Oberlandesgericht Köln Urteil, 26. Sept. 2014 - 20 U 48/14
Gericht
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 20. Februar 2014 verkündete Teilurteil der 37. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 37 O 190/13 - wird zurückgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
4II.
5Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die von ihr in zweiter Instanz erhobene Widerklage ist unbegründet.
6Das Landgericht hat der Klägerin zu Recht Auskunftsansprüche zuerkannt.
7Wie der Senat bereits im Beschluss vom 17. September 2013 (20 W 63/13) im Einzelnen ausgeführt hat, steht der Klägerin als Pflichtteilsberechtigter grundsätzlich ein Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses des verstorbenen I zu. Zur Erfüllung der Auskunftspflicht hat der Erbe ein Bestands- und Vermögensverzeichnis (§ 260 Abs.1 BGB) vorzulegen; dieses muss grundsätzlich ein vollständiges und einheitliches Verzeichnis mit allen Aktiv- und Passivwerten sein und hat den Stand des hinterlassenen Vermögens zum Todeszeitpunkt zu dokumentieren. Ein derartiges Verzeichnis hat die Beklagte nicht erstellt; die Angaben im Anwaltsschreiben vom 6. Februar 2013 genügen den Anforderungen an ein Bestands- und Vermögensverzeichnis nicht. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass der Erblasser ca. ½ Jahr vor seinem Tod ein (im Übrigen wenig aussagekräftiges) Vermögensverzeichnis erstellt hat. Maßgebend ist das Vermögen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers am 22. November 2012. Kurz zuvor war dessen Mutter verstorben, die von diesem beerbt worden ist. Die Vermögensverhältnisse haben sich alleine dadurch verändert. Vor diesem Hintergrund ist das Verlangen nach einem auf den Zeitpunkt des Todes bezogenen Vermögensverzeichnisses auch nicht rechtsmissbräuchlich.
8Die Klägerin kann auch verlangen, dass das Verzeichnis der Nachlassgegenstände durch einen Notar aufgenommen wird (§ 2314 Abs.1 Satz 3 BGB).
9Die Dürftigkeitseinrede kann die Beklagte nicht erheben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese auch dann greifen kann, wenn Aktivvermögen vorhanden ist, der Nachlass aber letztlich überschuldet ist. Dafür, dass eine Überschuldung vorliegt, ist der Erbe darlegungs- und beweispflichtig (vgl. nur Palandt-Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 1990, Rn. 2). Die Beklagte behauptet eine Überschuldung, weil sie dem Erblasser ein Darlehen in einer Gesamthöhe von 930.000,- € gewährt habe, das von diesem nicht zurückgezahlt worden sei. Hierzu hat der Beklagte erstinstanzlich zwar den Darlehensvertrag vorgelegt (GA 112). Dieser belegt indes nicht, dass die Darlehenssumme auch tatsächlich ausgezahlt und vor dem Erbfall nicht zurückerstattet worden ist. Die Klägerin hat schon erstinstanzlich die Darlehensgewährung bestritten. Beweis für die Richtigkeit seines Sachvortrags hat die Beklagte nicht angetreten; die Vorlage des Darlehensvertrags alleine reicht – wie ausgeführt – als Urkundsbeweis nicht aus.
10Die Beklagte hat - jedenfalls derzeit - keinen Anspruch auf Auskunft über Zahlungen, die der Erblasser über Unterhaltszahlungen hinaus an die Klägerin geleistet haben soll. Ihr steht insoweit weder ein Zurückbehaltungsrecht zu noch hat die hierzu in zweiter Instanz hilfsweise erhobene Widerklage Erfolg.
11Zur Erstellung des mit der Auskunftsklage von der Klägerin verlangten notariellen Nachlassverzeichnisses benötigt die Beklagte diese Auskünfte nicht. Diese Auskunft soll lediglich die Grundlage für die Berechnung der von der Klägerin verfolgten Pflichtteilsansprüche sein. Soweit auch Auskunft über den fiktiven Nachlass zu erteilen ist, beschränkt sich die Auskunftspflicht des Erben auf solche Zuwendungen, die anderen Personen als dem die Auskunft verlangenden Pflichtteilsberechtigten gemacht worden sind, denn Zuwendungen, die dieser selbst erhalten hat, sind ihm nicht unbekannt.
12Demgemäß bezieht sich auch der zuerkannte Auskunftsanspruch zu c) nur auf alle lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers an die Beklagte sowie alle lebzeitigen Zuwendungen an Dritte während der letzten 10 Jahre vor dessen Tod sowie alle lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers, bei denen er sich ein Nutzungsrecht vorbehalten hat (§ 2325 BGB). Hintergrund dieses Auskunftsbegehrens ist ein etwaiger Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB, wonach der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen kann, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn ein vom Erblasser einem Dritten geschenkter Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Dritter im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung ist aber nicht der Pflichtteilsberechtigte selbst.
