Oberlandesgericht Hamm Grundurteil, 22. Apr. 2015 - 14 U 19/14
Tenor
Der Klageantrag ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
1
Tatbestand:
2
Die Beklagte zu 1., deren Gesellschafter die Beklagten zu 2. und 3. sind, ist Halterin des Pferdes B. Es befindet sich in dem Stall E in H.
3Der heute 49-jährige Kläger ist ein langjährig erfahrener selbständiger Hufschmied. Er war am 17.12.2010, wie bereits seit einigen Jahren in etwa sechs bis achtwöchigen Zeitabständen, damit beauftragt, den damals 13 Jahre alten Wallach B zu beschlagen. Das Tier, das als brav gilt, wurde aus der Box geholt und in eine Stallgasse gebracht, die dort ca. 3,3m breit ist. Der Beschlagplatz liegt in der Kreuzung zweier Stallgassen (Skizzen Bl. 84, 104 GA). Dort befinden sich rechts und links Verankerungen, an denen die Pferde mit je einem Strick mit Panikhaken befestigt werden können. Ein Panikhaken ist ein Verschluss, der sich im Gegensatz zu einem Karabinerhaken auch unter starkem Zug noch leicht öffnen lässt. Er befindet sich am Ende eines Stricks, der mit dem Halfter des Pferdes verbunden ist. Der Panikhaken wird in der Landwirtschaft und im Reitsport als Sicherheitsinstrument u.a. beim Führen von Pferden eingesetzt. Scheut z.B. ein Pferd, so kann man im Notfall den Panikhaken öffnen und das Tier damit freigeben.
4Die Einzelheiten dessen, was im Verlauf des 17.12.2010 anlässlich des Beschlagens von B auf dem Hof E in H geschah, sind zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls konnte der Kläger seine zunächst begonnene Arbeit nicht fortsetzen. Das Beschlagen des Pferdes B wurde durch einen anderen Schmied, den Zeugen C, zu Ende gebracht.
5Der Kläger seinerseits musste im weiteren Verlauf des 17.12.2010 das St. B1-Hospital in H aufsuchen. Dort wurde er ambulant versorgt. In den folgenden Jahren begab sich der Kläger mehrfach zu ambulanten und stationären Behandlungen zu niedergelassenen Ärzten und in Krankenhäuser.
6Der Kläger machte Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung der Beklagten geltend. Er gab an, am 17.12.2010 durch das Pferd B schwer verletzt worden zu sein. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten sprach zwar von einem „bedauerlichen Unfall“ (Schreiben der S Allgemeine Versicherung vom 04.01.2012; Bl. 22/23 GA), wies aber die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche zurück, da er als Hufschmied tierisches Verhalten genau kenne und offenbar keine ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen beim Beschlag getroffen habe.
7Im vorliegenden Rechtsstreit macht der Kläger eine bezifferte Schadensersatzforderung, ein angemessenes Schmerzensgeld sowie die Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten – jeweils nebst gesetzlicher Zinsen – geltend. Im Übrigen begehrt er ab dem 01.08.2013 eine monatlich im Voraus fällige Rente sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für seine weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 17.12.2010.
8Der Kläger hat behauptet, er habe seine Tätigkeit als Hufschmied am Unfalltag regelgerecht verrichtet. Vor Beginn seiner Arbeit habe er eine Sichtkontrolle der Panikhaken vorgenommen und deren mechanische Funktionsweise überprüft. Diese seien ordnungsgemäß gewesen. Er habe sodann den Huf des Pferdes mit dem Rücken zum Kopf des Tieres stehend aufgenommen und zwischen seinen Beinen gesichert. Er habe B beidseitig am Halfter angebunden, um die Hufe zu beschlagen. Das Pferd sei links und rechts an den Verankerungen in der Stallgasse fixiert gewesen. Zunächst habe der Kläger an beiden Hinterbeinen des Tieres die Eisen abgenommen und neue befestigt. Zu diesem Zeitpunkt habe sich B in einem ruhigen Zustand befunden. Dann habe der Kläger das Eisen am rechten Vorderbein abgezogen und das Pferd ausgeschnitten. Nachfolgend sei er auf das linke Bein des Tieres gewechselt, habe dieses ordnungsgemäß aufgenommen und gehalten. Plötzlich sei B ohne jeden Grund mit beiden Hinterbeinen und dem rechten Vorderbein einen Schritt nach vorne gegangen. Hier habe der Kläger den linken Huf noch halten können. Das Pferd habe dann aber blitzschnell das abgewinkelte linke Bein nach vorne durchgestreckt und sei dabei nach hinten gesprungen. Hierdurch sei der Kläger seitlich zu dem Tier gedreht worden. In dieser Sekunde sei B nach vorn gesprungen, als ob er ein hohes Hindernis habe überspringen wollen. Der rechte Panikhaken habe sich aus der Verankerung gelöst. Das Pferd, das nunmehr von dem rechten Strick nicht mehr gehalten worden sei, habe einen Satz in die Luft gemacht, sei nach links in die Richtung des Klägers gesprungen und dort direkt auf dessen rechtem Fuß gelandet. Der Kläger sei umgeknickt und umgefallen. B habe noch ein weiteres Mal seitlich – wie bei einer Grätsche im Fußball - getreten. Dabei sei der Kläger wiederum am rechten Fuß verletzt worden. Der Abdruck des Hufeisens passe insoweit eindeutig überein mit den Beschädigungen am rechten Sicherheitsschuh des Klägers, den er am Unfalltag getragen habe. Durch die Sicherheitsschuhe seien die Verletzungen mithin nicht zu vermeiden oder zu vermindern gewesen. Ein Ausweichen sei dem Kläger aufgrund der plötzlichen Bewegung des Pferdes nicht möglich gewesen. Dies alles sei innerhalb weniger Sekunden geschehen. Den Beschlagplatz habe der Kläger richtig gewählt. Dort hätten sich der Körper und die Hufe des Pferdes in einem Arbeitsbereich befunden, der eine Länge von 6m und im Bereich des Tieres eine Breite von 5,5m aufweise. Die Stalltür sei nach außen geschlossen gewesen, anderenfalls wäre es angesichts der damaligen Wetterbedingungen auch viel zu kalt geworden. Im Allgemeinen werde ein Arbeitsplatz gefordert, der mindestens 20m² umfasse. Er solle trocken, sauber und windgeschützt sein. Der Boden solle eben und trittsicher sein, um damit die Gefahr des Ausrutschens zu minimieren. Es sollten ferner ausreichend Lichtquellen zur Verfügung stehen.
9Weiterhin hat der Kläger behauptet, es sei zu dem Unfall gekommen, weil das Pferd „geblistert“ gewesen sei. So sei es ihm unmittelbar danach von dem Zeugen C erzählt worden. Beim Blistern werden die Vorderseiten der Röhrbeine des Pferdes mit einer sensibilisierenden chemischen Substanz eingerieben, wodurch die Haare ausfallen. Daher verursachen Berührungen den Tieren Schmerzen. Sie springen deshalb höher, um ein Anstoßen an der Stange zu vermeiden. Es liege nahe, dass B während des Beschlagens aufgrund des schmerzempfindlichen Röhrbeins in der beschriebenen Weise reagiert habe. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagten ihn entsprechend hätten informieren müssen. Er habe zwar erkannt, dass an beiden Vorderbeinen im Bereich der Röhrbeine auf der Vorderseite kein Fell vorhanden gewesen sei. Darüber habe er allerdings nicht weiter nachgedacht. Er sei vielmehr davon ausgegangen, dass bei dem Pferd medizinische Untersuchungen durchgeführt worden seien, die das Abrasieren des Fells notwendig gemacht hätten.
10Weiterhin hat der Kläger behauptet, er habe aufgrund des Unfalls mit dem Pferd der Beklagten komplexe Verletzungen des Fußgelenks und des oberen Sprunggelenks mit Bone-Bruise in der distalen Tibia, im Calcaneus sowie im Os cuboideum und in den Basen der Metatarsalia 3 und 4 erlitten. Deshalb seien umfangreiche – im Einzelnen näher vorgetragene - medizinische Untersuchungen, Operationen und Behandlungen durchgeführt worden. Im Februar 2011 habe er einen Arbeitsversuch unternommen, den er nach wenigen Stunden aufgrund der Schmerzen habe abbrechen müssen. Insgesamt sei er seit dem Unfall bis heute durchgehend absolut arbeitsunfähig gewesen und nunmehr auch als dauerhaft arbeitsunfähig einzustufen. Körperlich sei er erheblich in seiner Bewegung eingeschränkt. Der Fortgang des Heilungs- und Genesungsverlaufs könne nicht prognostiziert werden.
11Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, dass den Kläger jedenfalls ein nicht unerhebliches Mitverschulden an der Schadensverursachung treffe. So werde vorsorglich bestritten, dass er Sicherheitsschuhe getragen habe. Zudem hätte er sich bei seinen Arbeiten eines „Aufhalters“ bedienen müssen. Dabei handele es sich um eine Hilfsperson, die jeweils den entsprechenden Huf des Pferdes anhebe, um so dem Schmied ein ungestörtes Arbeiten zu ermöglichen. Zusätzlich sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger bei unterstellter Richtigkeit seines Vortrags jedenfalls einen ungeeigneten Beschlagplatz für seine Tätigkeit gewählt hätte. So sei an die maßgeblichen Örtlichkeiten die Anforderung zu stellen, dass der Hufschmied jederzeit dazu in der Lage sein müsse, den Bereich, den das angebundene Pferd mit seinen Beinen erreichen könne, zu verlassen. Im Übrigen habe B an einer Stelle gestanden, wo er durch die offene Stalltür habe nach draußen blicken können.
12Soweit der Kläger einen Anspruch aus § 833 BGB geltend mache, käme eine Entlastung gem. § 833 S. 2 BGB in Betracht. Insoweit haben die Beklagten behauptet, dass B zu ihrem Beruf bzw. zu ihrer Erwerbstätigkeit zu dienen bestimmt sei. Es handele sich um ein Sport- und Turnierpferd, das regelmäßig mit dem Beklagten zu 3. als Reiter an Springprüfungen teilnehme und dabei nicht unerhebliche Gewinne erzielt habe. Aus dem Jahrbuch Sport und Zucht 2012 lasse sich entnehmen, dass B in seinem Leben bis dahin bereits eine Gewinnsumme von mehr als 20.000,00 € erzielt habe. Allein in den fünf Jahren zuvor habe er an mehr als 100 Springen teilgenommen. Die Entlastung gem. § 833 S. 2 BGB folge bereits aus dem eigenen Vortrag des Klägers. Wenn dieser nämlich durchweg ordnungsgemäß und beanstandungsfrei gehandelt haben sollte, so hätte sich der Unfall unverändert genauso ereignet, wenn die Beklagten seinerzeit zugegen gewesen wären und das Pferd beaufsichtigt hätten. B habe nicht dazu geneigt durchzugehen. Im Übrigen sei der Kläger durch die Übernahme seiner Tätigkeit zu einem Tierhüter gem. § 834 BGB geworden. Daher werde sein Mitverschulden im Rahmen des § 833 BGB vermutet. Der Kläger habe sich nach § 834 S. 2 BGB zu entlasten.
13Das Landgericht hat den Kläger und den Beklagten zu 3. persönlich angehört (Bl. 176/177 GA). Im Übrigen hat es Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen C (Bl. 237-239 GA). Sodann hat das Landgericht durch Grundurteil die Klage – unter Abweisung im Übrigen – dem Grunde nach bei einer Haftungsquote von 1/3 für begründet erklärt. Es hat insofern im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Kläger gegen die Beklagten zwar ein Schadensersatzanspruch aus § 833 BGB zustehe, darauf jedoch ein überwiegendes Mitverschulden gem. § 254 BGB angerechnet werden müsse. Die Tierhalterhaftung greife dem Grunde nach auch dann ein, wenn sich ein Hufschmied im Rahmen seiner berufsmäßigen Tätigkeit gegen Entgelt einer Gefährdung aussetze. Jedoch habe sich der Kläger hinsichtlich eines Mitverschuldens nicht ausreichend entlastet. Hierfür sei er darlegungs- und beweisbelastet. Zwar gehe das Gericht nach der Würdigung der Parteianhörung des Klägers davon aus, dass er das Pferd vor dem Beschlagen durch Anbinden jeweils an beiden Panikhaken auf beiden Seiten des Beschlagplatzes gesichert habe. Jedoch habe er sich nach seinem eigenen Vorbringen nicht entlastet. Er habe nämlich angegeben, dass die Vorderbeine des Pferdes an den Fesseln rasiert gewesen seien. Weil solche Rasierstellen vorhanden gewesen seien, sei davon auszugehen, dass das Pferd im Bereich der Fesseln an den Vorderbeinen Beeinträchtigungen an den Sehnen gehabt habe, die jedenfalls kurz zuvor vom Tierarzt behandelt worden seien. Es spreche hiernach der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Hochspringen des Pferdes und letztlich der Unfall darauf beruhten, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Beschlagen in irgendeiner nicht aufgeklärten Weise an die Fesseln geraten sei und dem Tier Schmerzen zugefügt habe. Einen derartigen Kontakt, der so intensiv gewesen sei, dass das Pferd schmerzempfindlich reagiert habe und aufgestiegen sei, hätte der Kläger bei seiner Arbeit allerdings vermeiden müssen. Entweder habe er das Pferd nicht ordnungsgemäß beschlagen, oder er hätte von einem Beschlagen Abstand nehmen müssen. Insofern handele es sich zwar nicht um ein grobes Verschulden, sondern lediglich um eine einfache Fahrlässigkeit des Klägers. Jedoch wiege auch eine solche im Rahmen der gem. § 254 BGB gebotenen Abwägung schwerer als die bloße Gefährdungshaftung der Beklagten. Deshalb gehe das Gericht von einer Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Klägers aus. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Grundurteils des Landgerichts Münster vom 30.04.2014 (Bl. 256-259 GA).
14Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich der Kläger mit der Berufung. Zur Begründung führt er aus, dass ihm das Landgericht zu Unrecht ein Mitverschulden gem. § 254 BGB angerechnet habe. Der Kläger habe sich der Tiergefahr aufgrund des abgeschlossenen Hufschmiedevertrages ausgesetzt, ohne dadurch Tierhüter zu werden. Damit seien die Beklagten darlegungs- und beweisbelastet für die tatsächlichen Voraussetzungen eines haftungsmindernden Mitverschuldens. Ohnehin sei ein Mitverschulden nicht daraus herzuleiten, dass die Vorderbeine des Pferdes an den Fesseln rasiert gewesen seien. Dies sei, z.B. wenn eine tierärztliche Untersuchung stattgefunden habe, ein vollständig normaler Vorgang. Daraus ließen sich keine zwingenden Rückschlüsse darauf ziehen, dass das Pferd an den rasierten Stellen besonders empfindlich sei. Sollte dies allerdings der Fall gewesen sein, so hätten die Beklagten den Kläger darauf hinweisen müssen. Hingegen entbehre der von dem Landgericht angenommene Beweis des ersten Anscheins jeglicher Grundlage. Ein solcher sei nur dann überhaupt gegeben, wenn ein Sachverhalt feststehe, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder einen bestimmten Geschehensablauf hinweise. Hier mangele es jedoch bereits am Feststehen eines Sachverhaltes, da weder bewiesen worden sei, dass das Pferd geblistert gewesen wäre, noch dass B im Bereich der Röhrbeine vorne rasiert gewesen wäre. Das Landgericht unterstelle auch ohne jeden Anlass und tiermedizinisch falsch, dass bei dem Tier ein - ggf. intensiver - Kontakt zu einer derart schmerzempfindlichen Reaktion geführt haben müsse, dass es aufgestiegen sei. Tatsächlich könne es bei einem Pferd jederzeit aufgrund nicht vorhersehbarer Umstände zu einer solchen Reaktion kommen. Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen auf die Berufungsbegründung der Rechtsanwälte Dr. L pp. in N vom 13.08.2014 verwiesen (Bl. 279-285 GA).
15Der Kläger beantragt,
16das Grundurteil des Landgerichts Münster vom 30.04.2014 abzuändern und die Klage dem Grunde nach bei einer Haftungsquote von 100% für gerechtfertigt zu erklären;
17im Übrigen, die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.
