Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 29. Dez. 2016 - 3 Ss OWi 1566/16

bei uns veröffentlicht am29.12.2016

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Tatbestand

Das AG hat den Betr. nach Aufhebung und Zurückverweisung seines in der Sache auf Rechtsbeschwerde des Betr. ergangenen Ersturteils wiederum wegen einer fahrlässigen außerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 28 km/h (§ 24 I StVG i. V. m. §§ 41 II, 49 III Nr. 4 StVO) zu einer Geldbuße von 80 € verurteilt und gegen ihn wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes ein Regelfahrverbot nach § 25 I 1 i. V. m. § 4 II 2 BKatV verhängt. Hiergegen wendet sich erneut der Betr. mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung sachlichen und formellen Rechts beanstandet. Das Rechtsmittel erwies sich wiederum als erfolgreich.

Gründe

I. Die statthafte (§ 79 I 1 Nr. 2 OWiG) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich wiederum mit der Sachrüge als begründet, so dass es auf die jedenfalls unbegründete verfahrensrechtliche Beanstandung der Verletzung des Beweisantragsrechts bzw. des rechtlichen Gehörs nicht mehr ankommt. Das Rechtsmittel zwingt den Senat - wenn auch aus anderem Grund - zur neuerlichen Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das AG [...].

1. Die Überzeugung des AG von der Fahrereigenschaft des Betr. beruht auf den sachverständigen Darlegungen des mit der Erstellung eines anthropologischen Gutachtens beauftragten und im Termin gehörten Sachverständigen, welche es sich „in Gänze zu Eigen“ macht mit der Folge, dass „letztlich […] keinerlei vernünftige Zweifel an der Fahreigenschaft des Betr.“ bestanden.

2. Wie die Rechtsbeschwerde und auch die GStA jeweils zu Recht beanstanden, genügt dies nicht den nach den §§ 71 I OWiG i. V. m. § 267 I StPO gebotenen sachlich-rechtlichen Mindestanforderungen an eine nachvollziehbare Urteilsdarstellung, nachdem das AG aus für den Senat nicht transparenten Gründen den Betr. offenbar nicht allein anhand der vorhanden Lichtbilder wiedererkannt und demgemäß nicht von der ansonsten nahe liegenden, weil einfachen Möglichkeit einer deutlichen und zweifelsfreien Bezugnahme nach § 267 I 3 StPO i. V. m. § 71 I OWiG (zu den Anforderungen zuletzt BGH, Urt. v. 28.01.2016 - 3 StR 425/16 = StraFo 2016, 155 = NStZ-RR 2016, 178 = BGHR StPO § 267 I 3 Verweisung 5 und OLG Bamberg, Beschl. v. 14.11.2016 - 3 Ss OWi 1164/16 [bei juris], jeweils m. w. N.) auf ein „bei den Akten“ befindliches Messfoto bzw. ‚Frontfoto’ Gebrauch gemacht hat, zumal sich dann eine ausführliche Beschreibung des Messfotos nach Inhalt und Qualität in den Urteilsgründen erübrigt hätte (st.Rspr., vgl. neben BGH, Beschl. v. 19.12.1995 - 4 StR 170/95 = BGHSt 41, 376/382 = DAR 1996, 98 = NJW 1996, 1420 = NZV 1996, 413 = MDR 1996, 512 = BGHR StPO § 267 I 3 Verweisung 2 = StV 1996, 413 = VerkMitt 1996, 89 und BayObLG a. a. O. u. a. OLG Bamberg, Beschl. v. 20.02.2008 - 3 Ss OWi 180/08 = NZV 2008, 211 = VRS 114, 285 [2008]; 21.04.2008 - 2 Ss OWi 499/08 = NZV 2008, 469; 06.04.2010 - 3 Ss OWi 378/10 = DAR 2010, 390 = StV 2011, 717 = zfs 2010, 469 = SVR 2011, 344; 22.02.2012 - 2 Ss OWi 143/12 = DAR 2012, 215 = NZV 2012, 250 und v. 02.04.2015 - 2 Ss OWi 251/15 [bei juris]; vgl. zuletzt auch OLG Hamm, Beschl. v. 11.04.2016 - 4 RBs 74/16 und 08.03.2016 - 4 RBs 37/16 [jeweils bei juris]; OLG Brandenburg, Beschl. v. 02.02.2016 - 53 Ss-OWi 664/15 = DAR 2016, 282; KG, Beschl. v. 15.12.2015 - 121 Ss 216/15 = OLGSt StPO § 267 Nr. 29 = NJ 2016, 393 und v. 17.10.2014 - 3 Ws [B] 550/14 = VRS 127 [2015], 295; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.06.2015 - 1 Ss 188/13 = StraFo 2015, 286; OLG Brandenburg, Beschl. v. 02.02.2016 - 53 Ss-OWi 664/15 = DAR 2016, 282; OLG Hamm, Beschl. v. 08.03.2016 - 4 RBs 37/16 = DAR 2016, 399 sowie OLG Frankfurt, Beschl. vom 11.08.2016 - 2 Ss OWi 562/16 [bei juris]; Göhler/Seitz § 71‚ Rn. 47a f.; KK-OWiG/Senge § 71 Rn. 116 f.; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. § 267 Rn. 8 ff.; zur Unzulässigkeit der Verweisung auf ein elektronisches Speichermedium [Bezugnahme auf bei den Akten befindlicher CD-ROM gespeicherte ‚bewegte‘ Videoaufzeichnung bzw. Bilddatei als solche] BGH, Urt. v. 02.11.2011 - 2 StR 332/11 = BGHSt 57, 53 = NJW 2012, 244 f. = NStZ 2012, 228 f. = NZV 2012, 143 = StV 2012, 272 = BGHR StPO § 267 I 3 Verweisung 4; KK-OWiG/Senge § 71 Rn. 116 a.E.; Burhoff/Gübner Rn. 2735 f.).

