Oberlandesgericht Hamm Urteil, 11. Nov. 2016 - 20 U 119/16
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.06.2016 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bochum unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.214,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2013 zu zahlen.
Die Klage bleibt im Übrigen abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz fallen der Klägerin zu 60 % und der Beklagten zu 40 % zur Last, die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz der Klägerin zu 70 % und der Beklagten zu 30 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
G r ü n d e
2I.
3Die Klägerin macht aus ihrer bei der Beklagten genommenen privaten Krankenkostenvollversicherung Ansprüche auf Erstattung von Kosten für zuletzt neun fehlgeschlagene In-Vitro-Fertilisationen (IVF) kombiniert mit intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) geltend.
4Die im Mai 1976 geborene Klägerin lebte seit dem Jahr 2000 zunächst unverheiratet in einer Partnerschaft mit einem Mann, der eine andrologische Fertilitätsstörung aufweist und zwischen dem 30.04.2005 und dem 06.05.2013 nicht krankenversichert war. Der Kinderwunsch der beiden erfüllte sich nicht.
5Die Klägerin stellte mündlich einen Kostenübernahmeantrag bezüglich künstlicher Befruchtungen bei der Beklagten. Diese lehnte ab, da die Klägerin nicht mit ihrem Partner verheiratet war.
6Die Klägerin unterzog sich sodann dennoch ab September 2010 mehreren Behandlungszyklen einer kombinierten IVF/ICSI-Behandlung.
7Zu deren Beginn stellten die erstbehandelnden Ärzte am 21.09.2010 eine stark reduzierte ovarielle Reserve fest. Der AMH-Wert lag bei 0,31 ng/ml. Zudem wies die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt eine fehlende Durchgängigkeit des linken Eileiters und eine stark eingeschränkte Durchgängigkeit des rechten Eileiters auf, welche jedoch erst im Jahr 2014 erstmals festgestellt wurden.
8Nach dem vierten erfolglosen Behandlungszyklus forderte die Klägerin die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 11.10.2013 unter Fristsetzung bis zum 30.10.2013 zur Erstattung der angefallenen Kosten auf. Die Beklagte lehnte dies vor allem ab, da die vermutete beginnende Ovarialinsuffizienz eindeutig hinter der Erkrankung des Partners zurückstehe.
9Nach anschließender Klageerhebung im Dezember 2013 hat die Klägerin weitere fünf erfolglose Behandlungszyklen durchgeführt. Ihren Partner hat sie am 11.12.2015 geheiratet.
10Die Klägerin meint, sämtliche Behandlungszyklen seien angesichts ihrer Krankheit medizinisch notwendig gewesen.
11Bezüglich des weiteren erstinstanzlichen Vortrages, der Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das der Klage teilweise in Höhe von 8.305,88 EUR nebst Zinsen stattgebende Urteil des Landgerichts Bochum (GA 234-241) verwiesen.
12Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der zweite und der vierte Behandlungszyklus, nicht hingegen die übrigen Behandlungszyklen als medizinisch notwendig im Sinne der Versicherungsbedingungen anzusehen seien. Bezüglich des ersten Behandlungszyklus in 2011 sei eine medizinische Notwendigkeit bereits nicht gegeben, da sich Hinweise auf eine eingeschränkte ovarielle Reserve erst im Verlaufe des ersten Behandlungszyklus und auf einen Tubenverschluss erst im Jahre 2014 ergeben hätten. Es fehle also bei der notwendigen ex-ante-Betrachtung an einer weiblichen Indikationslage. Bezüglich der übrigen Behandlungszyklen fehle es einer hinreichenden Erfolgswahrscheinlichkeit von über 15 %.
13Gegen die teilweise Abweisung der Klage wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts sowie Rechtsfehler bei der Tatsachenfeststellung durch das Landgericht rügt und ihr erstinstanzliches Klagebegehren – unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – weiterverfolgt.
14Die Klägerin beantragt,
15das angefochtene Urteil abzuändern und
161. die Beklagte zu verurteilen, an sie über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 11.814,29 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2013 zu zahlen;
172. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten der vier weiteren (vom Antrag zu Nr. 1 nicht umfassten) Behandlungszyklen einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) mit einer intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) vor Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin zu übernehmen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil überwiegend, meint aber, dass auch für den vierten Behandlungszyklus, der Kosten in Höhe von 4.324,94 EUR verursachte, keine Wahrscheinlichkeit von über 15 % vorgelegen habe.
21Im Wege der Anschlussberufung beantragt die Beklagte,
22das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 3.980,94 EUR verurteilt worden ist.
23Die Klägerin beantragt,
24die Anschlussberufung zurückzuweisen.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen.
26Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Sachverständigen Dr. Dr. S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom 11.11.2016 sowie die Sitzungsniederschrift vom 11.11.2016 Bezug genommen.
27II.
28Die Berufung ist teilweise begründet. Die Anschlussberufung ist unbegründet.
291. Die Klägerin hat in ausgeurteilter Höhe gemäß § 1 S. 1, § 192 VVG in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag sowie mit § 1 Abs. 1, Abs. 2 MB/KK 1994 einen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen für die Heilbehandlungskosten des ersten, zweiten und vierten Behandlungszyklus. Im Übrigen steht ihr ein Anspruch nicht zu.
30In § 1 MB/KK 1994 ist auszugsweise geregelt:
31„1. Der Versicherer bietet Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannten Ereignisse. Er gewährt im Versicherungsfall:
32a) in der Krankenkostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlungen und sonst vereinbarte Leistungen,
33b) […]
342. Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. […]“
35a) Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der im Rahmen des ersten Behandlungszyklus angefallen Kosten in Höhe von 3.908,49 EUR.
36Dieser Behandlungszyklus war aufgrund der Erkrankung der Klägerin medizinisch notwendig (unter aa)). Es handelt es sich auch um eine Heilbehandlung der Klägerin als versicherte Person (unter bb)). Nicht entscheidend ist, dass die Klägerin und ihr Partner nicht verheiratet waren (unter cc)). Die Erforderlichkeit der angefallenen Kosten im Einzelnen ist nicht bestritten.
37aa) Der ersten Behandlungszyklus war als Heilbehandlung aufgrund der eingeschränkten ovariellen Reserve und des vollständigen bzw. teilweisen Tubenverschlusses, die eine Krankheit der Klägerin darstellen, medizinisch notwendig im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 MB/KK 1994.
38(1) Mit dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung wird – für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar – zur Bestimmung des Versicherungsfalles ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt. Insoweit hängt Die Beurteilung hängt nicht von der Auffassung des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab, sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung. Steht danach die Eignung einer Behandlung, eine Krankheit zu heilen oder zu lindern, nach medizinischen Erkenntnissen fest, folgt daraus grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des Versicherers.
39Medizinisch notwendig kann eine Behandlung aber auch dann sein, wenn ihr Erfolg nicht sicher vorhersehbar ist. Es genügt insoweit, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar erscheinen lassen, die Behandlung als notwendig anzusehen. Ob dies der Fall ist, kann nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmt werden. So kann es bei unheilbaren lebensbedrohlichen Erkrankungen vertretbar sein, auch Behandlungsversuche als notwendig anzusehen, die mit nicht nur ganz geringer Wahrscheinlichkeit ihr Ziel erreichen und denen notwendigerweise Versuchscharakter anhaftet. Liegt hingegen – wie hier – eine nicht lebensbedrohende oder -zerstörende Krankheit vor, erweist sich die in Aussicht genommene Heilbehandlung also als nicht vital lebensnotwendig und sind ihre Erfolgsaussichten in Abhängigkeit von bestimmten Voraussetzungen bereits umfangreich erforscht, so lässt erst ein höherer Grad der Erfolgswahrscheinlichkeit es als vertretbar erscheinen, die Maßnahme als bedingungsgemäß notwendig anzusehen (BGH, Urt. v. 21.09.2005, IV ZR 113/04, juris, Rn. 16 f. m. w. N., BGHZ 164, 122 = VersR 2005, 1673; vgl. Kalis, in: Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 5. Aufl. 2015, § 1 MB/KK Rn. 86 ff.; Voit, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 192 Rn. 49 ff.; siehe auch ÖOGH, Urt. v. 16.10.2015, 7 Ob 165/15 p, VersR 2016, 623, 623 f.).
40Von einer nicht mehr ausreichenden Erfolgsaussicht – und damit von einer nicht mehr gegebenen bedingungsgemäßen medizinischen Notwendigkeit der IVF/ICSI-Behandlung – ist dann auszugehen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Embryotransfer (Punktion) zur gewünschten Schwangerschaft führt, signifikant absinkt und eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 15 % nicht mehr erreicht wird (BGH, Urt. v. 21.09.2005, IV ZR 113/04, juris, Rn. 23 m. w. N., BGHZ 164, 122 = VersR 2005, 1673). Keine Berücksichtigung finden darf dabei, ob und wie viele Eizellen – bei einer ex-post-Betrachtung – tatsächlich noch befruchtet werden konnten und ob Embryos übertragen werden konnten (vgl. BGH, Urt. v. 21.09.2005, IV ZR 113/04, juris, Rn. 27, BGHZ 164, 122 = VersR 2005, 1673).
41(2) Unstreitig lagen bereits zu Beginn des ersten Behandlungszyklus eine eingeschränkte ovarielle Reserve und ein vollständiger bzw. teilweiser Tubenverschluss vor.
42Die IVF/ICSI-Behandlung stellt in diesem Fall unstreitig und vom Sachverständigen mehrfach bestätigt eine medizinisch anerkannte Methode zur Überwindung der Sterilität der Klägerin dar (vgl. auch BGH, Urt. v. 21.09.2005, IV ZR 113/04, juris, Rn. 19 m. w. N., BGHZ 164, 122 = VersR 2005, 1673).
43Auf diese Tatsachen ist auch abzustellen, obwohl hierüber zum Zeitpunkt des Beginns des ersten Behandlungszyklus noch keine Erkenntnisse bei den behandelnden Ärzten vorlagen.
44Denn aus Sicht der versicherten Person muss es darauf ankommen, ob nach den objektiv möglichen – gegebenenfalls tatsächlich nicht erhobenen – Befunden und Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Maßnahme tatsächlich eine medizinische Notwendigkeit gegeben war (vgl. ebenso auf „mögliche“ Befunde und Erkenntnisse abstellend Kalis, in: Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 5. Aufl. 2015, § 1 MB/KK Rn. 92).
45Ansonsten ginge eine fehlerhafte und / oder unvollständige Befunderhebung des Arztes zu Lasten des versicherten Patienten, obgleich tatsächlich eine medizinische Notwendigkeit vorlag und bei ordnungsgemäßer und / oder vollständiger Befunderhebung eine Eintrittspflicht gegeben wäre.
46Soweit in Abweichung hiervon im Einzelfall eine reine ex-ante-Betrachtung vorgenommen wird, dient diese dazu, dass vertretbare Fehleinschätzungen des behandelnden Arztes im Hinblick auf die medizinische Notwendigkeit und die Erfolgsaussichten sich nicht zu Lasten des Patienten / Versicherten auswirken dürfen (vgl. beispielsweise Senat, Urt. v. 15.03.1972, 20 U 175/71, VersR 1972, 777 und nachfolgend vor allem BGH, Urt. v. 29.11.1978, IV ZR 175/77, juris, Rn. 19-24, VersR 1979, 221). Das bedeutet aber nicht, dass stets eine ex-ante-Betrachtung vorzunehmen wäre.
47Dies bedeutet im Ergebnis, dass sowohl die am 21.09.2010 festgestellte eingeschränkte ovarielle Reserve als auch der am 30.06.2014 festgestellte vollständige bzw. teilweise Tubenverschluss, da beides unstreitig und nach dem Sachverständigengutachten vom 26.02.2015 (Seite 4, GA 123), vom 05.06.2015 (Seite 1, GA 155) sowie vom 26.11.2015 (Seite 2, GA 203) und den Ausführungen des Sachverständigen im Senatstermin bereits zu Beginn der ersten Behandlung bis heute vorlag, im Weiteren für alle neun Behandlungszyklen zugrunde zu legen sind.
48(3) Die Erfolgswahrscheinlich zum Zeitpunkt des ersten Behandlungszyklus lag bei über 15 %.
49(a) Auszugehen ist bei der Bemessung der Erfolgswahrscheinlichkeit von der durch das IVF-Register (veröffentlicht im Internet unter http://www.deutsches-ivf-register.de/jahrbuch-archiv.php) seit 1982 umfassend dokumentierten Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlungen in Abhängigkeit vom Lebensalter der Frau. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, inwieweit individuelle Faktoren ihre Einordnung in die ihrem Lebensalter entsprechende Altersgruppe rechtfertigen, ob also ihre persönlichen Erfolgsaussichten höher oder niedriger einzuschätzen sind, als die im IVF-Register für ihre Altersgruppe ermittelten Durchschnittswerte es ausweisen. Bedeutsam für diese Beurteilung kann unter anderem sein, ob eine IVF/ICSI-Behandlung bei denselben beteiligten Personen bereits früher einmal erfolgreich war, ob dafür viele oder nur wenige Behandlungszyklen benötigt wurden, ferner die Zahl und Qualität der beim zuletzt vorgenommenen Behandlungsversuch gefundenen Spermien, Eizellen und übertragenen Embryonen. Eine Vielzahl vergeblicher Behandlungsversuche in der Vergangenheit kann die individuelle Erfolgsaussicht verringern. Für die Prognose von Bedeutung ist weiter die Stimulationssituation beim letzten Behandlungszyklus (Stimulationsprotokoll und Gonadotropinart), schließlich auch die Frage, inwieweit der allgemeine Gesundheitszustand der beteiligten Frau vom Durchschnitt ihrer Altersgruppe abweicht (vgl. BGH, Urt. v. 21.09.2005, IV ZR 113/04, juris, Rn. 21 f. m. w. N., BGHZ 164, 122 = VersR 2005, 1673).
50(b) Die Klägerin war im September bis November 2010 während des ersten Behandlungszyklus knapp 34,5 Jahre alt. Die Erfolgswahrscheinlichkeit belief sich zu diesem Zeitpunkt nach der Spalte „Klin. SS / ET“ des IVF-Registers für 2010 auf 35,13 % (ICSI) bzw. 36,32 % (IVF) für 30-34 jährige Frauen und auf 26,68 % (ICSI) bzw. 28,03 % (IVF) für 35-39 jährige Frauen (vgl. IVF-Register für 2010 Seite 22).
51Danach ist im ersten Schritt die Erfolgswahrscheinlichkeit als hinreichend groß zu bemessen.
52(c) Daran ändern im zweiten Schritt nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, auch die konkreten Umstände des Einzelfalls der Klägerin im Ergebnis nichts.
53(aa) Denn auch wenn der Sachverständige im zweiten Gutachten vom 05.06.2015 (Seite 3, GA 157) ausgeführt hat, dass bei einer 35-39 jährigen Patientin ein AHM-Wert von > 1,3 ng/ml vorliegen sollte, lag der AHM-Wert unstreitig entsprechend den im Senatstermin erneut bestätigten Ausführungen des Sachverständigen am 21.09.2010 immer noch bei 0,31 ng/ml (siehe auch Laborwerte GA 125) und senkte sich erst später auf einen Wert von < 0,16 ng/ml am 19.11.2012 (A3 zum Gutachten vom 26.02.2015, GA 128) ab. Im Senatstermin hat der Sachverständige überzeugend erklärt, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit bei einem Wert von 0,31 ng/ml trotz dieses niedrigen Wertes im Hinblick auf die sonstigen Umstände im damaligen Alter der Klägerin noch weit über 15 % lag.
54(bb) Dafür, dass eine Erfolgswahrscheinlichkeit von über 15 % vorlag, spricht der ermittelte FSH-Wert, der ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen im zweiten Gutachten vom 05.06.2015 bei einer 35-39 jährigen Patientin < 15 mlU/Ml sein sollte und vorliegend bei den ersten fünf Behandlungszyklen im oberen Normbereich lag (Seite 3, GA 157). Für den 21.09.2010 lag dieser konkret bei 3,5 (siehe Laborwerte GA 121).
55(cc) Der Feststellung hinreichender Erfolgsaussicht steht auch nicht entgegen, dass der AFC-Wert damals nicht ermittelt worden ist. Dieser kann nach den Ausführungen des Sachverständigen im Senatstermin beim ersten Behandlungszyklus schon keine Berücksichtigung finden, weil zuvor noch keine Stimulation erfolgt war und deshalb die maximale Zahl stimulierbarer Eizellen im Ovar vor Behandlungsbeginn nicht feststehen konnte.
56(dd) Ebenso wenig steht dem die erst in 2014 diagnostizierte Endometriose entgegen.
57Zwar hat der Sachverständige im zweiten Gutachten vom 05.06.2015 (Seite 3, GA 157) und im Senatstermin darauf verwiesen, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit durch eine aktive Endometriose abgesenkt werde. Dies wird nach seinen Ausführungen vor dem Senat auch sicher schon zum Zeitpunkt des ersten Behandlungszyklus vorgelegen haben.
58Darauf kommt es aber nicht an. Denn zum eine wäre insoweit tatsächlich zu Gunsten der Klägerin eine ex-ante-Betrachtung vorzunehmen (siehe schon oben). Zum anderen hat der Sachverständige im Senatstermin ausgeführt, dass die Endometriose im vorliegenden Fall nichts an seiner Einschätzung einer weit über 15 % liegenden Erfolgswahrscheinlichkeit ändere.
59(ee) Ferner hat der Sachverständige im Senatstermin klargestellt, dass die bei der Klägerin vorliegende Adipositas ersten Grades ebenfalls bereits bei seiner Bemessung der Erfolgswahrscheinlichkeit berücksichtigt sei.
60(ff) Schließlich galt es beim ersten Behandlungszyklus noch keine Vorbehandlungen zu berücksichtigen.
61bb) Die damit feststehende objektiv notwendige IVF/ICSI-Behandlung war zudem bezüglich beider Komponenten eine Heilbehandlung der Klägerin als versicherte Person im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 MB/KK 1994. Der Einwand der Beklagten, die ICSI-Behandlung sei immer nur eine Behandlung des hier nicht versicherten Mannes, greift nicht durch.
62Wird eine In-vitro-Fertilisation, erforderlichenfalls in Kombination mit einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion, vorgenommen, um die organisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so ist die Maßnahme eine insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung, die darauf gerichtet ist, die Unfruchtbarkeit des Mannes zu lindern. Umgekehrt sind die Behandlungsmaßnahmen, wenn sie allein wegen der organisch bedingten Unfruchtbarkeit einer Frau erforderlich werden, als ihre Heilbehandlung anzusehen. In beiden Fällen wird die Linderung der Krankheit mittels der Ersetzung der gestörten Körperfunktion durch medizinische Maßnahmen erzielt.
63Treffen körperlich bedingte Fertilitätseinschränkungen von Mann und Frau zusammen, muss der Tatrichter zunächst mit sachverständiger Hilfe klären, ob einzelne Behandlungsschritte der künstlichen Befruchtung ausschließlich durch die Erkrankung des einen oder des anderen Partners geboten sind. Nur solche isolierbaren Behandlungsschritte stellen Heilbehandlungsmaßnahmen ausschließlich des betroffenen Partners dar. Daneben erweist sich die Behandlung, wenn sie notwendig ist, um zugleich die körperlich bedingte Unfruchtbarkeit beider Partner zu überwinden, als jeweils eigene Heilbehandlung (BGH, Urt. v. 13.09.2006, IV ZR 133/05, juris, Rn. 14-16 m. w. N., VersR 2006, 1673; vgl. auch BGH, Urt. v. 15.09.2010, IV ZR 187/07, juris, Rn. 18 f., VersR 2010, 1485; siehe für den Fall der organisch bedingten Unfruchtbarkeit des Mannes ausführlich BGH, Urt. v. 03.03.2004, IV ZR 25/03, juris, Rn. 13-21, BGHZ 158, 166 = VersR 2004, 588; BGH, Urt. v. 12.07.2006, IV ZR 173/05, juris, Rn. 13, VersR 2006, 1351; BGH, Urt. v. 21.09.2005, IV ZR 113/04, juris, Rn. 13, BGHZ 164, 122 = VersR 2005, 1673; vgl. auch Voit, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 192 Rn. 38 f.).
