Oberlandesgericht Köln Beschluss, 25. Okt. 2016 - 1 RVs 227/16
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Köln zurückverwiesen.
1
Gründe
2I.
3Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht – Schöffengericht – Köln den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Es hat zum Tatgeschehen die nachfolgenden Feststellung getroffen:
4„Am 30.09.2015 verwahrte der Angeklagte in seiner Wohnung in der M-straße XX in XXX03 L insgesamt 59,78 g netto Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 17,5 %, mithin einer Gesamtwirkstoffmenge von 10,5 g THC. Außerdem verfügt er über insgesamt 6,26 g netto Amphetamin sowie 5 Ecstasy-Tabletten zu je 0,37 g netto. Die sichergestellten Betäubungsmittel waren sowohl zum Eigenkonsum als auch zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung wurde der Zeuge H angetroffen und erklärte zu der auf dem Tisch liegenden 5-Euro-Note, dass er diese gerade dem Angeklagten übergeben habe für den Kauf von Marihuana. Am Tage zuvor hatte der gesondert verfolgte von L2 angegeben, 10 g Amphetamin vom Angeklagten erworben zu haben. Die entsprechenden Angaben hat er in seiner Hauptverhandlung vom 15.01.2016 wiederholt.“
5Zur Beweiswürdigung ist ausgeführt:
6„Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen PHK P und dem verlesenen Wirkstoffgutachten vom 12.11.2015 sowie dem verlesenen Urteil vom 15.01.2016 (584 Ds 520/15).
7Der Zeuge P vermochte sich auch ohne Vorbereitung (…) an die Durchsuchung, die er auf die Anordnung der Bereitschaftsstaatsanwälten durchgeführt hat, genau zu erinnern. In der Wohnung sei es zu den in der Anklage aufgeführten Drogenfunden gekommen. Dabei erinnerte er sich daran, den anwesenden Zeugen H dazu befragt zu haben, aber mit dem Geld Marihuana habe kaufen wollen. An seine Antwort vermochte er sich zwar nicht zu erinnern, auf den Vorhalt aus der Strafanzeige indes erklärt der klar und eindeutig: „wenn das da so steht, dann hat das so gesagt“. (…)
8An das im Weiteren abgegebene Geständnis, nämlich dass er (scil.: der Angeklagte) nur mit geringen Mengen BtM handele, da er seinen Konsum bezahlen müsse, vermochte er sich zwar ebenfalls nicht zu erinnern. Auf Vorhalte entsprechenden Angaben in der Strafanzeige erklärte indes gleichfalls, dass diese Aussage dann mit Sicherheit so gefallen sei.“
9Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und erhebt zwei Verfahrensbeanstandungen.
10II.
11Das Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Rechtsmittel hat insofern (vorläufigen) Erfolg, als es gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO bereits auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts führt.
121.
13a)
14Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Insoweit erweisen sich die Urteilsgründe in Bezug auf die Bestimmbarkeit des Schuldumfangs als materiell-rechtlich unvollständig. Bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das BtMG, bei dem der Erwerb teils zum Eigenkonsum, teils zur gewinnbringenden Weiterveräußerung erfolgt ist, erfordert die zutreffende Beurteilung des Schuldumfangs auch Feststellungen dazu, mit welcher Mindestmenge Handel getrieben und welche Höchstmenge zum Eigenkonsum erworben wurde. Der jeweilige Anteil darf im Urteil nicht offen bleiben (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur SenE v. 26.05.2009 - 82 Ss 28/09 -; SenE v. 17.06.2011 - III-1 RVs 130/11 -; SenE v. 03.04.2012 - III-1 RVs 62/12; zuletzt SenE v. 07.08.2015 – III-1RVs 149/15; SenE v. 02.10.2015 - III-1 RVs 188/15). Notfalls muss der jeweilige Anteil unter Beachtung des Zweifelsatzes geschätzt werden (BGH NStZ-RR 2008, 153). Entsprechende Feststellungen sind nämlich nicht nur im Hinblick auf die Konkurrenzen der Tatbestandsalternativen des Handeltreibens und des Erwerbs erforderlich, sondern bestimmen in maßgeblicher Weise auch den Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat und damit die Ermittlung einer tat- und schuldangemessenen Strafe.