a) Wenn auch in Bußgeldsachen als Massenverfahren an die Abfassung der Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind, kann für sie als alleiniger Grundlage für die sachlich-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils prinzipiell nichts anderes gelten wie für Urteile im Strafsachen. Die Urteilsgründe müssen deshalb nach § 71 OWiG i. V. m. § 267 I, III StPO auch in Bußgeldsachen wenigstens so beschaffen sein, dass ihnen das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen der Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung entnehmen kann, welche Feststellungen der Tatrichter zu den objektiven und subjektiven Tatbestandselementen getroffen hat und welche tatrichterlichen Erwägungen der Bemessung der Geldbuße und der Anordnung oder dem Absehen von Nebenfolgen zugrunde liegen. Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand gesetzt wird, diese auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen (st.Rspr., vgl. zuletzt nur OLG Bamberg, Beschl. v. 01.12.2015 - 3 Ss OWi 834/15 = ZfS 2016, 116 und 14.11.2016 - 3 Ss OWi 1164/16 [bei juris], jeweils m. w. N.).

b) Das AG durfte sich deshalb nicht damit begnügen, lediglich - wenn auch wortreich - das Ergebnis der anthropologischen Begutachtung mitzuteilen, weil dem Rechtsbeschwerdegericht allein mit diesen Angaben ohne zusätzliche Ausführungen wenigstens zu den wesentlichen Anknüpfungstatsachen des Gutachtens eine Beurteilung seiner Schlüssigkeit und damit die rechtliche Nachprüfung des Urteils als Ergebnis einer gegenüber der sachverständigen Wertung selbstständigen Urteilsfindung schon im Ansatz verwehrt ist. Schließt sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung ohne weitere eigene Erwägungen den Ausführungen des Sachverständigen an, müssen im Urteil deshalb die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und fachbezogenen Ausführungen des Sachverständigen - wenigstens in zusammenfassender, im Einzelfall auch nur ‚gedrängter‘ Form - mindestens derart wiedergegeben werden, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit unabdingbar ist, um dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung zu ermöglichen, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die gezogenen Schlussfolgerungen (Befundtatsachen) nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Der jeweils gebotene Umfang der Darlegungspflicht hängt im Einzelfall von der Beweislage und der Bedeutung der Beweisfrage, die dieser für die Entscheidung zukommt, ab (st.Rspr.; vgl. neben BGHSt 39, 291/297 u. a. BGH, Beschl. v. 02.04.2015 - 3 StR 103/15 [bei juris]; 06.05.2014 - 5 StR 168/14 = NStZ-RR 2014, 244 und 17.06.2014 - 4 StR 171/14 = NStZ-RR 2014, 305; ferner zuletzt OLG Bamberg, Beschl. v. 14.11.2016 - 3 Ss OWi 1164/16 [bei juris] und 20.10.2015 - 3 Ss OWi 1220/15 [bei juris], jeweils m. w. N.; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.11.2015 - 1 Ss 386/15 = BA 53 [2016], 53; OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.07.2015 - 53 Ss-OWi 278/15 = [bei juris]; KG, Beschl. v. 09.07.2014 - 122 Ss 97/14 = VRS 127 [2014], 86 und OLG Celle, Beschl. v. 24.08.2016 - 2 Ss 98/16 [bei juris]; auch Göhler/Seitz § 71‚ Rn. 43d.; KK-OWiG/Senge § 71 Rn. 119; Meyer-Goßner/Schmitt § 267 Rn. 13 f.; KK/Kuckein § 267 Rn. 16; LR/Stuckenberg § 267 Rn. 66). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht; insbesondere hätte - wenigstens zusammenfassend - dargestellt werden müssen, auf wie viele und welche konkreten übereinstimmenden medizinischen Körpermerkmale sich der anthropologische Sachverständige bei seiner Bewertung bezogen, wie er die Übereinstimmungen ermittelt, auf welches biostatische Vergleichsmaterial sich die von ihm vorgenommene Wahrscheinlichkeitsberechnung gestützt und welche Beweisbedeutung er den einzelnen Merkmalen beigemessen hat (vgl. schon OLG Bamberg, Beschl. v. 20.02.2008 - 3 Ss OWi 180/08 = NZV 2008, 211 = VRS 114, 285 m. w. N.).