18Die Beklagten beantragen,
19die Berufung zurückzuweisen;
20im Übrigen – im Wege der Anschlussberufung – das Grundurteil des Landgerichts Münster vom 30.04.2014 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
21Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung, soweit dadurch die Klage abgewiesen worden ist. Das Landgericht habe frühzeitig darauf hingewiesen, dass der Kläger im Zeitpunkt des Beschlagens Tieraufseher i.S.d. § 834 BGB gewesen sei. Dies habe nach der Rechtsprechung zur Folge, dass er sich hinsichtlich eines ihm vorzuwerfenden Mitverschuldens entlasten müsse. In diesem Zusammenhang spreche – wie das Landgericht zutreffend ausführe - vieles dafür, dass der Kläger bei dem Beschlagen in irgendeiner Weise an die Fesseln des Pferdes geraten sei und dem Tier Schmerzen zugefügt habe. Einen derartigen Kontakt hätte er jedoch bei seiner Arbeit unbedingt vermeiden müssen.
22Im Übrigen haben die Beklagten ihrerseits nach dem Ablauf der eigentlichen Berufungsfrist eine unselbständige Anschlussberufung eingelegt, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiterverfolgen. Zur Begründung führen sie aus, es sei bereits nicht bewiesen, dass sich die Tiergefahr im vorliegenden Fall überhaupt realisiert habe. Zu Unrecht habe es das Landgericht als unstreitig angesehen, dass sich der Unfall beim Beschlagen des Pferdes ereignet habe. Außerdem sei von ihnen bereits erstinstanzlich insbesondere auch bestritten worden, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz ordnungsgemäß eingerichtet und beim Beschlagen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet habe. Demgegenüber sei der Kläger beweisfällig geblieben. Seine Angaben dazu in der informatorischen Parteianhörung hätten grundsätzlich nicht zu Beweiszwecken dienen können. Dies gelte letztlich auch deswegen, weil der Kläger nicht als uneingeschränkt glaubwürdig angesehen werden könne. Inhaltlich habe er selbst ausgeführt, nicht zu wissen, warum sich das Pferd losgerissen habe. Kenne er aber die Ursache nicht, so könne er sich im Ergebnis auch nicht exculpieren. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger es schlichtweg versäumt habe, das Pferd überhaupt rechts zu befestigen, oder dass er einen anderen Fehler begangen habe. Ferner hätte das Landgericht bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge ein derartiges Überwiegen des Verschuldens des Klägers ansetzen müssen, dass die Tiergefahr auf der Beklagtenseite dahinter vollständig zurückgetreten wäre. Wenn nämlich das Pferd nach eigenem Vorbringen des Klägers und den Wertungen des Gerichts ungewöhnlich schmerzempfindlich gewesen sein sollte, dann hätte der Hufschmied besonders sanft vorgehen müssen. So aber hätte der Kläger die von ihm behauptete Reaktion des Tieres geradezu selbst provoziert.
23Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Rechtsanwälte I & Collegen in L vom 20.08.2014 (Bl. 290/291 GA), 17.11.2014 (Bl. 314-319 GA) und 13.04.2015 (Bl. 343/344 GA) Bezug genommen.
24Wegen aller weiteren Einzelheiten im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
25Der Senat hat den Kläger und den Beklagten zu 3. persönlich angehört. Im Übrigen ist Beweis erhoben worden durch Parteivernehmung des Klägers sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, das in der Verhandlung vom 22.04.2015 durch Dr. med. vet. T mündlich erstattet worden ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll (Bl. 350-351R GA) und den Berichterstattervermerk (Bl. 357-359 GA) vom 22.04.2015 Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe:
27Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.
28Hingegen bleibt die Anschlussberufung der Beklagten ohne Erfolg.
29A. Klageforderung – dem Grunde nach
30Dem Kläger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner (§§ 421 ff. BGB) dem Grunde nach ein – ungekürzter - Schadensersatzanspruch aus Tierhalterhaftung gem. § 833 S. 1 BGB zu.
31I. Passivlegitimation
32Die Beklagten sind passivlegitimiert. Die Beklagte zu 1. ist als Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Halterin des Pferdes B. Die Beklagten zu 2. und 3. sind ihre Gesellschafter – sie haften daher ohnehin als Gesamtschuldner (Palandt-Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Auflage, § 714 Rdz. 16). Da im Übrigen nicht ersichtlich ist, dass die Haftung eines der Gesellschafter begrenzt sein könnte, bestehen keine Bedenken dagegen, auch in deren Verhältnis zu der Beklagten zu 1. von einer Haftung nach Gesamtschuldregeln i.S.d. §§ 705 ff., 714 BGB auszugehen (vgl. Palandt-Sprau, § 714 Rdz. 15).
33II. Realisierung der Tiergefahr
34Der Kläger ist gem. § 833 BGB durch ein Tier verletzt worden.
35Die Norm begründet eine Gefährdungshaftung, deren gesetzgeberischer Hintergrund in dem unberechenbaren oder auch instinktgemäßem tierischen Verhalten und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter liegt, also in der Verwirklichung der Tiergefahr (BGH NJW 2014, 2434). Dabei erfordert „durch ein Tier“ i.S.d. § 833 BGB einen Zurechnungszusammenhang zwischen dem tierischen Verhalten und dem Schaden, d.h. die Rechtsgutsverletzung muss ihre Ursache in der Verwirklichung spezifischer oder typischer Gefahren in der Natur des Tieres haben (Palandt-Sprau, § 833 Rdz. 6 mwN). Bei Pferden kann beispielhaft auf das Scheuen oder das Durchgehen verwiesen werden (OLG Düsseldorf VersR 1995, 186).
361.
37Diese Voraussetzungen hat der Kläger schlüssig vorgetragen. Hierzu genügt die Behauptung, B habe ihn zweimal getreten und dadurch u.a. komplexe Verletzungen des Fußgelenks und des oberen Sprunggelenks verursacht. Auf die umfassenden Überlegungen der Parteien, wie sich der Sachverhalt in seinen einzelnen Details abgespielt haben könnte, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
382.
39Der Anschlussberufung ist zwar zuzubilligen, dass das Landgericht hier von einem unstreitigen Sachverhalt ausgegangen ist, obwohl die Beklagten das Vorbringen des Klägers beinahe vollumfänglich mit Nichtwissen gem. § 138 IV ZPO bestritten hatten, was auch das Tatbestandsmerkmal einer Verletzung „durch ein Tier“ umfasst. Insofern muss nicht vertieft werden, ob dieses Bestreiten mit Nichtwissen noch mit der Prozessförderungspflicht der Beklagten in Einklang zu bringen ist, nachdem diese nicht den Eindruck vermittelt haben, als hätten sie sich bemüht, die naheliegendsten und zumutbaren Informationen zum Kerngeschehen des Falles in ihrer Einflusssphäre auch tatsächlich einzuholen. So hätte es sich ihnen durchaus aufdrängen können, vor ihrem pauschalen Bestreiten zumindest einmal Erkundigungen (z.B. bei dem Zeugen C oder den sonstigen damals Anwesenden auf dem Hof E) über das Geschehen anzustellen, nachdem der Kläger geltend gemacht hat, durch das Pferd der Beklagten verletzt worden zu sein.
403.
41Jedoch ist der Senat jedenfalls nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Kläger i.S.d. § 833 BGB durch das Pferd der Beklagten verletzt worden ist. Dies beruht auf der Würdigung der Parteivernehmung im Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 22.04.2015. Zeugen für den eigentlichen Vorfall sind unstreitig nicht vorhanden. Dementsprechend hat der Kläger zu Beweiszwecken seine eigene Vernehmung als Partei angeregt.
42a)
43Dabei kam eine Parteivernehmung des für das Tatbestandsmerkmal einer Verletzung „durch ein Tier“ beweisbelasteten Klägers gem. § 447 ZPO nicht in Betracht, da die Beklagten ihre Zustimmung hierzu verweigert haben.
44b)
45Jedoch konnte eine Parteivernehmung des Klägers von Amts wegen gem. § 448 ZPO vorgenommen werden. Prozessuale Voraussetzung dafür ist, dass nach bereits erfolgter Beweis- oder Sachverhaltswürdigung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung spricht (BGH NJW 1999, 363; OLG Köln VersR 1995, 967). Dabei muss zwar nicht notwendig eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung bestehen, aber es muss mehr für als gegen sie sprechen (Zöller-Greger, Zivilprozessordnung, 30. Auflage, § 448 Rdz. 4 mwN).
46Dies ist vorliegend der Fall. Den Ausgangspunkt bilden dabei das wechselseitige schriftsätzliche Vorbringen sowie der unmittelbare persönliche Eindruck von den Parteianhörungen des Klägers und des Beklagten zu 3. gem. § 141 ZPO. Dabei kommt es hier nicht auf Einzelheiten des zwischen den Parteien umstrittenen konkreten Geschehensablaufs an, sondern nur auf das Ergebnis, dass der Kläger – jedenfalls irgendwie letztlich – durch das Pferd B verletzt worden ist („durch ein Tier“). Die erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit einer solchen Behauptung ergibt sich zunächst bereits aus der Alternativlosigkeit des Sachverhalts. Es ist von den Beklagten nicht vorgetragen worden und auch anderweitig nicht einmal ansatzweise ersichtlich, wie und warum sonst der Kläger nach der Aufnahme seiner Tätigkeit als Hufschmied für B verletzt worden sein sollte. Im Übrigen hat der Zeuge C, dessen erstinstanzliche Aussage ansonsten gerade nicht zu Gunsten des Klägers ausgefallen war, im Rahmen seiner Vernehmung durch das Landgericht zumindest stets von einem „Unfall“ gesprochen (vgl. Bl. 237/238 GA). Diese Formulierung ist insoweit aufschlussreich, als dass der Zeuge die von dem Kläger begonnene Tätigkeit, B zu beschlagen, letztlich zu Ende gebracht hat. Er muss also in irgendeiner Form einen Überblick erlangt haben über das, was zuvor geschehen war („Unfall“). Im Übrigen erwähnen auch die Beklagten selbst in ihrem Schriftsatz vom 25.09.2013 (dort Seite 5; Bl. 199 GA) zumindest, dass der Kläger „verunfallt“ sei. Vorprozessual war ohnehin nicht in Abrede gestellt worden, dass ein Unfall als solcher zwischen dem Kläger und dem Pferd stattgefunden hatte. In ihrem Schreiben vom 04.01.2012 spricht die Haftpflichtversicherung der Beklagten ihrerseits sogar von einem „bedauerlichen Unfall“ (vgl. Bl. 22/23 GA).
47c)
48Der Senat ist von der Richtigkeit der Darstellung des Klägers im Rahmen seiner Parteianhörung gem. § 141 ZPO und Parteivernehmung gem. § 448 ZPO überzeugt. Danach sei B beim Beschlagen der Vorderbeine plötzlich hochgesprungen. Entweder sei der Strick oder der Panikhaken gerissen. Das Pferd habe den Kläger herumgezogen, sich auf die Hinterbeine gestellt und ihm danach zweimal auf den Fuß getreten. Das alles sei innerhalb von anderthalb Sekunden geschehen. Der Kläger habe keine Chance gehabt, dort wegzukommen (Seiten 2/3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 22.04.2015; Bl. 350R/351 GA)
49Insgesamt bestehen für den Senat keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Kläger „durch ein Tier“ verletzt, nämlich von B getreten worden ist. Dabei werden die Ansätze der Würdigung, die vorstehend bereits zu der Zulässigkeit einer Parteivernehmung von Amts wegen geführt hatten (s.o.), bis hin zu der für eine Beweisführung erforderlichen Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) vervollständigt, weil die grundlegende Darstellung des Klägers uneingeschränkt lebensnah, in sich schlüssig und widerspruchsfrei erscheint. Dass er den durch das Pferd verursachten Unfall etwa nur erfunden haben könnte, lässt sich mit Sicherheit ausschließen. Dementsprechend hat auch der Sachverständige Dr. med. vet. T in seiner mündlichen Begutachtung gegenüber dem Senat gewürdigt, dass die Ausführungen des Klägers „absolut“ plausibel seien, und hat hierzu im weiteren Verlauf der Vernehmung nachvollziehbar den Charakter eines Pferdes als Fluchttier erläutert (Seiten 4/5 des Berichterstattervermerks vom 22.04.2015; Bl. 358R/359 GA).
50III. Haftungsausschluss - Handeln auf eigene Gefahr
51Die Tierhalterhaftung der Beklagten ist vorliegend nicht aufgrund von Handelns auf eigene Gefahr seitens des Klägers ausgeschlossen.
521.
53Den dogmatischen Ansatz für diese Fallgruppe können das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) oder Erwägungen zum Schutzzweck der Norm bilden (BGH, Urteil vom 25.03.2014, Az. VI ZR 372/13, Tz. 7 ff.; BGH, Urteil vom 20.12.2005, Az. VI ZR 225/04, Tz. 11/12; OLG Celle, Urteil vom 11.06.2012, Az. 20 U 38/11, Tz. 29 ff. – jeweils zitiert nach juris). Der Tatbestand des Handelns auf eigene Gefahr ist erfüllt, wenn sich jemand bewusst in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt. Er setzt die Übernahme von Risiken voraus, die über das übliche Ausmaß deutlich hinausgehen. Deshalb greift dieser Ansatz gegenüber der Tierhalterhaftung nur dann ein, wenn sich der Verletzte bewusst Risiken aussetzt, die über die normale Tiergefahr hinausgehen (BGH NJW 2013, 2661; Palandt-Grüneberg, § 254 Rdz. 32 mwN). Ein Ausschluss der Haftung kommt dabei nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Tier erkennbar böse ist oder erst zugeritten werden muss oder wenn der Ritt als solcher spezifischen Gefahren unterliegt, wie beispielsweise beim Springen oder bei der Fuchsjagd (BGH, Urteil vom 20.12.2005, Az. VI ZR 225/04, Tz. 12 – zitiert nach juris). Hingegen bleibt die Haftung in der Regel bestehen, soweit sich der Geschädigte der Tiergefahr ausgesetzt hat, um aufgrund vertraglicher Absprache mit dem Tierhalter Verrichtungen an dem Tier vorzunehmen. Von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinne kann nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger – rechtlicher, beruflicher oder sittlicher – Grund vorliegt. Denn Grundlage eines Haftungsausschlusses wegen Handelns auf eigene Gefahr ist der Grundsatz von Treu und Glauben und das sich hieraus ergebende Verbot widersprüchlichen Handelns. Von einem widersprüchlichen Verhalten kann erkennbar nicht die Rede sein, wenn z.B. eine vom Tierhalter veranlasste ärztliche Behandlung des Tieres in Frage steht. Hier liegt ein triftiger Grund dafür vor, dass der Tierarzt sich der Tiergefahr aussetzt (Verletzung eines Tierarztes beim rektalen Fiebermessen eines Pferdes: BGH, Urteil vom 17.03.2009 – Az. VI ZR 166/08; Hundebiss zum Nachteil eines Tierarztes: OLG Celle, Urteil vom 11.06.2012, Az. 20 U 38/11, Tz. 31 – dort unter ausdrücklichem Hinweis auf den Hufschmiedfall des BGH: Urteil vom 28.05.1968 – VI ZR 35/67, Tz. 8 – zitiert nach juris - ähnlich auch der Hundebiss zum Nachteil der Betreiberin einer Hundepension: BGH, Urteil vom 25.03.2014, Az. IV ZR 372/13).
542.
55Diese Überlegungen lassen sich sowohl abstrakt auf die Leistung eines Hufschmieds als auch konkret auf den vorliegenden Fall übertragen. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Hufschmied durch Abschluss des Werkvertrages allein noch nicht die Gefahr einer Verletzung durch das Tier übernimmt. Denn es entspricht weder der Interessenlage noch den Erfordernissen von Treu und Glauben, dass der Hufschmied, der sich der mit dem Beschlag notwendig verbundenen Tiergefahr aussetzen muss, um seinen Lebensunterhalt zu erwerben, auch die durch die Tiergefahr hervorgerufenen Schadensfolgen auf sich nimmt, die das Gesetz dem Tierhalter als dem Urheber der Gefahr anlastet. Zum Wesen des Beschlagvertrages gehört es, dass der Hufschmied sich einer erhöhten Tiergefahr aussetzt, nicht dagegen, dass er den Tierhalter von seiner gesetzlichen Haftung für Schadensfolgen entbindet, die aus der Tiergefahr erwachsen können. Es kann nicht angenommen werden, dass der Wille des Hufschmieds beim Abschluss des Beschlagvertrages regelmäßig dahin geht, den Tierhalter von seiner gesetzlichen Haftung zu entbinden (BGH, Urteil vom 28.05.1968 – VI ZR 35/67, Tz. 8 – zitiert nach juris; zum Tierarzt: BGH, Urteil vom 17.03.2009 – Az. VI ZR 166/08).
