Bundesgerichtshof Urteil, 17. März 2009 - VI ZR 166/08

bei uns veröffentlicht am17.03.2009
vorgehend
Landgericht Bochum, 6 O 162/07, 24.09.2007
Oberlandesgericht Hamm, 9 U 229/07, 06.06.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 166/08 Verkündet am:
17. März 2009
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Ausschluss der Tierhalterhaftung wegen Handelns auf eigene Gefahr
kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn sich der Geschädigte der Tiergefahr
ausgesetzt hat, um aufgrund vertraglicher Absprache mit dem Tierhalter Verrichtungen
an dem Tier vorzunehmen.
Deshalb haftet der Tierhalter, soweit die tatbestandlichen Haftungsvoraussetzungen
des § 833 Satz 1 BGB vorliegen, einem Tierarzt, der bei der Behandlung
eines Tieres durch dessen Verhalten verletzt wird (hier: Pferdetritt beim
rektalen Fiebermessen).
Ein für die Verletzung mitursächliches Fehlverhalten des Tierarztes kann anspruchsmindernd
nach § 254 BGB berücksichtigt werden.
BGH, Urteil vom 17. März 2009 - VI ZR 166/08 - OLG Hamm
LG Bochum
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. März 2009 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Zoll, die
Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. Juni 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger, ein Tierarzt, verlangt von der Beklagten als Halterin eines Pferdes Ersatz materiellen und immateriellen Schadens, weil er bei der Behandlung des Pferdes verletzt wurde.
2
Die Beklagte hatte ihr Pferd, einen 700 kg wiegenden zehnjährigen Araber , auf dem Hof des Zeugen B. abgestellt. Am 23. Oktober 2006 versuchte der Kläger mit der linken Hand eine rektale Fiebermessung. Dabei wurde er von dem Pferd gegen den rechten Daumen getreten und erlitt dadurch einen Trüm- merbruch. Die Klage richtet sich vor allem auf den Ersatz des behaupteten Verdienstausfallschadens.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da das Schadensereignis bereits nicht vom Schutzbereich des § 833 BGB umfasst sei. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klagantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht führt aus: Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 833 BGB. Zwar habe sich in dem plötzlichen Tritt des Pferdes gegen den Daumen des Klägers eine typische Tiergefahr verwirklicht. Daraus folge aber nicht automatisch eine Bejahung des geltend gemachten Anspruchs. Im vorliegenden Fall träfen die Tierhalterhaftung (Gefährdungshaftung) und die berufsspezifischen Risiken eines Tierarztes aufeinander, so dass sich die Frage nach einem Interessenausgleich stelle. Dabei gehe es letztlich um eine "gerechte Zuweisung des Zufallsschadens". Von den unterschiedlichen Ansätzen, die gegebenenfalls zu einer Einschränkung der Haftung des Tierhalters führen könnten, sei die vom Landgericht für den Streitfall vertretene Einschränkung der Tierhalterhaftung aufgrund von Normzwecküberlegungen abzulehnen. Den Schutzbereich der Norm des § 833 BGB schon dann zu verneinen, wenn ein Anspruchsteller an einer im Zusammenhang mit dem Tier übernommenen Verpflichtung Geld verdiene, würde zu einer nicht vertretbaren Aufweichung der Gefährdungshaftung aus § 833 BGB führen, zumal der Tritt eines Pferdes - wie hier - geradezu die typische Verwirklichung der spezifischen Tier- gefahr sei. Auch der Ansicht, im Rahmen der vom Verletzten übernommenen "eigenen Herrschaft" über das Tier komme es darauf an, ob der Tierhalter noch die Möglichkeit eigener Einflussnahme hatte, sei nicht zu folgen. Das Abgrenzungskriterium der Möglichkeit eigener Einflussnahme als Maßstab für eine Haftungsbeschränkung im Rahmen des § 833 BGB sei insgesamt untauglich, weil es in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig gänzlich irrelevant sei, ob der Tierhalter bzw. wer auch immer an seiner Stelle zugegen war. Abzulehnen sei auch die Ansicht, wonach eine in Fällen der vorliegenden Art als notwendig angesehene Haftungsbeschränkung im Rahmen der Beweislast derart zu erfolgen habe, dass der Tierarzt darlegen und beweisen müsse, was sich in seinem Herrschaftsbereich zugetragen habe. Bei der Frage eines eventuellen Sorgfaltsverstoßes des Tierarztes im Rahmen der von ihm durchgeführten Behandlung handele es sich der Sache nach um einen Mitverschuldenseinwand (§ 254 BGB), für den derjenige darlegungs- und beweisbelastet sei, der sich auf ein Mitverschulden berufe, also gerade nicht der Tierarzt, sondern sein Anspruchsgegner. Schließlich könne auch die Berücksichtigung des Behandlungsvertrages im Rahmen der Tierhalterhaftung im vorliegenden Fall nicht zu einer Haftungsbeschränkung führen. Zwar sei es rechtlich grundsätzlich möglich, dass eine vertragliche Haftungsbeschränkung auch auf außervertragliche Ansprüche durchschlagen könne. Jedoch werde man nicht davon ausgehen können, dass jedem entgeltlichen Vertrag über eine Tätigkeit an einem Tier von vornherein ein vertraglicher Haftungsausschluss zugunsten des Tierhalters innewohne. Die Annahme eines solchen generellen, gleichsam vertragsimmanenten Haftungsausschlusses sei auch nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB wegen eines wirtschaftlichen Gefälles zwischen Tierarzt und Tierhalter geboten. Für eine ausdrücklich vereinbarte oder zumindest im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung begründbare vertragliche Haftungsbeschränkung sei im konkreten Fall nichts ersichtlich.
5
Indes sei eine Haftung der Beklagten aus § 833 BGB hier ausgeschlossen , weil der Kläger auf eigene Gefahr gehandelt habe. Bei der Tierhalterhaftung komme eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, wenn beispielsweise der Geschädigte sich mit der Übernahme des Pferdes oder der Annäherung an ein solches bewusst einer besonderen Gefahr aussetze. So liege es, wenn - wie hier - die mit der Nähe zu einem Pferd verbundene übliche Gefahr durch die Tätigkeit des Geschädigten gesteigert oder gar erst provoziert werde. Der Kläger habe als dem Pferd zumindest relativ fremde Person ein Fieberthermometer in dessen After einführen wollen. Dazu habe er von der Kruppe her, also im kritischen Bereich der Hinterläufe zunächst den Schweif erreichen müssen, um den After für die Einführung des Thermometers zugänglich zu machen. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Pferde darauf abwehrend und dabei auch noch schreckhaft reagieren könnten, weil die natürliche Scheu ein derartiges auch instinkthaftes Verhalten begünstige. Deshalb sei das Prozedere des Klägers besonders geeignet gewesen, die mit dem Umgang mit Pferden verbundene gewöhnliche Gefahr herauszufordern. Dass diese sich dann in einem spontanen Tritt nach hinten äußern mochte, habe auf der Hand gelegen und dem Kläger als ambulant auf dem Lande tätigen, also vielfach mit der Tierhaltung konfrontierten Tierarzt nicht verborgen geblieben sein können. Wenn er sich unter solchen Umständen zur Behandlung des Pferdes entschlossen habe, habe er damit auch das mit der Ausübung seines Berufes typische Risiko übernommen. Dann aber müsse er für die daraus resultierenden Folgen selbst einstehen, zumal er der von ihm selbst aktualisierten Tiergefahr durch entsprechende tatsächliche wie finanzielle Vorsorge, etwa durch Abschluss einer entsprechenden Versicherung, hätte begegnen können.

II.

