohn- und Geschäftshauses B. straße 15 in S. war. Sie nimmt die Beklagte, eine in der Rechtsform einer GmbH geführte Steuerberatungsgesellschaft , mit der im Jahre 2002 zugestellten Klage aus zwei mit Ablauf des Jahres 2001 beendeten Mietverhältnissen auf Zahlung von Miete und Nebenkosten in Höhe von 43.586,99 € in Anspruch. Die Beklagte hat mit Forderungen aus steuerlicher Beratung aufgerechnet und hilfsweise Widerklage auf Zahlung der Vergütung erhoben.
- 2
- Durch eine Vereinbarung vom 8. Januar 2003 übertrugen die Gesellschafter der Klägerin ihre Gesellschaftsanteile mit Wirkung zum 31. Dezember 2002 auf den Mitgesellschafter H. -J. L. und beschlossen zugleich "die Auflösung der Gesellschaft". Die bis zum 19. Dezember 2002 begründeten Verbindlichkeiten sollten von "allen bisherigen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligungen" getragen werden; andererseits sollten ihnen die bis zu diesem Zeitpunkt begründeten Mietforderungen aus dem Objekt zustehen. Ab dem 19. Dezember 2002 sollten alle Verbindlichkeiten und Einnahmen auf den Erwerber L. übergehen.
- 3
- Mit Schriftsatz vom 14. April 2004 ist L. auf Klägerseite als vermeintlicher Rechtsnachfolger in den Rechtsstreit eingetreten und hat eine entsprechende Rubrumsberichtigung angeregt. Die Beklagte beantragt die Aussetzung des Verfahrens, weil die Klägerin durch Abtretung aller Gesellschaftsanteile auf einen Gesellschafter ohne Liquidation erloschen sei (§§ 239, 246 ZPO). Überdies sei die Aussetzung nach § 148 ZPO gerechtfertigt, weil ein von der Klägerin gegen den Geschäftsführer der Beklagten vor dem LG Neuruppin geführter Rechtsstreit für das vorliegende Verfahren vorgreiflich sei. Das Landgericht hat den Antrag abgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter.
- 4
- II. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, trotz Abtretung sämtlicher Gesellschaftsanteile sei L. nicht Gesamtrechtsnachfolger der Klägerin geworden. Ziel der Abtretung sei es gewesen, L. das Eigentum an dem Anwesen B. straße 15 als einem bedeutenden Teil der Vermögenswerte der Klägerin zu übertragen. Die bis zum Stichtag des 19. Dezember 2002 begründeten Ansprüche, zu denen auch die Klageforderung gehöre, hätten jedoch der Klägerin als Abwicklungsgesellschaft verbleiben sollen. Da die nicht vermögenslose Klägerin als Liquidationsgesellschaft fortbestehe, scheide eine Aussetzung nach §§ 246, 239 ZPO aus. Im Blick auf das vor dem LG Neuruppin anhängige Verfahren komme eine Aussetzung nach § 148 ZPO mangels Identität der Parteien nicht in Betracht.
- 5
- III. Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 2, 575 Abs. 1 und 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
- 6
- 1. Die Prüfungsbefugnis des Senats ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde in vorliegender Sache nicht eingeschränkt. Soweit die Aussetzung in das Ermessen des Gerichts gestellt ist (vgl. etwa §§ 148, 149 ZPO), kann zwar die Entscheidung im Beschwerderechtszug nur auf Ermessensfehler kontrolliert werden. Das Beschwerdegericht hat jedoch uneingeschränkt zu prüfen , ob ein Aussetzungsgrund gegeben ist (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO 22. Aufl. § 252 Rdn. 8).
- 7
- 2. Zutreffend führt das Beschwerdegericht aus, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO nicht gegeben sind.
- 8
- Eine Aussetzung des Verfahrens nach dieser Vorschrift kommt nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in Fällen der Vorgreiflichkeit im Sinne einer präjudiziellen Bedeutung des in dem anderen Prozess festzustellenden Rechtsverhältnisses in Betracht. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde scheidet eine Aussetzung aus, wenn die in dem anderen Prozess zu treffende Entscheidung auf das vorliegende Verfahren lediglich Einfluss ausüben kann (BGH, Beschl. v. 30. März 2005 - X ZB 26/04, BGHReport 2005, 1000 f.). Die danach zu fordernde Vorgreiflichkeit ist nicht gegeben, weil an dem Rechtsstreit vor dem LG Neuruppin sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite andere Parteien beteiligt sind und dem dortigen Verfahren außerdem ein anderer Gesellschaftsvertrag zugrunde liegt.