56Darüber hinausgehende einzelfallspezifische Anhaltspunkte, die dafür sprechen könnten, dass sich der Kläger im vorliegenden Fall einer das allgemeine Risiko eines Hufschmieds beim Beschlag des Pferdes übersteigenden erhöhten Gefahr bewusst ausgesetzt haben könnte, sind nicht ersichtlich. Er hatte B vor dem Unfall bereits seit mehreren Jahren regelmäßig alle sechs bis acht Wochen beschlagen. Das Tier wurde unwidersprochen als brav bzw. gutmütig eingeschätzt. Es neigt nicht dazu durchzugehen.
57IV. Mitverschulden
58Der somit dem Grunde nach bestehende Anspruch des Klägers gegen die Beklagten ist auch nicht aufgrund eines Mitverschuldens gem. § 254 I BGB anteilig oder vollständig zu kürzen. Hierin liegt allerdings der gesetzliche Anknüpfungspunkt für die Angriffe der Beklagten, nachdem die Fallgruppe des Handelns auf eigene Gefahr nicht einschlägig ist (siehe zuletzt auch BGH NJW 2014, 2434/2435). Jedoch haben sie die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Mitverschulden des Klägers nicht beweisen können.
591.
60Die Beweislast für die ein Mitverschulden des Klägers begründenden tatsächlichen Umstände liegt bei den Beklagten.
61a)
62Generell trägt der Ersatzpflichtige die Beweislast für das Verschulden des Geschädigten und dessen Ursächlichkeit, im Anwendungsbereich des § 833 BGB also der Tierhalter (BGH VersR 2005, 1254, 1256). Dass dieser zu den Handlungen des Geschädigten beim Umgang mit dem Tier möglicherweise mangels Kenntnis nicht ausreichend vortragen kann, rechtfertigt keine Umkehr der Beweislast. Der Geschädigte hat insoweit im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast konkret zu seinem Handeln vorzutragen, der Schädiger hat sodann zu beweisen, inwieweit der Vortrag des Geschädigten unrichtig ist (BGHZ 163, 209, 214; BGHZ 100, 190, 195 f.; Palandt-Grüneberg, § 254 Rdz. 72 mwN).
63Diesen Anforderungen ist der Kläger gerecht geworden. Er hat sowohl schriftsätzlich als auch in den erst- wie zweitinstanzlichen Anhörungen den in seiner alleinigen Wahrnehmungssphäre liegenden Hergang des Unfalls detailliert geschildert. Nach den herkömmlichen Grundregeln tragen die Beklagten damit die Beweislast, die Darstellung des Geschädigten zu widerlegen.
64aa)
65Für die Beweisführung der Beklagten zu den tatsächlichen Voraussetzungen eines Mitverschuldens des Klägers gilt somit der Maßstab des § 286 ZPO. Im Sinne dieser Norm ist von einer hinreichenden richterlichen Überzeugungskraft allerdings erst dann auszugehen, wenn für das Beweisergebnis ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass vernünftigerweise in Betracht kommende Zweifel ausgeschlossen sind. Das bedeutet nicht, dass die Wahrheit mit absoluter Sicherheit feststehen muss. Erforderlich ist jedoch ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, der „Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen“ (BGH NJW-RR 1994, 567; BGH NJW 1993, 935).
66bb)
67Grundsätzlich könnten zwar in diesem Rahmen die Grundsätze des Anscheinsbeweises anwendbar sein (Palandt-Grüneberg, § 254 Rdz. 72). Diese sind aber im vorliegenden Fall nicht einschlägig.
68(1)
69Zwar ist das Landgericht von einem Anscheinsbeweis zu Gunsten der Beklagten ausgegangen. Der Kläger habe nämlich angegeben, dass die Vorderbeine des Pferdes an den Fesseln rasiert gewesen seien. Weil solche Rasierstellen vorhanden gewesen seien, sei davon auszugehen, dass das Pferd im Bereich der Fesseln an den Vorderbeinen Beeinträchtigungen an den Sehnen gehabt habe, die jedenfalls kurz zuvor vom Tierarzt behandelt worden seien. Es spreche hiernach der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Hochspringen des Pferdes und letztlich der Unfall darauf beruhten, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Beschlagen in irgendeiner nicht aufgeklärten Weise an die Fesseln geraten und dem Tier Schmerzen zugefügt habe. Einen derartigen Kontakt, der so intensiv gewesen sei, dass das Pferd schmerzempfindlich reagiert habe und aufgestiegen sei, hätte der Kläger bei seiner Arbeit allerdings vermeiden müssen. Entweder habe er das Pferd nicht ordnungsgemäß beschlagen, oder er hätte von einem Beschlagen Abstand nehmen müssen.
70(2)
71Tatsächlich erscheint aber der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt nicht geeignet, einen Anscheinsbeweis zu begründen. Ein solcher erfordert nämlich grundlegend, dass ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder eine bestimmte Folge hinweist und so sehr das Gepräge des Üblichen und Gewöhnlichen trägt, dass die besonderen individuellen Umstände in ihrer Bedeutung zurücktreten (BGH NJW-RR 2010, 1331; BGH NJW-RR 2005, 1183-1185). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Dem steht nämlich schon von vornherein entgegen, dass es sich bei dem Beschlagen eines Pferdes durch den Hufschmied nicht um einen typischen Geschehensablauf handelt, den jedermann anhand der allgemeinen Lebenserfahrung einordnen kann, sondern um einen Sachverhalt, dessen Verständnis exclusive Spezialkenntnisse erfordert. Der tatsächliche Zusammenhang zwischen Berührungen des Hufschmieds an bestimmten Stellen der Beine eines Pferdes und der Reaktion des Tieres darauf trägt nicht das Gepräge des Üblichen und Gewöhnlichen.
72Wenn aber der konkrete Grund für das Verhalten des Pferdes B ungeklärt ist, wäre jeder weitere Erklärungsversuch auf bloße Spekulationen angewiesen und ließe somit unterschiedliche denkbare Lebenssachverhalte offen, in denen sich die typische Unberechenbarkeit oder Instinktmäßigkeit tierischen Verhaltens realisiert haben mag. Gerade auf einer solchen Ungewissheit gründet aber die gesetzgeberische Intention für die durch § 833 BGB statuierte Gefährdungshaftung (s.o.).
73Im Ergebnis bleibt es daher bei der prozessualen Grundkonstellation, dass die rechtliche Würdigung eines ungeklärten Sachverhalts zum Nachteil des Beweisbelasteten ausfällt. Im Hinblick auf die tatsächlichen Voraussetzungen des Mitverschuldenseinwands gem. § 254 BGB trifft dies den Schädiger, vorliegend also die Beklagten.
74b)
75Etwas Anderes ergibt sich hier auch nicht aus der Tierhüterhaftung gem. § 834 BGB. Zwar muss derjenige, der die Obhut über ein Tier übernommen hat, im Rahmen des Mitverschuldens gem. § 254 BGB auch die Vermutung des § 834 BGB gegen sich gelten lassen und hat entsprechend den Entlastungsbeweis zu erbringen (BGH NJW 1992, 2474; OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.10.2008, Az. 9 U 75/07; Tz. 22 – zitiert nach juris). Insofern kann sich die Beweislast umkehren. Dann hat der Vertragspartner entweder die gehörige Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten bei Verrichtungen an und mit dem Tier zu beweisen oder aber, dass der Schaden auch ohne sein Verschulden entstanden sein würde (Palandt-Sprau, § 833 Rdz. 21, § 834 Rdz. 3).
76Dieser Ansatz greift jedoch vorliegend nicht durch. Der Kläger ist am Unfalltag nicht Tierhüter des Pferdes der Beklagten gewesen.
77aa)
78Tierhüter i.S.d. § 834 S. 1 BGB ist derjenige, der durch Vertrag jedenfalls als Nebenpflicht die Führung der Aufsicht über das Tier für den Tierhalter und damit die Sorge übernommen hat, dass durch das Tier kein Dritter geschädigt wird (BGH NJW 1987, 949, 950; OLG Saarbrücken VersR 1988, 752, 753). Die Übernahme der Aufsichtsführung durch Vertrag bedeutet die Übertragung der selbständigen allgemeinen Gewalt und Aufsicht über das Tier (Palandt-Sprau, § 834 Rdz. 2). Eine ausdrückliche derartige Abrede zwischen den Parteien ist nicht ersichtlich. Eine dahingehende Einigung kann aber auch nicht konkludent oder immanent aus dem Werkvertrag über den Hufbeschlag von B durch den Kläger entnommen werden. Dieser bezieht sich auf eine konkrete Maßnahme, die allenfalls einen sehr temporären Gewahrsam des Hufschmieds über das Pferd mit sich bringt. Für sein etwa ein- bis zweistündiges Tätigwerden erhält der Kläger 85,00 € bis 95,00 €. Dass er in Gegenleistung dazu darüber hinaus etwa auch Verantwortung für das Wohl und Wehe des Tieres in Abwesenheit von dessen Halter übernehmen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25.04.2006, Az. 9 U 7/05, Tz. 13 – zitiert nach juris) und gar für das Verhalten des Pferdes einstehen will, lässt sich seinem Erklärungsverhalten bei objektiver Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB nicht entnehmen. Eine dahingehende Erwartungshaltung dürfte auch bei dem Auftraggeber regelmäßig gar nicht vorhanden sein.
79bb)
80Der Begriff des Tierhüters bedarf der Abgrenzung in zweierlei Richtung, nämlich einmal gegenüber demjenigen des Tierhalters, zum anderen gegenüber Personen, die zwar mit dem Tier in Berührung kommen, deren Beziehung zu ihm jedoch nicht intensiv genug ist, um sie als Tierhüter zu qualifizieren. Tierhüter i.S.d. § 834 BGB können somit sämtliche Personen sein, die außerhalb des Unternehmens des Halters stehen, insofern selbständig sind und die Sorge über das Tier übernehmen, ohne dadurch selbst Halter zu werden, weil sie es nicht im eigenen Interesse und nicht auf eigene Rechnung versorgen. Klassische Beispiele sind Schäfer, Hirten oder diejenigen, die Tiere während der Abwesenheit des Halters in Pflege nehmen (Münchener Kommentar-Wagner, 6. Auflage, § 834 Rdz. 2, 3), bei Pferden auch regelmäßig der Reiter im Falle des selbständigen Ausritts mit einem gemieteten Tier (BGH NJW 1987, 949; OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.10.2008, Az. 9 U 75/07). Im Vergleich mit und in Abgrenzung zu diesen Personenkreisen zählen z.B. das Füttern, die generelle Pflege, die Ausbildung oder die Verwahrung und Obhut aber gerade nicht zu den Aufgaben eines Hufschmieds.
812.
82Eine Wechselwirkung zwischen der Art des im Einzelfall zugrundeliegenden schuldrechtlichen Vertrages und der Beweislastverteilung hat auch der Bundesgerichtshof in dem mehrfach zitierten „Tierarztfall“ ausdrücklich abgelehnt. Die entsprechenden Ausführungen können uneingeschränkt auf den vorliegend einschlägigen Werkvertrag zwischen Hufschmied und Pferdehalter übertragen werden. Für eine Beweislastverteilung, nach der sich der Dienstleister entlasten und beweisen müsse, dass er im Einzelfall alle zumutbare Sorgfalt habe walten lassen, besteht keine Grundlage. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus der im Bereich der vertraglichen Haftung geltenden Beweislastregel des § 282 BGB (a.F.) bzw. § 280 I 2 BGB (n.F.). Sofern der Tierhalter grundsätzlich nach § 833 BGB haftet, geht es nicht um die vertraglichen Pflichten des Partners, sondern darum, ob und inwieweit dessen tatsächliches Verhalten Anlass gibt, die Haftung des Tierhalters zu mindern (BGH, Urteil vom 17.03.2009, Az. VI ZR 166/08 - Tz. 21 – zitiert nach juris).
833.
84Den Beklagten ist es nicht gelungen, die tatsächlichen Voraussetzungen eines Mitverschuldens des Klägers gem. § 254 BGB mit dem Maßstab der Überzeugungsbildung gem. § 286 ZPO zu beweisen.
85a)In diesem Zusammenhang können die Beklagten nicht mit Erfolgsaussicht bestreiten, dass der Kläger beim Beschlag des Pferdes Sicherheitsschuhe getragen habe. Er selbst verweist hingegen darauf, dass der Abdruck des Hufeisens von B eindeutig übereinstimme mit den Beschädigungen am rechten Sicherheitsschuh, den er am Unfalltag getragen habe. Die eingetretenen Verletzungen seien mithin auch durch die Sicherheitsschuhe nicht zu vermeiden oder zu vermindern gewesen.
86Demgegenüber wäre es nach den vorstehenden Überlegungen zu der Beweislast die prozessuale Aufgabe der Beklagten gewesen, zur vollen Überzeugung des Senates zu beweisen, dass der Kläger keine Sicherheitsschuhe getragen hat. Dies ist ihnen nicht gelungen.
87Vielmehr ist der Senat sogar positiv davon überzeugt, dass der Kläger im Rahmen seiner Parteianhörung gem. § 141 ZPO wahrheitsgemäß angegeben hat, am Unfalltag Sicherheitsschuhe getragen zu haben. Eine falsche Angabe hierzu hätte aus seiner Perspektive nämlich keinen Sinn ergeben, da sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgedeckt worden wäre. Immerhin sind dem Kläger kurz vor und insbesondere nach dem Unfall (vor allem auf dem Hof E und im Krankenhaus) zahlreiche Menschen begegnet, denen mit Sicherheit aufgefallen wäre, wenn er keine Sicherheitsschuhe getragen hätte.
88b)
89Die Beklagten haben auch nicht beweisen können, dass der Kläger etwa den Panikhaken nicht ordnungsgemäß benutzt, insbesondere nicht ordnungsgemäß befestigt oder kontrolliert hätte. Vielmehr hat der Sachverständige Dr. med. vet. T in seiner mündlichen Begutachtung vor dem Senat ausgeführt, dass in der Praxis kein Funktionstest für Panikhaken durchgeführt werde. Es sei regelmäßig gar nicht erkennbar, ob solche in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkt seien oder nicht (Seite 5 des Berichterstattervermerks vom 22.04.2015; Bl. 359 GA).
90Insgesamt sind die Einzelheiten der konkreten Ursache für den Unfall des Klägers ungeklärt geblieben. Insbesondere darüber, ob der Strick gerissen ist oder ein Defekt des Panikhakens vorgelegen hat, kann nur gemutmaßt werden. Im Hinblick auf die Frage eines etwaigen Mitverschuldens gem. § 254 I BGB wirkt sich dies zum Nachteil der beweisbelasteten Beklagten aus.
91c)
92Weiterhin können die Beklagten dem Kläger im Rahmen des Mitverschuldens auch nicht vorwerfen, dass er sich bei seinen Arbeiten eines „Aufhalters“ hätte bedienen müssen. Dabei handele es sich um eine Hilfsperson, die jeweils den entsprechenden Huf des Pferdes anhebe, um so dem Schmied ein ungestörtes Arbeiten zu ermöglichen. Der Kläger erwidert darauf, es sei nach allgemeiner Lehre sogar untersagt, bei Arbeiten an den Vorderbeinen des Pferdes einen „Aufhalter“ einzusetzen.
93Tatsächlich hat sich der Kläger beim Beschlagen von B keiner Hilfsperson bedient. Dies begründet jedoch kein Mitverschulden i.S.d. § 254 I BGB. Hierzu hat der Sachverständige Dr. med. vet. T in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überzeugend ausgeführt, dass heute Hufschmiede regelmäßig allein arbeiten. Eine irgendwie geartete Regelung, wonach ein Helfer hinzuzuziehen sei, existiere nicht. Ferner hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass ein Aufhalter den Unfall ohnehin nicht hätte vermeiden können – es wäre eher noch schwieriger geworden, da sich dann zwei Personen im Gefahrenbereich befunden hätten (Seite 4 des Berichterstattervermerks vom 22.04.2015; Bl. 358R GA).