15Auch wenn der Tatrichter davon ausgeht, der Angeklagte habe „nur geringe Mengen“ zur Finanzierung seines eigenen Konsums veräußert, bleibt doch nach den getroffenen Feststellungen offen, welche zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmte Teilmenge hiermit konkret gemeint ist. Der Senat kann danach letztlich nicht ausschließen, dass die Strafbemessung auf einer unzutreffenden Bestimmung des Schuldumfangs beruht.
16b)
17Nicht frei von Rechtsfehlern ist aber auch die tatrichterliche Beweiswürdigung. Die Feststellung, der Angeklagte habe Betäubungsmittel zum gewinnbringenden Weiterverkauf vorgehalten, beruht letztlich allein auf seinem durch die Angaben des Zeugen P eingeführten Geständnis anlässlich der Durchsuchung vom 23. September 2015. Die Aussagen der Zeugen H und von L2 stützen nämlich – von der Frage ihrer Einführung abgesehen – die Annahme eigennützigen Handelns des Angeklagten mangels Angaben zu Einkaufs- und Verkaufspreisen nicht; sie belegen daher allenfalls eine Veräußerung der Betäubungsmittel (vgl. zur Notwendigkeit konkreter Feststellungen zu Eigennützigkeit zuletzt SenE v. 25.04.2014 – III-1 RVs 56/14). Mit der Einführung der geständigen Angaben des Angeklagten hat aber das Tatgericht – was den Urteilsfeststellungen selbst zu entnehmen ist – gegen § 254 StPO verstoßen. Diese Vorschrift gestattet lediglich die Verlesung richterlicher Protokolle zum Nachweis über ein Geständnis. Äußert sich der Angeklagte – wie hier - zur Sache nicht, so muss der Vernehmungsbeamte als Zeuge gehört werden. Das Protokoll darf dann vorgehalten und zu diesem Zweck auch verlesen werden. Verwertbar ist aber nur, was der Vernehmungsbeamten selbst noch von seiner Vernehmung in Erinnerung hat. Die bloße Angabe, er habe die Erklärungen des Angeklagten richtig protokolliert macht den Protokollinhalt nicht verwertbar (BGH NStZ 1995, 47; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage 2016, § 254 Rz. 8; Löwe-Rosenberg-Mosbacher, StPO, 26. Auflage 2010, § 254 Rz. 9 je mit weit. Nachw. aus der Rspr. des BGH). Die (auch) danach gebotene Aufhebung der Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zieht die Aufhebung der tateinheitlichen Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach sich (SenE v. 04.01.2008 - 82 Ss 166/07 -; KK-StPO-Gericke, 7. Auflage 2013, § 353 Rz. 10 m. w. N.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 353 Rz. 7a).
182.
19Da sonach das angefochtene Urteil bereits auf die Sachrüge hin der Aufhebung unterliegt, bedarf es an sich eines Eingehens auf die zugleich erhobenen Verfahrensrügen nicht. Für die neue Hauptverhandlung sieht sich der Senat indessen mit Rücksicht auf die Verfahrensbeanstandung, das Amtsgericht habe mit der Verwertung der Ergebnisse der Durchsuchung vom 23. September 2015 ein bestehendes Beweisverwertungsverbot missachtet, zu dem Hinweis veranlasst, dass das Ergebnis der bei dem Angeklagten am 23. September 2015 durchgeführten Durchsuchung verwertbar ist. Ein Verstoß gegen oder eine Umgehung des Richtervorbehalts des § 105 Abs. 1 S. 1 StPO liegen nicht vor; ein Verwertungsverbot besteht nicht.