13Zwar ist gemäß § 2327 BGB dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte selbst ein Geschenk vom Erblasser erhalten hat, dieses in gleicher Weise dem Nachlass hinzuzurechnen und dem Pflichtteilsberechtigten auf die Ergänzung anzurechnen. Insoweit kommt grundsätzlich ein Auskunftsanspruch des Erben gegen den Pflichtteilsberechtigten in Betracht (vgl. BGH, NJW 1964, 1414; Staudinger-Olshausen, BGB-Neubearbeitung 2006, § 2327, Rn. 15). Eine solche Auskunft schuldet der Pflichtteilsberechtigte aber nicht schon zu dem Zweck, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen, sondern eine entsprechende Auskunft kann erst geschuldet sein, wenn dieser Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend macht. Ob der Klägerin Pflichtteilsergänzungsansprüche überhaupt zustehen, ist allerdings, solange die Beklagte insoweit keine Auskunft über Zuwendungen des Erblassers erteilt hat, derzeit offen. Nur dann, wenn feststeht, dass Dritten Geschenke zugewandt worden sind, kommt eine Anrechnung etwaiger Zuwendungen des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2327 BGB überhaupt in Betracht (vgl. Riedel/Lenz in: Schlitt/Müller, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 232 7 BGB, Rn. 2). Deshalb besteht zumindest derzeit kein berechtigtes Interesse der Beklagten an der begehrten Auskunft.
14Gleiches gilt für die Frage, ob die Klägerin sich Zuwendungen auf den Pflichtteil nach § 2315 Abs. 1 BGB anrechnen lassen muss; dies wird erst dann relevant, wenn sich aus der vom Erben zu erteilenden Auskunft ein bezifferbarer Pflichtteilsanspruch ergibt. Ohnehin ist nichts dafür vorgetragen, dass der Klägerin Zuwendungen mit der ausdrücklichen Bestimmung der Anrechnung auf den Pflichtteil gemacht worden sind.
15Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
16Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
17Berufungsstreitwert: 4.000,- € (2.500,- € + 1.500,- € [Widerklage])
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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Des Tatbestandes bedarf es nicht, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. In diesem Fall bedarf es auch keiner Entscheidungsgründe, wenn die Parteien auf sie verzichten oder wenn ihr wesentlicher Inhalt in das Protokoll aufgenommen worden ist.
(2) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestands und der Entscheidungsgründe nicht, wenn beide Parteien auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten. Ist das Urteil nur für eine Partei anfechtbar, so genügt es, wenn diese verzichtet.
(3) Der Verzicht nach Absatz 1 oder 2 kann bereits vor der Verkündung des Urteils erfolgen; er muss spätestens binnen einer Woche nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht erklärt sein.
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden im Fall der Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen oder wenn zu erwarten ist, dass das Urteil im Ausland geltend gemacht werden wird.
(5) Soll ein ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe hergestelltes Urteil im Ausland geltend gemacht werden, so gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisurteilen entsprechend.
(1) Wer verpflichtet ist, einen Inbegriff von Gegenständen herauszugeben oder über den Bestand eines solchen Inbegriffs Auskunft zu erteilen, hat dem Berechtigten ein Verzeichnis des Bestands vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen den Bestand so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) Die Vorschrift des § 259 Abs. 3 findet Anwendung.
(1) Ist der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe, so hat ihm der Erbe auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass er bei der Aufnahme des ihm nach § 260 vorzulegenden Verzeichnisses der Nachlassgegenstände zugezogen und dass der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird. Er kann auch verlangen, dass das Verzeichnis durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird.
(2) Die Kosten fallen dem Nachlass zur Last.
(1) Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.
(2) Eine verbrauchbare Sache kommt mit dem Werte in Ansatz, den sie zur Zeit der Schenkung hatte. Ein anderer Gegenstand kommt mit dem Werte in Ansatz, den er zur Zeit des Erbfalls hat; hatte er zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert, so wird nur dieser in Ansatz gebracht.
(3) Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.
(1) Hat der Pflichtteilsberechtigte selbst ein Geschenk von dem Erblasser erhalten, so ist das Geschenk in gleicher Weise wie das dem Dritten gemachte Geschenk dem Nachlass hinzuzurechnen und zugleich dem Pflichtteilsberechtigten auf die Ergänzung anzurechnen. Ein nach § 2315 anzurechnendes Geschenk ist auf den Gesamtbetrag des Pflichtteils und der Ergänzung anzurechnen.
(2) Ist der Pflichtteilsberechtigte ein Abkömmling des Erblassers, so findet die Vorschrift des § 2051 Abs. 1 entsprechende Anwendung.
(1) Wer Sicherheit zu leisten hat, kann dies bewirken
durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren,
durch Verpfändung von Forderungen, die in das Bundesschuldbuch oder in das Landesschuldbuch eines Landes eingetragen sind,
durch Verpfändung beweglicher Sachen,
durch Bestellung von Schiffshypotheken an Schiffen oder Schiffsbauwerken, die in einem deutschen Schiffsregister oder Schiffsbauregister eingetragen sind,
durch Bestellung von Hypotheken an inländischen Grundstücken,
durch Verpfändung von Forderungen, für die eine Hypothek an einem inländischen Grundstück besteht, oder durch Verpfändung von Grundschulden oder Rentenschulden an inländischen Grundstücken.
(2) Kann die Sicherheit nicht in dieser Weise geleistet werden, so ist die Stellung eines tauglichen Bürgen zulässig.
(1) Der Pflichtteilsberechtigte hat sich auf den Pflichtteil anrechnen zu lassen, was ihm von dem Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll.
(2) Der Wert der Zuwendung wird bei der Bestimmung des Pflichtteils dem Nachlass hinzugerechnet. Der Wert bestimmt sich nach der Zeit, zu welcher die Zuwendung erfolgt ist.
(3) Ist der Pflichtteilsberechtigte ein Abkömmling des Erblassers, so findet die Vorschrift des § 2051 Abs. 1 entsprechende Anwendung.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)