Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 17. Nov. 2016 - 1 U 48/16
nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 04.03.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Schweinfurt (Az.: 22 O 539/15) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; das in Ziffer 1. bezeichnete Urteil des Landgerichts Schweinfurt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
„Rücktrittsrecht Sie haben als Versicherungsnehmer das Recht, innerhalb von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrags vom Vertrag zurückzutreten. Zur Wahrung dieser Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung. Die Belehrung über Ihr Rücktrittsrecht bestätigen Sie mit der nachfolgenden Unterschrift.
Datum Unterschrift des Antragstellers.“
-
1.die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.268,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2013 zu zahlen;
-
2.die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 939,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
- eine gesonderte Belehrung über den Terminus „Abschluss des Vertrages“ sei nicht erforderlich, da es nicht Sinn und Zweck einer Belehrung sei, der zu belehrenden Person Kenntnis über Grundlagen des Vertragsrechts des BGB zu vermitteln.
- Die Belehrung sei auch hinsichtlich der gebotenen Form der Erklärung nicht inhaltlich unzutreffend oder unzureichend. Aus der Verwendung des Wortes „Absendung“ ergebe sich, dass ein mündlicher Rücktritt nicht ausreichend sei. Es genüge, dass sich die Belehrung am Gesetzestext orientiere, was hier der Fall sei.
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte nach Maßgabe der aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ersichtlichen erstinstanzlichen Anträge des Klägers zu verurteilen.
die Berufung zurückzuweisen.
Gründe
II.
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(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
(1) Im Falle des § 8 Absatz 1 sind dem Verpflichteten eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses, eine beglaubigte Abschrift des mit der Vollstreckungsklausel versehenen Titels und gegebenenfalls seiner Übersetzung sowie der gemäß § 8 Absatz 1 Satz 3 in Bezug genommenen Urkunden von Amts wegen zuzustellen.
(2) Muss die Zustellung an den Verpflichteten im Ausland oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen und hält das Gericht die Beschwerdefrist nach § 11 Absatz 3 Satz 1 nicht für ausreichend, so bestimmt es in dem Beschluss nach § 8 Absatz 1 oder nachträglich durch besonderen Beschluss, der ohne mündliche Verhandlung ergeht, eine längere Beschwerdefrist. Die Bestimmungen über den Beginn der Beschwerdefrist bleiben auch im Falle der nachträglichen Festsetzung unberührt.
(3) Dem Antragsteller sind eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses nach § 8, im Falle des § 8 Absatz 1 ferner die mit der Vollstreckungsklausel versehene Ausfertigung des Titels und eine Bescheinigung über die bewirkte Zustellung, zu übersenden. In den Fällen des Absatzes 2 ist die festgesetzte Frist für die Einlegung der Beschwerde auf der Bescheinigung über die bewirkte Zustellung zu vermerken.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt von dem beklagten Versicherer Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einerRentenversicherung.
- 2
- Diese wurde mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 2000 abgeschlossen. Die Belehrung über das Recht zum Rücktritt bzw. Widerruf befand sich am Ende des Antragsformulars innerhalb eines insgesamt im Fettdruck gehaltenen, mit "Wichtige Hinweise" überschriebenen Textblockes zwischen Hinweisen zur Schweigepflichtentbindung und Datenverarbeitung und einem Verweis auf die auf der Folgeseite abgedruckten Hinweise und Erklärungen zur Unfallversicherung.
- 3
- Im Oktober 2005 kündigte die Klägerin den Vertrag, und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 erklärte sie schließlich den Widerspruch "gemäß § 5a VVG a.F."
- 4
- Mit ihrer Klage verlangt sie die Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst 7% Zinsen als Ausgleich für aus den Prämien gezogene Nutzungen. Abzüglich des bereits ausgezahlten Rückkaufswerts hat sie daraus einen Betrag von insgesamt 4.582,84 € errechnet, den die Beklagte in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Vertragsbeginn zu verzinsen habe.
- 5
- Nach ihrer Auffassung war die erteilte Belehrung drucktechnisch nicht hinreichend hervorgehoben. Hinzu kämen inhaltliche Defizite. Dies führe zu einem zeitlich unbeschränkten Widerspruchsrecht, da die gesetzlich vorgesehene zeitliche Begrenzung Unionsrecht widerspreche.
- 6
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 8
- I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus § 812 BGB oder einem anderen Rechtsgrund verneint. Offen lassend, ob wegen Vertragsschlusses nach dem Antragsmodell die Voraussetzungen des § 5a VVG a.F. vorliegen, geht das Berufungsgericht davon aus, die Klägerin sei ordnungsgemäß belehrt worden und habe sowohl die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1, 2 VVG a.F. als auch die Rücktrittsfrist des § 8 Abs. 5 VVG a.F., überdies die Fristen aus § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. und § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. versäumt.
- 9
- II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 10
- Anders als das Berufungsgericht meint, folgt der Anspruch auf Prämienrückzahlung dem Grunde nach aus § 346 Abs. 1 BGB.
- 11
- 1. Entgegen der Revisionserwiderung ist der Rechtsstreit nicht bereits zur Beantwortung der Frage an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , ob der Versicherungsnehmerin das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. - und damit eine Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB - oder das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG (in der vom 29. Juli 1994 bis 7. Dezember 2004 geltenden Fassung vom 21. Juli 1994 - im Folgenden: a.F.) - und damit eine Rückabwicklung nach den §§ 346 ff. BGB (K. Johannsen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts -Handbuch 2. Aufl. § 8 Rn. 56) - offen steht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Vertragsschluss nach dem Antragsmodell erfolgte , was dem bisherigen Vortrag der Beklagten entsprach und von der Klägerin im Revisionsverfahren hingenommen wird. § 8 Abs. 6 VVG a.F. stellt für solche Fälle das Verhältnis zwischen § 5a Abs. 1 VVG a.F. und § 8 Abs. 4 und 5 VVG a.F. klar. Danach findet hier § 8 Abs. 5 VVG a.F. Anwendung, weil ein Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell nicht erfolgt und damit das Widerspruchsrecht aus § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. nicht eröffnet ist.
- 12
- 2. Infolge der Ausübung des Rücktrittsrechts aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. durch die Klägerin sind nach § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen dem Grunde nach zurück zu gewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
- 13
- a) Die mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 abgegebene Erklärung der Klägerin ist ungeachtet ihrer Bezeichnung als Widerspruch "gemäß § 5a VVG a.F." als Rücktrittserklärung nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. auszulegen. Entscheidend ist, dass darin der unbedingte Wille zum Ausdruck kommt, sich rückwirkend vom Vertrag lösen und die Rückzahlung sämtlicher Prämien geltend machen zu wollen. Die Auslegung dieser Erklärung kann der Senat selbst vornehmen, da die Aufklärung weiterer relevanter Umstände nicht zu erwarten ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96, NJW 1998, 1219 unter II 3 m.w.N.; MünchKomm-ZPO/Krüger, 4. Aufl. § 546 Rn. 10).
- 14
- b) Der Rücktritt ist rechtzeitig erklärt, obwohl zum Zeitpunkt der Erklärung die in § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. normierte Monatsfrist abgelaufen war.
- 15
- aa) Nach dem durch Bezugnahme auf die Vertragsunterlagen festgestellten Sachverhalt, der weitere Feststellungen nicht erwarten lässt, wurde die Klägerin nicht ordnungsgemäß i.S. von § 8 Abs. 5Satz 3 VVG a.F. belehrt. Soweit das Berufungsgericht von einer "ordnungsgemäßen Belehrung" ausgeht, verhält es sich nur zum Zugang, nicht aber zur Form derselben.
- 16
- Die im Antragsformular enthaltene Belehrung war nicht ausreichend drucktechnisch hervorgehoben und konnte deshalb die Rücktrittsfrist des § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. nicht wirksam in Lauf setzen (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F.). Zwar war eine drucktechnische Hervorhebung der Belehrung vom Wortlaut des § 8 Abs. 5 VVG a.F. (wie auch des § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung) nicht ausdrücklich vorausgesetzt. Der Senat hat aber bereits zu § 8 Abs. 4 VVG a.F. klargestellt, dass die Belehrung zur Erreichung ihres gesetzlichen Zweckes inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss. Das erfordert eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 14 m.w.N.).
- 17
- Die der Klägerin gegebene Belehrung genügt diesen Anforderungen nicht. Sie ist inmitten eines Textblockes abgedruckt, der weitere Informationen , unter anderem über die Ermächtigung zur Entbindung von der Schweigepflicht, zur Datenverarbeitung und zum Widerspruch in der Unfallversicherung, enthält. Innerhalb dieses Textblockes ist der Hinweis auf das Rücktrittsrecht in keiner Weise drucktechnisch hervorgehoben. Der gesamte Textblock ist vielmehr fettgedruckt. Weder der Fettdruck noch die Stellung der Belehrung im Antragsformular reichen daher aus, um eine Kenntnisnahme des Versicherungsnehmers hiervon zu gewährleisten (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12 aaO Rn. 15).
- 18
- Schon wegen dieses Formmangels der Belehrung konnte die Rücktrittsfrist nach § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. nicht zu laufen beginnen. Darauf, ob - wie die Revision rügt - die Belehrung darüber hinaus auch an inhaltlichen Defiziten litt, kommt es insoweit nicht mehr an.
- 19
- bb) Der Wirksamkeit der Rücktrittserklärung steht auch nicht der Ablauf der für einen solchen Fall bestimmten Frist aus § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. entgegen, nach welcher das Rücktrittsrecht bei unterbliebener Belehrung jedenfalls einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Diese Befristung ist unwirksam. Das Rücktrittsrecht der Klägerin bestand mithin noch im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fort.
- 20
- Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 8 VVG a.F. entsprechend den im Senatsurteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101) dargelegten Grundsätzen.
- 21
- (1) In dieser Entscheidung hat der Senat die Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Rahmen einer gespaltenen Auslegung (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 28) richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert, dass sie im Anwendungsbereich der Richtlinie 90/619/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) und der Richtlinie 92/96/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebensund Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht unbefristet fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat (im Einzelnen dazu Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 22-34).
- 22
- (2) Für das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. kann nichts anderes gelten. Es macht keinen Unterschied, dass die Anwendung des § 8 Abs. 5 VVG a.F. einen Vertragsschluss nach dem Antragsmodell, d.h. eine Übergabe der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen bereits bei Antragstellung voraussetzt. Entscheidend ist allein , dass die Befristung des Rücktrittsrechts bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Recht zum Rücktritt im Ergebnis zu einer vertraglichen Bindung führen könnte, ohne dass dem Versicherungsnehmer die Rücktrittsmöglichkeit ordnungsgemäß zur Kenntnis gebracht wäre. Diese Gefahr wird durch die Frist des § 8 Abs. 5 VVG a.F. gegenüber der vom Senat (aaO) beanstandeten Frist in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. noch dadurch verschärft, dass das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. nicht erst ein Jahr, sondern bereits einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen sollte. Für die von der Beklagten angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bestand kein Anlass, die Frage ist durch dessen Urteil vom 19. Dezember 2013 (EuGH, VersR 2014, 225) hinreichend geklärt.
- 23
- (3) Anders als die Beklagte - zuletzt mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2014 - geltend gemacht hat, ergeben sich gegen eine Übertragung der vorgenannten Grundsätze auf die Regelung des § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG keine durchgreifenden Bedenken daraus, dass die richtlinienkonforme Auslegung hier zum Wegfall dieser Befristung und damit zur vollständigen Aufhebung der in § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. getroffenen Regelung führt. Diese war lediglich ein für Lebensversicherungsverträge geltender Teil einer für alle Versicherungsverträge angeordneten Befristung des Rechts des Versicherungsnehmers, sich von der vertraglichen Bindung zu lösen.
- 24
- § 8 VVG a.F. erfasste alle nicht im Policenmodell geschlossenen Versicherungsverträge und regelte die insoweit bestehenden Lösungsrechte des Versicherungsnehmers - das Recht zum Rücktritt von Lebensversicherungsverträgen (§ 8 Abs. 5 VVG a.F.) und das Recht zum Widerruf sonstiger Versicherungsverträge (§ 8 Abs. 4 VVG a.F.). Für alle diese Verträge sah § 8 VVG a.F. vor, dass das jeweilige Lösungsrecht eines nicht ordnungsgemäß darüber belehrten Versicherungsnehmers einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen sollte. Einer solchen Frist stehen indes die vorgenannten Lebensversicherungsrichtlinien bei Versicherungsverträgen entgegen, die dem Anwendungsbereich dieser Richtlinien unterfallen. Eine richtlinienkonforme teleologische Reduktion ist hier insoweit möglich, als die Monatsfrist für den Rücktritt von Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht angewendet wird, jedoch bei sämtlichen anderen Versicherungsverträgen weiter gilt.
- 25
- An einer solchen gespaltenen Auslegung ist der Senat nicht dadurch gehindert, dass § 8 Abs. 5 VVG a.F. bei isolierter Betrachtung nur für im Antragsmodell geschlossene Lebensversicherungsverträge galt. Die Vorschrift ist vielmehr im Zusammenhang mit § 8 Abs. 4 VVG a.F. zu sehen.
- 26
- Die frühere Fassung des § 8 Abs. 4 VVG vom 17. Dezember 1990 (gültig vom 1. Januar 1991 bis 28. Juli 1994) erfasste alle Versicherungsverträge und enthielt noch keine von der Erteilung der Belehrung unabhängige Befristung des Widerrufsrechts. Durch Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung, der für die Lebensversicherung ein zwischen 14 und 30 Tagen zu bemessendes Rücktrittsrecht vorsah, wurde der Gesetzgeber zu einer Neuregelung veranlasst, die in Ansehung des Rechts des Versicherungsnehmers, sich vom Vertrag zu lösen, zwischen Lebensversicherungsverträgen und sonstigen Versicherungen unterschied. Da der Gesetzgeber eine kumulative Begründung von W iderrufs - und Rücktrittsrecht in der Lebensversicherung sachlich weder für geboten noch vertretbar hielt, nahm er die Lebensversicherung aus dem Anwendungsbereich des Widerrufsrechts heraus und sah in § 8 Abs. 5 VVG a.F. zur Umsetzung der Vorgabe aus Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie (BT-Drucks. 12/6959 S. 101) ein Rücktrittsrecht vor. Mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG, das vor allem auch der Umsetzung der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie diente (BT-Drucks. 12/6959 S. 1), wurden wortgleich die beiden Ausschlussfristen in § 8 Abs. 4 Satz 4 und § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG eingeführt (BT-Drucks. 12/6959 S. 34 f.). Sie bilden hinsichtlich der von der Erteilung einer Belehrung unabhängigen Ausschlussfrist eine für alle Versicherungsverträge einheitliche Regelung. Wie die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 12/6959 S. 101) hervorhebt, wurden "aus Gründen praktischer Vernunft … zur Vermeidung von Missverständnissenund zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit bei den Versicherungsnehmern für das Widerrufs- und das Rücktrittsrecht gleiche Fristen vorgesehen". Mithin beabsichtigte der Gesetzgeber eine einheitliche, von der Erteilung einer Belehrung unabhängige Befristung des Lösungsrechts, die für alle im Antragsmodell geschlossenen Versicherungsverträge gelten sollte. Daran ändert nichts, dass aus redaktionellen Gründen hinsichtlich der Befristung gleichlautende Bestimmungen als § 8 Abs. 4 Satz 4 und § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. eingefügt wurden.