II. Aufgrund des aufgezeigten (neuerlichen) Darstellungsmangels können der Schuldspruch und damit auch der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben (§ 79 III 1 OWiG, § 353 I StPO). Die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen werden jedoch nur insoweit aufgehoben, soweit sie von dem Rechtsfehler betroffen sind (§ 79 III OWiG, § 353 II StPO). Das sind hier lediglich die Feststellungen zur Fahreridentität, aber auch zur (möglichen) subjektiven Tatseite des Betr. Denn möglicherweise kann die Fahreridentität in der neuen Hauptverhandlung schon aufgrund eines Geständnisses geklärt werden. Ergäben sich daraus von den bisherigen Feststellungen abweichende Erkenntnisse zur subjektiven Tatseite, stünde die Aufrechterhaltung des Urteils in diesem Punkt einer vollständigen Sachaufklärung entgegen. Demgegenüber können die sonstigen tatsächlichen Feststellungen des AG zum objektiven Tatgeschehen, insbesondere zu dem festgestellten Geschwindigkeitsverstoß, bestehen bleiben, weil sie durch die Gesetzesverletzung nicht betroffen sind (§ 353 II StPO). [...]

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Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 71 Hauptverhandlung


(1) Das Verfahren nach zulässigem Einspruch richtet sich, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung, die nach zulässigem Einspruch gegen einen Strafbefehl gelten. (2) Zur besseren Aufklärung der Sa

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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).


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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).


