Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 10. Feb. 2015 - 1 Ws 14/15

bei uns veröffentlicht am10.02.2015

Tenor

Auf die Beschwerde des Angeklagten gegen die Haftfortdauerentscheidung des Landgerichts Hamburg vom 22. Januar 2015 wird der Haftbefehl des Amtsgerichts Hamburg - In der Fassung des Strafkammerbeschlusses vom 8. September 2014 - aufgehoben.

Der Angeklagte ist in dieser Sache unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Gründe

I.

1

Gegen den Angeklagten wird seit dem 7. Mai 2013 Untersuchungshaft vollstreckt. Mit Urteil vom 1. September 2014 hat das Landgericht ihn nach 47-tägiger Hauptverhandlung wegen versuchter räuberischer Erpressung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit zweifacher Nötigung, und der zweifachen tateinheitlichen versuchten Nötigung und des versuchten Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, den Haftbefehl „nach Maßgabe“ des verkündeten Urteils aufrechterhalten und dessen weitere Vollstreckung angeordnet. Gegen das Urteil hat der Angeklagte fristgerecht Revision eingelegt; die Revisionsbegründungsfrist läuft gegenwärtig. Gegen die Haftfortdauerentscheidung wendet sich der Angeklagte - nachdem eine frühere Haftbeschwerde mit Senatsbeschluss vom 16. September 2014 - 1 Ws 99/14 verworfen worden war - mit seinem am 16. Januar 2015 beim Landgericht eingegangenen Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise auf Aussetzung des Vollzugs. Dies hat die Strafkammer mit Beschluss vom 22. Januar 2015 abgelehnt. Hiergegen hat der Angeklagte abermals eine Beschwerde erhoben, der die Strafkammer nicht abgeholfen hat (Bl. 2493 d.A.).

Il.

2

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die materiellen Voraussetzungen für eine Haftfortdauer liegen nicht mehr vor (§112 StPO).

3

1. Zwar sind die erforderlichen dringenden Verdachtsgründe für sämtliche der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Tatvorwürfe auch weiterhin gegeben (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO).

4

a) Die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, untersteht nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (vgl. BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2013 - StB 21/03, StV 2004, 143). Ist der Angeklagte in erster Instanz verurteilt worden, so belegt dies regelmäßig den dringenden Tatverdacht (BGH, Beschl v. 8. Januar 2004 - 2 StE 4/02-5 - StB 20/03, NStZ 2004, 276). In diese tatgerichtliche Beurteilung hat das Beschwerdegericht deshalb nur dann einzugreifen und diese durch eine abweichende eigene Bewertung zu ersetzen, wenn der Inhalt der angefochtenen Haftentscheidung grob fehlerhaft ist und den dringenden Tatverdacht aus Gründen annimmt, die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht vertretbar sind (BGH, a.a.O.; HansOLG Hamburg, Beschl. 14. Juni 2012 - 3 Ws 98/12; Graf in KK-StPO, 7. Aufl., § 112 Rn. 7a m.w.N.).

5

b) Solches ist hier weder anhand der nunmehr abgesetzten schriftlichen Urteilsgründe ersichtlich noch zum Gegenstand des Beschwerdevorbringens gemacht worden (vgl. bereits die in dieser Sache auf frühere Haftbeschwerden hin ergangenen Senatsbeschlüsse vom 25. März 2014 - 1 Ws 41/14 und vom 16. September 2014 - 1 Ws 99/14).

6

2. Auch besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr aus den Gründen des Senatsbeschlusses vom 16. September 2014 fort (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). In diese Prüfung war lediglich ergänzend - den Fluchtanreiz weiter prägend - einzustellen, dass der Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek am 17. September 2014 wegen Untreue zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden ist. Hiergegen führt gegenwärtig die Anklagebehörde die Berufung mit dem Ziel einer höheren und nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe.

7

3. Die Fortdauer der nahezu zwei Jahre andauernden Untersuchungshaft erweist sich nunmehr gleichwohl aber als unverhältnismäßig.

8

a) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG garantiert die Freiheit der Person. In diesem Freiheitsgrundrecht ist das in Haftsachen geltende verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot angelegt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19. Oktober 1977 - 2 BvR 1309/76, BVerfGE 46, 194, 195). Dieses gebietet es den Strafverfolgungsbehörden und den Strafgerichten, alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3. Mai 1966 - 1 BvR 58/66, BVerfGE 20, 45, 50; BVerfG [Kammer], Beschl. vom 29. Dezember 2005 - 2 BvR 2057/05, NJW 2006, 677, 678). Allerdings fallen Verzögerungen nach dem erstinstanzlichen Urteil geringer ins Gewicht als vor diesem Zeitpunkt (vgl. KG, Beschl. v. 7. März 2014 - 4 Ws 21/14). An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert (vgl. nur BVerfG [Kammer], Beschl. v. 30. Juli 2014 - 2 BvR 1457/14 m.w.N.).

9

b) Diesen sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen an die Durchführung eines Strafverfahrens wird die Verfahrensgestaltung hier nach Verkündung des Urteils gegen den Angeklagten nicht mehr gerecht.

10

aa) Der Verfahrensgang stellt sich für den Senat - entsprechend der dienstlichen Stellungnahme des Strafkammervorsitzenden und der durch den Senat eingeholten Stellungnahme der Präsidentin des Landgerichts - wie folgt dar:

11

(1) Das Urteil war am 1. September 2014 verkündet worden. Die schriftlichen Urteilsgründe wurden am 15. Dezember 2014 zu den Akten gebracht (Bi. 2214 d.A.). Die Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO wurde hierdurch vollständig ausgeschöpft. Die Urteilsgründe weisen einen Umfang von 233 Seiten auf.

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(2) Der Strafkammervorsitzende verfügte am 27. Januar 2015 die Urteilszustellung. Sie wurde noch am selben Tage durch die Geschäftsstelle bewirkt (§36 Abs. 1 StPO; Bl. 2492 d.A.). Die Sitzungsniederschrift - „154 Seiten/92 Anlagen/20 beteiligte Protokollführer“ (Bl. 2481 d.A.) - war tags zuvor fertiggestellt worden (Bl. 2492 d.A,). Hierzu hat der Strafkammervorsitzende in Aktenvermerken im Einzelnen ausgeführt, dass ihm eine Durchsicht des Entwurfs über das Protokoll der Hauptverhandlung erstmals am „Sonntag, 4. Januar 2015, ca. 18:30h“ möglich gewesen ist (Bl. 2459 d.A.).

13

Eine frühere Bearbeitung des Entwurfs sei ihm wegen „zahlreicher weiterer dienstlicher Aufgaben mit hoher Priorität“ nicht möglich gewesen (a.a.O.). Hierzu zählten etwa fristgemäße Urteilsabsetzungen in diesem Verfahren sowie in drei weiteren umfangreichen - wegen vollstreckter Untersuchungshaft besonders zügig zu fördernden - Strafsachen, die Fertigstellung der Sitzungsniederschrift in einem weiteren umfangreichen Verfahren mit vollstreckter Untersuchungshaft sowie ein auch im Januar 2015 noch verhandeltes weiteres Verfahren. Überdies seien durch die Strafkammer als Beschwerdegericht in Verkehrsstrafsachen im letzten Quartal 2014 insgesamt 131 Beschwerden zu bearbeiten gewesen (a.a.O.). Ferner weist der Strafkammervorsitzende in diesem Vermerk darauf hin, dass sich die „Belastungssituation im Kammervorsitz“ zudem „durch die zwischenzeitliche Neubesetzung beider Beisitzerstellen“ erhöht habe (a.a.O.).

14

(3) Schließlich verfügte der Strafkammervorsitzende am 4. Januar 2015 „an 17 Protokollführer- und führerinnen“, die von ihm vorgenommenen Änderungen im Entwurf über die Sitzungsniederschrift anhand des „Umlaufzettels ... abzuarbeiten“ (a.a.O.). Dieses verzögerte sich - ersichtlich auch deshalb weil einzelne Urkundsbeamten krankgeschrieben waren (Bl. 2481 d.A.).