- 27
- Die zulässige richtlinienkonforme teleologische Reduktion führt im Ergebnis zu einer gespaltenen Auslegung dieser umfassenden Befristung dergestalt, dass sie nur insoweit korrigiert wird, als sie mit den Anforderungen der vorgenannten Richtlinien nicht übereinstimmt, und im überschießenden - nicht europarechtlich determinierten - Teil unverändert bleibt (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 28).
- 28
- c) Die vorangegangene Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Rücktritt nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Rücktrittsrechts infolge beiderseits vollständiger Leistungserbringung (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 25 ff.) kommt hier ebenfalls nicht in Betracht, da eine analoge Anwendung der Regelungen aus § 7 Abs. 2 VerbrKrG, § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze bereits zum Zeitpunkt der Abwicklung des Vertrages im Jahre 2005 nicht mehr möglich ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
- 29
- Auch der von der Beklagten erhobene Verwirkungseinwand greift nicht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 39).
- 30
- 3. Die Rücktrittsfolgen sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang der Rücktrittserklärung (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
- 31
- 4. Ohne Erfolg hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung und mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2014 darauf berufen, der Ausübung des Rücktrittsrechts stehe eine analoge Anwendung des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. entgegen, der das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen für bestimmte Finanzdienstleistungen ausschließt, zu denen nach Auffassung der Beklagten auch fondsgebundene Rentenversicherungen zählen.
- 32
- Der früher in § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F., nunmehr in § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BGB geregelte Ausschluss des Widerrufsrechts (BTDrucks. 17/12637 S. 56) wurde eingefügt durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 und trat am 8. Dezember 2004 in Kraft. Darin wurde die so genannte Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (2002/65/EG, ABl. L 271, S. 16) umgesetzt.
- 33
- Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Regelung auch für das in § 8 Abs. 5 VVG a.F. geregelte Rücktrittsrecht und den hier in Rede stehenden Versicherungsvertrag Geltung beansprucht, denn eine - auch analoge - Anwendung kommt unabhängig vom Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil der zeitliche Geltungsbereich der Norm nicht eröffnet ist. Der Rentenversicherungsvertrag wurde bereits im Jahre 2000 geschlossen. Nach Art. 229 § 11 Abs. 1 Satz 1 EGBGB findet auf bis zum Ablauf des 7. Dezember 2004 entstandene Schuldverhältnisse das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung Anwendung.
- 34
- 5. Die Abweisung der Klage erweist sich auch nicht deshalb als richtig, weil die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgriffe. Wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat, ist der Anspruch der Klägerin aus § 346 Abs. 1 BGB nicht ver- jährt. Auch wenn Gestaltungsrechte nicht verjähren, so kann ihre Ausübung Rückabwicklungsansprüche begründen, die der Verjährung unterliegen (Palandt/Ellenberger, BGB 73. Aufl. § 194 Rn. 4). Der Rückgewähranspruch entsteht mit dem wirksam erklärten Rücktritt (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2006 - VIII ZR 3/06, BGHZ 170, 31 Rn. 37; MünchKomm-BGB/Gaier, 6. Aufl. § 346 Rn. 32; Soergel/Lobinger, BGB 13. Aufl. § 346 Rn. 60; Staudinger/Kaiser, BGB Bearb. 2012 § 346 Rn. 305). Die Klägerin erklärte den Rücktritt - wie bereits dargelegt - mit Schreiben vom 3. Dezember 2009. Die Verjährungsfrist des § 195 BGB war daher bei Erhebung der Klage im Jahre 2010 in keinem Falle abgelaufen.
- 35
- III. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif, weil sich das Berufungsgericht - aus seiner Sicht konsequent - bislang nicht mit der Höhe der nach § 346 Abs. 1 BGB zurück zu gewährenden Leistungen und Nutzungszinsen befasst hat.
- 36
- Insoweit wird es zu berücksichtigen haben, dass im Rahmen einer - wie hier - gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm bei der Regelung der Rechtsfolgen nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden darf. Dies hat der Senat zu § 5a VVG a.F. entschieden (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 aaO Rn. 45). So ist es auch im Streitfall, in dem die Befristung des Rechts des nicht ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmers , sich vom Vertrag zu lösen, - ebenso wie es im Falle des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. war - im Anwendungsbereich der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung mit Rücksicht auf die gebotene richtlinienkonforme teleologische Reduktion unanwendbar ist. Eine einschränkungslose , allein unter dem national-rechtlichen Blickwinkel betrachtete , Ausgestaltung des Rücktrittsrechts auf der Rechtsfolgenseite wäre auch hier nicht sachgerecht.
- 37
- Daher ist auch insoweit als Folge der gebotenen gemeinschaftskonformen Auslegung einer Beachtung der beiderseitigen Interessen Rechnung zu tragen. Ebenso wie in dem vom Senat am 7. Mai 2014 entschiedenen Fall hat die Versicherungsnehmerin im Streitfall während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen, und es ist auch hier davon auszugehen, dass dieser im Versicherungsfall in Anspruch genommen worden wäre. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien auch hier zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten. Vielmehr muss sich die Klägerin bei entsprechendem Vortrag des beklagten Versicherers im Rahmen der Rückabwicklung nach § 346 BGB einen Wertersatz für den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den sie jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat. § 346 Abs. 2 Satz 1 BGB, mit dem der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen hat, nach welcher für die Rückabwicklung nach Rücktritts- und nach Bereicherungsrecht - soweit möglich - gleiche Prinzipien gelten sollten (BT-Drucks. 14/6040 S. 194 f.), lässt nach nationalem Recht einen solchen Wertersatz zu. Dabei kann in Fällen der vorliegenden Art - wie der Senat zu § 5a VVG a.F. bereits entschieden hat - der Wert des Versicherungs- schutzes unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden , wobei im Falle von Lebensversicherungen etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen kann (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45).
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
AG Braunschweig, Entscheidung vom 16.03.2011- 114 C 1621/10 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 11.11.2011- 7 S 157/11 -
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt von dem beklagten Versicherer Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einerRentenversicherung.
- 2
- Diese wurde mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 2000 abgeschlossen. Die Belehrung über das Recht zum Rücktritt bzw. Widerruf befand sich am Ende des Antragsformulars innerhalb eines insgesamt im Fettdruck gehaltenen, mit "Wichtige Hinweise" überschriebenen Textblockes zwischen Hinweisen zur Schweigepflichtentbindung und Datenverarbeitung und einem Verweis auf die auf der Folgeseite abgedruckten Hinweise und Erklärungen zur Unfallversicherung.
- 3
- Im Oktober 2005 kündigte die Klägerin den Vertrag, und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 erklärte sie schließlich den Widerspruch "gemäß § 5a VVG a.F."
- 4
- Mit ihrer Klage verlangt sie die Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst 7% Zinsen als Ausgleich für aus den Prämien gezogene Nutzungen. Abzüglich des bereits ausgezahlten Rückkaufswerts hat sie daraus einen Betrag von insgesamt 4.582,84 € errechnet, den die Beklagte in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Vertragsbeginn zu verzinsen habe.
- 5
- Nach ihrer Auffassung war die erteilte Belehrung drucktechnisch nicht hinreichend hervorgehoben. Hinzu kämen inhaltliche Defizite. Dies führe zu einem zeitlich unbeschränkten Widerspruchsrecht, da die gesetzlich vorgesehene zeitliche Begrenzung Unionsrecht widerspreche.
- 6
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 8
- I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus § 812 BGB oder einem anderen Rechtsgrund verneint. Offen lassend, ob wegen Vertragsschlusses nach dem Antragsmodell die Voraussetzungen des § 5a VVG a.F. vorliegen, geht das Berufungsgericht davon aus, die Klägerin sei ordnungsgemäß belehrt worden und habe sowohl die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1, 2 VVG a.F. als auch die Rücktrittsfrist des § 8 Abs. 5 VVG a.F., überdies die Fristen aus § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. und § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. versäumt.
- 9
- II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 10
- Anders als das Berufungsgericht meint, folgt der Anspruch auf Prämienrückzahlung dem Grunde nach aus § 346 Abs. 1 BGB.
- 11
- 1. Entgegen der Revisionserwiderung ist der Rechtsstreit nicht bereits zur Beantwortung der Frage an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , ob der Versicherungsnehmerin das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. - und damit eine Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB - oder das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG (in der vom 29. Juli 1994 bis 7. Dezember 2004 geltenden Fassung vom 21. Juli 1994 - im Folgenden: a.F.) - und damit eine Rückabwicklung nach den §§ 346 ff. BGB (K. Johannsen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts -Handbuch 2. Aufl. § 8 Rn. 56) - offen steht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Vertragsschluss nach dem Antragsmodell erfolgte , was dem bisherigen Vortrag der Beklagten entsprach und von der Klägerin im Revisionsverfahren hingenommen wird. § 8 Abs. 6 VVG a.F. stellt für solche Fälle das Verhältnis zwischen § 5a Abs. 1 VVG a.F. und § 8 Abs. 4 und 5 VVG a.F. klar. Danach findet hier § 8 Abs. 5 VVG a.F. Anwendung, weil ein Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell nicht erfolgt und damit das Widerspruchsrecht aus § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. nicht eröffnet ist.
- 12
- 2. Infolge der Ausübung des Rücktrittsrechts aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. durch die Klägerin sind nach § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen dem Grunde nach zurück zu gewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
- 13
- a) Die mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 abgegebene Erklärung der Klägerin ist ungeachtet ihrer Bezeichnung als Widerspruch "gemäß § 5a VVG a.F." als Rücktrittserklärung nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. auszulegen. Entscheidend ist, dass darin der unbedingte Wille zum Ausdruck kommt, sich rückwirkend vom Vertrag lösen und die Rückzahlung sämtlicher Prämien geltend machen zu wollen. Die Auslegung dieser Erklärung kann der Senat selbst vornehmen, da die Aufklärung weiterer relevanter Umstände nicht zu erwarten ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96, NJW 1998, 1219 unter II 3 m.w.N.; MünchKomm-ZPO/Krüger, 4. Aufl. § 546 Rn. 10).
- 14
- b) Der Rücktritt ist rechtzeitig erklärt, obwohl zum Zeitpunkt der Erklärung die in § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. normierte Monatsfrist abgelaufen war.
- 15
- aa) Nach dem durch Bezugnahme auf die Vertragsunterlagen festgestellten Sachverhalt, der weitere Feststellungen nicht erwarten lässt, wurde die Klägerin nicht ordnungsgemäß i.S. von § 8 Abs. 5Satz 3 VVG a.F. belehrt. Soweit das Berufungsgericht von einer "ordnungsgemäßen Belehrung" ausgeht, verhält es sich nur zum Zugang, nicht aber zur Form derselben.
- 16
- Die im Antragsformular enthaltene Belehrung war nicht ausreichend drucktechnisch hervorgehoben und konnte deshalb die Rücktrittsfrist des § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. nicht wirksam in Lauf setzen (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F.). Zwar war eine drucktechnische Hervorhebung der Belehrung vom Wortlaut des § 8 Abs. 5 VVG a.F. (wie auch des § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung) nicht ausdrücklich vorausgesetzt. Der Senat hat aber bereits zu § 8 Abs. 4 VVG a.F. klargestellt, dass die Belehrung zur Erreichung ihres gesetzlichen Zweckes inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss. Das erfordert eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 14 m.w.N.).
- 17
- Die der Klägerin gegebene Belehrung genügt diesen Anforderungen nicht. Sie ist inmitten eines Textblockes abgedruckt, der weitere Informationen , unter anderem über die Ermächtigung zur Entbindung von der Schweigepflicht, zur Datenverarbeitung und zum Widerspruch in der Unfallversicherung, enthält. Innerhalb dieses Textblockes ist der Hinweis auf das Rücktrittsrecht in keiner Weise drucktechnisch hervorgehoben. Der gesamte Textblock ist vielmehr fettgedruckt. Weder der Fettdruck noch die Stellung der Belehrung im Antragsformular reichen daher aus, um eine Kenntnisnahme des Versicherungsnehmers hiervon zu gewährleisten (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12 aaO Rn. 15).
- 18
- Schon wegen dieses Formmangels der Belehrung konnte die Rücktrittsfrist nach § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. nicht zu laufen beginnen. Darauf, ob - wie die Revision rügt - die Belehrung darüber hinaus auch an inhaltlichen Defiziten litt, kommt es insoweit nicht mehr an.
- 19
- bb) Der Wirksamkeit der Rücktrittserklärung steht auch nicht der Ablauf der für einen solchen Fall bestimmten Frist aus § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. entgegen, nach welcher das Rücktrittsrecht bei unterbliebener Belehrung jedenfalls einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Diese Befristung ist unwirksam. Das Rücktrittsrecht der Klägerin bestand mithin noch im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fort.
- 20
- Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 8 VVG a.F. entsprechend den im Senatsurteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101) dargelegten Grundsätzen.
- 21
- (1) In dieser Entscheidung hat der Senat die Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Rahmen einer gespaltenen Auslegung (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 28) richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert, dass sie im Anwendungsbereich der Richtlinie 90/619/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) und der Richtlinie 92/96/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebensund Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht unbefristet fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat (im Einzelnen dazu Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 22-34).
- 22
- (2) Für das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. kann nichts anderes gelten. Es macht keinen Unterschied, dass die Anwendung des § 8 Abs. 5 VVG a.F. einen Vertragsschluss nach dem Antragsmodell, d.h. eine Übergabe der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen bereits bei Antragstellung voraussetzt. Entscheidend ist allein , dass die Befristung des Rücktrittsrechts bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Recht zum Rücktritt im Ergebnis zu einer vertraglichen Bindung führen könnte, ohne dass dem Versicherungsnehmer die Rücktrittsmöglichkeit ordnungsgemäß zur Kenntnis gebracht wäre. Diese Gefahr wird durch die Frist des § 8 Abs. 5 VVG a.F. gegenüber der vom Senat (aaO) beanstandeten Frist in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. noch dadurch verschärft, dass das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG a.F. nicht erst ein Jahr, sondern bereits einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen sollte. Für die von der Beklagten angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bestand kein Anlass, die Frage ist durch dessen Urteil vom 19. Dezember 2013 (EuGH, VersR 2014, 225) hinreichend geklärt.
- 23
- (3) Anders als die Beklagte - zuletzt mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2014 - geltend gemacht hat, ergeben sich gegen eine Übertragung der vorgenannten Grundsätze auf die Regelung des § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG keine durchgreifenden Bedenken daraus, dass die richtlinienkonforme Auslegung hier zum Wegfall dieser Befristung und damit zur vollständigen Aufhebung der in § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. getroffenen Regelung führt. Diese war lediglich ein für Lebensversicherungsverträge geltender Teil einer für alle Versicherungsverträge angeordneten Befristung des Rechts des Versicherungsnehmers, sich von der vertraglichen Bindung zu lösen.