64Die IVF-Behandlung ist nach Vorstehendem auf die Erkrankung der Klägerin zurückzuführen und daher ihre Behandlung.
65Aber auch die ICSI-Behandlung diente der Behandlung der Klägerin. So führt der Sachverständige bereits im ersten Gutachten vom 26.02.2015 (Seite 5, GA 124) sowie mündlich bestätigt (2. Protokoll vom 23.10.2015 Seite 2 f., GA 175 f.) aus, dass die ICSI-Therapie als Fertilisationshilfe anzusehen ist, die bei geringer Eizellenausbeute gängiges Vorgehen sei, und im zweiten Gutachten vom 05.06.2015 (Seite 2, GA 156), dass die späteren Untersuchungen eine gemischte Verursacherindikation ergaben. Dies hat der Sachverständige im Senatstermin unter Berücksichtigung der Vorgaben des Senats zur maßgeblichen Betrachtungsweise bestätigt.
66Unerheblich ist es im Hinblick auf den erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten auch, ob Leistungsansprüche des Partners gegen dessen Versicherung bestehen (vgl. BGH, Urt. v. 03.03.2004, IV ZR 25/03, juris, Rn. 23, BGHZ 158, 166 = VersR 2004, 588; BGH, Urt. v. 13.09.2006, IV ZR 133/05, juris, Rn. 16, VersR 2006, 1673).
67cc) Auf das Vorliegen einer Ehe zwischen der Klägerin und ihrem Partner kommt es nicht an.
68Zwar wird teilweise vertreten, dass eine notwendige Heilbehandlung nur vorliege, wenn die Partner verheiratet seien, wie dies bei der gesetzlichen Krankversicherung gemäß § 27a Abs. 1 Nr. 3 SGB V der Fall ist(vgl. mit Nachweisen für beide Ansichten Voit, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 192 Rn. 49 ff.).
69Dem schließt sich der Senat für den vorliegenden Fall nicht an (so auch zutreffend LG Dortmund, Urt. v. 10.04.2008, 2 O 11/07, juris, Rn. 55 f., VersR 2008, 1484). Es fehlt an einem entsprechenden Ausschlusstatbestand in den AVB der Beklagten. Entscheidend ist deshalb allein die medizinische Notwendigkeit, die aber eben gerade nicht davon abhängt, dass die versicherte Person verheiratet ist, da „[a]uch die organisch bedingte Sterilität als solche – unabhängig von ihren konkreten körperlichen Krankheitsursachen – […] als regelwidriger Körperzustand einzuordnen“ ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.1986, IVa ZR 78/85, juris, Rn. 16, BGHZ 99, 228 = VersR 1987, 278).
70b) Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten des zweiten Behandlungszyklus in Höhe von 3.980,94 EUR ist durch das insoweit nicht angegriffene Urteil des Landgerichts rechtskräftig festgestellt.
71c) Einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des dritten Behandlungszyklus in Höhe von 6.929,59 EUR hat die Klägerin hingegen nicht.
72Es fehlt insoweit an einer hinreichend Erfolgswahrscheinlichkeit der IVF/ICSI-Behandlung von wenigstens 15 %.
73aa) Zwar war die Klägerin während des dritten Behandlungszyklus knapp 37 Jahre alt, so dass sich die Erfolgswahrscheinlichkeit zu diesem Zeitpunkt nach der Spalte „Klin. SS / ET %“ des IVF-Register für 2013 auf 30,01 % (ICSI, IVF-Register für 2013 Seite 23) bzw. 32,58 % (IVF, IVF-Register für 2013 Seite 22) belief.
74bb) Dennoch war die Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlung zu diesem Zeitpunkt entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen im Senatstermin, die seine vorherigen Ausführungen bestätigt haben, auf unter 15 % abgesunken.
75Denn allein der FSH-Wert lag weiterhin im Normbereich. Der AHM-Wert lag am 19.11.2012 bei < 0,16 ng/ml (A3 zum Gutachten vom 26.02.2015, GA 128), also unterhalb der Nachweisgrenze (Gutachten vom 04.05.2016 Seite 4, GA 158). Der AFC-Wert bei der für den dritten Behandlungszyklus maßgeblichen, zuletzt vorgenommenen zweiten Stimulation, die bei Beurteilung der vor Behandlungsbeginn objektiv möglichen Erkenntnisse entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen im Senatstermin entscheidend ist, lag beidseits insgesamt bei 1 und damit weit unter dem Richtwert. Dieser liegt laut dem zweiten Gutachten vom 05.06.2015 (Seite 3, GA 157) bzw. dritten Gutachten vom 26.11.2015 (Seite 1, GA 202) bei einer 35-39 jährigen Patientin bei > 8 beidseits.
76Entscheidend war aber letztlich, dass aufgrund des ersten erfolglosen Behandlungszyklus, bei dem trotz Stimulation keine einzige Eizelle gebildet wurde, und aufgrund des zweiten erfolglosen Behandlungszyklus, bei dem zwar eine Eizelle gebildet wurde, diese aber nicht befruchtet werden konnte, entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen im Senatstermin, die Erfolgswahrscheinlichkeit auf sogar unter 10 % gesunken sei.
77Dass dieser dritte Behandlungszyklus, der mit der Bildung von vier Eizellen, von denen zwei befruchtet werden konnten, endete, bei einer ex-post-Betrachtung ausgerechnet den erfolgsreichsten Versuch darstellt, ist unerheblich, da dies gerade bei Betrachtung der objektiv möglichen medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung nicht ersichtlich sein konnte.
78d) Die Klägerin hat weiter Anspruch auf Erstattung der im Rahmen des vierten Behandlungszyklus angefallen Kosten in Höhe von 4.324,94 EUR.
79Es lag eine hinreichend Erfolgswahrscheinlichkeit der IVF/ICSI-Behandlung von wenigstens 15 % vor. Im Übrigen gelten die Ausführungen zum ersten Behandlungsversuch entsprechend.
80Denn die Klägerin war während des vierten Behandlungszyklus 37 Jahre alt. Die Erfolgswahrscheinlichkeit belief sich zu diesem Zeitpunkt nach der Spalte „Klin. SS / ET %“ des IVF-Register für 2013 auf 30,01 % (ICSI, IVF-Register für 2013 Seite 23) bzw. 32,58 % (IVF, IVF-Register für 2013 Seite 22).
81Diese allgemeine Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlung war zu diesem Zeitpunkt zwar entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen im Senatstermin, die seine vorherigen Ausführungen bestätigt haben, ebenfalls deutlich abgesunken, aber aufgrund des relativ erfolgreichen dritten Versuchs nicht unter 15 %.
82Die Werte hatten sich nämlich gegenüber dem dritten Versuch teilweise maßgeblich verändert. Der FSH-Wert lag weiterhin im Normbereich, der AHM-Wert weiter bei < 0,16 ng/ml. Der AFC-Wert hingegen war bei der für den vierten Behandlungszyklus maßgeblichen, zuletzt vorgenommenen dritten Stimulation rechts bei 3 und links bei 1. Dieser Erfolg des dritten Behandlungszyklus, bei dem es zudem zur Befruchtung von zwei Eizellen kam, erlaubte es mithin, von einer Erfolgswahrscheinlichkeit von über 15 % beim vierten Behandlungszyklus auszugehen. Dem steht nach den Ausführungen des Sachverständigen auch nicht die Fragmentierung der beiden befruchteten Eizellen entgegen, da auch aus so genannten C-Embryonen eine Schwangerschaft resultieren könne und die Erfolgswahrscheinlichkeit dadurch nicht maßgeblich sinke.
83e) Einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des fünften Behandlungszyklus in Höhe von 976,21 EUR hat die Klägerin hingegen wiederum nicht.
84Es fehlt insoweit an einer hinreichend Erfolgswahrscheinlichkeit der IVF/ICSI-Behandlung von wenigstens 15 %.
85aa) Zwar war die Klägerin während des fünften Behandlungszyklus 38 Jahre alt, so dass sich die Erfolgswahrscheinlichkeit zu diesem Zeitpunkt nach der Spalte „Klin. SS / ET %“ des IVF-Register für 2014 auf 30,76 % (ICSI, IVF-Register für 2014 Seite 25) bzw. 32,58 % (IVF, IVF-Register für 2014 Seite 24) belief.
86bb) Dennoch war die Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlung zu diesem Zeitpunkt entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen im Senatstermin, die seine vorherigen Ausführungen bestätigt haben, auf unter 15 % abgesunken.
87Denn allein der FSH-Wert lag weiterhin im Normbereich. Der AHM-Wert lag mit < 0,16 ng/ml weiter unter der Nachweisgrenze und der AFC-Wert bei der für den fünften Behandlungszyklus maßgeblichen, zuletzt vorgenommenen vierten Stimulation beidseits bei insgesamt 2 und damit deutlich unter dem Richtwert (Gutachten vom 26.02.2015 Seite 3, GA 122). Hinzu kam, dass die Eizellen nicht befruchtet werden konnten und aufgrund der mittlerweise vier erfolglosen Versuche davon ausgegangen werden musste, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit mittlerweile auf deutlich unter 10 % abgesunken war.
88f) Aus diesem Grund kann die Klägerin auch nicht mit ihrem Feststellungsantrag bezüglich der weiteren vier Behandlungszyklen durchdringen. Der Sachverständige hat die ihm vor dem Senatstermin übersandten Unterlagen sämtlicher weiteren Behandlungszyklen umfassend gesichtet und wie der Senat bei eigener Prüfung keine Anhaltspunkte ermitteln können, die es erlaubt hätten, die Erfolgswahrscheinlichkeit wieder höher zu bemessen.
892. Der Zinsanspruch ergibt sich – soweit die geltend gemacht Hauptforderung nicht der Abweisung unterliegt – aus § 286 Abs. 1 S. 1, § 288 Abs. 1 BGB im Hinblick auf das Anwaltsschreiben der Klägerin vom 11.10.2013 mit Zahlungsaufforderung bis 30.10.2013 und besteht analog § 187 Abs. 1 BGB ab dem 31.10.2013.
90III.
91Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 S. 1, § 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
92IV.
93Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Rechtssache weist weder grundsätzliche Bedeutung auf noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 11. Nov. 2016 - 20 U 119/16
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Urteil einreichenOberlandesgericht Hamm Urteil, 11. Nov. 2016 - 20 U 119/16 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten.
(1) Bei der Krankheitskostenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen und für sonstige vereinbarte Leistungen einschließlich solcher bei Schwangerschaft und Entbindung sowie für ambulante Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach gesetzlich eingeführten Programmen zu erstatten.
(2) Der Versicherer ist zur Leistung nach Absatz 1 insoweit nicht verpflichtet, als die Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen.
(3) Als Inhalt der Krankheitskostenversicherung können zusätzliche Dienstleistungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Leistungen nach Absatz 1 stehen, vereinbart werden, insbesondere
- 1.
die Beratung über Leistungen nach Absatz 1 sowie über die Anbieter solcher Leistungen; - 2.
die Beratung über die Berechtigung von Entgeltansprüchen der Erbringer von Leistungen nach Absatz 1; - 3.
die Abwehr unberechtigter Entgeltansprüche der Erbringer von Leistungen nach Absatz 1; - 4.
die Unterstützung der versicherten Personen bei der Durchsetzung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Erbringung der Leistungen nach Absatz 1 und der sich hieraus ergebenden Folgen; - 5.
die unmittelbare Abrechnung der Leistungen nach Absatz 1 mit deren Erbringern.
(4) Bei der Krankenhaustagegeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung das vereinbarte Krankenhaustagegeld zu leisten.
(5) Bei der Krankentagegeldversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den als Folge von Krankheit oder Unfall durch Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfall durch das vereinbarte Krankentagegeld zu ersetzen. Er ist außerdem verpflichtet, den Verdienstausfall, der während der Schutzfristen nach § 3 Absatz 1 und 2 des Mutterschutzgesetzes sowie am Entbindungstag entsteht, durch das vereinbarte Krankentagegeld zu ersetzen, soweit der versicherten Person kein anderweitiger angemessener Ersatz für den während dieser Zeit verursachten Verdienstausfall zusteht.
(6) Bei der Pflegekrankenversicherung ist der Versicherer verpflichtet, im Fall der Pflegebedürftigkeit im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für die Pflege der versicherten Person zu erstatten (Pflegekostenversicherung) oder das vereinbarte Tagegeld zu leisten (Pflegetagegeldversicherung). Absatz 2 gilt für die Pflegekostenversicherung entsprechend. Die Regelungen des Elften Buches Sozialgesetzbuch über die private Pflegeversicherung bleiben unberührt.
(7) Bei der Krankheitskostenversicherung im Basistarif nach § 152 des Versicherungsaufsichtsgesetzes und im Notlagentarif nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes kann der Leistungserbringer seinen Anspruch auf Leistungserstattung auch gegen den Versicherer geltend machen, soweit der Versicherer aus dem Versicherungsverhältnis zur Leistung verpflichtet ist. Im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis haften Versicherer und Versicherungsnehmer gesamtschuldnerisch. Soweit im Notlagentarif nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes der Versicherer die aus dem Versicherungsverhältnis geschuldete Leistung an den Leistungserbringer oder den Versicherungsnehmer erbringt, wird er von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Leistungserbringer frei. Der Versicherer kann im Basistarif nach § 152 des Versicherungsaufsichtsgesetzes und im Notlagentarif nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes nicht mit einer ihm aus der Krankheitskostenversicherung oder der privaten Pflege-Pflichtversicherung zustehenden Prämienforderung gegen eine Forderung des Versicherungsnehmers aus diesen Versicherungen aufrechnen. § 35 ist nicht anwendbar.
(8) Der Versicherungsnehmer kann vor Beginn einer Heilbehandlung, deren Kosten voraussichtlich 2 000 Euro überschreiten werden, in Textform vom Versicherer Auskunft über den Umfang des Versicherungsschutzes für die beabsichtigte Heilbehandlung verlangen. Ist die Durchführung der Heilbehandlung dringlich, hat der Versicherer eine mit Gründen versehene Auskunft unverzüglich, spätestens nach zwei Wochen, zu erteilen, ansonsten nach vier Wochen; auf einen vom Versicherungsnehmer vorgelegten Kostenvoranschlag und andere Unterlagen ist dabei einzugehen. Die Frist beginnt mit Eingang des Auskunftsverlangens beim Versicherer. Ist die Auskunft innerhalb der Frist nicht erteilt, wird bis zum Beweis des Gegenteils durch den Versicherer vermutet, dass die beabsichtigte medizinische Heilbehandlung notwendig ist.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 83% und die Beklagte 17%.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte pri vate Krankenversicherer dem Kläger, der zusammen mit seiner Ehefrau mit Hilfe künstlicher Befruchtung bereits ein erstes Kind gezeugt hat, die Kosten für weitere Behandlungszyklen einer homologen In-vitro-Fertilisation (IVF) mit intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) zu ersetzen hat.Der Kläger ist bei der Beklagten zu einem Tarif pr ivat krankenversichert , der abgesehen von einer jährlichen Selbstbeteiligung des Versicherten für ambulante Behandlungen eine Kostenerstattung zu 100% vorsieht. Dem Krankenversicherungsvertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (AVB/KK) der Beklagten zugrunde, welche in den hie r maßgeblichen Bestimmungen § 1 (1) lit. a und § 1 (2) Satz 1 der Musterbedingungen 1994 des Verbandes der privaten Krankenversicherung für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherungen (MB/KK 94) entsprechen.
Der Kläger leidet an einer Kryptozoospermie und ei nem hochgradigen Oligo-Astheno-Teratozoospermie-Syndrom (OAT-Syndrom), das heißt einer verminderten Spermiendichte bei gleichzeitig verminderter Spermienbeweglichkeit und erhöhter Spermienfehlformenrate. Er kann deshalb auf natürlichem Wege keine Kinder zeugen. Im Januar 1997 gelang es im seinerzeit dritten Behandlungszyklus einer kombinierten IVF/ICSI-Behandlung, deren Kosten die Beklagte getragen hat, mit Spermien des Klägers bei seiner am 4. Oktober 1960 geborenen Ehefrau eine Schwangerschaft herbeizuführen, die mit der Geburt eines gesun-
den Sohnes endete. Bei der IVF/ICSI-Behandlung werden der Frau Eizellen entnommen, in welche extrakorporal Spermien des Mannes injiziert werden. Nach etwa zwei Zellteilungen wird der so erzeugte Embryo in die Gebärmutter eingesetzt.
Die Eheleute wünschen sich ein zweites Kind. Zu di esem Zweck unterzogen sie sich im Oktober/November 2000 und im Juni 2002 zwei weiteren Behandlungszyklen, welche nicht zu einer Schwangerschaft führten.
Der Kläger fordert von der Beklagten - unter Berüc ksichtigung der Selbstbeteiligung - die Erstattung der Kosten für diese erneuten Behandlungen in Höhe von noch 5.743 € (1. Zyklus) und 3.428,88 € (2. Zyklus); er begehrt darüber hinaus die Feststellung, dass die Beklagte auch die Kosten für weitere acht in Aussicht genommene IVF/ICSIBehandlungszyklen erstatten müsse.
Die Beklagte meint, sie müsse die Kosten für die k ünstliche Zeugung eines zweiten Kindes nicht tragen. Die Krankheit des Klägers sei bereits mit Geburt seines Sohnes gelindert; im Übrigen seien die Erfolgsaussichten weiterer Behandlungsversuche in Anbetracht des Alters der Ehefrau des Klägers gering.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Erstattung de r Kosten für den ersten Behandlungszyklus (Oktober/November 2000) verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Unter Zurückweisung der Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht auf die Berufung der Beklagten
der Klage insgesamt den Erfolg versagt. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg, soweit der Kläger die Erstattung der Kosten für die bereits durchgeführten IVF/ICSI-Behandlungen aus den Monaten Oktober/November 2000 und Juli 2002 begehrt.
I. Das Berufungsgericht hat sowohl den Leistungs- als auch den Feststellungsantrag zurückgewiesen, weil kein Versicherungsfall vorliege. Zwar sei die Fertilitätsstörung des Klägers eine grundsätzlich behandlungsbedürftige und behandlungsfähige Krankheit; insoweit dienten die hier in Rede stehenden ärztlichen Bemühungen dem Versuch der Linderung einer Krankheitsfolge, nämlich der Kinderlosigkeit. In ständiger Rechtsprechung gehe das Berufungsgericht aber davon aus, dass diese Linderung eingetreten sei, wenn eine gleichartige Behandlung des Versicherten bereits zur Geburt eines Kindes geführt habe. Bei schon erfülltem Kinderwunsch könne dem Selbstbestimmungsrecht von Ehegatten gegenüber den gleichfalls zu berücksichtigenden Interessen des Versicherers und der Versichertengemeinschaft angesichts der teuren, vital aber nicht notwendigen Behandlung nicht eine derartige Bedeutung zukommen , die es erlauben würde, es der alleinigen Entscheidungsgewalt des Versicherten zu überlassen, wann eine endgültige Linderung eingetreten sei. Dass Kinder erwünscht seien, führe zu keiner anderen Beur-
teilung. Auf die Erfolgsaussichten der Behandlung komme es nicht mehr an.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht Stand.