15

bb) Die vollständige Ausschöpfung der Urteilsabsetzungsfrist durch die Strafkammer erweist sich vor dem Hintergrund der vorstehenden verfassungsrechtlichen Maßgaben hier für sich besehen noch als unbedenklich.

16

(1) Ausdruck des verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebots bildet nach Ergehen eines strafrechtlichen Urteils auch die Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 StPO (vgl. HansOLG Hamburg, Beschl. v. 18. Oktober 1982 - 2 Ws 292/82, JR 1983, 259). Mit dieser Bestimmung, die für das erkennende Gericht gestaffelt nach der Dauer der Hauptverhandlung eine Frist zur Niederlegung der schriftlichen Urteilsgründe festlegt, hat der Gesetzgeber zunächst in abstrakter Form zum Ausdruck gebracht, welchen Zeitraum er für die Fertigstellung eines Urteils nach Ende der Hauptverhandlung noch als angemessen ansieht. Gleichwohl handelt es sich hierbei um eine Höchstfrist, die, vor allem in Haftsachen, das Gericht nicht von der Verpflichtung entbindet, die Urteilsgründe des bereits verkündeten Urteils unverzüglich, das heißt ohne vermeidbare justizseitige Verzögerungen, schriftlich niederzulegen (vgl. BGH, Urteil v. 12. Dezember 1992 - 4 StR 436/91, NStZ 1992, 398). Das Gebot der bestmöglichen Verfahrensförderung ergreift damit auch den Prozess der Urteilserstellung. Mit dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot in Haftsachen ist demnach eine Vorgehensweise nicht vereinbar, welche die Urteilserstellung von vornherein auf das zeitlich fixierte Ende der Frist des § 275 Abs. 1 StPO ausrichtet (vgl. BGH, a.a.O.).

17

(2) So lag es hier allerdings nicht. Eine vollständige Ausschöpfung der gesetzlichen Frist war nach der dienstlichen Stellungnahme des Strafkammervorsitzenden nicht von Anfang an beabsichtigt. Die Zeitspanne war vielmehr mit Blick auf den Umfang der Sache einerseits und die erhebliche Belastung der Strafkammer andererseits hier ersichtlich unumgänglich.

18

Die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe mit 233 Seiten in dieser besonders streitig geführten Strafsache war - auch mit Blick auf die Beratung zwischen drei Berufsrichtern - schon für sich besonders zeitaufwändig. Den Möglichkeiten zu einer sorgfältigen Abfassung und Beratung der schriftlichen Urteilsgründe waren hier allerdings durch die besonders hohe Belastung des Spruchkörpers zeitlich enge Grenzen gesetzt. Denn während laufender Urteilsabsetzungsfrist in dieser Sache waren weitere drängende Dienstgeschäfte durch die Strafkammer, namentlich ihren Vorsitzenden, zu erledigten. Schon die Pflicht, den weiteren drei anhängigen Haftsachen zügig Fortgang zu geben, stand der Förderungspflicht in dem Verfahren des Beschwerdeführers jedenfalls gleich.

19

Des Weiteren war die Strafkammer als Beschwerdegericht parallel mit mehr als 130 Beschwerdeverfahren in Verkehrsstrafsachen befasst, die - mit Blick auf die oftmals in Rede stehende (vorläufige) Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a StPO) und damit im Einzelfall verbundenen erheblichen Nachteile für die Beschuldigten - ebenfalls zügig zu bearbeiten sind. Diese schon an sich signifikante Belastung des Spruchkörpers erfuhr hier durch den Wechsel beider eingearbeiteter Beisitzer nach Urteilsverkündung besondere Ausprägung. Über den ohnehin notwendigen Zeitbedarf zur optimalen Zusammenarbeit der Richter eines Spruchkörpers hinaus wechselte hier ein Proberichter in die Strafkammer, für dessen Fortbildung und - um zukünftig eine effektive Mitarbeit zu gewährleisten - Heranführung an die Aufgaben einer Großen Strafkammer der Vorsitzende ebenfalls die Verantwortung zu tragen und die hierfür notwendige Zeit ebenfalls aufzuwenden hatte.

20

cc) Allerdings ist der Verfahrensfortgang nach Niederlegung der Urteilsgründe auf der Geschäftsstelle von justizseitigen Verfahrensverzögerungen gekennzeichnet. Zwar gilt dies nicht für den Zeitraum vom 15. Dezember 2014 bis zum 4. Januar 2015. Vor dem Hintergrund der Dauer vollstreckter Untersuchungshaft erweist sich hier aber die für eine Fertigstellung der Sitzungsniederschrift benötigte Zeitspanne vom 5. bis 26. Januar 2015 als unvertretbar.

21

(1) In dieser Zeit sollten - erkennbar - 17 der eingesetzten 20 Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die durch den Strafkammervorsitzenden im Entwurf der Sitzungsniederschrift vorgenommenen und in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Korrekturen prüfen und bei Richtigkeit genehmigen, sodass mit der Unterschrift des letzten Urkundsbeamten das Protokoll fertiggestellt und damit die notwendige rechtliche Voraussetzung für die Urteilszustellung geschaffen ist (vgl. § 273 Abs. 3 StPO). Dieses Vorgehen war - ausweislich der Stellungnahme der Präsidentin des Landgerichts - nicht etwa aufgrund unvorhersehbarer Umstände, sondern „aus organisatorischen Notwendigkeiten“ heraus erforderlich geworden. Hiernach verfügt das Landgericht über sechs „reine Protokollkräfte“, von denen drei „in Teilzeit tätig" sind und eine „dauerkrank" ist. Im Übrigen werde die Protokollführertätigkeit von den „Geschäftsstellenmitarbeitern“ übernommen, was allerdings bei „Krankheiten, Urlauben oder Präsenznotwendigkeiten in den Geschäftsstellenbereichen“ ausscheide. Bei einer 47-tägigen Hauptverhandlung liege es demnach auf der Hand, dass es zum Einsatz „mehrerer Protokollführer“ komme. Ferner sei die „Neubesetzung beider Beisitzerstellen“ langfristiger Personalplanung geschuldet; in einem Fall wegen einer anstehenden, bereits einmal aufgeschobenen Erprobung und im anderen Fall wegen eines abgelaufenen „Dienstleistungsauftrags“ und der deshalb anstehenden und bereits einmal aufgeschobenen Rückabordnung der in der Strafkammer eingesetzten Richterin an die Staatsanwaltschaft.

22

(2) Die eingetretene Verfahrensverzögerung beruht auf diesen gerichtsorganisatorischen Begebenheiten und ist verfassungsrechtlich hier nicht hinnehmbar. Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Dem Angeklagten darf nicht zugemutet werden, eine längere als die verfahrensangemessene Aufrechterhaltung des Haftbefehls nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil der Staat es versäumt, seiner Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte zu genügen (vgl. nur BVerfG [Kammer], Beschl. v. 30. Juli 2014 - 2 BvR 1457/14 sowie bereits BVerfG, Beschl. v. 12. Dezember 1973 - 2 BvR 558/73, BVerfGE 36, 264, 275). Denn ebenso wie sich aus dem Beschleunigungsgebot die Pflicht der Gerichtsleitung ableitet, durch Ergreifen geeigneter organisatorischer Maßnahmen die beschleunigte Bearbeitung von Haftsachen sicherzustellen (vgl. BVerfGE a.a.O., S. 272), folgt daraus zugleich, solche gerichtsorganisatorische Maßnahmen zu unterlassen, die einer beschleunigten Bearbeitung von Haftsachen zuwiderlaufen (BVerfG [Kammer], Beschl. vom 29. Dezember 2005 - 2 BvR 2057/05, NJW 2006, 677, 679).