- 24
- § 8 VVG a.F. erfasste alle nicht im Policenmodell geschlossenen Versicherungsverträge und regelte die insoweit bestehenden Lösungsrechte des Versicherungsnehmers - das Recht zum Rücktritt von Lebensversicherungsverträgen (§ 8 Abs. 5 VVG a.F.) und das Recht zum Widerruf sonstiger Versicherungsverträge (§ 8 Abs. 4 VVG a.F.). Für alle diese Verträge sah § 8 VVG a.F. vor, dass das jeweilige Lösungsrecht eines nicht ordnungsgemäß darüber belehrten Versicherungsnehmers einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen sollte. Einer solchen Frist stehen indes die vorgenannten Lebensversicherungsrichtlinien bei Versicherungsverträgen entgegen, die dem Anwendungsbereich dieser Richtlinien unterfallen. Eine richtlinienkonforme teleologische Reduktion ist hier insoweit möglich, als die Monatsfrist für den Rücktritt von Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht angewendet wird, jedoch bei sämtlichen anderen Versicherungsverträgen weiter gilt.
- 25
- An einer solchen gespaltenen Auslegung ist der Senat nicht dadurch gehindert, dass § 8 Abs. 5 VVG a.F. bei isolierter Betrachtung nur für im Antragsmodell geschlossene Lebensversicherungsverträge galt. Die Vorschrift ist vielmehr im Zusammenhang mit § 8 Abs. 4 VVG a.F. zu sehen.
- 26
- Die frühere Fassung des § 8 Abs. 4 VVG vom 17. Dezember 1990 (gültig vom 1. Januar 1991 bis 28. Juli 1994) erfasste alle Versicherungsverträge und enthielt noch keine von der Erteilung der Belehrung unabhängige Befristung des Widerrufsrechts. Durch Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung, der für die Lebensversicherung ein zwischen 14 und 30 Tagen zu bemessendes Rücktrittsrecht vorsah, wurde der Gesetzgeber zu einer Neuregelung veranlasst, die in Ansehung des Rechts des Versicherungsnehmers, sich vom Vertrag zu lösen, zwischen Lebensversicherungsverträgen und sonstigen Versicherungen unterschied. Da der Gesetzgeber eine kumulative Begründung von W iderrufs - und Rücktrittsrecht in der Lebensversicherung sachlich weder für geboten noch vertretbar hielt, nahm er die Lebensversicherung aus dem Anwendungsbereich des Widerrufsrechts heraus und sah in § 8 Abs. 5 VVG a.F. zur Umsetzung der Vorgabe aus Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie (BT-Drucks. 12/6959 S. 101) ein Rücktrittsrecht vor. Mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG, das vor allem auch der Umsetzung der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie diente (BT-Drucks. 12/6959 S. 1), wurden wortgleich die beiden Ausschlussfristen in § 8 Abs. 4 Satz 4 und § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG eingeführt (BT-Drucks. 12/6959 S. 34 f.). Sie bilden hinsichtlich der von der Erteilung einer Belehrung unabhängigen Ausschlussfrist eine für alle Versicherungsverträge einheitliche Regelung. Wie die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 12/6959 S. 101) hervorhebt, wurden "aus Gründen praktischer Vernunft … zur Vermeidung von Missverständnissenund zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit bei den Versicherungsnehmern für das Widerrufs- und das Rücktrittsrecht gleiche Fristen vorgesehen". Mithin beabsichtigte der Gesetzgeber eine einheitliche, von der Erteilung einer Belehrung unabhängige Befristung des Lösungsrechts, die für alle im Antragsmodell geschlossenen Versicherungsverträge gelten sollte. Daran ändert nichts, dass aus redaktionellen Gründen hinsichtlich der Befristung gleichlautende Bestimmungen als § 8 Abs. 4 Satz 4 und § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. eingefügt wurden.
- 27
- Die zulässige richtlinienkonforme teleologische Reduktion führt im Ergebnis zu einer gespaltenen Auslegung dieser umfassenden Befristung dergestalt, dass sie nur insoweit korrigiert wird, als sie mit den Anforderungen der vorgenannten Richtlinien nicht übereinstimmt, und im überschießenden - nicht europarechtlich determinierten - Teil unverändert bleibt (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 28).
- 28
- c) Die vorangegangene Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Rücktritt nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Rücktrittsrechts infolge beiderseits vollständiger Leistungserbringung (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 25 ff.) kommt hier ebenfalls nicht in Betracht, da eine analoge Anwendung der Regelungen aus § 7 Abs. 2 VerbrKrG, § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze bereits zum Zeitpunkt der Abwicklung des Vertrages im Jahre 2005 nicht mehr möglich ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
- 29
- Auch der von der Beklagten erhobene Verwirkungseinwand greift nicht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 39).
- 30
- 3. Die Rücktrittsfolgen sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang der Rücktrittserklärung (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
- 31
- 4. Ohne Erfolg hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung und mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2014 darauf berufen, der Ausübung des Rücktrittsrechts stehe eine analoge Anwendung des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. entgegen, der das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen für bestimmte Finanzdienstleistungen ausschließt, zu denen nach Auffassung der Beklagten auch fondsgebundene Rentenversicherungen zählen.
- 32
- Der früher in § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F., nunmehr in § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BGB geregelte Ausschluss des Widerrufsrechts (BTDrucks. 17/12637 S. 56) wurde eingefügt durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 und trat am 8. Dezember 2004 in Kraft. Darin wurde die so genannte Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (2002/65/EG, ABl. L 271, S. 16) umgesetzt.
- 33
- Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Regelung auch für das in § 8 Abs. 5 VVG a.F. geregelte Rücktrittsrecht und den hier in Rede stehenden Versicherungsvertrag Geltung beansprucht, denn eine - auch analoge - Anwendung kommt unabhängig vom Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB a.F. im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil der zeitliche Geltungsbereich der Norm nicht eröffnet ist. Der Rentenversicherungsvertrag wurde bereits im Jahre 2000 geschlossen. Nach Art. 229 § 11 Abs. 1 Satz 1 EGBGB findet auf bis zum Ablauf des 7. Dezember 2004 entstandene Schuldverhältnisse das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung Anwendung.
- 34
- 5. Die Abweisung der Klage erweist sich auch nicht deshalb als richtig, weil die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgriffe. Wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat, ist der Anspruch der Klägerin aus § 346 Abs. 1 BGB nicht ver- jährt. Auch wenn Gestaltungsrechte nicht verjähren, so kann ihre Ausübung Rückabwicklungsansprüche begründen, die der Verjährung unterliegen (Palandt/Ellenberger, BGB 73. Aufl. § 194 Rn. 4). Der Rückgewähranspruch entsteht mit dem wirksam erklärten Rücktritt (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2006 - VIII ZR 3/06, BGHZ 170, 31 Rn. 37; MünchKomm-BGB/Gaier, 6. Aufl. § 346 Rn. 32; Soergel/Lobinger, BGB 13. Aufl. § 346 Rn. 60; Staudinger/Kaiser, BGB Bearb. 2012 § 346 Rn. 305). Die Klägerin erklärte den Rücktritt - wie bereits dargelegt - mit Schreiben vom 3. Dezember 2009. Die Verjährungsfrist des § 195 BGB war daher bei Erhebung der Klage im Jahre 2010 in keinem Falle abgelaufen.
- 35
- III. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif, weil sich das Berufungsgericht - aus seiner Sicht konsequent - bislang nicht mit der Höhe der nach § 346 Abs. 1 BGB zurück zu gewährenden Leistungen und Nutzungszinsen befasst hat.
- 36
- Insoweit wird es zu berücksichtigen haben, dass im Rahmen einer - wie hier - gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm bei der Regelung der Rechtsfolgen nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden darf. Dies hat der Senat zu § 5a VVG a.F. entschieden (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 aaO Rn. 45). So ist es auch im Streitfall, in dem die Befristung des Rechts des nicht ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmers , sich vom Vertrag zu lösen, - ebenso wie es im Falle des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. war - im Anwendungsbereich der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung mit Rücksicht auf die gebotene richtlinienkonforme teleologische Reduktion unanwendbar ist. Eine einschränkungslose , allein unter dem national-rechtlichen Blickwinkel betrachtete , Ausgestaltung des Rücktrittsrechts auf der Rechtsfolgenseite wäre auch hier nicht sachgerecht.
- 37
- Daher ist auch insoweit als Folge der gebotenen gemeinschaftskonformen Auslegung einer Beachtung der beiderseitigen Interessen Rechnung zu tragen. Ebenso wie in dem vom Senat am 7. Mai 2014 entschiedenen Fall hat die Versicherungsnehmerin im Streitfall während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen, und es ist auch hier davon auszugehen, dass dieser im Versicherungsfall in Anspruch genommen worden wäre. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien auch hier zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten. Vielmehr muss sich die Klägerin bei entsprechendem Vortrag des beklagten Versicherers im Rahmen der Rückabwicklung nach § 346 BGB einen Wertersatz für den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den sie jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat. § 346 Abs. 2 Satz 1 BGB, mit dem der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen hat, nach welcher für die Rückabwicklung nach Rücktritts- und nach Bereicherungsrecht - soweit möglich - gleiche Prinzipien gelten sollten (BT-Drucks. 14/6040 S. 194 f.), lässt nach nationalem Recht einen solchen Wertersatz zu. Dabei kann in Fällen der vorliegenden Art - wie der Senat zu § 5a VVG a.F. bereits entschieden hat - der Wert des Versicherungs- schutzes unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden , wobei im Falle von Lebensversicherungen etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen kann (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45).
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
AG Braunschweig, Entscheidung vom 16.03.2011- 114 C 1621/10 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 11.11.2011- 7 S 157/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Kläger trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger begehrt Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages.
- 2
- Dessen Abschluss beantragte er bei der Beklagten im März 1993 mit Wirkung ab April 1993. Auf der zweiten Seite des vom Kläger unterzeichneten Antragsformulars ist am Ende eines Absatzes mit Hinweisen zu verschiedenen Punkten eine Widerrufsbelehrung abgedruckt. Zwischen diesem Absatz und der Unterschriftszeile befindet sich ein weiterer Absatz mit anderen Informationen. Beide Absätze sind im Antragsformular nicht durch die Schriftgröße, aber insgesamt durch Fettdruck hervorgehoben.
- 3
- Nachdem der Kläger ab Vertragsbeginn sieben Jahre lang die monatlichen Prämien gezahlt hatte, kündigte er im Februar 2000 die Lebensversicherung , woraufhin die Beklagte 3.240,17 DM als Rückkaufswert auszahlte. Zehn Jahre später ließ der Kläger durch anwaltliches Schreiben vom 15. Februar 2010 erklären, dass "dem Vertragsabschluss … gemäß § 5a VVG a.F. widersprochen" werde, und die Rückzahlung al- ler geleisteten Prämien zuzüglich Anlagezinsen abzüglich des ausgezahlten Rückkaufswertes fordern.
- 4
- Der Kläger meint, in dem Widerspruch liege ein wirksamer Widerruf nach § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung. Die Belehrung im Antragsformular sei nicht ausreichend , da nicht gewährleistet sei, dass der Antragsteller hiervon Kenntnis nehme. Daher habe die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen.
- 5
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, der auf Widerruf seiner Vertragserklärung gestützte Bereicherungsansprüche weiter verfolgt.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Revision ist unbegründet.
- 7
- I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam widerrufen worden. Ein Widerrufsrecht ergebe sich nicht aus dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses anwendbaren § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung, da die Widerrufsfrist von zehn Tagen nach Unterzeichnung des Antrags abgelaufen sei. Der Kläger sei über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden. Eine besondere drucktechnische Gestaltung der Belehrung sei nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. nicht erforderlich. Sie müsse, um ihren Zweck zu erreichen, umfassend, unmissverständlich und aus Sicht des Versicherungsnehmers eindeutig sein. Diesen Anforderungen genüge die Belehrung, die im Antragsformular in Fettschrift unmittelbar über der Unterschriftszeile abgedruckt sei. Auf die Frage der Rechtsfolgen einer unterbliebenen Belehrung komme es daher nicht an.
- 8
- Offen bleiben könne auch, ob mit dem Versicherungsvertrag eine Zahlungserleichterung im Sinne des bis zum 31. Dezember 2001 gültigen § 1 Abs. 2 VerbrKrG verbunden gewesen sei, da nach § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG das Widerrufsrecht spätestens ein Jahr nach Abgabe der auf den Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers erloschen sei.
- 9
- Im Übrigen stehe einem Widerruf entgegen, dass sich der Kläger für die Durchführung des Vertrages und die Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen entschieden habe; damit sei sein Wahlrecht erloschen.
- 10
- II. Das Berufungsurteil hält im Ergebnis der rechtlichen Überprüfung stand. In dem Widerspruch "gemäß § 5a VVG a.F." liegt kein wirksamer Widerruf nach § 8 Abs. 4 VVG in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung (im Folgenden: a.F.).
- 11
- 1. Zu Recht ist das Berufungsgericht von der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 4 VVG a.F. ausgegangen. § 5a VVG in der ab dem 29. Juli 1994 gültigen Fassung findet nach Art. 16 § 11 des Dritten Durchführungsgesetzes /EWG zum VAG vom 21. Juli 1994 (BGBl. 1994 I, S. 1630) keine Anwendung auf Versicherungsverträge, die - wie hier - bis zum 31. Dezember 1994 zu von der Aufsichtsbehörde genehmigten Versicherungsbedingungen geschlossen wurden.
- 12
- 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war allerdings die in § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. bestimmte Widerrufsfrist von zehn Tagen ab Unterzeichnung des Versicherungsantrages zum Zeitpunkt des Widerrufs im Februar 2010 noch nicht abgelaufen, da der Kläger nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. belehrt worden war. Die Widerrufsfrist beginnt in entsprechender Anwendung der Regelungen in § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG in der Fassung vom 16. Januar 1986 und § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG in der Fassung vom 17. Dezember 1990 erst mit einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Belehrung über das Widerrufsrecht.
- 13
- a) Der Kläger ist nicht im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. über sein Widerrufsrecht belehrt worden.
- 14
- aa) Ihrem Wortlaut nach enthält die Vorschrift zwar keine über die Schriftlichkeit hinausgehenden Vorgaben zur Form der Belehrung. In zwei Beschlüssen vom 16. November 1995 hat der Bundesgerichtshof jedoch zu § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. klargestellt, dass eine gesetzlich angeordnete Belehrung, damit sie ihren Zweck erreichen kann, inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss. Weiter erfordert der Zweck einer solchen Vorschrift, dem auch der Sinngehalt des Wortes "Belehrung" entspricht, eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt. Deshalb kann nur eine Erklärung, die darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das Wissen, um das es geht, zu vermitteln, als Belehrung angesehen werden (BGH, Beschlüsse vom 16. November 1995 - I ZR 25/94, VersR 1996, 221 unter I 2 und I ZR 175/93, VersR 1996, 313 unter II 1; ebenso KG r+s 2003, 98; zustimmend:Johannsen/ Johannsen in Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. Bd. 3 Anm. E7 S. 302; ähnlich OLG Stuttgart VersR 1995, 202, 204; für eine drucktechnisch deutlich gestaltete Belehrung: Prölss in Prölss/Martin, VVG 25. Aufl. § 8 Anm. 10; Claussen, JR 1991, 360, 363; Schimikowski, ZfV 1991, 632, 635;Teske, NJW 1991, 2793, 2798; a.A.: Koch, VersR 1991, 725, 729).