Versicherungsfall in der hier in Rede stehenden Kr ankenversicherung ist gemäß § 1 (2) Satz 1 MB/KK 94 die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Was den Versicherungsfall ausmacht, wird zum einen durch die Bezeichnung eines die Behandlung auslösenden Ereignisses oder Zustandes (Krankheit oder Unfallfolgen) ausgefüllt, zum anderen dadurch festgelegt, dass es sich bei der Behandlung um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handeln muss (BGHZ 158, 166, 170).
1. Krankheit im Sinne der Bedingungen ist ein obje ktiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand. Die Krankheit des Klägers ist seine auf körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen. Demgegenüber stellt die Kinderlosigkeit des Klägers und seiner Ehefrau keine Krankheit im Sinne der Bedingungen und auch keine die Erkrankung des Klägers derart kennzeichnende Krankheitsfolge dar, dass davon gesprochen werden könnte, mit dem Ende der Kinderlosigkeit sei auch eine endgültige Linderung der Krankheit eingetreten (vgl. dazu BGHZ 99, 228, 230; ferner Senatsurteile vom 3. März 2004 aaO und vom 12. November 1997 - IV ZR 58/97 - VersR 1998, 87 unter 2 a). Vielmehr besteht die Sterilität des Klägers auch nach der Geburt seines Sohnes fort. Deshalb kann der Wunsch nach einem weiteren Kind auch erneut den Bedarf aus-
lösen, die gestörten Körperfunktionen durch medizinische Maßnahmen zu ersetzen. Aus der Entscheidung BGHZ 99, 228, 233 ergibt sich nichts anderes. Zwar hat der Senat dort im Rahmen der Untersuchung, inwieweit die künstliche Befruchtung eine Linderung der Unfruchtbarkeit einer Frau herbeiführen könne, die Frage aufgeworfen, ob nach eingetretener Mutterschaft nach allgemeinem Sprachgebrauch noch davon gesprochen werden könne, die Frau sei unfruchtbar, oder ob nicht eine Heilung eingetreten sei. Er hat aber zugleich deutlich gemacht, dass die Sterilität als Krankheit auch nach Geburt eines ersten Kindes fortbestehe und sich deshalb die Frage der erneuten Anwendung der Technologie der homologen In-vitro-Fertilisation weiter stellen könne (aaO S. 230, 233).
2. Wird eine In-vitro-Fertilisation in Kombination mit einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion vorgenommen, um die organisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so ist die Maßnahme eine insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung , die darauf gerichtet ist, die Unfruchtbarkeit des Mannes zu lindern (BGHZ 158, 166 aaO). Dabei wird die Linderung mittels der Ersetzung der gestörten Körperfunktion durch medizinische Maßnahmen erzielt.
3. Die medizinische Notwendigkeit der Behandlung w ar hier nur für die beiden bereits durchgeführten Behandlungszyklen im Oktober/November 2000 und Juli 2002 gegeben. Die Beklagte hat deren Kosten zu ersetzen.
Demgegenüber lässt sich eine bedingungsgemäße medi zinische Notwendigkeit für weitere in Aussicht genommene Behandlungszyklen nicht mehr begründen, weil diese angesichts des Alters der Ehefrau des
Klägers keine ausreichenden Erfolgsaussichten mehr bieten. Der Feststellungsantrag des Klägers erweist sich deshalb jedenfalls als unbegründet , so dass es auf dessen Zulässigkeit und damit die Frage, ob und inwieweit in der Krankenversicherung die Feststellung der Erstattungsfähigkeit künftiger Heilbehandlungskosten begehrt werden kann (vgl. dazu Senatsurteile vom 13. Mai 1992 - IV ZR 213/91 - VersR 1992, 950 unter I 2 und vom 23. September 1987 - IVa ZR 59/86 - VersR 1987, 1107 unter 2), hier nicht mehr ankommt.
a) Mit dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung wird - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar - zur Bestimmung des Versicherungsfalles ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt (BGHZ 133, 208, 212 f.; 154, 154, 166 f.; Senatsurteil vom 14. Dezember 1977 - IV ZR 12/76 - VersR 1978, 271 unter II 1). Insoweit hängt die Beurteilung nicht allein von der Auffassung des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab (BGHZ 133 aaO m.w.N.), sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung.
Steht danach die Eignung einer Behandlung, eine Kr ankheit zu heilen oder zu lindern, nach medizinischen Erkenntnissen fest, folgt daraus grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des Versicherers (BGHZ 133 aaO). Medizinisch notwendig kann eine Behandlung aber auch dann sein, wenn ihr Erfolg nicht sicher vorhersehbar ist. Es genügt insoweit, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar erscheinen lassen, die Behandlung als notwendig anzusehen (BGHZ 133 aaO; 154, 154, 166 f.; Senatsurteile vom 29. No-
vember 1978 - IV ZR 175/77 - VersR 1979, 221 unter III; vom 29. Mai 1991 - IV ZR 151/90 - VersR 1991, 987 unter 2 a). Ob dies der Fall ist, kann nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmt werden (vgl. BGHZ 133, 208, 215). So kann es bei unheilbaren lebensbedrohlichen Erkrankungen vertretbar sein, auch Behandlungsversuche als notwendig anzusehen , die mit nicht nur ganz geringer Wahrscheinlichkeit ihr Ziel erreichen und denen notwendigerweise Versuchscharakter anhaftet (BGHZ 133 aaO). Liegt hingegen - wie hier - eine leichtere, insbesondere keine lebensbedrohende oder -zerstörende Krankheit vor, erweist sich die in Aussicht genommene Heilbehandlung also als nicht vital lebensnotwendig und sind ihre Erfolgsaussichten in Abhängigkeit von bestimmten Voraussetzungen bereits umfangreich erforscht, so lässt erst ein höherer Grad der Erfolgswahrscheinlichkeit es als vertretbar erscheinen, die Maßnahme als bedingungsgemäß notwendig anzusehen.
b) Der in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts g efasste Entschluss von Ehegatten, ein gemeinsames Kind zu haben, ist jeder rechtlichen Nachprüfung auf seine Notwendigkeit entzogen. Auch im Rahmen der Prüfung der bedingungsgemäßen Notwendigkeit einer Heilbehandlung - hier der künstlichen Befruchtung - ist es daher schon im Ansatz verfehlt, die Frage nach der "Notwendigkeit" der Erfüllung des Kinderwunsches zu stellen (BGHZ 99, 228, 234, vgl. auch OLG Düsseldorf VersR 2004, 1546 f.). Die Erwägung des Berufungsgerichts, dem vom Kläger geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch stehe entgegen, dass bereits sein erstes Kind mittels einer gleichartigen Behandlung gezeugt worden sei, lässt besorgen, dass das Berufungsgericht, das einen
Versicherungsfall verneint, insoweit Maßstab und Prüfungsgegenstand der Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit verkannt hat. Diese Prüfung hat von dem Kinderwunsch des Versicherten und seines Ehepartners ohne Einschränkungen auszugehen und auf dieser Grundlage danach zu fragen, ob die medizinische Behandlung notwendig ist.
c) Maßgeblich für die bedingungsgemäße Notwendigke it der IVF/ICSI-Behandlung ist zunächst, dass diese eine medizinisch anerkannte Methode zur Überwindung der Sterilität des Klägers darstellt (vgl. dazu auch BGHZ 99, 228, 234; BGHZ 158, 166, 174).
Das besagt aber noch nicht, dass die Maßnahme auch in jedem Einzelfall ausreichend Erfolg versprechend ist, um ihre bedingungsgemäße Notwendigkeit zu bejahen (vgl. dazu BGHZ 133, 208, 215; 99, 228, 235). Die Beurteilung der ausreichenden Erfolgsaussicht hat grundsätzlich der Tatrichter vorzunehmen, der sich dazu regelmäßig sachverständiger Hilfe bedienen muss, um die Einschätzung des behandelnden Arztes zu überprüfen (vgl. dazu BGHZ 133 aaO m.w.N.). Dafür gelten unter Berücksichtigung des IVF-Registers und der dazu vom gerichtlichen Sachverständigen gegebenen, insoweit unstreitigen Erläuterungen die folgenden Maßstäbe:
aa) Auszugehen ist von der durch dieses Register ( vgl. IVFRegister , Jahresbericht 2003, S. 12, veröffentlicht im Internet unter www.deutsches-ivf-register.de/jahresbericht.htm) seit 1982 umfassend dokumentierten Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlungen in Abhängigkeit vom Lebensalter der Frau. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, inwieweit individuelle Faktoren ihre Einordnung in die ihrem Lebensalter
entsprechende Altersgruppe rechtfertigen, ob also ihre persönlichen Erfolgsaussichten höher oder niedriger einzuschätzen sind, als die im IVFRegister für ihre Altersgruppe ermittelten Durchschnittswerte es ausweisen.
Bedeutsam für diese Beurteilung kann unter anderem sein, ob eine IVF/ICSI-Behandlung bei denselben beteiligten Personen bereits früher einmal erfolgreich war (vgl. zur Aussagekraft früherer erfolgreicher Behandlungen allgemein auch BGHZ 133, 208, 216), ob dafür viele oder nur wenige Behandlungszyklen benötigt wurden, ferner die Zahl und Qualität der beim zuletzt vorgenommenen Behandlungsversuch gefundenen Spermien, Eizellen und übertragenen Embryonen. Eine Vielzahl vergeblicher Behandlungsversuche in der Vergangenheit kann die individuelle Erfolgsaussicht verringern. Für die Prognose von Bedeutung ist weiter die Stimulationssituation beim letzten Behandlungszyklus (Stimulationsprotokoll und Gonadotropinart), schließlich auch die Frage, inwieweit der allgemeine Gesundheitszustand der beteiligten Frau vom Durchschnitt ihrer Altersgruppe abweicht.
bb) Von einer nicht mehr ausreichenden Erfolgsauss icht - und damit von einer nicht mehr gegebenen bedingungsgemäßen medizinischen Notwendigkeit der IVF/ICSI-Behandlung - ist dann auszugehen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Embryotransfer (Punktion) zur gewünschten Schwangerschaft führt, signifikant absinkt und eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 15% nicht mehr erreicht wird (vgl. dazu BGHZ 99, 228, 235, wo eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 15-20% als noch ausreichend erachtet worden ist). Das ist nach den von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen referierten Daten aus dem Deutschen IVF-Register im
Durchschnitt bei Frauen nach Vollendung des 40. Lebensjahrs der Fall, kann aber aufgrund der vorgenannten individuellen Faktoren im Einzelfall früher oder später eintreten.
d) Bei Anlegung dieser Maßstäbe ergibt sich, dass für den Kläger und seine am 4. Oktober 1960 geborenen Ehefrau bei Durchführung der Behandlungszyklen im Oktober/November 2000 und im Juni 2002 noch ausreichend große Erfolgsaussichten bestanden und es deshalb im Zeitpunkt dieser Behandlungen vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen.
Zwar hat sich die Ehefrau des Klägers diesen Behan dlungen erst im Alter von 40 und noch 41 Jahren unterzogen, für eine Erfolgsaussicht über 15% sprach aber in beiden Fällen ganz wesentlich die frühere, schon beim dritten Behandlungszyklus erfolgreiche IVF/ICSI-Behandlung , die zur Geburt des ersten Kindes geführt hatte.
aa) Hinsichtlich des im Alter von 40 Jahren durchg eführten Behandlungszyklus hat der gerichtlich bestellte Sachverständige nicht zuletzt auch mit Hinsicht darauf eine Erfolgswahrscheinlichkeit von "sicherlich gut über 15%" angenommen, was sich für ihn auch bei rückblickender Betrachtung insoweit bestätigt hat, als vier Eizellen entnommen und zwei Embryonen übertragen werden konnten.
bb) Soweit der Sachverständige - und ihm folgend d as Landgericht in erster Instanz - den zweiten Behandlungszyklus im Juni 2002 mit einer Erfolgsaussicht von lediglich noch 10% bewertet hat [(Gutachten S. 10 oben)], beruht dies allein darauf, dass sich erst bei Durchführung der
Behandlung herausgestellt hat, dass nur noch eine Eizelle befruchtet und nur noch ein Embryo übertragen werden konnte. Dieser Rückblick auf den konkreten Behandlungsverlauf kann aber die Frage der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung nicht beantworten, denn damit wäre dem Versicherungsnehmer das Kostenrisiko für Behandlungsmaßnahmen aufgebürdet, die sich erst im Nachhinein als erfolglos erweisen. Entscheidend für die Beantwortung der Frage nach der bedingungsgemäßen Notwendigkeit ist allein die Prognose vor Beginn der Behandlung.
Dazu hat der Sachverständige ausgeführt, bei 42-jä hrigen Patientinnen reduziere sich die durchschnittliche Erfolgswahrscheinlichkeit einer klinischen Schwangerschaft pro Embryotransfer auf ca. 13-14%. Die früher erfolgreiche IVF/ICSI-Behandlung zeige, dass keine weiteren Hindernisse für eine Schwangerschaft bei der Ehefrau des Klägers vorgelegen hätten. Angesichts dessen habe man erwarten dürfen, dass die individuellen Schwangerschaftschancen gegenüber den Durchschnittswerten des IVF-Registers etwas höher gelegen hätten. Die ovarielle Ansprechrate sei altersgemäß, die beim vorangegangenen Behandlungsversuch eingesetzte Hormondosierung sogar noch deutlich steigerbar gewesen. Diese Ausführungen zeigen, dass der Sachverständige, hätte er nicht den nachträglich bekannt gewordenen konkreten Behandlungsverlauf in seine Betrachtung einbezogen, für die Ehefrau des Klägers auch hinsichtlich des Behandlungszyklus vom Juni 2002 noch eine Erfolgswahrscheinlichkeit von jedenfalls 15% prognostiziert hätte.
e) Künftige Behandlungszyklen sind angesichts des fortgeschrittenen Alters der Ehefrau des Klägers nicht mehr ausreichend Erfolg ver-
sprechend, um die bedingungsgemäße Notwendigkeit der Behandlung zu begründen. Der Sachverständige hat - gestützt auf die Zahlen des Deutschen IVF-Registers - überzeugend dargelegt, dass ab einem Lebensalter der behandelten Frau von 45 Jahren die Erfolgsaussichten einer IVF/ICSI-Behandlung praktisch nicht mehr zu beziffern sind. Bei der Ehefrau des Klägers kommt entscheidend hinzu, dass auch schon bei dem letzten, im Alter von knapp 42 Jahren durchgeführten Behandlungszyklus nur noch die Übertragung eines Embryos möglich und damit - rückblickend betrachtet - schon damals eine unterdurchschnittliche Erfolgswahrscheinlichkeit gegeben war.
Schon aus diesem Grunde kann der Einwand des Kläge rs nicht durchdringen, die Beklagte könne sich nach Treu und Glauben nicht auf die eingetretene Zeitverzögerung bei der Fortsetzung der Behandlungszyklen berufen, weil sie diese Verzögerung durch ihre Weigerung, die Kosten zu tragen, selbst verursacht habe. Die mangelnden Erfolgsaussichten für künftige Behandlungen beruhen nach den Ausführungen des Sachverständigen hier nicht allein auf dem Zeitablauf seit der letzten Behandlung, sondern sind bereits durch deren Verlauf zusätzlich indiziert und hätten damit auch schon zeitnah nach dem zweiten Behandlungszyklus vorgelegen. Im Übrigen kann der Grundsatz von Treu und Glauben nicht dazu führen, dass der Krankenversicherer die Kosten aussichtsloser Behandlungen tragen muss.
4. Die Beklagte kann den Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für die beiden IVF/ICSI-Behandlungszyklen aus den Jahren 2000 und 2002 nicht mit Erfolg den Einwand aus Treu und Glauben entgegen-
halten, der Kläger verletze die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Versicherers und der Versichertengemeinschaft.
a) Allerdings hat der Senat in der Entscheidung BG HZ 99, 228, 235 ausgeführt, der Versicherungsnehmer müsse bei Inanspruchnahme dieser besonders kostenträchtigen und nicht vital lebensnotwendigen Behandlung in angemessener Weise Rücksicht auf den Versicherer und die Versichertengemeinschaft nehmen, da das private Versicherungsverhältnis in besonderem Maße den Grundsätzen von Treu und Glauben unterstehe. Der Versicherer müsse deshalb ganz unverhältnismäßige Kosten für eine In-vitro-Fertilisation nicht erstatten. Abgesehen von der Voraussetzung , dass diese Behandlung das einzige Mittel zur Herbeiführung einer Schwangerschaft sei und bei der beteiligten Frau eine deutliche Erfolgsaussicht bestehen müsse, seien einer Kostenerstattung für wiederholte Fertilisationsversuche Grenzen gesetzt. Der Versuch könne nicht auf Kosten der Versichertengemeinschaft beliebig oft wiederholt werden.
b) Daran ist im Grundsatz festzuhalten.
aa) Allerdings ist das Risiko des Versicherers nac h der Systematik der MB/KK 94 vorwiegend dadurch begrenzt, dass der Versicherungsfall als medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen (§ 1 (2) Satz 1 MB/KK 94) beschrieben wird. Dabei dient vor allem das Merkmal der Notwendigkeit der Heilbehandlung dazu, den Versicherer davor zu schützen, dass er die Kosten für überflüssige oder nicht aussichtsreiche Behandlungen tragen muss (vgl. dazu BGHZ 154, 154, 166 ff.). Die Notwendigkeit einer IVF/ICSI-Behandlung besteht nach den oben stehenden Ausführungen
nur dann, wenn unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der an der Behandlung beteiligten Partner eine ausreichende Erfolgsaussicht gegeben ist. Dabei trägt der geforderte Grad der Erfolgsaussicht bereits dem Umstand Rechnung, dass eine vital lebensnotwendige Behandlung nicht in Rede steht. Schon hierdurch ist die Erstattung der Kosten für beliebig oft wiederholte erfolglose Behandlungen regelmäßig ausgeschlossen. Denn eine ungewöhnliche Häufung erfolgloser Behandlungszyklen muss sich zwangsläufig negativ auf die individuelle Erfolgsprognose für weitere Behandlungen auswirken.
bb) Ist - wie hier - nach erfolgreicher früherer B ehandlung die Wiederholung von IVF/ICSI-Behandlungszyklen durch den Wunsch von Eheleuten nach einem weiteren Kind veranlasst, so kann dieser Kinderwunsch im Rahmen der von § 242 BGB geforderten Abwägung der gesamten Umstände des Einzelfalles nicht zu Lasten der versicherten Person ins Gewicht fallen, denn er ist einer Kontrolle und auch einer negativen Bewertung durch die Gerichte entzogen. Die mit fortschreitendem Lebensalter der beteiligten Frau sinkenden Erfolgsaussichten der Behandlung bieten auch insoweit regelmäßig ausreichenden Schutz davor, dass der Versicherer die Kosten für beliebig oft wiederholte Behandlungen zu tragen hat.
Der Bereich, in dem eine Leistungsfreiheit des Ver sicherers nach Treu und Glauben in Betracht zu ziehen ist, bleibt nach allem auf besondere Einzelfälle beschränkt.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte private Krankenversicherer der Klägerin die Kosten für zwei bereits durchgeführte Behandlungszyklen einer homologen In-vitro-Fertilisation (IVF), ferner für zwei weitere Behandlungszyklen, erforderlichenfalls kombiniert mit einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI), zu ersetzen hat.