23

(a) Die derzeit bestehende Organisation des Einsatzes von Urkundsbeamten der Geschäftsstellen in Hauptverhandlungen lässt es erkennbar nicht zu, dass sich die nach dem Gesetz mit der Erstellung der Sitzungsniederschrift betrauten Urkundspersonen - der Vorsitzende und der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle - in zureichender und verfahrensökonomischer Art und Weise aufeinander einstellen und abstimmen. Die besondere Bedeutung der Sitzungsniederschrift gerade im erstinstanzlichen landgerichtlichen Rechtszug macht dies - gerade zur Vermeidung nachträglich umfangreicher Nachbesserungen - unabdingbar.

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(b) Eine bessere Vorbereitung für die späterhin erforderliche Fertigstellung der Sitzungsniederschrift - etwa durch Erstellung von „Teilprotokollen“ - war hier dem Strafkammervorsitzenden ersichtlich verschlossen. Eine Erstellung von Teilprotokollen während laufender Hauptverhandlung - etwa abschnittsweise für jeden Hauptverhandlungstag - mag wünschenswert sein; dies ist aber weder rechtlich geboten, noch war es hier vor dem Hintergrund der signifikanten Belastung der Strafkammer möglich. Dessen ungeachtet bleibt festzuhalten, dass auch eine mehrwöchige Bearbeitungsdauer zur gebotenen Fertigstellung einer Sitzungsniederschrift für eine an nahezu 50 Hauptverhandlungstagen geführten Hauptverhandlung für sich noch nicht unvereinbar mit dem haftrechtlichen Zügigkeitsgebot sein muss. Dies gilt namentlich bei einem wegen einer besonders streitig geführten Hauptverhandlung sehr umfangreichen Protokollentwurf oder aber bei einer besonders hohen Belastung der Strafkammer durch andere anhängige und mit gleichrangiger Zügigkeit zu bearbeitender Verfahren. So lag es hier: Die Hauptverhandlung war einerseits erkennbar hochstreitig - auch mittels vorgetäuschter Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten - geführt worden. Andererseits bestand die - der Gerichtsleitung bekannte - hohe Belastung des Spruchkörpers durch drei weitere Haftsachen und eine Vielzahl ebenfalls zügig zu bearbeitender Beschwerdesachen.

25

(c) Ferner wurde diese Belastungssituation der Strafkammer weiter verschärft durch den nach Urteilsverkündung in der hiesigen Sache vorgenommenen Austausch der beisitzenden Richter. Durch die hiermit fehlende Kontinuität in der kollegialen richterlichen Zusammenarbeit - wie auch den Umstand des Eintritts eines Berufsanfängers in den Spruchkörper - war der Vorsitzende in besonderem Maße in organisatorische Fragen ebenso eingebunden wie in solche der Ausbildung des richterlichen Nachwuchses. Dass jedenfalls beide Beisitzer in dieser auch für die Gerichtsleitung erkennbar besonders schwierigen Situation zwingend die Strafkammer verlassen mussten, ist weder ersichtlich noch für das „Stationenmodell“ - die Praxis der einjährigen Abordnung von Proberichtern etwa von der Staatsanwaltschaft zum Gericht - Voraussetzung. Einer schematischen Anwendung von Personalverwendungsmodellen geht die Pflicht zur bestmöglichen Förderung von Strafverfahren, die in die Freiheitsrechte eines Angeklagten eingreifen, erkennbar vor.

26

(d) Mit Blick auf die Fehlzeiten der eingebundenen Urkundsbeamten in dem hier maßgeblichen Zeitraum hätte es hieran auch nichts geändert, wenn der Vorsitzende statt der Anordnung eines „Umlaufverfahrens“ den Versuch unternommen hätte, die Genehmigungen jeweils selbst einzuholen. Vor dem Hintergrund bestehender jedenfalls gleichrangiger Dienstpflichten betreffend weiterer anhängiger Haftsachen wäre solches auch aus arbeitsökonomischen Gründen nicht etwa naheliegend gewesen.

27

(e) Der in diesem Verfahrensabschnitt eintretenden Verfahrensverzögerung vermochte auch der überobligatorische Einsatz des Strafkammervorsitzenden - etwa die Bearbeitung des Protokollentwurfs an einem Sonntagabend - nicht hinreichend entgegen zu wirken. Hinzu kommt, dass über den Jahreswechsel angesichts der erheblichen Anzahl beteiligter Protokollführer eine Fertigstellung der Sitzungsniederschrift ohnehin nicht zu erwarten war. Zu einem überobligatorischen Einsatz waren die Mitglieder der Strafkammer - die in der Zeit zuvor deswegen etwa weitgehend auf ihre Jahresurlaube und Fortbildungen verzichtet hatten - auch angesichts der signifikanten Belastung des Spruchkörpers dienstrechtlich nicht verpflichtet (vgl. BVerfG, Beseht, v. 23. Mai 2012 - 2 BvR 610/12 und 625/12 Tz. 15 ff.). Dies entbindet den Staat freilich nicht davon, der wertsetzenden Bedeutung des Freiheitsgrundrechts durch hinreichende organisatorische Maßnahmen Genüge zu tun.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Strafprozeßordnung - StPO | § 112 Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Haftgründe


(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßr

Strafprozeßordnung - StPO | § 273 Beurkundung der Hauptverhandlung


(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesu

Strafprozeßordnung - StPO | § 275 Absetzungsfrist und Form des Urteils


(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hau

Strafprozeßordnung - StPO | § 111a Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis


(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (§ 69 des Strafgesetzbuches), so kann der Richter dem Beschuldigten durch Beschluß die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen. Von der vorläufigen Entziehung k

Strafprozeßordnung - StPO | § 36 Zustellung und Vollstreckung


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Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 30. Juli 2014 - 2 BvR 1457/14

bei uns veröffentlicht am 30.07.2014

Tenor Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 10. Juni 2014 - 2 Ws 537/14 H und 538/14 - und der Beschluss des Landgerichts München I vom 29. April

Referenzen

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 10. Juni 2014 - 2 Ws 537/14 H und 538/14 - und der Beschluss des Landgerichts München I vom 29. April 2014 - J KLs 451 Js 173287/13 jug - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 € (in Worten: Zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft die Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft durch eine Beschwerdeentscheidung des Landgerichts München I und eine Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts München.

I.

2

Der 18-jährige, nicht vorbestrafte Beschwerdeführer befindet sich seit dem 14. August 2013 aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts München vom selben Tage ununterbrochen in Untersuchungshaft. Nach dem Haftbefehl besteht gegen ihn der dringende Tatverdacht der Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung; als Haftgründe werden Flucht- und Wiederholungsgefahr angeführt. Am 11. Dezember 2013 machte der Beschwerdeführer, der den Tatvorwurf zunächst bestritten hatte, bei einer Vernehmung detaillierte Angaben, mit denen er das Tatgeschehen weitgehend einräumte.

3

Am 29. Januar 2014 erhob die Staatsanwaltschaft wegen im Wesentlichen unverändert gebliebener Tatvorwürfe gegen den Beschwerdeführer Anklage vor der Jugendkammer des Landgerichts München I. Am 25. Februar 2014 ordnete das Oberlandesgericht München im Rahmen des nach §§ 121, 122 StPO notwendigen Haftprüfungsverfahren erstmals die Haftfortdauer an. Mit Schriftsatz vom 25. März 2014 legte der Beschwerdeführer gegen den Haftbefehl Beschwerde ein.

4

Am 2. April 2014 eröffnete die Jugendkammer des Landgerichts München I das Hauptverfahren und ließ die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zu. Termine zur Durchführung der Hauptverhandlung wurden auf den 14., 15., 20., 22. und 24. Oktober 2014 bestimmt.