- 15
- bb) Die Form der Belehrung im Antragsformular genügt diesen Anforderungen nicht; sie ist zur Aufklärung des Versicherungsnehmers über sein Widerrufsrecht nicht geeignet. Die Belehrung ist am Ende eines längeren Absatzes abgedruckt, der weitere Informationen, unter anderem über das Erfordernis wahrheitsgemäßer Angaben, über die Unzweckmäßigkeit der Aufgabe einer bestehenden Versicherung, über die Verwendung der Beiträge und über die Entwicklung der Rückkaufswerte enthält. Innerhalb dieses Absatzes ist der Hinweis auf das Widerrufsrecht nicht hervorgehoben; vielmehr ist der Absatz insgesamt fettgedruckt. Der Hinweis steht nicht unmittelbar über der Unterschrift des Versicherungsnehmers , sondern ihm folgt noch ein weiterer, ebenfalls fettgedruckter Absatz mit Hinweisen auf die auf der Rückseite abgedruckten Erklärungen und Informationen zu den einzelnen Versicherungsarten. Weder der Fettdruck noch die Stellung der Belehrung im Antragsformular reichen daher aus, um eine Kenntnisnahme des Versicherungsnehmers hiervon zu gewährleisten.
- 16
- b) Mangels ordnungsgemäßer Belehrung hatte der Lauf der Widerrufsfrist nicht mit Antragsunterzeichnung begonnen.
- 17
- aa) In § 8 Abs. 4 VVG a.F. findet sich zu den Folgen einer fehlenden oder nicht ausreichenden Belehrung keine Regelung. Dagegen hatte der Gesetzgeber in dem am selben Tag in Kraft getretenen § 7 Abs. 2 Satz 2 und 3 VerbrKrG ausdrücklich bestimmt, dass der Lauf der Widerrufsfrist erst mit Aushändigung einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Belehrung beginnt (Satz 2) und dass bei Fehlen der Belehrung das Widerrufsrecht erst nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung, spätestens jedoch ein Jahr nach Abgabe der auf den Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers erlischt (Satz 3). Auch nach § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG in der vom 1. Mai 1986 bis 30. September 2000 gültigen Fassung setzt der Lauf der Widerrufsfrist die ordnungsgemäße Belehrung voraus; nach § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG erlischt das Widerrufsrecht bei Fehlen der Belehrung erst einen Monat nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung.
- 18
- bb) Zu der Frage, ob auch in Fällen des § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. der Beginn der Widerrufsfrist von einer Belehrung abhängt, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.
- 19
- Ein Teil der Literatur legt diese Vorschrift dahin aus, dass der Lauf der Widerrufsfrist erst mit der schriftlichen ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung beginnt (Prölss in Prölss/Martin, VVG 25. Aufl. § 8 Anm. 10; Johannsen/Johannsen in Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. Bd. 3 Anm. E7 S. 303; Koch, VersR 1991, 725, 729; ohne Begründung Präve, VW 1991, 488, 489). Zur Begründung dieser Rechtsfolge wird auch auf eine entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG und des § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG zurückgegriffen (Sieg, VersR 1992, 1; wohl auch Schimikowski , ZfV 1991, 632, 635 f.) oder der Einwand der Fristversäumung als treuwidrig angesehen (Claussen, JR 1991, 360, 363). Eine Verbindung zwischen ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung und Lauf der Widerrufsfrist wird weiter daraus abgeleitet, dass § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. eine vorvertragliche Informationspflicht des Versicherers normiere, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers aus Verschulden bei Vertragsschluss auslöse. Da der Versicherungsnehmer einen Anspruch habe, so gestellt zu werden, wie er bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung stünde, könne er sein Widerrufsrecht auch nach Ablauf der Widerrufsfrist noch ausüben (Teske, NJW 1991, 2793, 2798 f.).
- 20
- Demgegenüber folgern andere aus dem Fehlen einer Regelung zu den Auswirkungen der unterlassenen bzw. nicht ordnungsgemäßen Belehrung in § 8 Abs. 4 VVG a.F.unter Berücksichtigung der Regelungen im Haustürwiderrufsgesetz und im damals neuen Verbraucherkreditgesetz, dass die Regelungslücke vom Gesetzgeber gewollt sei, so dass eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG oder des § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG nicht in Betracht komme (OLG München VersR 1995, 1037, 1038; zustimmend Römer in Römer/Langheid, VVG 1. Aufl. § 8 Rn. 68; AG Heidenheim VersR 1992, 558; AG Köln VersR 2000, 41, 42).
- 21
- cc) Die zuerst genannte Meinung ist zutreffend. Nur eine Anknüpfung des Beginns der Widerrufsfrist an eine ordnungsgemäße Belehrung wird dem Zweck der Widerrufsbelehrung gerecht. Aus der Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 4 VVG a.F. lässt sich entnehmen, dass durch die Regelung eine Verbesserung des Verbraucherschutzes erreicht und zu diesem Zweck - im Hinblick auf die Bereichsausnahme für das Versicherungswesen in § 6 Nr. 2 HWiG - eine versicherungsvertragsrechtliche Spezialnorm geschaffen werden sollte. Dort heißt es weiter: "Wegen der Bedeutung der Belehrung über das Widerrufsrecht bedarf die Belehrung der Schriftform" (BT-Drucks. 11/8321, S. 12). Mit dem Ziel des Verbraucherschutzes und der vom Gesetzgeber hervorgehobenen Bedeutung der Widerrufsbelehrung, die in der ausdrücklichen Normierung des Erfordernisses einer schriftlichen Belehrung zum Ausdruck kommt, lässt sich eine Folgenlosigkeit ihres Fehlens nicht vereinbaren. Das in § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. eingeräumte Recht, den Vertrag binnen einer Frist von zehn Tagen nach Unterzeichnung des Versicherungsantrags zu widerrufen , lässt sich nur realisieren, wenn der Versicherungsnehmer hiervon auch Kenntnis erlangt oder zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Ein Verweis des Versicherungsnehmers auf einen Schadenersatzanspruch ist für einen effektiven Verbraucherschutz nicht ausreichend , da dem Versicherungsnehmer der Nachweis obläge, dass die Verletzung der Pflicht zur Widerrufsbelehrung ursächlich für den Vertragsschluss bzw. das Festhalten am Vertrag geworden und dass ihm hierdurch ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2006 - XI ZR 204/04, BGHZ 169, 109 Rn. 43).
- 22
- Einer derartigen teleologischen Auslegung steht zwar der Wortlaut des § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. entgegen, der den Lauf der Widerrufsfrist allein an die Unterzeichnung des Antrags knüpft. Das Gesetz enthält angesichts der mit ihm bezweckten Stärkung der Verbraucherrechte aber eine planwidrige Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwen- dung der Regelungen des § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG und des § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG, die ebenfalls einen effektiven Verbraucherschutz gewährleisten sollen, geschlossen werden kann. Beide Regelungen sehen vor, dass der Lauf der Widerrufsfrist erst mit Aushändigung einer ordnungsgemäßen Belehrung beginnt. Der zugrunde liegende Gesetzeszweck, dass ein Widerrufsrecht nur dann zum Verbraucherschutz geeignet ist, wenn der Lauf der Widerrufsfrist erst mit Erfüllung der Verpflichtung zur Belehrung über dieses Recht beginnt, lässt sich auf das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. übertragen.
- 23
- 3. Das Widerrufsrecht ist jedoch nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung im Jahr 2000 erloschen.
- 24
- a) Allerdings schließt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die zuerst erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages den späteren Widerruf nicht aus. Zwar vertreten Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums die Auffassung, dass die Kündigung eines Vertrages einem späteren Widerruf generell entgegenstehe, wie Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums meinen (so: OLG Karlsruhe r+s 2013, 483; OLG Celle , Urteil vom 2. Februar 2012 - 8 U 125/11, juris Rn. 45; OLG Hamm, Beschluss vom 31. August 2011 - 20 U 81/11, juris Rn. 15 f.; OLG Koblenz , Beschluss vom 6. Juni 2011 - 10 U 162/11, nicht veröffentlicht; OLG Stuttgart, VersR 2011, 786 Rn. 4; LG Karlsruhe, Urteil vom 30. September 2011 - 9 S 266/11, S. 6 ff., nicht veröffentlicht; LG Köln, Urteil vom 18. August 2010 - 26 S 39/09, S. 7 f., nicht veröffentlicht; a.A.: LG Aachen, Urteil vom 11. Februar 2011 - 9 O 231/10, S. 10 f., nicht veröffentlicht). Dies ist jedenfalls für den hier zu beurteilenden Fall abzulehnen , in dem der Versicherungsnehmer sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerruf bereits mangels ausreichender Belehrung über sein Widerrufsrecht nicht sachgerecht ausüben konnte. Bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht ist nicht sichergestellt , dass dem Versicherungsnehmer zur Zeit der Kündigung bewusst ist, neben dem Kündigungsrecht ein Recht zum Widerruf zu haben, um so die Vor- und Nachteile einer Kündigung gegen die eines Widerrufs abwägen zu können.
- 25
- b) Das Erlöschen des Widerrufsrechts des Klägers aus § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. folgt jedoch aus einer entsprechenden Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG bzw. § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG. Danach erlischt ein Widerrufsrecht nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung.
- 26
- aa) Allerdings ist streitig, ob das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. bei Fehlen einer ausreichenden Belehrung unbegrenzt ist (so Prölss in Prölss/Martin, VVG 25. Aufl. § 8 Anm. 10) oder nach vollständiger Leistungserbringung (so Koch, VersR 1991, 725, 729;Schimikowski, ZfV 1991, 632, 636).
- 27
- bb) Letzteres trifft zu. Die Regelungslücke des § 8 Abs. 4 VVG a.F. hinsichtlich der Folgen der fehlenden oder nicht ordnungsgemäßen W iderrufsbelehrung (s.o. unter b cc) ist nicht allein durch die entsprechende Anwendung der § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG beseitigt, wonach der Lauf der Widerrufsfrist erst mit der ordnungsgemäßen Belehrung beginnt. Dies führte bei Fehlen der Widerrufsbelehrung zu einem grundsätzlich zeitlich unbegrenzten Widerrufsrecht bei im Zeitraum vom 1. Januar 1991 bis 28. Juli 1994 geschlossenen Versicherungsverträgen, während die im selben Zeitraum gültigen Regelungen des Haustürwiderrufsgesetzes und des Verbraucherkreditgeset- zes ein solches zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht nicht vorsahen. Die planwidrige Regelungslücke erstreckt sich daher auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Widerrufsrecht bei fehlender Belehrung erlischt.
- 28
- Diese Regelungslücke ist durch eine analoge Anwendung der an § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG anknüpfenden Regelungen in § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG zu schließen, wonach das Widerrufsrecht nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung erlischt (vgl. zu § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG: BGH, Urteil vom 10. November 2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rn. 15 ff.). Der diesen Erlöschenstatbeständen zugrunde liegende Rechtsgedanke lässt sich auf das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. übertragen. Mit dem Erlöschen des Widerrufsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung wollte der Gesetzgeber Rechtssicherheit schaffen (so zu § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG: BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 - II ZR 352/02, NJW-RR 2005, 180 unter II 5 zu; Fischer /Machunsky, HWiG 2. Aufl. § 2 Rn. 57); ein insgesamt abgeschlossener Sachverhalt sollte nicht rückwirkend wieder aufgegriffen werden (BGH aaO). Die Regelungen beruhen auf der Überlegung, dass für einen Widerruf deshalb kein Anlass mehr besteht, weil das Schuldverhältnis durch einen "lückenlosen" Leistungsaustausch zwischen den Parteien abgewickelt worden ist (Staudinger/Kessal-Wulf, BGB 13. Aufl. § 7 VerbrKrG Rn. 48; ähnlich MünchKomm-BGB/Ulmer, 3. Aufl. § 7 VerbrKrG Rn. 31; Bülow, VerbrKrG 2. Aufl. § 7 Rn. 38a). Zwar kann der Widerrufsberechtigte auch nach Beendigung eines Vertrages und Erlöschen der beiderseitigen Leistungspflichten noch ein Interesse an einer Rückabwicklung des Vertrages haben; daher schließt die Kündigung einen späteren Widerruf nicht generell aus (s.o. unter a). Die im Haus- türwiderrufsgesetz und Verbraucherkreditgesetz geregelten Erlöschenstatbestände basieren jedoch auf dem Gedanken, dass bei beiderseits vollständiger Leistungserbringung dieses Interesse des Widerrufsberechtigten gegenüber dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit zurücktreten soll.
- 29
- cc) Das Erlöschen des Widerrufsrechts aus § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. nach vollständiger beiderseitiger Leistungserbringung verstößt nicht gegen Europarecht, insbesondere nicht gegen die Vorgaben der Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 (Zweite Richtlinie Lebensversicherung) und der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 (Dritte Richtlinie Lebensversicherung). Der Europäische Gerichtshof hat für Haustürgeschäfte die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG a.F. als richtlinienkonform angesehen (EuGH, Urteil vom 10. April 2008, Rs. C-412/06, NJW 2008, 1865 Rn. 40-45 - "Hamilton"). Die Befristung des Widerrufsrechts ab der vollständigen Erbringung der Leistung sei auch bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Belehrung mit Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 (Richtlinie über Haustürgeschäfte) zu vereinbaren, wonach der Verbraucher das Recht besitze, von der eingegangenen Verpflichtung zurückzutreten. Die Verwendung des Begriffs "Verpflichtung" in der Richtlinie weise darauf hin, dass das Widerrufsrecht ausgeübt werden könne, es sei denn, dass für den Verbraucher aufgrund der vollständigen Durchführung des Vertrages keine Verpflichtungen aus dem Vertrag mehr bestünden (EuGH aaO Rn. 42). Anhaltspunkte, dass für vollständig abgewickelte Lebensversicherungsverträge ein weitergehendes Schutzniveau gelten soll, ergeben sich weder aus der Richtlinie 90/619/EWG noch aus der Richtlinie 92/96/EWG.
- 30
- dd) Die Parteien hatten vor Erklärung des Widerrufs ihre beiderseitigen Leistungen vollständig erbracht. Die Kündigung des Vertrages im Februar 2000, die zum 1. April 2000 wirksam wurde, hat die Verpflichtung des Klägers zur Prämienzahlung beendet und den Anspruch auf den Rückkaufswert ausgelöst. Mit anschließender Auszahlung des Rückkaufswertes haben die Parteien den Vertrag einvernehmlich beendet. Unerheblich ist, dass aufgrund der vorzeitigen Kündigung des Lebensversicherungsvertrages die für die gesamte Vertragslaufzeit vereinbarten Pflichten, d.h. insbesondere die Pflicht des Klägers zur Beitragszahlung und die Pflicht der Beklagten zur Auszahlung der Ablaufleistung, nicht vollständig erfüllt worden sind. Denn die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages und anschließende Auszahlung des Rückkaufswertes ist als eine Möglichkeit der Vertragsbeendigung im Vertragsverhältnis angelegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats zählt zu den vertraglich versprochenen Leistungen bei einer Lebensversicherung auch der Rückkaufswert nach Kündigung des Vertrages; das Recht auf den Rückkaufswert ist nur eine andere Erscheinungsform des Rechts auf die Versicherungssumme (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - IV ZR 208/09, VersR 2010, 1067 Rn. 13; vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02, VersR 2003, 1021 unter II 2 b; vom 22. März 2000 - IV ZR 23/99, VersR 2000, 709 unter II 3 a; so bereits BGH, Urteil vom 17. Februar 1966 - II ZR 286/63, BGHZ 45, 162, 167). Von einer vollständigen Leistungserbringung ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der Versicherungsnehmer - wie hier - den Rückkaufswert akzeptiert hat.