94d)
95Auch die von dem Kläger vorgenommene Auswahl des konkreten Beschlagplatzes ist nicht zu beanstanden. Insofern sind sich die Parteien bereits in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 14.08.2013 zumindest darüber einig geworden, dass die Skizze Bl. 104 GA den Beschlagplatz zutreffend abbildet (vgl. Bl. 172/173 GA).
96Ausgehend davon erschließt sich der Vorwurf der Beklagten bereits deshalb nicht, weil der Kläger das Pferd an einer Stelle beschlagen hat, die nach der Konzeption des Stalles genau dafür vorgesehen war. Gerade dort waren schließlich an den Seiten die erforderlichen Verankerungen zum Anbinden der Pferde befestigt. Entsprechend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, dass alle Hufschmiede dort die Pferde beschlagen (Seite 1 des Berichterstattervermerks vom 22.04.2015; Bl. 357 GA). Der Beklagte zu 3. seinerseits hat eingeräumt, dass die Pferde üblicherweise an dieser Stelle beschlagen werden (Seite 3 des Berichterstattervermerks vom 22.04.2015; Bl. 358 GA). Folgerichtig hat auch der Sachverständige Dr. med. vet. T in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, die Beschreibung der Stallgasse spreche dafür, dass dort der Beschlagplatz gewesen sei (Seite 4 des Berichterstattervermerks vom 22.04.2015; Bl. 358R GA).
97Zudem lässt sich auch unabhängig davon im vorliegenden Fall nicht ansatzweise erkennen, dass der Unfall etwa hätte verhindert werden können, wenn der Kläger tatsächlich einen anderen Beschlagplatz ausgewählt hätte.
98Vor diesem Hintergrund ist auch die weitere Behauptung der Beklagten, B hätte an einer Stelle gestanden, wo er durch die offene Stalltür habe nach draußen blicken können, irrelevant.
99Der entsprechende Vortrag ist außerdem allerdings ohnehin prozessual unwirksam. Dies folgt daraus, dass die Beklagten erstinstanzlich zwar behauptet haben, der Beklagte zu 3. persönlich hätte B an dem besagten Tag dem Kläger zugeführt; er wäre auch unmittelbar nach dem vom Kläger behaupteten Geschehen eingetroffen und könnte sich noch daran erinnern, dass das Tier immer noch an der gleichen Stelle gestanden hätte, wie zu dem Zeitpunkt, als er den Arbeitsbereich des Klägers verlassen hätte; das Pferd hätte dort im Übrigen durch die offene Tür nach draußen blicken können (Seiten 2/3 des Schriftsatzes vom 07.12.2012; Bl. 73/74 GA). Diese Darstellung ist jedoch entgegen § 138 I ZPO unsubstantiiert ins Blaue hinein erfolgt. Ihr fehlt eine tragfähige Tatsachengrundlage. Der Beklagte zu 3. hat nämlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mitgeteilt, er habe von dem Unfall des Klägers gar nichts mitbekommen, er habe erst später davon erfahren (Seite 3 des Berichterstattervermerks; Bl. 358 GA). Aus dem Gesamtkontext der Parteianhörung des Beklagten zu 3. lässt sich mithin entnehmen, dass er im Widerspruch zu dem schriftsätzlichen Vorbringen selbst tatsächlich gar keine persönlichen Beobachtungen zum Standort des Pferdes und dessen Modalitäten gemacht hatte.
1005.
101Auf die erstinstanzlich zwischen den Parteien kontrovers diskutierte Frage, ob B am 17.12.2010 geblistert gewesen sein könnte, kommt es für die Lösung des Falles nicht an. Sie wäre nur dann relevant geworden, wenn sich – entsprechend der von dem Landgericht vertretenen Beweislastverteilung – der Kläger vorliegend hätte exculpieren müssen.
102Vor allem konnte hier aber in tatsächlicher Hinsicht schon gar nicht die Feststellung getroffen werden, dass das Pferd etwa geblistert gewesen wäre. Der Zeuge C hat im Rahmen seiner erstinstanzlichen Vernehmung die entsprechende Behauptung des Klägers gerade nicht bestätigt (Bl. 237-239 GA).
103IV. Exculpation der Beklagten gem. § 833 S. 2 BGB
104Die Voraussetzungen einer Exculpation der Tierhalter gem. § 833 S. 2 BGB sind vorliegend nicht zu prüfen. Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt, dass es sich bei B um ein Luxustier und nicht um ein Nutztier handelt (Seite 4 des Berichterstattervermerks vom 22.04.2015; Bl. 358R GA).
105B. Anschlussberufung der Beklagten
106Die Anschlussberufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
107I.
108Sie ist allerdings vorliegend als ein unselbständiges Rechtsmittel zulässig. Das erstinstanzliche Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 06.05.2014 zugestellt worden (Bl. 264 GA). Danach ist binnen der Berufungsfrist gem. § 517 ZPO zunächst kein Rechtsmittel eingelegt worden. Jedoch genügt die unselbständige Anschlussberufung gemäß Schriftsatz vom 17.11.2014 (Bl. 307 ff. GA), bei Gericht eingegangen am selben Tag, den Vorgaben des § 524 II ZPO. Sie ist zusammen mit der Berufungserwiderung eingelegt und begründet worden. Dies ist fristgerecht, da die den Beklagten ursprünglich gesetzte Berufungserwiderungsfrist bis zum 15.10.2014 (Bl. 295 GA) im weiteren Verlauf auf deren Antrag hin bis zum 17.11.2014 verlängert worden war (Bl. 305 GA).
109II.
110Die Anschlussberufung der Beklagten ist jedoch unbegründet. Insofern kann auf die vorstehenden Ausführungen zum Rechtsgrund Bezug genommen werden.
111C. Prozessuale Nebenentscheidung
112Der Wert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 95.000,00 € festgesetzt.
113Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision gem. § 543 II ZPO liegen nicht vor. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der Grundlage weitgehend vertretener und anerkannter Auffassungen in der Rechtsprechung und Literatur getroffen hat. Der wesentliche Kern der Angelegenheit besteht in der Feststellung der grundlegenden Tatsachen und deren spezifischer Würdigung. Die Rechtssache besitzt so weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Grundurteil, 22. Apr. 2015 - 14 U 19/14
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Urteil einreichenOberlandesgericht Hamm Grundurteil, 22. Apr. 2015 - 14 U 19/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist für den Schaden verantwortlich, den das Tier einem Dritten in der im § 833 bezeichneten Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist für den Schaden verantwortlich, den das Tier einem Dritten in der im § 833 bezeichneten Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
Wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist für den Schaden verantwortlich, den das Tier einem Dritten in der im § 833 bezeichneten Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Das Gericht kann über eine streitige Tatsache auch die beweispflichtige Partei vernehmen, wenn eine Partei es beantragt und die andere damit einverstanden ist.
Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.
(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.
(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.
(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
Auch ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast kann das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin betreibt gewerblich eine Hundepension. Der Beklagte ist Hundehalter. Er übergab der Klägerin am 15. September 2011 seine Hündin, eine Border-Collie-Mischlingshündin, zur zehntägigen entgeltlichen Betreuung. Die Klägerin macht geltend, der Hund habe sie am 17. September 2011 in die Ober- und Unterlippe gebissen, als sie ihn nach einem Spaziergang habe ableinen wollen. Sie begehrt im Wege der Leistungs- und Feststellungsklage Ersatz materiellen und immateriellen Schadens. Das Amtsgericht hat die Klage abge- wiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 2
- Das Berufungsgericht ist der Auffassung, ein Schadensersatzanspruch der Klägerin, der sich allein aus § 833 Satz 1 BGB ergeben könne, sei nicht gegeben. Es könne dahinstehen, ob der Hund des Beklagten der Klägerin die Gesichtsverletzung zugefügt und ob sich dabei gegebenenfalls eine spezifische Tiergefahr verwirklicht habe. Es könne auch offenbleiben, ob Anhaltspunkte für die Annahme eines stillschweigenden Haftungsausschlusses bestünden. Die Tierhalterhaftung sei jedenfalls unter dem Gesichtspunkt freiwilliger Risikoübernahme ausgeschlossen. Sie sei mit dem Schutzzweck des § 833 Satz 1 BGB nicht vereinbar, weil die Klägerin die Herrschaft über das Tier, mithin die unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit für mehrere Tage gewerblich und vorwiegend im eigenen Interesse und auch in Kenntnis der damit verbundenen Gefahren übernommen habe. Demgegenüber sei dem Beklagten in dieser Zeit eine Einflussnahme auf seinen Hund vertragsgemäß nicht möglich gewesen.
II.
- 3
- Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die den Beklagten als Halter seines Hundes grundsätzlich treffende Tierhalterhaftung kann im Streitfall nicht mit der Begründung verneint werden, sie sei wegen freiwilliger Risikoübernahme durch die Klägerin mit dem Schutzzweck des § 833 Satz 1 BGB nicht vereinbar.
- 4
- 1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob sich die Klägerin die Gesichtsverletzung durch einen Biss des Hundes des Beklagten zugezogen hat. Dies ist deshalb im Revisionsverfahren zu ihren Gunsten zu unterstellen.
- 5
- 2. § 833 Satz 1 BGB begründet eine Gefährdungshaftung des Tierhalters für den Fall, dass ein anderer durch das Tier in einem der in dieser Vorschrift genannten Rechtsgüter verletzt wird. Der Grund für die strenge Tierhalterhaftung liegt in dem unberechenbaren oder aber auch instinktgemäßen selbsttätigen tierischen Verhalten und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter, also der verwirklichten Tiergefahr (vgl. Senatsurteile vom 6. Juli 1976 - VI ZR 177/75, BGHZ 67, 129, 130, und vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04, VersR 2006, 416 Rn. 7, jeweils mwN; dazu kritisch: Schiemann in Erman, BGB, 13. Aufl., § 833 Rn. 4 mwN; vgl. auch Greger , Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 9 Rn. 12 f.; Moritz in jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 833 Rn. 14 ff.). Diese ist dann nicht anzunehmen, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist. Verletzungen durch Hundebisse sind danach grundsätzlich der spezifischen Tiergefahr zuzurechnen.
- 6
- 3. Der Tierhalterhaftung des Beklagten steht nicht entgegen, dass die Klägerin seinen Hund für zehn Tage in ihrer Hundepension aufnahm und für diese Zeit die Beaufsichtigung des Tieres übernahm. Die Haftung des Tierhalters nach § 833 Satz 1 BGB greift nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur nämlich grundsätzlich auch dann ein, wenn ein Tieraufseher im Rahmen seiner Aufsichtsführung durch das betreute Tier verletzt wird (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80, VersR 1982, 366, 367; vom 19. Januar 1982 - VI ZR 132/79, VersR 1982, 348 f., und vom 9. Juni 1992 - VI ZR 49/91, VersR 1992, 1145, 1146; BGH, Urteil vom 26. Juni 1972 - III ZR 32/70, VersR 1972, 1047, 1048; OLG Hamm, VersR 1975, 865; OLG Frankfurt, VersR 1997, 456; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2009, 453; Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., § 834 Rn. 3; Geigel/Haag, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 18 Rn. 39; Wussow/Rüge, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Kap. 11 Rn. 11; aA MünchKommBGB/Wagner, 6. Aufl., § 833 Rn. 20).
- 7
- 4. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin aus § 833 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der freiwilligen Risikoübernahme. Bei der Tierhalterhaftung hat der erkennende Senat eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erwogen. Der Umstand, dass sich der Geschädigte der Gefahr selbst ausgesetzt hat, ist regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 17. März 2009 - VI ZR 166/08, VersR 2009, 693 Rn. 7; vgl. auch Schiemann, aaO Rn. 6; Moritz, aaO Rn. 30; jeweils mwN). Unter welchen Voraussetzungen die Tierhalterhaftung ausnahmsweise bereits im Anwendungsbereich ausgeschlossen sein könnte, weil deren Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstieße (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04, aaO Rn. 14 ff. mwN), kann hier offenbleiben , denn ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben.
- 8
- a) Für Fallgestaltungen, in denen sich Personen der Tiergefahr aus beruflichen Gründen vorübergehend aussetzen, ohne dabei die vollständige Herrschaft über das Tier zu übernehmen, wird ein genereller Ausschluss der Tierhalterhaftung sowohl unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr als auch unter Schutzzweckerwägungen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgelehnt (vgl. Senatsurteil vom 17. März 2009 - VI ZR 166/08, aaO Rn. 11 und 19 mwN). Für Fälle der vorliegenden Art kann grundsätzlich nichts anderes gelten.
- 9
- b) Der Auffassung des Berufungsgerichts, eine Haftung des Beklagten werde deshalb nicht vom Schutzzweck der Norm des § 833 Satz 1 BGB umfasst , weil das Interesse der Klägerin, den Hund aufzunehmen, das des Beklagten überwiege, weil sie mit dem Betrieb der Hundepension ihren Lebensunterhalt verdiene, kann nicht gefolgt werden. Der erkennende Senat ist einer solchen Sichtweise bereits früher entgegengetreten (Senatsurteil vom 28. Mai 1968 - VI ZR 35/67, VersR 1968, 797, 798). Er hat für den Fall der Verletzung eines Hufschmiedes durch ein zu beschlagendes Pferd ausgeführt, es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Hufschmied durch Abschluss des Werkvertrages allein noch nicht die Gefahr einer Verletzung durch das Tier übernehme. Denn es entspreche weder der Interessenlage noch den Erfordernissen von Treu und Glauben, dass der Hufschmied, der sich der mit dem Hufbeschlag notwendig verbundenen Tiergefahr aussetzen müsse, um seinen Lebensunterhalt zu erwerben, auch die durch die Tiergefahr hervorgerufenen Schadensfolgen auf sich nehme, die das Gesetz dem Tierhalter als dem Urheber der Gefahr anlaste. Zum Wesen des Beschlagvertrages gehöre es, dass der Hufschmied sich einer erhöhten Tiergefahr aussetze, nicht dagegen, dass er den Tierhalter, von dessen Tier die Gefahr ausgehe, von seiner gesetzlichen Haftung für die Schadensfolgen entbinde, die aus der Tiergefahr erwachsen könnten.
- 10
- c) Diese Überlegungen, an denen festzuhalten ist, treffen grundsätzlich auch für den Fall der Obhut über einen Hund in einer Tierpension zu. Die von den Vorinstanzen vertretene einschränkende Anwendung des § 833 Satz 1 BGB entspricht in Fällen der vorliegenden Art nicht der Intention des Gesetzes und ist auch nicht interessengerecht.
- 11
- aa) Der Umstand, dass der Inhaber einer Hundepension - im Unterschied z.B. zum Hufschmied oder Tierarzt - sich dem Tier nicht nur zur Vornahme einzelner Verrichtungen nähert, sondern dessen Beaufsichtigung gegebenenfalls für mehrere Tage vollständig übernimmt und während dieser Zeit die alleinige Herrschaft über das Tier innehat, rechtfertigt insoweit keine abweichende rechtliche Beurteilung. Grundsätzlich unerheblich ist, dass der Tierhalter während der Zeit der Obhut seines Hundes in der Tierpension von einer eigenen Einwirkung auf sein Tier ausgeschlossen ist. Dieser Gesichtspunkt, der genauso auf den Pferdehalter zutrifft, der sein Pferd einem Reiter zum selbständigen Ausreiten überlässt (Senatsurteil vom 30. September 1986 - VI ZR 161/85, VersR 1987, 198, 200 mwN) oder es bei einem Dritten unterstellt, wo es von diesem eigenmächtig zu einer Reitstunde eingesetzt wird (Senatsurteil vom 19. Januar 1988 - VI ZR 188/87, VersR 1988, 609 f. mwN), steht der Tierhalterhaftung grundsätzlich nicht entgegen (aA OLG Nürnberg, VersR 1999, 240, 241). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bleibt die Tierhalterhaftung auch bei länger dauernder Überlassung des Tieres an einen Dritten erhalten, wenn derjenige, der sich des Tieres begibt, weiterhin für die Kosten der Tierhaltung aufkommt, den allgemeinen Wert und Nutzen des Tieres für sich in Anspruch nimmt und das Risiko seines Verlustes trägt. Selbst eine etwaige Nutzung des Tieres durch den Dritten auch für eigene Zwecke steht dem nicht entgegen, solange sich nicht der Schwerpunkt der Nutzung des Tieres auf den Dritten verlagert (Senatsurteil vom 19. Januar 1988 - VI ZR 188/87, aaO).