6
Die dagegen gerichtete Revision hat Erfolg.
7
1. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht den aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten an sich zu bejahenden Anspruch des Klägers aus § 833 BGB unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr. Bei der Tierhalterhaftung hat der erkennende Senat eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erwogen, wobei ohnehin der Umstand, dass sich der Geschädigte der Gefahr selbst ausgesetzt hat, regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB Berücksichtigung finden kann und lediglich Ausnahmefälle denkbar sind, bei denen die Tierhalterhaftung bereits im Anwendungsbereich ausgeschlossen ist, weil deren Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstieße (Senatsurteil vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04 - VersR 2006, 416, 418 m.w.N.).
8
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Ein Ausschluss der Tierhalterhaftung unter Berufung auf die Rechtsfigur des Handelns auf eigene Gefahr kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn sich der Geschädigte der Tiergefahr ausgesetzt hat, um aufgrund vertraglicher Absprache mit dem Tierhalter Verrichtungen an dem Tier vorzunehmen, wie es beim Tierarzt der Fall ist.
9
a) Von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinne kann nur dann die Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger - rechtlicher, beruflicher oder sittlicher - Grund vorliegt (Senatsurteil BGHZ 34, 355, 358; BGB-RGRK/ Steffen, 12. Aufl., § 833 Rn. 64). Denn die Grundlage eines Haftungsausschlusses wegen Handelns auf eigene Gefahr ist der Grundsatz von Treu und Glau- ben und das sich hieraus ergebende Verbot widersprüchlichen Handelns (Senatsurteile BGHZ 34, 355, 363; vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04 - aaO, S. 417). Von einem widersprüchlichen Verhalten kann indes erkennbar nicht die Rede sein, wenn die vom Tierhalter veranlasste ärztliche Behandlung eines Tieres in Frage steht. Hier liegt ein triftiger Grund dafür vor, dass der Tierarzt sich der Tiergefahr aussetzt.
10
b) Letztlich dient die Rechtsfigur des Handelns auf eigene Gefahr bei der Gefährdungshaftung dazu, diese Haftung in solchen Fällen auszuschließen, in denen sie nach dem Normzweck als unangemessen erscheint, weil der Schaden nicht der Gefahr des Tieres (oder Kraftfahrzeugs u. dergl.), sondern dem Handeln des Geschädigten selbst zuzurechnen ist (vgl. BGB-RGRK/Steffen, aaO; Terbille, VersR 1994, 1151, 1154).
11
Dem entsprechend ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein grundsätzlicher Ausschluss der Tierhalterhaftung gegenüber Personen, die sich der Tiergefahr aus beruflichen Gründen vorübergehend aussetzen, ohne die vollständige Herrschaft über das Tier zu übernehmen, zu Recht abgelehnt worden (vgl. RG, JW 1904, 57 - Tierarzt beim Kupieren eines Pferdeschweifs; JW 1912, 797 - Tierarzt beim Aufstechen einer Eiterbeule bei einem Pferd; JW 1911, 89 f. - Hufschmied; Senatsurteil vom 28. Mai 1968 - VI ZR 35/67 - VersR 1968, 797 ff. - Hufschmied) und wird auch in der Literatur verneint (BGBRGRK /Steffen, 12. Aufl., § 833 Rn. 68; Erman/Schiemann, BGB, 12. Aufl., § 833 Rn. 6; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 122; MünchKommBGB /Stein, 3. Aufl., § 833 Rn. 25 ff.; MünchKomm-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 833 Rn. 18, 29; Stoll, Das Handeln auf eigene Gefahr, 1961, S. 358 f.; Terbille, aaO, S. 1152; vgl. auch Staudinger/Eberl-Borges, Neubearbeitung 2008, § 833 Rn. 189 ff.). Unsachgemäßes Verhalten solcher Personen bei der Berufsausübung , welches für einen Schaden mitursächlich geworden ist, kann - sofern kein vertraglicher Haftungsausschluss vorliegt - nur unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 BGB) berücksichtigt werden.
12
c) Das Berufungsgericht erkennt selbst, dass ein Ausschluss der Haftung nach § 833 BGB unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur ausnahmsweise in Betracht kommt, meint aber wohl, dass derjenige, der sich einem Tier aus beruflichen Gründen nähert, insoweit keinen Schadensersatzanspruch hat, als er im Rahmen seiner beruflich geschuldeten Verrichtungen besonders risikoreiche Handlungen vornimmt, wobei im Streitfall nicht einmal festgestellt ist, dass das Fiebermessen auf andere Weise hätte bewerkstelligt werden können, als es der Kläger getan hat.
13
Dem kann schlechterdings nicht gefolgt werden. Das Handeln desjenigen , der sich einem Tier aus beruflichen Gründen im Interesse des Tierhalters und mit dessen erklärter oder anzunehmender Billigung helfend nähert, kann nicht rechtlich in ungefährliche Handlungen auf Gefahr des Tierhalters und in gefährliche Handlungen auf Gefahr des Handelnden aufgeteilt werden. Der Tierarzt, der ein Pferd im Auftrag des Tierhalters medizinisch versorgt, handelt in der Regel in keiner Phase der Behandlung auf eigene Gefahr. Vielmehr setzt er sich der Tiergefahr mit triftigem Grund aus, ja muss sich ihr aussetzen, wenn er seinen ärztlichen Auftrag und den Vertrag mit dem Tierhalter erfüllen will. Von einem widersprüchlichen Handeln bei der Inanspruchnahme des Tierhalters aus § 833 BGB kann bei dieser Sachlage nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Dies gilt insbesondere, wenn - wovon hier revisionsrechtlich auszugehen ist - die gefährlichen Handlungen erforderlich sind, um die Behandlung fachgerecht durchzuführen, gilt aber in der Regel auch, wenn der Tierarzt bei dem Behandlungsgeschehen unvorsichtig oder gar fehlerhaft vorgeht.
14
Die Ausführungen des Landgerichts, wer bei Handlungen zu Schaden komme, mit denen er Geld verdiene, könne nicht Schadensersatz aus § 833 BGB verlangen, sind ebenso unrichtig wie die Ausführungen des Berufungsgerichts , wonach ein Anspruch aus der Gefährdungshaftung des § 833 BGB ausscheide , wenn jemand das typische Risiko seines Berufs übernehme. Beide Standpunkte sind letztlich von Normzwecküberlegungen geprägt, denen nicht zugestimmt werden kann. Der erkennende Senat ist einer solchen Sichtweise bereits früher entgegen getreten. Er hat entschieden (Senatsurteil vom 28. Mai 1968 - VI ZR 35/67 - aaO, S. 798), es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Hufschmied durch Abschluss des Werkvertrages allein noch nicht die Gefahr einer Verletzung durch das Tier übernehme. Denn es entspreche weder der Interessenlage noch den Erfordernissen von Treu und Glauben, dass der Hufschmied, der sich der mit dem Hufbeschlag notwendig verbundenen Tiergefahr aussetzen müsse, um seinen Lebensunterhalt zu erwerben, auch die durch die Tiergefahr hervorgerufenen Schadensfolgen auf sich nehme, die das Gesetz dem Tierhalter als dem Urheber der Gefahr anlaste. Zum Wesen des Beschlagvertrages gehöre es, dass der Hufschmied sich einer erhöhten Tiergefahr aussetze, nicht dagegen, dass er den Tierhalter, von dessen Tier die Gefahr ausgehe, von seiner gesetzlichen Haftung für die Schadensfolgen entbinde, die aus der Tiergefahr erwachsen könnten.
15
Diese Überlegungen, an denen festzuhalten ist, treffen in vollem Umfang auch auf den Behandlungsvertrag zwischen Tierhalter und Tierarzt zu. Die von den Vorinstanzen vertretene einschränkende Anwendung des § 833 BGB entspricht in Fällen der vorliegenden Art nicht der Intention des Gesetzes und ist auch nicht interessengerecht. Sie ist im Übrigen keinesfalls notwendig, um in Fällen, in denen derjenige, der vertragsgemäß Verrichtungen an dem Tier vorzunehmen hat, besonders risikoreiche bzw. fehlerhafte Handlungen vornimmt, zu gerechten Ergebnissen zu kommen. Abzulehnen ist hier nur ein grundsätzli- cher Ausschluss der Tierhalterhaftung. Das fehlerhafte Handeln des Geschädigten kann hingegen ohne weiteres im Rahmen einer Abwägung der verschiedenen Verursachungsbeiträge nach § 254 BGB berücksichtigt werden. Bei einem groben Eigenverschulden des Geschädigten kann danach die Haftung des Tierhalters auch ganz ausgeschlossen sein (so in dem dem Senatsurteil vom 28. Mai 1968 - VI ZR 35/67 -, aaO, zugrunde liegenden Fall).
16
d) Das Berufungsurteil beruht auf der rechtsfehlerhaften Sichtweise. Das Berufungsgericht bejaht einen völligen Haftungsausschluss aus grundsätzlichen Erwägungen. Es prüft deshalb - aus seiner rechtlichen Sicht konsequent - nicht, ob dem Kläger ein Mitverursachungsbeitrag anspruchsmindernd zuzurechnen ist oder ob er bei der Durchführung einer für die Behandlung des Pferdes notwendigen und aus fachlicher Sicht nicht zu beanstandenden Maßnahme verletzt wurde. Diese Prüfung wird nachzuholen sein.
17
2. Die vom Berufungsgericht im Ergebnis gebilligte Klageabweisung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Ohne Rechtsfehler verneint das Berufungsgericht einen Haftungsausschluss aus anderen Gründen. Dagegen bringt die Revisionserwiderung auch nichts vor.
18
a) Dass der Vertrag zwischen Tierhalter und Tierarzt nicht von vornherein einen vertraglichen Haftungsausschluss beinhaltet, ergibt sich schon aus den vorstehenden Ausführungen. Für einen konkret im vorliegenden Einzelfall vereinbarten Haftungsverzicht (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - VersR 1977, 864, 866) ist nach den Ausführungen des Berufungsgerichts nichts ersichtlich.
19
b) Nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, den Schutzzweckerwägungen des Landgerichts zu einer Einschränkung der Tierhalterhaftung bei dem beruflichen Umgang mit Tieren sei nicht zu folgen.
Auch dies ergibt sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen. Damit ist nicht gesagt, dass bei ganz besonders gelagerten Fallgestaltungen die Tierhalterhaftung nicht aus grundsätzlichen Erwägungen ausgeschlossen sein kann (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - aaO, S. 865). Unter welchen Umständen dies der Fall ist (vgl. etwa OLG Nürnberg, VersR 1999, 240, 241 - Aufnahme eines Tieres in eine Tierklinik), muss hier nicht entschieden werden.
20
c) Mit Recht stellt das Berufungsgericht für einen möglichen Haftungsausschluss nicht darauf ab, wer in dem Zeitpunkt, als der Kläger das Pferd behandelte , am Behandlungsort anwesend war. Ob Fälle denkbar sind, bei denen sich ein Haftungsausschluss daraus ergibt, dass eine andere Person als der Tierhalter temporär die Herrschaft über das Tier ausübt, kann dahinstehen (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - aaO, S. 865 - Reiter; ferner : RGZ 58, 410, 412 ff. und OLG Celle, VersR 1990, 794 f. - eigenverantwortliche Ausbildung eines Pferdes durch einen Trainer; OLG Nürnberg, aaO). Keinesfalls ist die Haftung aus diesem Grund ausgeschlossen, wenn ein Tierarzt das Tier auf dem Hof des Tierhalters oder auf dem Hof eines Dritten, bei dem der Tierhalter das Tier untergestellt hat, vorübergehend tierärztlich behandelt. Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, dass die Verwirklichung der Tiergefahr, für die der Tierhalter haftet, in derartigen Situationen im Regelfall nicht davon abhängt, wer sich außer dem Tierarzt noch in der Nähe des Tieres befindet.
21
d) Schließlich ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts zutreffend, dass im Streitfall ein Ausschluss der Tierhalterhaftung nicht unter dem Gesichtspunkt einer Umkehr der Beweislast bejaht werden kann. Der Ansicht, dass der Tierhalter nicht hafte, wenn der Tierarzt nicht beweist, dass er alle zumutbare Sorgfalt hat walten lassen (so OLG Zweibrücken, VersR 1997, 457; ähnlich OLG Nürnberg, aaO, S. 241 f.; dahin gehend auch die Rspr. des Reichsgerichts, etwa RGZ 61, 54, 56; weitere Nachweise bei BGBRGRK /Steffen, aaO, Rn. 69), ist nicht zu folgen (MünchKomm-BGB/Stein, aaO, Rn. 25; BGB-RGRK/Steffen, aaO, Rn. 69). Die vertragliche Beziehung zwischen Tierhalter und Tierarzt bietet für eine solche Beweislastverteilung, etwa nach dem Gedanken der im Bereich der vertraglichen Haftung geltenden gesetzlichen Beweislastregel des § 282 BGB a.F. und des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F., keine Grundlage. Sofern der Tierhalter grundsätzlich nach § 833 BGB haftet, geht es nicht um die vertraglichen Pflichten des Tierarztes, sondern darum, ob und inwieweit dessen tatsächliches Verhalten Anlass gibt, die Haftung des Tierhalters zu mindern.
22
Ob das Verhalten desjenigen, der sich der Tiergefahr vertragsgemäß aussetzt, ohne Tierhüter zu sein (§ 834 BGB), bei der Schadensverursachung mitgewirkt hat, ist ausschließlich nach § 254 BGB zu beurteilen. Für ein die Haftung minderndes Mitverschulden des Geschädigten ist aber regelmäßig der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig (Senatsurteil BGHZ 175, 153, 158), im Anwendungsbereich des § 833 BGB also der Tierhalter (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 2005 - VI ZR 238/04 - VersR 2005, 1254, 1256). Dass dieser zu den Handlungen des Geschädigten beim Umgang mit dem Tier möglicherweise mangels Kenntnis nicht ausreichend vortragen kann, rechtfertigt keine Umkehr der Beweislast. Der Geschädigte hat insoweit im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast konkret zu seinem Handeln vorzutragen, der Schädiger hat sodann zu beweisen, inwieweit der Vortrag des Geschädigten unrichtig ist (vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 100, 190, 195 f.; 163, 209, 214, jeweils m.w.N.).
23
Da dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen ist, inwiefern die Parteien zu einem etwaigen Mitverschulden des Klägers vorgetragen haben, ist für das vorliegende Revisionsverfahren ohnehin zu unterstellen, dass der Kläger ord- nungsgemäß gehandelt hat. Für das weitere Verfahren wird das Berufungsgericht aber davon ausgehen können, dass die Beklagte einen haftungsmindernden Mitverursachungsbeitrag des Klägers zu beweisen hat.