- 31
- ee) Keiner Entscheidung bedarf hier die Frage, ob das Widerrufsrecht aus § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG unmittelbar nach beiderseitiger Leistungserbringung oder ent- sprechend § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG erst einen Monat später erlischt, da der Kläger den Vertrag erst zehn Jahre nach der einvernehmlichen Abwicklung widerrufen hat.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 24.05.2011- 2 O 279/10 -
OLG Celle, Entscheidung vom 02.02.2012- 8 U 124/11 -
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 24. Januar 2014 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen ‑ 9 O 307/13 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen
1
Gründe
2I.
3Der Kläger schloss mit der Beklagten eine fondgebundene Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Februar 1996 ab. Der Kläger kündigte den Vertrag mit Wirkung zum 1. Juni 2010; die Beklagte zahlte einen Gesamtbetrag von 112.644,60 € aus. Mit Anwaltsschreiben vom 31. Mai 2013 erklärte der Kläger den Rücktritt nach § 8 Abs. 5 VVG a.F.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrags.
5Der Kläger hat vorgetragen, er sei berechtigt gewesen, noch im Jahr 2013 vom Vertrag, der nach dem Antragsmodell geschlossen worden sei, zurückzutreten. Die Belehrung über das Rücktrittsrecht im Antrag reiche nicht aus; vielmehr sei die Beklagte gehalten gewesen, ihn (auch) bei Übersendung des Versicherungsscheins über das Rücktrittsrecht zu belehren. Auch fehle es an einer Bestätigung der Belehrung durch eine gesonderte Unterschrift. Das Rücktrittsrecht bestehe deshalb weiterhin. Die Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F., wonach das Rücktrittsrecht einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlösche, sei nicht europarechtskonform und deshalb nicht anzuwenden.
6Hilfsweise hat der Kläger die Klage auf einen Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Aufklärung über Rückvergütungen, die von den Fondsgesellschaften an die Beklagte geflossen seien, gestützt. Die Kick-back-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei auch auf den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung zu übertragen.
7Der Kläger hat beantragt,
81. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 82.802,90 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Juni 2010;
92. die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Verpflichtung zur Zahlung vorprozessualer Anwaltsgebühren gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 2.607,17 € freizustellen.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Rücktrittsbelehrung im Antrag genüge den gesetzlichen Anforderungen. Etwaige Ansprüche seien zudem verwirkt. Die Kick-back-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei auf die vorliegende Konstellation nicht anzuwenden.
13Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. Januar 2014, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Ausübung des Rücktrittsrechts sei treuwidrig. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, über Rückvergütungen der Fondsgesellschaften aufzuklären.
14Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt, Der Kläger führt an, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts etwaige Ansprüche auf Rückerstattung der Prämien nicht verwirkt seien, weil das Umstandsmoment nicht erfüllt sei. Es liege auch keine unzulässige Rechtsausübung vor. Den Rücktritt nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. hält der Kläger für wirksam.
15Der Kläger verfolgt auch einen Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Aufklärung über Rückvergütungen, die die Beklagte von den Fondsgesellschaften erhalten habe, weiter. Die Kick-back-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei übertragbar auf den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung, weil die Interessenlage dieselbe sei.
16Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil.
17Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
18II.
19Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
20Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich der ausgekehrten Beträge gemäß § 812 Abs. 1 BGB. Der Versicherungsvertrag ist auf der Grundlage des Antragsmodells wirksam mit Versicherungsbeginn zum 1. Februar 1996 zustande gekommen. Der Kläger ist nicht innerhalb von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages vom Vertrag zurückgetreten (§ 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F). Der erst mit Anwaltsschreiben vom 31. Mai 2013 erklärte Rücktritt war verfristet.
21Die Rücktrittsbelehrung, die sich im Versicherungsantrag vom 1. Dezember 1995 (GA 30) findet, lautet:
22„Sie können innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins vom Versicherungsvertrag zurücktreten. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung (§ 4 AVB).“
23Diese Belehrung genügt formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen. § 8 Abs. 5 Satz 2 VVG.aF. verlangt lediglich eine Belehrung über das Rücktrittsrecht, ohne näher zu beschreiben, welche Form und welchen Inhalt die Belehrung haben muss. Gleichwohl ist – wie der Bundesgerichtshof zu der früheren Regelung in § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. entschieden hat (VersR 2013, 1513) – zu verlangen, dass die Belehrung inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus der Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss; sie muss ferner so gestaltet sein, dass sie dem Aufklärungsziel Rechnung trägt. Sie darf deshalb nicht im sonstigen Klauselwerk untergehen; es muss gewährleistet sein, dass die Belehrung vom Durchschnittskunden auch tatsächlich zur Kenntnis genommen wird (OLG Stuttgart, VersR 1995, 202). Sie darf nicht in den sonstigen Erklärungen „versteckt“ werden (BGH, VersR 1996, 221; s. auch OLG Köln – 20 Zivilsenat – Urt. v. 3. Februar 2012 – 20 U 140/11).
24Die vorliegende Belehrung im Antragsformular genügt diesen Anforderungen. Sie ist drucktechnisch hinreichend dadurch hervorgehoben, dass sie unter der Überschrift „Wichtige Hinweise“ vollständig in Fettdruck gehalten ist und zudem durch eine Umrahmung des Texts auffällig gestaltet wurde. Sie befindet sich zudem unmittelbar über den Unterschriftszeilen und fällt deshalb besonders in den Blick.
25Auch inhaltlich ist sie nicht zu beanstanden. Insbesondere muss sich die Belehrung – was der Kläger vorliegend allerdings auch nicht rügt – nicht über die mögliche Form der Rücktrittserklärung verhalten, weil nicht einmal das Gesetz eindeutig Schriftlichkeit verlangt (OLG Köln - 20. Zivilsenat -, Urt. v. 21. Oktober 2011 - 20 U 138/11-).
26Der Kläger hat die Rücktrittsbelehrung auch, wie es § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. verlangt, durch seine Unterschrift bestätigt. Dem Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. ist nicht zu entnehmen, dass die Rücktrittsbelehrung durch eine gesonderte Unterschrift zu bestätigen ist. Sie muss vielmehr nur „durch Unterschrift“ bestätigt werden. Hierzu reicht die Unterschrift unter den Antrag, in dem die Belehrung enthalten ist, aus (OLG Köln - 20. Zivilsenat -, Urt. v. 21. Oktober 2011 - 20 U 138/11 -; Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 8, Rn. 54 mit Rn. 46; Römer in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 8, Rn. 64).
27Schließlich ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht zu verlangen, dass die Belehrung über das Rücktrittsrecht (ggf. nochmals) mit der Übersendung des Versicherungsscheins erteilt werden muss. § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. verlangt nur allgemein eine Belehrung und legt damit den Zeitpunkt der Belehrung (anders als etwa gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG, wonach die Widerspruchsbelehrung bei Aushändigung des Versicherungsscheins zu erfolgen hat) nicht fest. Deswegen reicht eine Belehrung im Versicherungsantrag aus (Prölss in: Prölss/Martin, aaO). Dies entspricht auch den europarechtlichen Vorgaben, denn gemäß Art. 31 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang II Buchst. A, Unterpunkt a.13 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie (Richtlinie 92/96/EWG) sind die Modalitäten des Rücktrittsrechts vor Abschluss des Vertrags mitzuteilen; in der Übersendung des Versicherungsscheins liegt – bei Vertragsschluss nach dem Antragsmodell – aber schon die Vertragsannahme durch den Versicherer, so dass eine Belehrung zu diesem Zeitpunkt verspätet wäre.
28Dem Kläger steht auch kein Schadensersatz wegen unterlassener Aufklärung über etwaige Rückvergütungsleistungen der Fondsgesellschaften an die Beklagte zu. Zu einer solchen Aufklärung war die Beklagte nicht verpflichtet. Der Bundesgerichtshof hat inzwischen klargestellt, dass die von ihm entwickelte Kick-back-Rechtsprechung nur für den Bereich der Kapitalanlageberatung gilt (BGH, ZIP 2012, 67 ff., Rz. 39). Die bloße Vermittlung einer Lebensversicherung ist im Regelfall kein Kapitalanlagegeschäft. Der Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung mag auch der Kapitalanlage dienen; zumindest in etwa gleichwertig wird aber in aller Regel die Absicherung des Todesfallrisikos bezweckt (BGH, VersR 2012, 1149, Rz. 23). Allenfalls dann, wenn ausnahmsweise und bei Vorliegen besonderer Umstände die Absicherung des Todesfallrisikos gegenüber der Renditeerwartung erkennbar von untergeordneter Bedeutung ist, können sich erweiterte Pflichten nach den Grundsätzen zur Aufklärung über Anlagegeschäfte ergeben (vgl. BGH, WM 2012, 1577). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.
29Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
30Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
31Berufungsstreitwert: 82.802,90 €
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
1
G r ü n d e:
2Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordert auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung des Berufungsgerichts.
3Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger weder der mit seinem Hauptantrag geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung von ihm auf die im Jahre 1999 bei der Beklagten genommene Lebensversicherung geleisteter Prämien zzgl. Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zusteht noch der Kläger die mit seinem Hilfsantrag im Wege der Stufenklage begehrte Zahlung eines weiteren Rückkaufswertes ohne Abzug von Vertragsabschlusskosten verlangen kann.
4I.
5Zum Hauptantrag:
6Im Ergebnis zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Kläger weder unter bereicherungs- noch unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten einen Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Prämien hat.
71.
8Dem Kläger steht entgegen der von ihm vertretenen Auffassung kein Bereicherungsanspruch aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 BGB zu. Denn der zu Grunde liegende Lebensversicherungsvertrag ist im Jahre 1999 wirksam zustande gekommen. Dem stehen der mit anwaltlichem Schreiben vom 12.02.2013 erklärte Widerspruch und der hilfsweise erklärte Widerruf nicht entgegen. Auch aus einem Rücktritt vom Vertrag ergibt sich die vom Kläger begehrte Rechtsfolge nicht.
9a)
10Soweit der Kläger sein Zahlungsbegehren vorrangig auf den von ihm mit anwaltlichem Schreiben vom 12.02.2013 gem. § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG in der Fassung des Gesetzes vom 21.07.1994 (BGBl. I S 1630) erklärten Widerspruch stützt, steht dem entgegen, dass der Vertrag entgegen der Auffassung des Klägers vorliegend nicht nach dem sog. Policenmodell, sondern nach dem sog. Antragsmodell zustande gekommen ist. Demgemäß kommt es im Streitfall weder auf die Frage der Europarechtswidrigkeit des Policenmodells als solchem (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 16.07.2014, IV ZR 73/13, VersR 2014, 1065) noch auf die Richtlinienkonformität der Jahresfristregelung in § 5 Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. in Bezug auf Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung (vgl. dazu BGH, Urt. v. 07.05.2014, IV ZR 76/11, VersR 2014, 817; EuGH, Urt. v. 19.12.2013, C-209/12, VersR 2014, 225) an.
11In dem vom Kläger selbst vorgelegten Antrag auf Abschluss einer kapitalbildenden Lebensversicherung vom 24.10.1999 (Anlage K1) hat dieser mit gesonderter Unterschrift ausdrücklich bestätigt, vor Antragstellung neben einer Durchschrift des Antrags u.a. das Bedingungsheft #### erhalten zu haben. Dementsprechend ist der Versicherungsvertrag vorliegend auch schon mit Annahme des Antrags durch die Beklagte und nicht erst unter Einhaltung der weiteren, nur für das sog. Policenmodell geltenden Voraussetzungen des § 5a VVG a.F. wirksam zustande gekommen. Folgerichtig ist der Kläger, was er ebenfalls durch Unterschrift bestätigt hat, im Antrag wie im Versicherungsschein nicht über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 VVG a.F., sondern über das in diesem Fall allein einschlägige Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG in der Fassung des Gesetzes vom 21.07.1994 belehrt worden.
12Soweit der Kläger den Erhalt des Bedingungsheftes vor Antragstellung in seinem Schriftsatz vom 29.08.2013 bestritten hat, reicht sein einfaches Bestreiten nicht aus, um die Richtigkeit des in diesem Empfangsbekenntnis enthaltenen außergerichtlichen Geständnisses des Klägers hinsichtlich des Empfangs der Unterlagen zu erschüttern (vgl. insoweit zu den Wirkungen eines Empfangsbekenntnisses allgemein BGH, Urt. v. 28.09.1987, II ZR 35/87, NJW-RR 1988, 881 sowie Fetzer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 368 Rn. 5 mit weiteren Nachweisen). Allein der Umstand, dass in der vom Kläger vorgelegten Durchschrift des Antragsformulars – anders als in dem von der Beklagten vorgelegten Original – die Fassung des Bedingungsheftes nicht vermerkt ist, genügt nicht, um das in beiden Fassungen gesondert unterzeichnete Bekenntnis des Klägers zum Empfang des Bedingungsheftes als solchem zu entkräften.
13Soweit der Kläger den Empfang des Bedingungsheftes mit Nichtwissen zu bestreiten versucht, ist dies schon mit Blick auf die rechtlichen Wirkungen des Empfangskenntnisses unbeachtlich. Ohnehin ist ein Bestreiten mit Nichtwissen, wie aus der Wahrheitspflicht der Parteien folgt, nur dann zulässig, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis hat. Hierbei ist dem Kläger zwar zuzugeben, dass dies auch dann der Fall sein kann, wenn der Erklärende den in Rede stehenden Vorgang vergessen hat (BGH, Urt. v. 19.04.2001, I ZR 238/98, NJW-RR 2002, 612, 613; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 138 Rn. 13). Indessen setzt dies voraus, dass der Erklärende den Vorgang tatsächlich vergessen hat, was für das Gericht plausibel darzulegen ist (Senat, Beschl. v. 24.08.2011, 20 U 50/11, juris, Rn. 7, VersR 2012, 745; Urt. v. 22.11.1995, 20 U 186/95, juris, Rn. 10, VersR 1996, 1408). Anderenfalls ist die Erklärung wie Nichtbestreiten zu behandeln (Zöller/Greger, a.a.O.). So verhält es sich im Ergebnis hier. Denn der Kläger hat schon keine plausible Erklärung dafür liefern können, vor welchem Hintergrund er ein Empfangsbekenntnis unterzeichnet haben will, wenn ihm tatsächlich überhaupt keine Unterlagen, deren Erhalt er aber bestätigt hat, übergeben worden sein sollen.
14Das Empfangsbekenntnis des Klägers ist auch wirksam. Es verstößt nicht gegen § 11 Nr. 15 Buchtstabe b) AGBGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung. Nach dieser – nunmehr in § 309 Nr. 12 Buchtstabe b) BGB enthaltenen – Bestimmung waren zwar grundsätzlich formularmäßige Bestimmungen, mit denen der Verwender den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt, unwirksam. Dies galt indessen nicht für gesondert unterzeichnete Empfangsbekenntnisse. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass auch ein gesondert unterzeichnetes Empfangsbekenntnis zur Wirksamkeit der Bestimmung dann nicht ausreicht, wenn sich der Verwender zugleich auch Rechtstatsachen oder die rechtliche Bewertung von Tatsachen bestätigen lässt (vgl. BGH, Urt. v. 09.11.1989, IX ZR 269/87, VersR 1990, 91). So liegt der Fall hier aber nicht. Denn die Erklärung erschöpft sich vorliegend in der Bestätigung des Empfangs konkret bezeichneter Unterlagen (vgl. insoweit auch OLG Köln, Urt. v. 21.10.2011, 20 U 138/11, juris, Rn. 7).
15Entgegen der Auffassung der Berufung kann der Kläger auch nicht damit gehört werden, dass er mit Blick auf die im Antragsformular der Beklagten verwandte Belehrung, die er für unzureichend hält, zum Rücktritt berechtigt gewesen sei.
16Zwar steht – entgegen der Auffassung der Beklagten – einem wirksamen Rücktritt des Klägers im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Rücktrittserklärung die zeitlich zunächst erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages nicht generell entgegen. Denn im Falle des Fehlens einer ordnungsgemäßen Belehrung ist nicht sichergestellt, dass dem Versicherungsnehmer zur Zeit der Kündigungserklärung bewusst ist, neben dem Kündigungsrecht ein anderes Gestaltungsrecht zu haben, um so die Vor- und Nachteile des einen Rechts gegen das andere abwägen zu können (BGH, Urt. v. 16.10.2013, IV ZR 52/12, juris, Rn. 24, VersR 2013, 1513).
17Indessen genügt die Belehrung der Beklagten im Antragsformular den Vorgaben des § 8 Abs. 5 VVG a.F.
18Entgegen der Auffassung des Klägers ermangelt es der Rücktrittsbelehrung nicht bereits an der erforderlichen drucktechnisch deutlichen Form, welche dem Aufklärungsziel der Belehrung Rechnung trägt. Diese fordert ausreichende Lesbarkeit und setzt die Verwendung einer hinreichend großen Schrift voraus (vgl. BGH, NJW 2011, 1061). Darüber hinaus muss sich der Belehrungstext in einer nicht zu übersehenden Weise (etwa durch farbliche Gestaltung, größere Buchstaben, Sperrschrift oder Fettdruck) aus dem übrigen Text hervorheben (vgl. BGH, Urt. v. 28.01.2004, IV ZR 58/03, juris, Rn. 18, VersR 2004, 497). Die Form der Rücktrittsbelehrung der Beklagten entspricht diesen Anforderungen noch. Sie befindet sich am Ende des Antragsformulars unmittelbar über der Unterschrift des Versicherungsnehmers, ist fettgedruckt und farblich unterlegt. Zwar befinden sich oberhalb der Rücktrittsbelehrung weitere Informationen, u.a. über das Erfordernis wahrheitsgemäßer Angaben, über Vertragsgrundlagen, Datenschutz, Schweigepflicht und Bindefristen, die ebenfalls fettgedruckt und farblich hervorgehoben sind. Die Wiedergabe der Informationen erfolgt aber nicht in einem längeren Absatz mit insgesamt einheitlichem Erscheinungsbild, sondern in einer zweispaltigen Tabelle, in deren jeweils erster Spalte der Inhalt des eigentlichen, in der jeweils zweiten Spalte enthaltenen Belehrungstextes durch eine Kurzbeschreibung wiedergegeben ist. Die Gestaltung der Belehrung und auch ihre Stellung unmittelbar oberhalb der Unterschrift des Versicherungsnehmers (vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 16.10.2013, IV ZR 52/12, juris, Rn. 15, VersR 2013, 1513) reichen insoweit aus, um den Versicherungsnehmer aufmerksam zu machen und das Wissen, um das es geht, zu vermitteln (vgl. insoweit BGH, VersR 1996, 221).
19Die Belehrung ist auch im Übrigen inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie enthält, dem Wortlaut der Bestimmung in § 8 Abs. 5 VVG a.F. entsprechend, den Hinweis darauf, dass der Versicherungsnehmer bei der Lebensversicherung innerhalb von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages von diesem zurücktreten kann, wobei zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung genügt. Entgegen der Auffassung des Klägers bedurfte es weder einer gesonderten Belehrung darüber, dass der Versicherungsvertrag mit dem Zugang des Versicherungsscheins zustande kommt, noch dass der Rücktritt schriftlich auszuüben war und ohne Angabe von Gründen erfolgen konnte. Denn § 8 Abs. 5 VVG a.F. enthielt solche inhaltlichen Anforderungen an die Belehrung – anders als § 312 Abs. 2 BGB – gerade nicht. Maßgeblich war daher allein die zuverlässige Aufklärung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht. Hierfür genügte die Orientierung am Gesetzestext (so schon Senat, Beschl. v. 24.01.2014, 20 U 179/13, n.v.). Hinzu kommt, dass das Gesetz für die Rücktrittserklärung die Wahrung der Schriftform nicht eindeutig verlangt. Deshalb wurde in der versicherungsrechtlichen Literatur auch die Auffassung vertreten, der Rücktritt müsse nicht schriftlich erklärt werden (vgl. Gruber, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 8 Rn. 99). Demgegenüber haben zwar weite Teile des Schrifttums aus der Verwendung des Wortes „Absendung“ gefolgert, dass für den Rücktritt Schriftfom erforderlich ist (vgl. etwa Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 8 VVG Rn. 54, Römer, in:Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 8, Rn. 70). Es kann indes nicht Sache des Versicherers sein, die insoweit unklare gesetzliche Bestimmung im Rahmen der Belehrung in bestimmter Weise auszulegen; vielmehr reicht es – wie ausgeführt – aus, wenn die Belehrung sich am Gesetzeswortlaut orientiert, was hier geschehen ist (so ausdrücklich auch OLG Köln, Urt. v. 21.10.2011, 20 U 138/11, juris, Rn. 10).
20b)
21Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen wegen Beratungsverschuldens zu, wobei sich der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch mit Blick auf die Ausführungen oben a) schon im Ansatz nicht darauf stützen lässt, dass er unzureichend über sein Rücktrittsrecht belehrt worden sei. Auch soweit der Kläger zur Begründung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs auf die sog. „Kick-Back-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 12.05.2009, XI ZR 586/07, VersR 2009, 1370) verweist und hierzu pauschal ohne nähere Darlegung des konkret in Rede stehenden Sachverhalts behauptet, die Beklagte habe „im Hinblick auf die Struktur der Anlage, das Verlustrisiko und die Renditeerwartung“ ihr obliegende Beratungspflichten nicht erfüllt, insbesondere was die Frage angehe, ob ein wesentlicher Teil der Prämien zur Befriedigung von Provisionsansprüchen der Agenten sowie zur Deckung von Verwaltungs- und sonstigen Abschlusskosten verwendet werde, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung.
22Eine Schadensersatz begründende Beratungspflichtverletzung der Beklagten liegt insoweit nicht vor. Der Senat hat sich bereits an anderer Stelle der Auffassung des Oberlandesgerichts Köln (vgl. Beschl. v. 29.10.2010, 20 U 100/10, juris, Rn. 22, VersR 2011, 248) angeschlossen, wonach die sog. „Kick-Back-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs, die im Zusammenhang mit Anlageberatungsverträgen zwischen Banken und Anlageinteressenten entwickelt worden ist, auf den Fall des Abschlusses einer Lebensversicherung nicht anwendbar ist (Senat, Beschl. v. 24.08.2011, 20 U 50/11, juris, Rn. 22, VersR 2012, 745; Beschl. v. 31.08.2011, 20 U 81/11, juris, Rn. 36; Beschl. v. 21.03.2012, 20 U 189/11, n.v.). An dieser Rechtsprechung, die auch der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte entspricht (vgl. nur OLG Stuttgart, Urt. v. 23.12.2010, 7 U 187/10, juris, Rn. 49, r+s 2011, 218; OLG Celle, Beschl. v. 02.02.2012, 8 U 125/11, juris, Rn. 60; OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.02.2013, 12 U 151/12, juris, Rn. 41, r+s 2013, 483) hält der Senat auch im vorliegenden Fall fest.
23II.
24Zu den Hilfsanträgen:
25Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Auskunft gegen die Beklagte. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass dem Kläger gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Auskunftsanspruch gem. § 242 BGB zusteht, wobei die geschuldete Auskunft regelmäßig über die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals, über den Rückkaufwert im Sinne der versprochenen Leistung und über den vorgenommenen Stornoabzug zu erfolgen hat (vgl. insoweit BGH, Urt. v. 26.06.2013, IV ZR 39/10, juris, Rn. 61, VersR 2013, 1381). Dies führt aber nicht dazu, dass die Beklagte zur Vorlage von Bilanzen oder anderen Geschäftsunterlagen verpflichtet ist. Diese Grenze des Auskunftsanspruchs wird durch die Hilfsanträge des Klägers überschritten, weil der Klägerin im Einzelnen eine Begründung verlangt, wie und auf welche Weise die Beklagte die mit der Auskunft zur Verfügung zu stellenden Informationen ermittelt hat. Die vom Kläger begehrte Auskunft mit den hierzu geltend gemachten Einzelangaben kann nur in einer Art und Weise erteilt werden, die inhaltlich weitgehend auf eine von der Beklagten nicht geschuldete Rechnungslegung nach § 259 Abs. 1 BGB hinausläuft. Die Zubilligung des Auskunftsanspruchs hat, da es sich um einen Anwendungsfall des Grundsatzes von Treu und Glauben handelt, unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Dabei sind sowohl die Art und Schwere der Rechtsverletzung als auch die beiderseitigen Interessen des Berechtigten und des Verpflichteten angemessen zu berücksichtigen. Hier ist, auch unter Berücksichtigung des berechtigten Geheimhaltungsinteresses der Beklagten, nicht ersichtlich, dass der Kläger eine Auskunft in der begehrten Art und Weise benötigt, um den von ihm verfolgten Anspruch verwirklichen zu können. In der Sache geht es ihm in erster Linie darum, ob die Beklagte Stornokosten in Abzug gebracht hat. Jene Frage aber hat die Beklagte ausdrücklich verneint (GA 301) und hiermit die begehrte Auskunft erteilt und den Auskunftsanspruch des Klägers erfüllt. Den ermittelten Rückkaufwert hat die Beklagte bereits ausgezahlt. Aufgrund der Höhe des ausgezahlten Betrages ist auch ausgeschlossen, dass der geschuldete Mindestbetrag den ausgezahlten Rückkaufwert übersteigt. Daher besteht kein Anspruch auf Erteilung weitergehender Auskünfte.
26Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222) wird hingewiesen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 2
- Am 2. April 2008 suchte der für die Klägerin tätige Handelsvertreter B. in Begleitung einer weiteren Person den Beklagten in dessen Wohnung auf. Am Ende des Gesprächs unterschrieb der Beklagte eine "Bestellung" auf einem Formular der Klägerin, dessen Text u.a. lautete: "Ich bestelle hiermit unter Anerkennung der auf dieser Seite und auf der Rückseite abgedruckten Bedingungen die Lieferung/den Einbau nachgenannter Elemente für/in mein/das neben- stehend bezeichnete bebaute Grundstück". Anzahl und Größe von insgesamt fünf bestellten Fenstern waren handschriftlich in das Formular eingetragen und näher bezeichnet. Durch Ankreuzfelder war weiter angegeben, dass die Klägerin die alten Fenster demontieren und entsorgen sowie die neu gelieferten einbauen und einputzen sollte. Als Gegenleistung sollte der Beklagte einen "Festpreis" von 5.642,26 € zuzüglich Mehrwertsteuer, gegebenenfalls abzüglich Skonto, erbringen. Weiter war ausgeführt, dass sich die Klägerin für die Annahme der Bestellung eine Frist von fünf Wochen vorbehielt.
- 3
- In einem eingerahmten Kasten war auf der Vorderseite des Formulars folgende Widerrufsbelehrung aufgedruckt: "Der Besteller kann diese Bestellung innerhalb von zwei Wochen ohne Angaben von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Der Lauf der Frist beginnt mit der Aushändigung eines Durchschlages dieses Bestellscheins mit der schriftlichen Widerrufsbelehrung. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache. Im Fall des Widerrufs bestehen keinerlei Ansprüche der Firma H. gegen den Besteller. Der Widerruf ist zu richten an: H. …"
- 4
- Der Beklagte hat auch diese Erklärung gesondert unterschrieben.
- 5
- Auf der Rückseite des Formulars waren allgemeine Geschäftsbedingungen enthalten, deren Ziffer V.1) lautete: "Kündigt der Auftraggeber den Vertrag nach § 649 BGB oder tritt der Auftraggeber mit Einverständnis der Auftragnehmerin aus nicht von dieser zu vertretenden Gründen vor Fertigung der in Auf- trag gegebenen Elemente vom Vertrag zurück, so ist die Auftragnehmerin berechtigt, eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 30 % des Netto-Auftragswertes zu berechnen, es sei denn, der Auftraggeber kann nachweisen, dass der der Auftragnehmerin durch die Kündigung bzw. den Rücktritt entstandene Schaden (entstandene Kosten und entgangener Gewinn) niedriger oder gar kein Schaden entstanden ist."
- 6
- Eine Durchschrift der Bestellung verblieb beim Beklagten. Mit Schreiben vom 9. April 2008 übersandte die Klägerin ihm eine der Bestellung entsprechende Auftragsbestätigung. Mit E-Mail vom 21. April 2008 erklärte der Beklagte , "er würde die Auftragserteilung gerne noch etwas nach hinten schieben", da er über die Finanzierung der gesamten Modernisierungsmaßnahme mit seiner Bank verhandle. Mit E-Mail vom 6. Juni 2008 teilte der Beklagte mit: "Wir würden gerne den oben genannten Auftrag (Nr. 286395) stornieren, da wir uns anderweitig entschieden haben!"
- 7
- Das Amtsgericht hat die Klage auf Zahlung von 1.692,50 € nebst Zinsen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die zulässige Revision ist nicht begründet.
I.
- 10
- Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der durch den Antrag des Beklagten vom 2. April 2008 und die Annahme der Klägerin vom 9. April 2008 zustande gekommene Werkvertrag über die im Einzelnen näher bezeichneten Bauleistungen sei nicht durch einen Widerruf des Beklagten nach §§ 312, 355 BGB aufgehoben worden, so dass seine Erklärung, den Vertrag stornieren zu wollen, die Rechtsfolge des § 649 Satz 2 BGB auslöse. Zwar liege ein Haustürgeschäft nach § 312 BGB vor. Der Widerruf des Beklagten sei aber nicht in der Zwei-Wochen-Frist des § 355 Abs. 1 BGB erfolgt. Diese Widerrufsfrist habe mit dem Ablauf des 16. April 2008 geendet. Denn am 2. April 2008 sei dem Beklagten anlässlich der Abgabe seines Vertragsangebots die nach § 355 Abs. 2 BGB erforderliche Widerrufsbelehrung zusammen mit der Durchschrift seines Vertragsantrags übergeben worden. Entgegen einer vom OLG Karlsruhe (ZGS 2006, 399) vertretenen Ansicht beginne die Widerrufsfrist nicht erst mit dem Zustandekommen des Vertrages, sondern bereits mit der Abgabe der auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers. Form und Inhalt der verwendeten Widerrufsbelehrung begegneten keinen Bedenken. Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Pauschale halte einer Inhaltskontrolle stand; sie sei angemessen und darüberhinaus branchenüblich.