5

Mit angegriffenem Beschluss vom 29. April 2014, dem umfangreiche Statistiken über die Geschäftsentwicklung der großen Strafkammern beim Landgericht München in den Jahren 2006-2013 beigefügt waren, verwarf die Jugendkammer die eingelegte Haftbeschwerde als unbegründet. Durch die Eröffnung des Hauptverfahrens am 2. April 2014 könne eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes nicht mehr begründet werden. Angesichts der Vielzahl der von der Kammer im Kalenderjahr 2014 zu bewältigenden Verfahren - der Beschluss listet im Einzelnen auf, mit welchen Hauptverhandlungen die Kammer im Kalenderjahr 2014 bislang befasst war und in den nächsten Monaten befasst sein wird - sei eine frühere Terminierung als auf Oktober 2014 nicht möglich. Der Ablauf der in diesem Jahr bisher durchgeführten Hauptverhandlungen - wie der noch anstehenden bereits festgesetzten Termine - zeige, dass es der Jugendkammer aufgrund der besonderen Belastung nicht möglich sei, das Verfahren gegen den Beschwerdeführer früher durchzuführen. Die Jugendkammer habe, wie sich aus den dem Beschluss beigefügten Statistiken über den Geschäftsanfall seit dem Jahr 2006 ergebe, in der Vergangenheit regelmäßig innerhalb des Gerichts die meisten Sitzungstage abgehalten. Allein dem überobligatorischen Einsatz verschiedener Richter und Richterinnen der Kammer sei dabei die Bewältigung des bisherigen Pensums zu verdanken. In den Jahren 2006 bis 2013 sei die Kammer mit einem Vorsitzenden, einem Vollzeitrichter und zwei Halbtagsrichterinnen besetzt gewesen. Seit dem 1. Dezember 2013 verfüge die Kammer jedoch über zwei Vollzeitrichter als Beisitzer. In der Vielzahl von Verfahren, bei denen die Kammer nach § 76 GVG in Dreierbesetzung zu verhandeln habe, führe dies dazu, dass während des Sitzungsdienstes keinerlei Büroarbeit mehr erledigt werden könne.

6

Angesichts dieser Lage sei die Kammer in der Vergangenheit auf entsprechende Überlastungsanzeigen hin gelegentlich entlastet worden. Derzeit werde die Kammer vom 10. Februar 2014 bis zum 10. Mai 2014 von Haftsachen sowie erstinstanzlichen Verfahren, die keine Schwurgerichtsverfahren seien, entlastet. Dies habe bislang zur Entlastung mit gerade einem Verfahren geführt.

7

Bei dieser Konstellation und Belastung sei es der Jugendkammer nicht länger zuzumuten, jede Woche an mehreren Tagen eine Hauptverhandlung durchzuführen. Zusammengefasst sei aus Sicht der Kammer eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes aus den konkreten Umständen heraus nicht herleitbar, weshalb sich die Haftbeschwerde als unbegründet erweise.

8

Gegen diesen Beschluss der Jugendkammer legte der Beschwerdeführer unter dem 14. Mai 2014 weitere Beschwerde ein.

9

Mit Verfügung vom 4. Juni 2014 hob die Jugendkammer die zunächst für Oktober anberaumten Hauptverhandlungstermine auf und bestimmte neue Hauptverhandlungstermine auf den 9., 10., 19. und 22. September 2014.

10

Mit angegriffenem Beschluss vom 10. Juni 2014 ordnete das Oberlandesgericht München im Rahmen der zweiten Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO erneut die Fortdauer der Untersuchungshaft des Beschwerdeführers an; dadurch habe sich die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 29. April 2014 erledigt. Die Haftfortdauer stehe auch nach knapp 10-monatiger Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der dem Angeklagten drohenden Freiheitsstrafe. Insbesondere werde dem in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgebot gerade noch entsprochen. Die Jugendkammer habe die am 29. Januar 2014 erhobene Anklage mit Eröffnungsbeschluss vom 2. April 2014 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen. Eine Verzögerung sei damit jedenfalls bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens nicht eingetreten. Auch die Zeitspanne bis zum Beginn der Hauptverhandlung am9. September 2014 stelle noch keine der Justizverwaltung anzulastende Verletzung des Beschleunigungsgebotes dar, zumal der ursprüngliche Hauptverhandlungsbeginn inzwischen um fünf Wochen vorverlegt worden sei. Zwar sei die zuständige Jugendkammer merklich überlastet, was sich über einen längeren Zeitraum aufgebaut habe; hierzu habe die Änderung der gesetzlichen Regelung des § 76 GVG, die seit 1. Januar 2012 deutlich häufiger eine Hauptverhandlung in der Besetzung mit drei Berufsrichtern verlange, wesentlich beigetragen, ohne dass die Justizverwaltungen den Mehrbedarf sofort durch entsprechende zusätzliche Neueinstellungen von Richtern hätten kompensieren können. Vor diesem Hintergrund habe das Präsidium des Landgerichts München l im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden beschränkten Mittel im vorliegenden Fall mit mehrfachen periodischen Verfahrensumverteilungen auf andere Strafkammern noch ausreichend auf die sich zuspitzende Belastungssituation der Jugendkammer reagiert. Dass die letzte dreimonatige Entlastung der Jugendkammer um sämtliche neu eingehende Berufungsverfahren effektiv nur zur Entlastung um ein Verfahren geführt habe, sei nicht vorhersehbar gewesen. Darüber hinaus habe das Präsidium jedoch auch auf die vermehrte Notwendigkeit einer Hauptverhandlung in Dreierbesetzung reagiert und der Jugendkammer seit dem 1. Dezember 2013 statt einer Vollzeitkraft und zweier Teilzeitkräfte zwei Vollzeitrichter als Beisitzer zugewiesen, um die geforderte Verhandlungsdichte besser zu gewährleisten. Unter Berücksichtigung dessen und der Vorverlegung des Hauptverhandlungstermins auf den 9. September 2014 sei die - ohne Zweifel lange - Zeitspanne bis zum Beginn der Hauptverhandlung aufgrund der detailliert dargestellten Ausbuchung der Kammer mit Hauptverhandlungen, die durch weitere Entlastungsmaßnahmen nicht zu ändern sei, als eine noch nicht der Justiz zuzurechnende unvertretbare Verzögerung anzusehen, die eine Fortdauer der Untersuchungshaft des Beschwerdeführers verböte.

II.

11

Mit seiner am 27. Juni 2014 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 29. April 2014 und den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 10. Juni 2014 erhobenen Verfassungsbeschwerde, die er mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden hat, rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Freiheitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG.

12

Dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen sei in der Regel nur Rechnung getragen, wenn innerhalb von drei Monaten nach Eröffnung des Hauptverfahrens mit der Hauptverhandlung begonnen werde. Angesichts der jetzt terminierten Hauptverhandlung werde sich der Beschwerdeführer bei deren Beginn ein Jahr und drei Wochen ununterbrochen in Untersuchungshaft befunden haben. Zwischen der Eröffnungsreife, die der Beschwerdeführer für den 19. Februar 2014 annimmt, bis zur Hauptverhandlung liege ein Zeitraum von beinahe sieben Monaten. Selbst zwischen der Eröffnung des Hauptverfahrens am 2. April 2014 und dem Beginn der Hauptverhandlung betrage der Verfahrensstillstand mehr als fünf Monate. Dieser lasse sich auch durch die außerordentliche Belastung der Jugendkammer nicht rechtfertigen. Dies gelte umso mehr bei Anlegung objektiver Kriterien, zumal sich der Beschwerdeführer bereits im Ermittlungsverfahren weitgehend geständig eingelassen und auch sonst keine Einwendungen vorgebracht oder Beweiserhebungen beantragt habe.

III.

13

Das Bayerische Staatsministerium für Justiz hat von einer Stellungnahme abgesehen.

14

Der Generalbundesanwalt vertritt in seiner Stellungnahme die Auffassung, der Verfassungsbeschwerde könne der Erfolg nicht versagt werden. Es fehle an einer tragfähigen Begründung für die Fortdauer der Untersuchungshaft.

15

Dem Bundesverfassungsgericht haben die nach Anklageerhebung fortgeführten Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.

B.

16

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt.

17

Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.