III.

24
Mithin ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird nunmehr etwaigem Vortrag der Parteien zu einem Mitverursachungsbeitrag des Klägers und, soweit danach eine Haftung der Beklagten verbleibt, dem Vortrag zur Schadenshöhe nachzugehen haben. Müller Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 24.09.2007 - 6 O 162/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 06.06.2008 - I-9 U 229/07 -

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 833 Haftung des Tierhalters


Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersa

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(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

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(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

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BGB §§ 833, 242 Cd, 254 Ba, Da
Zu den Voraussetzungen des Ausschlusses der Tierhalterhaftung wegen Handelns
des Geschädigten auf eigene Gefahr.
BGH, Urteil vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04 - OLG Stuttgart
LG Ravensburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Dezember 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 5. August 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Pferdekutschenunfall. Dieser ereignete sich bei einem Geländefahrturnier des Reitund Fahrvereins R. e.V., bei dem der Kläger als ehrenamtlicher Schiedsrichter (Bockrichter) auf dem Fahrzeug des Beklagten mitfuhr, der seine Pferde Romeo und Lavinia, für die er haftpflichtversichert ist, selbst lenkte. Beim Durchfahren eines Geländehindernisses wurde die Kutsche instabil und kippte auf die linke Seite. Dabei wurde der Kläger vom Bock geschleudert und verletzte sich schwer.
2
Nachdem der Kläger in erster Instanz behauptet hatte, der Beklagte habe den Unfall durch einen Fahrfehler verschuldet, hat er im Berufungsverfahren diesen Vorwurf nicht mehr aufrechterhalten. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Durch rechtskräftiges Urteil vom 28. März 2003 hat das Sozialgericht U. eine Pflicht der Berufsgenossenschaft des Reit- und Fahrvereins zur Übernahme der Krankheitskosten mangels einer Arbeitnehmereigenschaft des Klägers in dem Verein verneint.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht lehnt einen Anspruch des Klägers aus § 833 BGB ab, auch wenn sich bei dem Unfall unter Zugrundelegung des Vortrags beider Parteien die von den Pferden des Beklagten ausgehende Tiergefahr verwirklicht habe. Zur Begründung führt es aus, es sei ein Haftungsausschluss unter dem Gesichtspunkt der bewussten Risikoübernahme gegeben. Zwar liege zwischen den Parteien ein vertraglicher Haftungsausschluss nicht vor. Dafür fehle zum einen eine klare Absprache. Der Kläger habe zudem ohne eigene Einwirkungsmöglichkeit auf die Pferde und nicht im eigenen Interesse oder in Ausübung seines Berufes an dem Turnier teilgenommen. Außerdem stehe hinter dem Beklagten eine Haftpflichtversicherung. Doch habe der Kläger auf eigene Gefahr gehandelt. Der Fahrvorgang, der zum Schaden geführt habe, gehe über die mit der normalen Tiergefahr verbundene Risikolage weit hinaus. Der Kläger habe auf dem Gespann des Beklagten an einem Fahrturnier teilgenommen, das als Wettrennen zu qualifizieren sei, weil es dabei darauf ankomme, in möglichst kurzer Zeit die Strecke zu durchfahren. Das Hindernis, bei dessen Durchfahrt es zum Unfall gekommen sei, habe als letzte Station vor der Zeitschranke des Ziels mit mehreren Wendungen und auch unterschiedlicher Lauffläche (feuchtem Gras, Wassergraben) erhöhte Anforderungen an Ross und Reiter gestellt und zugleich ein stark erhöhtes Gefährdungspotential gehabt. Da das Turnier in die Kategorie der "Anforderungen im Anfängerstadium" gefallen sei, habe der Kläger mit unfertigen Pferden und unerfahrenen Lenkern rechnen müssen. Der Fahrer müsse binnen Sekunden auf die typischen Erscheinungsformen der Tiergefahr reagieren, die durch die Eigenwilligkeit der Tiere, durch möglicherweise mangelnde Übung, Scheu vor dem Wasser, unzulängliche Lenkhilfen oder mit dem anderen Zugtier unabgestimmtes Verhalten bedingt sei. Auch hänge das Gelingen nicht nur vom Können des Kutschenlenkers ab, dem der Kläger als Bockrichter ohne eigene Einflussmöglichkeit und Einschätzbarkeit von dessen Fähigkeiten kurz vor dem Start zugewiesen worden sei. Entscheidend seien auch die Erfahrung und das koordinierte Verhalten des Beifahrers auf dem rückwärtigen Trittbrett, der für die geeignete Schwerpunktverlagerung zu sorgen habe. Der Kläger habe sich deshalb auf ein Rennen mit vielen Risikofaktoren eingelassen, die das von einem Pferd ausgehende normale Gefährdungspotenzial , wie es sich auch in einem Ausritt zu manifestieren pflege, überstiegen. Diese hohe Risikolage werde sinnfällig dadurch belegt, dass jede zehnte bis dreizehnte Kutsche bei solchen Turnieren umgeworfen werde.

II.