- 2
- Die im Juli 1959 geborene Klägerin ist bei der Beklagten zu einem Tarif privat krankenversichert, der für ambulante Behandlungen eine Kostenerstattung zu 100% vorsieht. Dem Krankenversicherungsvertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskostenund Krankenhaustagegeldversicherung (AVB) der Beklagten zugrunde, welche in den hier maßgeblichen Bestimmungen § 1 (1) lit. a und § 1 (2) Satz 1 der Musterbedingungen 1994 des Verbandes der privaten Krankenversicherung für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherungen (MB/KK 94) entsprechen.
- 3
- Die Klägerin ist verheiratet. Bei beiden Ehepartnern ist die Fortpflanzungsfähigkeit infolge organischer Störungen eingeschränkt. Beim Ehemann der Klägerin wurde eine Asthenozoospermie (Verminderung der Spermienmotilität) diagnostiziert, bei der Klägerin eine schwere Ovulationsstörung und eine Oligomenorrhoe. Das Ehepaar hat bereits zwei Kinder gezeugt, wobei die Schwangerschaften jeweils mit Hilfe konservativer Hormonbehandlungen der Klägerin herbeigeführt werden konnten.
- 4
- Die Eheleute wünschen sich ein drittes Kind. In der Zeit von März bis Dezember 2003 unterzog sich die Klägerin deshalb insgesamt sechs Behandlungszyklen intrauteriner Insemination, ohne dass diese Maßnahmen zum Erfolg führten. Die Kosten dieser Behandlungen sind nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.
- 5
- In den Monaten März bis Mai 2004 wurden - im Ergebnis ebenfalls erfolglos - zwei IVF-Behandlungszyklen durchgeführt, bei denen der Klägerin jeweils operativ Eizellen entnommen und nach extrakorporaler Befruchtung wieder in die Gebärmutter eingepflanzt wurden. Eine ICSI-Behandlung , das heißt eine operative Entnahme von Spermien beim Ehemann mit anschließender Injektion in die Eizelle, wurde dabei vom be- handelnden Arzt aufgrund jeweils aktueller Untersuchungen des Spermas des Ehemannes nicht für erforderlich erachtet. Die Behandlungskosten hat der private Krankenversicherer des Ehemannes zum Teil erstattet. Die Klägerin fordert von der Beklagten danach noch einen Restbetrag für den ersten Behandlungszyklus von 3.882,54 € sowie 5.445,51 € für den zweiten Zyklus.
- 6
- Klägerin Die und ihr Ehemann möchten die IVF-Behandlungen fortsetzen. Insoweit begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagte ihr die Kosten für zwei weitere IVF-Behandlungszyklen mit - falls die behandelnden Ärzte dies für erforderlich erachten - begleitender ICSI-Behandlung erstatten müsse.
- 7
- Die Klägerin meint, für die Erstattungspflicht der Beklagten reiche es aus, dass die bei ihr festgestellte Fertilitätsstörung mitursächlich für die geschilderten Maßnahmen sei.
- 8
- Die Beklagte hält sich schon deshalb für leistungsfrei, weil die Klägerin und ihr Ehemann bereits Eltern zweier gemeinsamer Kinder seien. Weiter erfordere allein die Sterilität des Ehemannes die IVF- und insbesondere künftige ICSI-Behandlungen, während zur Behebung der Fertilitätsstörung der Klägerin eine Hormonbehandlung ausreiche. Im Übrigen hätten bei der Klägerin, die beim ersten IVF-Behandlungszyklus im März 2004 knapp 45 Jahre alt gewesen sei, bereits damals keine ausreichenden Erfolgsaussichten mehr bestanden, eine Schwangerschaft mittels einer IVF/ICSI-Behandlung herbeizuführen. Der Feststellungsantrag sei außerdem unzulässig.
- 9
- Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 10
- Die Revision hat Erfolg.
- 11
- I.DasBerufungsgericht hält die Beklagte für leistungsfrei, weil es in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertrete, dass bei krankheitsbedingter "Ehesterilität" als Versicherungsfall lediglich die medizinisch notwendige Behandlung zur Linderung der Krankheitsfolge "Kinderlosigkeit" in Betracht komme. Eine solche Linderung sei hier aber schon wegen der beiden ehelichen Kinder der Klägerin nicht mehr erforderlich, so dass sämtlichen in Rede stehenden Behandlungen kein Versicherungsfall zugrunde liege. Auf die medizinische Notwendigkeit und insbesondere die Erfolgsaussicht der Behandlungen komme es nicht mehr an.
- 12
- II. Das hält rechtlicher Überprüfung schon im Ansatz nicht stand.
- 13
- Versicherungsfall 1. einer auch hier in Rede stehenden Krankheitskostenversicherung gemäß § 1 (2) Satz 1 MB/KK 94 ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Das schließt es - wie der Senat bereits im Urteil vom 21. September 2005 (BGHZ 164, 122 ff.) dargelegt hat - aus, das Vorliegen eines Versicherungsfalls allein mit dem Hinweis darauf zu verneinen, dass die Klägerin und ihr Ehemann bereits Eltern zweier gemeinsamer Kinder sind (BGH aaO).
- 14
- 2. Wird eine In-vitro-Fertilisation, erforderlichenfalls in Kombination mit einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion, vorgenommen, um die organisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so ist die Maßnahme eine insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung, die darauf gerichtet ist, die Unfruchtbarkeit des Mannes zu lindern (BGHZ 158, 166, 171, vgl. dazu BGHZ 99, 228, 231 f.). Umgekehrt sind die Behandlungsmaßnahmen, wenn sie allein wegen der organisch bedingten Unfruchtbarkeit einer Frau erforderlich werden, als ihre Heilbehandlung anzusehen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. November 1997 - IV ZR 58/97 - VersR 1998, 87 unter 2). In beiden Fällen wird die Linderung der Krankheit mittels der Ersetzung der gestörten Körperfunktion durch medizinische Maßnahmen erzielt.
- 15
- a)Treffenkörperlich bedingte Fertilitätseinschränkungen von Mann und Frau zusammen, muss der Tatrichter zunächst mit sachverständiger Hilfe klären, ob einzelne Behandlungsschritte der künstlichen Befruchtung ausschließlich durch die Erkrankung des einen oder des anderen Partners geboten sind. Nur solche isolierbaren Behandlungsschritte stellen Heilbehandlungsmaßnahmen ausschließlich des betroffenen Partners dar.
- 16
- Danebenerweistsich die Behandlung, wenn sie notwendig ist, um zugleich die körperlich bedingte Unfruchtbarkeit beider Partner zu überwinden , als jeweils eigene Heilbehandlung. Sind beide Eheleute - wie hier - privat krankenversichert, erwirbt jeder von ihnen einen Kostener- stattungsanspruch gegen seinen Versicherer (vgl. auch - für einen privat krankenversicherten Ehemann und eine gesetzlich krankenversicherte Ehefrau - BGHZ 158, 166, 174).
- 17
- b) Das Berufungsgericht hat bisher nicht geprüft, ob - wie die Klägerin unter Berufung auf einen Sachverständigenbeweis vorgetragen hat - auch ihre körperliche Beeinträchtigung für sich genommen die künstliche Befruchtung mittels einer IVF-Behandlung erforderte oder ob - wie die Beklagte behauptet - diese Behandlung hier ausschließlich wegen der mangelnden Beweglichkeit der Spermien des Ehemannes geboten war, während zur Behebung der Infertilität der Klägerin eine Hormontherapie ausgereicht hätte. Das wird in der neuen Verhandlung mit sachverständiger Hilfe zu klären sein.
- 18
- 3. Weiter kommt es auf die medizinische Notwendigkeit im Übrigen und dabei insbesondere die Erfolgsaussichten der IVF/ICSI-Behandlungszyklen an (vgl. dazu BGHZ 164, 122, 128 ff; 133, 208, 215; 99, 228, 235). Dafür gelten die vom Senat in der Entscheidung BGHZ 164, 122 ff. näher dargelegten Maßstäbe.
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 19.10.2004 - 25 O 7489/04 -
OLG München, Entscheidung vom 12.04.2005 - 25 U 5298/04 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 21. September 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt die Erstattung von Kosten für reproduktionsmedizinische Behandlungen. Er hält bei der Beklagten eine private Krankenversicherung , welcher Allgemeine Versicherungsbedingungen zugrunde liegen, die hinsichtlich der Beschreibung des Versicherungsfalles mit den Musterbedingungen für die Krankheitskostenversicherung (MB/KK) übereinstimmen. § 1 (2) der Bedingungen bestimmt einleitend: "Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung ; er endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht. …"
- 2
- Der vom Kläger gewählte Tarif sieht die Erstattung für notwendige ambulante und stationäre Behandlungskosten zu 100% vor.
- 3
- am Der 18. August 1959 geborene Kläger ist verheiratet. Seine Ehefrau ist am 13. November 1970 geboren und anderweitig privat krankenversichert. Das Ehepaar wünscht sich ein Kind. Im Frühjahr 2004 wurde die Ehefrau des Klägers spontan, d.h. ohne medizinische Unterstützung , schwanger, erlitt jedoch nach kurzer Zeit eine Fehlgeburt.
- 4
- der In Folgezeit nahmen die Eheleute medizinische Hilfe in Anspruch , um eine erneute Schwangerschaft herbeizuführen. Von September 2004 bis März 2005 wurden zunächst sechs Inseminationsbehandlungen durchgeführt, sodann von April 2005 bis April 2006 insgesamt fünf Therapiezyklen jeweils bestehend aus einer In-vitro-Fertilisation (IVF) in Kombination mit einer intracytoplasmatischen Spermien-Injektion (ICSI). Im Dezember 2005 kam es zu einer erneuten Schwangerschaft, auch sie endete aber vorzeitig im Januar 2006.
- 5
- Die Beklagte hat eine Erstattung der Kosten für die vorgenannten Behandlungen ganz überwiegend abgelehnt und lediglich die Kosten erstattet , die für die Spermienaufbereitung vor den Inseminationsbehandlungen angefallen sind. Sie bestreitet eine behandlungsbedürftige Erkrankung des Klägers, welche allein durch die von ihm vorgelegten Ergebnisse mehrerer Spermienuntersuchungen nicht ausreichend belegt sei. Es sei auch nicht hinreichend geklärt, inwieweit Fertilitätsstörungen bei der Ehefrau des Klägers vorlägen.
- 6
- Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Das Rechtsmittel hat Erfolg.
- 8
- Das I. Berufungsgericht hat angenommen, fehlende Fortpflanzungsfähigkeit werde bei Ehepartnern nur dann als bedingungsgemäße Krankheit angesehen, wenn sie auf einer biologischen Beeinträchtigung von Körperfunktionen beruhe. Der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis dafür, dass solche Störungen bei ihm vorlägen, nicht erbracht. Vielmehr habe der gerichtlich bestellte Sachverständige in seinem Zusatzgutachten ausgeführt, den Unterlagen sei über organisch/körperlich bedingte Gesundheitseinschränkungen beim Kläger, die "eindeutig fertilitätsrelevant wären" nichts zu entnehmen. Der Sachverständige habe im Übrigen die Anfang 2004 eingetretene spontane Schwangerschaft der Ehefrau des Klägers als Beleg dafür angesehen, dass die Eheleute jedenfalls seinerzeit noch nicht steril gewesen seien. Es sei möglich, dass sich bei der Ehefrau des Klägers durch die nachfolgende Fehlgeburt fertilitätsrelevante Komplikationen ergeben hätten. Soweit beim Kläger einige Ejakulatsanalysen nicht im Normbereich gelegen hätten, lasse das http://127.0.0.1:50000/Xaver/text.xav?SID=&skin=&bk=heymanns_bgh_ed_bghz&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghz-158-166_enr18'%5D&tf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&hlf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&qmf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&tocf=heymanns_bgh_ed_bghz_tocFrame#xaverTitleAnchore [Link] http://127.0.0.1:50000/Xaver/text.xav?SID=&skin=&bk=heymanns_bgh_ed_bghz&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghz-158-166_enr18'%5D&tf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&hlf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&qmf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&tocf=heymanns_bgh_ed_bghz_tocFrame#xaverTitleAnchore [Link] http://127.0.0.1:50000/Xaver/text.xav?SID=&skin=&bk=heymanns_bgh_ed_bghz&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghz-158-170_enr18'%5D&tf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&hlf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&qmf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&tocf=heymanns_bgh_ed_bghz_tocFrame#xaverTitleAnchore - 5 - nicht auf eine organische Erkrankung schließen. Denn der Sachverständige habe eine hohe Varianz der maßgeblichen Parameter als bekanntes Phänomen bezeichnet, für das es zahlreiche mögliche Ursachen, etwa Stress, jahreszeitliche Einflüsse, Alkohol- oder Nikotinmissbrauch, Aspirineinnahme , geben könne. Ein Versicherungsfall setze zwar nicht die Kenntnis von den Krankheitsursachen voraus, hier fehle es aber schon am Nachweis einer Krankheit.
- 9
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dabei kann offen bleiben, ob das Protokollurteil des Berufungsgerichts den Anforderungen der §§ 540 Abs. 1, 313 und 315 Abs. 1 ZPO entspricht (vgl. dazu BGHZ 158, 37, 40 f.; BGH, Urteil vom 11. Juli 2007 - XII ZR 164/03 - NJW-RR 2007, 1567 Tz. 8 ff.). Es ist jedenfalls deshalb aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Begriff der Krankheit i.S. von § 1 (2) MB/KK und die Anforderungen an deren Nachweis grundlegend verkannt hat.
- 10
- Versicherungsfallin der hier in Rede stehenden Krankenversicherung ist gemäß § 1 (2) Satz 1 der Versicherungsbedingungen die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Was den Versicherungsfall ausmacht, wird zum einen durch die Bezeichnung eines die Behandlung auslösenden Ereignisses oder Zustandes (Krankheit oder Unfallfolgen) ausgefüllt, zum anderen dadurch festgelegt, dass es sich bei der Behandlung um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handeln muss (BGHZ 164, 122, 124 f.; 158, 166, 170).
- 11
- 1. Krankheit im Sinne der Bedingungen ist ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler, regelwidriger Körper- oder Geistes- zustand. Dazu zählt auch eine auf körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit , auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen (BGHZ aaO). Eine solche Krankheit liegt beim Kläger vor.
- 12
- a) Wie der gerichtlich bestellte Sachverständige in seinem Gutachten vom 14. Januar 2006 im Einzelnen dargelegt hat, waren - beginnend im März 2004 - wiederholt Sperma-Analysen erfolgt. Die für die Fertilität maßgebenden Parameter sind dabei die Spermatozoenzahl (gemessen in Millionen/ml; geforderter Minimalwert = 10 Millionen/ml), die lineare Progressivmotilität der Spermien (Beweglichkeit, ausgedrückt in Prozent der nach einer WHO-Klassifizierung zugrunde gelegten Geradeausbewegung von > 25 μm/sec; geforderte Mindestrate = 25%), schließlich die Morphologie, beschrieben durch den Anteil der normal geformten Spermatozoen (geforderter Minimalwert = 15%) einerseits und den Anteil von Spermatozoen mit einer ausgeprägten Störung des Erscheinungsbildes (Nadelkopfform der Samenfäden, sog. Pinhead-Anteil) andererseits.
- 13
- erste Die Analyse vom 12. März 2004 hatte bei ansonsten im Normbereich liegenden Werten eine auffällig geringe Anzahl normal geformter Spermatozoen (2%) ergeben, weshalb der Sachverständige dem Kläger insoweit eine Teratozoospermie attestiert hat. Die zweite Untersuchung vom 28. Juni 2004 hatte eine gesunkene Progressivmotilität von lediglich 15 % und eine weiterhin zu geringe Anzahl normal geformter Spermatozoen (8%) aufgezeigt. Sechs weitere, in der Folgezeit bis März 2005 genommene Proben hatten zwar starke Schwankungsbreiten der Parameter gezeigt, eine normale Morphologie der Spermatozoen war nur einmal im November 2004 erreicht worden, zugleich hatte diese Probe jedoch eine deutliche Reduktion von Konzentration und Beweglichkeit der Spermien aufgewiesen, so dass der Sachverständige insoweit von einer Oligoasthenozoospermie gesprochen hat. Die geforderte Beweglichkeit der Spermien war in vier Analysen deutlich unterschritten worden. Auch die Spermatozoenkonzentration hatte bei zwei Untersuchungen unterhalb der Norm von mindestens 10 Millionen/ml gelegen.
- 14
- Anseinerdiesbezü glichen Bewertung der vorgenannten Analysen hat der Sachverständige auch in seinem Zusatzgutachten vom 28. Mai 2006 festgehalten.
- 15
- b) Davon ausgehend hat das Landgericht zu Recht angenommen, beim Kläger habe eine Krankheit im Sinne der Bedingungen vorgelegen, weil die bei den vorgenannten Untersuchungen gewonnenen Messwerte einen pathologischen Befund ergeben. Sie beschreiben einen regelwidrigen körperlichen Zustand, der zur Folge hat, dass die Fähigkeit, eine Eizelle zu befruchten, stark eingeschränkt ist.
- 16
- Soweit c) das Berufungsgericht demgegenüber darauf abgestellt hat, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige ausweislich seines Zusatzgutachtens vom 28. Mai 2006 den Krankenunterlagen nichts "über fertilitätsrelevante organisch/körperliche Gesundheitseinschränkungen" habe entnehmen können, verkennt es den Zusammenhang, in den diese Aussage gestellt war. Der Sachverständige ist in beiden Gutachten erkennbar davon ausgegangen, dass die genannten Sperma-Analysen einen behandlungsbedürftigen pathologischen Zustand ergeben hatten; er hat deshalb die durchgeführten Behandlungsmaßnahmen als medizinisch notwendig erachtet und ergänzt, dass er sogar ein früheres, invasives therapeutisches Vorgehen ebenfalls für akzeptabel gehalten hätte. Lediglich im Anschluss daran hat sich der Sachverständige abschließend die Frage gestellt, ob es Hinweise auf Gesundheitsschäden des Klägers gibt, die ihrerseits die regelwidrigen Befunde der Sperma-Analysen erklären könnten. Nur insoweit hat der Sachverständige keine Ursachen, wie etwa Bluthochdruck, Diabetes oder Genussmittelmissbrauch, benennen können.
- 17
- d) Danach hat der Kläger seiner Beweislast für das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit genügt. Er hat eine von der Norm deutlich abweichende, die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigende Zusammensetzung seines Spermas bewiesen, mithin einen regelwidrigen körperlichen Zustand, der seine Zeugungsfähigkeit einschränkt. Er muss nicht darüber hinausgehend darlegen oder beweisen, auf welche Ursachen dieser Befund zurückzuführen ist und dass es sich bei diesen Ursachen ihrerseits um bedingungsgemäße Krankheiten handelt. Deshalb ist es auch im Ansatz verfehlt, dass das Berufungsgericht geprüft hat, ob die erstellten Spermiogramme angesichts ihrer hohen Varianz ausreichend sichere Schlüsse auf mögliche Ursachen wie Stress, Jahreszeit, Alkoholoder Nikotinabusus, Aspirineinnahme usw. zuließen.
- 18
- e) Unerheblich ist es weiter, dass hier nicht geklärt werden kann, ob auch bei der Ehefrau des Klägers eine Fertilitätsstörung vorliegt. Treffen körperlich bedingte Fertilitätseinschränkungen von Mann und Frau zusammen, muss zwar der Tatrichter zunächst mit sachverständiger Hilfe zu klären versuchen, ob einzelne Behandlungsschritte der künstlichen Befruchtung ausschließlich durch die Erkrankung des einen oder des anderen Partners geboten sind. Ist das - wie hier - nicht möglich, steht andererseits aber fest, dass bei einem der Ehepartner eine Fertilitätsstörung vorliegt, so ist die Behandlung, selbst wenn sie zugleich die körperlich bedingte Unfruchtbarkeit beider Partner überwinden soll, jedenfalls auch als eine eigene Heilbehandlung desjenigen Ehepartners anzuse- hen, bei dem die Fertilitätsstörung nachgewiesen ist. Sind beide Ehepartner privat krankenversichert, erwirbt insoweit jeder von ihnen für die Linderung seiner Fertilitätsstörung einen Kostenerstattungsanspruch gegen seinen Krankenversicherer (vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 13. September 2006 - IV ZR 133/05 - VersR 2006, 1673 Tz. 15 f.).