- 12
- bb) Die Tierhalterhaftung des Hundehalters gegenüber dem Tieraufseher , dem er seinen Hund zur Unterbringung in einer Hundepension überlassen hat, kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, der gewerblich tätige Inhaber der Hundepension sei deswegen während der Zeit der Unterbringung des Tieres für dieses allein verantwortlich, weil er aufgrund seiner Professionalität eine Schädigung durch das Tier vermeiden könne. Diese Erwägung ließe außer Acht, dass auch der Fachmann nicht vollständig zu verhindern vermag, dass sich typische, gleichwohl aber auch von ihm nicht zu beherrschende Tiergefahren realisieren (vgl. Wussow/Terbille, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 11 Rn. 35), zumal er mit der gegebenenfalls gerade diesem Tier anhaftenden besonderen Gefahr oftmals weniger vertraut sein wird als der Tierhalter, der die Eigenarten seines Tieres kennt. Der Umstand, dass ein Tieraufseher gewerblich tätig wird, macht ihn nicht weniger schutzwürdig.
- 13
- 5. Eine generelle Haftungsfreistellung lässt sich, worauf die Revisionserwiderung abhebt, auch nicht mit einer Übertragung der für den Fahrer von Kraftfahrzeugen in § 8 Nr. 2 StVG getroffenen Regelung begründen, denn diese Norm stellt eine Ausnahmevorschrift dar, die eng auszulegen ist (vgl. zu §§ 8, 8a StVG a.F. Senatsurteile vom 7. Juli 1956 - VI ZR 157/55, VersR 1956, 640, und vom 3. Dezember 1991 - VI ZR 378/90, VersR 1992, 437, 438; aA Wagner, aaO) und deren Regelungsgehalt auch nicht auf vergleichbare Sachverhalte anderer Gefährdungshaftungen übertragen werden kann. Die Gefährdungshaftungen enthalten für die einzelnen Haftungsbereiche im Hinblick auf die Besonderheiten der jeweiligen Materie und ihrer Entstehungsgeschichte je eigenständige und in sich abgeschlossene Regelungen, die nur aus ihrem jeweiligen Zusammenhang heraus verstanden und angewendet werden können und demgemäß einer entsprechenden Anwendung auf andere Gefährdungshaftungen nicht zugänglich sind (Senatsurteil vom 9. Juni 1992 - VI ZR 49/91, aaO S. 1146 f.).
- 14
- 6. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die gebotenen Feststellungen, gegebenenfalls auch zur Frage eines etwaigen Mitverschuldens der Klägerin (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. März 2009 - VI ZR 166/08, aaO Rn. 15), nachgeholt werden können. Galke Diederichsen Pauge Stöhr Offenloch
AG Vechta, Entscheidung vom 04.04.2013 - 11 C 147/13 -
LG Oldenburg, Entscheidung vom 30.07.2013 - 9 S 239/13 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Pferdekutschenunfall. Dieser ereignete sich bei einem Geländefahrturnier des Reitund Fahrvereins R. e.V., bei dem der Kläger als ehrenamtlicher Schiedsrichter (Bockrichter) auf dem Fahrzeug des Beklagten mitfuhr, der seine Pferde Romeo und Lavinia, für die er haftpflichtversichert ist, selbst lenkte. Beim Durchfahren eines Geländehindernisses wurde die Kutsche instabil und kippte auf die linke Seite. Dabei wurde der Kläger vom Bock geschleudert und verletzte sich schwer.
- 2
- Nachdem der Kläger in erster Instanz behauptet hatte, der Beklagte habe den Unfall durch einen Fahrfehler verschuldet, hat er im Berufungsverfahren diesen Vorwurf nicht mehr aufrechterhalten. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Durch rechtskräftiges Urteil vom 28. März 2003 hat das Sozialgericht U. eine Pflicht der Berufsgenossenschaft des Reit- und Fahrvereins zur Übernahme der Krankheitskosten mangels einer Arbeitnehmereigenschaft des Klägers in dem Verein verneint.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht lehnt einen Anspruch des Klägers aus § 833 BGB ab, auch wenn sich bei dem Unfall unter Zugrundelegung des Vortrags beider Parteien die von den Pferden des Beklagten ausgehende Tiergefahr verwirklicht habe. Zur Begründung führt es aus, es sei ein Haftungsausschluss unter dem Gesichtspunkt der bewussten Risikoübernahme gegeben. Zwar liege zwischen den Parteien ein vertraglicher Haftungsausschluss nicht vor. Dafür fehle zum einen eine klare Absprache. Der Kläger habe zudem ohne eigene Einwirkungsmöglichkeit auf die Pferde und nicht im eigenen Interesse oder in Ausübung seines Berufes an dem Turnier teilgenommen. Außerdem stehe hinter dem Beklagten eine Haftpflichtversicherung. Doch habe der Kläger auf eigene Gefahr gehandelt. Der Fahrvorgang, der zum Schaden geführt habe, gehe über die mit der normalen Tiergefahr verbundene Risikolage weit hinaus. Der Kläger habe auf dem Gespann des Beklagten an einem Fahrturnier teilgenommen, das als Wettrennen zu qualifizieren sei, weil es dabei darauf ankomme, in möglichst kurzer Zeit die Strecke zu durchfahren. Das Hindernis, bei dessen Durchfahrt es zum Unfall gekommen sei, habe als letzte Station vor der Zeitschranke des Ziels mit mehreren Wendungen und auch unterschiedlicher Lauffläche (feuchtem Gras, Wassergraben) erhöhte Anforderungen an Ross und Reiter gestellt und zugleich ein stark erhöhtes Gefährdungspotential gehabt. Da das Turnier in die Kategorie der "Anforderungen im Anfängerstadium" gefallen sei, habe der Kläger mit unfertigen Pferden und unerfahrenen Lenkern rechnen müssen. Der Fahrer müsse binnen Sekunden auf die typischen Erscheinungsformen der Tiergefahr reagieren, die durch die Eigenwilligkeit der Tiere, durch möglicherweise mangelnde Übung, Scheu vor dem Wasser, unzulängliche Lenkhilfen oder mit dem anderen Zugtier unabgestimmtes Verhalten bedingt sei. Auch hänge das Gelingen nicht nur vom Können des Kutschenlenkers ab, dem der Kläger als Bockrichter ohne eigene Einflussmöglichkeit und Einschätzbarkeit von dessen Fähigkeiten kurz vor dem Start zugewiesen worden sei. Entscheidend seien auch die Erfahrung und das koordinierte Verhalten des Beifahrers auf dem rückwärtigen Trittbrett, der für die geeignete Schwerpunktverlagerung zu sorgen habe. Der Kläger habe sich deshalb auf ein Rennen mit vielen Risikofaktoren eingelassen, die das von einem Pferd ausgehende normale Gefährdungspotenzial , wie es sich auch in einem Ausritt zu manifestieren pflege, überstiegen. Diese hohe Risikolage werde sinnfällig dadurch belegt, dass jede zehnte bis dreizehnte Kutsche bei solchen Turnieren umgeworfen werde.
II.
- 4
- Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Erwägungen des Berufungsgerichts rechtfertigen unter den konkreten Umständen des Streitfalles nicht einen vollständigen Haftungsausschluss zu Lasten des Klägers.
- 5
- 1. Zutreffend ist der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts, dass sich bei dem Unfall eine typische Tiergefahr verwirklicht hat, für die der Beklagte als Halter der Pferde nach § 833 Satz 1 BGB grundsätzlich einstehen muss.
- 6
- a) Das wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger im zweiten Rechtszug keinen Fahrfehler des Beklagten mehr geltend gemacht hat, sondern seinen Anspruch ausschließlich auf die Tierhalterhaftung stützt. Schon nach dem Vortrag des Beklagten hatte die Kutsche vor dem Unfall einen starken Zug nach links gehabt, was nach seiner Darstellung auf die von ihm nicht gewollten Laufwege der Pferde zurückzuführen gewesen sei. Dieses Verhalten entsprang aus der tierischen Eigenwilligkeit. Demnach entsprach die Bewegung der Pferde trotz der Steuerung durch den Beklagten nicht dessen Willen. Dass das Berufungsgericht unter solchen Umständen die Verwirklichung einer typischen Tiergefahr angenommen hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
- 7
- b) Eine typische Tiergefahr äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten des Tieres (vgl. grundlegend Senat BGHZ 67, 129, 132 f. sowie Urteile vom 13. Juli 1976 - VI ZR 99/75 - VersR 1976, 1175, 1176; vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - VersR 1977, 864, 865; vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - VersR 1982, 366, 367; vom 6. März 1990 - VI ZR 246/89 - VersR 1990, 796, 797; vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - VersR 1992, 371, 372; vom 9. Juni 1992 - VI ZR 49/91 - VersR 1992, 1145, 1146; vom 6. Juli 1999 - VI ZR 170/98 - VersR 1999, 1291, 1292). Diese Voraussetzung kann zwar fehlen, wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt und nur daraus der Schaden resultiert, weil er in einem solchen Fall allein durch den Menschen verursacht wird (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1966 - VI ZR 11/65 - VersR 1966, 1073, 1074; vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - aaO; vom 27. Mai 1986 - VI ZR 275/85 - NJW 1986, 2501; vom 30. September 1986 - VI ZR 161/85 - VersR 1987, 198, 200; BGH, Urteil vom 25. September 1952 - III ZR 334/51 - VersR 1952, 403; RGZ 50, 180 f.; 60, 103 f.; 80, 237, 239; ebenso Geigel/Haag, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap. 18 Rdn. 12; a.A. Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 2003, § 833 Rdn. 10; MünchKommBGB/Wagner, 4. Aufl., § 833 Rdn. 11 f.; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl., § 833 Rdn. 7; Staudinger/Belling/Eberl-Borges, BGB, Neubearbeitung 2002, § 833 Rdn. 57; Wussow/Terbille, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 11 Rdn. 14 f.). Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn ein Pferd auf die - unter Umständen fehlerhafte - menschliche Steuerung anders als beabsichtigt reagiert. Denn diese Reaktion des Tieres und die daraus resultierende Gefährdung haben ihren Grund in der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens (vgl. Senatsurteile vom 9. Juni 1992 - VI ZR 49/91 - und vom 6. Juli 1999 - VI ZR 170/98 - beide aaO; Soergel/Zeuner, aaO, § 833 Rdn. 8). Das tierische Verhalten muss auch nicht die einzige Ursache des eingetretenen Unfalles sein. Es genügt vielmehr, wenn das Verhalten des Tieres für die Entstehung des Schadens adäquat mitursächlich geworden ist (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2001, 19; OLG Oldenburg, VersR 2002, 1166; Geigel/Haag, aaO, Kap. 18 Rdn. 8; Soergel/Zeuner, aaO, § 833 Rdn. 4).
- 8
- c) Unter den Umständen des Streitfalles hat das Berufungsgericht - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - zu Recht das Verhalten der Pferde als unfallursächlich angesehen. Denn zu dem Sturz ist es gekommen , weil sie die Lenkvorgaben des Beklagten nicht befolgt haben. Ob sich der Beklagte mit seiner Fahrweise im Rahmen des ihm nach den Turnierregeln Erlaubten gehalten hat, ist hierfür nicht entscheidend.
- 9
- 2. a) Soweit das Berufungsgericht einen stillschweigend vereinbarten Haftungsausschluss verneint hat, wird dies von den Parteien nicht in Zweifel gezogen und ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
- 10
- b) Jedoch begegnet durchgreifenden Bedenken, dass das Berufungsgericht einen vollständigen Haftungsausschluss unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr angenommen hat.
- 11
- aa) Grundlage eines solchen Haftungsausschlusses ist der Grundsatz von Treu und Glauben und das sich hieraus ergebende Verbot widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium"). Hiernach ist es nicht zulässig , dass der Geschädigte den beklagten Schädiger in Anspruch nimmt, wenn er sich bewusst in eine Situation drohender Eigengefährdung begeben hat. Nur bei derartiger Gefahrexponierung kann von einer bewussten Risikoübernahme mit der Folge eines vollständigen Haftungsausschlusses für den Schädiger ausgegangen werden (BGHZ 34, 355, 363; 39, 156, 161; 63, 140, 144; 154, 316, 322 ff.).
- 12
- bb) Bei der Tierhalterhaftung hat der erkennende Senat eine vollständige Haftungsfreistellung auch des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erwogen, wenn beispielsweise der Geschädigte sich mit der Übernahme des Pferdes oder der Annäherung an ein solches bewusst einer besonderen Gefahr aussetzt, die über die normalerweise mit dem Reiten oder der Nähe zu einem Pferd verbundenen Gefahr hinausgeht. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Tier erkennbar böser Natur ist oder erst zugeritten werden muss oder wenn der Ritt als solcher spezifischen Gefahren unterliegt, wie beispielsweise beim Springen oder bei der Fuchsjagd (vgl. Senatsurteile vom 24. November 1954 - VI ZR 255/53 - VersR 1955, 116; vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - und vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - jeweils aaO und m.w.N.). Davon geht auch das Berufungsgericht zutreffend aus.
- 13
- cc) Zwar wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass der Gesichtspunkt des Handels auf eigene Gefahr erst im Rahmen der Abwägung nach § 254 BGB zu berücksichtigen sei und zu keinem vollständigen Haftungsausschluss als Begrenzung der Tierhalterhaftung führen könne (vgl. Bamberger /Roth/Spindler, aaO, § 833 Rdn. 21; Staudinger/Belling/Eberl-Borges, aaO, § 833 Rdn. 192, 197 ff.; Bornhövd, JR 1978, 50, 51 f.). Nach anderer Ansicht setzt ein Haftungsausschluss voraus, dass der Reiter die Tiergefahr erkannt und wissentlich übernommen hat (MünchKommBGB/Wagner, aaO, § 833 Rdn. 19; für eine teleologische Reduktion Kipp, VersR 2000, 1348, 1349 f.).
- 14
- dd) Demgegenüber hält der erkennende Senat auch nach nochmaliger Überprüfung an seiner bisherigen Auffassung fest. Danach kann der Umstand, dass sich der Geschädigte der Gefahr selbst ausgesetzt hat, regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB Berücksichtigung finden und übrigens auch hier im Ergebnis dazu führen, dass der Verursachungsbeitrag des Tierhalters völlig zurücktritt. Doch sind auch Sachverhalte denkbar, bei denen die Tierhalterhaftung bereits im Anwendungsbereich ausgeschlossen ist, weil deren Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstieße (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1966 - VI ZR 11/65 - aaO und vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - aaO, 865).
- 15
- (1) Mit Fragen des Haftungsausschlusses außerhalb des Bereichs der Haftung des Tierhalters hat sich der Senat insbesondere bei Verletzungen in Ausübung sportlicher Kampfspiele im Bereich der Verschuldenshaftung befasst.
- 16
- (2) Auch hier handelt der Geschädigte selbstwidersprüchlich, wenn er sich Risiken bewusst aussetzt, die über die normale Tiergefahr hinausgehen und er bei Verwirklichung der besonderen Gefahr den Halter aus dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung auf Schadensersatz in Anspruch nimmt (vgl. Senat, Urteil vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - aaO; Urteil vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - aaO; ebenso OLG Frankfurt, VersR 1976, 1138; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2001, 390, 391 mit Nichtannahmebeschluss des Senats vom 10. Oktober 2000 - VI ZR 88/00; Bemmann, VersR 1958, 583, 585; Schmid, JR 1976, 274, 277; Dunz, NJW 1987, 63, 67; zu § 242 BGB als Grundlage des Handelns auf eigene Gefahr Geigel/Hübinger, aaO, Kap. 12 Rdn. 38; vgl. auch Müller, VersR 2005, 1461, 1464; kritisch Staudinger /Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 254 Rdn. 66). Das Bewusstsein der besonderen Gefährdung ist mithin stets Voraussetzung, um ein Handeln des Geschädigten auf eigene Gefahr annehmen zu können. Ob unter diesem Blickpunkt die Haftung des Tierhalters von vornherein entfällt, kann nur nach einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - aaO).
- 17
- c) Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht im Streitfall bei der erforderlichen umfassenden Abwägung wesentliche Umstände nicht berücksichtigt hat.