4
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Erwägungen des Berufungsgerichts rechtfertigen unter den konkreten Umständen des Streitfalles nicht einen vollständigen Haftungsausschluss zu Lasten des Klägers.
5
1. Zutreffend ist der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts, dass sich bei dem Unfall eine typische Tiergefahr verwirklicht hat, für die der Beklagte als Halter der Pferde nach § 833 Satz 1 BGB grundsätzlich einstehen muss.
6
a) Das wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger im zweiten Rechtszug keinen Fahrfehler des Beklagten mehr geltend gemacht hat, sondern seinen Anspruch ausschließlich auf die Tierhalterhaftung stützt. Schon nach dem Vortrag des Beklagten hatte die Kutsche vor dem Unfall einen starken Zug nach links gehabt, was nach seiner Darstellung auf die von ihm nicht gewollten Laufwege der Pferde zurückzuführen gewesen sei. Dieses Verhalten entsprang aus der tierischen Eigenwilligkeit. Demnach entsprach die Bewegung der Pferde trotz der Steuerung durch den Beklagten nicht dessen Willen. Dass das Berufungsgericht unter solchen Umständen die Verwirklichung einer typischen Tiergefahr angenommen hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
7
b) Eine typische Tiergefahr äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten des Tieres (vgl. grundlegend Senat BGHZ 67, 129, 132 f. sowie Urteile vom 13. Juli 1976 - VI ZR 99/75 - VersR 1976, 1175, 1176; vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - VersR 1977, 864, 865; vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - VersR 1982, 366, 367; vom 6. März 1990 - VI ZR 246/89 - VersR 1990, 796, 797; vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - VersR 1992, 371, 372; vom 9. Juni 1992 - VI ZR 49/91 - VersR 1992, 1145, 1146; vom 6. Juli 1999 - VI ZR 170/98 - VersR 1999, 1291, 1292). Diese Voraussetzung kann zwar fehlen, wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt und nur daraus der Schaden resultiert, weil er in einem solchen Fall allein durch den Menschen verursacht wird (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1966 - VI ZR 11/65 - VersR 1966, 1073, 1074; vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - aaO; vom 27. Mai 1986 - VI ZR 275/85 - NJW 1986, 2501; vom 30. September 1986 - VI ZR 161/85 - VersR 1987, 198, 200; BGH, Urteil vom 25. September 1952 - III ZR 334/51 - VersR 1952, 403; RGZ 50, 180 f.; 60, 103 f.; 80, 237, 239; ebenso Geigel/Haag, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap. 18 Rdn. 12; a.A. Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 2003, § 833 Rdn. 10; MünchKommBGB/Wagner, 4. Aufl., § 833 Rdn. 11 f.; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl., § 833 Rdn. 7; Staudinger/Belling/Eberl-Borges, BGB, Neubearbeitung 2002, § 833 Rdn. 57; Wussow/Terbille, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 11 Rdn. 14 f.). Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn ein Pferd auf die - unter Umständen fehlerhafte - menschliche Steuerung anders als beabsichtigt reagiert. Denn diese Reaktion des Tieres und die daraus resultierende Gefährdung haben ihren Grund in der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens (vgl. Senatsurteile vom 9. Juni 1992 - VI ZR 49/91 - und vom 6. Juli 1999 - VI ZR 170/98 - beide aaO; Soergel/Zeuner, aaO, § 833 Rdn. 8). Das tierische Verhalten muss auch nicht die einzige Ursache des eingetretenen Unfalles sein. Es genügt vielmehr, wenn das Verhalten des Tieres für die Entstehung des Schadens adäquat mitursächlich geworden ist (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2001, 19; OLG Oldenburg, VersR 2002, 1166; Geigel/Haag, aaO, Kap. 18 Rdn. 8; Soergel/Zeuner, aaO, § 833 Rdn. 4).
8
c) Unter den Umständen des Streitfalles hat das Berufungsgericht - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - zu Recht das Verhalten der Pferde als unfallursächlich angesehen. Denn zu dem Sturz ist es gekommen , weil sie die Lenkvorgaben des Beklagten nicht befolgt haben. Ob sich der Beklagte mit seiner Fahrweise im Rahmen des ihm nach den Turnierregeln Erlaubten gehalten hat, ist hierfür nicht entscheidend.
9
2. a) Soweit das Berufungsgericht einen stillschweigend vereinbarten Haftungsausschluss verneint hat, wird dies von den Parteien nicht in Zweifel gezogen und ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
10
b) Jedoch begegnet durchgreifenden Bedenken, dass das Berufungsgericht einen vollständigen Haftungsausschluss unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr angenommen hat.
11
aa) Grundlage eines solchen Haftungsausschlusses ist der Grundsatz von Treu und Glauben und das sich hieraus ergebende Verbot widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium"). Hiernach ist es nicht zulässig , dass der Geschädigte den beklagten Schädiger in Anspruch nimmt, wenn er sich bewusst in eine Situation drohender Eigengefährdung begeben hat. Nur bei derartiger Gefahrexponierung kann von einer bewussten Risikoübernahme mit der Folge eines vollständigen Haftungsausschlusses für den Schädiger ausgegangen werden (BGHZ 34, 355, 363; 39, 156, 161; 63, 140, 144; 154, 316, 322 ff.).
12
bb) Bei der Tierhalterhaftung hat der erkennende Senat eine vollständige Haftungsfreistellung auch des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erwogen, wenn beispielsweise der Geschädigte sich mit der Übernahme des Pferdes oder der Annäherung an ein solches bewusst einer besonderen Gefahr aussetzt, die über die normalerweise mit dem Reiten oder der Nähe zu einem Pferd verbundenen Gefahr hinausgeht. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Tier erkennbar böser Natur ist oder erst zugeritten werden muss oder wenn der Ritt als solcher spezifischen Gefahren unterliegt, wie beispielsweise beim Springen oder bei der Fuchsjagd (vgl. Senatsurteile vom 24. November 1954 - VI ZR 255/53 - VersR 1955, 116; vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - und vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - jeweils aaO und m.w.N.). Davon geht auch das Berufungsgericht zutreffend aus.
13
cc) Zwar wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass der Gesichtspunkt des Handels auf eigene Gefahr erst im Rahmen der Abwägung nach § 254 BGB zu berücksichtigen sei und zu keinem vollständigen Haftungsausschluss als Begrenzung der Tierhalterhaftung führen könne (vgl. Bamberger /Roth/Spindler, aaO, § 833 Rdn. 21; Staudinger/Belling/Eberl-Borges, aaO, § 833 Rdn. 192, 197 ff.; Bornhövd, JR 1978, 50, 51 f.). Nach anderer Ansicht setzt ein Haftungsausschluss voraus, dass der Reiter die Tiergefahr erkannt und wissentlich übernommen hat (MünchKommBGB/Wagner, aaO, § 833 Rdn. 19; für eine teleologische Reduktion Kipp, VersR 2000, 1348, 1349 f.).
14
dd) Demgegenüber hält der erkennende Senat auch nach nochmaliger Überprüfung an seiner bisherigen Auffassung fest. Danach kann der Umstand, dass sich der Geschädigte der Gefahr selbst ausgesetzt hat, regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB Berücksichtigung finden und übrigens auch hier im Ergebnis dazu führen, dass der Verursachungsbeitrag des Tierhalters völlig zurücktritt. Doch sind auch Sachverhalte denkbar, bei denen die Tierhalterhaftung bereits im Anwendungsbereich ausgeschlossen ist, weil deren Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstieße (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1966 - VI ZR 11/65 - aaO und vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - aaO, 865).
15
(1) Mit Fragen des Haftungsausschlusses außerhalb des Bereichs der Haftung des Tierhalters hat sich der Senat insbesondere bei Verletzungen in Ausübung sportlicher Kampfspiele im Bereich der Verschuldenshaftung befasst.