- 19
- 2. Die in Rede stehenden Behandlungen waren Heilbehandlungsmaßnahmen im Sinne der Versicherungsbedingungen. Wird eine In-vitroFertilisation in Kombination mit einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion vorgenommen, um die organisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so ist die Maßnahme eine insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung, die darauf gerichtet ist, die Unfruchtbarkeit des Mannes zu lindern. Dabei wird die Linderung mittels der Ersetzung der gestörten Körperfunktion durch medizinische Maßnahmen erzielt (BGHZ 158, 166, 170 f; 164, 122, 125 f.). Für die hier zunächst vorgenommenen sechs Inseminationsbehandlungen gilt nichts anderes. Auch hier ist für die Frage der Kostenerstattung nicht zwischen Behandlungsschritten zu unterscheiden, die ausschließlich am Körper des Mannes oder der Frau vorgenommen werden. Die Beklagte durfte deshalb die Kostenerstattung nicht auf die Spermaaufbereitung im Rahmen der Inseminationsbehandlungen beschränken.
- 20
- 3. Über die - auch vom Sachverständigen bejahte - medizinische Notwendigkeit der einzelnen Heilbehandlungsmaßnahmen und über die Höhe der zu erstattenden Beträge haben die Parteien in der Berufungsinstanz nicht mehr gestritten. Ergänzend verweist der Senat auf sein Urteil vom 21. September 2005 (BGHZ 164, 122, 126 ff.).
- 21
- III. Da hier lediglich noch im Streit war, ob der Kläger einen Versicherungsfall dargelegt und bewiesen hatte, und weitere Feststellungen insoweit nicht erforderlich sind, konnte der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache entscheiden.
Felsch Lehmann
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 21.09.2006 - 26 O 14248/05 -
OLG München, Entscheidung vom 26.06.2007 - 25 U 5263/06 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.835,93 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. März 2002 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte private Krankenversicherer dem Kläger die Kosten einer sogenannten homologen In-vitroFertilisation zu ersetzen hat. Dem Krankenversicherungsvertrag liegen die Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK 94) zugrunde.Der Kläger leidet an einer Oligo-Astheno-Teratozoospermie III. Grades, d. h. einer verminderten Spermiendichte bei gleichzeitig verminderter Spermienbeweglichkeit und erhöhter Spermienfehlformenrate. Er ist deshalb nur eingeschränkt zeugungsfähig.
Im Februar 2002 unterzogen er und seine Ehefrau, bei der keine Fertilitätsstörungen vorliegen, sich dem Versuch einer extrakorporalen Befruchtung im Wege der In-vitro-Fertilisation, die in Verbindung mit einer intracytoplasmatischen Spermien-Injektion durchgeführt wurde. Bei der In-vitro-Fertilisation werden der Frau Eizellen aus dem Eierstock entnommen und außerhalb des Mutterleibes mit dem Samen des Ehemannes befruchtet. Nach etwa zwei Zellteilungen wird der extrakorporal erzeugte Embryo in die Gebärmutter der Frau übertragen. Im Wege der intracytoplasmatischen Spermien-Injektion werden zuvor Spermien zum Zwecke der Befruchtung in eine Eizelle injiziert.
Die Beklagte hat lediglich die Kosten für die intracytoplasmatische Spermien-Injektion übernommen, die Erstattung weiterer 6.981,31 für die In-vitro-Fertilisation angefallen sind, aber verweigert. Sie ist der Auffassung, die In-vitro-Fertilisation sei keine Heilbehandlung des Klä-
gers, weil sie an seiner Ehefrau vorgenommen worden sei. Es sei darum Sache der gesetzlichen Krankenversicherung der Ehefrau, für diese Kosten aufzukommen. Die gesetzliche Krankenversicherung der Ehefrau des Klägers hat eine Kostenübernahme ebenfalls abgelehnt.
Die auf Erstattung der Kosten für die In-vitro-Fertilisation gerichtete Klage ist vom Landgericht als unzulässig, vom Berufungsgericht als unbegründet zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg; dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch im wesentlichen zu.
I. Das Berufungsgericht meint, die extrakorporale Befruchtung der nicht bei der Beklagten versicherten Ehefrau könne nicht als bedingungsgemäße Heilbehandlung des Klägers angesehen werden. Eine Heilbehandlung sei nur dann vom Versicherungsschutz gedeckt, wenn sie auf den Körper des Versicherungsnehmers einwirke. Auch wenn die Behandlung der Ehefrau eine notwendige Nebenleistung zur Heilbehandlung des zeugungsunfähigen Ehemannes darstelle, bei der die Krankheitsfolge Kinderlosigkeit behoben werden solle, könne nicht jede Maßnahme zur Behebung einer Krankheitsfolge als bedingungsgemäße Heilbehandlung angesehen werden. Die In-vitro-Fertilisation ziele nicht auf eine Heilung der Krankheit des Klägers, weil sie die Zeugungsfähigkeit nicht wieder herstellen könne. Vielmehr gehe es bei der Behandlung
der Ehefrau allein um eine teilweise Beseitigung einer Krankheitsfolge des Klägers, die sich außerhalb seiner eigenen körperlichen Befindlichkeit auswirke. Auch wenn eine Heilbehandlung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon dann vorliege, wenn lediglich die Linderung einer Krankheit bezweckt werde, müsse eine Einschränkung auf solche Behandlungen erfolgen, die auf den Körper der versicherten Person einwirkten. Anderenfalls werde der Krankenversicherer gezwungen, alle Umweltveränderungen zu finanzieren, durch die Krankheitsfolgen abgemildert würden. Eine Linderung sei im übrigen nur solange eine Heilbehandlung, wie sie medizinisch unmittelbar zugängliche Leidensfolgen einer Krankheit abmildere. So verstanden sei die Heilbehandlung des Klägers mit der Spermienentnahme (im Rahmen der intracytoplasmatischen Spermien-Injektion) abgeschlossen gewesen. Die künstliche Befruchtung der Ehefrau ziele gerade nicht mehr darauf ab, pathologische Folgen körperlicher oder seelischer Art unmittelbar beim Kläger abzumildern.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Keinen Bedenken begegnet allerdings, daß das Berufungsgericht eine - die Klage abweisende - Sachentscheidung getroffen hat, nachdem das Landgericht zuvor die Klage als unzulässig abgewiesen und dabei rechtsirrtümlich angenommen hatte, sie sei nicht gegen die Beklagte selbst, sondern lediglich gegen deren nicht parteifähige Bezirksdirektion gerichtet.
Weist das erstinstanzliche Gericht die Klage mit Prozeßurteil als unzulässig ab, so kann auf eine Berufung des Klägers das Berufungsgericht die Klage durch Sachurteil abweisen. Eine Schlechterstellung des Klägers ist damit schon deshalb nicht verbunden, weil das vorangegangene Prozeßurteil ihm gerade keine schutzfähige Rechtsposition irgendwelcher Art zuerkannt hat (BGHZ 104, 212, 214). Die eigene Sachentscheidung des Berufungsgerichts dient auch der Verfahrensökonomie (BGHZ aaO) Das war schon zu § 536 ZPO a.F. allgemein anerkannt (vgl. BGHZ 12, 308, 316; 23, 36, 50; 46, 281, 283 f.; 104, 212, 214; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl. Rdn. 6 zu § 536; MünchKommZPO/Rimmelspacher , § 536 Rdn. 21), obwohl §§ 538 Abs. 1 Nr. 2, 540 ZPO a.F. für den Fall des unrichtigen klagabweisenden Prozeßurteils im Regelfall die Zurückverweisung und nur ausnahmsweise eine Sachentscheidung durch das Rechtsmittelgericht vorsahen. Nach neuem Recht bildet die Sachentscheidung des Berufungsgerichts den Regelfall (§ 538 Abs. 1 ZPO n.F.). Eine Zurückverweisung an die Vorinstanz kommt auch in den Fällen des § 538 Abs. 2 Nr. 1-6 ZPO n.F. nur noch dann in Betracht, wenn eine Partei dies ausdrücklich beantragt. Mit der neuen Rechtslage, welche die bisherige Praxis der Rechtsmittelgerichte stützt, behalten die schon im Rahmen des § 536 ZPO a.F. angeführten Argumente auch für das jetzt in § 528 Satz 2 ZPO n.F. geregelte Verschlechterungsverbot erst recht ihre Gültigkeit (Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann , ZPO 62. Aufl. Rdn. 13 zu § 528; Zöller/Gummer, ZPO 24. Aufl. Rdn. 32 zu § 528; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO 25. Aufl. Rdn. 9 zu § 528).
2. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Kostenersatz für die In-vitro-Fertilisation verneint.
a) Versicherungsfall in der hier genommenen Krankenversicherung ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 94 die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Was den Versicherungsfall ausmacht, wird zum einen durch die Bezeichnung eines die Behandlung auslösenden Ereignisses oder Zustandes (Krankheit oder Unfallfolgen) ausgefüllt, zum anderen dadurch festgelegt , daß es sich bei der Behandlung um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handeln muß (BGHZ 133, 208, 211 zum wortgleichen § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 76; Senatsurteil vom 12. November 1997 - IV ZR 58/97 - VersR 1998, 87 unter 3 a). Krankheit im Sinne der Bedingungen ist dabei ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand (Senatsurteil vom 12. November 1997 - IV ZR 58/97 - VersR 1998, 87 unter 2 a; BGHZ 99, 228, 230). Beim Kläger liegt - zwischen den Parteien des Rechtsstreits unstreitig - eine Krankheit in diesem Sinn vor. Er leidet unter einer organisch bedingten erheblichen Einschränkung seiner Zeugungsfähigkeit.
Die In-vitro-Fertilisation stellt auch eine Heilbehandlung des Klägers im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 94 dar.
aa) Heilbehandlung ist jegliche ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung, Besserung oder auch Linderung der Krankheit abzielt. Dem ist eine ärztliche Tätigkeit gleich zu achten, die auf eine Verhinderung der Verschlimmerung einer Krankheit gerichtet ist. Dabei sind die Begriffe "ärztliche Leistung" und "medizinische Kranken-
pflege" in einem weiten Sinne zu verstehen (ständige Rechtsprechung des Senats, BGHZ 99, 228, 231; BGHZ 123, 83, 89; BGHZ 133, 208,
211).
bb) Daß eine homologe In-vitro-Fertilisation als Heilbehandlung in diesem Sinne anzusehen ist, wenn sie dazu eingesetzt wird, um die Fortpflanzungsunfähigkeit einer Frau zu überwinden, hat der Bundesgerichtshof bereits im Urteil vom 17. Dezember 1986 (BGHZ 99, 228, 231 ff.) anerkannt (so auch OLG Frankfurt am Main NJW 1990, 2325 = VersR 1990, 1264; Prölss in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 1 MB/KK 94 Rdn. 10; Schoenfeldt/Kalis in Bach/Moser, Private Krankenversicherung 3. Aufl. § 1 MB/KK Rdn. 35). Er hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, daß die Maßnahme auf die Linderung der Krankheit "Sterilität" zielt, auch wenn nicht bezweckt ist, deren Ursachen zu beseitigen oder Schmerzen und Beschwerden zu lindern. Entscheidend ist, daß von einer Linderung einer Krankheit schon dann gesprochen werden kann, wenn die ärztliche Tätigkeit auf die Abschwächung, eine partielle oder völlige Unterbindung oder Beseitigung von Krankheitsfolgen gerichtet ist oder eine Ersatzfunktion für ein ausgefallenes Organ bezweckt wird. Die In-vitro-Fertilisation ersetzt bei der Frau die gestörte Transportfunktion der Eileiter durch einen ärztlichen Eingriff, um dadurch das Nichtzustandekommen einer natürlichen Empfängnis zu überwinden und eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Da die naturgegebene Funktion des erkrankten Organs sich in der Hauptsache darauf beschränkt, eine Schwangerschaft zu ermöglichen , kann es für die Frage der Heilbehandlung nicht darauf ankommen, daß mit der In-vitro-Fertilisation die Durchgängigkeit des Eileiters selbst nicht wiederhergestellt wird (BGHZ 99, 228, 232 f.).
cc) Wird die In-vitro-Fertilisation eingesetzt, um - wie hier - die or- ganisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so kann für die Frage, inwieweit eine Linderung der Unfruchtbarkeit angestrebt wird und damit eine bedingungsgemäße Heilbehandlung vorliegt, im Ergebnis nichts anderes gelten. Auch insoweit dienen die ärztlichen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit dem Zweck, die durch Krankheit behinderte Körperfunktion zu ersetzen.
(1) Das Berufungsgericht verkennt, daß es auch insoweit keine Rolle spielen kann, daß die Maßnahme sich nicht dazu eignet, die Ursachen der Unfruchtbarkeit zu beheben. Denn dem Begriff der Linderung einer Krankheit wohnt gerade nicht inne, daß damit auch eine Behebung ihrer Ursachen verbunden ist.
(2) Es verkennt weiter, daß eine Linderung hier erst mit der Gesamtheit der Maßnahmen erreicht werden kann. Muß die biologische Funktion der Fortpflanzungsorgane und Spermien des Mannes, eine Schwangerschaft herbeizuführen, wegen Fertilitätsstörungen durch ärztliche Maßnahmen ersetzt werden, so haben diese nur dann Aussicht auf Erfolg und können insoweit eine Linderung bewirken, wenn eine befruchtete Eizelle in die Gebärmutter übertragen wird, um sich dort einzunisten. Die Behandlung zielt mithin darauf ab, einen Zustand zu erreichen , der ohne die Fertilitätsstörung mit Hilfe der natürlichen Körperfunktionen hätte herbeigeführt werden können. Erst dann läßt sich davon sprechen, daß die gestörte Körperfunktion durch den ärztlichen Eingriff ersetzt wird, so daß auch erst in diesem Zeitpunkt die der Linderung dienende Heilbehandlungsmaßnahme beendet ist.
Die In-vitro-Fertilisation bildet hier zusammen mit der intracytoplasmatischen Spermien-Injektion eine auf das Krankheitsbild des Klägers abgestimmte Gesamtbehandlung. Ohne die zur In-vitroFertilisation zählende Eizellenentnahme kann die Injektion der Spermien nicht durchgeführt werden. Erst die kombinierten Behandlungsmaßnahmen dienen insgesamt der Linderung der Unfruchtbarkeit des Mannes. Die damit einhergehende Mitbehandlung der Frau ist dabei notwendiger Bestandteil der gesamten Behandlung. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß diese Behandlung nicht ebenfalls darauf abzielte, die Krankheit des versicherten Mannes zu lindern. Das Berufungsgericht gelangt nur deshalb zu einem anderen Ergebnis, weil es zusätzlich fordert , alle Einzelstadien der erstattungsfähigen Behandlung müßten sich auf den Körper des Versicherungsnehmers beziehen und nur dort auf eine Abmilderung "medizinisch unmittelbar zugänglicher Leidensfolgen" abzielen (so auch Schoenfeld/Kalis, aaO Rdn. 37; OLG Stuttgart VersR 1987, 280, 281).
Dieses eingeschränkte Verständnis des Linderungsbegriffs findet in § 1 MB/KK 94 indes keine Stütze. Ein verständiger Versicherungsnehmer wird unter der "Heilbehandlung einer versicherten Person" (§ 1 (2) Satz 1 MB/KK 94) für den Fall der Linderung einer Krankheit diejenigen ärztlichen Maßnahmen verstehen, die in ihrer Gesamtheit auf den Linderungserfolg abzielen (vgl. BGHZ 99, 228, 233). Er kann nicht damit rechnen, daß die Behandlung ohne Rücksicht auf deren medizinischen Handlungssinn in Teilakte aufgespalten wird, die für sich genommen eine Linderung nicht erzielen können. Folgt man dem Berufungsgericht, soll die Heilbehandlung des Klägers mit der Spermienentnahme abgeschlossen gewesen sein. Es bedarf jedoch keiner Erläuterung, daß diese Maß-
nahme ohne die weitere Behandlung sinnlos und für sich genommen auch nicht zur Linderung der Unfruchtbarkeit des Klägers geeignet gewesen wäre. Insoweit kann nicht davon gesprochen werden, mit der anschließenden Herbeiführung der Schwangerschaft bei der Ehefrau sei ein über den Zweck der Heilbehandlung hinausgehender Erfolg angestrebt worden. Auch daß letztere zugleich aus dem Motiv heraus erfolgt, den gemeinsamen Kinderwunsch der Partner zu erfüllen, ändert entgegen der Auffassung des OLG Stuttgart (VersR 1987, 280, 281) nichts an der medizinischen Zweckbestimmung. Danach war die In-vitroFertilisation ebenso wie die intracytoplasmatische Spermien-Injektion, bei der im übrigen wichtige Behandlungsschritte ebenfalls außerhalb des Körpers des Mannes vollzogen werden, gerade auf die Linderung der Fertilitätsstörung gerichtet und damit notwendiger Bestandteil der Heilbehandlung des Klägers. Allein von ihm ging hier auch das versicherte Risiko aus (Kliemt, VersR 1996, 32, 33; OLG Frankfurt NJW 1990, 2325; OLG Karlsruhe NJW 1986, 1552 f.; LG Oldenburg VersR 1991, 760 ff.).
(3) Die von Teilen der Literatur geäußerte Befürchtung, diese Auslegung des § 1 MB/KK 94 müsse zu einer unüberschaubaren Ausweitung des Versicherungsumfangs hin zu einer "allgemeinen Lebenshilfe" führen, weil die Versicherer danach letztlich alle Umweltveränderungen zu finanzieren hätten, die Krankheitsfolgen abmilderten (u.a. Prölss, aaO Rdn. 11; Brams, VersR 2004, 26, 27 f.), erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht stichhaltig. Denn dabei werden die übrigen Voraussetzungen des Versicherungsfalles, insbesondere die Anknüpfung an die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung, ausgeblendet. Die Leistungspflicht bleibt vielmehr ausreichend eingegrenzt (vgl. dazu auch OLG Karlsruhe NJW 1986, 1552). Denn der Begriff der Linderung
hält daran fest, daß dabei durch ärztliches Handeln eine Abschwächung, Unterbindung oder Beseitigung von Krankheitsfolgen oder eine Ersatzfunktion für ein ausgefallenes Organ angestrebt werden muß (BGHZ 99, 228, 233).
b) Die In-vitro-Fertilisation war medizinisch notwendig. Das ist zwischen den Parteien nicht streitig. Die Beklagte hat dementsprechend die Kosten für die intracytoplasmatischen Spermien-Injektion übernommen und die medizinische Notwendigkeit der kombinierten Behandlung nicht in Abrede gestellt.
c) Dem Anspruch des Klägers gegen die Beklagte steht eine etwaige Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkasse seiner Ehefrau für die In-vitro-Fertilisation nicht entgegen. Es kann dahinstehen , ob der Ehefrau des Klägers aus § 27a SGB V ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die In-vitro-Fertilisation erwächst. Denn es gibt jedenfalls keinen eigenen Anspruch des Klägers gegen die Krankenkasse seiner Ehefrau. Auch die Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs. 3 MB/KK 94 greift nicht ein, weil sie bereits nach ihrem Wortlaut die gesetzliche Krankenversicherung nicht erfaßt (vgl. Prölss, aaO § 5 MB/KK 94 Rdn. 19; Schoenfeldt/Kalis, aaO § 5 MB/KK Rdn. 71). Über einen etwaigen Ausgleichsanspruch zwischen der Beklagten und dem gesetzlichen Krankenversicherer der Ehefrau war hier nicht zu entscheiden.