20a)
21Gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 StPO dürfen Durchsuchungen nur durch den Richter angeordnet werden; bei Gefahr im Verzug steht diese Kompetenz auch der Staatsanwaltschaft bzw. ihren Ermittlungspersonen zu. Gefahr im Verzug ist dabei nur anzunehmen wenn die richterliche Anordnung nicht mehr eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet wird. Kann hingegen der Richter mit dem Durchsuchungsbegehren befasst werden und über dieses entscheiden, ohne dass damit ein Risiko des Verlusts von Beweismitteln verbunden ist, ist für einen Rückgriff auf die Eikompetenz der Strafverfolgungsbehörden kein Raum (s. jüngst OLG Düsseldorf StraFo 2016, 339).
22Davon ausgehend ist im vorliegenden Fall von einer Gefährdung des Untersuchungserfolges auszugehen: Der Zeuge von L2 hatte Angaben über seinen BtM-Erwerb bei dem Angeklagten am Vortag gemacht. Dies begründete den Anfangsverdacht dahin, dass auch dieser sich wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz strafbar gemacht hatte. Danach bestanden konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine Durchsuchung bei dem Angeklagten zum Auffinden von Beweismitteln würde führen können. Da die Ermittlungsbehörden keinen Grund sahen, den Zeugen von L2 über die Dauer seiner eigenen Vernehmung hinaus in Gewahrsam zu halten, bestand die naheliegende Gefahr, dass dieser - einmal auf freiem Fuß – den Angeklagten darüber informieren würde, dass er – von L2 - bei den Ermittlungsbehörden Angaben gemacht hatte. Naheliegende Reaktion des Angeklagten wäre es dann gewesen, das von ihm besessene Rauschgift zu beseitigen. Wenn die Ermittlungsbehörden bei dieser Sachlage annehmen, eine richterliche Entscheidung sei - während der Vernehmung des von L2 – allenfalls aufgrund mündlicher Sachverhaltsschilderung durch mündliche Entscheidung des Eilrichters herbeizuführen, nicht jedoch dann, wenn der Eilrichter nur aufgrund schriftlicher Sachverhaltsdarstellung zu entscheiden bereit ist, ist das nicht zu beanstanden.
23Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Annahme des vernehmenden Polizeibeamten, die Fertigung einer „Aktenlage“ hätte „mehr als eine Stunde“ in Anspruch genommen, angesichts des überschaubaren Sachverhalts den notwendigen Zeitbedarf in erheblichem Maße überschätzt. Ersichtlich wäre nämlich die schriftliche Niederlegung des Sachverhalts – gerade auch unter Berücksichtigung der Freiheitsbelange des von L2 - erst nach dessen Entlassung möglich gewesen. Dann hätte diesem aber die zur Warnung des Angeklagten benötigte Zeitspanne jedenfalls zur Verfügung gestanden.
24b)