II.
- 11
- Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
- 12
- 1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beginn der Widerrufsfrist bei einem Haustürgeschäft nicht vom Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrages abhängt.
- 13
- a) Das einem Verbraucher gemäß § 312 BGB eingeräumte Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften ist gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB innerhalb von zwei Wochen auszuüben. Diese Frist beginnt gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine dort näher beschriebene Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform mitgeteilt worden ist. Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, wann dem Verbraucher diese Belehrung mitzuteilen ist. Jedoch bezieht sich der Widerruf auf die auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung des Verbrauchers, § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das legt nahe, dass dem Verbraucher zugleich oder jedenfalls im Zusammenhang mit der Abgabe dieser Erklärung eine Belehrung über die Widerrufsmöglichkeit zu erteilen ist.
- 14
- aa) Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass eine verfrühte Widerrufsbelehrung unwirksam und nicht geeignet ist, die Widerrufsfrist in Gang zu setzen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, NJW 2002, 3396, 3398 m.w.N.). Dem mit der Einräumung eines Widerrufsrechts bei Haustürgeschäften bezweckten Schutz des Verbrauchers widerspricht es, dass seine gesetzlich vorgeschriebene Belehrung über das ihm zustehende Recht zum Widerruf seiner auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärung bereits vor deren Abgabe erteilt wird. Die Belehrung soll dem Verbraucher sein Widerrufsrecht klar und deutlich vor Augen führen. Dieses Ziel wird aber nur dann erreicht , wenn sich die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung des Ver- brauchers bezieht. Das setzt voraus, dass der Verbraucher eine solche Vertragserklärung bereits abgegeben hat oder zumindest zeitgleich mit der Belehrung abgibt. Denn nur unter dieser Voraussetzung steht ihm eine Entscheidungsfreiheit zu, die durch die Gewährung einer nachträglichen Überlegungsfrist wiederhergestellt werden soll (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrats zum HWiG, BT-Drucks. 10/2876, S. 7). Dagegen ist eine Widerrufsbelehrung , die dem Verbraucher bereits vor der Abgabe der Vertragserklärung erteilt worden ist, von vornherein mit dem mit zunehmendem zeitlichen Abstand immer größer werdenden Risiko behaftet, dass dieser sie zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Vertragserklärung bereits wieder vergessen hat. Dementsprechend vermag die dem Verbraucher eingeräumte Bedenkfrist unter dieser Voraussetzung ihren Sinn nicht zu erfüllen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, aaO).
- 15
- Eine zusammen mit der Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers erteilte Belehrung erfüllt danach jedoch ihren Zweck, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers durch eine nachträgliche Überlegungsfrist wieder herzustellen.
- 16
- bb) Es besteht keine Veranlassung, dies in den Fällen anders zu beurteilen , in denen es zum Vertragsschluss erst durch eine später nachfolgende Annahmeerklärung des Unternehmers kommt (ebenso MünchKommBGB/Masuch, 5. Aufl., § 355 BGB, Rn. 40; Witt, NJW 2007, 3759, 3761; a.A. MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl., § 355 BGB, Rn. 41; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 355 Rn. 12; OLG Karlsruhe, ZGS 2006, 399 = OLGR 2006, 649).
- 17
- Bereits die Systematik des Gesetzes zeigt, dass auch dann die Widerrufsfrist grundsätzlich bereits mit der bei der Abgabe des Angebots erfolgten Mitteilung der Widerrufsbelehrung beginnt. Denn § 312d Abs. 2 BGB geht davon aus, dass die Widerrufsfrist "abweichend von § 355 Abs. 2 Satz 1" bei Fernabsatzverträgen "bei Dienstleistungen nicht vor dem Tage des Vertragsschlusses" beginnt. Daraus, dass diese Regelung ausdrücklich als Abweichung von § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB bezeichnet wird, folgt, dass letztere Vorschrift gerade nicht den Beginn der Frist mit dem Tage des Vertragsschlusses vorsieht (ebenso MünchKommBGB/Masuch, 5. Aufl., § 355 BGB, Rn. 40). Der Sonderregel in § 312d Abs. 2 BGB bedürfte es sonst nicht.
- 18
- Dieser Gesetzesaufbau zeigt auch, dass die Erwähnung eines Vertrages in § 312 BGB ebenso wie in § 312d BGB lediglich den Anwendungsbereich der Widerrufsvorschriften beschreibt, nicht jedoch den wirksamen Abschluss des jeweiligen Vertrages als Voraussetzung für ein Widerrufsrecht erfordert. Gleiches gilt für den Verweis auf die Rücktrittsvorschriften in § 357 BGB. Deren Rückgewährregeln kommen ohnehin nur zum Tragen, wenn bereits Leistungen ausgetauscht worden sind. Das ist auch im Falle eines Widerrufes binnen 14 Tagen nach Vertragsschluss weder zwingend noch regelmäßig der Fall.
- 19
- Von diesem Verständnis ging ersichtlich auch die BGBInformationspflichten -Verordnung (BGB-InfoV) in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung aus. Denn das Muster für die Widerrufsbelehrung der dortigen Anlage 2 sah vor, dass in den Fällen des § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB hinter dem Hinweis, dass die Widerrufsfrist nach Erhalt dieser Belehrung in Textform beginne , der Zusatz einzufügen sei, "jedoch nicht vor Vertragsschluss". Daraus ergibt sich zum einen, dass die Belehrung auch vor Vertragsschluss abgegeben werden kann, und zum anderen, dass damit grundsätzlich der Lauf der Widerrufsfrist beginnt.
- 20
- Für diese Auslegung spricht auch die seit dem 11. Juni 2010 geltende gesetzliche Vorschrift des Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB mit ihrer Anlage 1. Nach diesem Muster für die Widerrufsbelehrung beginnt das Widerrufsrecht nach Erhalt dieser Belehrung in Textform. Nach dem Gestaltungshinweis [1] ist eine Ausnahmeregelung für den Fall vorgesehen, dass die Belehrung "nicht spätestens bei, sondern erst nach Vertragsschluss mitgeteilt" wird. Hieraus folgt, dass sie auch vor Vertragsschluss im Zusammenhang mit der Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers erteilt werden kann. Aus dem Gestaltungshinweis [3] b) bb) ergibt sich, dass in Fällen des § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB bei der Erbringung von Dienstleistungen die Frist ausnahmsweise nicht vor Vertragsschluss zu laufen beginnt. Im Umkehrschluss ergibt sich hieraus, dass sie im Übrigen auch zuvor zu laufen beginnen kann. Es ist nicht ersichtlich , dass der Gesetzgeber mit Einführung dieser Musterwiderrufsbelehrung, die der BGB-InfoV nachgebildet ist, den Inhalt des § 355 BGB sachlich hat ändern wollen. Zwar ist zum gleichen Zeitpunkt auch § 355 BGB textlich geändert worden. Auch hier gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass damit eine inhaltliche Veränderung im Hinblick auf den Beginn des Laufs der Widerrufsfrist verbunden sein sollte. § 355 Abs. 3 BGB n.F. entspricht inhaltlich § 355 Abs. 2 Sätze 1, 3 und 4 BGB in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung.
- 21
- b) Die Widerrufsregelung in § 355 BGB dient nach der amtlichen Anmerkung unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, ABl. EG Nr. L 372 vom 31. Dezember 1985, Seite 31. Diese ist bei der Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Haustürgeschäften daher ergänzend heranzuziehen, wobei Divergenzen zu der Richtlinie so weit wie möglich zu vermeiden sind. Die nationalen Rechtsvorschriften sind so weit wie möglich unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, NJW 2002, 3396, 3399 m.w.N.).
- 22
- Diese Richtlinie sieht in Art. 1 Abs. 4 ausdrücklich vor, dass ein bindendes Angebot widerrufen werden kann. Die Widerrufsbelehrung ist dem Verbraucher nach Art. 4 Satz 3 lit. c der Richtlinie zum Zeitpunkt der Abgabe seines Angebots auszuhändigen. Der Verbraucher besitzt das Recht, von der eingegangenen Verpflichtung innerhalb von mindestens sieben Tagen nach Erteilung dieser Belehrung zurückzutreten, Art. 5 Abs. 1 Satz 1.
- 23
- Noch deutlicher wird derselbe Mechanismus in dem Entwurf für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher vom 8. Oktober 2008, die unter anderem die Richtlinie 85/577/EWG ersetzen soll. Dort ist in Art. 12 Abs. 2 vorgesehen, dass im Fall eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags die Widerrufsfrist an dem Tag zu laufen beginnt, an dem der Verbraucher das Bestellformular unterzeichnet. In Art. 15 lit. b wird als Wirkung des Widerrufs das Ende der Verpflichtungen der Vertragsparteien zum Abschluss eines Vertrags außerhalb von Geschäftsräumen , sofern der Verbraucher ein Angebot abgegeben hat, genannt. Dass hiermit eine Einschränkung der Verbraucherrechte im Vergleich zur bisherigen Richtlinie 85/577/EWG beabsichtigt wäre, ist nicht ersichtlich.
- 24
- Es ist nicht erkennbar, dass der deutsche Gesetzgeber über die Vorgaben der Richtlinie 85/577/EWG hinaus den Beginn der Widerrufsfrist in diesen Fällen auf den Vertragsschluss hat hinausschieben wollen. Eine Abweichung zugunsten des Verbrauchers wäre nach Art. 8 der Richtlinie zwar möglich. Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass bei der Umsetzung der Richtlinie in diesem Punkt hiervon Gebrauch gemacht werden sollte.
- 25
- c) Durch den an die Übergabe der Widerrufsbelehrung bei der Abgabe der bindenden Willenserklärung des Verbrauchers geknüpften Beginn der Widerrufsfrist wird der mit § 312 BGB verfolgte Zweck des Widerrufsrechts nicht beeinträchtigt. § 312 BGB soll den Verbraucher vor der Gefahr schützen, bei durch Anbieter initiierten Vertragsanbahnungen außerhalb eines ständigen Geschäftslokals in seiner rechtlichen Entscheidungsfreiheit überfordert bzw. überrumpelt zu werden. Durch das in § 312 BGB eingeräumte Widerrufsrecht soll der Verbraucher die Möglichkeit erhalten, sich von der in einem Überraschungsmoment abgegebenen, für ihn bereits bindenden Willenserklärung wieder lösen zu können (vgl. Erwägungsgrund 5. zur Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, aaO). Zur Erreichung dieses Zweckes ist es gleichgültig, ob die vom Verbraucher zu widerrufende Willenserklärung bereits vom Gewerbetreibenden angenommen worden ist oder ob der Verbraucher lediglich nach § 147 Abs. 2 BGB an seinen Antrag gebunden ist. Hat der Verbraucher eine solche für ihn bindende, auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung abgegeben und ist ihm bei der Abgabe eine Widerrufsbelehrung ausgehändigt worden, in der er ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist, hat er ab diesem Zeitpunkt ausreichend Gelegenheit, ohne den Druck der Haustürsituation seine Entscheidung zu überdenken.
- 26
- 2. Entgegen der Ansicht der Revision ist der Beklagte auf dem Formular ordnungsgemäß über den Fristbeginn belehrt worden. Es reicht aus, dass das den Lauf der Frist auslösende Ereignis, nämlich die Aushändigung eines Durchschlags dieses Bestellscheins mit der schriftlichen Widerrufsbelehrung, benannt wurde. Insbesondere ist keine zusätzliche Belehrung auch über den Inhalt des § 187 Abs. 1 und des § 188 Abs. 2 BGB, aus denen sich Beginn und Ende der Widerrufsfrist ergeben, notwendig (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1994 - VIII ZR 223/93, BGHZ 126, 56, 62).
- 27
- Die Einwände der Revision gegen die weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts zur ausreichenden Deutlichkeit der Widerrufsbelehrung haben ebenfalls keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne Verfahrensfehler festgestellt , dass die Belehrung gegenüber dem übrigen Vertragstext ausreichend hervorgehoben ist.
- 28
- 3. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Angemessenheit der verlangten Entschädigung sind von der Revision nicht angegriffen.
III.
- 29
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Kuffer Bauner Eick Halfmeier Leupertz
AG Bayreuth, Entscheidung vom 09.06.2009 - 2 C 88/09 -
LG Bayreuth, Entscheidung vom 02.12.2009 - 13 S 67/09 -
Hat der Antragende für die Annahme des Antrags eine Frist bestimmt, so kann die Annahme nur innerhalb der Frist erfolgen.
(1) Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nur sofort angenommen werden. Dies gilt auch von einem mittels Fernsprechers oder einer sonstigen technischen Einrichtung von Person zu Person gemachten Antrag.
(2) Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf.
(1) Weicht der Inhalt des Versicherungsscheins von dem Antrag des Versicherungsnehmers oder den getroffenen Vereinbarungen ab, gilt die Abweichung als genehmigt, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt sind und der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht.
(2) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Übermittlung des Versicherungsscheins darauf hinzuweisen, dass Abweichungen als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht. Auf jede Abweichung und die hiermit verbundenen Rechtsfolgen ist der Versicherungsnehmer durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein aufmerksam zu machen.
(3) Hat der Versicherer die Verpflichtungen nach Absatz 2 nicht erfüllt, gilt der Vertrag als mit dem Inhalt des Antrags des Versicherungsnehmers geschlossen.
(4) Eine Vereinbarung, durch die der Versicherungsnehmer darauf verzichtet, den Vertrag wegen Irrtums anzufechten, ist unwirksam.
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
1
G r ü n d e:
2Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordert auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung des Berufungsgerichts.
3Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger weder der mit seinem Hauptantrag geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung von ihm auf die im Jahre 1999 bei der Beklagten genommene Lebensversicherung geleisteter Prämien zzgl. Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zusteht noch der Kläger die mit seinem Hilfsantrag im Wege der Stufenklage begehrte Zahlung eines weiteren Rückkaufswertes ohne Abzug von Vertragsabschlusskosten verlangen kann.
4I.
5Zum Hauptantrag:
6Im Ergebnis zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Kläger weder unter bereicherungs- noch unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten einen Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Prämien hat.
71.
8Dem Kläger steht entgegen der von ihm vertretenen Auffassung kein Bereicherungsanspruch aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 BGB zu. Denn der zu Grunde liegende Lebensversicherungsvertrag ist im Jahre 1999 wirksam zustande gekommen. Dem stehen der mit anwaltlichem Schreiben vom 12.02.2013 erklärte Widerspruch und der hilfsweise erklärte Widerruf nicht entgegen. Auch aus einem Rücktritt vom Vertrag ergibt sich die vom Kläger begehrte Rechtsfolge nicht.