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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 332/11
vom
2. November 2011
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
In der Verweisung auf ein elektronisches Speichermedium liegt keine wirksame Bezugnahme
BGH, Urteil vom 2. November 2011 - 2 StR 332/11 - LG Marburg
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
wegen Verdachts der schweren räuberischen Erpressung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
12. Oktober 2011 in der Sitzung am 2. November 2011, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -,
Staatsanwalt - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger des Angeklagten zu 2.,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger des Angeklagten zu 5.,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger des Angeklagten zu 7.,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Vertreter des Nebenklägers
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Nebenklägers F. B. gegen das Urteil des Landgerichts Marburg vom 15. März 2011 wird verworfen. Der Nebenkläger hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision des Nebenklägers F. B. hat keinen Erfolg.
2
1. Die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 15. Juni 2009 legte den Angeklagten Folgendes zur Last: Am 8. Juni 2007 gegen 23.00 Uhr erschienen die Geschädigten J. B. , F. B. und R. L. zu einem zuvor mit den Angeklagten S. und Br. vereinbarten Treffen auf dem Gelände des u.a. von diesen Angeklagten geführten Bordellbetriebes. Hintergrund dieses Treffens war die von den Angeklagten S. und Br. in Aussicht gestellte Klärung bzw. Begleichung offener Forderungen der Zeugen B. gegen den Angeklagten S. wegen für diesen in dem Bordellbetrieb vor dem Ver- kauf an den Angeklagten H. im Februar 2007 erbrachter Sicherheitsdienste. Wie zuvor zwischen allen Angeklagten verabredet, begrüßten die Angeklagten S. und Br. die Geschädigten auf dem Parkplatz des Bordellbetriebes mit vorgetäuschter Herzlichkeit, um sie in Sicherheit zu wiegen und ihre eigentlichen Absichten zu verschleiern. Sodann geleiteten sie die Geschädigten in die Küche des Bordellbetriebes. Während der dort zunächst geführten Verhandlungen hinsichtlich der Höhe der noch offenen Forderungen der Zeugen B. gegen den Angeklagten S. kamen - wie zuvor besprochen - weitere Personen aus dem Umfeld der Angeklagten S. und Br. , unter anderem die übrigen Angeklagten hinzu. Als der Zeuge J. B. , bei dem der zutreffende Eindruck entstanden war, in eine Falle gelockt worden zu sein, das Gespräch beenden wollte und seine Begleiter aufforderte, zu gehen, äußerte der Angeklagte Br. , dass niemand den Raum verlassen werde, bis "die Sache" geklärt sei, erhob sich von seinem Stuhl und stieß den geschädigten J. B. zu Boden. Gleichzeitig griffen - wie im Vorfeld besprochen - die Angeklagten F. , M. und K. sowie weitere namentlich nicht ermittelte Personen aus der Türsteherszene um den Angeklagten M. die Geschädigten mit Messern, Baseball-, Totschlägern und ähnlichen Schlagwerkzeugen an. Der Angeklagte Ka. zog eine Pistole, forderte die Geschädigten auf, den Raum nicht zu verlassen und hielt dem am Boden liegenden J. B. die Waffe an den Kopf. Im Verlaufe des Überfalls taten sich namentlich die Angeklagten Br. , M. und K. hervor, die mit Fäusten und verschiedenen Schlagwerkzeugen auf die Geschädigten einschlugen. Darüber hinaus fügte der Angeklagte K. dem Geschädigten F. B. mit einem Messer eine Bauchstichwunde und der Angeklagte Br. dem Geschädigten L. eine Schnittverletzung im Gesicht zu. Als es den Zeugen gelang, aus der Küche zu entkommen und das Gebäude zu verlassen, folgten ihnen mehrere Angreifer und schlugen weiter auf sie ein. Der Angeklagte Br. verfolgte die Ge- schädigten bis an das angrenzende Gelände eines Autohauses und brachte dem Geschädigten J. B. einen weiteren Stich - dieses Mal in den Oberschenkel - bei.
3
Die Zeugen erlitten durch die Angriffshandlungen multiple Prellungen, Hämatome und Schürfwunden an Kopf und Körper sowie verschiedene Stichund Schnittverletzungen. Durch den geschilderten Überfall wollten die Angeklagten die Zeugen dazu zwingen, auf die Geltendmachung der ihnen für die erbrachten Security-Dienste zustehenden Forderungen gegen den Angeklagten S. endgültig zu verzichten. Die Angeklagten Ma. , Bö. und T. unterstützten das Vorgehen der übrigen Angeklagten durch ihre Anwesenheit und trugen dazu bei, eine Situation großer zahlenmäßiger Überlegenheit zu schaffen , die den Geschädigten eine Verteidigung gegen die körperlichen Angriffe seitens der weiteren Angeklagten von vorneherein erschweren sollte.
4
2. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
5