25Entgegen der von der Verteidigung geäußerten Auffassung war bei genauem Zusehen die zuständige Eilrichterin mit der Sache im Zeitpunkt der an sie gerichteten Anfrage der Bereitschaftsstaatsanwältin auch noch nicht „befasst“ mit der Folge, dass die Eilkompetenz der Strafverfolgungsbehörden beendet war und sich allenfalls die Frage ihres nachträglichen Wiederauflebens stellen könnte. Eine Befassung des Eilrichters liegt erst nach Abschluss der den Ermittlungsbehörden obliegenden Prüfung vor, ob Gefahr im Verzug gegeben ist. Ob ein angemessener Zeitraum zur Verfügung steht, innerhalb dessen eine Entscheidung des zuständigen Richters erwartet werden kann, oder ob bereits eine zeitliche Verzögerung wegen des Versuchs der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde und daher eine nicht nichtrichterliche Durchsuchungsanordnungen gehen darauf, haben die Ermittlungsbehörden nach der Konzeption des Art. 13 Abs. 2 GG zunächst selbst zu prüfen. Befasst wird der Eilrichter danach in dem Zeitpunkt, in dem es ihm auf der Grundlage eines Antrags der Strafverfolgungsbehörden möglich ist, in eine Sachprüfung der Tatbestandsmerkmale der Durchsuchungsanordnung und der Verhältnismäßigkeit einzutreten (vgl. BVerfGE 139, 245 ff. – Tz. 78, 79, 109 vgl. a. Tz. 82; OLG Düsseldorf a.a.O.). Entsprechend muss die Staatsanwaltschaft bei dem Ermittlungsrichter stets eine einzelne bestimmte und als solche bezeichnete gerichtliche Untersuchungshandlung beantragen (vgl. KK-StPO-Griesbaum, 7. Auflage 2013, § 162 Rz. 5; Löwe-Rosenberg-Erb, a.a.O., § 162 Rz.11). Hier ist nach den getroffenen Feststellungen an die Eilrichterin lediglich die Frage herangetragen worden, ob sie auf der Grundlage einer „Akte“ – gemeint: einer schriftlichen Sachverhaltsdarstellung – entscheiden wolle, oder ob sie bereit sei, sich mit einer mündlichen Sachverhaltsschilderung zu begnügen und auf deren Grundlage gegebenenfalls auch eine mündliche Anordnung zu treffen. Diese Frage ermöglicht es der Eilichterin aber selbst dann nicht, in eine echte Sachprüfung einzutreten, wenn ihr – wie lebensnah anzunehmen ist – wenigstens in groben Umrissen die Art der durchzuführenden Maßnahme mitgeteilt wird. Sie ermöglicht es umgekehrt den Strafverfolgungsbehörden, den notwendigen Zeitbedarf abzuschätzen. Erklärt nämlich die Eilrichterin – wie hier –, dass sie nur aufgrund einer schriftlichen Sachverhaltsdarstellung entscheiden werde, lässt sich der hierfür erforderliche Zeitbedarf – wohl: des allein sachbearbeitenden Vernehmungsbeamten – unschwer abschätzen und (zuzüglich zu der für den Entscheidungsprozess und die etwaige Verschriftlichung von dessen Ergebnis benötigten Zeit) zu der Dringlichkeit der Anordnung der Maßnahme auf der Grundlage des Umstands, dass der Zeuge von L2 hatte entlassen werden müssen, in Relation setzen. Das bedeutet aber, dass die an die – sich offenbar in Rufbereitschaft befindende - Eilrichterin gerichtete Frage, ob sie bereit sei, aufgrund einer mündlichen Sachverhaltsdarstellung eine Entscheidung zu treffen, zunächst nur der Ermittlung des Zeitbedarfs für die Herbeiführung einer solchen Entscheidung diente. Eine Befassung der Eilrichterin im Sinne einer konkreten Antragstellung auf der Grundlage eines konkreten subsumtionsfähigen Sachverhalts ist mit einer solchen Anfrage indessen nicht verbunden.