- 18
- aa) Zwar wertet das Berufungsgericht es im Ausgangspunkt zu Recht als erheblich, dass der Kläger bei einem Turnier mitfuhr, welches aufgrund seines Renncharakters und der erheblichen Anforderungen an "Ross und Reiter" durch das schwierige Hindernis am Ende der Strecke ein stark erhöhtes Gefährdungspotential gegenüber einer sonstigen Kutschfahrt aufwies. Doch hat es die Unterschiede des Streitfalls zu den Fällen vernachlässigt, in denen regelmäßig in der Rechtsprechung des Senats ein Haftungsausschluss wegen der Teilnahme an Wettkämpfen mit erheblichem Gefahrenpotential angenommen worden ist.
- 19
- bb) So war der Kläger nicht aktiv als Wettkämpfer beteiligt, sondern versah das Amt eines Bockrichters ohne eigene Herrschaft über das Gespann. Deshalb fehlt im Streitfall der den Haftungsausschluss rechtfertigende Gesichtspunkt der gegenseitigen Gefährdung durch eine gegeneinander gerichtete oder parallel ausgeübte sportliche Betätigung (vgl. auch OLG Karlsruhe, OLGR Karlsruhe 2005, 9, 11), deretwegen beim Wettkampf im allgemeinen für jeden Teilnehmer die Gefahr besteht, durch eigenes Verhalten sowohl Schädiger als auch Geschädigter zu werden (Senat BGHZ 63, 140, 145). Hingegen ist die Rolle des Klägers als ehrenamtlicher Schiedsrichter und sein Mitwirken am Wettkampf mit der Rolle eines aktiven Wettkämpfers nicht vergleichbar, der sich um des Kampfes und Sieges willen auch selbst gefährdet.
- 20
- cc) Auch hat das Berufungsgericht außer Betracht gelassen, dass der Kläger überwiegend im Fremdinteresse handelte. Nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts schreibt die für den Hindernisparcours einschlägige Leistungsprüfungsordnung der Deutschen reiterlichen Vereinigung (LPO) das Vorhandensein von Schiedsrichtern bei Fahrveranstaltungen vor, so dass derartige Fahrturniere ohne den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer nicht stattfinden könnten. Die Mitfahrt des Klägers als Schiedsrichter auf dem Kutschbock diente deshalb vor allem dem Interesse der Wettkampfteilnehmer , hier also auch des Beklagten. Während der Turnierfahrer selbst an dem Wettkampf vorwiegend in eigenem Interesse, nämlich um des Sieges willen oder aus Freude an der sportlichen Betätigung teilnimmt, handelt der ehrenamtliche Schiedsrichter durch seinen Einsatz in erster Linie fremdnützig und ermöglicht erst die wettkampfmäßige Austragung des Turniers. Ein Wettkampf ohne den Einsatz des Schiedsrichters wäre nicht möglich. Diese Interessenlage der Beteiligten spricht entscheidend gegen einen vollständigen Haftungsausschluss , zumal eine Haftpflichtversicherung besteht (vgl. hierzu Senat BGHZ 39, 156, 161; 154, 316, 322, 325).
- 21
- 4. Die Klage scheitert entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch nicht an einer Haftungsbefreiung des Beklagten nach § 104 Abs. 1 SGB VII, da kein versicherter Arbeitsunfall gemäß den §§ 8, 2 Abs. 2 SGB VII vorliegt. Eine Haftungsprivilegierung käme dem Beklagten nur dann zugute, wenn die Beteiligten im Zeitpunkt der Schädigung selbst Versicherte der gesetzlichen Unfallversicherung gewesen wären (vgl. Senatsurteile BGHZ 148, 209, 212; vom 23. März 2004 - VI ZR 160/03 - VersR 2004, 1045 ff. und vom 24. Juni 2003 - VI ZR 434/01 - VersR 2003, 1260, 1261; BGH, BGHZ 151, 198, 201 f.
- 22
- Im Verhältnis der Parteien zueinander käme ebenfalls nur ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII in Betracht. Hierfür wäre Voraussetzung , dass der Kläger im Verhältnis zum Beklagten als "Wie-Beschäftigter" tätig geworden ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom 23. März 2004 - VI ZR 160/03 - aaO). Dafür fehlen im Streitfall ersichtlich die erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen. Bei Tätigkeiten, die von ihrer Zweckbestimmung her nicht fremdwirtschaftlich geprägt sind, sondern gleichermaßen dem fremden wie dem eigenen Unternehmen dienen sollen, ist in der Regel davon auszugehen, dass sie allein zur Förderung der Interessen des Unternehmens übernommen worden sind, von dem der Beschäftigte damit anfänglich beauftragt worden ist. Erst wenn die Tätigkeit nicht mehr als Wahrnehmung einer Aufgabe des ursprünglichen Unternehmens bewertet werden könnte, stellt sich die Frage nach einer Zuordnung der Tätigkeit zu dem fremden Unternehmen (vgl. Senatsurteil vom 23. März 2004 - VI ZR 160/03 - aaO, 1046 m.w.N.). Die Tätigkeit des Klägers als Schiedsrichter lässt sich danach nicht zugleich wie eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII für den beklagten Wettkampfteilnehmer qualifizieren.
- 23
- Ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis des Klägers zum Beklagten scheidet schon deshalb aus, weil dieser die Aufgabe des Bockrichters in Erfüllung seiner Pflichten als Mitglied des Reit- und Fahrvereins S. wahrgenommen hat. Die Aufgabe des Klägers bestand darin, die Einhaltung der Turnierregeln zu überprüfen und die Leistungen des Beklagten im Rahmen des vom Reit- und Fahrverein R. e.V. veranstalteten Turniers zu beurteilen. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit lag demnach nicht in der Unterstützung des Beklagten bei der Teilnahme an dem Wettkampf, sondern in dessen Bewertung und Überwachung.
III.
- 24
- Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht über eine möglicher- weise gegebene Mitverantwortlichkeit des Klägers im Rahmen des § 254 BGB und die Höhe der geltend gemachten Schäden entscheiden kann.
Vorinstanzen:
LG Ravensburg, Entscheidung vom 26.02.2004 - 2 O 282/03 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 05.08.2004 - 2 U 56/04 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger, ein Tierarzt, verlangt von der Beklagten als Halterin eines Pferdes Ersatz materiellen und immateriellen Schadens, weil er bei der Behandlung des Pferdes verletzt wurde.
- 2
- Die Beklagte hatte ihr Pferd, einen 700 kg wiegenden zehnjährigen Araber , auf dem Hof des Zeugen B. abgestellt. Am 23. Oktober 2006 versuchte der Kläger mit der linken Hand eine rektale Fiebermessung. Dabei wurde er von dem Pferd gegen den rechten Daumen getreten und erlitt dadurch einen Trüm- merbruch. Die Klage richtet sich vor allem auf den Ersatz des behaupteten Verdienstausfallschadens.
- 3
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da das Schadensereignis bereits nicht vom Schutzbereich des § 833 BGB umfasst sei. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klagantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht führt aus: Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 833 BGB. Zwar habe sich in dem plötzlichen Tritt des Pferdes gegen den Daumen des Klägers eine typische Tiergefahr verwirklicht. Daraus folge aber nicht automatisch eine Bejahung des geltend gemachten Anspruchs. Im vorliegenden Fall träfen die Tierhalterhaftung (Gefährdungshaftung) und die berufsspezifischen Risiken eines Tierarztes aufeinander, so dass sich die Frage nach einem Interessenausgleich stelle. Dabei gehe es letztlich um eine "gerechte Zuweisung des Zufallsschadens". Von den unterschiedlichen Ansätzen, die gegebenenfalls zu einer Einschränkung der Haftung des Tierhalters führen könnten, sei die vom Landgericht für den Streitfall vertretene Einschränkung der Tierhalterhaftung aufgrund von Normzwecküberlegungen abzulehnen. Den Schutzbereich der Norm des § 833 BGB schon dann zu verneinen, wenn ein Anspruchsteller an einer im Zusammenhang mit dem Tier übernommenen Verpflichtung Geld verdiene, würde zu einer nicht vertretbaren Aufweichung der Gefährdungshaftung aus § 833 BGB führen, zumal der Tritt eines Pferdes - wie hier - geradezu die typische Verwirklichung der spezifischen Tier- gefahr sei. Auch der Ansicht, im Rahmen der vom Verletzten übernommenen "eigenen Herrschaft" über das Tier komme es darauf an, ob der Tierhalter noch die Möglichkeit eigener Einflussnahme hatte, sei nicht zu folgen. Das Abgrenzungskriterium der Möglichkeit eigener Einflussnahme als Maßstab für eine Haftungsbeschränkung im Rahmen des § 833 BGB sei insgesamt untauglich, weil es in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig gänzlich irrelevant sei, ob der Tierhalter bzw. wer auch immer an seiner Stelle zugegen war. Abzulehnen sei auch die Ansicht, wonach eine in Fällen der vorliegenden Art als notwendig angesehene Haftungsbeschränkung im Rahmen der Beweislast derart zu erfolgen habe, dass der Tierarzt darlegen und beweisen müsse, was sich in seinem Herrschaftsbereich zugetragen habe. Bei der Frage eines eventuellen Sorgfaltsverstoßes des Tierarztes im Rahmen der von ihm durchgeführten Behandlung handele es sich der Sache nach um einen Mitverschuldenseinwand (§ 254 BGB), für den derjenige darlegungs- und beweisbelastet sei, der sich auf ein Mitverschulden berufe, also gerade nicht der Tierarzt, sondern sein Anspruchsgegner. Schließlich könne auch die Berücksichtigung des Behandlungsvertrages im Rahmen der Tierhalterhaftung im vorliegenden Fall nicht zu einer Haftungsbeschränkung führen. Zwar sei es rechtlich grundsätzlich möglich, dass eine vertragliche Haftungsbeschränkung auch auf außervertragliche Ansprüche durchschlagen könne. Jedoch werde man nicht davon ausgehen können, dass jedem entgeltlichen Vertrag über eine Tätigkeit an einem Tier von vornherein ein vertraglicher Haftungsausschluss zugunsten des Tierhalters innewohne. Die Annahme eines solchen generellen, gleichsam vertragsimmanenten Haftungsausschlusses sei auch nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB wegen eines wirtschaftlichen Gefälles zwischen Tierarzt und Tierhalter geboten. Für eine ausdrücklich vereinbarte oder zumindest im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung begründbare vertragliche Haftungsbeschränkung sei im konkreten Fall nichts ersichtlich.
- 5
- Indes sei eine Haftung der Beklagten aus § 833 BGB hier ausgeschlossen , weil der Kläger auf eigene Gefahr gehandelt habe. Bei der Tierhalterhaftung komme eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, wenn beispielsweise der Geschädigte sich mit der Übernahme des Pferdes oder der Annäherung an ein solches bewusst einer besonderen Gefahr aussetze. So liege es, wenn - wie hier - die mit der Nähe zu einem Pferd verbundene übliche Gefahr durch die Tätigkeit des Geschädigten gesteigert oder gar erst provoziert werde. Der Kläger habe als dem Pferd zumindest relativ fremde Person ein Fieberthermometer in dessen After einführen wollen. Dazu habe er von der Kruppe her, also im kritischen Bereich der Hinterläufe zunächst den Schweif erreichen müssen, um den After für die Einführung des Thermometers zugänglich zu machen. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Pferde darauf abwehrend und dabei auch noch schreckhaft reagieren könnten, weil die natürliche Scheu ein derartiges auch instinkthaftes Verhalten begünstige. Deshalb sei das Prozedere des Klägers besonders geeignet gewesen, die mit dem Umgang mit Pferden verbundene gewöhnliche Gefahr herauszufordern. Dass diese sich dann in einem spontanen Tritt nach hinten äußern mochte, habe auf der Hand gelegen und dem Kläger als ambulant auf dem Lande tätigen, also vielfach mit der Tierhaltung konfrontierten Tierarzt nicht verborgen geblieben sein können. Wenn er sich unter solchen Umständen zur Behandlung des Pferdes entschlossen habe, habe er damit auch das mit der Ausübung seines Berufes typische Risiko übernommen. Dann aber müsse er für die daraus resultierenden Folgen selbst einstehen, zumal er der von ihm selbst aktualisierten Tiergefahr durch entsprechende tatsächliche wie finanzielle Vorsorge, etwa durch Abschluss einer entsprechenden Versicherung, hätte begegnen können.
II.
- 6
- Die dagegen gerichtete Revision hat Erfolg.
- 7
- 1. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht den aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten an sich zu bejahenden Anspruch des Klägers aus § 833 BGB unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr. Bei der Tierhalterhaftung hat der erkennende Senat eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erwogen, wobei ohnehin der Umstand, dass sich der Geschädigte der Gefahr selbst ausgesetzt hat, regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB Berücksichtigung finden kann und lediglich Ausnahmefälle denkbar sind, bei denen die Tierhalterhaftung bereits im Anwendungsbereich ausgeschlossen ist, weil deren Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstieße (Senatsurteil vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04 - VersR 2006, 416, 418 m.w.N.).
- 8
- Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Ein Ausschluss der Tierhalterhaftung unter Berufung auf die Rechtsfigur des Handelns auf eigene Gefahr kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn sich der Geschädigte der Tiergefahr ausgesetzt hat, um aufgrund vertraglicher Absprache mit dem Tierhalter Verrichtungen an dem Tier vorzunehmen, wie es beim Tierarzt der Fall ist.
- 9
- a) Von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinne kann nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger - rechtlicher, beruflicher oder sittlicher - Grund vorliegt (Senatsurteil BGHZ 34, 355, 358; BGB-RGRK/ Steffen, 12. Aufl., § 833 Rn. 64). Denn die Grundlage eines Haftungsausschlusses wegen Handelns auf eigene Gefahr ist der Grundsatz von Treu und Glau- ben und das sich hieraus ergebende Verbot widersprüchlichen Handelns (Senatsurteile BGHZ 34, 355, 363; vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04 - aaO, S. 417). Von einem widersprüchlichen Verhalten kann indes erkennbar nicht die Rede sein, wenn die vom Tierhalter veranlasste ärztliche Behandlung eines Tieres in Frage steht. Hier liegt ein triftiger Grund dafür vor, dass der Tierarzt sich der Tiergefahr aussetzt.
- 10
- b) Letztlich dient die Rechtsfigur des Handelns auf eigene Gefahr bei der Gefährdungshaftung dazu, diese Haftung in solchen Fällen auszuschließen, in denen sie nach dem Normzweck als unangemessen erscheint, weil der Schaden nicht der Gefahr des Tieres (oder Kraftfahrzeugs u. dergl.), sondern dem Handeln des Geschädigten selbst zuzurechnen ist (vgl. BGB-RGRK/Steffen, aaO; Terbille, VersR 1994, 1151, 1154).
- 11
- Dem entsprechend ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein grundsätzlicher Ausschluss der Tierhalterhaftung gegenüber Personen, die sich der Tiergefahr aus beruflichen Gründen vorübergehend aussetzen, ohne die vollständige Herrschaft über das Tier zu übernehmen, zu Recht abgelehnt worden (vgl. RG, JW 1904, 57 - Tierarzt beim Kupieren eines Pferdeschweifs; JW 1912, 797 - Tierarzt beim Aufstechen einer Eiterbeule bei einem Pferd; JW 1911, 89 f. - Hufschmied; Senatsurteil vom 28. Mai 1968 - VI ZR 35/67 - VersR 1968, 797 ff. - Hufschmied) und wird auch in der Literatur verneint (BGBRGRK /Steffen, 12. Aufl., § 833 Rn. 68; Erman/Schiemann, BGB, 12. Aufl., § 833 Rn. 6; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 122; MünchKommBGB /Stein, 3. Aufl., § 833 Rn. 25 ff.; MünchKomm-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 833 Rn. 18, 29; Stoll, Das Handeln auf eigene Gefahr, 1961, S. 358 f.; Terbille, aaO, S. 1152; vgl. auch Staudinger/Eberl-Borges, Neubearbeitung 2008, § 833 Rn. 189 ff.). Unsachgemäßes Verhalten solcher Personen bei der Berufsausübung , welches für einen Schaden mitursächlich geworden ist, kann - sofern kein vertraglicher Haftungsausschluss vorliegt - nur unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 BGB) berücksichtigt werden.