Nach den dafür entwickelten rechtlichen Grundsätzen verstößt es gegen das Verbot des treuwidrigen Selbstwiderspruchs, wenn der Geschädigte den beklagten Schädiger in Anspruch nimmt, obschon er ebenso gut in die Lage hätte kommen können, in der sich nun der Beklagte befindet, sich dann aber - mit Recht - dagegen gewehrt haben würde, diesem trotz Einhaltens der Spielregeln Ersatz leisten zu müssen (Senat BGHZ 63, 140, 144 ff.; 154, 316, 322 f.; zum Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens vergleiche auch Senat BGHZ 39, 156, 162). Diese Grundsätze gelten über den Bereich sportlicher Kampfspiele hinaus (vgl. Senat, Urteil vom 21. Februar 1995 - VI ZR 19/94 - VersR 1995, 583, 584) allgemein für Wettkämpfe mit erheblichem Gefahrenpotential, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Wettkampfregeln oder geringfügiger Regelverletzung die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung besteht (BGHZ 154, 316, 324; vgl. auch OLG Karlsruhe, OLGR Karlsruhe 2005, 9, 11) und ebenso bei vergleichbarer Interessenlage für die Gefährdungshaftung nach § 833 BGB.
16
(2) Auch hier handelt der Geschädigte selbstwidersprüchlich, wenn er sich Risiken bewusst aussetzt, die über die normale Tiergefahr hinausgehen und er bei Verwirklichung der besonderen Gefahr den Halter aus dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung auf Schadensersatz in Anspruch nimmt (vgl. Senat, Urteil vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - aaO; Urteil vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - aaO; ebenso OLG Frankfurt, VersR 1976, 1138; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2001, 390, 391 mit Nichtannahmebeschluss des Senats vom 10. Oktober 2000 - VI ZR 88/00; Bemmann, VersR 1958, 583, 585; Schmid, JR 1976, 274, 277; Dunz, NJW 1987, 63, 67; zu § 242 BGB als Grundlage des Handelns auf eigene Gefahr Geigel/Hübinger, aaO, Kap. 12 Rdn. 38; vgl. auch Müller, VersR 2005, 1461, 1464; kritisch Staudinger /Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 254 Rdn. 66). Das Bewusstsein der besonderen Gefährdung ist mithin stets Voraussetzung, um ein Handeln des Geschädigten auf eigene Gefahr annehmen zu können. Ob unter diesem Blickpunkt die Haftung des Tierhalters von vornherein entfällt, kann nur nach einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - aaO).
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c) Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht im Streitfall bei der erforderlichen umfassenden Abwägung wesentliche Umstände nicht berücksichtigt hat.
18
aa) Zwar wertet das Berufungsgericht es im Ausgangspunkt zu Recht als erheblich, dass der Kläger bei einem Turnier mitfuhr, welches aufgrund seines Renncharakters und der erheblichen Anforderungen an "Ross und Reiter" durch das schwierige Hindernis am Ende der Strecke ein stark erhöhtes Gefährdungspotential gegenüber einer sonstigen Kutschfahrt aufwies. Doch hat es die Unterschiede des Streitfalls zu den Fällen vernachlässigt, in denen regelmäßig in der Rechtsprechung des Senats ein Haftungsausschluss wegen der Teilnahme an Wettkämpfen mit erheblichem Gefahrenpotential angenommen worden ist.
19
bb) So war der Kläger nicht aktiv als Wettkämpfer beteiligt, sondern versah das Amt eines Bockrichters ohne eigene Herrschaft über das Gespann. Deshalb fehlt im Streitfall der den Haftungsausschluss rechtfertigende Gesichtspunkt der gegenseitigen Gefährdung durch eine gegeneinander gerichtete oder parallel ausgeübte sportliche Betätigung (vgl. auch OLG Karlsruhe, OLGR Karlsruhe 2005, 9, 11), deretwegen beim Wettkampf im allgemeinen für jeden Teilnehmer die Gefahr besteht, durch eigenes Verhalten sowohl Schädiger als auch Geschädigter zu werden (Senat BGHZ 63, 140, 145). Hingegen ist die Rolle des Klägers als ehrenamtlicher Schiedsrichter und sein Mitwirken am Wettkampf mit der Rolle eines aktiven Wettkämpfers nicht vergleichbar, der sich um des Kampfes und Sieges willen auch selbst gefährdet.
20
cc) Auch hat das Berufungsgericht außer Betracht gelassen, dass der Kläger überwiegend im Fremdinteresse handelte. Nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts schreibt die für den Hindernisparcours einschlägige Leistungsprüfungsordnung der Deutschen reiterlichen Vereinigung (LPO) das Vorhandensein von Schiedsrichtern bei Fahrveranstaltungen vor, so dass derartige Fahrturniere ohne den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer nicht stattfinden könnten. Die Mitfahrt des Klägers als Schiedsrichter auf dem Kutschbock diente deshalb vor allem dem Interesse der Wettkampfteilnehmer , hier also auch des Beklagten. Während der Turnierfahrer selbst an dem Wettkampf vorwiegend in eigenem Interesse, nämlich um des Sieges willen oder aus Freude an der sportlichen Betätigung teilnimmt, handelt der ehrenamtliche Schiedsrichter durch seinen Einsatz in erster Linie fremdnützig und ermöglicht erst die wettkampfmäßige Austragung des Turniers. Ein Wettkampf ohne den Einsatz des Schiedsrichters wäre nicht möglich. Diese Interessenlage der Beteiligten spricht entscheidend gegen einen vollständigen Haftungsausschluss , zumal eine Haftpflichtversicherung besteht (vgl. hierzu Senat BGHZ 39, 156, 161; 154, 316, 322, 325).
21
4. Die Klage scheitert entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch nicht an einer Haftungsbefreiung des Beklagten nach § 104 Abs. 1 SGB VII, da kein versicherter Arbeitsunfall gemäß den §§ 8, 2 Abs. 2 SGB VII vorliegt. Eine Haftungsprivilegierung käme dem Beklagten nur dann zugute, wenn die Beteiligten im Zeitpunkt der Schädigung selbst Versicherte der gesetzlichen Unfallversicherung gewesen wären (vgl. Senatsurteile BGHZ 148, 209, 212; vom 23. März 2004 - VI ZR 160/03 - VersR 2004, 1045 ff. und vom 24. Juni 2003 - VI ZR 434/01 - VersR 2003, 1260, 1261; BGH, BGHZ 151, 198, 201 f.
jeweils m.w.N.). Ob dies der Fall ist, wurde im sozialgerichtlichen Verfahren, an dem beide Parteien beteiligt waren, geprüft und abgelehnt. Der vorliegende Rechtsstreit war im Hinblick auf dieses Verfahren nach § 108 Abs. 2 SGB VII ausgesetzt. Das Sozialgericht hat das Vorliegen eines Versicherungsfalls und somit die Zugehörigkeit des Klägers zum Kreis der nach § 2 Abs. 2 SGB VII versicherten Personen (vgl. Senat BGHZ 129, 195, 198; Krasney, NZS 2004; 68, 72) allerdings nur im Verhältnis zum Reit- und Fahrverein verneint (Sozialgericht Ulm, Urteil vom 28. März 2003 - S 8 U 2601/01 - juris).
22
Im Verhältnis der Parteien zueinander käme ebenfalls nur ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII in Betracht. Hierfür wäre Voraussetzung , dass der Kläger im Verhältnis zum Beklagten als "Wie-Beschäftigter" tätig geworden ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom 23. März 2004 - VI ZR 160/03 - aaO). Dafür fehlen im Streitfall ersichtlich die erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen. Bei Tätigkeiten, die von ihrer Zweckbestimmung her nicht fremdwirtschaftlich geprägt sind, sondern gleichermaßen dem fremden wie dem eigenen Unternehmen dienen sollen, ist in der Regel davon auszugehen, dass sie allein zur Förderung der Interessen des Unternehmens übernommen worden sind, von dem der Beschäftigte damit anfänglich beauftragt worden ist. Erst wenn die Tätigkeit nicht mehr als Wahrnehmung einer Aufgabe des ursprünglichen Unternehmens bewertet werden könnte, stellt sich die Frage nach einer Zuordnung der Tätigkeit zu dem fremden Unternehmen (vgl. Senatsurteil vom 23. März 2004 - VI ZR 160/03 - aaO, 1046 m.w.N.). Die Tätigkeit des Klägers als Schiedsrichter lässt sich danach nicht zugleich wie eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII für den beklagten Wettkampfteilnehmer qualifizieren.
23
Ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis des Klägers zum Beklagten scheidet schon deshalb aus, weil dieser die Aufgabe des Bockrichters in Erfüllung seiner Pflichten als Mitglied des Reit- und Fahrvereins S. wahrgenommen hat. Die Aufgabe des Klägers bestand darin, die Einhaltung der Turnierregeln zu überprüfen und die Leistungen des Beklagten im Rahmen des vom Reit- und Fahrverein R. e.V. veranstalteten Turniers zu beurteilen. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit lag demnach nicht in der Unterstützung des Beklagten bei der Teilnahme an dem Wettkampf, sondern in dessen Bewertung und Überwachung.