- 9
- 3. Das Verfahren ist jedoch gemäß §§ 246 Abs. 1 Halbs. 2, 239 Abs. 1 ZPO auf Antrag der Beklagten wegen des liquidationslosen Erlöschens der Klägerin auszusetzen.
- 10
- a) Zwar hat das Beschwerdegericht nicht verkannt, dass eine Personengesellschaft bei Abtretung sämtlicher Anteile an einen einzigen Gesellschafter ohne Liquidation untergeht (BGHZ 71, 296, 300; 65, 79, 82 f.) und auf diesen Rechtsübergang während eines Rechtsstreits die §§ 239, 246 ZPO sinngemäß anzuwenden sind (Sen.Urt. v. 15. März 2004 - II ZR 247/01, WM 2004, 1138 f.; Sen.Beschl. v. 18. Februar 2002 - II ZR 331/00, NJW 2002, 1207). Eine solche Sachverhaltskonstellation ist jedoch, anders als das Berufungsgericht meint, im Streitfall gegeben. Mit seiner Würdigung, dass nach dem Inhalt der Vereinbarung der Parteien vom 8. Januar 2003 der Gesellschafter L. nicht Gesamtrechtsnachfolger der Klägerin geworden sei, verletzt das Beschwerdegericht , was im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urt. v. 14. Oktober 1994 - V ZR 196/93, NJW 1995, 45 f.), tragende Grundsätze der Vertragsauslegung.
- 11
- b) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass L. mit Hilfe der Vereinbarung das Eigentum an dem Anwesen verschafft werden sollte, zieht daraus aber nicht die für die Auslegung gebotenen rechtlichen Konsequenzen. Da der Vertragszweck bei einer privatschriftlichen Übertragung allein des Hausgrundstücks mangels Beachtung der notariellen Form (§§ 311 b, 925 BGB) vereitelt würde, ist nach dem Grundsatz der vertragskonformen Auslegung (vgl. BGH, Urt. v. 14. März 1990 - VIII ZR 18/89, NJW-RR 1990, 817 f.; BGH, Urt. v. 3. März 1971 - VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034 f.) einer formlos gültigen Abtretung der Gesellschaftsanteile (BGHZ 86, 367, 369 ff.) der Vorzug zu geben. Das Beschwerdegericht lässt ferner rechtsfehlerhaft den Wortlaut des Vertrages (vgl. BGHZ 124, 39, 44 f.; Sen.Urt. v. 7. März 2005 - II ZR 194/03, ZIP 2005, 1068 f.) außer Betracht, der von einer "Übertragung" wie auch einer "Abtretung" der Gesellschaftsanteile spricht und in Verbindung mit dem von den Parteien verfolgten Vertragszweck ein liquidationsloses Erlöschen der Gesellschaft nahelegt. Mit seiner weiteren Würdigung, der Gesellschaft seien als Vermögenswerte die bis zum 19. Dezember 2002 begründeten Mietforderungen verblieben, setzt sich das Beschwerdegericht sogar über den Wortlaut der Vereinbarung hinweg, wonach diese Forderungen an "die bisherigen Gesellschafter im Verhältnis ihrer Beteiligung" abgetreten wurden. Aufgrund dieser Abtretung und der nachfolgenden - erst zum 31. Dezember 2002 wirksamen - Übertragung der Gesellschaftsanteile auf L. ist der Klägerin kein auseinandersetzbares Vermögen verblieben. Folglich hat L. am 31. Dezember 2002 die Gesellschaftsanteile seiner Mitgesellschafter mit allen Rechten und Pflichten, wobei sich die Zuweisung der Altverbindlichkeiten an die Gesellschafter wegen der fortdauernden Haftung der Gesellschaft und ihres Rechtsnachfolgers L. lediglich als Erfüllungsübernahme (§§ 415 Abs. 3, 329 BGB) darstellt, übernommen. Infolge des durch die Übertragung aller Gesellschaftsanteile auf den Gesellschafter L. bedingten Erlöschens der Klägerin ist der Antrag der Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens (§ 246 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO) begründet.
- 12
- 4. Eine Kostenentscheidung kann nicht ergehen, weil die Ausgangsentscheidung des Landgerichts über die Aussetzung des Verfahrens als Teil der Hauptsache keine Kostenentscheidung enthalten durfte und das Beschwerdeverfahren daher nur einen Bestandteil des Hauptverfahrens darstellt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens bilden einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig von dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens die nach §§ 91 ff. ZPO in der Sache unterliegende Partei zu tragen hat (Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl. § 572 Rdn. 24; MünchKommZPO/Lipp 2. Aufl. (AB) § 575 Rdn. 23 i.V.m. § 572 Rdn. 34).
Gehrlein Reichart
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 25.06.2004 - 12 O 264/03 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 27.10.2004 - 3 W 37/04 -