I.

18

Der Beschluss des Landgerichts München I vom 29. April 2014 und der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 10. Juni 2014 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

19

Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist stets das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Grundsätzlich darf nur einem rechtskräftig Verurteilten die Freiheit entzogen werden. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358<370 f.>), nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. grundlegend BVerfGE 19, 342 <347> sowie BVerfGE 20, 45 <49f.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>; BVerfGK 15, 474 <479>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22.Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 32).

20

Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs regelmäßig gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung (vgl. BVerfGE 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>). Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 15, 474 <480>; 19, 428 <433>).

21

Die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte müssen daher alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. So ist im Falle der Entscheidungsreife über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung zu beschließen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2781/10 -, juris, Rn. 15) und anschließend im Regelfall innerhalb von weiteren drei Monaten mit der Hauptverhandlung zu beginnen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. November 2012 - 2 BvR 1164/12 -, juris, Rn. 43).

22

Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und zur Sicherstellung der Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft dann nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch Verfahrensverzögerungen verursacht ist, die ihre Ursache nicht in dem konkreten Strafverfahren haben und daher von dem Beschuldigten nicht zu vertreten, sondern vermeidbar und sachlich nicht gerechtfertigt sind (vgl. BVerfGK 15, 474 <480>; m.w.N.). Entsprechend dem Gewicht der zu ahndenden Straftat können zwar kleinere Verfahrensverzögerungen die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung vermögen aber bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft zu dienen (BVerfGK 7, 140 <156>).

23

Die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts kann insofern niemals Grund für die Anordnung der Haftfortdauer sein (vgl. BVerfGE 36, 264 <273 ff.>). Vielmehr kann die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts selbst dann die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht rechtfertigen, wenn sie auf einem Geschäftsanfall beruht, der sich trotz Ausschöpfung aller gerichtsorganisatorischen Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Fristen bewältigen lässt (BVerfGE 36, 264 <273 ff.>). Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Dem Beschuldigten darf nicht zugemutet werden, eine längere als die verfahrensangemessene Aufrechterhaltung des Haftbefehls nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil der Staat es versäumt, seiner Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte zu genügen (BVerfGE 36, 264 <275>).

24

Im Rahmen der von den Fachgerichten vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Betroffenen und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit ist die Angemessenheit der Haftfortdauer anhand objektiver Kriterien des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen; insofern sind in erster Linie die Komplexität der einzelnen Rechtssache, die Vielzahl der beteiligten Personen und das Verhalten der Verteidigung von Bedeutung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 37). Der Vollzug der Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Beginn der Hauptverhandlung oder dem Erlass des Urteils wird dabei auch unter Berücksichtigung der genannten Aspekte nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zu rechtfertigen sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, juris, Rn. 45 und der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juni 2008 - 2 BvR 806/08 -, juris, Rn. 36).

25

Da der Grundrechtsschutz auch durch die Verfahrensgestaltung zu bewirken ist (vgl. hierzu BVerfGE 53, 30 <65>; 63, 131 <143>), unterliegen Haftfortdauerentscheidungen insofern einer erhöhten Begründungstiefe (vgl. BVerfGE 103, 21 <35 f.>; BVerfGK 7, 140 <161>; 10, 294 <301>; 15, 474 <481>; 19, 428 <433>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 38). In der Regel sind in jedem Beschluss über die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft aktuelle Ausführungen zu dem weiteren Vorliegen ihrer Voraussetzungen, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten, weil sich die dafür maßgeblichen Umstände angesichts des Zeitablaufs in ihrer Gewichtigkeit verschieben können (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 10, 294 <301>; 15, 474 <481>; 19, 428 <433>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 38). Die zugehörigen Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. BVerfGK 7, 421 <429 f.>; 8, 1 <5>; 15, 474 <481 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22.Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. - , juris, Rn. 39).

II.

26

Diesen Maßstäben genügen die angegriffenen Beschlüsse nicht. Sie enthalten keine verfassungsrechtlich tragfähige Begründung für die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft.

27

1. Bereits die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts verkennt Inhalt und Tragweite der verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Rechtfertigung einer Fortdauer von Untersuchungshaft, indem sie ausschließlich auf die Auslastung der Kammer abstellt. Die Begründung einer Haftfortdauerentscheidung allein durch die Dokumentation des Geschäftsanfalls der großen Strafkammern bei dem Landgericht München I seit dem Jahr 2006 ist in jeder Hinsicht sachfremd. Die geschilderte Personalsituation am Landgericht München I steht in keinem Zusammenhang zu den Erwägungen, die für eine zu treffende Haftfortdauerentscheidung maßgeblich sein dürfen. Die als unzureichend empfundene personelle Ausstattung eines Gerichts vermag eine längere als die verfahrensangemessene Untersuchungshaft eines Beschuldigten in keinem Fall zu rechtfertigen. Kann dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot in Haftsachen nicht Rechnung getragen werden, weil der Staat seiner Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte nicht nachkommt, haben die mit der Haftprüfung betrauten Fachgerichte die verfassungsrechtlich gebotenen Konsequenzen zu ziehen, indem sie die Haftentscheidung aufheben; ansonsten verfehlen sie die ihnen obliegende Aufgabe, den Grundrechtsschutz der Betroffenen zu verwirklichen (vgl. BVerfGK 6, 384 <397>).

28

2. Auch der im Rahmen der zweiten Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO ergangene Beschluss des Oberlandesgerichts führt keine verfassungsrechtlich tragfähigen Gründe für die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft an.

29

Das Verfahren ist, unabhängig davon, ob wegen bereits davor eingetretener Eröffnungsreife sogar auf einen früheren Zeitpunkt als auf den 2. April 2014 - dem Datum des Eröffnungsbeschlusses - abzustellen wäre, nicht in der durch das Gewicht des Freiheitseingriffs gebotenen Zügigkeit mit einem Beginn der Hauptverhandlung binnen drei Monaten nach Eröffnung des Hauptverfahrens gefördert worden. Darüber hinaus wird sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des geplanten Beginns der Hauptverhandlung im September 2014 schon deutlich länger als ein Jahr in Untersuchungshaft befunden haben. Vor diesem Hintergrund ist eine Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft nur ausnahmsweise möglich; ihre Fortdauer hätte daher besonders sorgfältig begründet werden müssen.

30

Indes zeigt der Beschluss keine besonderen - objektiven - Umstände auf, welche die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft ausnahmsweise verfassungsrechtlich hinnehmbar erscheinen lassen könnten. Er wird damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung von Haftfortdauerentscheidungen nicht gerecht.

31

(a) Die Ausführungen des Oberlandesgerichts, die auf Änderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes abstellen, die zudem bereits im Jahre 2012 in Kraft getreten sind, lassen von vornherein keinen spezifischen Zusammenhang zu der zu treffenden Haftfortdauerentscheidung erkennen. Eine Änderung der allgemeinen Vorschriften über die Besetzung der großen Strafkammern in § 76 GVG stellt keine Besonderheit eines konkreten Strafverfahrens dar, erst recht keine, die dem Beschwerdeführer zuzurechnen wäre.

32

(b) Soweit das Oberlandesgericht ausführt, die Fortdauer der Untersuchungshaft sei trotz ihrer langen Dauer deswegen nicht zu beanstanden, weil das Präsidium des Landgerichts München I im Rahmen seiner Möglichkeiten auf die sich zuspitzende Belastungssituation der Jugendkammer reagiert habe, stellt dies ebenfalls keinen verfassungsrechtlich tragfähigen Grund für die Haftfortdauer dar. Allenfalls kurzfristige, unvermeidbare und unvorhersehbare Belastungssituationen eines Gerichts wären im Einzelfall geeignet, eine Verzögerung in der Verfahrensförderung zu rechtfertigen. Diese Voraussetzungen lassen sich dem Beschluss des Oberlandesgerichts jedoch nicht entnehmen. Seine Ausführungen sprechen vielmehr dafür, dass sich die Überlastungssituation schon über längere Zeit aufgebaut hat. Eine solche Überlastung des Gerichts fällt in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft; sie ist dem Beschwerdeführer in keinem Fall zuzurechnen.