III.

24
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht über eine möglicher- weise gegebene Mitverantwortlichkeit des Klägers im Rahmen des § 254 BGB und die Höhe der geltend gemachten Schäden entscheiden kann.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Ravensburg, Entscheidung vom 26.02.2004 - 2 O 282/03 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 05.08.2004 - 2 U 56/04 -

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

Verletzt der Schuldner eine Pflicht nach § 241 Abs. 2, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn ihm die Leistung durch den Schuldner nicht mehr zuzumuten ist.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist für den Schaden verantwortlich, den das Tier einem Dritten in der im § 833 bezeichneten Weise zufügt. Die Verantwortlichkeit tritt nicht ein, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 238/04
Verkündet am:
3. Mai 2005
Böhringer-Mangold
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 833 Ha; § 254 Da, F; ZPO § 286 C
Zur Halterhaftung für Hunde auf einem Reiterhof.
BGH, Urteil vom 3. Mai 2005 - VI ZR 238/04 - LG Chemnitz
AG Freiberg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Mai 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 26. Juli 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz seiner materiellen und immateriellen Schäden in Anspruch, die er durch Hundebisse auf dem Reiterhof der Beklagten zu 3 erlitten hat. Dieser wird von den Beklagten als Familienbetrieb bewirtschaftet. Der Beklagte zu 1 ist der Ehemann der Beklagten zu 3, der Beklagte zu 2 ist deren Sohn. Auf dem Hof werden zwei von der Beklagten zu 3 gekaufte Rottweiler sowie ein Staffordshire-Terrier, der dem Beklagten zu 2 gehört, ge-
halten. Das Grundstück ist eingezäunt. Neben dem Tor zur Straße befindet sich ein Warnschild, das einen Rottweiler zeigt und die Aufschrift trägt: "Vorsicht, bissiger Hund". Die zweiflüglige Hauseingangstür ist mit einer Außenklinke versehen. Neben der Tür befindet sich ein kleineres Warnschild mit der Aufschrift "Warnung vor dem Hund". In unmittelbarer Nähe des Wohnhauses sind zwei Zwinger, in denen die Hunde tagsüber während des Publikumsverkehrs untergebracht werden. Sonst werden sie im Wohnhaus gehalten. Am Nachmittag des 30. September 2001 wollte der Kläger - wie dem Beklagten zu 1 bekannt war - seine damalige Verlobte von dem Reiterhof abholen, den er schon von mehreren Besuchen kannte. Der Beklagte zu 1 hielt sich mit den Hunden im Haus auf. Als der Kläger die Haustür öffnete, brachten ihn die Hunde zu Fall und fügten ihm zahlreiche Bißwunden zu. Der herbeieilende Beklagte zu 1 konnte die Tiere wegzerren. Das Amtsgericht hat der Klage auf Ersatz der durch diesen Unfall entstandenen Schäden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils des Klägers von 75% stattgegeben und im übrigen die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Auf die Anschlußberufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren im wesentlichen weiter, räumt allerdings - wie schon im zweiten Rechtszug - einen Mitverschuldensanteil von 25% ein.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß die Beklagten zu 2 und 3 als Tierhalter gemäß § 833 Satz 1 BGB grundsätzlich haften. Mangels einer vertraglichen Abrede hafte der Beklagte zu 1 nicht als Tieraufseher, sondern, da er auch nicht Halter der Tiere sei, allenfalls aus eigenem Verschulden nach § 823 BGB. Die drei Hunde seien für den Betrieb der Beklagten zu 3 Nutztiere im Sinne des § 833 Satz 2 BGB. Es sei offensichtlich und werde durch die von den Beklagten geschilderte Art der Hundehaltung bestätigt, daß Hunde von solcher Größe auf einem zu Erwerbszwecken geführten Reiterhof gehalten würden , um den Schutz des Objektes und insbesondere der wertvollen Reittiere sicherzustellen. Daß die Hunde entgegen dem ersten Anschein nicht zur Bewachung des landwirtschaftlichen Anwesens und der Pferde eingesetzt würden, habe der Kläger nicht darzulegen vermocht. Die Beklagten zu 2 und 3 hätten die bei der Beaufsichtigung der Tiere im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet. Sie hätten das Notwendige und Erforderliche getan, um die Verursachung eines Schadens durch ihre Hunde auszuschließen , indem sie die Tiere bei Publikumsverkehr regelmäßig im Zwinger hielten. Die Hunde hätten ohne das Zutun Dritter das Haus nicht verlassen können. Der Kläger habe nicht bewiesen, daß die Beklagte zu 3 ihn aufgefordert habe, das Wohnhaus zu betreten und daß er mehrfach geklingelt bzw. geklopft habe. Der Beklagte zu 1 habe darauf vertrauen dürfen, daß aufgrund der Warnschilder am Haus und der vorhandenen Zwinger kein Unbefugter das Grundstück und insbesondere das Haus betreten würde und daß auch niemand, der - wie der Kläger - mit den tatsächlichen Gegebenheiten vertraut sei, das Haus betreten würde, wenn er die Zwinger leer vorfinden würde.
Selbst bei Annahme eines Sorgfaltsverstoßes auf Seiten der Beklagten trete eine etwaige Haftung der drei Beklagten in Anbetracht des erheblichen Mitverschuldens des Klägers zurück. Das Verhalten des Klägers stelle unter den gegebenen Umständen eine schuldhafte Selbstgefährdung dar.