Die Zeugen F. und J. B. erschienen am Abend des 8. Juni 2007 gegen 22.40 Uhr zusammen mit dem Zeugen L. und einer vierten, unbekannt gebliebenen Begleitperson aufgrund einer vorherigen telefonischen Verabredung auf dem Gelände des Bordellbetriebes. Zu diesem Zeitpunkt waren zumindest alle Angeklagten mit Ausnahme des Angeklagten T. , der erst gegen 22.46 Uhr vor Ort eintraf, verschiedene Bedienstete und Prostituierte sowie drei unbekannt gebliebene männliche Personen im Gebäude des Bordells anwesend. Im Außenbereich wurden die Ankommenden von den Angeklagten Bö. und Br. in Empfang genommen und von dem Angeklagten Bö. durch den Privateingang bis in die Küche des Gebäudes geleitet. Sodann kamen in den Privatbereich des Bordells in kurzer zeitlicher Abfolge die Angeklagten S. , H. , Ka. , Br. und K. sowie ein unbekannt gebliebener Mann mit hellen Schuhen. Einige Zeit später kamen zwei weitere unbekannte Männer und der Angeklagte M. , nochmals deutlich später der Angeklagte T. in den Privatbereich des Bordells. Nur wenige Zeit später begleitete der Angeklagte Bö. den Zeugen L. dann wieder durch den Privateingang des Bordells ins Freie. Nach kurzer Zeit bewegten sich beide wieder auf den Privateingang zu, aus dem in diesem Moment die B. -Brüder, ihr unbekannt gebliebener Begleiter sowie der Angeklagte Br. kamen. Die B. -Brüder, der Zeuge L. und ihr Begleiter verließen das Bordell aufrechten Ganges und augenscheinlich ohne jede körperliche Einschränkung. J. und F. B. gestikulierten noch in Richtung des Angeklagten Br. , bevor sie dem R. L. sowie dem unbekannten Begleiter folgten und zu Fuß in Richtung des Parkplatzes weggingen.
6
In der Nähe des Bordells wurden am 8. Juni 2007 mindestens zwei Personen notärztlich versorgt, die anschließend mit Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht wurden. Im Krankenhaus wurden ab 23.40 Uhr u.a. bei J. B. multiple Prellungen sowie eine 5 cm lange Stichwunde im Bereich der rückwärtigen Flanke, bei F. B. Zeichen multipler stumpfer Gewalteinwirkung und eine die Motorik nicht beeinträchtigende Schnittwunde mit Durchtrennung der starken Muskelfaszie und bei R. L. multiple Prellungen sowie Schnittverletzungen im Gesicht festgestellt. Bei den Angeklagten Br. und M. wurden leichtgradige Verletzungen festgestellt.
7
Weitergehende, zur Verurteilung der Angeklagten erforderliche Feststellungen vermochte das Landgericht nicht zu treffen. Insbesondere sah es die Strafkammer nicht als erwiesen an, dass es innerhalb der Küche des Bordellbetriebes und sodann auf dem angrenzenden Gelände, zu von einigen Angeklagten ausgehenden und von anderen Angeklagten unterstützten Aggressionen mit Messern und Schlagwerkzeugen gegen die Zeugen J. und F. B. so- wie L. kam, durch die diese ursächlich die festgestellten Verletzungen erlitten. Außerdem sei nicht erwiesen, dass die Angeklagten die Brüder B. durch die - zur Überzeugung der Kammer nicht erwiesenen Aggressionen - dazu zwingen wollten, auf die Geltendmachung etwaiger den Brüdern B. für erbrachte Sicherheitsdienste zustehender Forderungen gegen den Angeklagten S. endgültig zu verzichten.
8
3. Die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Nebenklägers, die sich vor allem gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts richtet, ist unbegründet.
9
a) Die allgemeinen Anforderungen an die Begründung eines freisprechenden Urteils sind erfüllt (vgl. zu diesen Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., 2011, § 267 Rn. 33 ff.; Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 28. Aufl. 2008, Rn. 621 ff.; jeweils mwN.). Das Landgericht hat, nachdem es Feststellungen zur Person der Angeklagten getroffen und den der Anklage zugrundeliegenden Tatvorwurf skizziert hat, in einem ersten Schritt die in der Hauptverhandlung getroffenen Feststellungen zusammenhängend dargestellt.
10
Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht habe durch Vernehmung von Richter am Amtsgericht O. weitere Feststellungen zur "Substanz der Aussage des Zeugen R. L. , insbesondere dessen Erinnerungsvermögen und den Eindruck des Ermittlungsrichters zu der Aussage der Tüchtigkeit des Zeugen L. näher ergründen müssen", ist die damit erhobene Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) unzulässig, da die Revision nicht mitteilt, was die Vernehmung des Ermittlungsrichters inhaltlich ergeben hätte und aufgrund welcher Tatsachen sich das Landgericht hätte konkret zu der Beweiserhebung gedrängt sehen müssen.
11
b) In der nachfolgenden Beweiswürdigung hat das Landgericht die Einlassungen der Angeklagten, die Sachbeweise, die von ihm für besonders bedeutsam erachteten Videoaufzeichnungen der Örtlichkeiten, sowie den wesentlichen Inhalt von Zeugenaussagen, namentlich der Angaben von J. und F. B. sowie R. L. , wiedergegeben und im Einzelnen ausführlich gewürdigt.
12
aa) Die Einwendungen der Revision, die sich namentlich gegen die Bewertung der DNA-Gutachten und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugen F. und J. B. sowie des Zeugen L. durch das Landgericht richten , bestehen in der Substanz darin, die Würdigungen des Landgerichts seien unzutreffend und erschöpfen sich in dem Versuch, mit urteilsfremden Erwägungen eine eigene Würdigung an die Stelle der vom Tatrichter vorgenommenen zu setzen; einen durchgreifenden Rechtsfehler zeigen sie nicht auf. Dies gilt namentlich auch für die von der Revision im Rahmen der Würdigung der Aussage des Zeugen F. B. vermisste Berücksichtigung der Angaben des Angeklagten Br. in seiner ersten polizeilichen Vernehmung. Soweit hierin - wie der Zuschrift des Generalbundesanwalts entnommen werden könnte - zusätzlich eine Verfahrensrüge unter dem Blickwinkel des § 261 StPO enthalten sein sollte, wäre diese jedenfalls unzulässig, da der Wortlaut der betreffenden Vernehmung nur auszugsweise mitgeteilt wird.
