Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 21. Jan. 2016 - 3 OLG 7 Ss 130/15

published on 21/01/2016 00:00
Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 21. Jan. 2016 - 3 OLG 7 Ss 130/15
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Tenor

I.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts vom 9. Oktober 2015 im Ausspruch über die Gesamtstrafe unter Aufrechterhaltung der zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen aufgehoben.

II.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

III.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

I. Das Rechtsmittel führt lediglich zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe. Im Übrigen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge einen den Angeklagten beschwerenden, durchgreifenden Rechtsfehler weder zum Schuldspruch noch zum Strafausspruch ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Zur Begründung wird insoweit auf die zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 14.12.2015 Bezug genommen.

Ergänzend bemerkt der Senat im Hinblick auf die Gegenerklärung der Verteidigung:

1. Der Schuldspruch begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere hat das Landgericht in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 2003, 1198), die auch durch die von der Revision zitierte Rspr. des Bundesverfassungsgerichts nicht infrage gestellt wird, rechtsfehlerfrei einen Vermögensschaden bejaht.

2. Ausweislich der Urteilsgründe war sich das Landgericht der Möglichkeit, auch Geldstrafen zu verhängen, durchaus bewusst. Eine Pflicht zur Begründung dafür, dass Freiheitsstrafen statt Geldstrafen verhängt wurden, sieht das Gesetz in Fällen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 47 StGB nicht vor (vgl. § 267 Abs. 3 Satz 2. Halbs. 2 StPO).

3. Die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB, der im Falle der Wiedergutmachung materieller Schäden in Betracht kommt, liegen angesichts der vom Landgericht festgestellten, deutlich überdurchschnittlichen Vermögensverhältnisse des Angeklagten von vornherein nicht vor.

4. Die in der Gegenerklärung thematisierte Frage der angeblichen Rechtswidrigkeit des Entzugs der zahnärztlichen Kassenzulassung ist zum einen urteilsfremd; denn die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit durch das nicht rechtskräftig gewordene Urteil des Sozialgerichts belegt noch nicht, dass der Entzug auch rechtswidrig war. Zum anderen würde selbst die Rechtswidrigkeit des Entzugs weder für die Tatbestandserfüllung noch für die Strafzumessung von Bedeutung sein, weil die Zulassung durch den vor dem Landessozialgericht geschlossenen Vergleich erloschen ist.

II. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat hingegen keinen Bestand.

1. Die Bemessung der Gesamtstrafe ist rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht im Wesentlichen lediglich auf die Gesichtspunkte zur Bemessung der Einzelstrafen Bezug genommen hat. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung stellt indes die Bemessung der Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB einen eigenständigen Strafzumessungsakt dar, bei dem die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtschau vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 17.12.2013 - 4 StR 261/13 [bei juris] m. w. N.). Die Erhöhung der Einsatzstrafe hat in der Regel niedriger auszufallen, wenn zwischen gleichartigen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht; wird sie erheblich erhöht, bedarf dies näherer Begründung (BGH a. a. O. m. w. N.).

2. Diesen Vorgaben wird das angefochtene Berufungsurteil nicht gerecht.

a) Es unterbleibt eine an gesamtstrafenspezifischen Gesichtspunkten orientierte besondere Begründung für die Bemessung der Gesamtstrafe. Insbesondere der enge örtliche, zeitliche und situative Zusammenhang der Einzeltaten findet schon keine Erwähnung und hätte im vorliegenden Fall Anlass zu der Überlegung geben müssen, ob die Einsatzstrafe maßvoller zu erhöhen gewesen wäre, als dies die Berufungskammer getan hat.

b) Darüber hinaus wurden weitere wesentliche Gesichtspunkte, die für die Gesamtstrafenbemessung von ausschlaggebender Bedeutung sind, gleichfalls nicht erörtert.

aa) Das Landgericht hat insbesondere außer Acht gelassen, dass es sich bei dem Angeklagten um eine Person handelt, die bislang sozial eingeordnet gelebt hat und deswegen und auch wegen ihres mittlerweile fortgeschrittenen Alters besonders strafempfindlich ist.

bb) Soweit das Landgericht die Vorstrafe bei der Bemessung der Gesamtstrafe als „prägend“ darstellt, ist dies bereits aus den erwähnten Gründen rechtlich bedenklich, weil zu besorgen ist, dass diesem Umstand gegenüber den sonst noch relevanten Gesichtspunkten ein zu großes Gewicht beigemessen wurde. Ungeachtet dessen hat das Landgericht dabei außer Acht gelassen, dass die Taten, derentwegen die Vorverurteilung erfolgte, schon gehörige Zeit zurücklagen.

cc) Ferner ist auch bei der Bemessung der Gesamtstrafe dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der angerichtete Gesamtschaden vollständig wieder gut gemacht wurde.

dd) Schließlich hätte es besonders sorgfältiger Überlegung bedurft, wenn - wie hier - aus jeweils für sich genommen aussetzungsfähigen Einzelstrafen eine Gesamtstrafe in einer Höhe gebildet wird, die die Strafaussetzung zur Bewährung ausschließt (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl. Rn. 1219).

3. Hieraus erschließt sich zugleich, dass die Höhe der vom Landgericht gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe auf diesem Begründungsdefizit beruht im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO. Bei einer wertenden Gesamtschau der genannten Gesichtspunkte sind eine geringere Erhöhung der Einsatzstrafe und eine Bemessung der Gesamtstrafe in einer Höhe, welche eine Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigen könnte, keineswegs fernliegend.

III. Der Gesamtstrafausspruch bedarf deshalb erneuter Überprüfung. Da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, können die tatsächlichen Feststellungen bestehen bleiben; sie dürfen um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 10.03.2015 - 5 StR 22/15 [bei juris] m. w. N.). Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen (§§ 353, 354 Abs. 2 StPO).

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.