26c)
27Bedenklich als Umgehung der in der Entscheidung BVerfGE 139, 245 ff. niedergelegten Grundsätze wäre freilich eine Praxis, die dahin ginge, bei dem jeweils zuständigen Eilrichter anzufragen, ob dieser nur aufgrund einer „Akte“ oder auch ohne eine solche zu entscheiden bereit sei und in dem Falle, dass der zuständige Richter auf eine Verschriftlichung des Sachverhalts besteht, das Vorliegen der Voraussetzungen der Eilkompetenz zu bejahen. Zunächst wird eine solche allgemeine – also von jeder auch nur kursorischen Sachverhaltsdarstellung losgelöste – Fragestellung kaum sinnvoll zu beantworten sein. Zum anderen ist eine solche Frage auch in einer Vielzahl von Fällen nicht zielführend: Lässt sich nämlich absehen, dass für eine Verschriftlichung des Sachverhalts und die Herbeiführung einer schriftlichen richterlichen Entscheidung unter Berücksichtigung einer angemessenen Zeitspanne für die Entscheidung und die schriftliche Niederlegung der Entscheidungsgründe ausreichend Zeit bleibt, müssen die Ermittlungsbehörden die richterliche Entscheidung herbeiführen. Ist andererseits die Situation so zugespitzt, dass auch für eine mündliche Sachverhaltsdarstellung und eine mündlich bekannt gegebene Entscheidung keine Zeit mehr bleibt, liegen zwanglos die Voraussetzungen der Gefahr im Verzug vor. Nur dann, wenn im Falle schriftlicher Kommunikation der Untersuchungserfolg gefährdet ist, im Falle mündlicher Sachverhaltsschilderung und mündlicher Entscheidung aber der Richter noch sinnvoll – also unter Berücksichtigung der für eine umfassende Sachprüfung (vgl. BVerfGE 139, 245 – bei Juris Tz. 63; BVerfG StraFo 2004, 413) erforderlichen Zeitspanne - befasst werden kann, ist die an diesen gerichtete Frage, ob er auf schriftlicher Sachverhaltsdarstellung besteht (und auch nur in schriftlicher Form zu entscheiden bereit ist) überhaupt legitim, weil es nur dann für die nach dem zuvor Dargestellten zunächst den Strafverfolgungsbehörden obliegenden Entscheidung, ob ein Fall der Inanspruchnahme der Eilkompetenz gegeben ist oder nicht, auf die Beantwortung dieser Frage überhaupt ankommt.
28Entgegen der von dem Verteidiger geäußerten Auffassung ist es dabei keineswegs stets oder auch nur regelmäßig pflichtwidrig, wenn der Richter auf einer schriftlichen Sachverhaltsdarstellung besteht. Es trifft zwar zu, dass die richterliche Anordnung nicht stets der Vorlage einer „Akte“ bedarf (BVerfGE 139, 245 – bei Juris Tz. 71; BVerfGK 17, 340 – bei Juris Tz. 27; OLG Celle NJW 2009, 3524 = NZV 2009, 611 = VRS 117, 298 [299]; OLG Celle VRS 117, 294 [298]; OLG Nürnberg DAR 2010, 217 [218] OLG Düsseldorf VRS 121], 46 [47] = VM 2011, 67 [Nr. 58 ]) und dass das OLG Hamm die Auffassung vertritt, die grundsätzliche und ausnahmslose Weigerung des Ermittlungsrichters, ohne einen schriftlichen Vorgang fernmündlich eine Anordnung zu treffen (oder abzulehnen), verletze die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 GG (OLG Hamm NJW 2011, 469 = NStZ 2010, 239). Indessen sind diese Entscheidungen sämtlich zum Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO im Falle der Anordnung von Blutentnahmen bei Verdacht von Trunkenheitsfahrten ergangen. Auf die regelmäßig erheblich komplexeren Erwägungen, die der Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung zugrundeliegen, sind sie jedenfalls nicht bruchlos übertragbar (in diese Richtung auch BVerfGK 17, 340 – bei Juris Tz. 30).
29Sowohl für das weitere Verfahren als auch für die Überprüfung der angeordneten Maßnahme im Rechtsmittelzug ist von erheblicher Bedeutung, welcher Sachverhalt dem Richter zur Entscheidung unterbreitet worden ist. Dieser ist aber verlässlich regelmäßig nur aus einer Verschriftlichung zu rekonstruieren (vgl. dazu instruktiv die dem Senatsurteil vom 27. Oktober 2009 [= StV 2010, 14 = StraFo 2010, 23] zugrunde liegende Sachgestaltung). Die ausnahmslose oder auch nur regelmäßige mündliche Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen aufgrund eines lediglich mündlich präsentierten Sachverhalts läuft demgegenüber Gefahr, den präventiven richterlichen Rechtsschutz unter Berufung auf eben diesen zu einer bloßen Farce zu denaturieren.
