Oberlandesgericht Köln Beschluss, 22. Juni 2015 - 5 W 12/15


Gericht
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 17.3.2015 wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 12.1.2015 – 11 OH 19/13, soweit er sich auf die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens bezieht, aufgehoben.
Das Landgericht wird angewiesen, das selbständige Beweisverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats fortzuführen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2Die sofortige Beschwerde vom 17.3.2015 ist gemäß §§ 567 Abs. 1, 252 ZPO statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und mithin insgesamt zulässig.
3Durch den Beschluss vom 12.1.2015, nach dessen Inhalt das Landgericht das selbständige Beweisverfahren als beendet angesehen und an dem es ungeachtet der in eine andere Richtung weisenden Verfügung vom 14.1.2015 ausweislich der Verfügung vom 13.3.2015 und des Nichtabhilfebeschlusses vom 31.3.2015 festgehalten hat, ist das Verfahren in Stillstand geraten. Gegen alle den Stillstand des Verfahrens herbeiführenden Entscheidungen, auch solche die nicht in §§ 239 ff. ZPO genannt sind, findet die sofortige Beschwerde gemäß §§ 567 Abs. 1, 252 ZPO statt (Zöller/Greger, ZPO 30. Aufl. § 252 Rdn. 1 m.w.Nachw.).
4Zwar ist die nach § 569 Abs. 1 ZPO maßgebliche Beschwerdefrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 19.1.2015 begann, nicht gewahrt. Die sofortige Beschwerde vom 17.3.2015 ist erst am 18.3.2015 bei Gericht eingegangen. Der Antragstellerin ist aber vom Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert war, §§ 233, 236 Abs. 2 S. 2 ZPO. Denn aufgrund der Verfügung des Landgerichts vom 14.1.2015, mit der sie zur Stellungnahme zu dem Umstand aufgefordert worden war, dass der Antragsgegner mit dem am 14.1.2015 eingegangen Schriftsatz vom 8.1.2015 zwei Bilder oder Kopien auf einfachem Papier der Implantate in regio 14 und 24 eingereicht hatte, durfte sie darauf vertrauen, dass das Landgericht das selbständige Beweisverfahren in der Sache fortsetzen werde. Erst aus der Verfügung vom 13.3.2015, mit der das Landgericht auf den Beschluss vom 12.1.2015 verwiesen hat, ergab sich für sie, dass dies nicht der Fall war. Daraufhin hat sie umgehend und innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO die sofortige Beschwerde vom 17.3.2015 eingereicht.
5Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
6Das selbständige Beweisverfahren war weder bei Erlass des Beschlusses vom 12.1.2015 beendet noch ist eine Beendigung nunmehr eingetreten.
7Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein selbständiges Beweisverfahren beendet, wenn die Beweissicherung sachlich erledigt ist. Erfolgt die Beweiserhebung durch ein schriftliches Sachverständigengutachten, ist das selbständige Beweisverfahren mit dessen Übersendung an die Parteien beendet, wenn weder das Gericht nach § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO eine Frist zur Stellungnahme gesetzt hat noch die Parteien innerhalb eines angemessenen Zeitraums Einwendungen dagegen oder das Gutachten betreffende Anträge oder Ergänzungsfragen mitteilen. In den letztgenannten Fällen endet das selbständige Verfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt. Bei mündlicher Erläuterung eines schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen enden die Beweisaufnahme und damit das Beweisverfahren mit dem Verlesen oder der Vorlage zur Durchsicht des Sitzungsprotokolls über die Vernehmung des Sachverständigen (BGH, Urteile vom 3.12.1992 – VII ZR 86/92, iuris Rdn. 6, abgedruckt in BGHZ 120, 329 ff., vom 20.2.2002 - VIII ZR 228/00, iuris Rdn. 13, abgedruckt in BGHZ 150, 55 ff. und vom 28.10.2010 – VII ZR 172/09, iuris, Rdn. 11, abgedruckt in NJW 2011, 594 ff.)