13
bb) Auch soweit das Landgericht im Urteil die Angaben desR. L. vor dem Ermittlungsrichter, die im allseitigen Einverständnis durch Verlesen in die Hauptverhandlung eingeführt wurden, nicht im Einzelnen wiedergegeben und gewürdigt hat, hält dies revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Eine Beweiswürdigung kann ihrer Natur nach nicht erschöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Aus einzelnen denkbaren oder tatsächlichen Lücken in der ausdrücklichen Erörterung kann nicht abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht (Senat, Urteil vom 23. Juni 2010, 2 StR 35/10; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010, 4 StR 285/10). Dass sich eine Wiedergabe und Würdigung der Angaben des R. L. vor dem Ermittlungsrichter dem Landgericht mit Rücksicht auf die sonstigen Feststellungen im Urteil aufdrängen musste, ist nicht ersichtlich und von der Revision auch nicht konkret - etwa durch eine Inbegriffsrüge nach § 261 StPO - dargelegt.
14
cc) Rechtlichen Bedenken begegnet allerdings die an mehreren Stellen des Urteils vorgenommene Verweisung „wegen der weiteren Einzelheiten … der Videoaufzeichnung … auf die bei den Akten befindliche CD-ROM“. In der Verweisung auf ein elektronisches Speichermedium als solches liegt keine wirksame Bezugnahme im Sinne von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO (vgl. auch OLG Brandenburg NStZ-RR 2010, 89; DAR 2005, 635; OLG Schleswig SchlHA 1997, 170; a.A. OLG Dresden NZV 2009, 520; OLG Zweibrücken VRS 102, 102 f.; KG VRS 114, 34; OLG Bamberg NZV 2008, 469). Nach dieser Vorschrift darf wegen der Einzelheiten auf (nur) „Abbildungen“ verwiesen werden, die sich bei den Akten befinden.
15
Abbildungen sind Wiedergaben der Außenwelt, die unmittelbar durch den Gesichts- oder Tastsinn wahrgenommen werden können (Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. § 267 Rn. 9; Fischer StGB 58. Aufl. § 11 Rn. 37). In seiner Sprachbe- deutung als „bildliches Darstellen“(Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl. 2011 S. 78) erfasst der Begriff vor allem statische bildliche Wiedergaben wie Fotografien, gemalte Bilder, Zeichnungen, Skizzen, Landkarten, technische Diagramme, grafische Darstellungen und Statistiken (vgl. Duden – Das Synonymwörterbuch – 5. Aufl. 2010 S. 32). Ob sich der Wortsinn auch auf Filme oder Filmsequenzen erstreckt, die in einer kontinuierlichen Abfolge einer Vielzahl von visuellen Eindrücken den Ablauf eines Geschehens dokumentieren, mag bereits zweifelhaft erscheinen. Dagegen könnte auch sprechen, dass der Gesetzgeber § 11 Abs. 3 StGB, der bereits den Begriff der „Abbildungen“ ent- hielt, durch Art. 4 Nr. 1 luKDG um den Begriff des „Datenspeichers“ erweitert hat, der auch CD-ROMs erfassen soll (vgl. BT-Drucks. 13/7385 S. 36). Selbst wenn man von dem Begriff – etwa im Kontext von § 184 StGB - grundsätzlich auch Filme umfasst sieht (Fischer aaO), setzt eine Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO aber voraus, dass diese selbst Aktenbestandteil geworden sind. Dies ist jedenfalls bei auf elektronischen Medien gespeicherten Bilddateien nicht der Fall. Bei diesen wird nicht der Film als solcher und damit das durch das menschliche Auge unmittelbar wahrnehmbare Geschehen, Bestandteil der Akten, sondern es bedarf für die Wahrnehmung der Vermittlung durch das Speichermedium sowie weiterer technischer Hilfsmittel, die das Abspielen ermöglichen.
16
Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber mit § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO eine Öffnung für Bezugnahmen in den Urteilsgründen nur in „einer vorsichtigen, die Verständlichkeit des schriftlichen Urteils nicht beeinträchtigenden Form“ (BT- Drucks. 8/976 S. 55) ermöglichen wollte. Bei Bezugnahmen auf Speichermedien mit – unter Umständen mehrstündigen – Videoaufnahmen wären die Urteilsgründe dagegen nicht mehr aus sich heraus verständlich. Darüber hinaus ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, das Urteil möglicherweise tragende Umstände selbst an passender Stelle herauszufinden und zu bewerten; bei einem solchen Vorgehen handelt es sich nicht mehr um ein Nachvollziehen des Urteils, sondern um einen Akt eigenständiger Beweiswürdigung, der dem Revisionsgericht verwehrt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. September 2011, 5 StR 355/11). Dies gilt nicht nur für pauschale, sondern auch für Bezugnahmen, wel- che die Sequenz auf dem Speichermedium konkret bezeichnen und eingrenzen.
17
Zwar ist die Videoaufzeichnung damit nicht Bestandteil der Urteilsgründe geworden. Indes beruht das Urteil nicht auf dem Rechtsfehler. Die Gründe enthalten auch ohne die ergänzenden Verweisungen eine aus sich heraus verständliche Beschreibung und Würdigung des sich aus den Filmaufnahmen ergebenden Geschehens, die eine umfassende Beurteilung ihres Aussagegehaltes durch den Senat ermöglicht. Die von der Revision unter Hinweis auf das Überwachungsvideo geltend gemachten Lücken und Widersprüche sind urteilsfremd.
18
c) Schließlich hat das Landgericht die Beweisergebnisse und Indizien auch zusammenfassend unter dem Gesichtspunkt einer Gesamtschau gewürdigt. Fischer Appl Schmitt Krehl Eschelbach

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Das Verfahren nach zulässigem Einspruch richtet sich, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung, die nach zulässigem Einspruch gegen einen Strafbefehl gelten.

(2) Zur besseren Aufklärung der Sache kann das Gericht

1.
einzelne Beweiserhebungen anordnen,
2.
von Behörden und sonstigen Stellen die Abgaben von Erklärungen über dienstliche Wahrnehmungen, Untersuchungen und Erkenntnisse (§ 77a Abs. 2) verlangen.
Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung kann das Gericht auch dem Betroffenen Gelegenheit geben, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern, ob und welche Tatsachen und Beweismittel er zu seiner Entlastung vorbringen will; § 69 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 ist anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR168/14
vom
6. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter räuberischer Erpressung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 2014 beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 7. November 2013 gewährt. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das genannte Urteil nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Nach den Feststellungen suchte der zum Tatzeitpunkt 39 Jahre alte, vielfach auch wegen Körperverletzungsdelikten vorbestrafte Angeklagte am 27. Dezember 2011 die Wohnung seiner Eltern auf und forderte von seiner Mutter u.a. die sofortige Herausgabe von 50 Euro. Als seine Mutter ihm daraufhin mitteilte, dass sie den geforderten Betrag nicht im Hause habe, schlug er unvermittelt mit der Faust auf sie ein und trieb sie unter weiteren heftigen Faustschlägen durch die Wohnung. Dabei wiederholte er mehrfach seine Geldforderung. Als der schwerbehinderte Vater des Angeklagten versuchte, seiner Ehefrau zu helfen, schlug der Angeklagte ihm mehrfach auf den Kopf. Die Mutter des Angeklagten erlitt durch die Gewaltanwendungen erhebliche Verletzungen, u.a. ein subdurales Hämatom, eine Nasenbein- und eine Rippenfraktur, während sein Vater keine behandlungsbedürftigen Verletzungen davontrug.
3
Das sachverständig beratene Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte an einer „kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen narzisstischen Anteilen (ICD-10: F 61) sowie multiplem Substanzgebrauch (ICD-10: F 19.1)“ leidet und zum Zeitpunkt der Taten in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war. Es hat die Prognose gestellt, dass der Angeklagte ohne Therapie aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung auch künftig „gewalttätige Straftaten von erheblichem Umfang“ (UA S. 13) begehen werde, und ihn deshalb nach § 63 StGB untergebracht.
4
2. Der Rechtsfolgenausspruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
5
a) Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
6
Die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung leide, findet in den Urteilsgründen keine Stütze. Das Urteil teilt schon nicht mit, ob es damit der Diagnose des eher beiläufig erwähnten Sachverständigen folgt. Es werden auch keinerlei Anknüpfungs- und Befundtatsachen des Sachverständigen wiedergegeben, die es dem Senat ermöglichen würden, die gestellte Diagnose nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 397/08, NStZ-RR 2009, 45; Urteil vom 19. Februar 2008 – 5 StR 599/07). Daran ändert der Umstand nichts, dass der Angeklagte mit ähnlichen Diagnosen bereits mehrfach stationär psychiatrisch behandelt wurde. Schließlich ist auch zu besorgen, dass das Landgericht in rechtsfehlerhafter Weise davon ausgegangen ist, bereits die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung gemäß ICD-10: F 61 führe ohne weiteres zur Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB. Denn das Urteil nimmt insoweit keinerlei wertende Betrachtung des Schweregrads der Störung und ihrer Tatrelevanz vor (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 494/12, BGHR StGB § 20 seelische Abartigkeit 6 Rn. 9 mwN).
7
b) Der Senat hebt auch die Strafen einschließlich der diesen und der Maßregelentscheidung zugrundeliegenden Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht eine in sich stimmige Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen. Eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten vermag der Senat auszuschließen.
8
3. Der Senat weist darauf hin, dass das neue Tatgericht auch zu prüfen haben wird, ob mit der am 15. Februar 2013 durch das Amtsgericht Burg verhängten Geldstrafe nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden ist; hierbei kommt es gegebenenfalls auf den Vollstreckungsstand zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils an. Bei der Strafrahmenwahl wird die gebotene Prüfungsreihenfolge (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 2013 – 4 StR 430/12, NStZ-RR 2013, 168; Beschluss vom 21. November 2007 – 2 StR 449/07, NStZ-RR 2008, 105) einzuhalten sein.
Sander Schneider Dölp
König Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR171/14
vom
17. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 17. Juni 2014 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 7. Januar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten aufrecht erhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Körperverletzung und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit bei Begehung der Taten freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Jedoch können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den Anlasstaten bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
2
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

I.


3
1. Nach den Feststellungen kam es in einem Zeitraum von vier Jahren bis zum Tattag, dem 6. Januar 2013, zwischen dem u.a. wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung, begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, vorbestraften Angeklagten und der Geschädigten, seiner Wohnungsnachbarin in einem Zweifamilienhaus in P. , regelmäßig zu Spannungen. Am Tattag schlug er der Geschädigten im Treppenhaus zunächst zweimal mit der flachen Hand ins Gesicht, brachte sie danach durch einen Stoß mit seinen Händen so zu Fall, dass sie die Treppe zunächst bis zur Hälfte und dann – infolge erneuten Schubsens und Schlagens – die restlichen Stufen der Treppe hinunterfiel, wo sie vor ihrer Wohnungstür liegen blieb. Dort versetzte ihr der Angeklagte noch einen Fußtritt gegen die Rippen. Die Geschädigte erlitt durch den Vorfall eine Teilruptur des vorderen Kreuzbandes an ihrem rechten Knie sowie multiple Prellungen. Beim Einschreiten der daraufhin herbeigerufenen Polizeibeamten schlug der Angeklagte mehrfach um sich und versuchte, sich aus den Haltegriffen der Beamten zu befreien. Zum Tatzeitpunkt betrug seine Blutalkoholkonzentration 1,2 ‰.
4
2. Das Landgericht hat sich hinsichtlich der Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten dem psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen. Dieser hat nach Auswertung der Akten und Anwesenheit in der Hauptverhandlung , jedoch – mangels Einwilligung – ohne Exploration des Angeklagten, ausweislich der Urteilsgründe im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
5
Der „ursprünglich intelligent“(e) Angeklagte habe um das Jahr 2000 einen „Leistungsknick“ erlebt. 2002 sei bei ihm zunächst ein „sensitiver Bezie- hungswahn“ diagnostiziert worden, später sei man „ziemlich sicher“ von einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie ausgegangen. Die häufigen Umzüge seien aus medizinischer Sicht als paranoide Symptomatik gedeutet worden; der Angeklagte habe dadurch versucht, sich den wahnhaft empfundenen negativen Einflüssen seiner Nachbarn zu entziehen. Er leide gegenwärtig unter einer zunehmenden Unfähigkeit zur Fortsetzung seiner Ausbildung; die auftretenden Verwahrlosungstendenzen sowie psychosozialen Defizite „sprä- chen für eine Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie“ mit „möglicherweise“ bereits eingetretener Chronifizierung und einer Neigung zu akuten Exazerbationen. Es „spreche viel dafür“, dass das Verhalten des Angeklagten gegenüber der Geschädigten aus einer krankheitsbedingten paranoiden Symptomatik resultiere; jedenfalls sei es „am ehesten“ mit dem Vorliegen einer solchen Symptomatik erklärbar. Für ein anderes Eingangsmerkmal des § 20 StGB hätten sich keine Hinweise ergeben; eine isolierte Alkoholproblematik liege beim Angeklagten nicht vor. Seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sei „mit allerhöchster Sicherheit“ eingeschränkt gewesen. Deren vollständige Aufhe- bung sei nicht sicher festzustellen, zumal beim Angeklagten statt eines Wahns auch psychotisch bedingter Ärger „ernsthaft in Betracht komme“. „Allgemein“ gelte, dass an Schuldunfähigkeit in einem akuten psychotischen Schub „kaum je“ ein Zweifel bestehe.

II.


6
Mit diesen Ausführungen werden die Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 63 StGB nicht rechtsfehlerfrei belegt.
7
1. Wenn sich der Tatrichter – wie hier – darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39 mwN). Dies gilt auch in Fällen einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie; denn die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 24. April 2012 – 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 23. August 2012 – 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; Beschluss vom 29. April 2014 – 3 StR 171/14). Erforderlich ist vielmehr die Feststellung eines akuten Schubs der Erkrankung sowie die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 aaO; Beschluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307). Diese Darlegungsanforderungen hat der Tatrichter auch dann zu beachten, wenn der Angeklagte – wie im vorliegenden Fall – eine Exploration abgelehnt hat (BGH, Beschluss vom 31. Januar 1997 – 2 StR 668/96, BGHR StGB § 63 Zustand 21).
8
2. Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
9
Dabei kann dahinstehen, ob die im Allgemeinen verbleibende, zusammenfassende Darlegung der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen schon nicht hinreichend deutlich macht, ob die Einschränkung der Schuld- fähigkeit auf dem für die Anordnung der Maßregel erforderlichen, länger andauernden und nicht nur vorübergehenden Defekt beruht hat (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 17. November 1987 – 5 StR 575/87, BGHR StGB § 63 Zustand 6 mwN), weil der Sachverständige eine Chronifizierung der in Betracht gezogenen Erkrankung lediglich für möglich gehalten hat. Jedenfalls fehlt eine nähere Darlegung des Einflusses des diagnostizierten Störungsbildes auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation. Die Urteilsgründe teilen auch insoweit lediglich das Ergebnis der medizinischen Diagnose des psychiatrischen Sachverständigen mit, wonach das Verhalten des Angeklagten gegenüber der Geschädigten und den Polizeibeamten die Annahme einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie mit paranoider Symptomatik nahelege. Als Anknüpfungspunkte für diese Diagnose werden Umstände herangezogen, die zum einen in der früheren Krankengeschichte des Ange- klagten liegen, so etwa sein vor über zehn Jahren eingetretener „Leistungsknick“ , zum anderen Umstände von nur begrenzter und nicht näher erläuterter Aussagekraft, wie etwa häufige Umzüge, durch die der Angeklagte versucht habe, sich wahnhaft empfundenen negativen Einflüssen seiner Nachbarn zu entziehen. Demgegenüber wird das Vorliegen eines akuten psychotischen Schubs – im Rahmen der Erörterung einer möglicherweise vollständig aufgehobenen Schuldfähigkeit – lediglich abstrakt als Möglichkeit in Betracht gezogen und mit der Erwägung, es komme auch psychotisch bedingter Ärger ernsthaft in Betracht, wieder relativiert. Eine situationsbezogene Erörterung der Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten unter dem Einfluss der psychischen Erkrankung zum Zeitpunkt der Taten fehlt. So wird auch nicht erkennbar erwogen, dass der Angeklagte vor den Widerstandshandlungen gegenüber den Polizeibeamten freiwillig in den Streifenwagen stieg, sich mithin situationsangepasst verhielt.
10
3. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass die vom Landgericht zur ersten Anlasstat getroffenen Feststellungen auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in seiner Auslegung durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12, RuP 2014, 31) grundsätzlich geeignet sind, die Anordnung der Maßregel zu tragen. Der neue Tatrichter wird jedoch bei der Gefährlichkeitsprognose das bislang nicht näher erläuterte spannungsgeladene Verhältnis zwischen dem Angeklagten und der in seiner unmittelbaren Nachbarschaft wohnenden Geschädigten in einem Zeitraum von vier Jahren vor der hier verfahrensgegenständlichen Tat eingehender in den Blick nehmen müssen.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin