Oberlandesgericht Köln Urteil, 14. Okt. 2016 - 20 U 59/16
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 11. März 2016 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 9 O 312/15 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrags als unzulässig zurückgewiesen und hinsichtlich eines eingeklagten Teilbetrags in Höhe von 6.029,71 € zuzüglich Zinsen als derzeit unbegründet abgewiesen wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Dieses Urteil und das erstinstanzliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor einer Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zur Vollstreckung anstehenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit der Zahlungsantrag das Klägers wegen eines Teilbetrags in Höhe von 6.029,71 € zuzüglich Zinsen als derzeit unbegründet abgewiesen wurde. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Kläger fordert von der beklagten Versicherungsgesellschaft aufgrund eines zwischen den Parteien bestehenden Vertrages über eine Krankheitskostenversicherung die Erstattung der Kosten für im Jahr 2014 erfolgte Maßnahmen im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung und die Feststellung der Erstattungspflicht der Beklagten wegen der Kosten zukünftiger damit in Zusammenhang stehender weiterer Behandlungsmaßnahmen.
4Der Kläger, der an einer Oligo-Astheno-Teratozoospermie, d.h. einer verminderten Spermiendichte bei gleichzeitig verminderter Spermienbeweglichkeit und erhöhter Spermienfehlformrate, leidet, hatte sich bereits im Oktober 2009 und – gemeinsam mit seiner im Oktober 1976 geborenen Ehefrau, die nicht bei der Beklagten versichert ist, – im August 2013 im PAN INSITUT für Endokrinologie und Reproduktionsmedizin in L wegen einer Kinderwunschbehandlung vorgestellt. Im September 2014 suchten der Kläger und seine Ehefrau erneut das Institut auf. Dort wurden der Ehefrau, die seit September 2014 an Brustkrebs erkrankt ist und sich vom 23. Oktober 2014 bis zum 5. Februar 2015 einer Chemotherapie unterziehen musste, zur Erhaltung ihrer Fertilität Eizellen entnommen, die mittels einer intracytoplastischen Spermien-Injektion (ICSI) mit den Spermien des Klägers befruchtet und kryokonserviert, d.h. eingefroren, wurden. Infolge der Behandlungen seit September 2014 sind Kosten in Höhe von insgesamt 6.765,82 € entstanden. Eine Einpflanzung der entnommenen befruchteten Eizellen in die Gebärmutter erfolgte aufgrund der Krebserkrankung der Ehefrau des Klägers und der damit verbundenen Behandlungen bislang nicht.
5Die Beklagte lehnte die Übernahme der Kosten ab, weil beim Kläger kein krankhafter Befund sowie keine medizinische Notwendigkeit der Behandlung vorliege und zudem keine deutliche Erfolgsaussicht für den Eintritt einer Schwangerschaft bestehe.
6Vorgerichtlich forderte der Kläger die Beklagte erfolglos auf, die im Rahmen seiner Behandlung verauslagten Kosten in Höhe von 4.714,01 € zu erstatten.
7Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die durchgeführte IVF/ICSI-Behandlung und die mit der Kryokonservierung der Eizellen seiner Ehefrau in Zusammenhang stehenden Maßnahmen stellten eine medizinisch notwendige Heilbehandlung seiner Person wegen Krankheit dar. Die In-vitro-Fertilisation bilde zusammen mit der intracytoplastischen Spermien-Injektion eine auf sein Krankheitsbild abgestimmte Gesamtbehandlung. Erst die Kombination der Behandlungsmaßnahmen diene insgesamt der Linderung seiner Unfruchtbarkeit. Die damit verbundene Mitbehandlung der Ehefrau wie auch die für später geplante Einpflanzung der Eizellen in ihre Gebärmutter seien notwendige Bestandteile der Behandlung. Er hat behauptet, für weitere Versuche durch Einpflanzung der kryokonservierten Eizellen bestehe hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft von über 15 %. Bei seiner Ehefrau lägen keine klinischen Hinweise auf organische Erkrankungen oder Funktionsstörungen die Fertilität betreffend vor.
8Der Kläger hat beantragt,
91. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 6.765,82 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit dem 01.08.2015 zu zahlen, und
102. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm im tariflichen Umfang Gesamtkosten der künstlichen Befruchtung im Rahmen der IVF/ICSI-Behandlung zu erstatten, solange die Erfolgsaussicht der Behandlung hinsichtlich des Eintritts einer klinischen Schwangerschaft wenigstens 15 % beträgt und die Behandlung unter Beteiligung seiner am 21.10.1976 geborenen Ehefrau T stattfindet.
11Die Beklagte hat den Antrag gestellt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie hat die Ansicht vertreten, die erfolgten Maßnahmen seien keine medizinisch notwendige Heilbehandlung zur Überwindung einer ungewollten Kinderlosigkeit gewesen, und behauptet, Ziel der erfolgten Befruchtung der Eizellen sei nicht die Geburt eines Kindes gewesen, sondern allein der prophylaktische Erhalt befruchteter Eizellen der Ehefrau des Klägers für eine möglicherweise irgendwann später einmal erfolgende Kinderwunschbehandlung. Es habe sich daher um eine Behandlung nicht des Klägers, sondern seiner Ehefrau gehandelt. In absehbarer Zeit sei nicht mit einer Kinderwunschbehandlung zu rechnen, schon weil sich die Ehefrau des Klägers zuvor von der Chemotherapie erholen müsse. Die Beklagte hat deswegen die Ansicht vertreten, der Feststellungsantrag sei mangels eines Interesses an alsbaldiger Feststellung unzulässig. Weiter hat sie die erforderliche Erfolgswahrscheinlichkeit für den Eintritt einer Schwangerschaft bestritten, weil die Hormonwerte der Ehefrau des Klägers nicht gut genug seien und die Erfolgsaussichten durch die Chemotherapie weiter herabgesetzt würden; nach Erreichen des 40. Lebensjahres der Ehefrau des Klägers seien die Erfolgsaussichten als noch geringer zu werten; die Aussicht, mittels kryokonservierter Eizellen eine Schwangerschaft zu erreichen, sei ohnehin gering.
14Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
15Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
16Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Zahlung bereits entstandener Behandlungskosten für die im September 2014 begonnene Kinderwunschbehandlung zu, weil kein Versicherungsfall im Sinne der Vertragsbedingungen vorliege. Danach sei ein Versicherungsfall gegeben bei medizinisch notwendiger Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginne mit der Heilbehandlung und ende, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr bestehe. Zwar liege beim Kläger eine bedingungsgemäße Krankheit vor, da er an einer Oligo-Astheno-Teratozoospermie, also einem objektiv nach ärztlichem Urteil bestehenden anormalen, regelwidrigen Körperzustand, leide. Die durchgeführte Behandlung stelle aber keine notwendige Heilbehandlung dar, denn es liege mangels Einpflanzung der kryokonservierten Eizellen in die Gebärmutter seiner Ehefrau keine Heilbehandlung des Klägers vor.
17Der Bundesgerichtshof habe eine homologe In-Vitro-Fertilisation (IVF) als Heilbehandlung anerkannt, wenn sie eingesetzt werde, um die Fortpflanzungsunfähigkeit einer Frau zu überwinden. Werde eine IVF eingesetzt, um die organisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so könne im Ergebnis nichts anderes gelten. Allerdings könne eine Linderung der Sterilität des Mannes erst durch die Gesamtheit der Maßnahmen erreicht werden. Müsse die biologische Funktion der Fortpflanzungsorgane und Spermien des Mannes, eine Schwangerschaft herbeizuführen, wegen Fertilitätsstörungen durch ärztliche Maßnahmen ersetzt werden, so hätten diese nur dann Aussicht auf Erfolg und könnten eine Linderung bewirken, wenn eine befruchtete Eizelle in die Gebärmutter übertragen werde. Die Behandlung ziele darauf ab, einen Zustand zu erreichen, der ohne die Fertilitätsstörung mit Hilfe der natürlichen Körperfunktionen hätte herbeigeführt werden können. Erst dann lasse sich davon sprechen, dass die gestörte Körperfunktion durch den ärztlichen Eingriff ersetzt werde, so dass auch erst dann die der Linderung dienende Heilbehandlungsmaßnahme beendet sei. Die IVF bilde zusammen mit der ICSI eine auf das Krankheitsbild des Mannes abgestimmte Gesamtbehandlung. Ohne die zur IVF zählende Eizellenentnahme könne die Injektion der Spermien nicht durchgeführt werden. Erst die kombinierten Behandlungsmaßnahmen dienten der Linderung der Unfruchtbarkeit des Mannes. Die damit einhergehende Mitbehandlung der Frau durch die Einpflanzung der Eizellen in die Gebärmutter sei notwendiger Bestandteil der gesamten Behandlung. Die Anerkennung der Behandlungen als Heilbehandlung des Mannes setze daher notwendigerweise eine Einpflanzung der entnommenen und befruchteten Eizellen in die Gebärmutter der Frau voraus. Da diese hier fehle, habe keine vollständige Kombination aus ICSI- und IVF-Behandlung vorgelegen, die die Krankheit des Klägers hätte lindern können. Durch die bloße Kryokonservierung der Eizellen habe keine Schwangerschaft herbeigeführt und keine mangelnde Funktion eines Organs oder Körperteils des Klägers ersetzt werden können.
18Die Absicht, irgendwann die kryokonservierten Eizellen in die Gebärmutter der Ehefrau einpflanzen zu lassen, stehe dem nicht entgegen. Zum einen müsse die Frage, ob es sich um eine den Versicherungsfall begründende Heilbehandlung des Mannes handelt, aus der ex-ante Sicht, spätestens im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung, beurteilt werden. Zu diesem Zeitpunkt habe eine Heilbehandlung des Klägers nicht angenommen werden können, weil eine unmittelbare Einpflanzung der entnommenen und befruchteten Eizellen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft aufgrund der Krebserkrankung und der Chemotherapie der Ehefrau weder möglich noch geplant gewesen sei. Zum anderen könne die bloße Absicht, entnommene Eizellen später in die Gebärmutter einer Frau einzupflanzen, nicht zur Annahme einer Heilbehandlung des Mannes ausreichen. Denn etwas anderes wäre für den Versicherer mit unzumutbaren Risiken und Unsicherheiten verbunden, weil er unter Umständen verpflichtet wäre, die Kosten einer Behandlung zu tragen, deren Abschluss ggf. völlig ungewiss sei. Der Versicherungsnehmer hingegen würde die Möglichkeit haben, sich eine „spätere Heilbehandlung“ durch die prophylaktische Sicherung von befruchteten Eizellen vorsichtshalber zu sichern, sich dabei die Entscheidung über ihre Durchführung offen zu lassen. Die Annahme einer „Heilbehandlung des Mannes“ durch die bloße Konservierung von Eizellen würde daher mit untragbaren Gefahren des Versicherers und der Gemeinschaft der Versicherungsnehmer einhergehen. Dies gelte erst Recht im Falle der bloßen Entnahme und Konservierung unbefruchteter Eizellen der Lebenspartnerin eines versicherten Mannes.
19Mangels Vorliegens einer Heilbehandlung habe es keiner Entscheidung bedurft, ob eine bedingungsgemäße medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung vorliege, die nach ständiger Rechtsprechung bei einer IVF/ICSI-Behandlung eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 15 % dafür voraussetze, dass ein Embryotransfer zur gewünschten Schwangerschaft führt.
20Der Feststellungsantrag, allein darauf gerichtet die Verpflichtung der Beklagten in Bezug auf die Kostentragung der späteren Beendigung der bereits im September 2014 begonnenen IFV/ICSI -Behandlung festzustellen, sei dementsprechend – falls nicht bereits unzulässig – unbegründet, da ein Versicherungsfall nicht gegeben sei.
21Gegen diese Entscheidung wendet sich die Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlichen Klageanträge mit der Klarstellung weiterverfolgt, dass sich sein Feststellungsantrag allein auf die Erstattungspflicht der Beklagten in Bezug auf die im September 2014 begonnene Behandlung bezieht. Der Entscheidung des Landgerichts liege eine unzutreffende Sachverhaltsfeststellung zu Grunde. Das Landgericht habe angenommen, es seien unbefruchtete Eizellen seiner Ehefrau kryokonserviert worden. Tatsächlich sei die ICSI/IVF-Behandlung, bei der mittels einer feinen Nadel eine ausgewählte Samenzelle in eine ausgewählte Eizelle injiziert werde, abgeschlossen und es seien befruchtete Eizellen kryokonserviert worden. Die Heilbehandlung, die allein wegen seiner Unfruchtbarkeit und nicht auch wegen einer Fertilitätsstörung seiner Ehefrau erfolgt sei, sei damit im Grunde abgeschlossen.
22Die Beklagte verteidigt das Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der zeitliche Ablauf bestätige, dass die Behandlung im Jahr 2014 nur durchgeführt worden sei, weil durch die anstehende Chemotherapie der Ehefrau des Klägers mit einer Zerstörung ihrer Eizellen zu rechnen gewesen sei. Eine Heilbehandlung, die mit der Injektion der Spermien in die Eizellen abgeschlossen wäre, würde für sich allein genommen keinen Sinn ergeben. Erforderlich für eine Erstattungspflicht sei eine bestimmte Erfolgswahrscheinlichkeit für den Eintritt einer Schwangerschaft; solange die befruchteten Eizellen nicht eingesetzt würden, sei eine solche nicht gegeben. Die extrakorporale Befruchtung von Eizellen könne für sich genommen folglich keine medizinisch notwendige Heilbehandlung sein.
23Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
24II.
25Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht den Erfolg versagt.
26Der auf Feststellung gerichtete Klageantrag ist unzulässig. Ihm fehlt das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an einer alsbaldigen richterlichen Entscheidung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, ist eine Klage auf Feststellung der Eintrittspflicht des Versicherers für die Kosten einer noch nicht durchgeführten Heilbehandlung nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Die Feststellung muss ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis in dem Sinne betreffen, dass die zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehenden Beziehungen schon zur Zeit der Klageerhebung wenigstens die Grundlage bestimmter Ansprüche bilden. Das ist der Fall, wenn das Begehren nicht nur auf künftige, mögliche, sondern auf bereits aktualisierte, ärztlich für notwendig erachtete, bevorstehende Behandlungen gerichtet ist und außerdem ein Feststellungsinteresse dahingehend besteht, dass durch ein Feststellungsurteil eine sachgemäße und erschöpfende Lösung des Streits über die Erstattungspflicht zu erwarten ist (BGH, Urt. v. 8.2.2006 – IV ZR 131/05, VersR 2006, 535).
27Die Einpflanzung der kryokonservierten befruchteten Eizellen in die Gebärmutter der Ehefrau des Klägers steht derzeit jedoch nicht im Raum. Dass aktuell mit der Durchführung der weiteren Behandlung, für deren Kosten der Kläger die Erstattungspflicht der Beklagten festgestellt haben möchte, zu rechnen wäre, ist nicht ersichtlich. Erstinstanzlich hat der Kläger zwar – wenig substanziiert – vorgetragen, seine Ehefrau „dürfte“ sich nach dem Abschluss der Chemotherapie Februar 2015 „bereits hinreichend erholt“ haben. Ein angekündigtes ärztliches Attest dazu, dass die Kinderwunschbehandlung nunmehr fortgesetzt werden könne, hat er aber nicht vorgelegt. Im Berufungsverfahren hat er die Feststellung im landgerichtlichen Urteil, es sei nicht absehbar, ob es überhaupt zu einer Einpflanzung der befruchteten Eizellen kommen werde, nicht angegriffen. Damit fehlt es u.a. an einer Basis für eine Beurteilung der Erfolgsaussicht einer Fortsetzung der Kinderwunschbehandlung, die jedoch eine Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch für die durch sie verursachten Kosten darstellt, so dass allein deswegen eine sachgemäße und erschöpfende Lösung des Streits über die Erstattungspflicht mit einem Feststellungsurteil nicht zu erreichen wäre.
28Hinsichtlich der im Jahr 2014 erfolgten Behandlungen, für die der Kläger Kostenerstattung von der Beklagten verlangt, ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es an der Voraussetzung einer erstattungspflichtigen Heilbehandlung des Klägers fehlt.
29Soweit es isoliert um die Kryokonservierung der Eizellen geht, handelt es sich um eine Maßnahme, die allein der Krebserkrankung der Ehefrau des Klägers geschuldet und demzufolge nicht Teil der eigentlichen Kinderwunschbehandlung ist. Jedenfalls handelt es sich um einen Behandlungsschritt, der ausschließlich durch die Erkrankung der Ehefrau des Klägers geboten war. Denn ohne diese Erkrankung wäre, so muss man den Vortrag des Klägers verstehen, die Einpflanzung der befruchteten Eizellen in die Gebärmutter seiner Ehefrau ohne zwischenzeitliche Kryokonservierung unmittelbar vorgenommen worden. Damit handelt es sich nicht um einen Behandlungsschritt, der im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kinderwunschbehandlung, der der Senat folgt, wertend als Teil der Heilbehandlung des Klägers eine Kostentragungspflicht seines Versicherers - der Beklagten - auslösen könnte (vgl. BGH, Urt. v. 15.9.2010 – IV ZR 187/07, VersR 2010, 1485; juris Rn. 18). Schon aus diesem Grund kann der Kläger von der Beklagten nicht die Erstattung des Betrages in Höhe von 744,11 € verlangen, die seiner Ehefrau unter dem 9. Oktober 2015 (Anl. K9, GA 20) für die Kryokonservierung in Rechnung gestellt worden sind.
30In Bezug auf den verbleibenden Forderungsbetrag von 6.029,71 €, der sich zusammensetzt aus den Einzelbeträgen der Rechnungen der Q vom 25. September 2014 (Anl. K8, GA 19), der E GmbH vom 24. Oktober 2014 (Anl. K6, GA 17) und der Q2 GmbH & Co. KG vom 4. November 2014 (Anl. K5, GA 15) sowie des Kassenbons der Apotheke am O vom 4. Oktober 2014 (Anl. K7, GA 18) ist die Klage jedenfalls derzeit unbegründet.
31Das ergibt sich – wie auch das Landgericht nicht angenommen hat – allerdings nicht schon daraus, dass die Rechnungen nicht an den Kläger selbst, sondern an seine Ehefrau gerichtet sind und deren Behandlung im Rahmen einer im September 2014 begonnenen IVF/ICSI-Behandlung betreffen.
32Nach den dem Vertrag der Parteien zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), Teil I – Rahmenbedingungen 2009 (RB/KK 2009) - § 1 Abs. 2 ist Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Krankheit im Sinne des Rechts der privaten Krankenversicherung ist ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand. Dazu zählt auch eine auf körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen (BGH, Urt. v. 3.3.2004 - IV ZR 25/03, BGHZ 158, 166 = NJW 2004, 1658).
33Soweit es um die in Rede stehende extrakorporale Befruchtung der Eizellen der Ehefrau des Klägers geht, handelt es sich nicht um Behandlungsschritte, die allein aufgrund einer Erkrankung der Ehefrau erfolgt sind. Es kann dahinstehen, ob die Fertilität der Ehefrau des Klägers, wie die Beklagte annimmt, hormonbedingt eingeschränkt war. Denn jedenfalls ist von einer behandlungsbedürftigen Fertilitätseinschränkung des Klägers auszugehen, der nach den nicht angegriffenen Feststellungen im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils an einer Oligo-Astheno-Teratozoospermie leidet. Damit ist beim Kläger ein regelwidriger körperlicher Zustand gegeben, der zur Folge hat, dass die Fähigkeit, eine Eizelle zu befruchten, stark eingeschränkt ist. Die In-vitro-Fertilisation (IVF) bildet deshalb zusammen mit der intracytoplasmatischen Spermien-Injektion (ICSI) eine auf das Krankheitsbild des Klägers abgestimmte Gesamtbehandlung. Ohne die zur IVF zählende Eizellenentnahme kann die Injektion der Spermien nicht durchgeführt werden. Die kombinierten Maßnahmen einer IVF/ICSI-Behandlung dienen insgesamt der Linderung der Unfruchtbarkeit des Mannes. Die damit einhergehende Mitbehandlung der Frau ist dabei notwendiger Bestandteil der gesamten Behandlung. Deshalb zielt die Behandlung insgesamt darauf ab, zumindest auch die Krankheit des Mannes zu lindern. Dass alle Einzelstadien der Behandlung sich auf den Körper des Versicherungsnehmers beziehen und nur dort auf eine Abmilderung „medizinisch unmittelbar zugänglicher Leidensfolgen” abzielen, ist nicht erforderlich, um die vertragliche Erstattungspflicht des Versicherers auszulösen (vgl. BGH, Urt. v. 3.3.2004 - IV ZR 25/03, BGHZ 158, 166 = NJW 2004, 1658). Treffen körperlich bedingte Fertilitätseinschränkungen von Mann und Frau zusammen, so ist die Behandlung, selbst wenn sie zugleich die körperlich bedingte Unfruchtbarkeit beider Partner überwinden soll, jedenfalls auch als eine eigene Heilbehandlung desjenigen Ehepartners anzusehen, bei dem die Fertilitätsstörung nachgewiesen ist (vgl. BGH, Urt. v. 15.9.2010 – IV ZR 187/07, VersR 2010, 1485 = juris Rn. 18).
34Einem Erstattungsanspruch des Klägers steht jedenfalls derzeit aber – wovon das Landgericht zu Recht ausgegangen ist - entgegen, dass die in Rede stehenden Behandlungsmaßnahmen im Jahr 2014 (noch) nicht die Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Heilbehandlung erfüllen. Das Erfordernis einer notwendigen Heilbehandlung des Klägers im Sinne von Teil I § 1 Abs. 2 AVB ist bislang nicht gegeben, weil eine Einpflanzung der befruchteten Eizellen in die Gebärmutter seiner Ehefrau noch nicht erfolgt ist.
35Eine Heilbehandlung ist jede ärztliche Tätigkeit, die durch eine Krankheit verursacht ist, sofern die Leistung des Arztes auf deren Heilung, Besserung oder auch nur Linderung abzielt. Maßnahmen der künstlichen Befruchtung sind daher als Heilbehandlung anzusehen, wenn sie eingesetzt werden, um die Fortpflanzungsfähigkeit eines Partners zu überwinden. Die Linderung kann in diesen Fällen allerdings erst mit dem Abschluss der Gesamtheit der Maßnahmen, die die Einpflanzung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter einschließt, erreicht werden (vgl. BGH, Urt. v. 3.3.2004 - IV ZR 25/03, BGHZ 158, 166 = NJW 2004, 1658). Muss die biologische Funktion der Fortpflanzungsorgane und Spermien des Mannes, eine Schwangerschaft herbeizuführen, wegen Fertilitätsstörungen durch ärztliche Maßnahmen ersetzt werden, so haben diese nur dann Aussicht auf Erfolg und können insoweit eine Linderung bewirken, wenn eine befruchtete Eizelle in die Gebärmutter übertragen wird, um sich dort einzunisten. Erst dann lässt sich davon sprechen, dass die gestörte Körperfunktion durch den ärztlichen Eingriff ersetzt wird, so dass auch erst in diesem Zeitpunkt die der Linderung dienende Heilbehandlungsmaßnahme durchgeführt worden ist. Erst die kombinierten Behandlungsmaßnahmen dienen insgesamt der Linderung der Unfruchtbarkeit des Mannes. Ohne die Einpflanzung der befruchteten Eizelle bleiben die vorhergehenden Maßnahmen sinnlos und sind für sich genommen nicht zur Linderung der Unfruchtbarkeit des Mannes geeignet (vgl. BGH, a.a.O.).
36Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass von einer notwendigen Heilbehandlung derzeit allenfalls ausgegangen werden könnte, wenn von einer aktuell in Aussicht genommenen Fortsetzung der Behandlungsmaßnahmen durch Einpflanzung einer befruchteten Eizelle in die Gebärmutter der Ehefrau des Klägers auszugehen wäre. Dann könnte inzident zugleich geprüft werden, ob die Behandlung insgesamt medizinisch indiziert war und ist, weil hinreichende Erfolgsaussicht besteht. Im Falle der Kinderwunschbehandlung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, von der vertraglich geforderten Notwendigkeit der Heilbehandlung nur auszugehen, wenn eine Erfolgswahrscheinlichkeit von mindestens 15 % besteht, dass ein Embryotransfer zur gewünschten Schwangerschaft führt (BGH, Urt. v. 21.9.2005 - IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122 = NJW 2005, 3783). Das bedeutet, dass für die Beurteilung der Erfolgswahrscheinlichkeit auf den Zeitpunkt des Embryotransfers abzustellen ist. Wie dargelegt ist jedoch nicht ersichtlich, dass aktuell mit der Durchführung der weiteren Behandlung zu rechnen wäre.
37Aus vorstehenden Erwägungen folgt allerdings, dass ein Erstattungsanspruch des Klägers zurzeit nicht endgültig abzuweisen ist, weil er im Falle des Abschlusses der begonnenen Kinderwunschbehandlung noch zur Entstehung gelangen kann.
38Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Absatz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
39Nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist es geboten, zur Fortbildung des Rechts die Revision zuzulassen, soweit es um die Frage geht, ob einem Erstattungsanspruch des Klägers entgegen steht, dass die Kinderwunschbehandlung aufgrund der Krebserkrankung seiner Ehefrau und der deswegen erfolgten Chemotherapie (noch) nicht abgeschlossen wurde und deswegen die bereits durchgeführten Maßnahmen (hier insbesondere wie Kryokonservierung) nicht als bedingungsgemäße Heilbehandlung gewertet werden. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht vor.
40Streitwert des Berufungsverfahrens: 7.765, 82 €
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 14. Okt. 2016 - 20 U 59/16
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 14. Okt. 2016 - 20 U 59/16
Referenzen - Gesetze
Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung
Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten
Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision
Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage
Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht Köln Urteil, 14. Okt. 2016 - 20 U 59/16 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
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Bundesgerichtshof Urteil, 03. März 2004 - IV ZR 25/03
Bundesgerichtshof Urteil, 08. Feb. 2006 - IV ZR 131/05
Bundesgerichtshof Urteil, 15. Sept. 2010 - IV ZR 187/07
Landgericht Bonn Urteil, 11. März 2016 - 9 O 312/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der am ##.##.1971 geborene Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten für eine im September 2014 begonnene ICSI-Behandlung sowie die Feststellung der Erstattungspflicht der Beklagten für deren Beendigung in der Zukunft.
3Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Krankenkostenversicherung nach den Tarifen EKN250B, ETA42 und PVN. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Form der AVB/VV 2013 sowie die Tarifbedingungen sind Bestandteil des Vertrages.
4Er leidet an einer Oligo-Astheno-Teratozoospermie, d.h. einer verminderten Spermiendichte bei gleichzeitig verminderter Spermienbeweglichkeit und erhöhter Spermienfehlformrate. Daher stellte er sich erstmals im Oktober 2009 im Q INSITUT für Endokriminologie und Reproduktionsmedizin wegen einer Kinderwunschbehandlung vor. Eine weitere Vorstellung des Klägers erfolgte im August 2013. Im September 2014 suchte der Kläger erneut mit seiner am ##.##.1976 geborenen Ehefrau T das Q INSTITUT auf. Dort wurden der Ehefrau, welche seit September 2014 an Brustkrebs erkrankt ist und sich vom 23.10.2014 bis zum 05.02.2015 einer Chemotherapie unterziehen musste, zur Erhaltung ihrer Fertilität Eizellen entnommen, welche kryokonserviert wurden. Eine Einpflanzung der entnommenen befruchteten Eizellen in die Gebärmutter der Lebensgefährtin erfolgte bislang nicht. Infolge der Behandlung seit September 2014 sind Kosten in Höhe von insgesamt 6.765,82 Euro entstanden.
5Mit Schreiben vom 28.05.2015 und 03.07.2015 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die ICSI-Behandlung ab, da aus ihrer Sicht bei dem Kläger kein krankhafter Befund sowie keine medizinische Notwendigkeit der Behandlung vorliege und zudem keine deutliche Erfolgsaussicht für den Eintritt einer Schwangerschaft bestehe.
6Mit Schreiben vom 24.06.2015 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos unter Fristsetzung bis zum 31.07.2015 auf, die im Rahmen der Behandlung des Ehemanns verauslagten Kosten in Höhe von 4.714,01 Euro zu erstatten.
7Der Kläger ist der Ansicht, die durchgeführte Behandlung stelle eine medizinisch notwendige Heilbehandlung seiner Person wegen Krankheit dar. Die vorgenommene Behandlung sei darauf gerichtet gewesen, eine Linderung seiner Krankheit zu erreichen. Die In-vitro-Fertilisation bilde zusammen mit der intracytoplastischen Spermien-Injektion eine auf das Krankheitsbild des Klägers abgestimmte Gesamtbehandlung. Erst die Kombination der Behandlungsmaßnahmen diene insgesamt der Linderung der Unfruchtbarkeit des Klägers. Die damit verbundene Mitbehandlung der Ehefrau sei notwendiger Bestandteil der Behandlung. Er behauptet, für weitere Versuche bestehe eine hinreichend Erfolgswahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft von über 15 %. Bei seiner Ehefrau lägen keine klinischen Hinweise oder Verdacht auf organische Erkrankungen wie Eileiterpathologie, Endometriose oder eines Uterus meyomatosus vor. Auch die Eierstockfunktion sei regelrecht.
8Der Kläger beantragt,
91. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 6.765,82 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 01.08.2015 zu zahlen,
102. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im tariflichen Umfang Gesamtkosten der künstlichen Befruchtung im Rahmen der IVF/ICSI-Behandlung zu erstatten, solange die Erfolgsaussicht der Behandlung hinsichtlich des Eintritts einer klinischen Schwangerschaft wenigstens 15 % beträgt und die Behandlung unter Beteiligung seiner am 21.10.1976 geborenen Ehefrau T stattfindet.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagte ist der Ansicht, die Behandlung sei keine medizinisch notwendige Heilbehandlung zur Überwindung einer etwaigen ungewollten Kinderlosigkeit des Paares gewesen. Dazu behauptet sie, Ziel der durchgeführten Befruchtung der Eizellen sei nicht die Geburt eines Kindes gewesen, sondern habe allein dem prophylaktischen Erhalt befruchteter Eizellen der Ehefrau für eine möglicherweise irgendwann später einmal erfolgende Kinderwunschbehandlung gedient. Die Eizellen wären ansonsten durch die anstehende Chemotherapie zerstört. Es habe sich daher nicht um eine Behandlung des bei der Beklagten versicherten Klägers, sondern um eine solche der bei der Beklagten nicht versicherten Ehefrau des Klägers gehandelt. In absehbarerer Zeit sei nicht mit einer Kinderwunschbehandlung des Paares zu rechnen, zumal sich die Ehefrau des Klägers erst von der Chemotherapie erholen müsse. Die Beklagte ist daher der Ansicht, der Feststellungsantrag sei unzulässig, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Interesse an alsbaldiger Feststellung fehle.
14Die Beklagte bestreitet zudem das Vorliegen einer Erfolgswahrscheinlichkeit für den Eintritt der Schwangerschaft von mindestens 15 %. Dazu behauptet sie, die Hormonwerte der Ehefrau des Klägers seien nicht gut genug. Zudem würden die Erfolgsaussichten durch die Chemotherapie der Ehefrau noch weiter herabgesetzt. Da eine Kinderwunschbehandlung allenfalls in einem Jahr erfolgen könne, seien die Erfolgsaussichten auch wegen des Erreichens des 40 Lebensjahres der Ehefrau des Klägers als geringer zu werten. Davon abgesehen sei die Aussicht, mittels kryokonservierter Eizellen eine Schwangerschaft zu erzielen, sehr gering.
15Entscheidungsgründe
16Die zulässige Klage ist unbegründet.
17Insoweit bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob der mit dem Antrag zu 2) erhobenen Feststellungsantrag im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO zulässig ist, denn er ist jedenfalls unbegründet.
18Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung bereits entstandener Behandlungskosten in Höhe von 6.765,82 Euro für die im September 2014 begonnene ICSI-Behandlung gemäß §§ 1, 49, 192 Abs. 1 VVG iVm § 1 Abs. 1 und 2 RB/KK 2009 zu.
19Es liegt kein anspruchsbegründender Versicherungsfall im Sinne der Versicherungsbedingungen vor.
20Nach § 1 Abs. 2 RB/KK 2009 liegt ein Versicherungsfall vor, wenn eine medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen erfolgt. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung, er endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht.
21Zwar liegt bei dem Kläger als versicherter Person unstreitig eine Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen vor, da er an einer Oligo-Astheno-Teratozoospermie (verminderte Spermiendichte bei gleichzeitig verminderter Spermienbeweglichkeit und erhöhter Spermienfehlformenrate) leidet, die einen objektiv nach ärztlichem Urteil bestehenden anormalen, regelwidrigen Körperzustand darstellt.
22Die durchgeführte Behandlung stellt allerdings keine notwendige Heilbehandlung im Sinne des § 1 Abs. 2 RB/KK 2009 dar, denn es liegt mangels Einpflanzung der kryokonservierten Eizellen der Lebensgefährtin des Klägers in deren Gebärmutter keine Heilbehandlung des Klägers vor.
23Eine Heilbehandlung ist jegliche ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung, Besserung oder auch Linderung der Krankheit abzielt. Dem ist eine ärztliche Tätigkeit gleich zu achten, die auf eine Verhinderung der Verschlimmerung einer Krankheit gerichtet ist. Dabei sind die Begriffe „ärztliche Leistung“ und „medizinische Krankenpflege“ in einem weiteren Sinne zu verstehen (vgl. ständige Rechtsprechung des BGH: BGHZ 99, 228, 231; BGHZ 123, 83, 89; BGHZ 133, 208, 2119).
24Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die im September 2014 durchgeführte Behandlung nicht erfüllt.
25Der Bundesgerichtshof hat eine homologe In-Vitro-Fertilisation als Heilbehandlung in diesem Sinne anerkannt, wenn sie dazu eingesetzt wird, um die Fortpflanzungsunfähigkeit einer Frau zu überwinden (BGH 99, 228, 231 ff.; so auch OLG Frankfurt am Main, NJW 1990, 2325 = VersR 1990, 1264; Prölss/Martin, VVG 26. Auflage, § 1 MB/KK 94, Rn. 10). Er hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass die Maßnahme auf die Linderung der Krankheit „Sterilität“ zielt, auch wenn nicht bezweckt ist, deren Ursachen zu beseitigen oder Schmerzen und Beschwerden zu lindern. Entscheidend ist, dass von einer Linderung einer Krankheit schon dann gesprochen werden kann, wenn die ärztliche Tätigkeit auf die Abschwächung, eine partielle und völlige Unterbindung oder Beseitigung von Krankheitsfolgen gerichtet ist oder eine Ersatzfunktion für ein ausgefallendes Organ bezweckt wird. Die In-Vitro-Fertilisation ersetzt bei der Frau die gestörte Transportfunktion der Eileiter durch den ärztlichen Eingriff, um dadurch das Nichtzustandekommen einer natürlichen Empfängnis zu überwinden und eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Da die naturgegebene Funktion des erkrankten Organs sich in der Hauptsache darauf beschränkt, eine Schwangerschaft zu ermöglichen, kann es für die Frage der Heilbehandlung nicht darauf ankommen, dass mit der In-Vitro-Fertilisation die Durchgängigkeit des Eileiters selbst nicht wiederhergestellt wird (BGHZ 99,118, 232 f.).
26Wird unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe die In-Vitro-Fertilisation eingesetzt, um die organisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so kann für die Frage, inwieweit eine Linderung der Unfruchtbarkeit angestrebt wird und damit eine bedingungsgemäße Heilbehandlung vorliegt, im Ergebnis nichts anderes gelten. Auch insoweit dienen die ärztlichen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit dem Zweck, die durch Krankheit behinderte Körperfunktion zu ersetzten. Auch insoweit spielt es keine Rolle, dass die Maßnahme nicht dazu geeignet ist, die Ursachen der Unfruchtbarkeit zu beheben (BGHZ 158, 166).
27Allerdings kann eine Linderung der Sterilität des Mannes erst durch die Gesamtheit der Maßnahmen erreicht werden. Muss die biologische Funktion der Fortpflanzungsorgane und Spermien des Mannes, eine Schwangerschaft herbeizuführen, wegen Fertilitätsstörungen durch ärztliche Maßnahmen ersetzt werden, so haben diese nur dann Aussicht auf Erfolg und können insoweit eine Linderung bewirken, wenn eine befruchtete Eizelle in die Gebärmutter übertragen wird, um sie dort einzunisten. Die Behandlung zielt mithin darauf ab, einen Zustand zu erreichen, der ohne die Fertilitätsstörung mit Hilfe der natürlichen Körperfunktionen hätte herbeigeführt werden können. Erst dann lässt sich davon sprechen, dass die gestörte Körperfunktion durch den ärztlichen Eingriff ersetzt wird, so dass auch erst in diesem Zeitpunkt die der Linderung dienende Heilbehandlungsmaßnahme beendet ist (BGHZ 158,166 ff.).
28Die In-Vitro-Fertilisation bildet hier zusammen mit der intracytoplastischen Spermien-Injektion eine auf das Krankheitsbild des Mannes abgestimmte Gesamtbehandlung. Ohne die zur In-Vitro-Fertilisation zählende Eizellenentnahme kann die Injektion der Spermien nicht durchgeführt werden. Erst die kombinierten Behandlungsmaßnahmen dienen insgesamt der Linderung der Unfruchtbarkeit des Mannes. Die damit einhergehend Mitbehandlung der Frau durch die Einpflanzung der Eizellen in deren Gebärmutter ist dabei notwendiger Bestandteil der gesamten Behandlung (vgl. BGHZ 158,166 ff.).
29Diese von der obersten Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Anerkennung der ICSI und IVF- Behandlung als Heilbehandlung des Mannes sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
30Aus den obigen Ausführungen geht zweifelsohne hervor, dass eine Anerkennung dieser Behandlungen als Heilbehandlung des Mannes notwendigerweise eine Einpflanzung der entnommenen und befruchteten Eizellen in die Gebärmutter der Frau voraussetzt, an welcher es hier unstreitig fehlt. Es lag gerade keine vollständige Kombination aus ICSI und IVF-Behandlung vor, die geeignet gewesen wäre, die Krankheit des Klägers zu lindern. Die Eizellen der Ehefrau des Klägers wurden lediglich entnommen und kryokonserviert, allerdings (noch) nicht in die Gebärmutter der Ehefrau eingepflanzt. Infolge der unterbliebenen Einpflanzung der entnommenen und befruchteten Eizellen konnte keine Linderung der Krankheit des Klägers erzielt werden, da die bislang durchgeführte Behandlung nicht zur Überwindung der Sterilität des Mannes geeignet ist. Durch die bloße Kryokonservierung der Eizellen ohne deren Einpflanzung in die Gebärmutter der Ehefrau konnte keine Schwangerschaft herbeigeführt und demzufolge auch keine mangelnde Funktion eines Organs oder Körperteils des Klägers ersetzt werden.
31Dass der Kläger und seine Ehefrau in der Zukunft beabsichtigten, irgendwann die kryokonservierten Eizellen in die Gebärmutter der Ehefrau einpflanzen zu lassen, steht dem nicht entgegen.
32Zum einen muss die Frage, ob es sich um eine den Versicherungsfall begründende Heilbehandlung des Mannes handelt, aus der ex-ante Sicht, mithin spätestens im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung, beurteilt werden. Zu diesem Zeitpunkt aber konnte eine Heilbehandlung des Klägers nicht angenommen werden, denn eine unmittelbare Einpflanzung der entnommenen und befruchteten Eizellen der Ehefrau des Klägers in deren Gebärmutter zur Herbeiführung einer Schwangerschaft war weder möglich noch geplant. Denn diese erkrankte im September 2014 bedauerlicherweise an Krebs und musste sich infolgedessen unmittelbar im Oktober 2015 einer Chemotherapie unterziehen, welche einer Einpflanzung entgegenstand und aufgrund derer auch nicht absehbar war, wann eine solche überhaupt erfolgen konnte.
33Zum anderen kann die bloße Absicht, entnommene Eizellen später zur Überwindung der Sterilität des Mannes in die Gebärmutter einer Frau einzupflanzen, auch aus folgenden Gründen nicht zur Annahme einer Heilbehandlung des Mannes ausreichen: Unabhängig davon, dass eine Heilbehandlung schon begrifflich nicht vorliegt, weil durch die Kryokonservierung – wie bereits dargelegt – noch keine Schwangerschaft herbeigeführt werden kann, wäre eine derartige Wertung für den Versicherer zudem mit unzumutbaren Risiken und Unsicherheiten verbunden. Der Versicherer wäre unter Umständen verpflichtet, die Kosten einer Behandlung zu tragen, deren Abschluss ggf. völlig ungewiss ist. So könnte beispielsweise der Versicherungsnehmer nach Kryokonservierung der Eizellen aufgrund persönlicher Gründe von der Beendigung der Behandlung im Nachhinein gänzlich absehen, mit der Folge, dass eine „Heilbehandlung“ durch Einpflanzung der Eizellen in die Gebärmutter der Frau überhaupt nicht mehr stattfände. Der Versicherungsnehmer hingegen hätte so die Möglichkeit, sich eine „spätere Heilbehandlung“ durch die prophylaktische Sicherung von befruchteten Eizellen vorsichthalber zu sichern, sich aber gleichwohl die Entscheidung bezüglich ihrer Durchführung offen zu lassen. Die Annahme einer „Heilbehandlung des Mannes“ durch die bloße Konservierung von Eizellen ginge daher mit untragbaren Gefahren des Versicherers und letztlich auch der Gesellschaft der Versicherungsnehmer einher. Dies gilt erst Recht im Falle der bloßen Entnahme und Konservierung unbefruchteter Eizellen der Lebenspartnerin eines versicherten Mannes. Hier fehlt es nicht nur mangels Einpflanzung der Eizellen an einer Heilbehandlung des Mannes, sondern vielmehr gänzlich an überhaupt einer „Behandlung des Mannes“, da es bereits an einer Befruchtung der Eizellen mit seinem Spermium fehlt. Der Versicherer wäre insoweit verpflichtet, ausschließlich für die Behandlung der Frau als bei ihm nicht versicherter Person aufzukommen. Im Falle der Trennung eines Paares wäre es zudem nicht ausgeschlossen, dass die ursprünglich aufgrund der Krankheit des versicherten Mannes entnommenen Eizellen letztlich zum Abschluss der Behandlung mit einem anderen Partner verwendet würden, so dass der Versicherer im Ergebnis nicht für die Behandlung einer bei ihm versicherten Person aufkommen müsste, sondern für eine solche von bei ihm ausschließlich nicht versicherten Personen.
34Mangels Vorliegens einer Heilbehandlung bedurfte es keiner Entscheidung mehr darüber, ob eine bedingungsgemäße medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung vorliegt, die nach ständiger Rechtsprechung bei einer IVF-ICSI-Behandlung eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 15 % dafür voraussetzt, dass ein Embryotransfer zur gewünschten Schwangerschaft führt (BGH vom 21.09.2005, AZ IV ZA 113/04, NJW 2005, 3783 ff., Rd. 19 und 23).
35Mangels Bestehen der Hauptforderung sind auch die Nebenforderungen unbegründet, §§ 280, 286, 249 BGB.
36Auch der Feststellungsantrag ist unbegründet.
37Der Feststellungsantrag war, wie die Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt hat, allein darauf gerichtet, die Verpflichtung der Beklagten in Bezug auf die Kostentragung der späteren Beendigung der bereits im September 2014 begonnenen ICSI bzw. IFV-Behandlung festzustellen.
38Ein derartiger Anspruch des Klägers gegen die Beklagte besteht – wie bereits dargelegt – nicht, da es an einem bedingungsgemäßen Versicherungsfall fehlt, der eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach begründen könnte. Aufgrund der nicht erfolgten Einpflanzung der kryokonservierten Eizellen in die Gebärmutter der Lebensgefährtin des Klägers liegt keine Heilbehandlung des Klägers vor.
39Einer Entscheidung bzw. Beweisaufnahme bezüglich der Erfolgswahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft durch erneute spätere IVF- bzw. ICSI-Behandlungen bedurfte es nicht, da eine derartige weitergehende Feststellung in Bezug auf in der Zukunft zu erfolgende weitere IVF bzw. ICSI-Behandlungen durch erneute Entnahme von Eizellen der Ehefrau und unmittelbare Einpflanzung dieser in deren Gebärmutter von dem Antrag nicht umfasst war.
40Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
41Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
42Streitwert: 7.765,82 Euro €.
43Antrag zu 1): 6.765,82 Euro
44Antrag zu 2): 1.000,00 Euro
45Rechtsbehelfsbelehrung:
46Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Bonn statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Parteien Die streiten in der Revisionsinstanz nur noch über die Verpflichtung des beklagten Krankenversicherers, der an einer Fehlstellung der Zähne leidenden Klägerin für die in einem Heil- und Kostenplan ihres Kieferorthopäden beschriebene Behandlung Versicherungsschutz zu gewähren.
- 2
- Dem zwischen ihnen bestehenden Krankheitskostenversicherungsvertrag liegen neben Allgemeinen Versicherungsbedingungen (MB/KK 94) Tarifbedingungen (TB) der Beklagten zugrunde. Nach dem vereinbarten Tarif 741 hat sie der Klägerin unter anderem 75% der Kosten für kieferorthopädische Leistungen zu erstatten.
- 3
- von Der der Klägerin aufgesuchte Kieferorthopäde empfahl zunächst einen zur Behandlung ihrer mandibulären Rethrognathie bzw. maxillären Prognathie (ganzseitige Vorlage des Oberkiefers bzw. Rücklage des Unterkiefers) üblichen kieferchirurgischen Eingriff im Rahmen einer so genannten KFO-KCH-Therapie, den sie aber wegen negativer Erfahrungen bei einer 2001 durchgeführten Operation ablehnte. Darauf schlug er eine rein kieferorthopädische Therapie mit voraussichtlicher Dauer von 12 Quartalen vor und erstellte einen kieferorthopädischen Behandlungsplan , wonach sich die veranschlagten Kosten für die im Einzelnen vorgesehenen Behandlungsmaßnahmen mit ihren jeweiligen Kostenansätzen insgesamt auf 5.596,95 € belaufen.
- 4
- Nach Vorlage des von der Beklagten zur Prüfung der Leistungspflicht geforderten Heil- und Kostenplanes lehnte diese die von der Klägerin erbetene Deckungszusage ab, weil die in Aussicht genommene Behandlung ohne chirurgischen Eingriff nicht Erfolg versprechend sei.
- 5
- Vorinstanzen Die haben die Feststellungsklage auf bedingungsgemäße Übernahme von 75% der im Heil- und Kostenplan ausgewiesenen Kosten abgewiesen. Mit der insoweit vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin, die inzwischen mit der Behandlung begonnen hat, ihr Feststellungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 7
- I. Das Berufungsgericht hält - im Gegensatz zum Amtsgericht - die Feststellungsklage für zulässig. Die Klägerin habe ein rechtliches Interesse , durch die begehrte Feststellung Sicherheit dafür zu bekommen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die Kosten für die nach ihrer Darstellung medizinisch notwendigen Behandlungsmaßnahmen des Heilund Kostenplans zu erstatten.
- 8
- Die Klage sei aber unbegründet, weil sich gegenwärtig nicht sicher sagen lasse, dass die ärztlich vorgesehenen Maßnahmen auch tatsächlich anfallen und sie sich dann auch als medizinisch notwendig erweisen würden. Das lasse sich erst im Nachhinein beurteilen; einen Anspruch auf Erteilung einer Deckungszusage im Vorfeld einer Behandlung enthalte die nachschüssig konzipierte Krankenversicherung der Klägerin nicht.
- 9
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
- 10
- Die Parteien streiten im Kern nur darüber, ob die im Heil- und Kostenplan ausgewiesene rein kieferorthopädische Langzeitbehandlung medizinisch notwendig ist. Das verneint die Beklagte, weil bei den extrem skelettalen und dentalen Abweichungen diese Behandlung zu keiner Funktionsverbesserung führen könne; letztere sei vielmehr nur über eine kombinierte kieferchirurgische/kieferorthopädische Therapie zu erreichen. Die Klägerin ist demgegenüber der Auffassung - gestützt auf die Angaben ihres behandelnden Arztes -, dass auch ohne vorherigen chirurgischen Eingriff die von ihm vorgeschlagenen kieferorthopädischen Korrekturmaßnahmen zu einer funktionell viel besseren Situation als der gegenwärtigen führen werden. Die bereits bei Erstellung des Behandlungsplanes gegebene aktuelle Behandlungsbedürftigkeit des bei der Klägerin bestehenden Beschwerdebildes steht außer Frage. Der bloße Streit, ob ein spezifisches, ärztlich vorgesehenes therapeutisches Vorgehen bei unstreitig unmittelbar gebotener medizinischer Versorgung von Beschwerden unter den Versicherungsschutz der hier genommenen Krankenversicherung fällt, kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein; das gilt unbeschadet ihrer Rechtsnatur als Passivenversicherung. Gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen hier nach den gegebenen Umständen - wie das Berufungsgericht richtig sieht - keine Bedenken (1.). Ob sie begründet ist, lässt sich dagegen nicht - wie das Berufungsgericht annimmt - mit Blick auf einen noch nicht ganz sicher feststehenden Behandlungsverlauf verneinen und wird in solchen Fällen regelmäßig nicht ohne sachverständige Beratung zu beurteilen sein (2.).
- 11
- 1. Inwieweit bei einer Krankheitskostenversicherung auf Feststellung der Eintrittspflicht des Versicherers für die Kosten einer Behandlung geklagt werden kann, wird unterschiedlich beurteilt.
- 12
- a) Ein Teil der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur lehnt dies wegen des Charakters dieser Versicherung als Passivenversicherung , die den Versicherer nur zum Ersatz bereits entstandener Kosten verpflichtet, grundsätzlich ab und zwar wegen der sich ständig ändernden organischen Abläufe im menschlichen Körper und der fortschreitenden medizinischen Entwicklung auch dann, wenn es nur um die Frage der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung geht. Ausnahmen werden lediglich in Betracht gezogen, wenn bereits von der Notwendigkeit einer konkreten Behandlungsmaßnahme ausgegangen werden könne - etwa aufgrund eines Heil- und Kostenplans - und wenn auf diese sonst verzichtet werden müsse (vgl. LG Gießen RuS 2000, 474; AG Berlin-Schöneberg RuS 1999, 520; OLG Köln RuS 1998, 125; OLGR Stuttgart 1998, 23; Schoenfeldt/Kalis in Bach/Moser, Private Krankenversicherung 3. Aufl. § 1 MB/KK Rdn. 88 und 4 m.w.N.).
- 13
- Ein anderer Teil lässt demgegenüber, wenn die Behandlung noch nicht abgeschlossen ist, eine solche Klage grundsätzlich zu (vgl. OLG Schleswig VersR 2002, 428; LG Landshut NJW 2000, 2752; LG Berlin NVersZ 2000, 230; LG Aachen RuS 1998, 76; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. MB/KK 94 § 1 Rdn. 70). Einschränkungen sollen indes gelten , wenn die Möglichkeit von Änderungen eines körperlichen Zustandes bestehe - wie etwa bei geplanten Krankenhausbehandlungen -, es sei denn, der Versicherungsnehmer würde dann einem unzumutbaren Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. Prölss, aaO m. vielen w.N.).
- 14
- Der Senat hat die Zulässigkeit von Feststellungsklagen dieser Art seit längerem jedenfalls dann bejaht, wenn die Feststellung ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis in dem Sinne betrifft, dass die zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehenden Beziehungen schon zur Zeit der Klageerhebung wenigstens die Grundlage bestimmter Ansprüche bilden. Das ist der Fall, wenn das Begehren nicht nur auf künftige, mögliche, sondern auf bereits aktualisierte, ärztlich für notwendig erachtete, bevor- stehende Behandlungen gerichtet ist. Außerdem muss ein Feststellungsinteresse dahingehend bestehen, dass durch ein Feststellungsurteil eine sachgemäße und erschöpfende Lösung des Streits über die Erstattungspflichten zu erwarten ist (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 1986 - IVa ZR 275/85 - VersR 1987, 280 betreffend den ersten Behandlungszyklus einer IVF-Behandlung; vom 23. September 1987 - IVa ZR 59/86 - VersR 1987, 1107 betreffend weitere Behandlungszyklen einer IVFBehandlung ; vom 13. Mai 1992 - IV ZR 213/91 - VersR 1992, 950 betreffend zahnprothetische Behandlungen und vom 16. Juni 2004 - IV ZR 257/03 - VersR 2004, 1037 betreffend Fortsetzung einer psychotherapeutischen Behandlung).
- 15
- b) An diesen Grundsätzen der Senatsrechtsprechung ist festzuhalten. Sie tragen auf der einen Seite den berechtigten Interessen des Krankenversicherers Rechnung, bei einer Passivenversicherung grundsätzlich nur zum Ersatz derjenigen Aufwendungen verpflichtet zu sein, die dem Versicherungsnehmer in Bezug auf das versicherte Risiko zur Erfüllung von Verpflichtungen aus berechtigten Ansprüchen Dritter erwachsen sind (BGHZ 154, 154, 158). Auf der anderen Seite bieten sie Versicherungsnehmern Schutz davor, ein für sie nicht abzuschätzendes Kostenrisiko eingehen zu müssen, obwohl eine medizinische Behandlung angesichts des Beschwerdebildes ärztlicherseits aktuell, unter spezifizierter Darstellung der geplanten Vorgehensweise für geboten erachtet und deswegen angeraten wird. In solchen Fallgestaltungen fehlt es weder an einem gegenwärtigen Rechtsverhältnis, das es zu klären gilt, noch an einem Feststellungsinteresse, das eine endgültige Streitbeilegung verspricht. Die finanziellen Verhältnisse eines Versicherungsneh- mers spielen für die Entscheidung über die Zulässigkeit einer solchen Feststellungsklage keine Rolle.
- 16
- c) Danach bestehen hier gegenüber der von der Klägerin erhobenen Klage keine Zulässigkeitsbedenken.
- 17
- Die Klägerin hat mit der Vorlage des Heil- und Kostenplans, der von der Beklagten zur Beurteilung ihrer Leistungspflicht sogar selbst angefordert worden ist, dargelegt, dass die darin vorgeschlagene Behandlung aus ärztlicher Sicht erforderlich ist. Mit der vorangegangenen ausführlichen Voruntersuchung ist diese Behandlung bereits eingeleitet worden (vgl. BGH, Urteile vom 14. Dezember 1977 - IV ZR 12/76 - VersR 1978, 271 unter II 1 und 20. Dezember 1956 - II ZR 8/56 - VersR 1957, 55 unter 1). Damit hat sich ihre Notwendigkeit in Bezug auf einen Erstattungspflichten auslösenden Versicherungsfall so weit verdichtet, dass sich aus dem Kreis der im Versicherungsvertrag allgemein angelegten vielfältigen Anspruchsmöglichkeiten ein das Feststellungsbegehren rechtfertigendes gegenwärtiges Rechtsverhältnis gebildet hat (vgl. Senatsurteil vom 13. Mai 1992 aaO unter I 2).
- 18
- Von einem Feststellungsurteil ist auch zu erwarten, dass der bestehende Streit, ob für die in Aussicht genommene Behandlungsmethode Versicherungsschutz besteht, bereits jetzt sachgemäß und erschöpfend beigelegt werden kann. Dem damit gegebenen Feststellungsinteresse steht nicht - wie die Revisionserwiderung meint - entgegen, dass sich die maßgeblichen Umstände bis zur Durchführung der einzelnen Behandlungsmaßnahmen noch ändern könnten. Diese Erwägungen können allenfalls die Beurteilung der Notwendigkeit der Heilbehandlung beeinflus- sen, von der Versicherungsschutz dem Grunde nach wesentlich abhängt, und betreffen damit die Begründetheit, nicht aber die Zulässigkeit der Klage. Das Interesse, die Eignung einer rein kieferorthopädischen Korrekturbehandlung schon bei Behandlungsbeginn festgestellt zu bekommen , wird damit nicht in Frage gestellt. Ob sich im Verlauf der Behandlung einzelne Schritte nicht (mehr) als medizinisch notwendig und damit nicht abrechnungsfähig erweisen sollten, ist davon unabhängig und berührt die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens der Klägerin nicht.
- 19
- 2. Die Begründetheit der Feststellungsklage hängt hier entscheidend davon ab, wie das Berufungsgericht im Ansatz ebenfalls noch richtig sieht, ob das therapeutische Konzept im Sinne der Bedingungen als Heilbehandlung medizinisch notwendig ist. Sie lässt sich indes nicht mit seinen Überlegungen zur Nachschüssigkeit des Versicherungsvertrages und gegenwärtigen - also im Vorfeld der Behandlung - unsicheren Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Behandlungsmethode oder auch nur einzelner dabei vorgesehener Schritte verneinen.
- 20
- a) Zutreffend weist die Revisionsbegründung darauf hin, dass diese Betrachtung einerseits Fragen der Zulässigkeit mit denen der Begründetheit vermischt und andererseits die Sachkunde vermissen lässt, die zur Klärung der zwischen den Parteien strittigen Frage erforderlich ist. Ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis, das durch ein Feststellungsbegehren geklärt werden kann, ist - wie vorstehend ausgeführt - gegeben. Die für den Erfolg der Klage maßgebliche Frage nach dem medizinischen Nutzen des Behandlungskonzepts im Sinne der Versicherungsbedingungen bedarf der tatrichterlichen Klärung; ohne Hinzuziehung einer sachverständigen Hilfe wird sie nach derzeitiger Sach- und Rechtslage nicht zu beantworten sein (vgl. BGHZ 133, 208, 215). Entsprechende Beweisanträge liegen vor. Allgemeine Mutmaßungen über ständige Veränderungen organischer Abläufe und medizinischer Erkenntnisse (vgl. OLG Stuttgart aaO) vermögen die erforderliche tatrichterliche Überzeugungsbildung auf einer fundierten Sachgrundlage zur Beurteilung der aufgeworfenen Frage nicht zu ersetzen.
- 21
- b) Dabei ist zu beachten, dass mit dem Begriff der medizinisch notwendigen Heilbehandlung nach ständiger Rechtsprechung des Senats zur Bestimmung des Versicherungsfalles ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt wird (Urteil vom 21. September 2005 - IV ZR 113/04 - für BGHZ vorgesehen unter II 3 a; BGHZ 154, 154, 166 f.; 133, 208, 212 f.; Senatsurteil vom 14. Dezember 1977 - IV ZR 12/76 - VersR 1978, 271 unter II 1). Insoweit hängt die Beurteilung nicht allein von der Auffassung des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab (BGHZ 133 aaO m.w.N.), sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung. Steht danach die Eignung einer Behandlung, eine Krankheit zu heilen oder zu lindern, nach medizinischen Erkenntnissen fest, folgt daraus grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des Versicherers (BGHZ 133 aaO). Medizinisch notwendig kann eine Behandlung aber auch dann sein, wenn ihr Erfolg nicht sicher vorhersehbar ist. Es genügt insoweit, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar erscheinen lassen, die Behandlung als notwendig anzusehen (Senatsurteil vom 21. September 2005 aaO; BGHZ 154, 154, 166 f.; 133, aaO jeweils m.w.N.). Ob dies der Fall ist bzw. gegenwärtig bereits geklärt werden kann, lässt sich nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmen (vgl. BGHZ 133, 208, 215). Davon hängt die Begründetheit der Klage ab.
- 22
- von Die der Revisionserwiderung gegenüber dem Klageantrag wegen seiner weiten Fassung geäußerten Bedenken machen die Klage nicht unbegründet. Die Klägerin will ersichtlich nur die medizinische Notwendigkeit der im Heil- und Kostenplan vorgeschlagenen Behandlungsmethode und die daran anknüpfende grundsätzliche Leistungsverpflichtung der Beklagten festgestellt wissen; das lässt vertragliche Einwendungen der Beklagten aus anderen Gesichtspunkten unberührt. Der Feststellungsantrag zielt mithin lediglich darauf, dass sich der von der Beklagten zu gewährende Versicherungsschutz auf diese Art der Heilbehandlung erstreckt, nicht aber auf weitere Voraussetzungen, von denen die Erstattungsfähigkeit in Rechnung gestellter Kosten im Einzelnen abhängen kann.
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
AG Bremen, Entscheidung vom 30.11.2004 - 4 C 144/04 -
LG Bremen, Entscheidung vom 12.05.2005 - 6 S 408/04 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.835,93 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. März 2002 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte private Krankenversicherer dem Kläger die Kosten einer sogenannten homologen In-vitroFertilisation zu ersetzen hat. Dem Krankenversicherungsvertrag liegen die Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK 94) zugrunde.Der Kläger leidet an einer Oligo-Astheno-Teratozoospermie III. Grades, d. h. einer verminderten Spermiendichte bei gleichzeitig verminderter Spermienbeweglichkeit und erhöhter Spermienfehlformenrate. Er ist deshalb nur eingeschränkt zeugungsfähig.
Im Februar 2002 unterzogen er und seine Ehefrau, bei der keine Fertilitätsstörungen vorliegen, sich dem Versuch einer extrakorporalen Befruchtung im Wege der In-vitro-Fertilisation, die in Verbindung mit einer intracytoplasmatischen Spermien-Injektion durchgeführt wurde. Bei der In-vitro-Fertilisation werden der Frau Eizellen aus dem Eierstock entnommen und außerhalb des Mutterleibes mit dem Samen des Ehemannes befruchtet. Nach etwa zwei Zellteilungen wird der extrakorporal erzeugte Embryo in die Gebärmutter der Frau übertragen. Im Wege der intracytoplasmatischen Spermien-Injektion werden zuvor Spermien zum Zwecke der Befruchtung in eine Eizelle injiziert.
Die Beklagte hat lediglich die Kosten für die intracytoplasmatische Spermien-Injektion übernommen, die Erstattung weiterer 6.981,31 für die In-vitro-Fertilisation angefallen sind, aber verweigert. Sie ist der Auffassung, die In-vitro-Fertilisation sei keine Heilbehandlung des Klä-
gers, weil sie an seiner Ehefrau vorgenommen worden sei. Es sei darum Sache der gesetzlichen Krankenversicherung der Ehefrau, für diese Kosten aufzukommen. Die gesetzliche Krankenversicherung der Ehefrau des Klägers hat eine Kostenübernahme ebenfalls abgelehnt.
Die auf Erstattung der Kosten für die In-vitro-Fertilisation gerichtete Klage ist vom Landgericht als unzulässig, vom Berufungsgericht als unbegründet zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg; dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch im wesentlichen zu.
I. Das Berufungsgericht meint, die extrakorporale Befruchtung der nicht bei der Beklagten versicherten Ehefrau könne nicht als bedingungsgemäße Heilbehandlung des Klägers angesehen werden. Eine Heilbehandlung sei nur dann vom Versicherungsschutz gedeckt, wenn sie auf den Körper des Versicherungsnehmers einwirke. Auch wenn die Behandlung der Ehefrau eine notwendige Nebenleistung zur Heilbehandlung des zeugungsunfähigen Ehemannes darstelle, bei der die Krankheitsfolge Kinderlosigkeit behoben werden solle, könne nicht jede Maßnahme zur Behebung einer Krankheitsfolge als bedingungsgemäße Heilbehandlung angesehen werden. Die In-vitro-Fertilisation ziele nicht auf eine Heilung der Krankheit des Klägers, weil sie die Zeugungsfähigkeit nicht wieder herstellen könne. Vielmehr gehe es bei der Behandlung
der Ehefrau allein um eine teilweise Beseitigung einer Krankheitsfolge des Klägers, die sich außerhalb seiner eigenen körperlichen Befindlichkeit auswirke. Auch wenn eine Heilbehandlung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon dann vorliege, wenn lediglich die Linderung einer Krankheit bezweckt werde, müsse eine Einschränkung auf solche Behandlungen erfolgen, die auf den Körper der versicherten Person einwirkten. Anderenfalls werde der Krankenversicherer gezwungen, alle Umweltveränderungen zu finanzieren, durch die Krankheitsfolgen abgemildert würden. Eine Linderung sei im übrigen nur solange eine Heilbehandlung, wie sie medizinisch unmittelbar zugängliche Leidensfolgen einer Krankheit abmildere. So verstanden sei die Heilbehandlung des Klägers mit der Spermienentnahme (im Rahmen der intracytoplasmatischen Spermien-Injektion) abgeschlossen gewesen. Die künstliche Befruchtung der Ehefrau ziele gerade nicht mehr darauf ab, pathologische Folgen körperlicher oder seelischer Art unmittelbar beim Kläger abzumildern.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Keinen Bedenken begegnet allerdings, daß das Berufungsgericht eine - die Klage abweisende - Sachentscheidung getroffen hat, nachdem das Landgericht zuvor die Klage als unzulässig abgewiesen und dabei rechtsirrtümlich angenommen hatte, sie sei nicht gegen die Beklagte selbst, sondern lediglich gegen deren nicht parteifähige Bezirksdirektion gerichtet.
Weist das erstinstanzliche Gericht die Klage mit Prozeßurteil als unzulässig ab, so kann auf eine Berufung des Klägers das Berufungsgericht die Klage durch Sachurteil abweisen. Eine Schlechterstellung des Klägers ist damit schon deshalb nicht verbunden, weil das vorangegangene Prozeßurteil ihm gerade keine schutzfähige Rechtsposition irgendwelcher Art zuerkannt hat (BGHZ 104, 212, 214). Die eigene Sachentscheidung des Berufungsgerichts dient auch der Verfahrensökonomie (BGHZ aaO) Das war schon zu § 536 ZPO a.F. allgemein anerkannt (vgl. BGHZ 12, 308, 316; 23, 36, 50; 46, 281, 283 f.; 104, 212, 214; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl. Rdn. 6 zu § 536; MünchKommZPO/Rimmelspacher , § 536 Rdn. 21), obwohl §§ 538 Abs. 1 Nr. 2, 540 ZPO a.F. für den Fall des unrichtigen klagabweisenden Prozeßurteils im Regelfall die Zurückverweisung und nur ausnahmsweise eine Sachentscheidung durch das Rechtsmittelgericht vorsahen. Nach neuem Recht bildet die Sachentscheidung des Berufungsgerichts den Regelfall (§ 538 Abs. 1 ZPO n.F.). Eine Zurückverweisung an die Vorinstanz kommt auch in den Fällen des § 538 Abs. 2 Nr. 1-6 ZPO n.F. nur noch dann in Betracht, wenn eine Partei dies ausdrücklich beantragt. Mit der neuen Rechtslage, welche die bisherige Praxis der Rechtsmittelgerichte stützt, behalten die schon im Rahmen des § 536 ZPO a.F. angeführten Argumente auch für das jetzt in § 528 Satz 2 ZPO n.F. geregelte Verschlechterungsverbot erst recht ihre Gültigkeit (Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann , ZPO 62. Aufl. Rdn. 13 zu § 528; Zöller/Gummer, ZPO 24. Aufl. Rdn. 32 zu § 528; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO 25. Aufl. Rdn. 9 zu § 528).
2. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Kostenersatz für die In-vitro-Fertilisation verneint.
a) Versicherungsfall in der hier genommenen Krankenversicherung ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 94 die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Was den Versicherungsfall ausmacht, wird zum einen durch die Bezeichnung eines die Behandlung auslösenden Ereignisses oder Zustandes (Krankheit oder Unfallfolgen) ausgefüllt, zum anderen dadurch festgelegt , daß es sich bei der Behandlung um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handeln muß (BGHZ 133, 208, 211 zum wortgleichen § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 76; Senatsurteil vom 12. November 1997 - IV ZR 58/97 - VersR 1998, 87 unter 3 a). Krankheit im Sinne der Bedingungen ist dabei ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand (Senatsurteil vom 12. November 1997 - IV ZR 58/97 - VersR 1998, 87 unter 2 a; BGHZ 99, 228, 230). Beim Kläger liegt - zwischen den Parteien des Rechtsstreits unstreitig - eine Krankheit in diesem Sinn vor. Er leidet unter einer organisch bedingten erheblichen Einschränkung seiner Zeugungsfähigkeit.
Die In-vitro-Fertilisation stellt auch eine Heilbehandlung des Klägers im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 94 dar.
aa) Heilbehandlung ist jegliche ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung, Besserung oder auch Linderung der Krankheit abzielt. Dem ist eine ärztliche Tätigkeit gleich zu achten, die auf eine Verhinderung der Verschlimmerung einer Krankheit gerichtet ist. Dabei sind die Begriffe "ärztliche Leistung" und "medizinische Kranken-
pflege" in einem weiten Sinne zu verstehen (ständige Rechtsprechung des Senats, BGHZ 99, 228, 231; BGHZ 123, 83, 89; BGHZ 133, 208,
211).
bb) Daß eine homologe In-vitro-Fertilisation als Heilbehandlung in diesem Sinne anzusehen ist, wenn sie dazu eingesetzt wird, um die Fortpflanzungsunfähigkeit einer Frau zu überwinden, hat der Bundesgerichtshof bereits im Urteil vom 17. Dezember 1986 (BGHZ 99, 228, 231 ff.) anerkannt (so auch OLG Frankfurt am Main NJW 1990, 2325 = VersR 1990, 1264; Prölss in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 1 MB/KK 94 Rdn. 10; Schoenfeldt/Kalis in Bach/Moser, Private Krankenversicherung 3. Aufl. § 1 MB/KK Rdn. 35). Er hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, daß die Maßnahme auf die Linderung der Krankheit "Sterilität" zielt, auch wenn nicht bezweckt ist, deren Ursachen zu beseitigen oder Schmerzen und Beschwerden zu lindern. Entscheidend ist, daß von einer Linderung einer Krankheit schon dann gesprochen werden kann, wenn die ärztliche Tätigkeit auf die Abschwächung, eine partielle oder völlige Unterbindung oder Beseitigung von Krankheitsfolgen gerichtet ist oder eine Ersatzfunktion für ein ausgefallenes Organ bezweckt wird. Die In-vitro-Fertilisation ersetzt bei der Frau die gestörte Transportfunktion der Eileiter durch einen ärztlichen Eingriff, um dadurch das Nichtzustandekommen einer natürlichen Empfängnis zu überwinden und eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Da die naturgegebene Funktion des erkrankten Organs sich in der Hauptsache darauf beschränkt, eine Schwangerschaft zu ermöglichen , kann es für die Frage der Heilbehandlung nicht darauf ankommen, daß mit der In-vitro-Fertilisation die Durchgängigkeit des Eileiters selbst nicht wiederhergestellt wird (BGHZ 99, 228, 232 f.).
cc) Wird die In-vitro-Fertilisation eingesetzt, um - wie hier - die or- ganisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so kann für die Frage, inwieweit eine Linderung der Unfruchtbarkeit angestrebt wird und damit eine bedingungsgemäße Heilbehandlung vorliegt, im Ergebnis nichts anderes gelten. Auch insoweit dienen die ärztlichen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit dem Zweck, die durch Krankheit behinderte Körperfunktion zu ersetzen.
(1) Das Berufungsgericht verkennt, daß es auch insoweit keine Rolle spielen kann, daß die Maßnahme sich nicht dazu eignet, die Ursachen der Unfruchtbarkeit zu beheben. Denn dem Begriff der Linderung einer Krankheit wohnt gerade nicht inne, daß damit auch eine Behebung ihrer Ursachen verbunden ist.
(2) Es verkennt weiter, daß eine Linderung hier erst mit der Gesamtheit der Maßnahmen erreicht werden kann. Muß die biologische Funktion der Fortpflanzungsorgane und Spermien des Mannes, eine Schwangerschaft herbeizuführen, wegen Fertilitätsstörungen durch ärztliche Maßnahmen ersetzt werden, so haben diese nur dann Aussicht auf Erfolg und können insoweit eine Linderung bewirken, wenn eine befruchtete Eizelle in die Gebärmutter übertragen wird, um sich dort einzunisten. Die Behandlung zielt mithin darauf ab, einen Zustand zu erreichen , der ohne die Fertilitätsstörung mit Hilfe der natürlichen Körperfunktionen hätte herbeigeführt werden können. Erst dann läßt sich davon sprechen, daß die gestörte Körperfunktion durch den ärztlichen Eingriff ersetzt wird, so daß auch erst in diesem Zeitpunkt die der Linderung dienende Heilbehandlungsmaßnahme beendet ist.
Die In-vitro-Fertilisation bildet hier zusammen mit der intracytoplasmatischen Spermien-Injektion eine auf das Krankheitsbild des Klägers abgestimmte Gesamtbehandlung. Ohne die zur In-vitroFertilisation zählende Eizellenentnahme kann die Injektion der Spermien nicht durchgeführt werden. Erst die kombinierten Behandlungsmaßnahmen dienen insgesamt der Linderung der Unfruchtbarkeit des Mannes. Die damit einhergehende Mitbehandlung der Frau ist dabei notwendiger Bestandteil der gesamten Behandlung. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß diese Behandlung nicht ebenfalls darauf abzielte, die Krankheit des versicherten Mannes zu lindern. Das Berufungsgericht gelangt nur deshalb zu einem anderen Ergebnis, weil es zusätzlich fordert , alle Einzelstadien der erstattungsfähigen Behandlung müßten sich auf den Körper des Versicherungsnehmers beziehen und nur dort auf eine Abmilderung "medizinisch unmittelbar zugänglicher Leidensfolgen" abzielen (so auch Schoenfeld/Kalis, aaO Rdn. 37; OLG Stuttgart VersR 1987, 280, 281).
Dieses eingeschränkte Verständnis des Linderungsbegriffs findet in § 1 MB/KK 94 indes keine Stütze. Ein verständiger Versicherungsnehmer wird unter der "Heilbehandlung einer versicherten Person" (§ 1 (2) Satz 1 MB/KK 94) für den Fall der Linderung einer Krankheit diejenigen ärztlichen Maßnahmen verstehen, die in ihrer Gesamtheit auf den Linderungserfolg abzielen (vgl. BGHZ 99, 228, 233). Er kann nicht damit rechnen, daß die Behandlung ohne Rücksicht auf deren medizinischen Handlungssinn in Teilakte aufgespalten wird, die für sich genommen eine Linderung nicht erzielen können. Folgt man dem Berufungsgericht, soll die Heilbehandlung des Klägers mit der Spermienentnahme abgeschlossen gewesen sein. Es bedarf jedoch keiner Erläuterung, daß diese Maß-
nahme ohne die weitere Behandlung sinnlos und für sich genommen auch nicht zur Linderung der Unfruchtbarkeit des Klägers geeignet gewesen wäre. Insoweit kann nicht davon gesprochen werden, mit der anschließenden Herbeiführung der Schwangerschaft bei der Ehefrau sei ein über den Zweck der Heilbehandlung hinausgehender Erfolg angestrebt worden. Auch daß letztere zugleich aus dem Motiv heraus erfolgt, den gemeinsamen Kinderwunsch der Partner zu erfüllen, ändert entgegen der Auffassung des OLG Stuttgart (VersR 1987, 280, 281) nichts an der medizinischen Zweckbestimmung. Danach war die In-vitroFertilisation ebenso wie die intracytoplasmatische Spermien-Injektion, bei der im übrigen wichtige Behandlungsschritte ebenfalls außerhalb des Körpers des Mannes vollzogen werden, gerade auf die Linderung der Fertilitätsstörung gerichtet und damit notwendiger Bestandteil der Heilbehandlung des Klägers. Allein von ihm ging hier auch das versicherte Risiko aus (Kliemt, VersR 1996, 32, 33; OLG Frankfurt NJW 1990, 2325; OLG Karlsruhe NJW 1986, 1552 f.; LG Oldenburg VersR 1991, 760 ff.).
(3) Die von Teilen der Literatur geäußerte Befürchtung, diese Auslegung des § 1 MB/KK 94 müsse zu einer unüberschaubaren Ausweitung des Versicherungsumfangs hin zu einer "allgemeinen Lebenshilfe" führen, weil die Versicherer danach letztlich alle Umweltveränderungen zu finanzieren hätten, die Krankheitsfolgen abmilderten (u.a. Prölss, aaO Rdn. 11; Brams, VersR 2004, 26, 27 f.), erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht stichhaltig. Denn dabei werden die übrigen Voraussetzungen des Versicherungsfalles, insbesondere die Anknüpfung an die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung, ausgeblendet. Die Leistungspflicht bleibt vielmehr ausreichend eingegrenzt (vgl. dazu auch OLG Karlsruhe NJW 1986, 1552). Denn der Begriff der Linderung
hält daran fest, daß dabei durch ärztliches Handeln eine Abschwächung, Unterbindung oder Beseitigung von Krankheitsfolgen oder eine Ersatzfunktion für ein ausgefallenes Organ angestrebt werden muß (BGHZ 99, 228, 233).
b) Die In-vitro-Fertilisation war medizinisch notwendig. Das ist zwischen den Parteien nicht streitig. Die Beklagte hat dementsprechend die Kosten für die intracytoplasmatischen Spermien-Injektion übernommen und die medizinische Notwendigkeit der kombinierten Behandlung nicht in Abrede gestellt.
c) Dem Anspruch des Klägers gegen die Beklagte steht eine etwaige Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkasse seiner Ehefrau für die In-vitro-Fertilisation nicht entgegen. Es kann dahinstehen , ob der Ehefrau des Klägers aus § 27a SGB V ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die In-vitro-Fertilisation erwächst. Denn es gibt jedenfalls keinen eigenen Anspruch des Klägers gegen die Krankenkasse seiner Ehefrau. Auch die Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs. 3 MB/KK 94 greift nicht ein, weil sie bereits nach ihrem Wortlaut die gesetzliche Krankenversicherung nicht erfaßt (vgl. Prölss, aaO § 5 MB/KK 94 Rdn. 19; Schoenfeldt/Kalis, aaO § 5 MB/KK Rdn. 71). Über einen etwaigen Ausgleichsanspruch zwischen der Beklagten und dem gesetzlichen Krankenversicherer der Ehefrau war hier nicht zu entscheiden.
3. Der vom Kläger geforderte Erstattungsbetrag war um 145,38 zu vermindern. Denn der Kläger hat bereits mit Schriftsatz vom 25. April 2002 vor dem Landgericht gegen einen unstreitigen Rückerstattungsanspruch der Beklagten in dieser Höhe aufgerechnet.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.835,93 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. März 2002 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte private Krankenversicherer dem Kläger die Kosten einer sogenannten homologen In-vitroFertilisation zu ersetzen hat. Dem Krankenversicherungsvertrag liegen die Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK 94) zugrunde.Der Kläger leidet an einer Oligo-Astheno-Teratozoospermie III. Grades, d. h. einer verminderten Spermiendichte bei gleichzeitig verminderter Spermienbeweglichkeit und erhöhter Spermienfehlformenrate. Er ist deshalb nur eingeschränkt zeugungsfähig.
Im Februar 2002 unterzogen er und seine Ehefrau, bei der keine Fertilitätsstörungen vorliegen, sich dem Versuch einer extrakorporalen Befruchtung im Wege der In-vitro-Fertilisation, die in Verbindung mit einer intracytoplasmatischen Spermien-Injektion durchgeführt wurde. Bei der In-vitro-Fertilisation werden der Frau Eizellen aus dem Eierstock entnommen und außerhalb des Mutterleibes mit dem Samen des Ehemannes befruchtet. Nach etwa zwei Zellteilungen wird der extrakorporal erzeugte Embryo in die Gebärmutter der Frau übertragen. Im Wege der intracytoplasmatischen Spermien-Injektion werden zuvor Spermien zum Zwecke der Befruchtung in eine Eizelle injiziert.
Die Beklagte hat lediglich die Kosten für die intracytoplasmatische Spermien-Injektion übernommen, die Erstattung weiterer 6.981,31 für die In-vitro-Fertilisation angefallen sind, aber verweigert. Sie ist der Auffassung, die In-vitro-Fertilisation sei keine Heilbehandlung des Klä-
gers, weil sie an seiner Ehefrau vorgenommen worden sei. Es sei darum Sache der gesetzlichen Krankenversicherung der Ehefrau, für diese Kosten aufzukommen. Die gesetzliche Krankenversicherung der Ehefrau des Klägers hat eine Kostenübernahme ebenfalls abgelehnt.
Die auf Erstattung der Kosten für die In-vitro-Fertilisation gerichtete Klage ist vom Landgericht als unzulässig, vom Berufungsgericht als unbegründet zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg; dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch im wesentlichen zu.
I. Das Berufungsgericht meint, die extrakorporale Befruchtung der nicht bei der Beklagten versicherten Ehefrau könne nicht als bedingungsgemäße Heilbehandlung des Klägers angesehen werden. Eine Heilbehandlung sei nur dann vom Versicherungsschutz gedeckt, wenn sie auf den Körper des Versicherungsnehmers einwirke. Auch wenn die Behandlung der Ehefrau eine notwendige Nebenleistung zur Heilbehandlung des zeugungsunfähigen Ehemannes darstelle, bei der die Krankheitsfolge Kinderlosigkeit behoben werden solle, könne nicht jede Maßnahme zur Behebung einer Krankheitsfolge als bedingungsgemäße Heilbehandlung angesehen werden. Die In-vitro-Fertilisation ziele nicht auf eine Heilung der Krankheit des Klägers, weil sie die Zeugungsfähigkeit nicht wieder herstellen könne. Vielmehr gehe es bei der Behandlung
der Ehefrau allein um eine teilweise Beseitigung einer Krankheitsfolge des Klägers, die sich außerhalb seiner eigenen körperlichen Befindlichkeit auswirke. Auch wenn eine Heilbehandlung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon dann vorliege, wenn lediglich die Linderung einer Krankheit bezweckt werde, müsse eine Einschränkung auf solche Behandlungen erfolgen, die auf den Körper der versicherten Person einwirkten. Anderenfalls werde der Krankenversicherer gezwungen, alle Umweltveränderungen zu finanzieren, durch die Krankheitsfolgen abgemildert würden. Eine Linderung sei im übrigen nur solange eine Heilbehandlung, wie sie medizinisch unmittelbar zugängliche Leidensfolgen einer Krankheit abmildere. So verstanden sei die Heilbehandlung des Klägers mit der Spermienentnahme (im Rahmen der intracytoplasmatischen Spermien-Injektion) abgeschlossen gewesen. Die künstliche Befruchtung der Ehefrau ziele gerade nicht mehr darauf ab, pathologische Folgen körperlicher oder seelischer Art unmittelbar beim Kläger abzumildern.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Keinen Bedenken begegnet allerdings, daß das Berufungsgericht eine - die Klage abweisende - Sachentscheidung getroffen hat, nachdem das Landgericht zuvor die Klage als unzulässig abgewiesen und dabei rechtsirrtümlich angenommen hatte, sie sei nicht gegen die Beklagte selbst, sondern lediglich gegen deren nicht parteifähige Bezirksdirektion gerichtet.
Weist das erstinstanzliche Gericht die Klage mit Prozeßurteil als unzulässig ab, so kann auf eine Berufung des Klägers das Berufungsgericht die Klage durch Sachurteil abweisen. Eine Schlechterstellung des Klägers ist damit schon deshalb nicht verbunden, weil das vorangegangene Prozeßurteil ihm gerade keine schutzfähige Rechtsposition irgendwelcher Art zuerkannt hat (BGHZ 104, 212, 214). Die eigene Sachentscheidung des Berufungsgerichts dient auch der Verfahrensökonomie (BGHZ aaO) Das war schon zu § 536 ZPO a.F. allgemein anerkannt (vgl. BGHZ 12, 308, 316; 23, 36, 50; 46, 281, 283 f.; 104, 212, 214; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl. Rdn. 6 zu § 536; MünchKommZPO/Rimmelspacher , § 536 Rdn. 21), obwohl §§ 538 Abs. 1 Nr. 2, 540 ZPO a.F. für den Fall des unrichtigen klagabweisenden Prozeßurteils im Regelfall die Zurückverweisung und nur ausnahmsweise eine Sachentscheidung durch das Rechtsmittelgericht vorsahen. Nach neuem Recht bildet die Sachentscheidung des Berufungsgerichts den Regelfall (§ 538 Abs. 1 ZPO n.F.). Eine Zurückverweisung an die Vorinstanz kommt auch in den Fällen des § 538 Abs. 2 Nr. 1-6 ZPO n.F. nur noch dann in Betracht, wenn eine Partei dies ausdrücklich beantragt. Mit der neuen Rechtslage, welche die bisherige Praxis der Rechtsmittelgerichte stützt, behalten die schon im Rahmen des § 536 ZPO a.F. angeführten Argumente auch für das jetzt in § 528 Satz 2 ZPO n.F. geregelte Verschlechterungsverbot erst recht ihre Gültigkeit (Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann , ZPO 62. Aufl. Rdn. 13 zu § 528; Zöller/Gummer, ZPO 24. Aufl. Rdn. 32 zu § 528; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO 25. Aufl. Rdn. 9 zu § 528).
2. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Kostenersatz für die In-vitro-Fertilisation verneint.
a) Versicherungsfall in der hier genommenen Krankenversicherung ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 94 die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Was den Versicherungsfall ausmacht, wird zum einen durch die Bezeichnung eines die Behandlung auslösenden Ereignisses oder Zustandes (Krankheit oder Unfallfolgen) ausgefüllt, zum anderen dadurch festgelegt , daß es sich bei der Behandlung um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handeln muß (BGHZ 133, 208, 211 zum wortgleichen § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 76; Senatsurteil vom 12. November 1997 - IV ZR 58/97 - VersR 1998, 87 unter 3 a). Krankheit im Sinne der Bedingungen ist dabei ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand (Senatsurteil vom 12. November 1997 - IV ZR 58/97 - VersR 1998, 87 unter 2 a; BGHZ 99, 228, 230). Beim Kläger liegt - zwischen den Parteien des Rechtsstreits unstreitig - eine Krankheit in diesem Sinn vor. Er leidet unter einer organisch bedingten erheblichen Einschränkung seiner Zeugungsfähigkeit.
Die In-vitro-Fertilisation stellt auch eine Heilbehandlung des Klägers im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 94 dar.
aa) Heilbehandlung ist jegliche ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung, Besserung oder auch Linderung der Krankheit abzielt. Dem ist eine ärztliche Tätigkeit gleich zu achten, die auf eine Verhinderung der Verschlimmerung einer Krankheit gerichtet ist. Dabei sind die Begriffe "ärztliche Leistung" und "medizinische Kranken-
pflege" in einem weiten Sinne zu verstehen (ständige Rechtsprechung des Senats, BGHZ 99, 228, 231; BGHZ 123, 83, 89; BGHZ 133, 208,
211).
bb) Daß eine homologe In-vitro-Fertilisation als Heilbehandlung in diesem Sinne anzusehen ist, wenn sie dazu eingesetzt wird, um die Fortpflanzungsunfähigkeit einer Frau zu überwinden, hat der Bundesgerichtshof bereits im Urteil vom 17. Dezember 1986 (BGHZ 99, 228, 231 ff.) anerkannt (so auch OLG Frankfurt am Main NJW 1990, 2325 = VersR 1990, 1264; Prölss in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 1 MB/KK 94 Rdn. 10; Schoenfeldt/Kalis in Bach/Moser, Private Krankenversicherung 3. Aufl. § 1 MB/KK Rdn. 35). Er hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, daß die Maßnahme auf die Linderung der Krankheit "Sterilität" zielt, auch wenn nicht bezweckt ist, deren Ursachen zu beseitigen oder Schmerzen und Beschwerden zu lindern. Entscheidend ist, daß von einer Linderung einer Krankheit schon dann gesprochen werden kann, wenn die ärztliche Tätigkeit auf die Abschwächung, eine partielle oder völlige Unterbindung oder Beseitigung von Krankheitsfolgen gerichtet ist oder eine Ersatzfunktion für ein ausgefallenes Organ bezweckt wird. Die In-vitro-Fertilisation ersetzt bei der Frau die gestörte Transportfunktion der Eileiter durch einen ärztlichen Eingriff, um dadurch das Nichtzustandekommen einer natürlichen Empfängnis zu überwinden und eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Da die naturgegebene Funktion des erkrankten Organs sich in der Hauptsache darauf beschränkt, eine Schwangerschaft zu ermöglichen , kann es für die Frage der Heilbehandlung nicht darauf ankommen, daß mit der In-vitro-Fertilisation die Durchgängigkeit des Eileiters selbst nicht wiederhergestellt wird (BGHZ 99, 228, 232 f.).
cc) Wird die In-vitro-Fertilisation eingesetzt, um - wie hier - die or- ganisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so kann für die Frage, inwieweit eine Linderung der Unfruchtbarkeit angestrebt wird und damit eine bedingungsgemäße Heilbehandlung vorliegt, im Ergebnis nichts anderes gelten. Auch insoweit dienen die ärztlichen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit dem Zweck, die durch Krankheit behinderte Körperfunktion zu ersetzen.
(1) Das Berufungsgericht verkennt, daß es auch insoweit keine Rolle spielen kann, daß die Maßnahme sich nicht dazu eignet, die Ursachen der Unfruchtbarkeit zu beheben. Denn dem Begriff der Linderung einer Krankheit wohnt gerade nicht inne, daß damit auch eine Behebung ihrer Ursachen verbunden ist.
(2) Es verkennt weiter, daß eine Linderung hier erst mit der Gesamtheit der Maßnahmen erreicht werden kann. Muß die biologische Funktion der Fortpflanzungsorgane und Spermien des Mannes, eine Schwangerschaft herbeizuführen, wegen Fertilitätsstörungen durch ärztliche Maßnahmen ersetzt werden, so haben diese nur dann Aussicht auf Erfolg und können insoweit eine Linderung bewirken, wenn eine befruchtete Eizelle in die Gebärmutter übertragen wird, um sich dort einzunisten. Die Behandlung zielt mithin darauf ab, einen Zustand zu erreichen , der ohne die Fertilitätsstörung mit Hilfe der natürlichen Körperfunktionen hätte herbeigeführt werden können. Erst dann läßt sich davon sprechen, daß die gestörte Körperfunktion durch den ärztlichen Eingriff ersetzt wird, so daß auch erst in diesem Zeitpunkt die der Linderung dienende Heilbehandlungsmaßnahme beendet ist.
Die In-vitro-Fertilisation bildet hier zusammen mit der intracytoplasmatischen Spermien-Injektion eine auf das Krankheitsbild des Klägers abgestimmte Gesamtbehandlung. Ohne die zur In-vitroFertilisation zählende Eizellenentnahme kann die Injektion der Spermien nicht durchgeführt werden. Erst die kombinierten Behandlungsmaßnahmen dienen insgesamt der Linderung der Unfruchtbarkeit des Mannes. Die damit einhergehende Mitbehandlung der Frau ist dabei notwendiger Bestandteil der gesamten Behandlung. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß diese Behandlung nicht ebenfalls darauf abzielte, die Krankheit des versicherten Mannes zu lindern. Das Berufungsgericht gelangt nur deshalb zu einem anderen Ergebnis, weil es zusätzlich fordert , alle Einzelstadien der erstattungsfähigen Behandlung müßten sich auf den Körper des Versicherungsnehmers beziehen und nur dort auf eine Abmilderung "medizinisch unmittelbar zugänglicher Leidensfolgen" abzielen (so auch Schoenfeld/Kalis, aaO Rdn. 37; OLG Stuttgart VersR 1987, 280, 281).
Dieses eingeschränkte Verständnis des Linderungsbegriffs findet in § 1 MB/KK 94 indes keine Stütze. Ein verständiger Versicherungsnehmer wird unter der "Heilbehandlung einer versicherten Person" (§ 1 (2) Satz 1 MB/KK 94) für den Fall der Linderung einer Krankheit diejenigen ärztlichen Maßnahmen verstehen, die in ihrer Gesamtheit auf den Linderungserfolg abzielen (vgl. BGHZ 99, 228, 233). Er kann nicht damit rechnen, daß die Behandlung ohne Rücksicht auf deren medizinischen Handlungssinn in Teilakte aufgespalten wird, die für sich genommen eine Linderung nicht erzielen können. Folgt man dem Berufungsgericht, soll die Heilbehandlung des Klägers mit der Spermienentnahme abgeschlossen gewesen sein. Es bedarf jedoch keiner Erläuterung, daß diese Maß-
nahme ohne die weitere Behandlung sinnlos und für sich genommen auch nicht zur Linderung der Unfruchtbarkeit des Klägers geeignet gewesen wäre. Insoweit kann nicht davon gesprochen werden, mit der anschließenden Herbeiführung der Schwangerschaft bei der Ehefrau sei ein über den Zweck der Heilbehandlung hinausgehender Erfolg angestrebt worden. Auch daß letztere zugleich aus dem Motiv heraus erfolgt, den gemeinsamen Kinderwunsch der Partner zu erfüllen, ändert entgegen der Auffassung des OLG Stuttgart (VersR 1987, 280, 281) nichts an der medizinischen Zweckbestimmung. Danach war die In-vitroFertilisation ebenso wie die intracytoplasmatische Spermien-Injektion, bei der im übrigen wichtige Behandlungsschritte ebenfalls außerhalb des Körpers des Mannes vollzogen werden, gerade auf die Linderung der Fertilitätsstörung gerichtet und damit notwendiger Bestandteil der Heilbehandlung des Klägers. Allein von ihm ging hier auch das versicherte Risiko aus (Kliemt, VersR 1996, 32, 33; OLG Frankfurt NJW 1990, 2325; OLG Karlsruhe NJW 1986, 1552 f.; LG Oldenburg VersR 1991, 760 ff.).
(3) Die von Teilen der Literatur geäußerte Befürchtung, diese Auslegung des § 1 MB/KK 94 müsse zu einer unüberschaubaren Ausweitung des Versicherungsumfangs hin zu einer "allgemeinen Lebenshilfe" führen, weil die Versicherer danach letztlich alle Umweltveränderungen zu finanzieren hätten, die Krankheitsfolgen abmilderten (u.a. Prölss, aaO Rdn. 11; Brams, VersR 2004, 26, 27 f.), erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht stichhaltig. Denn dabei werden die übrigen Voraussetzungen des Versicherungsfalles, insbesondere die Anknüpfung an die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung, ausgeblendet. Die Leistungspflicht bleibt vielmehr ausreichend eingegrenzt (vgl. dazu auch OLG Karlsruhe NJW 1986, 1552). Denn der Begriff der Linderung
hält daran fest, daß dabei durch ärztliches Handeln eine Abschwächung, Unterbindung oder Beseitigung von Krankheitsfolgen oder eine Ersatzfunktion für ein ausgefallenes Organ angestrebt werden muß (BGHZ 99, 228, 233).
b) Die In-vitro-Fertilisation war medizinisch notwendig. Das ist zwischen den Parteien nicht streitig. Die Beklagte hat dementsprechend die Kosten für die intracytoplasmatischen Spermien-Injektion übernommen und die medizinische Notwendigkeit der kombinierten Behandlung nicht in Abrede gestellt.
c) Dem Anspruch des Klägers gegen die Beklagte steht eine etwaige Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkasse seiner Ehefrau für die In-vitro-Fertilisation nicht entgegen. Es kann dahinstehen , ob der Ehefrau des Klägers aus § 27a SGB V ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die In-vitro-Fertilisation erwächst. Denn es gibt jedenfalls keinen eigenen Anspruch des Klägers gegen die Krankenkasse seiner Ehefrau. Auch die Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs. 3 MB/KK 94 greift nicht ein, weil sie bereits nach ihrem Wortlaut die gesetzliche Krankenversicherung nicht erfaßt (vgl. Prölss, aaO § 5 MB/KK 94 Rdn. 19; Schoenfeldt/Kalis, aaO § 5 MB/KK Rdn. 71). Über einen etwaigen Ausgleichsanspruch zwischen der Beklagten und dem gesetzlichen Krankenversicherer der Ehefrau war hier nicht zu entscheiden.
3. Der vom Kläger geforderte Erstattungsbetrag war um 145,38 zu vermindern. Denn der Kläger hat bereits mit Schriftsatz vom 25. April 2002 vor dem Landgericht gegen einen unstreitigen Rückerstattungsanspruch der Beklagten in dieser Höhe aufgerechnet.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 83% und die Beklagte 17%.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte pri vate Krankenversicherer dem Kläger, der zusammen mit seiner Ehefrau mit Hilfe künstlicher Befruchtung bereits ein erstes Kind gezeugt hat, die Kosten für weitere Behandlungszyklen einer homologen In-vitro-Fertilisation (IVF) mit intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) zu ersetzen hat.Der Kläger ist bei der Beklagten zu einem Tarif pr ivat krankenversichert , der abgesehen von einer jährlichen Selbstbeteiligung des Versicherten für ambulante Behandlungen eine Kostenerstattung zu 100% vorsieht. Dem Krankenversicherungsvertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (AVB/KK) der Beklagten zugrunde, welche in den hie r maßgeblichen Bestimmungen § 1 (1) lit. a und § 1 (2) Satz 1 der Musterbedingungen 1994 des Verbandes der privaten Krankenversicherung für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherungen (MB/KK 94) entsprechen.
Der Kläger leidet an einer Kryptozoospermie und ei nem hochgradigen Oligo-Astheno-Teratozoospermie-Syndrom (OAT-Syndrom), das heißt einer verminderten Spermiendichte bei gleichzeitig verminderter Spermienbeweglichkeit und erhöhter Spermienfehlformenrate. Er kann deshalb auf natürlichem Wege keine Kinder zeugen. Im Januar 1997 gelang es im seinerzeit dritten Behandlungszyklus einer kombinierten IVF/ICSI-Behandlung, deren Kosten die Beklagte getragen hat, mit Spermien des Klägers bei seiner am 4. Oktober 1960 geborenen Ehefrau eine Schwangerschaft herbeizuführen, die mit der Geburt eines gesun-
den Sohnes endete. Bei der IVF/ICSI-Behandlung werden der Frau Eizellen entnommen, in welche extrakorporal Spermien des Mannes injiziert werden. Nach etwa zwei Zellteilungen wird der so erzeugte Embryo in die Gebärmutter eingesetzt.
Die Eheleute wünschen sich ein zweites Kind. Zu di esem Zweck unterzogen sie sich im Oktober/November 2000 und im Juni 2002 zwei weiteren Behandlungszyklen, welche nicht zu einer Schwangerschaft führten.
Der Kläger fordert von der Beklagten - unter Berüc ksichtigung der Selbstbeteiligung - die Erstattung der Kosten für diese erneuten Behandlungen in Höhe von noch 5.743 € (1. Zyklus) und 3.428,88 € (2. Zyklus); er begehrt darüber hinaus die Feststellung, dass die Beklagte auch die Kosten für weitere acht in Aussicht genommene IVF/ICSIBehandlungszyklen erstatten müsse.
Die Beklagte meint, sie müsse die Kosten für die k ünstliche Zeugung eines zweiten Kindes nicht tragen. Die Krankheit des Klägers sei bereits mit Geburt seines Sohnes gelindert; im Übrigen seien die Erfolgsaussichten weiterer Behandlungsversuche in Anbetracht des Alters der Ehefrau des Klägers gering.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Erstattung de r Kosten für den ersten Behandlungszyklus (Oktober/November 2000) verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Unter Zurückweisung der Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht auf die Berufung der Beklagten
der Klage insgesamt den Erfolg versagt. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg, soweit der Kläger die Erstattung der Kosten für die bereits durchgeführten IVF/ICSI-Behandlungen aus den Monaten Oktober/November 2000 und Juli 2002 begehrt.
I. Das Berufungsgericht hat sowohl den Leistungs- als auch den Feststellungsantrag zurückgewiesen, weil kein Versicherungsfall vorliege. Zwar sei die Fertilitätsstörung des Klägers eine grundsätzlich behandlungsbedürftige und behandlungsfähige Krankheit; insoweit dienten die hier in Rede stehenden ärztlichen Bemühungen dem Versuch der Linderung einer Krankheitsfolge, nämlich der Kinderlosigkeit. In ständiger Rechtsprechung gehe das Berufungsgericht aber davon aus, dass diese Linderung eingetreten sei, wenn eine gleichartige Behandlung des Versicherten bereits zur Geburt eines Kindes geführt habe. Bei schon erfülltem Kinderwunsch könne dem Selbstbestimmungsrecht von Ehegatten gegenüber den gleichfalls zu berücksichtigenden Interessen des Versicherers und der Versichertengemeinschaft angesichts der teuren, vital aber nicht notwendigen Behandlung nicht eine derartige Bedeutung zukommen , die es erlauben würde, es der alleinigen Entscheidungsgewalt des Versicherten zu überlassen, wann eine endgültige Linderung eingetreten sei. Dass Kinder erwünscht seien, führe zu keiner anderen Beur-
teilung. Auf die Erfolgsaussichten der Behandlung komme es nicht mehr an.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht Stand.
Versicherungsfall in der hier in Rede stehenden Kr ankenversicherung ist gemäß § 1 (2) Satz 1 MB/KK 94 die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Was den Versicherungsfall ausmacht, wird zum einen durch die Bezeichnung eines die Behandlung auslösenden Ereignisses oder Zustandes (Krankheit oder Unfallfolgen) ausgefüllt, zum anderen dadurch festgelegt, dass es sich bei der Behandlung um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handeln muss (BGHZ 158, 166, 170).
1. Krankheit im Sinne der Bedingungen ist ein obje ktiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand. Die Krankheit des Klägers ist seine auf körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen. Demgegenüber stellt die Kinderlosigkeit des Klägers und seiner Ehefrau keine Krankheit im Sinne der Bedingungen und auch keine die Erkrankung des Klägers derart kennzeichnende Krankheitsfolge dar, dass davon gesprochen werden könnte, mit dem Ende der Kinderlosigkeit sei auch eine endgültige Linderung der Krankheit eingetreten (vgl. dazu BGHZ 99, 228, 230; ferner Senatsurteile vom 3. März 2004 aaO und vom 12. November 1997 - IV ZR 58/97 - VersR 1998, 87 unter 2 a). Vielmehr besteht die Sterilität des Klägers auch nach der Geburt seines Sohnes fort. Deshalb kann der Wunsch nach einem weiteren Kind auch erneut den Bedarf aus-
lösen, die gestörten Körperfunktionen durch medizinische Maßnahmen zu ersetzen. Aus der Entscheidung BGHZ 99, 228, 233 ergibt sich nichts anderes. Zwar hat der Senat dort im Rahmen der Untersuchung, inwieweit die künstliche Befruchtung eine Linderung der Unfruchtbarkeit einer Frau herbeiführen könne, die Frage aufgeworfen, ob nach eingetretener Mutterschaft nach allgemeinem Sprachgebrauch noch davon gesprochen werden könne, die Frau sei unfruchtbar, oder ob nicht eine Heilung eingetreten sei. Er hat aber zugleich deutlich gemacht, dass die Sterilität als Krankheit auch nach Geburt eines ersten Kindes fortbestehe und sich deshalb die Frage der erneuten Anwendung der Technologie der homologen In-vitro-Fertilisation weiter stellen könne (aaO S. 230, 233).
2. Wird eine In-vitro-Fertilisation in Kombination mit einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion vorgenommen, um die organisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so ist die Maßnahme eine insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung , die darauf gerichtet ist, die Unfruchtbarkeit des Mannes zu lindern (BGHZ 158, 166 aaO). Dabei wird die Linderung mittels der Ersetzung der gestörten Körperfunktion durch medizinische Maßnahmen erzielt.
3. Die medizinische Notwendigkeit der Behandlung w ar hier nur für die beiden bereits durchgeführten Behandlungszyklen im Oktober/November 2000 und Juli 2002 gegeben. Die Beklagte hat deren Kosten zu ersetzen.
Demgegenüber lässt sich eine bedingungsgemäße medi zinische Notwendigkeit für weitere in Aussicht genommene Behandlungszyklen nicht mehr begründen, weil diese angesichts des Alters der Ehefrau des
Klägers keine ausreichenden Erfolgsaussichten mehr bieten. Der Feststellungsantrag des Klägers erweist sich deshalb jedenfalls als unbegründet , so dass es auf dessen Zulässigkeit und damit die Frage, ob und inwieweit in der Krankenversicherung die Feststellung der Erstattungsfähigkeit künftiger Heilbehandlungskosten begehrt werden kann (vgl. dazu Senatsurteile vom 13. Mai 1992 - IV ZR 213/91 - VersR 1992, 950 unter I 2 und vom 23. September 1987 - IVa ZR 59/86 - VersR 1987, 1107 unter 2), hier nicht mehr ankommt.
a) Mit dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung wird - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar - zur Bestimmung des Versicherungsfalles ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt (BGHZ 133, 208, 212 f.; 154, 154, 166 f.; Senatsurteil vom 14. Dezember 1977 - IV ZR 12/76 - VersR 1978, 271 unter II 1). Insoweit hängt die Beurteilung nicht allein von der Auffassung des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab (BGHZ 133 aaO m.w.N.), sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung.
Steht danach die Eignung einer Behandlung, eine Kr ankheit zu heilen oder zu lindern, nach medizinischen Erkenntnissen fest, folgt daraus grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des Versicherers (BGHZ 133 aaO). Medizinisch notwendig kann eine Behandlung aber auch dann sein, wenn ihr Erfolg nicht sicher vorhersehbar ist. Es genügt insoweit, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar erscheinen lassen, die Behandlung als notwendig anzusehen (BGHZ 133 aaO; 154, 154, 166 f.; Senatsurteile vom 29. No-
vember 1978 - IV ZR 175/77 - VersR 1979, 221 unter III; vom 29. Mai 1991 - IV ZR 151/90 - VersR 1991, 987 unter 2 a). Ob dies der Fall ist, kann nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmt werden (vgl. BGHZ 133, 208, 215). So kann es bei unheilbaren lebensbedrohlichen Erkrankungen vertretbar sein, auch Behandlungsversuche als notwendig anzusehen , die mit nicht nur ganz geringer Wahrscheinlichkeit ihr Ziel erreichen und denen notwendigerweise Versuchscharakter anhaftet (BGHZ 133 aaO). Liegt hingegen - wie hier - eine leichtere, insbesondere keine lebensbedrohende oder -zerstörende Krankheit vor, erweist sich die in Aussicht genommene Heilbehandlung also als nicht vital lebensnotwendig und sind ihre Erfolgsaussichten in Abhängigkeit von bestimmten Voraussetzungen bereits umfangreich erforscht, so lässt erst ein höherer Grad der Erfolgswahrscheinlichkeit es als vertretbar erscheinen, die Maßnahme als bedingungsgemäß notwendig anzusehen.
b) Der in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts g efasste Entschluss von Ehegatten, ein gemeinsames Kind zu haben, ist jeder rechtlichen Nachprüfung auf seine Notwendigkeit entzogen. Auch im Rahmen der Prüfung der bedingungsgemäßen Notwendigkeit einer Heilbehandlung - hier der künstlichen Befruchtung - ist es daher schon im Ansatz verfehlt, die Frage nach der "Notwendigkeit" der Erfüllung des Kinderwunsches zu stellen (BGHZ 99, 228, 234, vgl. auch OLG Düsseldorf VersR 2004, 1546 f.). Die Erwägung des Berufungsgerichts, dem vom Kläger geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch stehe entgegen, dass bereits sein erstes Kind mittels einer gleichartigen Behandlung gezeugt worden sei, lässt besorgen, dass das Berufungsgericht, das einen
Versicherungsfall verneint, insoweit Maßstab und Prüfungsgegenstand der Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit verkannt hat. Diese Prüfung hat von dem Kinderwunsch des Versicherten und seines Ehepartners ohne Einschränkungen auszugehen und auf dieser Grundlage danach zu fragen, ob die medizinische Behandlung notwendig ist.
c) Maßgeblich für die bedingungsgemäße Notwendigke it der IVF/ICSI-Behandlung ist zunächst, dass diese eine medizinisch anerkannte Methode zur Überwindung der Sterilität des Klägers darstellt (vgl. dazu auch BGHZ 99, 228, 234; BGHZ 158, 166, 174).
Das besagt aber noch nicht, dass die Maßnahme auch in jedem Einzelfall ausreichend Erfolg versprechend ist, um ihre bedingungsgemäße Notwendigkeit zu bejahen (vgl. dazu BGHZ 133, 208, 215; 99, 228, 235). Die Beurteilung der ausreichenden Erfolgsaussicht hat grundsätzlich der Tatrichter vorzunehmen, der sich dazu regelmäßig sachverständiger Hilfe bedienen muss, um die Einschätzung des behandelnden Arztes zu überprüfen (vgl. dazu BGHZ 133 aaO m.w.N.). Dafür gelten unter Berücksichtigung des IVF-Registers und der dazu vom gerichtlichen Sachverständigen gegebenen, insoweit unstreitigen Erläuterungen die folgenden Maßstäbe:
aa) Auszugehen ist von der durch dieses Register ( vgl. IVFRegister , Jahresbericht 2003, S. 12, veröffentlicht im Internet unter www.deutsches-ivf-register.de/jahresbericht.htm) seit 1982 umfassend dokumentierten Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlungen in Abhängigkeit vom Lebensalter der Frau. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, inwieweit individuelle Faktoren ihre Einordnung in die ihrem Lebensalter
entsprechende Altersgruppe rechtfertigen, ob also ihre persönlichen Erfolgsaussichten höher oder niedriger einzuschätzen sind, als die im IVFRegister für ihre Altersgruppe ermittelten Durchschnittswerte es ausweisen.
Bedeutsam für diese Beurteilung kann unter anderem sein, ob eine IVF/ICSI-Behandlung bei denselben beteiligten Personen bereits früher einmal erfolgreich war (vgl. zur Aussagekraft früherer erfolgreicher Behandlungen allgemein auch BGHZ 133, 208, 216), ob dafür viele oder nur wenige Behandlungszyklen benötigt wurden, ferner die Zahl und Qualität der beim zuletzt vorgenommenen Behandlungsversuch gefundenen Spermien, Eizellen und übertragenen Embryonen. Eine Vielzahl vergeblicher Behandlungsversuche in der Vergangenheit kann die individuelle Erfolgsaussicht verringern. Für die Prognose von Bedeutung ist weiter die Stimulationssituation beim letzten Behandlungszyklus (Stimulationsprotokoll und Gonadotropinart), schließlich auch die Frage, inwieweit der allgemeine Gesundheitszustand der beteiligten Frau vom Durchschnitt ihrer Altersgruppe abweicht.
bb) Von einer nicht mehr ausreichenden Erfolgsauss icht - und damit von einer nicht mehr gegebenen bedingungsgemäßen medizinischen Notwendigkeit der IVF/ICSI-Behandlung - ist dann auszugehen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Embryotransfer (Punktion) zur gewünschten Schwangerschaft führt, signifikant absinkt und eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 15% nicht mehr erreicht wird (vgl. dazu BGHZ 99, 228, 235, wo eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 15-20% als noch ausreichend erachtet worden ist). Das ist nach den von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen referierten Daten aus dem Deutschen IVF-Register im
Durchschnitt bei Frauen nach Vollendung des 40. Lebensjahrs der Fall, kann aber aufgrund der vorgenannten individuellen Faktoren im Einzelfall früher oder später eintreten.
d) Bei Anlegung dieser Maßstäbe ergibt sich, dass für den Kläger und seine am 4. Oktober 1960 geborenen Ehefrau bei Durchführung der Behandlungszyklen im Oktober/November 2000 und im Juni 2002 noch ausreichend große Erfolgsaussichten bestanden und es deshalb im Zeitpunkt dieser Behandlungen vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen.
Zwar hat sich die Ehefrau des Klägers diesen Behan dlungen erst im Alter von 40 und noch 41 Jahren unterzogen, für eine Erfolgsaussicht über 15% sprach aber in beiden Fällen ganz wesentlich die frühere, schon beim dritten Behandlungszyklus erfolgreiche IVF/ICSI-Behandlung , die zur Geburt des ersten Kindes geführt hatte.
aa) Hinsichtlich des im Alter von 40 Jahren durchg eführten Behandlungszyklus hat der gerichtlich bestellte Sachverständige nicht zuletzt auch mit Hinsicht darauf eine Erfolgswahrscheinlichkeit von "sicherlich gut über 15%" angenommen, was sich für ihn auch bei rückblickender Betrachtung insoweit bestätigt hat, als vier Eizellen entnommen und zwei Embryonen übertragen werden konnten.
bb) Soweit der Sachverständige - und ihm folgend d as Landgericht in erster Instanz - den zweiten Behandlungszyklus im Juni 2002 mit einer Erfolgsaussicht von lediglich noch 10% bewertet hat [(Gutachten S. 10 oben)], beruht dies allein darauf, dass sich erst bei Durchführung der
Behandlung herausgestellt hat, dass nur noch eine Eizelle befruchtet und nur noch ein Embryo übertragen werden konnte. Dieser Rückblick auf den konkreten Behandlungsverlauf kann aber die Frage der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung nicht beantworten, denn damit wäre dem Versicherungsnehmer das Kostenrisiko für Behandlungsmaßnahmen aufgebürdet, die sich erst im Nachhinein als erfolglos erweisen. Entscheidend für die Beantwortung der Frage nach der bedingungsgemäßen Notwendigkeit ist allein die Prognose vor Beginn der Behandlung.
Dazu hat der Sachverständige ausgeführt, bei 42-jä hrigen Patientinnen reduziere sich die durchschnittliche Erfolgswahrscheinlichkeit einer klinischen Schwangerschaft pro Embryotransfer auf ca. 13-14%. Die früher erfolgreiche IVF/ICSI-Behandlung zeige, dass keine weiteren Hindernisse für eine Schwangerschaft bei der Ehefrau des Klägers vorgelegen hätten. Angesichts dessen habe man erwarten dürfen, dass die individuellen Schwangerschaftschancen gegenüber den Durchschnittswerten des IVF-Registers etwas höher gelegen hätten. Die ovarielle Ansprechrate sei altersgemäß, die beim vorangegangenen Behandlungsversuch eingesetzte Hormondosierung sogar noch deutlich steigerbar gewesen. Diese Ausführungen zeigen, dass der Sachverständige, hätte er nicht den nachträglich bekannt gewordenen konkreten Behandlungsverlauf in seine Betrachtung einbezogen, für die Ehefrau des Klägers auch hinsichtlich des Behandlungszyklus vom Juni 2002 noch eine Erfolgswahrscheinlichkeit von jedenfalls 15% prognostiziert hätte.
e) Künftige Behandlungszyklen sind angesichts des fortgeschrittenen Alters der Ehefrau des Klägers nicht mehr ausreichend Erfolg ver-
sprechend, um die bedingungsgemäße Notwendigkeit der Behandlung zu begründen. Der Sachverständige hat - gestützt auf die Zahlen des Deutschen IVF-Registers - überzeugend dargelegt, dass ab einem Lebensalter der behandelten Frau von 45 Jahren die Erfolgsaussichten einer IVF/ICSI-Behandlung praktisch nicht mehr zu beziffern sind. Bei der Ehefrau des Klägers kommt entscheidend hinzu, dass auch schon bei dem letzten, im Alter von knapp 42 Jahren durchgeführten Behandlungszyklus nur noch die Übertragung eines Embryos möglich und damit - rückblickend betrachtet - schon damals eine unterdurchschnittliche Erfolgswahrscheinlichkeit gegeben war.
Schon aus diesem Grunde kann der Einwand des Kläge rs nicht durchdringen, die Beklagte könne sich nach Treu und Glauben nicht auf die eingetretene Zeitverzögerung bei der Fortsetzung der Behandlungszyklen berufen, weil sie diese Verzögerung durch ihre Weigerung, die Kosten zu tragen, selbst verursacht habe. Die mangelnden Erfolgsaussichten für künftige Behandlungen beruhen nach den Ausführungen des Sachverständigen hier nicht allein auf dem Zeitablauf seit der letzten Behandlung, sondern sind bereits durch deren Verlauf zusätzlich indiziert und hätten damit auch schon zeitnah nach dem zweiten Behandlungszyklus vorgelegen. Im Übrigen kann der Grundsatz von Treu und Glauben nicht dazu führen, dass der Krankenversicherer die Kosten aussichtsloser Behandlungen tragen muss.
4. Die Beklagte kann den Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für die beiden IVF/ICSI-Behandlungszyklen aus den Jahren 2000 und 2002 nicht mit Erfolg den Einwand aus Treu und Glauben entgegen-
halten, der Kläger verletze die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Versicherers und der Versichertengemeinschaft.
a) Allerdings hat der Senat in der Entscheidung BG HZ 99, 228, 235 ausgeführt, der Versicherungsnehmer müsse bei Inanspruchnahme dieser besonders kostenträchtigen und nicht vital lebensnotwendigen Behandlung in angemessener Weise Rücksicht auf den Versicherer und die Versichertengemeinschaft nehmen, da das private Versicherungsverhältnis in besonderem Maße den Grundsätzen von Treu und Glauben unterstehe. Der Versicherer müsse deshalb ganz unverhältnismäßige Kosten für eine In-vitro-Fertilisation nicht erstatten. Abgesehen von der Voraussetzung , dass diese Behandlung das einzige Mittel zur Herbeiführung einer Schwangerschaft sei und bei der beteiligten Frau eine deutliche Erfolgsaussicht bestehen müsse, seien einer Kostenerstattung für wiederholte Fertilisationsversuche Grenzen gesetzt. Der Versuch könne nicht auf Kosten der Versichertengemeinschaft beliebig oft wiederholt werden.
b) Daran ist im Grundsatz festzuhalten.
aa) Allerdings ist das Risiko des Versicherers nac h der Systematik der MB/KK 94 vorwiegend dadurch begrenzt, dass der Versicherungsfall als medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen (§ 1 (2) Satz 1 MB/KK 94) beschrieben wird. Dabei dient vor allem das Merkmal der Notwendigkeit der Heilbehandlung dazu, den Versicherer davor zu schützen, dass er die Kosten für überflüssige oder nicht aussichtsreiche Behandlungen tragen muss (vgl. dazu BGHZ 154, 154, 166 ff.). Die Notwendigkeit einer IVF/ICSI-Behandlung besteht nach den oben stehenden Ausführungen
nur dann, wenn unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der an der Behandlung beteiligten Partner eine ausreichende Erfolgsaussicht gegeben ist. Dabei trägt der geforderte Grad der Erfolgsaussicht bereits dem Umstand Rechnung, dass eine vital lebensnotwendige Behandlung nicht in Rede steht. Schon hierdurch ist die Erstattung der Kosten für beliebig oft wiederholte erfolglose Behandlungen regelmäßig ausgeschlossen. Denn eine ungewöhnliche Häufung erfolgloser Behandlungszyklen muss sich zwangsläufig negativ auf die individuelle Erfolgsprognose für weitere Behandlungen auswirken.
bb) Ist - wie hier - nach erfolgreicher früherer B ehandlung die Wiederholung von IVF/ICSI-Behandlungszyklen durch den Wunsch von Eheleuten nach einem weiteren Kind veranlasst, so kann dieser Kinderwunsch im Rahmen der von § 242 BGB geforderten Abwägung der gesamten Umstände des Einzelfalles nicht zu Lasten der versicherten Person ins Gewicht fallen, denn er ist einer Kontrolle und auch einer negativen Bewertung durch die Gerichte entzogen. Die mit fortschreitendem Lebensalter der beteiligten Frau sinkenden Erfolgsaussichten der Behandlung bieten auch insoweit regelmäßig ausreichenden Schutz davor, dass der Versicherer die Kosten für beliebig oft wiederholte Behandlungen zu tragen hat.
Der Bereich, in dem eine Leistungsfreiheit des Ver sicherers nach Treu und Glauben in Betracht zu ziehen ist, bleibt nach allem auf besondere Einzelfälle beschränkt.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.