8Gemessen an diesen Maßstäben ist das vorliegende selbständige Beweisverfahren nicht sachlich erledigt. Auf das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dr. X vom 19.10.2014 hin hat die Antragstellerin innerhalb der mit Beschluss vom 22.10.2014 gesetzten Frist mit Schriftsatz vom 11.11.2014 geltend gemacht, dass die Frage, ob die Implantate in regio 14 und 24 in die Kieferhöhle ragen, anhand von vom Antragsgegner vorzulegenden hochauflösenden Ausdrucken auf Fotopapier der DVT, deren digitale Speicherung Dr. X an seinem Computer nicht öffnen konnte, oder einer digitalen Übermittlung der DVT in dem vom Sachverständigen gewünschten JPEG-Format zu prüfen und zu bewerten sei. Weder hat Dr. X eine entsprechende Prüfung vorgenommen und die Frage in dem einen oder dem anderen Sinne beantwortet noch war und ist erkennbar, dass dem Antragsgegner eine Vorlage oder Übermittlung von entsprechenden Ausdrucken oder Dateien in vollem Umfang unmöglich ist und schon daher eine weitere Sachaufklärung ausscheidet. Tatsächlich hat der Antragsgegner mit dem am 14.1.2015 eingegangen Schriftsatz vom 8.1.2015 immerhin zwei Bilder oder Kopien auf einfachem Papier der Implantate in regio 14 und 24 eingereicht, die er von Zahntechnik U GmbH erhalten hat, von der offenbar seinerzeit die DVT erstellt worden ist.
9Eine weitere sachverständige Überprüfung ist daher zur Zeit zumindest anhand der zwei Bilder oder Kopien auf einfachem Papier sowie zusätzlich anhand der mit Schriftsatz vom 12.3.2015 überreichten DVD/CD möglich, die die Daten der dreidimensionalen bildgebenden Untersuchung enthält, die die Antragstellerin am 10.2.2015 im C Krankenhaus In N neu hat vornehmen lassen.
10Möglicherweise kann der Sachverständige Dr. X auch die weitere DVD/CD öffnen, die die Antragstellerin dem Schriftsatz vom 12.3.2015 beigefügt hat und die offenbar die ursprüngliche DVT betrifft.
11Über den Antrag der Antragstellerin aus dem Schriftsatz vom 12.3.2015, der Zahntechnik U GmbH aufzugeben, die Implantat-Regionen 14 und 24 hochauflösend auf Fotopapier oder auf einem Datenträger im JPEG-Format zur Verfügung zu stellen, wird das Landgericht in eigener Zuständigkeit entscheiden zu haben, sofern die Antragstellerin diesen Antrag aufrecht erhält. Der Senat weist in diesem Zusammenhang vorsorglich darauf hin, dass Dritte gemäß § 142 Abs. 1 ZPO nur zur Vorlage vorhandener Urkunden und Unterlagen, nicht aber zu deren Bearbeitung oder Modifizierung verpflichtet sein dürften.
12Eine Kostenentscheidung ist im Beschwerdeverfahren nicht veranlasst (vgl. BGH, Beschluss vom 12.12.2005 – II ZB 30/04, iuris Rdn. 12, abgedruckt in NJW-RR 2006, 1289 f.).

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(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.
(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.
(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses. Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Notfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Notfristen erhoben werden.
(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt werde.
(3) Die Beschwerde kann auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, wenn
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.
(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.
(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.
(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.
(1) Das Gericht kann anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Das Gericht kann hierfür eine Frist setzen sowie anordnen, dass die vorgelegten Unterlagen während einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Geschäftsstelle verbleiben.
(2) Dritte sind zur Vorlegung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383 bis 385 berechtigt sind. Die §§ 386 bis 390 gelten entsprechend.
(3) Das Gericht kann anordnen, dass von in fremder Sprache abgefassten Urkunden eine Übersetzung beigebracht wird, die ein Übersetzer angefertigt hat, der für Sprachübertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften ermächtigt oder öffentlich bestellt wurde oder einem solchen Übersetzer jeweils gleichgestellt ist. Eine solche Übersetzung gilt als richtig und vollständig, wenn dies von dem Übersetzer bescheinigt wird. Die Bescheinigung soll auf die Übersetzung gesetzt werden, Ort und Tag der Übersetzung sowie die Stellung des Übersetzers angeben und von ihm unterschrieben werden. Der Beweis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Übersetzung ist zulässig. Die Anordnung nach Satz 1 kann nicht gegenüber dem Dritten ergehen.