3. Der vom Kläger geforderte Erstattungsbetrag war um 145,38 zu vermindern. Denn der Kläger hat bereits mit Schriftsatz vom 25. April 2002 vor dem Landgericht gegen einen unstreitigen Rückerstattungsanspruch der Beklagten in dieser Höhe aufgerechnet.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger, der zusammen mit seiner Ehefrau mit Hilfe künstlicher Befruchtung bereits ein erstes Kind gezeugt hat, begehrt die Feststellung , dass der beklagte private Krankenversicherer ihm wegen des Wunsches nach einem zweiten Kind die Kosten für vier weitere Behandlungszyklen einer homologen In-vitro-Fertilisation (IVF) mit intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) zu ersetzen hat.
- 2
- Der Kläger ist beihilfeberechtigt und daneben beim Beklagten zu einem Tarif privat krankenversichert, der für ambulante Behandlungen eine Kostenerstattung zu 50% vorsieht. Dem Krankenversicherungsvertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten - und Krankenhaustagegeldversicherung des Beklagten zugrunde, die in ihrem Teil I die Musterbedingungen 1994 des Verbandes der privaten Krankenversicherung für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherungen (MB/KK 94) einschließen.
- 3
- Im Jahre 2002 gelang es im seinerzeit dritten Behandlungszyklus einer kombinierten IVF/ICSI-Behandlung, deren Kosten überwiegend der gesetzliche Krankenversicherer der Ehefrau und zu einem geringen Teil der Beklagte getragen hat, mit Spermien des Klägers bei seiner im August 1964 geborenen Ehefrau eine Schwangerschaft herbeizuführen, die im April 2003 mit der Geburt einer Tochter endete.
- 4
- Die Eheleute wünschen sich ein zweites Kind. Deshalb wollen sie sich bis zu vier weiteren IVF/ICSI-Behandlungszyklen unterziehen. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagte auch deren Kosten jeweils zum tariflich festgelegten Prozentsatz (50%) erstatten müsse. Er behauptet, er leide an einer schweren Asthenozoospermie und einem Oligo-Astheno-Teratozoospermie-Syndrom (OAT-Syndrom), das heißt einer verminderten Spermiendichte bei gleichzeitig verminderter Spermienbeweglichkeit und erhöhter Spermienfehlformenrate. Er könne deshalb auf natürlichem Wege keine Kinder zeugen. Bei seiner Ehefrau bestünden keine körperlichen Einschränkungen der Fertilität.
- 5
- Der Beklagte bestreitet das Krankheitsbild des Klägers mit Nichtwissen und meint, er müsse die Kosten für die künstliche Zeugung eines zweiten Kindes ohnehin nicht tragen. Die Krankheit des Klägers sei jedenfalls bereits mit Geburt seiner Tochter gelindert.
- 6
- Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Rechtsmittel Das führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 8
- I.DasBerufungsgericht hält die Beklagte für leistungsfrei, weil es in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertrete, dass bei krankheitsbedingter "Ehesterilität" als Versicherungsfall lediglich die medizinisch notwendige Behandlung zur Linderung der Krankheitsfolge "Kinderlosigkeit" in Betracht komme. Eine solche Linderung sei hier aber schon wegen der Geburt der Tochter des Klägers nicht mehr erforderlich, so dass den geplanten weiteren Behandlungen kein Versicherungsfall mehr zugrunde liege. Die künstliche Befruchtung ziele nicht etwa darauf ab, pathologische Folgen körperlicher oder seelischer Art unmittelbar abzumildern. Ohne Kinderwunsch bestünde sogar keine Veranlassung, den regelwidrigen Zustand der Sterilität zu behandeln. Deshalb sei die Indikation für die künstliche Befruchtung bei Sterilität "ersichtlich nur nachgeordnet medizinischer Natur."
- 9
- II. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 10
- 1. Die Feststellungsklage ist zulässig, weil das Begehren nach der Behauptung des Klägers auf bereits aktualisierte, ärztlich für notwendig erachtete, bevorstehende Behandlungen gerichtet und durch ein Feststellungsurteil eine sachgemäße und erschöpfende Lösung des Streits über die Erstattungspflichten zu erwarten ist (vgl. dazu Senatsurteile vom 8. Februar 2006 - IV ZR 131/05 - VersR 2006, 535 unter II 1; vom 17. Dezember 1986 - IVa ZR 275/85 - VersR 1987, 280 unter I betreffend den ersten Behandlungszyklus einer IVF-Behandlung; vom 23. September 1987 - IVa ZR 59/86 - VersR 1987, 1107 betreffend weitere Behandlungszyklen einer IVF-Behandlung).
- 11
- 2. Der Auffassung des Berufungsgerichts, die Geburt der gemeinsamen Tochter der Eheleute im Jahre 2003 schließe die Annahme eines Versicherungsfalls für die Zukunft aus, folgt der Senat nicht, wie er bereits im Urteil vom 21. September 2005 (BGHZ 164, 122 ff.) dargelegt hat. Das Berufungsgericht hätte stattdessen Beweis darüber erheben müssen, ob der Kläger an der behaupteten Fertilitätsstörung leidet und ob sich die ins Auge gefassten IVF/ICSI-Behandlungszyklen mit Blick auf diese Erkrankung als notwendig erweisen. Insoweit muss die Sache neu verhandelt werden.
- 12
- Versicherungsfall a) einer Krankheitskostenversicherung, der § 1 (2) Satz 1 MB/KK 94 zugrunde liegt, ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung der versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen.
Die Krankheit des Klägers ist nach seinem Sachvortrag allein die auf körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen. Das schließt es aus, das Vorliegen eines Versicherungsfalls allein mit dem Hinweis darauf zu verneinen, dass der Kläger und seine Ehefrau bereits Eltern eines gemeinsamen Kindes sind (vgl. dazu BGHZ aaO 125).
- 13
- b) Wird eine In-vitro-Fertilisation in Kombination mit einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion vorgenommen, um die organisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so ist die Maßnahme eine insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung (BGHZ 158, 166, 171).
- 14
- c) Soweit § 5 (1.3) der Versicherungsbedingungen davon spricht, eine Leistungspflicht für künstliche oder extrakorporale Befruchtung bestehe , wenn eine organbedingte Sterilität der Frau vorliege und die Befruchtung nach objektiver medizinischer Feststellung das einzige Mittel zur Herbeiführung einer Schwangerschaft sei, enthält diese Klausel - wie das Berufungsgericht zutreffend sieht - weder einen Ausschluss noch eine Einschränkung der Erstattungsfähigkeit von Heilbehandlungskosten, die durch eine körperlich bedingte Unfruchtbarkeit eines versicherten Mannes bedingt sind.
- 15
- d) Für den Fall, dass die Beweisaufnahme die behauptete Erkrankung des Klägers ergibt, kommt es im Weiteren darauf an, ob die ins Auge gefassten IVF/ICSI-Behandlungszyklen medizinisch notwendig sind. Insbesondere ist dabei zu prüfen, ob die ins Auge gefassten Behand- lungszyklen ausreichend Erfolg versprechen (vgl. dazu BGHZ 164, 122, 128 ff.; 133, 208, 215; 99, 228, 235).
- 16
- Für diese Prüfung gelten die vom Senat in der Entscheidung BGHZ 164, 122 ff. näher dargelegten Maßstäbe.
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 17.02.2005 - 26 O 15499/04 -
OLG München, Entscheidung vom 19.07.2005 - 25 U 2196/05 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 83% und die Beklagte 17%.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte pri vate Krankenversicherer dem Kläger, der zusammen mit seiner Ehefrau mit Hilfe künstlicher Befruchtung bereits ein erstes Kind gezeugt hat, die Kosten für weitere Behandlungszyklen einer homologen In-vitro-Fertilisation (IVF) mit intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) zu ersetzen hat.Der Kläger ist bei der Beklagten zu einem Tarif pr ivat krankenversichert , der abgesehen von einer jährlichen Selbstbeteiligung des Versicherten für ambulante Behandlungen eine Kostenerstattung zu 100% vorsieht. Dem Krankenversicherungsvertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (AVB/KK) der Beklagten zugrunde, welche in den hie r maßgeblichen Bestimmungen § 1 (1) lit. a und § 1 (2) Satz 1 der Musterbedingungen 1994 des Verbandes der privaten Krankenversicherung für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherungen (MB/KK 94) entsprechen.
Der Kläger leidet an einer Kryptozoospermie und ei nem hochgradigen Oligo-Astheno-Teratozoospermie-Syndrom (OAT-Syndrom), das heißt einer verminderten Spermiendichte bei gleichzeitig verminderter Spermienbeweglichkeit und erhöhter Spermienfehlformenrate. Er kann deshalb auf natürlichem Wege keine Kinder zeugen. Im Januar 1997 gelang es im seinerzeit dritten Behandlungszyklus einer kombinierten IVF/ICSI-Behandlung, deren Kosten die Beklagte getragen hat, mit Spermien des Klägers bei seiner am 4. Oktober 1960 geborenen Ehefrau eine Schwangerschaft herbeizuführen, die mit der Geburt eines gesun-
den Sohnes endete. Bei der IVF/ICSI-Behandlung werden der Frau Eizellen entnommen, in welche extrakorporal Spermien des Mannes injiziert werden. Nach etwa zwei Zellteilungen wird der so erzeugte Embryo in die Gebärmutter eingesetzt.
Die Eheleute wünschen sich ein zweites Kind. Zu di esem Zweck unterzogen sie sich im Oktober/November 2000 und im Juni 2002 zwei weiteren Behandlungszyklen, welche nicht zu einer Schwangerschaft führten.
Der Kläger fordert von der Beklagten - unter Berüc ksichtigung der Selbstbeteiligung - die Erstattung der Kosten für diese erneuten Behandlungen in Höhe von noch 5.743 € (1. Zyklus) und 3.428,88 € (2. Zyklus); er begehrt darüber hinaus die Feststellung, dass die Beklagte auch die Kosten für weitere acht in Aussicht genommene IVF/ICSIBehandlungszyklen erstatten müsse.
Die Beklagte meint, sie müsse die Kosten für die k ünstliche Zeugung eines zweiten Kindes nicht tragen. Die Krankheit des Klägers sei bereits mit Geburt seines Sohnes gelindert; im Übrigen seien die Erfolgsaussichten weiterer Behandlungsversuche in Anbetracht des Alters der Ehefrau des Klägers gering.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Erstattung de r Kosten für den ersten Behandlungszyklus (Oktober/November 2000) verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Unter Zurückweisung der Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht auf die Berufung der Beklagten
der Klage insgesamt den Erfolg versagt. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg, soweit der Kläger die Erstattung der Kosten für die bereits durchgeführten IVF/ICSI-Behandlungen aus den Monaten Oktober/November 2000 und Juli 2002 begehrt.
I. Das Berufungsgericht hat sowohl den Leistungs- als auch den Feststellungsantrag zurückgewiesen, weil kein Versicherungsfall vorliege. Zwar sei die Fertilitätsstörung des Klägers eine grundsätzlich behandlungsbedürftige und behandlungsfähige Krankheit; insoweit dienten die hier in Rede stehenden ärztlichen Bemühungen dem Versuch der Linderung einer Krankheitsfolge, nämlich der Kinderlosigkeit. In ständiger Rechtsprechung gehe das Berufungsgericht aber davon aus, dass diese Linderung eingetreten sei, wenn eine gleichartige Behandlung des Versicherten bereits zur Geburt eines Kindes geführt habe. Bei schon erfülltem Kinderwunsch könne dem Selbstbestimmungsrecht von Ehegatten gegenüber den gleichfalls zu berücksichtigenden Interessen des Versicherers und der Versichertengemeinschaft angesichts der teuren, vital aber nicht notwendigen Behandlung nicht eine derartige Bedeutung zukommen , die es erlauben würde, es der alleinigen Entscheidungsgewalt des Versicherten zu überlassen, wann eine endgültige Linderung eingetreten sei. Dass Kinder erwünscht seien, führe zu keiner anderen Beur-
teilung. Auf die Erfolgsaussichten der Behandlung komme es nicht mehr an.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht Stand.
Versicherungsfall in der hier in Rede stehenden Kr ankenversicherung ist gemäß § 1 (2) Satz 1 MB/KK 94 die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Was den Versicherungsfall ausmacht, wird zum einen durch die Bezeichnung eines die Behandlung auslösenden Ereignisses oder Zustandes (Krankheit oder Unfallfolgen) ausgefüllt, zum anderen dadurch festgelegt, dass es sich bei der Behandlung um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handeln muss (BGHZ 158, 166, 170).
1. Krankheit im Sinne der Bedingungen ist ein obje ktiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand. Die Krankheit des Klägers ist seine auf körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen. Demgegenüber stellt die Kinderlosigkeit des Klägers und seiner Ehefrau keine Krankheit im Sinne der Bedingungen und auch keine die Erkrankung des Klägers derart kennzeichnende Krankheitsfolge dar, dass davon gesprochen werden könnte, mit dem Ende der Kinderlosigkeit sei auch eine endgültige Linderung der Krankheit eingetreten (vgl. dazu BGHZ 99, 228, 230; ferner Senatsurteile vom 3. März 2004 aaO und vom 12. November 1997 - IV ZR 58/97 - VersR 1998, 87 unter 2 a). Vielmehr besteht die Sterilität des Klägers auch nach der Geburt seines Sohnes fort. Deshalb kann der Wunsch nach einem weiteren Kind auch erneut den Bedarf aus-
lösen, die gestörten Körperfunktionen durch medizinische Maßnahmen zu ersetzen. Aus der Entscheidung BGHZ 99, 228, 233 ergibt sich nichts anderes. Zwar hat der Senat dort im Rahmen der Untersuchung, inwieweit die künstliche Befruchtung eine Linderung der Unfruchtbarkeit einer Frau herbeiführen könne, die Frage aufgeworfen, ob nach eingetretener Mutterschaft nach allgemeinem Sprachgebrauch noch davon gesprochen werden könne, die Frau sei unfruchtbar, oder ob nicht eine Heilung eingetreten sei. Er hat aber zugleich deutlich gemacht, dass die Sterilität als Krankheit auch nach Geburt eines ersten Kindes fortbestehe und sich deshalb die Frage der erneuten Anwendung der Technologie der homologen In-vitro-Fertilisation weiter stellen könne (aaO S. 230, 233).
2. Wird eine In-vitro-Fertilisation in Kombination mit einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion vorgenommen, um die organisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so ist die Maßnahme eine insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung , die darauf gerichtet ist, die Unfruchtbarkeit des Mannes zu lindern (BGHZ 158, 166 aaO). Dabei wird die Linderung mittels der Ersetzung der gestörten Körperfunktion durch medizinische Maßnahmen erzielt.
3. Die medizinische Notwendigkeit der Behandlung w ar hier nur für die beiden bereits durchgeführten Behandlungszyklen im Oktober/November 2000 und Juli 2002 gegeben. Die Beklagte hat deren Kosten zu ersetzen.
Demgegenüber lässt sich eine bedingungsgemäße medi zinische Notwendigkeit für weitere in Aussicht genommene Behandlungszyklen nicht mehr begründen, weil diese angesichts des Alters der Ehefrau des
Klägers keine ausreichenden Erfolgsaussichten mehr bieten. Der Feststellungsantrag des Klägers erweist sich deshalb jedenfalls als unbegründet , so dass es auf dessen Zulässigkeit und damit die Frage, ob und inwieweit in der Krankenversicherung die Feststellung der Erstattungsfähigkeit künftiger Heilbehandlungskosten begehrt werden kann (vgl. dazu Senatsurteile vom 13. Mai 1992 - IV ZR 213/91 - VersR 1992, 950 unter I 2 und vom 23. September 1987 - IVa ZR 59/86 - VersR 1987, 1107 unter 2), hier nicht mehr ankommt.
a) Mit dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung wird - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar - zur Bestimmung des Versicherungsfalles ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt (BGHZ 133, 208, 212 f.; 154, 154, 166 f.; Senatsurteil vom 14. Dezember 1977 - IV ZR 12/76 - VersR 1978, 271 unter II 1). Insoweit hängt die Beurteilung nicht allein von der Auffassung des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab (BGHZ 133 aaO m.w.N.), sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung.
Steht danach die Eignung einer Behandlung, eine Kr ankheit zu heilen oder zu lindern, nach medizinischen Erkenntnissen fest, folgt daraus grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des Versicherers (BGHZ 133 aaO). Medizinisch notwendig kann eine Behandlung aber auch dann sein, wenn ihr Erfolg nicht sicher vorhersehbar ist. Es genügt insoweit, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar erscheinen lassen, die Behandlung als notwendig anzusehen (BGHZ 133 aaO; 154, 154, 166 f.; Senatsurteile vom 29. No-
vember 1978 - IV ZR 175/77 - VersR 1979, 221 unter III; vom 29. Mai 1991 - IV ZR 151/90 - VersR 1991, 987 unter 2 a). Ob dies der Fall ist, kann nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmt werden (vgl. BGHZ 133, 208, 215). So kann es bei unheilbaren lebensbedrohlichen Erkrankungen vertretbar sein, auch Behandlungsversuche als notwendig anzusehen , die mit nicht nur ganz geringer Wahrscheinlichkeit ihr Ziel erreichen und denen notwendigerweise Versuchscharakter anhaftet (BGHZ 133 aaO). Liegt hingegen - wie hier - eine leichtere, insbesondere keine lebensbedrohende oder -zerstörende Krankheit vor, erweist sich die in Aussicht genommene Heilbehandlung also als nicht vital lebensnotwendig und sind ihre Erfolgsaussichten in Abhängigkeit von bestimmten Voraussetzungen bereits umfangreich erforscht, so lässt erst ein höherer Grad der Erfolgswahrscheinlichkeit es als vertretbar erscheinen, die Maßnahme als bedingungsgemäß notwendig anzusehen.
b) Der in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts g efasste Entschluss von Ehegatten, ein gemeinsames Kind zu haben, ist jeder rechtlichen Nachprüfung auf seine Notwendigkeit entzogen. Auch im Rahmen der Prüfung der bedingungsgemäßen Notwendigkeit einer Heilbehandlung - hier der künstlichen Befruchtung - ist es daher schon im Ansatz verfehlt, die Frage nach der "Notwendigkeit" der Erfüllung des Kinderwunsches zu stellen (BGHZ 99, 228, 234, vgl. auch OLG Düsseldorf VersR 2004, 1546 f.). Die Erwägung des Berufungsgerichts, dem vom Kläger geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch stehe entgegen, dass bereits sein erstes Kind mittels einer gleichartigen Behandlung gezeugt worden sei, lässt besorgen, dass das Berufungsgericht, das einen
Versicherungsfall verneint, insoweit Maßstab und Prüfungsgegenstand der Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit verkannt hat. Diese Prüfung hat von dem Kinderwunsch des Versicherten und seines Ehepartners ohne Einschränkungen auszugehen und auf dieser Grundlage danach zu fragen, ob die medizinische Behandlung notwendig ist.
c) Maßgeblich für die bedingungsgemäße Notwendigke it der IVF/ICSI-Behandlung ist zunächst, dass diese eine medizinisch anerkannte Methode zur Überwindung der Sterilität des Klägers darstellt (vgl. dazu auch BGHZ 99, 228, 234; BGHZ 158, 166, 174).