- 12
- c) Das Berufungsgericht erkennt selbst, dass ein Ausschluss der Haftung nach § 833 BGB unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur ausnahmsweise in Betracht kommt, meint aber wohl, dass derjenige, der sich einem Tier aus beruflichen Gründen nähert, insoweit keinen Schadensersatzanspruch hat, als er im Rahmen seiner beruflich geschuldeten Verrichtungen besonders risikoreiche Handlungen vornimmt, wobei im Streitfall nicht einmal festgestellt ist, dass das Fiebermessen auf andere Weise hätte bewerkstelligt werden können, als es der Kläger getan hat.
- 13
- Dem kann schlechterdings nicht gefolgt werden. Das Handeln desjenigen , der sich einem Tier aus beruflichen Gründen im Interesse des Tierhalters und mit dessen erklärter oder anzunehmender Billigung helfend nähert, kann nicht rechtlich in ungefährliche Handlungen auf Gefahr des Tierhalters und in gefährliche Handlungen auf Gefahr des Handelnden aufgeteilt werden. Der Tierarzt, der ein Pferd im Auftrag des Tierhalters medizinisch versorgt, handelt in der Regel in keiner Phase der Behandlung auf eigene Gefahr. Vielmehr setzt er sich der Tiergefahr mit triftigem Grund aus, ja muss sich ihr aussetzen, wenn er seinen ärztlichen Auftrag und den Vertrag mit dem Tierhalter erfüllen will. Von einem widersprüchlichen Handeln bei der Inanspruchnahme des Tierhalters aus § 833 BGB kann bei dieser Sachlage nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Dies gilt insbesondere, wenn - wovon hier revisionsrechtlich auszugehen ist - die gefährlichen Handlungen erforderlich sind, um die Behandlung fachgerecht durchzuführen, gilt aber in der Regel auch, wenn der Tierarzt bei dem Behandlungsgeschehen unvorsichtig oder gar fehlerhaft vorgeht.
- 14
- Die Ausführungen des Landgerichts, wer bei Handlungen zu Schaden komme, mit denen er Geld verdiene, könne nicht Schadensersatz aus § 833 BGB verlangen, sind ebenso unrichtig wie die Ausführungen des Berufungsgerichts , wonach ein Anspruch aus der Gefährdungshaftung des § 833 BGB ausscheide , wenn jemand das typische Risiko seines Berufs übernehme. Beide Standpunkte sind letztlich von Normzwecküberlegungen geprägt, denen nicht zugestimmt werden kann. Der erkennende Senat ist einer solchen Sichtweise bereits früher entgegen getreten. Er hat entschieden (Senatsurteil vom 28. Mai 1968 - VI ZR 35/67 - aaO, S. 798), es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Hufschmied durch Abschluss des Werkvertrages allein noch nicht die Gefahr einer Verletzung durch das Tier übernehme. Denn es entspreche weder der Interessenlage noch den Erfordernissen von Treu und Glauben, dass der Hufschmied, der sich der mit dem Hufbeschlag notwendig verbundenen Tiergefahr aussetzen müsse, um seinen Lebensunterhalt zu erwerben, auch die durch die Tiergefahr hervorgerufenen Schadensfolgen auf sich nehme, die das Gesetz dem Tierhalter als dem Urheber der Gefahr anlaste. Zum Wesen des Beschlagvertrages gehöre es, dass der Hufschmied sich einer erhöhten Tiergefahr aussetze, nicht dagegen, dass er den Tierhalter, von dessen Tier die Gefahr ausgehe, von seiner gesetzlichen Haftung für die Schadensfolgen entbinde, die aus der Tiergefahr erwachsen könnten.
- 15
- Diese Überlegungen, an denen festzuhalten ist, treffen in vollem Umfang auch auf den Behandlungsvertrag zwischen Tierhalter und Tierarzt zu. Die von den Vorinstanzen vertretene einschränkende Anwendung des § 833 BGB entspricht in Fällen der vorliegenden Art nicht der Intention des Gesetzes und ist auch nicht interessengerecht. Sie ist im Übrigen keinesfalls notwendig, um in Fällen, in denen derjenige, der vertragsgemäß Verrichtungen an dem Tier vorzunehmen hat, besonders risikoreiche bzw. fehlerhafte Handlungen vornimmt, zu gerechten Ergebnissen zu kommen. Abzulehnen ist hier nur ein grundsätzli- cher Ausschluss der Tierhalterhaftung. Das fehlerhafte Handeln des Geschädigten kann hingegen ohne weiteres im Rahmen einer Abwägung der verschiedenen Verursachungsbeiträge nach § 254 BGB berücksichtigt werden. Bei einem groben Eigenverschulden des Geschädigten kann danach die Haftung des Tierhalters auch ganz ausgeschlossen sein (so in dem dem Senatsurteil vom 28. Mai 1968 - VI ZR 35/67 -, aaO, zugrunde liegenden Fall).
- 16
- d) Das Berufungsurteil beruht auf der rechtsfehlerhaften Sichtweise. Das Berufungsgericht bejaht einen völligen Haftungsausschluss aus grundsätzlichen Erwägungen. Es prüft deshalb - aus seiner rechtlichen Sicht konsequent - nicht, ob dem Kläger ein Mitverursachungsbeitrag anspruchsmindernd zuzurechnen ist oder ob er bei der Durchführung einer für die Behandlung des Pferdes notwendigen und aus fachlicher Sicht nicht zu beanstandenden Maßnahme verletzt wurde. Diese Prüfung wird nachzuholen sein.
- 17
- 2. Die vom Berufungsgericht im Ergebnis gebilligte Klageabweisung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Ohne Rechtsfehler verneint das Berufungsgericht einen Haftungsausschluss aus anderen Gründen. Dagegen bringt die Revisionserwiderung auch nichts vor.
- 18
- a) Dass der Vertrag zwischen Tierhalter und Tierarzt nicht von vornherein einen vertraglichen Haftungsausschluss beinhaltet, ergibt sich schon aus den vorstehenden Ausführungen. Für einen konkret im vorliegenden Einzelfall vereinbarten Haftungsverzicht (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - VersR 1977, 864, 866) ist nach den Ausführungen des Berufungsgerichts nichts ersichtlich.
- 19
- b) Nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, den Schutzzweckerwägungen des Landgerichts zu einer Einschränkung der Tierhalterhaftung bei dem beruflichen Umgang mit Tieren sei nicht zu folgen.
- 20
- c) Mit Recht stellt das Berufungsgericht für einen möglichen Haftungsausschluss nicht darauf ab, wer in dem Zeitpunkt, als der Kläger das Pferd behandelte , am Behandlungsort anwesend war. Ob Fälle denkbar sind, bei denen sich ein Haftungsausschluss daraus ergibt, dass eine andere Person als der Tierhalter temporär die Herrschaft über das Tier ausübt, kann dahinstehen (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - aaO, S. 865 - Reiter; ferner : RGZ 58, 410, 412 ff. und OLG Celle, VersR 1990, 794 f. - eigenverantwortliche Ausbildung eines Pferdes durch einen Trainer; OLG Nürnberg, aaO). Keinesfalls ist die Haftung aus diesem Grund ausgeschlossen, wenn ein Tierarzt das Tier auf dem Hof des Tierhalters oder auf dem Hof eines Dritten, bei dem der Tierhalter das Tier untergestellt hat, vorübergehend tierärztlich behandelt. Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, dass die Verwirklichung der Tiergefahr, für die der Tierhalter haftet, in derartigen Situationen im Regelfall nicht davon abhängt, wer sich außer dem Tierarzt noch in der Nähe des Tieres befindet.
- 21
- d) Schließlich ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts zutreffend, dass im Streitfall ein Ausschluss der Tierhalterhaftung nicht unter dem Gesichtspunkt einer Umkehr der Beweislast bejaht werden kann. Der Ansicht, dass der Tierhalter nicht hafte, wenn der Tierarzt nicht beweist, dass er alle zumutbare Sorgfalt hat walten lassen (so OLG Zweibrücken, VersR 1997, 457; ähnlich OLG Nürnberg, aaO, S. 241 f.; dahin gehend auch die Rspr. des Reichsgerichts, etwa RGZ 61, 54, 56; weitere Nachweise bei BGBRGRK /Steffen, aaO, Rn. 69), ist nicht zu folgen (MünchKomm-BGB/Stein, aaO, Rn. 25; BGB-RGRK/Steffen, aaO, Rn. 69). Die vertragliche Beziehung zwischen Tierhalter und Tierarzt bietet für eine solche Beweislastverteilung, etwa nach dem Gedanken der im Bereich der vertraglichen Haftung geltenden gesetzlichen Beweislastregel des § 282 BGB a.F. und des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F., keine Grundlage. Sofern der Tierhalter grundsätzlich nach § 833 BGB haftet, geht es nicht um die vertraglichen Pflichten des Tierarztes, sondern darum, ob und inwieweit dessen tatsächliches Verhalten Anlass gibt, die Haftung des Tierhalters zu mindern.
- 22
- Ob das Verhalten desjenigen, der sich der Tiergefahr vertragsgemäß aussetzt, ohne Tierhüter zu sein (§ 834 BGB), bei der Schadensverursachung mitgewirkt hat, ist ausschließlich nach § 254 BGB zu beurteilen. Für ein die Haftung minderndes Mitverschulden des Geschädigten ist aber regelmäßig der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig (Senatsurteil BGHZ 175, 153, 158), im Anwendungsbereich des § 833 BGB also der Tierhalter (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 2005 - VI ZR 238/04 - VersR 2005, 1254, 1256). Dass dieser zu den Handlungen des Geschädigten beim Umgang mit dem Tier möglicherweise mangels Kenntnis nicht ausreichend vortragen kann, rechtfertigt keine Umkehr der Beweislast. Der Geschädigte hat insoweit im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast konkret zu seinem Handeln vorzutragen, der Schädiger hat sodann zu beweisen, inwieweit der Vortrag des Geschädigten unrichtig ist (vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 100, 190, 195 f.; 163, 209, 214, jeweils m.w.N.).
- 23
- Da dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen ist, inwiefern die Parteien zu einem etwaigen Mitverschulden des Klägers vorgetragen haben, ist für das vorliegende Revisionsverfahren ohnehin zu unterstellen, dass der Kläger ord- nungsgemäß gehandelt hat. Für das weitere Verfahren wird das Berufungsgericht aber davon ausgehen können, dass die Beklagte einen haftungsmindernden Mitverursachungsbeitrag des Klägers zu beweisen hat.
III.
- 24
- Mithin ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird nunmehr etwaigem Vortrag der Parteien zu einem Mitverursachungsbeitrag des Klägers und, soweit danach eine Haftung der Beklagten verbleibt, dem Vortrag zur Schadenshöhe nachzugehen haben. Müller Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
LG Bochum, Entscheidung vom 24.09.2007 - 6 O 162/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 06.06.2008 - I-9 U 229/07 -
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
Wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist für den Schaden verantwortlich, den das Tier einem Dritten in der im § 833 bezeichneten Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
Wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist für den Schaden verantwortlich, den das Tier einem Dritten in der im § 833 bezeichneten Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 17.4.2007 hinsichtlich Ziffer 1 abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 12 000 zu zahlen.
2. Ziffer 5 des Tenors der angefochtenen Entscheidung entfällt.
3. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
6. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
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Wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist für den Schaden verantwortlich, den das Tier einem Dritten in der im § 833 bezeichneten Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist für den Schaden verantwortlich, den das Tier einem Dritten in der im § 833 bezeichneten Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 17.4.2007 hinsichtlich Ziffer 1 abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 12 000 zu zahlen.
2. Ziffer 5 des Tenors der angefochtenen Entscheidung entfällt.
3. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
6. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
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Verletzt der Schuldner eine Pflicht nach § 241 Abs. 2, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn ihm die Leistung durch den Schuldner nicht mehr zuzumuten ist.
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger, ein Tierarzt, verlangt von der Beklagten als Halterin eines Pferdes Ersatz materiellen und immateriellen Schadens, weil er bei der Behandlung des Pferdes verletzt wurde.
- 2
- Die Beklagte hatte ihr Pferd, einen 700 kg wiegenden zehnjährigen Araber , auf dem Hof des Zeugen B. abgestellt. Am 23. Oktober 2006 versuchte der Kläger mit der linken Hand eine rektale Fiebermessung. Dabei wurde er von dem Pferd gegen den rechten Daumen getreten und erlitt dadurch einen Trüm- merbruch. Die Klage richtet sich vor allem auf den Ersatz des behaupteten Verdienstausfallschadens.
- 3
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da das Schadensereignis bereits nicht vom Schutzbereich des § 833 BGB umfasst sei. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klagantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht führt aus: Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 833 BGB. Zwar habe sich in dem plötzlichen Tritt des Pferdes gegen den Daumen des Klägers eine typische Tiergefahr verwirklicht. Daraus folge aber nicht automatisch eine Bejahung des geltend gemachten Anspruchs. Im vorliegenden Fall träfen die Tierhalterhaftung (Gefährdungshaftung) und die berufsspezifischen Risiken eines Tierarztes aufeinander, so dass sich die Frage nach einem Interessenausgleich stelle. Dabei gehe es letztlich um eine "gerechte Zuweisung des Zufallsschadens". Von den unterschiedlichen Ansätzen, die gegebenenfalls zu einer Einschränkung der Haftung des Tierhalters führen könnten, sei die vom Landgericht für den Streitfall vertretene Einschränkung der Tierhalterhaftung aufgrund von Normzwecküberlegungen abzulehnen. Den Schutzbereich der Norm des § 833 BGB schon dann zu verneinen, wenn ein Anspruchsteller an einer im Zusammenhang mit dem Tier übernommenen Verpflichtung Geld verdiene, würde zu einer nicht vertretbaren Aufweichung der Gefährdungshaftung aus § 833 BGB führen, zumal der Tritt eines Pferdes - wie hier - geradezu die typische Verwirklichung der spezifischen Tier- gefahr sei. Auch der Ansicht, im Rahmen der vom Verletzten übernommenen "eigenen Herrschaft" über das Tier komme es darauf an, ob der Tierhalter noch die Möglichkeit eigener Einflussnahme hatte, sei nicht zu folgen. Das Abgrenzungskriterium der Möglichkeit eigener Einflussnahme als Maßstab für eine Haftungsbeschränkung im Rahmen des § 833 BGB sei insgesamt untauglich, weil es in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig gänzlich irrelevant sei, ob der Tierhalter bzw. wer auch immer an seiner Stelle zugegen war. Abzulehnen sei auch die Ansicht, wonach eine in Fällen der vorliegenden Art als notwendig angesehene Haftungsbeschränkung im Rahmen der Beweislast derart zu erfolgen habe, dass der Tierarzt darlegen und beweisen müsse, was sich in seinem Herrschaftsbereich zugetragen habe. Bei der Frage eines eventuellen Sorgfaltsverstoßes des Tierarztes im Rahmen der von ihm durchgeführten Behandlung handele es sich der Sache nach um einen Mitverschuldenseinwand (§ 254 BGB), für den derjenige darlegungs- und beweisbelastet sei, der sich auf ein Mitverschulden berufe, also gerade nicht der Tierarzt, sondern sein Anspruchsgegner. Schließlich könne auch die Berücksichtigung des Behandlungsvertrages im Rahmen der Tierhalterhaftung im vorliegenden Fall nicht zu einer Haftungsbeschränkung führen. Zwar sei es rechtlich grundsätzlich möglich, dass eine vertragliche Haftungsbeschränkung auch auf außervertragliche Ansprüche durchschlagen könne. Jedoch werde man nicht davon ausgehen können, dass jedem entgeltlichen Vertrag über eine Tätigkeit an einem Tier von vornherein ein vertraglicher Haftungsausschluss zugunsten des Tierhalters innewohne. Die Annahme eines solchen generellen, gleichsam vertragsimmanenten Haftungsausschlusses sei auch nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB wegen eines wirtschaftlichen Gefälles zwischen Tierarzt und Tierhalter geboten. Für eine ausdrücklich vereinbarte oder zumindest im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung begründbare vertragliche Haftungsbeschränkung sei im konkreten Fall nichts ersichtlich.
- 5
- Indes sei eine Haftung der Beklagten aus § 833 BGB hier ausgeschlossen , weil der Kläger auf eigene Gefahr gehandelt habe. Bei der Tierhalterhaftung komme eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, wenn beispielsweise der Geschädigte sich mit der Übernahme des Pferdes oder der Annäherung an ein solches bewusst einer besonderen Gefahr aussetze. So liege es, wenn - wie hier - die mit der Nähe zu einem Pferd verbundene übliche Gefahr durch die Tätigkeit des Geschädigten gesteigert oder gar erst provoziert werde. Der Kläger habe als dem Pferd zumindest relativ fremde Person ein Fieberthermometer in dessen After einführen wollen. Dazu habe er von der Kruppe her, also im kritischen Bereich der Hinterläufe zunächst den Schweif erreichen müssen, um den After für die Einführung des Thermometers zugänglich zu machen. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Pferde darauf abwehrend und dabei auch noch schreckhaft reagieren könnten, weil die natürliche Scheu ein derartiges auch instinkthaftes Verhalten begünstige. Deshalb sei das Prozedere des Klägers besonders geeignet gewesen, die mit dem Umgang mit Pferden verbundene gewöhnliche Gefahr herauszufordern. Dass diese sich dann in einem spontanen Tritt nach hinten äußern mochte, habe auf der Hand gelegen und dem Kläger als ambulant auf dem Lande tätigen, also vielfach mit der Tierhaltung konfrontierten Tierarzt nicht verborgen geblieben sein können. Wenn er sich unter solchen Umständen zur Behandlung des Pferdes entschlossen habe, habe er damit auch das mit der Ausübung seines Berufes typische Risiko übernommen. Dann aber müsse er für die daraus resultierenden Folgen selbst einstehen, zumal er der von ihm selbst aktualisierten Tiergefahr durch entsprechende tatsächliche wie finanzielle Vorsorge, etwa durch Abschluss einer entsprechenden Versicherung, hätte begegnen können.
II.
- 6
- Die dagegen gerichtete Revision hat Erfolg.
- 7
- 1. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht den aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten an sich zu bejahenden Anspruch des Klägers aus § 833 BGB unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr. Bei der Tierhalterhaftung hat der erkennende Senat eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erwogen, wobei ohnehin der Umstand, dass sich der Geschädigte der Gefahr selbst ausgesetzt hat, regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB Berücksichtigung finden kann und lediglich Ausnahmefälle denkbar sind, bei denen die Tierhalterhaftung bereits im Anwendungsbereich ausgeschlossen ist, weil deren Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstieße (Senatsurteil vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04 - VersR 2006, 416, 418 m.w.N.).
- 8
- Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Ein Ausschluss der Tierhalterhaftung unter Berufung auf die Rechtsfigur des Handelns auf eigene Gefahr kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn sich der Geschädigte der Tiergefahr ausgesetzt hat, um aufgrund vertraglicher Absprache mit dem Tierhalter Verrichtungen an dem Tier vorzunehmen, wie es beim Tierarzt der Fall ist.
- 9
- a) Von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinne kann nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger - rechtlicher, beruflicher oder sittlicher - Grund vorliegt (Senatsurteil BGHZ 34, 355, 358; BGB-RGRK/ Steffen, 12. Aufl., § 833 Rn. 64). Denn die Grundlage eines Haftungsausschlusses wegen Handelns auf eigene Gefahr ist der Grundsatz von Treu und Glau- ben und das sich hieraus ergebende Verbot widersprüchlichen Handelns (Senatsurteile BGHZ 34, 355, 363; vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04 - aaO, S. 417). Von einem widersprüchlichen Verhalten kann indes erkennbar nicht die Rede sein, wenn die vom Tierhalter veranlasste ärztliche Behandlung eines Tieres in Frage steht. Hier liegt ein triftiger Grund dafür vor, dass der Tierarzt sich der Tiergefahr aussetzt.
- 10
- b) Letztlich dient die Rechtsfigur des Handelns auf eigene Gefahr bei der Gefährdungshaftung dazu, diese Haftung in solchen Fällen auszuschließen, in denen sie nach dem Normzweck als unangemessen erscheint, weil der Schaden nicht der Gefahr des Tieres (oder Kraftfahrzeugs u. dergl.), sondern dem Handeln des Geschädigten selbst zuzurechnen ist (vgl. BGB-RGRK/Steffen, aaO; Terbille, VersR 1994, 1151, 1154).
- 11
- Dem entsprechend ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein grundsätzlicher Ausschluss der Tierhalterhaftung gegenüber Personen, die sich der Tiergefahr aus beruflichen Gründen vorübergehend aussetzen, ohne die vollständige Herrschaft über das Tier zu übernehmen, zu Recht abgelehnt worden (vgl. RG, JW 1904, 57 - Tierarzt beim Kupieren eines Pferdeschweifs; JW 1912, 797 - Tierarzt beim Aufstechen einer Eiterbeule bei einem Pferd; JW 1911, 89 f. - Hufschmied; Senatsurteil vom 28. Mai 1968 - VI ZR 35/67 - VersR 1968, 797 ff. - Hufschmied) und wird auch in der Literatur verneint (BGBRGRK /Steffen, 12. Aufl., § 833 Rn. 68; Erman/Schiemann, BGB, 12. Aufl., § 833 Rn. 6; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 122; MünchKommBGB /Stein, 3. Aufl., § 833 Rn. 25 ff.; MünchKomm-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 833 Rn. 18, 29; Stoll, Das Handeln auf eigene Gefahr, 1961, S. 358 f.; Terbille, aaO, S. 1152; vgl. auch Staudinger/Eberl-Borges, Neubearbeitung 2008, § 833 Rn. 189 ff.). Unsachgemäßes Verhalten solcher Personen bei der Berufsausübung , welches für einen Schaden mitursächlich geworden ist, kann - sofern kein vertraglicher Haftungsausschluss vorliegt - nur unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 BGB) berücksichtigt werden.
- 12
- c) Das Berufungsgericht erkennt selbst, dass ein Ausschluss der Haftung nach § 833 BGB unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur ausnahmsweise in Betracht kommt, meint aber wohl, dass derjenige, der sich einem Tier aus beruflichen Gründen nähert, insoweit keinen Schadensersatzanspruch hat, als er im Rahmen seiner beruflich geschuldeten Verrichtungen besonders risikoreiche Handlungen vornimmt, wobei im Streitfall nicht einmal festgestellt ist, dass das Fiebermessen auf andere Weise hätte bewerkstelligt werden können, als es der Kläger getan hat.
- 13
- Dem kann schlechterdings nicht gefolgt werden. Das Handeln desjenigen , der sich einem Tier aus beruflichen Gründen im Interesse des Tierhalters und mit dessen erklärter oder anzunehmender Billigung helfend nähert, kann nicht rechtlich in ungefährliche Handlungen auf Gefahr des Tierhalters und in gefährliche Handlungen auf Gefahr des Handelnden aufgeteilt werden. Der Tierarzt, der ein Pferd im Auftrag des Tierhalters medizinisch versorgt, handelt in der Regel in keiner Phase der Behandlung auf eigene Gefahr. Vielmehr setzt er sich der Tiergefahr mit triftigem Grund aus, ja muss sich ihr aussetzen, wenn er seinen ärztlichen Auftrag und den Vertrag mit dem Tierhalter erfüllen will. Von einem widersprüchlichen Handeln bei der Inanspruchnahme des Tierhalters aus § 833 BGB kann bei dieser Sachlage nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Dies gilt insbesondere, wenn - wovon hier revisionsrechtlich auszugehen ist - die gefährlichen Handlungen erforderlich sind, um die Behandlung fachgerecht durchzuführen, gilt aber in der Regel auch, wenn der Tierarzt bei dem Behandlungsgeschehen unvorsichtig oder gar fehlerhaft vorgeht.
- 14
- Die Ausführungen des Landgerichts, wer bei Handlungen zu Schaden komme, mit denen er Geld verdiene, könne nicht Schadensersatz aus § 833 BGB verlangen, sind ebenso unrichtig wie die Ausführungen des Berufungsgerichts , wonach ein Anspruch aus der Gefährdungshaftung des § 833 BGB ausscheide , wenn jemand das typische Risiko seines Berufs übernehme. Beide Standpunkte sind letztlich von Normzwecküberlegungen geprägt, denen nicht zugestimmt werden kann. Der erkennende Senat ist einer solchen Sichtweise bereits früher entgegen getreten. Er hat entschieden (Senatsurteil vom 28. Mai 1968 - VI ZR 35/67 - aaO, S. 798), es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Hufschmied durch Abschluss des Werkvertrages allein noch nicht die Gefahr einer Verletzung durch das Tier übernehme. Denn es entspreche weder der Interessenlage noch den Erfordernissen von Treu und Glauben, dass der Hufschmied, der sich der mit dem Hufbeschlag notwendig verbundenen Tiergefahr aussetzen müsse, um seinen Lebensunterhalt zu erwerben, auch die durch die Tiergefahr hervorgerufenen Schadensfolgen auf sich nehme, die das Gesetz dem Tierhalter als dem Urheber der Gefahr anlaste. Zum Wesen des Beschlagvertrages gehöre es, dass der Hufschmied sich einer erhöhten Tiergefahr aussetze, nicht dagegen, dass er den Tierhalter, von dessen Tier die Gefahr ausgehe, von seiner gesetzlichen Haftung für die Schadensfolgen entbinde, die aus der Tiergefahr erwachsen könnten.
- 15
- Diese Überlegungen, an denen festzuhalten ist, treffen in vollem Umfang auch auf den Behandlungsvertrag zwischen Tierhalter und Tierarzt zu. Die von den Vorinstanzen vertretene einschränkende Anwendung des § 833 BGB entspricht in Fällen der vorliegenden Art nicht der Intention des Gesetzes und ist auch nicht interessengerecht. Sie ist im Übrigen keinesfalls notwendig, um in Fällen, in denen derjenige, der vertragsgemäß Verrichtungen an dem Tier vorzunehmen hat, besonders risikoreiche bzw. fehlerhafte Handlungen vornimmt, zu gerechten Ergebnissen zu kommen. Abzulehnen ist hier nur ein grundsätzli- cher Ausschluss der Tierhalterhaftung. Das fehlerhafte Handeln des Geschädigten kann hingegen ohne weiteres im Rahmen einer Abwägung der verschiedenen Verursachungsbeiträge nach § 254 BGB berücksichtigt werden. Bei einem groben Eigenverschulden des Geschädigten kann danach die Haftung des Tierhalters auch ganz ausgeschlossen sein (so in dem dem Senatsurteil vom 28. Mai 1968 - VI ZR 35/67 -, aaO, zugrunde liegenden Fall).
- 16
- d) Das Berufungsurteil beruht auf der rechtsfehlerhaften Sichtweise. Das Berufungsgericht bejaht einen völligen Haftungsausschluss aus grundsätzlichen Erwägungen. Es prüft deshalb - aus seiner rechtlichen Sicht konsequent - nicht, ob dem Kläger ein Mitverursachungsbeitrag anspruchsmindernd zuzurechnen ist oder ob er bei der Durchführung einer für die Behandlung des Pferdes notwendigen und aus fachlicher Sicht nicht zu beanstandenden Maßnahme verletzt wurde. Diese Prüfung wird nachzuholen sein.
- 17
- 2. Die vom Berufungsgericht im Ergebnis gebilligte Klageabweisung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Ohne Rechtsfehler verneint das Berufungsgericht einen Haftungsausschluss aus anderen Gründen. Dagegen bringt die Revisionserwiderung auch nichts vor.
- 18
- a) Dass der Vertrag zwischen Tierhalter und Tierarzt nicht von vornherein einen vertraglichen Haftungsausschluss beinhaltet, ergibt sich schon aus den vorstehenden Ausführungen. Für einen konkret im vorliegenden Einzelfall vereinbarten Haftungsverzicht (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - VersR 1977, 864, 866) ist nach den Ausführungen des Berufungsgerichts nichts ersichtlich.
- 19
- b) Nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, den Schutzzweckerwägungen des Landgerichts zu einer Einschränkung der Tierhalterhaftung bei dem beruflichen Umgang mit Tieren sei nicht zu folgen.
- 20
- c) Mit Recht stellt das Berufungsgericht für einen möglichen Haftungsausschluss nicht darauf ab, wer in dem Zeitpunkt, als der Kläger das Pferd behandelte , am Behandlungsort anwesend war. Ob Fälle denkbar sind, bei denen sich ein Haftungsausschluss daraus ergibt, dass eine andere Person als der Tierhalter temporär die Herrschaft über das Tier ausübt, kann dahinstehen (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - aaO, S. 865 - Reiter; ferner : RGZ 58, 410, 412 ff. und OLG Celle, VersR 1990, 794 f. - eigenverantwortliche Ausbildung eines Pferdes durch einen Trainer; OLG Nürnberg, aaO). Keinesfalls ist die Haftung aus diesem Grund ausgeschlossen, wenn ein Tierarzt das Tier auf dem Hof des Tierhalters oder auf dem Hof eines Dritten, bei dem der Tierhalter das Tier untergestellt hat, vorübergehend tierärztlich behandelt. Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, dass die Verwirklichung der Tiergefahr, für die der Tierhalter haftet, in derartigen Situationen im Regelfall nicht davon abhängt, wer sich außer dem Tierarzt noch in der Nähe des Tieres befindet.
- 21
- d) Schließlich ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts zutreffend, dass im Streitfall ein Ausschluss der Tierhalterhaftung nicht unter dem Gesichtspunkt einer Umkehr der Beweislast bejaht werden kann. Der Ansicht, dass der Tierhalter nicht hafte, wenn der Tierarzt nicht beweist, dass er alle zumutbare Sorgfalt hat walten lassen (so OLG Zweibrücken, VersR 1997, 457; ähnlich OLG Nürnberg, aaO, S. 241 f.; dahin gehend auch die Rspr. des Reichsgerichts, etwa RGZ 61, 54, 56; weitere Nachweise bei BGBRGRK /Steffen, aaO, Rn. 69), ist nicht zu folgen (MünchKomm-BGB/Stein, aaO, Rn. 25; BGB-RGRK/Steffen, aaO, Rn. 69). Die vertragliche Beziehung zwischen Tierhalter und Tierarzt bietet für eine solche Beweislastverteilung, etwa nach dem Gedanken der im Bereich der vertraglichen Haftung geltenden gesetzlichen Beweislastregel des § 282 BGB a.F. und des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F., keine Grundlage. Sofern der Tierhalter grundsätzlich nach § 833 BGB haftet, geht es nicht um die vertraglichen Pflichten des Tierarztes, sondern darum, ob und inwieweit dessen tatsächliches Verhalten Anlass gibt, die Haftung des Tierhalters zu mindern.
- 22
- Ob das Verhalten desjenigen, der sich der Tiergefahr vertragsgemäß aussetzt, ohne Tierhüter zu sein (§ 834 BGB), bei der Schadensverursachung mitgewirkt hat, ist ausschließlich nach § 254 BGB zu beurteilen. Für ein die Haftung minderndes Mitverschulden des Geschädigten ist aber regelmäßig der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig (Senatsurteil BGHZ 175, 153, 158), im Anwendungsbereich des § 833 BGB also der Tierhalter (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 2005 - VI ZR 238/04 - VersR 2005, 1254, 1256). Dass dieser zu den Handlungen des Geschädigten beim Umgang mit dem Tier möglicherweise mangels Kenntnis nicht ausreichend vortragen kann, rechtfertigt keine Umkehr der Beweislast. Der Geschädigte hat insoweit im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast konkret zu seinem Handeln vorzutragen, der Schädiger hat sodann zu beweisen, inwieweit der Vortrag des Geschädigten unrichtig ist (vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 100, 190, 195 f.; 163, 209, 214, jeweils m.w.N.).
- 23
- Da dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen ist, inwiefern die Parteien zu einem etwaigen Mitverschulden des Klägers vorgetragen haben, ist für das vorliegende Revisionsverfahren ohnehin zu unterstellen, dass der Kläger ord- nungsgemäß gehandelt hat. Für das weitere Verfahren wird das Berufungsgericht aber davon ausgehen können, dass die Beklagte einen haftungsmindernden Mitverursachungsbeitrag des Klägers zu beweisen hat.
III.
- 24
- Mithin ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird nunmehr etwaigem Vortrag der Parteien zu einem Mitverursachungsbeitrag des Klägers und, soweit danach eine Haftung der Beklagten verbleibt, dem Vortrag zur Schadenshöhe nachzugehen haben. Müller Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
LG Bochum, Entscheidung vom 24.09.2007 - 6 O 162/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 06.06.2008 - I-9 U 229/07 -
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.
(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.
(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.