33

(c) Auch auf die Schwere der Tat kann hier für die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht abgestellt werden. Es hätte einer eingehenden Begründung bedurft, inwieweit allein die Schwere des Tatvorwurfes im vorliegenden Fall eine deutlich längere Verfahrens- und damit auch Untersuchungshaftdauer erfordert, die das Oberlandesgericht indes vermissen lässt. Dies gilt umso mehr, als es sich ersichtlich um einen insgesamt einfach gelagerten Fall handelt. Infolge des weitgehenden Geständnisses des Beschwerdeführers ist der Sachverhalt, abgesehen von Randfragen und der Feststellung seiner Schuldfähigkeit durch ein in der Hauptverhandlung zu erstattendes Sachverständigengutachten, im Wesentlichen bereits geklärt. Es ist nicht erkennbar, dass umfangreiche Beweiserhebungen zu erwarten sind; entsprechende Anträge hat der Beschwerdeführer jedenfalls bislang nicht gestellt.

III.

34

Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG durch die angegriffenen Beschlüsse festzustellen.

35

Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 10. Juni 2014 ist unter Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Dieses wird unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen erneut über die Haftfortdauer zu entscheiden haben.

IV.

36

Mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

V.

37

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

VI.

38

Der nach § 37 Abs. 2 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren beträgt mindestens 5.000 € (in Worten: Fünftausend Euro) und, wenn - wie hier - die Verfassungsbeschwerde aufgrund einer Entscheidung der Kammer Erfolg hat, in der Regel 10.000 € (in Worten: Zehntausend Euro). Weder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit weisen Besonderheiten auf, die zu einer Abweichung Anlass geben.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.

(2) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.

(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen.

(4) (weggefallen)

(1) Die Zustellung von Entscheidungen ordnet der Vorsitzende an. Die Geschäftsstelle sorgt dafür, daß die Zustellung bewirkt wird.

(2) Entscheidungen, die der Vollstreckung bedürfen, sind der Staatsanwaltschaft zu übergeben, die das Erforderliche veranlaßt. Dies gilt nicht für Entscheidungen, welche die Ordnung in den Sitzungen betreffen.

(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.

(2) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.

(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen.

(4) (weggefallen)

(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (§ 69 des Strafgesetzbuches), so kann der Richter dem Beschuldigten durch Beschluß die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen. Von der vorläufigen Entziehung können bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausgenommen werden, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßnahme dadurch nicht gefährdet wird.

(2) Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist aufzuheben, wenn ihr Grund weggefallen ist oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht.

(3) Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wirkt zugleich als Anordnung oder Bestätigung der Beschlagnahme des von einer deutschen Behörde ausgestellten Führerscheins. Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

(4) Ist ein Führerschein beschlagnahmt, weil er nach § 69 Abs. 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches eingezogen werden kann, und bedarf es einer richterlichen Entscheidung über die Beschlagnahme, so tritt an deren Stelle die Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis.

(5) Ein Führerschein, der in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist, weil er nach § 69 Abs. 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches eingezogen werden kann, ist dem Beschuldigten zurückzugeben, wenn der Richter die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Fehlens der in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen ablehnt, wenn er sie aufhebt oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht. Wird jedoch im Urteil ein Fahrverbot nach § 44 des Strafgesetzbuches verhängt, so kann die Rückgabe des Führerscheins aufgeschoben werden, wenn der Beschuldigte nicht widerspricht.

(6) In anderen als in Absatz 3 Satz 2 genannten ausländischen Führerscheinen ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zu vermerken. Bis zur Eintragung dieses Vermerkes kann der Führerschein beschlagnahmt werden (§ 94 Abs. 3, § 98).

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 10. Juni 2014 - 2 Ws 537/14 H und 538/14 - und der Beschluss des Landgerichts München I vom 29. April 2014 - J KLs 451 Js 173287/13 jug - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 € (in Worten: Zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft die Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft durch eine Beschwerdeentscheidung des Landgerichts München I und eine Haftfortdauerentscheidung des Oberlandesgerichts München.

I.

2

Der 18-jährige, nicht vorbestrafte Beschwerdeführer befindet sich seit dem 14. August 2013 aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts München vom selben Tage ununterbrochen in Untersuchungshaft. Nach dem Haftbefehl besteht gegen ihn der dringende Tatverdacht der Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung; als Haftgründe werden Flucht- und Wiederholungsgefahr angeführt. Am 11. Dezember 2013 machte der Beschwerdeführer, der den Tatvorwurf zunächst bestritten hatte, bei einer Vernehmung detaillierte Angaben, mit denen er das Tatgeschehen weitgehend einräumte.

3

Am 29. Januar 2014 erhob die Staatsanwaltschaft wegen im Wesentlichen unverändert gebliebener Tatvorwürfe gegen den Beschwerdeführer Anklage vor der Jugendkammer des Landgerichts München I. Am 25. Februar 2014 ordnete das Oberlandesgericht München im Rahmen des nach §§ 121, 122 StPO notwendigen Haftprüfungsverfahren erstmals die Haftfortdauer an. Mit Schriftsatz vom 25. März 2014 legte der Beschwerdeführer gegen den Haftbefehl Beschwerde ein.

4

Am 2. April 2014 eröffnete die Jugendkammer des Landgerichts München I das Hauptverfahren und ließ die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zu. Termine zur Durchführung der Hauptverhandlung wurden auf den 14., 15., 20., 22. und 24. Oktober 2014 bestimmt.

5

Mit angegriffenem Beschluss vom 29. April 2014, dem umfangreiche Statistiken über die Geschäftsentwicklung der großen Strafkammern beim Landgericht München in den Jahren 2006-2013 beigefügt waren, verwarf die Jugendkammer die eingelegte Haftbeschwerde als unbegründet. Durch die Eröffnung des Hauptverfahrens am 2. April 2014 könne eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes nicht mehr begründet werden. Angesichts der Vielzahl der von der Kammer im Kalenderjahr 2014 zu bewältigenden Verfahren - der Beschluss listet im Einzelnen auf, mit welchen Hauptverhandlungen die Kammer im Kalenderjahr 2014 bislang befasst war und in den nächsten Monaten befasst sein wird - sei eine frühere Terminierung als auf Oktober 2014 nicht möglich. Der Ablauf der in diesem Jahr bisher durchgeführten Hauptverhandlungen - wie der noch anstehenden bereits festgesetzten Termine - zeige, dass es der Jugendkammer aufgrund der besonderen Belastung nicht möglich sei, das Verfahren gegen den Beschwerdeführer früher durchzuführen. Die Jugendkammer habe, wie sich aus den dem Beschluss beigefügten Statistiken über den Geschäftsanfall seit dem Jahr 2006 ergebe, in der Vergangenheit regelmäßig innerhalb des Gerichts die meisten Sitzungstage abgehalten. Allein dem überobligatorischen Einsatz verschiedener Richter und Richterinnen der Kammer sei dabei die Bewältigung des bisherigen Pensums zu verdanken. In den Jahren 2006 bis 2013 sei die Kammer mit einem Vorsitzenden, einem Vollzeitrichter und zwei Halbtagsrichterinnen besetzt gewesen. Seit dem 1. Dezember 2013 verfüge die Kammer jedoch über zwei Vollzeitrichter als Beisitzer. In der Vielzahl von Verfahren, bei denen die Kammer nach § 76 GVG in Dreierbesetzung zu verhandeln habe, führe dies dazu, dass während des Sitzungsdienstes keinerlei Büroarbeit mehr erledigt werden könne.