9a)
10Soweit der Kläger sein Zahlungsbegehren vorrangig auf den von ihm mit anwaltlichem Schreiben vom 12.02.2013 gem. § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG in der Fassung des Gesetzes vom 21.07.1994 (BGBl. I S 1630) erklärten Widerspruch stützt, steht dem entgegen, dass der Vertrag entgegen der Auffassung des Klägers vorliegend nicht nach dem sog. Policenmodell, sondern nach dem sog. Antragsmodell zustande gekommen ist. Demgemäß kommt es im Streitfall weder auf die Frage der Europarechtswidrigkeit des Policenmodells als solchem (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 16.07.2014, IV ZR 73/13, VersR 2014, 1065) noch auf die Richtlinienkonformität der Jahresfristregelung in § 5 Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. in Bezug auf Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung (vgl. dazu BGH, Urt. v. 07.05.2014, IV ZR 76/11, VersR 2014, 817; EuGH, Urt. v. 19.12.2013, C-209/12, VersR 2014, 225) an.
11In dem vom Kläger selbst vorgelegten Antrag auf Abschluss einer kapitalbildenden Lebensversicherung vom 24.10.1999 (Anlage K1) hat dieser mit gesonderter Unterschrift ausdrücklich bestätigt, vor Antragstellung neben einer Durchschrift des Antrags u.a. das Bedingungsheft #### erhalten zu haben. Dementsprechend ist der Versicherungsvertrag vorliegend auch schon mit Annahme des Antrags durch die Beklagte und nicht erst unter Einhaltung der weiteren, nur für das sog. Policenmodell geltenden Voraussetzungen des § 5a VVG a.F. wirksam zustande gekommen. Folgerichtig ist der Kläger, was er ebenfalls durch Unterschrift bestätigt hat, im Antrag wie im Versicherungsschein nicht über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 VVG a.F., sondern über das in diesem Fall allein einschlägige Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG in der Fassung des Gesetzes vom 21.07.1994 belehrt worden.
12Soweit der Kläger den Erhalt des Bedingungsheftes vor Antragstellung in seinem Schriftsatz vom 29.08.2013 bestritten hat, reicht sein einfaches Bestreiten nicht aus, um die Richtigkeit des in diesem Empfangsbekenntnis enthaltenen außergerichtlichen Geständnisses des Klägers hinsichtlich des Empfangs der Unterlagen zu erschüttern (vgl. insoweit zu den Wirkungen eines Empfangsbekenntnisses allgemein BGH, Urt. v. 28.09.1987, II ZR 35/87, NJW-RR 1988, 881 sowie Fetzer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 368 Rn. 5 mit weiteren Nachweisen). Allein der Umstand, dass in der vom Kläger vorgelegten Durchschrift des Antragsformulars – anders als in dem von der Beklagten vorgelegten Original – die Fassung des Bedingungsheftes nicht vermerkt ist, genügt nicht, um das in beiden Fassungen gesondert unterzeichnete Bekenntnis des Klägers zum Empfang des Bedingungsheftes als solchem zu entkräften.
13Soweit der Kläger den Empfang des Bedingungsheftes mit Nichtwissen zu bestreiten versucht, ist dies schon mit Blick auf die rechtlichen Wirkungen des Empfangskenntnisses unbeachtlich. Ohnehin ist ein Bestreiten mit Nichtwissen, wie aus der Wahrheitspflicht der Parteien folgt, nur dann zulässig, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis hat. Hierbei ist dem Kläger zwar zuzugeben, dass dies auch dann der Fall sein kann, wenn der Erklärende den in Rede stehenden Vorgang vergessen hat (BGH, Urt. v. 19.04.2001, I ZR 238/98, NJW-RR 2002, 612, 613; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 138 Rn. 13). Indessen setzt dies voraus, dass der Erklärende den Vorgang tatsächlich vergessen hat, was für das Gericht plausibel darzulegen ist (Senat, Beschl. v. 24.08.2011, 20 U 50/11, juris, Rn. 7, VersR 2012, 745; Urt. v. 22.11.1995, 20 U 186/95, juris, Rn. 10, VersR 1996, 1408). Anderenfalls ist die Erklärung wie Nichtbestreiten zu behandeln (Zöller/Greger, a.a.O.). So verhält es sich im Ergebnis hier. Denn der Kläger hat schon keine plausible Erklärung dafür liefern können, vor welchem Hintergrund er ein Empfangsbekenntnis unterzeichnet haben will, wenn ihm tatsächlich überhaupt keine Unterlagen, deren Erhalt er aber bestätigt hat, übergeben worden sein sollen.
14Das Empfangsbekenntnis des Klägers ist auch wirksam. Es verstößt nicht gegen § 11 Nr. 15 Buchtstabe b) AGBGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung. Nach dieser – nunmehr in § 309 Nr. 12 Buchtstabe b) BGB enthaltenen – Bestimmung waren zwar grundsätzlich formularmäßige Bestimmungen, mit denen der Verwender den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt, unwirksam. Dies galt indessen nicht für gesondert unterzeichnete Empfangsbekenntnisse. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass auch ein gesondert unterzeichnetes Empfangsbekenntnis zur Wirksamkeit der Bestimmung dann nicht ausreicht, wenn sich der Verwender zugleich auch Rechtstatsachen oder die rechtliche Bewertung von Tatsachen bestätigen lässt (vgl. BGH, Urt. v. 09.11.1989, IX ZR 269/87, VersR 1990, 91). So liegt der Fall hier aber nicht. Denn die Erklärung erschöpft sich vorliegend in der Bestätigung des Empfangs konkret bezeichneter Unterlagen (vgl. insoweit auch OLG Köln, Urt. v. 21.10.2011, 20 U 138/11, juris, Rn. 7).
15Entgegen der Auffassung der Berufung kann der Kläger auch nicht damit gehört werden, dass er mit Blick auf die im Antragsformular der Beklagten verwandte Belehrung, die er für unzureichend hält, zum Rücktritt berechtigt gewesen sei.
16Zwar steht – entgegen der Auffassung der Beklagten – einem wirksamen Rücktritt des Klägers im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Rücktrittserklärung die zeitlich zunächst erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages nicht generell entgegen. Denn im Falle des Fehlens einer ordnungsgemäßen Belehrung ist nicht sichergestellt, dass dem Versicherungsnehmer zur Zeit der Kündigungserklärung bewusst ist, neben dem Kündigungsrecht ein anderes Gestaltungsrecht zu haben, um so die Vor- und Nachteile des einen Rechts gegen das andere abwägen zu können (BGH, Urt. v. 16.10.2013, IV ZR 52/12, juris, Rn. 24, VersR 2013, 1513).
17Indessen genügt die Belehrung der Beklagten im Antragsformular den Vorgaben des § 8 Abs. 5 VVG a.F.
18Entgegen der Auffassung des Klägers ermangelt es der Rücktrittsbelehrung nicht bereits an der erforderlichen drucktechnisch deutlichen Form, welche dem Aufklärungsziel der Belehrung Rechnung trägt. Diese fordert ausreichende Lesbarkeit und setzt die Verwendung einer hinreichend großen Schrift voraus (vgl. BGH, NJW 2011, 1061). Darüber hinaus muss sich der Belehrungstext in einer nicht zu übersehenden Weise (etwa durch farbliche Gestaltung, größere Buchstaben, Sperrschrift oder Fettdruck) aus dem übrigen Text hervorheben (vgl. BGH, Urt. v. 28.01.2004, IV ZR 58/03, juris, Rn. 18, VersR 2004, 497). Die Form der Rücktrittsbelehrung der Beklagten entspricht diesen Anforderungen noch. Sie befindet sich am Ende des Antragsformulars unmittelbar über der Unterschrift des Versicherungsnehmers, ist fettgedruckt und farblich unterlegt. Zwar befinden sich oberhalb der Rücktrittsbelehrung weitere Informationen, u.a. über das Erfordernis wahrheitsgemäßer Angaben, über Vertragsgrundlagen, Datenschutz, Schweigepflicht und Bindefristen, die ebenfalls fettgedruckt und farblich hervorgehoben sind. Die Wiedergabe der Informationen erfolgt aber nicht in einem längeren Absatz mit insgesamt einheitlichem Erscheinungsbild, sondern in einer zweispaltigen Tabelle, in deren jeweils erster Spalte der Inhalt des eigentlichen, in der jeweils zweiten Spalte enthaltenen Belehrungstextes durch eine Kurzbeschreibung wiedergegeben ist. Die Gestaltung der Belehrung und auch ihre Stellung unmittelbar oberhalb der Unterschrift des Versicherungsnehmers (vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 16.10.2013, IV ZR 52/12, juris, Rn. 15, VersR 2013, 1513) reichen insoweit aus, um den Versicherungsnehmer aufmerksam zu machen und das Wissen, um das es geht, zu vermitteln (vgl. insoweit BGH, VersR 1996, 221).
19Die Belehrung ist auch im Übrigen inhaltlich nicht zu beanstanden. Sie enthält, dem Wortlaut der Bestimmung in § 8 Abs. 5 VVG a.F. entsprechend, den Hinweis darauf, dass der Versicherungsnehmer bei der Lebensversicherung innerhalb von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages von diesem zurücktreten kann, wobei zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung genügt. Entgegen der Auffassung des Klägers bedurfte es weder einer gesonderten Belehrung darüber, dass der Versicherungsvertrag mit dem Zugang des Versicherungsscheins zustande kommt, noch dass der Rücktritt schriftlich auszuüben war und ohne Angabe von Gründen erfolgen konnte. Denn § 8 Abs. 5 VVG a.F. enthielt solche inhaltlichen Anforderungen an die Belehrung – anders als § 312 Abs. 2 BGB – gerade nicht. Maßgeblich war daher allein die zuverlässige Aufklärung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht. Hierfür genügte die Orientierung am Gesetzestext (so schon Senat, Beschl. v. 24.01.2014, 20 U 179/13, n.v.). Hinzu kommt, dass das Gesetz für die Rücktrittserklärung die Wahrung der Schriftform nicht eindeutig verlangt. Deshalb wurde in der versicherungsrechtlichen Literatur auch die Auffassung vertreten, der Rücktritt müsse nicht schriftlich erklärt werden (vgl. Gruber, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 8 Rn. 99). Demgegenüber haben zwar weite Teile des Schrifttums aus der Verwendung des Wortes „Absendung“ gefolgert, dass für den Rücktritt Schriftfom erforderlich ist (vgl. etwa Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 8 VVG Rn. 54, Römer, in:Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 8, Rn. 70). Es kann indes nicht Sache des Versicherers sein, die insoweit unklare gesetzliche Bestimmung im Rahmen der Belehrung in bestimmter Weise auszulegen; vielmehr reicht es – wie ausgeführt – aus, wenn die Belehrung sich am Gesetzeswortlaut orientiert, was hier geschehen ist (so ausdrücklich auch OLG Köln, Urt. v. 21.10.2011, 20 U 138/11, juris, Rn. 10).
20b)
21Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen wegen Beratungsverschuldens zu, wobei sich der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch mit Blick auf die Ausführungen oben a) schon im Ansatz nicht darauf stützen lässt, dass er unzureichend über sein Rücktrittsrecht belehrt worden sei. Auch soweit der Kläger zur Begründung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs auf die sog. „Kick-Back-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 12.05.2009, XI ZR 586/07, VersR 2009, 1370) verweist und hierzu pauschal ohne nähere Darlegung des konkret in Rede stehenden Sachverhalts behauptet, die Beklagte habe „im Hinblick auf die Struktur der Anlage, das Verlustrisiko und die Renditeerwartung“ ihr obliegende Beratungspflichten nicht erfüllt, insbesondere was die Frage angehe, ob ein wesentlicher Teil der Prämien zur Befriedigung von Provisionsansprüchen der Agenten sowie zur Deckung von Verwaltungs- und sonstigen Abschlusskosten verwendet werde, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung.
22Eine Schadensersatz begründende Beratungspflichtverletzung der Beklagten liegt insoweit nicht vor. Der Senat hat sich bereits an anderer Stelle der Auffassung des Oberlandesgerichts Köln (vgl. Beschl. v. 29.10.2010, 20 U 100/10, juris, Rn. 22, VersR 2011, 248) angeschlossen, wonach die sog. „Kick-Back-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs, die im Zusammenhang mit Anlageberatungsverträgen zwischen Banken und Anlageinteressenten entwickelt worden ist, auf den Fall des Abschlusses einer Lebensversicherung nicht anwendbar ist (Senat, Beschl. v. 24.08.2011, 20 U 50/11, juris, Rn. 22, VersR 2012, 745; Beschl. v. 31.08.2011, 20 U 81/11, juris, Rn. 36; Beschl. v. 21.03.2012, 20 U 189/11, n.v.). An dieser Rechtsprechung, die auch der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte entspricht (vgl. nur OLG Stuttgart, Urt. v. 23.12.2010, 7 U 187/10, juris, Rn. 49, r+s 2011, 218; OLG Celle, Beschl. v. 02.02.2012, 8 U 125/11, juris, Rn. 60; OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.02.2013, 12 U 151/12, juris, Rn. 41, r+s 2013, 483) hält der Senat auch im vorliegenden Fall fest.
23II.
24Zu den Hilfsanträgen:
25Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Auskunft gegen die Beklagte. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass dem Kläger gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Auskunftsanspruch gem. § 242 BGB zusteht, wobei die geschuldete Auskunft regelmäßig über die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals, über den Rückkaufwert im Sinne der versprochenen Leistung und über den vorgenommenen Stornoabzug zu erfolgen hat (vgl. insoweit BGH, Urt. v. 26.06.2013, IV ZR 39/10, juris, Rn. 61, VersR 2013, 1381). Dies führt aber nicht dazu, dass die Beklagte zur Vorlage von Bilanzen oder anderen Geschäftsunterlagen verpflichtet ist. Diese Grenze des Auskunftsanspruchs wird durch die Hilfsanträge des Klägers überschritten, weil der Klägerin im Einzelnen eine Begründung verlangt, wie und auf welche Weise die Beklagte die mit der Auskunft zur Verfügung zu stellenden Informationen ermittelt hat. Die vom Kläger begehrte Auskunft mit den hierzu geltend gemachten Einzelangaben kann nur in einer Art und Weise erteilt werden, die inhaltlich weitgehend auf eine von der Beklagten nicht geschuldete Rechnungslegung nach § 259 Abs. 1 BGB hinausläuft. Die Zubilligung des Auskunftsanspruchs hat, da es sich um einen Anwendungsfall des Grundsatzes von Treu und Glauben handelt, unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Dabei sind sowohl die Art und Schwere der Rechtsverletzung als auch die beiderseitigen Interessen des Berechtigten und des Verpflichteten angemessen zu berücksichtigen. Hier ist, auch unter Berücksichtigung des berechtigten Geheimhaltungsinteresses der Beklagten, nicht ersichtlich, dass der Kläger eine Auskunft in der begehrten Art und Weise benötigt, um den von ihm verfolgten Anspruch verwirklichen zu können. In der Sache geht es ihm in erster Linie darum, ob die Beklagte Stornokosten in Abzug gebracht hat. Jene Frage aber hat die Beklagte ausdrücklich verneint (GA 301) und hiermit die begehrte Auskunft erteilt und den Auskunftsanspruch des Klägers erfüllt. Den ermittelten Rückkaufwert hat die Beklagte bereits ausgezahlt. Aufgrund der Höhe des ausgezahlten Betrages ist auch ausgeschlossen, dass der geschuldete Mindestbetrag den ausgezahlten Rückkaufwert übersteigt. Daher besteht kein Anspruch auf Erteilung weitergehender Auskünfte.
26Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222) wird hingewiesen.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.