30Die – regelmäßig erst nach Durchführung der Ermittlungsmaßnahme erfüllte – Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden, den Anlass der Maßnahme und der Inanspruchnahme der Eilkompetenz in den Akten zu dokumentieren (BVerfGE 103, 142 [159 f.]), vermag hieran nichts zu ändern. Für das weitere Verfahren und die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahme im Rechtsmittelzug ist nämlich maßgeblich, von welchem Sachverhalt der Richter ausgegangen ist (vgl. dazu auch BVerfG StRR 2007, 242, wo unter Bezugnahme auf die u.a. eine nicht ausreichende Dokumentation der Ermittlungsmaßnahme durch die Strafverfolgungsbehörden betreffende Entscheidung BVerfG NJW 2003, 2303 = StV 2003, 205 davon die Rede ist, der „zeitnahe polizeiliche Vermerk“ habe „habe ausnahmsweise [!] wegen der Evidenz des Falles zur Information des [Beschwerde]Gerichts“ ausgereicht – a.a.O. Tz. 4 – Hervorhebung bzw. Ergänzung durch den Senat).
31d)
32Die von dem Verteidiger in den Raum gestellte Befürchtung, dass die Ermittlungsbehörden – was, wie gezeigt, nur in einem geringen Teil der Fälle überhaupt in Betracht kommt – dem Ermittlungsrichter nahelegen, doch keine „Akte“ wollen zu sollen, teilt der Senat nicht. Es ist für den antragstellenden Staatsanwalt, der – so ist anzunehmen – mit einem Eilrichter kommuniziert, dessen Einstellung zu der Frage einer Verschriftlichung des der Ermittlungsmaßnahme zu Grunde liegenden Sachverhalts er nicht kennt (ansonsten bestünde keine Veranlassung, dies zu thematisieren), kein Grund ersichtlich, sich dem hiermit verbundenen Risiko auszusetzen.
33e)
34Bei der gegebenen Sachlage haben die Ermittlungsbehörden daher zu Recht die ihnen zustehende Eilkompetenz in Anspruch genommen; diese war auch noch nicht durch Befassung der zuständigen Eilrichterin erloschen. Ausführungen dazu, ob aus diesem Sachverhalt ein Beweisverwertungsverbot resultiert (hierzu jüngst BGH NStZ 2016, 551 [552]), erübrigen sich mithin mangels Vorliegens eines Beweiserhebungsverbots.
353.
36Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat noch darauf hin, dass Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten im Urkundenbeweis gemäß § 249 Abs. 1 StPO in die neue Hauptverhandlung eingeführt und verwertet werden können. Das - nunmehr entscheidende - Tatgericht darf sie zwar nicht ungeprüft übernehmen. Es kann sich aber von der Richtigkeit der Schlüsse des früheren Tatrichters aufgrund der in dessen Urteil mitgeteilten Gründe überzeugen (BGH NJW 1997, 2828; SenE v. 04.09.2012 - III-1 RVs 150/12).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Beschluss, 25. Okt. 2016 - 1 RVs 227/16
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Referenzen - Gesetze
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Erklärungen des Angeklagten, die in einem richterlichen Protokoll oder in einer Bild-Ton-Aufzeichnung einer Vernehmung enthalten sind, können zum Zweck der Beweisaufnahme über ein Geständnis verlesen beziehungsweise vorgeführt werden.
(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann.
(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter an; die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.
(2) Wenn eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums ohne Beisein des Richters oder des Staatsanwalts stattfindet, so sind, wenn möglich, ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Personen dürfen nicht Polizeibeamte oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sein.
(3) Wird eine Durchsuchung in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Durchsuchung von Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.
(1) Die Wohnung ist unverletzlich.
(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.
(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.
(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.
(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.
(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist.
(2) Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von Satz 1 keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach § 315a Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 und 3, § 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a, Absatz 2 und 3 oder § 316 des Strafgesetzbuchs begangen worden ist.
(3) Dem Beschuldigten entnommene Blutproben oder sonstige Körperzellen dürfen nur für Zwecke des der Entnahme zugrundeliegenden oder eines anderen anhängigen Strafverfahrens verwendet werden; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind.
(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.
(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.