6

Angesichts dieser Lage sei die Kammer in der Vergangenheit auf entsprechende Überlastungsanzeigen hin gelegentlich entlastet worden. Derzeit werde die Kammer vom 10. Februar 2014 bis zum 10. Mai 2014 von Haftsachen sowie erstinstanzlichen Verfahren, die keine Schwurgerichtsverfahren seien, entlastet. Dies habe bislang zur Entlastung mit gerade einem Verfahren geführt.

7

Bei dieser Konstellation und Belastung sei es der Jugendkammer nicht länger zuzumuten, jede Woche an mehreren Tagen eine Hauptverhandlung durchzuführen. Zusammengefasst sei aus Sicht der Kammer eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes aus den konkreten Umständen heraus nicht herleitbar, weshalb sich die Haftbeschwerde als unbegründet erweise.

8

Gegen diesen Beschluss der Jugendkammer legte der Beschwerdeführer unter dem 14. Mai 2014 weitere Beschwerde ein.

9

Mit Verfügung vom 4. Juni 2014 hob die Jugendkammer die zunächst für Oktober anberaumten Hauptverhandlungstermine auf und bestimmte neue Hauptverhandlungstermine auf den 9., 10., 19. und 22. September 2014.

10

Mit angegriffenem Beschluss vom 10. Juni 2014 ordnete das Oberlandesgericht München im Rahmen der zweiten Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO erneut die Fortdauer der Untersuchungshaft des Beschwerdeführers an; dadurch habe sich die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 29. April 2014 erledigt. Die Haftfortdauer stehe auch nach knapp 10-monatiger Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der dem Angeklagten drohenden Freiheitsstrafe. Insbesondere werde dem in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgebot gerade noch entsprochen. Die Jugendkammer habe die am 29. Januar 2014 erhobene Anklage mit Eröffnungsbeschluss vom 2. April 2014 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen. Eine Verzögerung sei damit jedenfalls bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens nicht eingetreten. Auch die Zeitspanne bis zum Beginn der Hauptverhandlung am9. September 2014 stelle noch keine der Justizverwaltung anzulastende Verletzung des Beschleunigungsgebotes dar, zumal der ursprüngliche Hauptverhandlungsbeginn inzwischen um fünf Wochen vorverlegt worden sei. Zwar sei die zuständige Jugendkammer merklich überlastet, was sich über einen längeren Zeitraum aufgebaut habe; hierzu habe die Änderung der gesetzlichen Regelung des § 76 GVG, die seit 1. Januar 2012 deutlich häufiger eine Hauptverhandlung in der Besetzung mit drei Berufsrichtern verlange, wesentlich beigetragen, ohne dass die Justizverwaltungen den Mehrbedarf sofort durch entsprechende zusätzliche Neueinstellungen von Richtern hätten kompensieren können. Vor diesem Hintergrund habe das Präsidium des Landgerichts München l im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden beschränkten Mittel im vorliegenden Fall mit mehrfachen periodischen Verfahrensumverteilungen auf andere Strafkammern noch ausreichend auf die sich zuspitzende Belastungssituation der Jugendkammer reagiert. Dass die letzte dreimonatige Entlastung der Jugendkammer um sämtliche neu eingehende Berufungsverfahren effektiv nur zur Entlastung um ein Verfahren geführt habe, sei nicht vorhersehbar gewesen. Darüber hinaus habe das Präsidium jedoch auch auf die vermehrte Notwendigkeit einer Hauptverhandlung in Dreierbesetzung reagiert und der Jugendkammer seit dem 1. Dezember 2013 statt einer Vollzeitkraft und zweier Teilzeitkräfte zwei Vollzeitrichter als Beisitzer zugewiesen, um die geforderte Verhandlungsdichte besser zu gewährleisten. Unter Berücksichtigung dessen und der Vorverlegung des Hauptverhandlungstermins auf den 9. September 2014 sei die - ohne Zweifel lange - Zeitspanne bis zum Beginn der Hauptverhandlung aufgrund der detailliert dargestellten Ausbuchung der Kammer mit Hauptverhandlungen, die durch weitere Entlastungsmaßnahmen nicht zu ändern sei, als eine noch nicht der Justiz zuzurechnende unvertretbare Verzögerung anzusehen, die eine Fortdauer der Untersuchungshaft des Beschwerdeführers verböte.

II.

11

Mit seiner am 27. Juni 2014 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 29. April 2014 und den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 10. Juni 2014 erhobenen Verfassungsbeschwerde, die er mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden hat, rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Freiheitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG.

12

Dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen sei in der Regel nur Rechnung getragen, wenn innerhalb von drei Monaten nach Eröffnung des Hauptverfahrens mit der Hauptverhandlung begonnen werde. Angesichts der jetzt terminierten Hauptverhandlung werde sich der Beschwerdeführer bei deren Beginn ein Jahr und drei Wochen ununterbrochen in Untersuchungshaft befunden haben. Zwischen der Eröffnungsreife, die der Beschwerdeführer für den 19. Februar 2014 annimmt, bis zur Hauptverhandlung liege ein Zeitraum von beinahe sieben Monaten. Selbst zwischen der Eröffnung des Hauptverfahrens am 2. April 2014 und dem Beginn der Hauptverhandlung betrage der Verfahrensstillstand mehr als fünf Monate. Dieser lasse sich auch durch die außerordentliche Belastung der Jugendkammer nicht rechtfertigen. Dies gelte umso mehr bei Anlegung objektiver Kriterien, zumal sich der Beschwerdeführer bereits im Ermittlungsverfahren weitgehend geständig eingelassen und auch sonst keine Einwendungen vorgebracht oder Beweiserhebungen beantragt habe.

III.

13

Das Bayerische Staatsministerium für Justiz hat von einer Stellungnahme abgesehen.

14

Der Generalbundesanwalt vertritt in seiner Stellungnahme die Auffassung, der Verfassungsbeschwerde könne der Erfolg nicht versagt werden. Es fehle an einer tragfähigen Begründung für die Fortdauer der Untersuchungshaft.

15

Dem Bundesverfassungsgericht haben die nach Anklageerhebung fortgeführten Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.

B.

16

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt.

17

Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.

I.

18

Der Beschluss des Landgerichts München I vom 29. April 2014 und der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 10. Juni 2014 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

19

Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist stets das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Grundsätzlich darf nur einem rechtskräftig Verurteilten die Freiheit entzogen werden. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358<370 f.>), nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. grundlegend BVerfGE 19, 342 <347> sowie BVerfGE 20, 45 <49f.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>; BVerfGK 15, 474 <479>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22.Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 32).

20

Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs regelmäßig gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung (vgl. BVerfGE 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>). Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 15, 474 <480>; 19, 428 <433>).

21

Die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte müssen daher alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. So ist im Falle der Entscheidungsreife über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung zu beschließen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2781/10 -, juris, Rn. 15) und anschließend im Regelfall innerhalb von weiteren drei Monaten mit der Hauptverhandlung zu beginnen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. November 2012 - 2 BvR 1164/12 -, juris, Rn. 43).

22

Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und zur Sicherstellung der Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft dann nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch Verfahrensverzögerungen verursacht ist, die ihre Ursache nicht in dem konkreten Strafverfahren haben und daher von dem Beschuldigten nicht zu vertreten, sondern vermeidbar und sachlich nicht gerechtfertigt sind (vgl. BVerfGK 15, 474 <480>; m.w.N.). Entsprechend dem Gewicht der zu ahndenden Straftat können zwar kleinere Verfahrensverzögerungen die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung vermögen aber bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft zu dienen (BVerfGK 7, 140 <156>).

23

Die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts kann insofern niemals Grund für die Anordnung der Haftfortdauer sein (vgl. BVerfGE 36, 264 <273 ff.>). Vielmehr kann die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts selbst dann die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht rechtfertigen, wenn sie auf einem Geschäftsanfall beruht, der sich trotz Ausschöpfung aller gerichtsorganisatorischen Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Fristen bewältigen lässt (BVerfGE 36, 264 <273 ff.>). Die Überlastung eines Gerichts fällt - anders als unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse - in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Dem Beschuldigten darf nicht zugemutet werden, eine längere als die verfahrensangemessene Aufrechterhaltung des Haftbefehls nur deshalb in Kauf zu nehmen, weil der Staat es versäumt, seiner Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte zu genügen (BVerfGE 36, 264 <275>).

24

Im Rahmen der von den Fachgerichten vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Betroffenen und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit ist die Angemessenheit der Haftfortdauer anhand objektiver Kriterien des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen; insofern sind in erster Linie die Komplexität der einzelnen Rechtssache, die Vielzahl der beteiligten Personen und das Verhalten der Verteidigung von Bedeutung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 37). Der Vollzug der Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Beginn der Hauptverhandlung oder dem Erlass des Urteils wird dabei auch unter Berücksichtigung der genannten Aspekte nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zu rechtfertigen sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, juris, Rn. 45 und der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juni 2008 - 2 BvR 806/08 -, juris, Rn. 36).

25

Da der Grundrechtsschutz auch durch die Verfahrensgestaltung zu bewirken ist (vgl. hierzu BVerfGE 53, 30 <65>; 63, 131 <143>), unterliegen Haftfortdauerentscheidungen insofern einer erhöhten Begründungstiefe (vgl. BVerfGE 103, 21 <35 f.>; BVerfGK 7, 140 <161>; 10, 294 <301>; 15, 474 <481>; 19, 428 <433>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 38). In der Regel sind in jedem Beschluss über die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft aktuelle Ausführungen zu dem weiteren Vorliegen ihrer Voraussetzungen, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten, weil sich die dafür maßgeblichen Umstände angesichts des Zeitablaufs in ihrer Gewichtigkeit verschieben können (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 10, 294 <301>; 15, 474 <481>; 19, 428 <433>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 38). Die zugehörigen Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. BVerfGK 7, 421 <429 f.>; 8, 1 <5>; 15, 474 <481 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22.Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. - , juris, Rn. 39).

II.

26

Diesen Maßstäben genügen die angegriffenen Beschlüsse nicht. Sie enthalten keine verfassungsrechtlich tragfähige Begründung für die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft.

27

1. Bereits die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts verkennt Inhalt und Tragweite der verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Rechtfertigung einer Fortdauer von Untersuchungshaft, indem sie ausschließlich auf die Auslastung der Kammer abstellt. Die Begründung einer Haftfortdauerentscheidung allein durch die Dokumentation des Geschäftsanfalls der großen Strafkammern bei dem Landgericht München I seit dem Jahr 2006 ist in jeder Hinsicht sachfremd. Die geschilderte Personalsituation am Landgericht München I steht in keinem Zusammenhang zu den Erwägungen, die für eine zu treffende Haftfortdauerentscheidung maßgeblich sein dürfen. Die als unzureichend empfundene personelle Ausstattung eines Gerichts vermag eine längere als die verfahrensangemessene Untersuchungshaft eines Beschuldigten in keinem Fall zu rechtfertigen. Kann dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot in Haftsachen nicht Rechnung getragen werden, weil der Staat seiner Pflicht zur verfassungsgemäßen Ausstattung der Gerichte nicht nachkommt, haben die mit der Haftprüfung betrauten Fachgerichte die verfassungsrechtlich gebotenen Konsequenzen zu ziehen, indem sie die Haftentscheidung aufheben; ansonsten verfehlen sie die ihnen obliegende Aufgabe, den Grundrechtsschutz der Betroffenen zu verwirklichen (vgl. BVerfGK 6, 384 <397>).

28

2. Auch der im Rahmen der zweiten Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO ergangene Beschluss des Oberlandesgerichts führt keine verfassungsrechtlich tragfähigen Gründe für die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft an.

29

Das Verfahren ist, unabhängig davon, ob wegen bereits davor eingetretener Eröffnungsreife sogar auf einen früheren Zeitpunkt als auf den 2. April 2014 - dem Datum des Eröffnungsbeschlusses - abzustellen wäre, nicht in der durch das Gewicht des Freiheitseingriffs gebotenen Zügigkeit mit einem Beginn der Hauptverhandlung binnen drei Monaten nach Eröffnung des Hauptverfahrens gefördert worden. Darüber hinaus wird sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des geplanten Beginns der Hauptverhandlung im September 2014 schon deutlich länger als ein Jahr in Untersuchungshaft befunden haben. Vor diesem Hintergrund ist eine Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft nur ausnahmsweise möglich; ihre Fortdauer hätte daher besonders sorgfältig begründet werden müssen.

30

Indes zeigt der Beschluss keine besonderen - objektiven - Umstände auf, welche die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft ausnahmsweise verfassungsrechtlich hinnehmbar erscheinen lassen könnten. Er wird damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung von Haftfortdauerentscheidungen nicht gerecht.

31

(a) Die Ausführungen des Oberlandesgerichts, die auf Änderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes abstellen, die zudem bereits im Jahre 2012 in Kraft getreten sind, lassen von vornherein keinen spezifischen Zusammenhang zu der zu treffenden Haftfortdauerentscheidung erkennen. Eine Änderung der allgemeinen Vorschriften über die Besetzung der großen Strafkammern in § 76 GVG stellt keine Besonderheit eines konkreten Strafverfahrens dar, erst recht keine, die dem Beschwerdeführer zuzurechnen wäre.

32

(b) Soweit das Oberlandesgericht ausführt, die Fortdauer der Untersuchungshaft sei trotz ihrer langen Dauer deswegen nicht zu beanstanden, weil das Präsidium des Landgerichts München I im Rahmen seiner Möglichkeiten auf die sich zuspitzende Belastungssituation der Jugendkammer reagiert habe, stellt dies ebenfalls keinen verfassungsrechtlich tragfähigen Grund für die Haftfortdauer dar. Allenfalls kurzfristige, unvermeidbare und unvorhersehbare Belastungssituationen eines Gerichts wären im Einzelfall geeignet, eine Verzögerung in der Verfahrensförderung zu rechtfertigen. Diese Voraussetzungen lassen sich dem Beschluss des Oberlandesgerichts jedoch nicht entnehmen. Seine Ausführungen sprechen vielmehr dafür, dass sich die Überlastungssituation schon über längere Zeit aufgebaut hat. Eine solche Überlastung des Gerichts fällt in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft; sie ist dem Beschwerdeführer in keinem Fall zuzurechnen.

33

(c) Auch auf die Schwere der Tat kann hier für die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht abgestellt werden. Es hätte einer eingehenden Begründung bedurft, inwieweit allein die Schwere des Tatvorwurfes im vorliegenden Fall eine deutlich längere Verfahrens- und damit auch Untersuchungshaftdauer erfordert, die das Oberlandesgericht indes vermissen lässt. Dies gilt umso mehr, als es sich ersichtlich um einen insgesamt einfach gelagerten Fall handelt. Infolge des weitgehenden Geständnisses des Beschwerdeführers ist der Sachverhalt, abgesehen von Randfragen und der Feststellung seiner Schuldfähigkeit durch ein in der Hauptverhandlung zu erstattendes Sachverständigengutachten, im Wesentlichen bereits geklärt. Es ist nicht erkennbar, dass umfangreiche Beweiserhebungen zu erwarten sind; entsprechende Anträge hat der Beschwerdeführer jedenfalls bislang nicht gestellt.

III.

34

Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG durch die angegriffenen Beschlüsse festzustellen.

35

Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 10. Juni 2014 ist unter Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Dieses wird unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen erneut über die Haftfortdauer zu entscheiden haben.

IV.

36

Mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

V.

37

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

VI.

38

Der nach § 37 Abs. 2 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren beträgt mindestens 5.000 € (in Worten: Fünftausend Euro) und, wenn - wie hier - die Verfassungsbeschwerde aufgrund einer Entscheidung der Kammer Erfolg hat, in der Regel 10.000 € (in Worten: Zehntausend Euro). Weder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit weisen Besonderheiten auf, die zu einer Abweichung Anlass geben.