Das besagt aber noch nicht, dass die Maßnahme auch in jedem Einzelfall ausreichend Erfolg versprechend ist, um ihre bedingungsgemäße Notwendigkeit zu bejahen (vgl. dazu BGHZ 133, 208, 215; 99, 228, 235). Die Beurteilung der ausreichenden Erfolgsaussicht hat grundsätzlich der Tatrichter vorzunehmen, der sich dazu regelmäßig sachverständiger Hilfe bedienen muss, um die Einschätzung des behandelnden Arztes zu überprüfen (vgl. dazu BGHZ 133 aaO m.w.N.). Dafür gelten unter Berücksichtigung des IVF-Registers und der dazu vom gerichtlichen Sachverständigen gegebenen, insoweit unstreitigen Erläuterungen die folgenden Maßstäbe:
aa) Auszugehen ist von der durch dieses Register ( vgl. IVFRegister , Jahresbericht 2003, S. 12, veröffentlicht im Internet unter www.deutsches-ivf-register.de/jahresbericht.htm) seit 1982 umfassend dokumentierten Erfolgswahrscheinlichkeit der Behandlungen in Abhängigkeit vom Lebensalter der Frau. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, inwieweit individuelle Faktoren ihre Einordnung in die ihrem Lebensalter
entsprechende Altersgruppe rechtfertigen, ob also ihre persönlichen Erfolgsaussichten höher oder niedriger einzuschätzen sind, als die im IVFRegister für ihre Altersgruppe ermittelten Durchschnittswerte es ausweisen.
Bedeutsam für diese Beurteilung kann unter anderem sein, ob eine IVF/ICSI-Behandlung bei denselben beteiligten Personen bereits früher einmal erfolgreich war (vgl. zur Aussagekraft früherer erfolgreicher Behandlungen allgemein auch BGHZ 133, 208, 216), ob dafür viele oder nur wenige Behandlungszyklen benötigt wurden, ferner die Zahl und Qualität der beim zuletzt vorgenommenen Behandlungsversuch gefundenen Spermien, Eizellen und übertragenen Embryonen. Eine Vielzahl vergeblicher Behandlungsversuche in der Vergangenheit kann die individuelle Erfolgsaussicht verringern. Für die Prognose von Bedeutung ist weiter die Stimulationssituation beim letzten Behandlungszyklus (Stimulationsprotokoll und Gonadotropinart), schließlich auch die Frage, inwieweit der allgemeine Gesundheitszustand der beteiligten Frau vom Durchschnitt ihrer Altersgruppe abweicht.
bb) Von einer nicht mehr ausreichenden Erfolgsauss icht - und damit von einer nicht mehr gegebenen bedingungsgemäßen medizinischen Notwendigkeit der IVF/ICSI-Behandlung - ist dann auszugehen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Embryotransfer (Punktion) zur gewünschten Schwangerschaft führt, signifikant absinkt und eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 15% nicht mehr erreicht wird (vgl. dazu BGHZ 99, 228, 235, wo eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 15-20% als noch ausreichend erachtet worden ist). Das ist nach den von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen referierten Daten aus dem Deutschen IVF-Register im
Durchschnitt bei Frauen nach Vollendung des 40. Lebensjahrs der Fall, kann aber aufgrund der vorgenannten individuellen Faktoren im Einzelfall früher oder später eintreten.
d) Bei Anlegung dieser Maßstäbe ergibt sich, dass für den Kläger und seine am 4. Oktober 1960 geborenen Ehefrau bei Durchführung der Behandlungszyklen im Oktober/November 2000 und im Juni 2002 noch ausreichend große Erfolgsaussichten bestanden und es deshalb im Zeitpunkt dieser Behandlungen vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen.
Zwar hat sich die Ehefrau des Klägers diesen Behan dlungen erst im Alter von 40 und noch 41 Jahren unterzogen, für eine Erfolgsaussicht über 15% sprach aber in beiden Fällen ganz wesentlich die frühere, schon beim dritten Behandlungszyklus erfolgreiche IVF/ICSI-Behandlung , die zur Geburt des ersten Kindes geführt hatte.
aa) Hinsichtlich des im Alter von 40 Jahren durchg eführten Behandlungszyklus hat der gerichtlich bestellte Sachverständige nicht zuletzt auch mit Hinsicht darauf eine Erfolgswahrscheinlichkeit von "sicherlich gut über 15%" angenommen, was sich für ihn auch bei rückblickender Betrachtung insoweit bestätigt hat, als vier Eizellen entnommen und zwei Embryonen übertragen werden konnten.
bb) Soweit der Sachverständige - und ihm folgend d as Landgericht in erster Instanz - den zweiten Behandlungszyklus im Juni 2002 mit einer Erfolgsaussicht von lediglich noch 10% bewertet hat [(Gutachten S. 10 oben)], beruht dies allein darauf, dass sich erst bei Durchführung der
Behandlung herausgestellt hat, dass nur noch eine Eizelle befruchtet und nur noch ein Embryo übertragen werden konnte. Dieser Rückblick auf den konkreten Behandlungsverlauf kann aber die Frage der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung nicht beantworten, denn damit wäre dem Versicherungsnehmer das Kostenrisiko für Behandlungsmaßnahmen aufgebürdet, die sich erst im Nachhinein als erfolglos erweisen. Entscheidend für die Beantwortung der Frage nach der bedingungsgemäßen Notwendigkeit ist allein die Prognose vor Beginn der Behandlung.
Dazu hat der Sachverständige ausgeführt, bei 42-jä hrigen Patientinnen reduziere sich die durchschnittliche Erfolgswahrscheinlichkeit einer klinischen Schwangerschaft pro Embryotransfer auf ca. 13-14%. Die früher erfolgreiche IVF/ICSI-Behandlung zeige, dass keine weiteren Hindernisse für eine Schwangerschaft bei der Ehefrau des Klägers vorgelegen hätten. Angesichts dessen habe man erwarten dürfen, dass die individuellen Schwangerschaftschancen gegenüber den Durchschnittswerten des IVF-Registers etwas höher gelegen hätten. Die ovarielle Ansprechrate sei altersgemäß, die beim vorangegangenen Behandlungsversuch eingesetzte Hormondosierung sogar noch deutlich steigerbar gewesen. Diese Ausführungen zeigen, dass der Sachverständige, hätte er nicht den nachträglich bekannt gewordenen konkreten Behandlungsverlauf in seine Betrachtung einbezogen, für die Ehefrau des Klägers auch hinsichtlich des Behandlungszyklus vom Juni 2002 noch eine Erfolgswahrscheinlichkeit von jedenfalls 15% prognostiziert hätte.
e) Künftige Behandlungszyklen sind angesichts des fortgeschrittenen Alters der Ehefrau des Klägers nicht mehr ausreichend Erfolg ver-
sprechend, um die bedingungsgemäße Notwendigkeit der Behandlung zu begründen. Der Sachverständige hat - gestützt auf die Zahlen des Deutschen IVF-Registers - überzeugend dargelegt, dass ab einem Lebensalter der behandelten Frau von 45 Jahren die Erfolgsaussichten einer IVF/ICSI-Behandlung praktisch nicht mehr zu beziffern sind. Bei der Ehefrau des Klägers kommt entscheidend hinzu, dass auch schon bei dem letzten, im Alter von knapp 42 Jahren durchgeführten Behandlungszyklus nur noch die Übertragung eines Embryos möglich und damit - rückblickend betrachtet - schon damals eine unterdurchschnittliche Erfolgswahrscheinlichkeit gegeben war.
Schon aus diesem Grunde kann der Einwand des Kläge rs nicht durchdringen, die Beklagte könne sich nach Treu und Glauben nicht auf die eingetretene Zeitverzögerung bei der Fortsetzung der Behandlungszyklen berufen, weil sie diese Verzögerung durch ihre Weigerung, die Kosten zu tragen, selbst verursacht habe. Die mangelnden Erfolgsaussichten für künftige Behandlungen beruhen nach den Ausführungen des Sachverständigen hier nicht allein auf dem Zeitablauf seit der letzten Behandlung, sondern sind bereits durch deren Verlauf zusätzlich indiziert und hätten damit auch schon zeitnah nach dem zweiten Behandlungszyklus vorgelegen. Im Übrigen kann der Grundsatz von Treu und Glauben nicht dazu führen, dass der Krankenversicherer die Kosten aussichtsloser Behandlungen tragen muss.
4. Die Beklagte kann den Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für die beiden IVF/ICSI-Behandlungszyklen aus den Jahren 2000 und 2002 nicht mit Erfolg den Einwand aus Treu und Glauben entgegen-
halten, der Kläger verletze die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Versicherers und der Versichertengemeinschaft.
a) Allerdings hat der Senat in der Entscheidung BG HZ 99, 228, 235 ausgeführt, der Versicherungsnehmer müsse bei Inanspruchnahme dieser besonders kostenträchtigen und nicht vital lebensnotwendigen Behandlung in angemessener Weise Rücksicht auf den Versicherer und die Versichertengemeinschaft nehmen, da das private Versicherungsverhältnis in besonderem Maße den Grundsätzen von Treu und Glauben unterstehe. Der Versicherer müsse deshalb ganz unverhältnismäßige Kosten für eine In-vitro-Fertilisation nicht erstatten. Abgesehen von der Voraussetzung , dass diese Behandlung das einzige Mittel zur Herbeiführung einer Schwangerschaft sei und bei der beteiligten Frau eine deutliche Erfolgsaussicht bestehen müsse, seien einer Kostenerstattung für wiederholte Fertilisationsversuche Grenzen gesetzt. Der Versuch könne nicht auf Kosten der Versichertengemeinschaft beliebig oft wiederholt werden.
b) Daran ist im Grundsatz festzuhalten.
aa) Allerdings ist das Risiko des Versicherers nac h der Systematik der MB/KK 94 vorwiegend dadurch begrenzt, dass der Versicherungsfall als medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen (§ 1 (2) Satz 1 MB/KK 94) beschrieben wird. Dabei dient vor allem das Merkmal der Notwendigkeit der Heilbehandlung dazu, den Versicherer davor zu schützen, dass er die Kosten für überflüssige oder nicht aussichtsreiche Behandlungen tragen muss (vgl. dazu BGHZ 154, 154, 166 ff.). Die Notwendigkeit einer IVF/ICSI-Behandlung besteht nach den oben stehenden Ausführungen
nur dann, wenn unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der an der Behandlung beteiligten Partner eine ausreichende Erfolgsaussicht gegeben ist. Dabei trägt der geforderte Grad der Erfolgsaussicht bereits dem Umstand Rechnung, dass eine vital lebensnotwendige Behandlung nicht in Rede steht. Schon hierdurch ist die Erstattung der Kosten für beliebig oft wiederholte erfolglose Behandlungen regelmäßig ausgeschlossen. Denn eine ungewöhnliche Häufung erfolgloser Behandlungszyklen muss sich zwangsläufig negativ auf die individuelle Erfolgsprognose für weitere Behandlungen auswirken.
bb) Ist - wie hier - nach erfolgreicher früherer B ehandlung die Wiederholung von IVF/ICSI-Behandlungszyklen durch den Wunsch von Eheleuten nach einem weiteren Kind veranlasst, so kann dieser Kinderwunsch im Rahmen der von § 242 BGB geforderten Abwägung der gesamten Umstände des Einzelfalles nicht zu Lasten der versicherten Person ins Gewicht fallen, denn er ist einer Kontrolle und auch einer negativen Bewertung durch die Gerichte entzogen. Die mit fortschreitendem Lebensalter der beteiligten Frau sinkenden Erfolgsaussichten der Behandlung bieten auch insoweit regelmäßig ausreichenden Schutz davor, dass der Versicherer die Kosten für beliebig oft wiederholte Behandlungen zu tragen hat.
Der Bereich, in dem eine Leistungsfreiheit des Ver sicherers nach Treu und Glauben in Betracht zu ziehen ist, bleibt nach allem auf besondere Einzelfälle beschränkt.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.835,93 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. März 2002 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte private Krankenversicherer dem Kläger die Kosten einer sogenannten homologen In-vitroFertilisation zu ersetzen hat. Dem Krankenversicherungsvertrag liegen die Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK 94) zugrunde.Der Kläger leidet an einer Oligo-Astheno-Teratozoospermie III. Grades, d. h. einer verminderten Spermiendichte bei gleichzeitig verminderter Spermienbeweglichkeit und erhöhter Spermienfehlformenrate. Er ist deshalb nur eingeschränkt zeugungsfähig.
Im Februar 2002 unterzogen er und seine Ehefrau, bei der keine Fertilitätsstörungen vorliegen, sich dem Versuch einer extrakorporalen Befruchtung im Wege der In-vitro-Fertilisation, die in Verbindung mit einer intracytoplasmatischen Spermien-Injektion durchgeführt wurde. Bei der In-vitro-Fertilisation werden der Frau Eizellen aus dem Eierstock entnommen und außerhalb des Mutterleibes mit dem Samen des Ehemannes befruchtet. Nach etwa zwei Zellteilungen wird der extrakorporal erzeugte Embryo in die Gebärmutter der Frau übertragen. Im Wege der intracytoplasmatischen Spermien-Injektion werden zuvor Spermien zum Zwecke der Befruchtung in eine Eizelle injiziert.
Die Beklagte hat lediglich die Kosten für die intracytoplasmatische Spermien-Injektion übernommen, die Erstattung weiterer 6.981,31 für die In-vitro-Fertilisation angefallen sind, aber verweigert. Sie ist der Auffassung, die In-vitro-Fertilisation sei keine Heilbehandlung des Klä-
gers, weil sie an seiner Ehefrau vorgenommen worden sei. Es sei darum Sache der gesetzlichen Krankenversicherung der Ehefrau, für diese Kosten aufzukommen. Die gesetzliche Krankenversicherung der Ehefrau des Klägers hat eine Kostenübernahme ebenfalls abgelehnt.
Die auf Erstattung der Kosten für die In-vitro-Fertilisation gerichtete Klage ist vom Landgericht als unzulässig, vom Berufungsgericht als unbegründet zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg; dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch im wesentlichen zu.
I. Das Berufungsgericht meint, die extrakorporale Befruchtung der nicht bei der Beklagten versicherten Ehefrau könne nicht als bedingungsgemäße Heilbehandlung des Klägers angesehen werden. Eine Heilbehandlung sei nur dann vom Versicherungsschutz gedeckt, wenn sie auf den Körper des Versicherungsnehmers einwirke. Auch wenn die Behandlung der Ehefrau eine notwendige Nebenleistung zur Heilbehandlung des zeugungsunfähigen Ehemannes darstelle, bei der die Krankheitsfolge Kinderlosigkeit behoben werden solle, könne nicht jede Maßnahme zur Behebung einer Krankheitsfolge als bedingungsgemäße Heilbehandlung angesehen werden. Die In-vitro-Fertilisation ziele nicht auf eine Heilung der Krankheit des Klägers, weil sie die Zeugungsfähigkeit nicht wieder herstellen könne. Vielmehr gehe es bei der Behandlung
der Ehefrau allein um eine teilweise Beseitigung einer Krankheitsfolge des Klägers, die sich außerhalb seiner eigenen körperlichen Befindlichkeit auswirke. Auch wenn eine Heilbehandlung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon dann vorliege, wenn lediglich die Linderung einer Krankheit bezweckt werde, müsse eine Einschränkung auf solche Behandlungen erfolgen, die auf den Körper der versicherten Person einwirkten. Anderenfalls werde der Krankenversicherer gezwungen, alle Umweltveränderungen zu finanzieren, durch die Krankheitsfolgen abgemildert würden. Eine Linderung sei im übrigen nur solange eine Heilbehandlung, wie sie medizinisch unmittelbar zugängliche Leidensfolgen einer Krankheit abmildere. So verstanden sei die Heilbehandlung des Klägers mit der Spermienentnahme (im Rahmen der intracytoplasmatischen Spermien-Injektion) abgeschlossen gewesen. Die künstliche Befruchtung der Ehefrau ziele gerade nicht mehr darauf ab, pathologische Folgen körperlicher oder seelischer Art unmittelbar beim Kläger abzumildern.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Keinen Bedenken begegnet allerdings, daß das Berufungsgericht eine - die Klage abweisende - Sachentscheidung getroffen hat, nachdem das Landgericht zuvor die Klage als unzulässig abgewiesen und dabei rechtsirrtümlich angenommen hatte, sie sei nicht gegen die Beklagte selbst, sondern lediglich gegen deren nicht parteifähige Bezirksdirektion gerichtet.
Weist das erstinstanzliche Gericht die Klage mit Prozeßurteil als unzulässig ab, so kann auf eine Berufung des Klägers das Berufungsgericht die Klage durch Sachurteil abweisen. Eine Schlechterstellung des Klägers ist damit schon deshalb nicht verbunden, weil das vorangegangene Prozeßurteil ihm gerade keine schutzfähige Rechtsposition irgendwelcher Art zuerkannt hat (BGHZ 104, 212, 214). Die eigene Sachentscheidung des Berufungsgerichts dient auch der Verfahrensökonomie (BGHZ aaO) Das war schon zu § 536 ZPO a.F. allgemein anerkannt (vgl. BGHZ 12, 308, 316; 23, 36, 50; 46, 281, 283 f.; 104, 212, 214; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl. Rdn. 6 zu § 536; MünchKommZPO/Rimmelspacher , § 536 Rdn. 21), obwohl §§ 538 Abs. 1 Nr. 2, 540 ZPO a.F. für den Fall des unrichtigen klagabweisenden Prozeßurteils im Regelfall die Zurückverweisung und nur ausnahmsweise eine Sachentscheidung durch das Rechtsmittelgericht vorsahen. Nach neuem Recht bildet die Sachentscheidung des Berufungsgerichts den Regelfall (§ 538 Abs. 1 ZPO n.F.). Eine Zurückverweisung an die Vorinstanz kommt auch in den Fällen des § 538 Abs. 2 Nr. 1-6 ZPO n.F. nur noch dann in Betracht, wenn eine Partei dies ausdrücklich beantragt. Mit der neuen Rechtslage, welche die bisherige Praxis der Rechtsmittelgerichte stützt, behalten die schon im Rahmen des § 536 ZPO a.F. angeführten Argumente auch für das jetzt in § 528 Satz 2 ZPO n.F. geregelte Verschlechterungsverbot erst recht ihre Gültigkeit (Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann , ZPO 62. Aufl. Rdn. 13 zu § 528; Zöller/Gummer, ZPO 24. Aufl. Rdn. 32 zu § 528; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO 25. Aufl. Rdn. 9 zu § 528).
2. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Kostenersatz für die In-vitro-Fertilisation verneint.
a) Versicherungsfall in der hier genommenen Krankenversicherung ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 94 die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Was den Versicherungsfall ausmacht, wird zum einen durch die Bezeichnung eines die Behandlung auslösenden Ereignisses oder Zustandes (Krankheit oder Unfallfolgen) ausgefüllt, zum anderen dadurch festgelegt , daß es sich bei der Behandlung um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handeln muß (BGHZ 133, 208, 211 zum wortgleichen § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 76; Senatsurteil vom 12. November 1997 - IV ZR 58/97 - VersR 1998, 87 unter 3 a). Krankheit im Sinne der Bedingungen ist dabei ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand (Senatsurteil vom 12. November 1997 - IV ZR 58/97 - VersR 1998, 87 unter 2 a; BGHZ 99, 228, 230). Beim Kläger liegt - zwischen den Parteien des Rechtsstreits unstreitig - eine Krankheit in diesem Sinn vor. Er leidet unter einer organisch bedingten erheblichen Einschränkung seiner Zeugungsfähigkeit.
Die In-vitro-Fertilisation stellt auch eine Heilbehandlung des Klägers im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 94 dar.
aa) Heilbehandlung ist jegliche ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung, Besserung oder auch Linderung der Krankheit abzielt. Dem ist eine ärztliche Tätigkeit gleich zu achten, die auf eine Verhinderung der Verschlimmerung einer Krankheit gerichtet ist. Dabei sind die Begriffe "ärztliche Leistung" und "medizinische Kranken-
pflege" in einem weiten Sinne zu verstehen (ständige Rechtsprechung des Senats, BGHZ 99, 228, 231; BGHZ 123, 83, 89; BGHZ 133, 208,
211).
bb) Daß eine homologe In-vitro-Fertilisation als Heilbehandlung in diesem Sinne anzusehen ist, wenn sie dazu eingesetzt wird, um die Fortpflanzungsunfähigkeit einer Frau zu überwinden, hat der Bundesgerichtshof bereits im Urteil vom 17. Dezember 1986 (BGHZ 99, 228, 231 ff.) anerkannt (so auch OLG Frankfurt am Main NJW 1990, 2325 = VersR 1990, 1264; Prölss in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 1 MB/KK 94 Rdn. 10; Schoenfeldt/Kalis in Bach/Moser, Private Krankenversicherung 3. Aufl. § 1 MB/KK Rdn. 35). Er hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, daß die Maßnahme auf die Linderung der Krankheit "Sterilität" zielt, auch wenn nicht bezweckt ist, deren Ursachen zu beseitigen oder Schmerzen und Beschwerden zu lindern. Entscheidend ist, daß von einer Linderung einer Krankheit schon dann gesprochen werden kann, wenn die ärztliche Tätigkeit auf die Abschwächung, eine partielle oder völlige Unterbindung oder Beseitigung von Krankheitsfolgen gerichtet ist oder eine Ersatzfunktion für ein ausgefallenes Organ bezweckt wird. Die In-vitro-Fertilisation ersetzt bei der Frau die gestörte Transportfunktion der Eileiter durch einen ärztlichen Eingriff, um dadurch das Nichtzustandekommen einer natürlichen Empfängnis zu überwinden und eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Da die naturgegebene Funktion des erkrankten Organs sich in der Hauptsache darauf beschränkt, eine Schwangerschaft zu ermöglichen , kann es für die Frage der Heilbehandlung nicht darauf ankommen, daß mit der In-vitro-Fertilisation die Durchgängigkeit des Eileiters selbst nicht wiederhergestellt wird (BGHZ 99, 228, 232 f.).
cc) Wird die In-vitro-Fertilisation eingesetzt, um - wie hier - die or- ganisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so kann für die Frage, inwieweit eine Linderung der Unfruchtbarkeit angestrebt wird und damit eine bedingungsgemäße Heilbehandlung vorliegt, im Ergebnis nichts anderes gelten. Auch insoweit dienen die ärztlichen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit dem Zweck, die durch Krankheit behinderte Körperfunktion zu ersetzen.
(1) Das Berufungsgericht verkennt, daß es auch insoweit keine Rolle spielen kann, daß die Maßnahme sich nicht dazu eignet, die Ursachen der Unfruchtbarkeit zu beheben. Denn dem Begriff der Linderung einer Krankheit wohnt gerade nicht inne, daß damit auch eine Behebung ihrer Ursachen verbunden ist.
(2) Es verkennt weiter, daß eine Linderung hier erst mit der Gesamtheit der Maßnahmen erreicht werden kann. Muß die biologische Funktion der Fortpflanzungsorgane und Spermien des Mannes, eine Schwangerschaft herbeizuführen, wegen Fertilitätsstörungen durch ärztliche Maßnahmen ersetzt werden, so haben diese nur dann Aussicht auf Erfolg und können insoweit eine Linderung bewirken, wenn eine befruchtete Eizelle in die Gebärmutter übertragen wird, um sich dort einzunisten. Die Behandlung zielt mithin darauf ab, einen Zustand zu erreichen , der ohne die Fertilitätsstörung mit Hilfe der natürlichen Körperfunktionen hätte herbeigeführt werden können. Erst dann läßt sich davon sprechen, daß die gestörte Körperfunktion durch den ärztlichen Eingriff ersetzt wird, so daß auch erst in diesem Zeitpunkt die der Linderung dienende Heilbehandlungsmaßnahme beendet ist.
Die In-vitro-Fertilisation bildet hier zusammen mit der intracytoplasmatischen Spermien-Injektion eine auf das Krankheitsbild des Klägers abgestimmte Gesamtbehandlung. Ohne die zur In-vitroFertilisation zählende Eizellenentnahme kann die Injektion der Spermien nicht durchgeführt werden. Erst die kombinierten Behandlungsmaßnahmen dienen insgesamt der Linderung der Unfruchtbarkeit des Mannes. Die damit einhergehende Mitbehandlung der Frau ist dabei notwendiger Bestandteil der gesamten Behandlung. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß diese Behandlung nicht ebenfalls darauf abzielte, die Krankheit des versicherten Mannes zu lindern. Das Berufungsgericht gelangt nur deshalb zu einem anderen Ergebnis, weil es zusätzlich fordert , alle Einzelstadien der erstattungsfähigen Behandlung müßten sich auf den Körper des Versicherungsnehmers beziehen und nur dort auf eine Abmilderung "medizinisch unmittelbar zugänglicher Leidensfolgen" abzielen (so auch Schoenfeld/Kalis, aaO Rdn. 37; OLG Stuttgart VersR 1987, 280, 281).
Dieses eingeschränkte Verständnis des Linderungsbegriffs findet in § 1 MB/KK 94 indes keine Stütze. Ein verständiger Versicherungsnehmer wird unter der "Heilbehandlung einer versicherten Person" (§ 1 (2) Satz 1 MB/KK 94) für den Fall der Linderung einer Krankheit diejenigen ärztlichen Maßnahmen verstehen, die in ihrer Gesamtheit auf den Linderungserfolg abzielen (vgl. BGHZ 99, 228, 233). Er kann nicht damit rechnen, daß die Behandlung ohne Rücksicht auf deren medizinischen Handlungssinn in Teilakte aufgespalten wird, die für sich genommen eine Linderung nicht erzielen können. Folgt man dem Berufungsgericht, soll die Heilbehandlung des Klägers mit der Spermienentnahme abgeschlossen gewesen sein. Es bedarf jedoch keiner Erläuterung, daß diese Maß-
nahme ohne die weitere Behandlung sinnlos und für sich genommen auch nicht zur Linderung der Unfruchtbarkeit des Klägers geeignet gewesen wäre. Insoweit kann nicht davon gesprochen werden, mit der anschließenden Herbeiführung der Schwangerschaft bei der Ehefrau sei ein über den Zweck der Heilbehandlung hinausgehender Erfolg angestrebt worden. Auch daß letztere zugleich aus dem Motiv heraus erfolgt, den gemeinsamen Kinderwunsch der Partner zu erfüllen, ändert entgegen der Auffassung des OLG Stuttgart (VersR 1987, 280, 281) nichts an der medizinischen Zweckbestimmung. Danach war die In-vitroFertilisation ebenso wie die intracytoplasmatische Spermien-Injektion, bei der im übrigen wichtige Behandlungsschritte ebenfalls außerhalb des Körpers des Mannes vollzogen werden, gerade auf die Linderung der Fertilitätsstörung gerichtet und damit notwendiger Bestandteil der Heilbehandlung des Klägers. Allein von ihm ging hier auch das versicherte Risiko aus (Kliemt, VersR 1996, 32, 33; OLG Frankfurt NJW 1990, 2325; OLG Karlsruhe NJW 1986, 1552 f.; LG Oldenburg VersR 1991, 760 ff.).
(3) Die von Teilen der Literatur geäußerte Befürchtung, diese Auslegung des § 1 MB/KK 94 müsse zu einer unüberschaubaren Ausweitung des Versicherungsumfangs hin zu einer "allgemeinen Lebenshilfe" führen, weil die Versicherer danach letztlich alle Umweltveränderungen zu finanzieren hätten, die Krankheitsfolgen abmilderten (u.a. Prölss, aaO Rdn. 11; Brams, VersR 2004, 26, 27 f.), erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht stichhaltig. Denn dabei werden die übrigen Voraussetzungen des Versicherungsfalles, insbesondere die Anknüpfung an die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung, ausgeblendet. Die Leistungspflicht bleibt vielmehr ausreichend eingegrenzt (vgl. dazu auch OLG Karlsruhe NJW 1986, 1552). Denn der Begriff der Linderung
hält daran fest, daß dabei durch ärztliches Handeln eine Abschwächung, Unterbindung oder Beseitigung von Krankheitsfolgen oder eine Ersatzfunktion für ein ausgefallenes Organ angestrebt werden muß (BGHZ 99, 228, 233).
b) Die In-vitro-Fertilisation war medizinisch notwendig. Das ist zwischen den Parteien nicht streitig. Die Beklagte hat dementsprechend die Kosten für die intracytoplasmatischen Spermien-Injektion übernommen und die medizinische Notwendigkeit der kombinierten Behandlung nicht in Abrede gestellt.
c) Dem Anspruch des Klägers gegen die Beklagte steht eine etwaige Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkasse seiner Ehefrau für die In-vitro-Fertilisation nicht entgegen. Es kann dahinstehen , ob der Ehefrau des Klägers aus § 27a SGB V ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die In-vitro-Fertilisation erwächst. Denn es gibt jedenfalls keinen eigenen Anspruch des Klägers gegen die Krankenkasse seiner Ehefrau. Auch die Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs. 3 MB/KK 94 greift nicht ein, weil sie bereits nach ihrem Wortlaut die gesetzliche Krankenversicherung nicht erfaßt (vgl. Prölss, aaO § 5 MB/KK 94 Rdn. 19; Schoenfeldt/Kalis, aaO § 5 MB/KK Rdn. 71). Über einen etwaigen Ausgleichsanspruch zwischen der Beklagten und dem gesetzlichen Krankenversicherer der Ehefrau war hier nicht zu entscheiden.
3. Der vom Kläger geforderte Erstattungsbetrag war um 145,38 zu vermindern. Denn der Kläger hat bereits mit Schriftsatz vom 25. April 2002 vor dem Landgericht gegen einen unstreitigen Rückerstattungsanspruch der Beklagten in dieser Höhe aufgerechnet.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte private Krankenversicherer der Klägerin die Kosten für zwei bereits durchgeführte Behandlungszyklen einer homologen In-vitro-Fertilisation (IVF), ferner für zwei weitere Behandlungszyklen, erforderlichenfalls kombiniert mit einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI), zu ersetzen hat.
- 2
- Die im Juli 1959 geborene Klägerin ist bei der Beklagten zu einem Tarif privat krankenversichert, der für ambulante Behandlungen eine Kostenerstattung zu 100% vorsieht. Dem Krankenversicherungsvertrag liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskostenund Krankenhaustagegeldversicherung (AVB) der Beklagten zugrunde, welche in den hier maßgeblichen Bestimmungen § 1 (1) lit. a und § 1 (2) Satz 1 der Musterbedingungen 1994 des Verbandes der privaten Krankenversicherung für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherungen (MB/KK 94) entsprechen.
- 3
- Die Klägerin ist verheiratet. Bei beiden Ehepartnern ist die Fortpflanzungsfähigkeit infolge organischer Störungen eingeschränkt. Beim Ehemann der Klägerin wurde eine Asthenozoospermie (Verminderung der Spermienmotilität) diagnostiziert, bei der Klägerin eine schwere Ovulationsstörung und eine Oligomenorrhoe. Das Ehepaar hat bereits zwei Kinder gezeugt, wobei die Schwangerschaften jeweils mit Hilfe konservativer Hormonbehandlungen der Klägerin herbeigeführt werden konnten.
- 4
- Die Eheleute wünschen sich ein drittes Kind. In der Zeit von März bis Dezember 2003 unterzog sich die Klägerin deshalb insgesamt sechs Behandlungszyklen intrauteriner Insemination, ohne dass diese Maßnahmen zum Erfolg führten. Die Kosten dieser Behandlungen sind nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.
- 5
- In den Monaten März bis Mai 2004 wurden - im Ergebnis ebenfalls erfolglos - zwei IVF-Behandlungszyklen durchgeführt, bei denen der Klägerin jeweils operativ Eizellen entnommen und nach extrakorporaler Befruchtung wieder in die Gebärmutter eingepflanzt wurden. Eine ICSI-Behandlung , das heißt eine operative Entnahme von Spermien beim Ehemann mit anschließender Injektion in die Eizelle, wurde dabei vom be- handelnden Arzt aufgrund jeweils aktueller Untersuchungen des Spermas des Ehemannes nicht für erforderlich erachtet. Die Behandlungskosten hat der private Krankenversicherer des Ehemannes zum Teil erstattet. Die Klägerin fordert von der Beklagten danach noch einen Restbetrag für den ersten Behandlungszyklus von 3.882,54 € sowie 5.445,51 € für den zweiten Zyklus.
- 6
- Klägerin Die und ihr Ehemann möchten die IVF-Behandlungen fortsetzen. Insoweit begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagte ihr die Kosten für zwei weitere IVF-Behandlungszyklen mit - falls die behandelnden Ärzte dies für erforderlich erachten - begleitender ICSI-Behandlung erstatten müsse.
- 7
- Die Klägerin meint, für die Erstattungspflicht der Beklagten reiche es aus, dass die bei ihr festgestellte Fertilitätsstörung mitursächlich für die geschilderten Maßnahmen sei.
- 8
- Die Beklagte hält sich schon deshalb für leistungsfrei, weil die Klägerin und ihr Ehemann bereits Eltern zweier gemeinsamer Kinder seien. Weiter erfordere allein die Sterilität des Ehemannes die IVF- und insbesondere künftige ICSI-Behandlungen, während zur Behebung der Fertilitätsstörung der Klägerin eine Hormonbehandlung ausreiche. Im Übrigen hätten bei der Klägerin, die beim ersten IVF-Behandlungszyklus im März 2004 knapp 45 Jahre alt gewesen sei, bereits damals keine ausreichenden Erfolgsaussichten mehr bestanden, eine Schwangerschaft mittels einer IVF/ICSI-Behandlung herbeizuführen. Der Feststellungsantrag sei außerdem unzulässig.
- 9
- Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 10
- Die Revision hat Erfolg.
- 11
- I.DasBerufungsgericht hält die Beklagte für leistungsfrei, weil es in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertrete, dass bei krankheitsbedingter "Ehesterilität" als Versicherungsfall lediglich die medizinisch notwendige Behandlung zur Linderung der Krankheitsfolge "Kinderlosigkeit" in Betracht komme. Eine solche Linderung sei hier aber schon wegen der beiden ehelichen Kinder der Klägerin nicht mehr erforderlich, so dass sämtlichen in Rede stehenden Behandlungen kein Versicherungsfall zugrunde liege. Auf die medizinische Notwendigkeit und insbesondere die Erfolgsaussicht der Behandlungen komme es nicht mehr an.
- 12
- II. Das hält rechtlicher Überprüfung schon im Ansatz nicht stand.
- 13
- Versicherungsfall 1. einer auch hier in Rede stehenden Krankheitskostenversicherung gemäß § 1 (2) Satz 1 MB/KK 94 ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Das schließt es - wie der Senat bereits im Urteil vom 21. September 2005 (BGHZ 164, 122 ff.) dargelegt hat - aus, das Vorliegen eines Versicherungsfalls allein mit dem Hinweis darauf zu verneinen, dass die Klägerin und ihr Ehemann bereits Eltern zweier gemeinsamer Kinder sind (BGH aaO).
- 14
- 2. Wird eine In-vitro-Fertilisation, erforderlichenfalls in Kombination mit einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion, vorgenommen, um die organisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so ist die Maßnahme eine insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung, die darauf gerichtet ist, die Unfruchtbarkeit des Mannes zu lindern (BGHZ 158, 166, 171, vgl. dazu BGHZ 99, 228, 231 f.). Umgekehrt sind die Behandlungsmaßnahmen, wenn sie allein wegen der organisch bedingten Unfruchtbarkeit einer Frau erforderlich werden, als ihre Heilbehandlung anzusehen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. November 1997 - IV ZR 58/97 - VersR 1998, 87 unter 2). In beiden Fällen wird die Linderung der Krankheit mittels der Ersetzung der gestörten Körperfunktion durch medizinische Maßnahmen erzielt.
- 15
- a)Treffenkörperlich bedingte Fertilitätseinschränkungen von Mann und Frau zusammen, muss der Tatrichter zunächst mit sachverständiger Hilfe klären, ob einzelne Behandlungsschritte der künstlichen Befruchtung ausschließlich durch die Erkrankung des einen oder des anderen Partners geboten sind. Nur solche isolierbaren Behandlungsschritte stellen Heilbehandlungsmaßnahmen ausschließlich des betroffenen Partners dar.
- 16
- Danebenerweistsich die Behandlung, wenn sie notwendig ist, um zugleich die körperlich bedingte Unfruchtbarkeit beider Partner zu überwinden , als jeweils eigene Heilbehandlung. Sind beide Eheleute - wie hier - privat krankenversichert, erwirbt jeder von ihnen einen Kostener- stattungsanspruch gegen seinen Versicherer (vgl. auch - für einen privat krankenversicherten Ehemann und eine gesetzlich krankenversicherte Ehefrau - BGHZ 158, 166, 174).
- 17
- b) Das Berufungsgericht hat bisher nicht geprüft, ob - wie die Klägerin unter Berufung auf einen Sachverständigenbeweis vorgetragen hat - auch ihre körperliche Beeinträchtigung für sich genommen die künstliche Befruchtung mittels einer IVF-Behandlung erforderte oder ob - wie die Beklagte behauptet - diese Behandlung hier ausschließlich wegen der mangelnden Beweglichkeit der Spermien des Ehemannes geboten war, während zur Behebung der Infertilität der Klägerin eine Hormontherapie ausgereicht hätte. Das wird in der neuen Verhandlung mit sachverständiger Hilfe zu klären sein.
- 18
- 3. Weiter kommt es auf die medizinische Notwendigkeit im Übrigen und dabei insbesondere die Erfolgsaussichten der IVF/ICSI-Behandlungszyklen an (vgl. dazu BGHZ 164, 122, 128 ff; 133, 208, 215; 99, 228, 235). Dafür gelten die vom Senat in der Entscheidung BGHZ 164, 122 ff. näher dargelegten Maßstäbe.
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 19.10.2004 - 25 O 7489/04 -
OLG München, Entscheidung vom 12.04.2005 - 25 U 5298/04 -
(1) Die Leistungen der Krankenbehandlung umfassen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn
- 1.
diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind, - 2.
nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, daß durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist, - 3.
die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind, - 4.
ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und - 5.
sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a erteilt worden ist.
(2) Absatz 1 gilt auch für Inseminationen, die nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden und bei denen dadurch ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit drei oder mehr Embryonen besteht. Bei anderen Inseminationen ist Absatz 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz und Nr. 5 nicht anzuwenden.
(3) Anspruch auf Sachleistungen nach Absatz 1 besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen. Die Krankenkasse übernimmt 50 vom Hundert der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden.
(4) Versicherte haben Anspruch auf Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen oder von Keimzellgewebe sowie auf die dazugehörigen medizinischen Maßnahmen, wenn die Kryokonservierung wegen einer Erkrankung und deren Behandlung mit einer keimzellschädigenden Therapie medizinisch notwendig erscheint, um spätere medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach Absatz 1 vornehmen zu können. Absatz 3 Satz 1 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.
(5) Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 4.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.
(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.