II.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. 1. Der aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Auffassung der Revision, daß alle Beklagten Tierhalter im Sinne des § 833 BGB sind, tritt die Revisionserwiderung nicht entgegen. 2. Durchgreifende Bedenken bestehen jedoch, soweit das Berufungsgericht den Beklagten die Entlastungsmöglichkeit des § 833 Satz 2 BGB zugute kommen läßt. Nach dieser Vorschrift tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. Die Revision beanstandet mit Erfolg, daß die Auffassung des Berufungsgerichts, die Hunde seien Nutztiere im Sinne des § 833 Satz 2 BGB, nicht frei von Rechtsfehlern ist.
a) Daß die Hunde Haustiere sind, wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen. Ob bei einem Haustier eine derart umfangreiche wirtschaftliche Nutzung vorliegt, die es zum Nutztier im Sinne des § 833 Satz 2 BGB werden läßt, ist zwar grundsätzlich vom Tatrichter nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen (vgl. Senatsurteile vom 24. November 1954 - VI ZR 255/53 - VersR 1955, 116; vom 23. Juni 1959 - VI ZR 83/58 -
VersR 1959, 853 f.; vom 16. März 1965 - VI ZR 276/63 - VersR 1965, 572 ff.; vom 25. Mai 1965 - VI ZR 15/64 - VersR 1965, 719 ff. und vom 26. November 1985 - VI ZR 9/85 - VersR 1986, 345 ff.; Kreft in: BGB-RGRK, 12. Aufl., 833 Rdn. 79, 80). Doch beruht die Auffassung des Berufungsgerichts, die Hunde dienten hauptsächlich der Bewachung des Reiterhofes, auf einer fehlerhaft festgestellten Tatsachengrundlage.
b) Auch wenn das Berufungsgericht den entsprechenden Vortrag der Beklagten für nachvollziehbar und plausibel hält, ist es nicht offensichtlich, daß Hunde dieser Größe auf einem zu Erwerbszwecken geführten Reiterhof gehalten werden, um dessen Schutz sicherzustellen. Im vorliegenden Fall ergibt sich die Nutztiereigenschaft nicht bereits aus der Natur der Tiere wie etwa bei Kühen und Hühnern. Es handelt sich bei Hunden in ähnlicher Weise wie bei Pferden, um "potentiell doppelfunktionale" Tiere. Bei solchen kommt es darauf an, welchem Zweck die Tiere objektiv dienstbar gemacht werden und konkludent gewidmet sind (vgl. Senatsurteile vom 24. November 1954 - VI ZR 255/53 - VersR 1955, 116 und vom 19. Juni 1962 - VI ZR 227/61 - VersR 1962, 807, 808; Wagner in MünchKomm, BGB 4. Aufl., § 833 Rdn. 37 f.). Hat das Tier verschiedene Funktionen, von denen einige dem Erwerbsstreben, andere aber der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind, ist für die Beurteilung auf die allgemeine Widmung des Tiers, vor allem seine hauptsächliche Zweckbestimmung abzustellen (vgl. Senatsurteil vom 16. März 1982 - VI ZR 209/80 - VersR 1982, 670, 671; vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - VersR 1982, 366, 367 und vom 26. November 1985 - VI ZR 9/85 - VersR 1986, 345, 346; Wagner in: MünchKomm , aaO, Rdn. 38; Belling/Eberl-Borges in Staudinger, 2002, § 833 Rdn. 140; Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl. § 833 Rdn. 15).
c) Da der Kläger bestreitet, daß es sich bei den Hunden der Beklagten um Nutztiere im Rahmen der Bewirtschaftung des Reiterhofes handle, obliegt
nach allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen (BGHZ 113, 222, 224 f.; BGH, Urteil vom 13. November 1998 - V ZR 386/97 - NJW 1999, 352, 353; Zöller /Greger, ZPO, 25. Aufl. vor § 284 Rdn. 17 a; Rosenberg, Die Beweislast, 1965, S. 98, 101) den Beklagten die Behauptungs- und Beweislast für die Tatsachen , aus denen sich die Nutztiereigenschaft ergibt. Demgegenüber hat das Berufungsgericht ersichtlich den Kläger für darlegungspflichtig gehalten und dies auf den Beweis des ersten Anscheins für die Nutztierhaltung gestützt. Beides ist fehlerhaft. aa) Mangels einer Typizität des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts kommt den Beklagten der Beweis nach dem ersten Anschein nicht zugute. Ein solcher kommt nur dann in Frage, wenn im Einzelfall ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder Folge hinweist und so sehr das Gepräge des Gewöhnlichen und Üblichen trägt, daß die besonderen individuellen Umstände in ihrer Bedeutung zurücktreten (vgl. Senatsurteile vom 26. September 1961 - VI ZR 92/61 - NJW 1962, 31; vom 19. März 1996 - VI ZR 380/94 - VersR 1996, 772 und vom 5. März 2002 - VI ZR 398/00 - VersR 2002, 613 ff.; BGHZ 100, 31, 34 f.). Nach der gebotenen Gesamtbetrachtung liegt kein typischer Lebenssachverhalt vor, der auf die Nutztierwidmung schließen ließe. Der erkennende Senat vermag insbesondere den vom Berufungsgericht aufgestellten allgemeinen Erfahrungssatz nicht zu bestätigen, daß typischerweise nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Anschaffung und Haltung von drei Hunden der hier beschriebenen Art von Bewohnern eines Reiterhofs erfolgt, um die Sicherheit der Pferde sicherzustellen. bb) Für die Haltung der Hunde vorwiegend zum Schutz der Pferde sprechen auch nicht die übrigen vom Berufungsgericht festgestellten tatsächlichen Umstände der Hundehaltung. Soweit das Berufungsgericht in seine Beurteilung einbezogen hat, daß die Hunde in besonderen Situationen nachts zu Bewa-
chungszwecken auf die vorhandenen Ställe aufgeteilt würden, rügt die Revision mit Recht, daß dieser Umstand keinerlei Grundlage im Vortrag der Parteien findet , § 286 ZPO. Daß die Tiere am Unfalltag um 16.30 Uhr im Wohnhaus gehalten wurden, läßt auf die Nutztiereigenschaft im Hinblick auf den Reiterhof und insbesondere für die Bewachung der wertvollen Pferde nicht schließen, denn die Bewachung des Wohnhauses dient lediglich der Befriedigung eines allgemeinen , jedermann zukommenden Sicherungsbedürfnisses (vgl. OLG Köln, VersR 1999, 1293, 1294; Palandt/Sprau, aaO, Rdn. 17; Belling/Eberl-Borges, aaO, Rdn. 137). Auch das im allgemeinen übliche Wegsperren der Hunde tagsüber in den Zwingern besagt für die Widmung der Hunde zu Nutztieren nichts. Schließlich ist auch der Umstand, daß die Hunde von den Beklagten auf Kontrollgänge über die Koppeln mitgenommen werden, kein Hinweis auf die vorwiegende Nutzung der Tiere zu Erwerbszwecken. Der Gang über die Koppel in Begleitung der Hunde kann der Freizeitgestaltung zuzurechnen oder betrieblich bedingt sein. Da bei Tieren mit verschiedenen Funktionen - wie im Streitfall - auf deren hauptsächliche Zweckbestimmung abzustellen ist (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1970 - VI ZR 121/69 - VersR 1971, 320; vom 16. März 1982 - VI ZR 209/80 - VersR 1982, 670, 671 und vom 26. November 1985 - VI ZR 9/85 - VersR 1986, 345, 346; Wagner in: MünchKomm, aaO, Rdn. 38) wären außerdem zusätzlich Anlaß und Häufigkeit der jeweiligen Verwendung aufzuklären. Nachdem die Beklagten bisher ihrer Darlegungslast und Beweislast nicht genügt haben, war der Kläger nicht gehalten darzulegen, aufgrund welcher Tatsachen anzunehmen ist, daß die Hunde nicht zur Bewachung des Reiterhofes eingesetzt werden. 3. Sollte sich die Nutztiereigenschaft der Hunde nicht bestätigen, besteht keine Entlastungsmöglichkeit der Beklagten nach § 833 Satz 2 BGB, so daß es
insoweit auf die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt nicht ankommt. Diese kann allerdings Bedeutung bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge erlangen. Dem Berufungsgericht kann nach den bisherigen Feststellungen nicht darin gefolgt werden, daß etwaige Ansprüche jedenfalls wegen überwiegenden Mitverschuldens des Klägers gemäß § 254 BGB ausgeschlossen wären. Allerdings gehört die Abwägung der Verantwortlichkeiten nach § 254 BGB in den dem Revisionsgericht nur begrenzt zugänglichen Bereich der tatrichterlichen Würdigung. Eine Nachprüfung ist dem Revisionsgericht aber dahin möglich, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Senatsurteil vom 8. Januar 2002 - VI ZR 364/00 - VersR 2002, 330, 331 m.w.N.). Das Berufungsgericht legt der Abwägung fälschlicherweise zugrunde, daß die Beklagten ihrer Sorgfaltspflicht genügt hätten. Dies beruht auf einem unzutreffenden Verständnis des unter den Umständen des Streitfalles anzuwendenden Maßstabes an die erforderliche Sorgfaltspflicht. Es verkennt zudem , daß der Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zu einer gänzlichen Haftungsfreistellung des Schädigers führt, wenn sich der Geschädigte bewußt in eine Situation begeben hat, in der ihm die Eigengefährdung droht (wie etwa bei der Teilnahme an Boxkämpfen oder anderen besonders gefährlichen Sportarten; vgl. Senatsurteile BGHZ 154, 316, 323 und vom 21. Februar 1995 - VI ZR 19/94 - VersR 1995, 583, 585 m.w.N).
a) Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß das Maß der von dem Tierhalter zu beobachtenden Sorgfalt von der Gattung und den besonderen Eigenschaften des Tieres, die er kennt oder kennen muß, sowie den sonstigen Umständen abhängt (vgl. Senatsurteile vom 19. Juni 1962 - VI ZR 227/61 -
VersR 1962, 807, 808; vom 16. März 1965 - VI ZR 276/63 - VersR 1965, 572, 573 und vom 25. Mai 1965 - VI ZR 15/64 - VersR 1965, 719 ff.). Ist ein Hund bekanntermaßen aggressiv und bissig, sind die Sorgfaltsanforderungen bei seiner Beaufsichtigung in erheblichem Maße erhöht (vgl. OLG Karlsruhe VersR 2001, 724). Je gefährlicher der Hund ist, desto größere Bedeutung erlangt seine sichere Verwahrung (vgl. Belling/Eberl-Borges, aaO, Rdn. 168). Deshalb kann die Tierhalterhaftung auch dann eingreifen, wenn sich jemand einem Tier unbefugt nähert, das sich in einem umfriedeten Bezirk befindet (vgl. Wussow /Terbille Unfallhaftpflichtrecht 15. Aufl. Kap. 11 Rdn. 59). Handelt es sich - wie im vorliegenden Fall - um bissige und gefährliche Hunde, ist es notwendig, durch entsprechende Maßnahmen zu verhindern, daß die Tiere ins Freie gelangen und Menschen ohne hinreichende Einwirkungsmöglichkeiten - wie geschehen - erheblich verletzen. Im vorliegenden Fall war es deshalb nicht ausreichend, daß die Tiere im Haus gehalten wurden und Warnschilder auf die Hundehaltung hinwiesen. Wie der Streitfall zeigt, genügte das durch die Außenklinke mögliche Öffnen der Haustür, damit die Hunde ins Freie gelangten und ungehindert einen Menschen anfallen konnten (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 25. Mai 1965 - VI ZR 15/64 - VersR 1965, aaO; OLG Düsseldorf VersR 1981, 1035 mit Nichtannahmebeschluß des Senats vom 26. Mai 1981 - VI ZR 193/80 -). Es wäre Sache der Beklagten gewesen, den Kläger vor einem Angriff zu bewahren. Ihnen war die Gefährlichkeit der Hunde bekannt, weswegen sie diese bei Publikumsverkehr grundsätzlich wegsperrten. Daß sie dies unterließen, obwohl sie mit dem Kommen des Klägers rechneten, stellt einen erheblichen Sorgfaltsverstoß der Beklagten dar. Da der Beklagte zu 1 wußte, daß der Kläger seine damalige Verlobte abholen würde, durfte er nicht schon wegen dessen Kenntnis von den konkreten Umständen der Hundehaltung darauf vertrauen, daß dieser außerhalb des Wohnhauses warten würde. Vielmehr war damit zu rechnen, daß
der Kläger, wenn er seine Verlobte nicht unmittelbar auf dem Gelände treffen würde, versuchen könnte, in das Wohnhaus einzutreten. Unter solchen Umständen entsprach es nicht mehr der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, die Tiere ohne zusätzliche Sicherung im Erdgeschoß des Hauses frei herumlaufen zu lassen.
b) In rechtlicher Hinsicht verkennt das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Haftungsbefreiung der Beklagten wegen des Handelns des Klägers auf eigene Gefahr. Der Aspekt des Handels auf eigene Gefahr greift bei der Tierhalterhaftung nur ausnahmsweise ein, wenn sich der Verletzte bewußt Risiken aussetzt, die über die normale Tiergefahr hinausgehen (vgl. Senatsurteil vom 24. November 1954 - VI ZR 255/53 - VersR 1955, 116). Das Bewußtsein der Gefährdung ist stets Voraussetzung, um ein Handeln auf eigene Gefahr anzunehmen. Im Streitfall fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, daß sich der Kläger mit dem Öffnen der Tür bewußt der Gefahr aussetzte, gebissen zu werden. Auch wenn ihm die Haltung der Hunde aufgrund seiner vorangegangenen Besuche auf dem Reiterhof bekannt war, mußte er nicht damit rechnen, daß die Beklagten die Tiere im Haus frei laufen lassen würden, obwohl sich seine ehemalige Verlobte auf dem Grundstück aufhielt und die Beklagten wußten, daß er kommen würde. Auch der Umstand, daß der Zwinger vor dem Haus leer war, zwang ihm nicht einen solchen Schluß auf. Die Hunde konnten entweder im zweiten Zwinger sein oder sich mit den Beklagten zu 1 und/oder 2 außerhalb des Grundstücks aufhalten.
c) Schließlich hat das Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt, daß alle verbleibenden Unklarheiten des Sachverhalts zu Lasten der für das Mitverschulden des Klägers beweispflichtigen Beklagten gehen. Die Unaufklär-
barkeit der Behauptung, die Beklagte zu 3 habe den Kläger aufgefordert, das Wohnhaus zu betreten, kann - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht zu Lasten des Klägers gehen. Weiterhin beanstandet die Revision zu Recht, daß das Berufungsgericht ohne erneute Beweisaufnahme in Abweichung von den Feststellungen des Amtsgerichts nicht annehmen durfte, der Kläger habe nicht an der Haustür geklopft. An die Feststellung des Amtsgerichts , daß der Kläger jedenfalls geklopft habe, war das Berufungsgericht vielmehr gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, wenn es nicht wegen ernsthafter Zweifel eigene Feststellungen treffen wollte (vgl. Gummer/Heßler in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 529 Rdn. 7, 8, 11; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl. § 529 Rdn. 13,

14).


Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll