Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 18. Sept. 2013 - L 7 BL 1/10

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2013:0918.L7BL1.10.0A
bei uns veröffentlicht am18.09.2013

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten u.a. in einem Überprüfungsverfahren gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X), ob dem Kläger Blindengeld nach dem Gesetz über das Blinden- und Gehörlosengeld im Land Sachsen-Anhalt (LBliGG) zusteht.

2

Der am ... 2003 geborene Kläger hat die bosnische Staatsangehörigkeit und beantragte am 11. April 2005 Leistungen nach dem LBliG-LSA sowie die Feststellung von Behinderungen nach dem Neunten Buch des Sozialgesetzbuches – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX). Die Ausländerbehörde des Altmarkkreis S. erklärte am 14. April 2005 gegenüber dem Beklagten: Der Kläger habe eine Aufenthaltsbefugnis gemäß § 30 Ausländergesetz aus dringenden humanitären Gründen erhalten, da eine Ausreise der Familie wegen seines Gesundheitszustandes nicht habe erfolgen können. Mit Bescheid vom 2. Mai 2005 lehnte der Beklagte Leistungen nach dem LBliGG ab. Der Kläger habe keinen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus, der ihn zum Bezug von Blindengeld berechtigen könnte. Hiergegen legte die gesetzliche Vertreterin des Klägers Widerspruch ein und machte geltend: Der derzeitige Aufenthaltsstatus sei rechtmäßig und habe eine Gültigkeitsdauer von zwei Jahren. Die Entscheidung des Beklagten verstoße gegen Art. 3 Grundgesetz. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und machte geltend: Ein Wohnsitz oder ein persönlicher Aufenthalt werde immer begründet, wenn der Antragsteller die rechtliche Möglichkeit zu einem dauerhaften Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland habe. Die Aufenthaltsbefugnis aus dringenden humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz sei lediglich vorübergehend und nicht mit einer Niederlassungserlaubnis vergleichbar. Die Voraussetzungen nach dem LBliGG lägen daher nicht vor.

3

Hiergegen hat der Kläger – nunmehr anwaltlich vertreten – am 11. August 2005 Klage beim Sozialgericht Stendal erhoben und ergänzend vorgetragen: Die Eltern des Klägers seien am 19. Januar 2001 bzw. 21. Juni 2001 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Der ältere Bruder des Klägers A. sei am ... 2001 geboren worden. Der Kläger sei blind. Bei Sozialleistungsansprüchen gelte § 30 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I). Nach Abs. 3 dieser Vorschrift habe derjenige seinen Wohnsitz dort, wo er auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Dies sei beim Kläger die Wohnung in G. Der Kläger halte sich seit über zwei Jahren im Bundesgebiet auf und habe daher seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Auf die ohnehin stets nur befristet zu erteilende Aufenthaltserlaubnis komme es nicht an, da eine von dem Beklagten geforderte Niederlassungserlaubnis voraussetze, dass der Kläger sich mindestens fünf Jahre im Bundesgebiet aufhalte. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich eine Aufenthaltsbefugnis des Klägers sowie seiner Eltern.

4

Mit Gerichtsbescheid vom 7. Februar 2007 hat das Sozialgericht Stendal die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Ein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des Gesetzes könne nur begründet werden, wenn dieser rechtmäßig sei. Besitze ein Ausländer lediglich einen vorübergehenden Aufenthaltsstatus, könne weder von einem Wohnsitz noch einem gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des LBliGG ausgegangen werden. Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt.

5

In einem parallel laufenden Schwerbehindertenverfahren S 6 SB 55/05 der Beteiligten hat das Sozialgericht Stendal mit Gerichtsbescheid vom 19. September 2007 die ablehnenden Bescheide des Beklagten aufgehoben und diesen verurteilt, dem Kläger einen Bescheid über den noch zu ermittelnden Grad der Behinderung zu erteilen. Bei lediglich geduldeten Ausländern liege nicht nur ein vorübergehendes Verweilen in der Bundesrepublik Deutschland vor, wenn sich aus anderen Umständen ergebe, dass sie sich auf unbestimmte Zeit im Bundesgebiet aufhalten können. Diese Voraussetzung sei beim Kläger gegeben. Ein rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des SGB IX sei nicht erst dann anzunehmen, wenn die Ausländerbehörde eine Aufenthaltsbefugnis erteile. Die Aufenthaltsgenehmigung sei daher mit einem jahrelang geduldeten Aufenthalt, dessen Abschiebung nicht absehbar sei, gleichzusetzen. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten (L 7 SB 89/07) nahm dieser nach Hinweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 29. April 2010 (B 9 SB 2/09 R) am 29. September 2010 zurück.

6

Am 2. Oktober 2006 beantragte der Kläger beim Beklagten nochmals Leistungen nach dem LBliGG und stellte am 1. Juni 2007 einen weiteren Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 2. Mai 2005 gemäß § 44 SGB X. Auf Nachfrage des Beklagten erklärte die Ausländerbehörde am 18. Juni 2007, dass der Kläger über eine Aufenthaltserlaubnis bis zum 26. November 2007 gemäß § 25 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz verfüge. Mit Bescheid vom 29. Juni 2007 lehnte der Beklagte eine rückwirkende Bewilligung von Blindengeld ab. Bei einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen bestehe lediglich ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht, was für die Gewährung von Blindengeld im Sinne von § 1 Abs. 1 LBliGG nicht genüge. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 20. Juli 2007 mit dem er vortrug, die Bewertung des Beklagten gehe an den Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 SGB I vorbei. Hiernach hätten der Kläger und seine Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Schließlich lebten sie bereits seit dem 30. April 2001 in Deutschland. Damit halte sich der Kläger seit über vier Jahren im Bundesgebiet auf. Die Auslegung des Beklagten zu § 30 Abs. 3 SGB I sei daher zu eng. Nach dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 19. September 2007 im Verfahren L 7 SB 89/07, dessen Argumentation sich der Kläger zu Eigen mache, habe er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und erfülle damit die Leistungsvoraussetzungen des LBliGG. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und hielt an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.

7

Hiergegen hat der Kläger am Montag, dem 14. April 2008, Klage beim Sozialgericht Stendal (SG) erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Der am 13. März 2008 zugestellte Widerspruchsbescheid sei ebenso wie die vorhergehenden Bescheide rechtswidrig. Der Beklagte verkenne immer noch, dass der Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" nicht von einer Aufenthaltserlaubnis der Ausländerbehörde abhänge. Der Kläger halte sich rechtmäßig und auf unabsehbare Zeit im Geltungsbereich des SGB I auf.

8

Mit Urteil vom 13. April 2010 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt: Der Argumentation des Sozialgericht Stendal im Gerichtsbescheid vom 19. September 2007 (S 6 SB 55/05) sei nicht zu folgen, weil bei dem Kläger mit einem Aufenthaltswechsel in der Zukunft zu rechnen sei und daher nicht von einem dauerhaften Aufenthalt ausgegangen werden könne. Zwar halte sich der Kläger mittlerweile seit fast sechs Jahren in der Bundesrepublik Deutschland auf. Es könne jedoch keinesfalls ausgeschlossen werden, dass seine Ausreise bei Änderung der Verhältnisse in Bosnien/Herzegowina zukünftig erfolgen werde. Der Kläger könne nicht damit rechnen, dauerhaft im Bundesgebiet zu bleiben.

9

Der Kläger hat gegen das ihm am 26. April 2010 zugestellte Urteil am 26. Mai 2010 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und sein Begehren weiter verfolgt.

10

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

11

das Urteil des Sozialgericht Stendal vom 13. April 2010 sowie den Bescheid vom 29. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Rücknahme des Bescheides vom 2. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2005 zu verpflichten, ihm Blindengeld nach dem LBliGG zu zahlen.

12

Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Er hält seine bisherige Rechtsauffassung für zutreffend.

15

Auf einen rechtlichen Hinweis des Senats vom 15. Juni 2012 hat der Beklagte seine Rechtsauffassung am 21. August 2012 modifiziert. Zwar sei – wie vom Senat vertreten – davon auszugehen, dass der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet habe. Das Erfüllen dieses Tatbestandsmerkmals führe jedoch noch nicht zu einem Anspruch auf Blindengeld. Beim Kläger sei der Leistungsausschluss des § 9 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu beachten. Hiernach erhalten Leistungsberechtigte keine Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) oder vergleichbaren Landesgesetzen. Zweck der Norm sei es, eine Doppelfinanzierung zu Lasten der öffentlichen Hand zu verhindern. Der Anspruch auf Landesblindengeld sei nach einer Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen vom 17. Juni 2011 – 12 A 1011/10 wegen dieser Ausschlussnorm nicht gegeben.

16

Am 11. Oktober 2012 hat der Senat den Kläger aufgefordert, mitzuteilen, welche Leistungen er nach dem AsylbLG bisher bezogen hat. Am 6. März 2012 hat der Kläger erklärt, er leite seine Ansprüche auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von den Leistungsansprüchen seiner Eltern ab. Dabei sei jedoch zu beachten, dass sein Vater Einkünfte aus Nebenverdiensten in Höhe von insgesamt 400 EUR habe.

17

Der Senat hat daraufhin die Ausländerakte des Klägers und seiner Eltern beigezogen.

18

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstoffes wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die Ausländerakte und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen, die vorgelegen haben und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden sind.

Entscheidungsgründe

20

Der Senat konnte den Rechtsstreit entscheiden, ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen, da sich die Beteiligten übereinstimmend hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

21

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist unbegründet.

22

Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Blindengeld. Soweit der Beklagte den Leistungsanspruch im bestandskräftigen Bescheid vom 2. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2005 und im Bescheid vom 29. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2008 jeweils abgelehnt hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger wird hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt.

23

Statthaft für das vom der Kläger verfolgte Überprüfungs- und Leistungsbegehren ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit § 56 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 19. April 2011, B 13 R 8/11 R, juris).

24

Die Bescheide des Beklagten vom 2. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2005, mit denen der Beklagte einen Anspruch auf Blindengeld ablehnte, sind nach dem Gerichtsbescheid des Sozialgericht Stendal vom 7. Februar 2007 bestandkräftig geworden. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Bezogen auf diese Bescheide hat der Beklagte das Recht zutreffend angewandt, so dass eine rückwirkende Aufhebung der Bescheide ausgeschlossen ist. Auch der Bescheid vom 29. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch gegen den Beklagten, ihm Blindengeld zu zahlen.

25

Einem Anspruch auf Blindengeld gemäß § 1 Abs.1 LBliGG steht der Leistungsausschlussgrund gemäß § 9 Abs.1 AsylbLG entgegen. Nach dieser Vorschrift erhalten Leistungsberechtigte i.S.d. § 1 AsylbLG keine Leistungen nach dem SGB XII oder vergleichbaren Landesgesetzen.

26

Der Kläger ist für den gesamten Anspruchszeitraum Leistungsberechtigter i.S.v. § 1 Abs. 1 AsylbLG gewesen. Dieses Recht leitet sich aus dem Recht seiner Eltern und der ihm gewährten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz ab. Das Leistungsrecht ergibt sich mithin aus § 1 Abs.1 Ziff. 3 und Ziff. 6 AsylbLG. Es steht fest, dass die gesetzlichen Vertreter Leistungen nach dem AsylbLG bezogen haben. Da deshalb auch der Kläger leistungsberechtigt nach diesem Gesetz ist, unterfällt ein etwaiger Anspruch auf Blindengeld auch dem Leistungsausschluss nach § 9 AsylbLG. Nach Abs. 1 dieser Norm dürfen Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG keine Leistungen nach dem SGB XII oder vergleichbaren Landesgesetzen erhalten. Die Vergleichbarkeit bestimmt sich dabei aus der Sicht des für das AsylbLG zuständigen Bundesgesetzgebers. Dieser ist davon ausgegangen, dass es sich bei den Landesblindengeldgesetzen mit dem SGB XII vergleichbare Landesgesetze handelt und sowohl das Blindengeld als auch die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII den Ausgleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen bezweckt. Das Blindengeld dient dabei nicht dazu, eine akute Notlage abzuwenden, sondern ist als Versorgungsleistung bzw. Nachteilsausgleich für den von einem besonders schweren Schicksal betroffenen Personenkreis der Blinden zu verstehen (zutreffend, OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Juni 2011, 12 A 1011/10, juris). Zweck dieses Leistungsausschlusses ist es, Doppelfinanzierungen zu Lasten der öffentlichen Hand zu verhindern. Bei den Landesblindengesetzen handelt es sich um dem SGB XII vergleichbare Landesgesetze (vgl. § 9 AsylbLG Rdnr. 1; Hohm, in: W. Schellhorn, H. Schellhorn/Hohm, 17. Auflage 2006).

27

Nicht entscheidungsrelevant ist es, dass der Beklagte seine umstrittene Rechtsauffassung zum Aufenthaltsrecht des Klägers durch die im Berufungsverfahren nachgeschobene Begründung des § 9 AsylbLG als Ausschlussnorm ersetzt hat. Beim sog. Nachschieben von Gründen eines Verwaltungsakts, die bereits bei seinem Erlass vorgelegen haben, ist es wesentlich, ob dadurch der Verwaltungsakt in seinem Wesen verändert und der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird oder nicht (BSG, Urteil vom 29. Juni 2000, B 11 AL 85/99 R, juris). Wo genau die kritische Grenze verläuft, bei der eine ergänzende Begründung eines Verwaltungsakts dessen "Wesen" verändert hat, lässt sich nicht allgemein, sondern nur am jeweiligen Einzelfall feststellen. Denkbar wäre z.B. eine Wesensänderung, wenn der Verwaltungsakt auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützt werden soll (BSG a.a.O.). Im vorliegenden Fall hat sich der Beklagte zunächst auf einen nicht hinreichend dauerhaften Aufenthaltsstatus berufen. Nunmehr stützt er sich auf den Leistungsausschluss des § 9 AsylbLG. Hierin ist keine Wesensänderung des Verwaltungsaktes zu sehen. Schließlich verneint der Beklagte die Leistungsvoraussetzungen für Blindengeld auf der Grundlage eines hinlänglich bekannten Sachverhaltes. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grenzen des Nachschiebens von Gründen sollen den Betroffenen im gerichtlichen Verfahren nur davor schützen, sich wesentlich anderem rechtlichen und tatsächlichen Vorbringen der Behörde gegenüberzusehen als denjenigem, welches dem angefochtenen Verwaltungsakt zu entnehmen ist. Der Kläger ist hier nicht schutzwürdig, da sich der Charakter der ablehnenden Entscheidung des Beklagten bei unverändertem Sachverhalt nicht entscheidend verändert hat.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Soweit der Kläger eine Kostenentscheidung zu Lasten des Beklagten beantragt hat und auf dessen anfänglich fehlerhafte Rechtsauffassung verwiesen hat, rechtfertigt dies keine andere Kostenentscheidung. Der Kläger ist im Rechtsstreit unterlegen, da er auch nach Änderung der Rechtsauffassung des Beklagten an seinem bisherigen Anspruch festgehalten hat. Eine Kostenentscheidung zu Gunsten des Klägers hätte erst dann ernsthaft in Betracht kommen können, wenn dieser – nach Korrektur der Rechtsauffassung des Beklagten – umgehend das Rechtsmittel zurückgenommen hätte. In diesem Fall hätte ggf. teilweise auf eine Kostentragungspflicht des Beklagten erkannt werden können. Dieser Fall ist hier nicht gegeben.

29

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 SGG nicht gegeben sind.


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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 27. April 2010 wird zurückgewiesen.
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bei uns veröffentlicht am 27.11.2014

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen.2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand   1 Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Landesblindenhilfe im Streit. 2 Der am … geborene, aufgrund einer Erkrankung erbl

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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

(2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.

(3) Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 27. April 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung höherer Entgeltpunkte (EP) für ihre Anrechnungszeiten wegen Schul- bzw Hochschulausbildung im Zugunstenverfahren.

2

Die Beklagte bewilligte der im 1944 geborenen Klägerin mit Rentenbescheid vom 20.9.2005 ab 1.4.2005 Altersrente für Frauen in Höhe von 766,84 Euro (abzüglich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 67,10 Euro) und einem monatlichen Zahlbetrag von 699,74 Euro unter Zugrundelegung von 33,3270 persönlichen EP (Ost) bei einem Zugangsfaktor von 0,889. Im Versicherungsverlauf der Anlage 2 des Rentenbescheids berücksichtigte sie die Zeiten vom 9.2.1961 bis 31.8.1962 als Zeiten der Schulausbildung (mit Überbrückungszeit) und die Zeiten vom 16.9.1963 bis 3.7.1967 als Zeiten der Hochschulausbildung (Lehramtsstudium Russisch und Geografie). Bei der Feststellung der EP für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten (Anlage 4 des Bescheids vom 20.9.2005) ergab sich als Gesamtleistungswert aus dem Vergleich von Grundbewertung und - der hier zu einem höheren Ergebnis kommenden - Vergleichsbewertung ein Durchschnittswert von 0,0978 EP. Diesen Wert multiplizierte die Beklagte (gemäß § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vom 21.7.2004 wegen des Rentenbeginns im April 2005) mit 70,31 vH, was zu einem monatlichen Wert von 0,0688 EP führte. Die Beklagte begrenzte diesen EP-Wert (ebenfalls gemäß § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI wegen des Rentenbeginns im April 2005)auf 0,0586 EP. Nach Multiplikation mit 23 Monaten Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung im Zeitraum zwischen 9.2.1961 bis 31.12.1963 ergaben sich für diese Zeiten 1,3478 EP (Ost), die die Beklagte bei der Rentenberechnung berücksichtigte.

3

Mit Schriftsatz vom 19.2.2008 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Rentenbescheids vom 20.9.2005 gemäß § 44 SGB X. Die geringere Bewertung von EP bei den Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung gemäß § 263 Abs 3 iVm § 74 SGB VI sei verfassungswidrig. Der Überprüfungsantrag blieb erfolglos (Bescheid vom 14.3.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.5.2008).

4

Das SG Dresden hat mit Urteil vom 8.1.2010 die Klage abgewiesen. Es hat die durch § 74 Satz 4, § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI eingeführte Schlechterstellung von Hochschulabsolventen bei der Berücksichtigung von rentensteigernden Anrechnungszeiten für verfassungsgemäß erachtet. Die grundsätzlich besseren Verdienstmöglichkeiten und die dadurch erworbenen überdurchschnittlichen Rentenanwartschaften dieses Personenkreises rechtfertigten die Ungleichbehandlung gemäß Art 3 Abs 1 GG.

5

Das Sächsische LSG hat mit Urteil vom 27.4.2010 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf die Gründe der Entscheidung des SG bezogen und ergänzend ausgeführt, dass die Beklagte die Höhe der Altersrente nach den im Zeitpunkt des Leistungsfalls geltenden Vorschriften des SGB VI zutreffend ermittelt habe. § 74 Satz 4 und § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI(idF des RVNG) verstießen nicht gegen Art 14 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 GG (Sozialstaatsprinzip), den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Art 103 Abs 1 GG. Die vom Gesetzgeber getroffenen Änderungen seien geeignet und erforderlich, um die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung unter Berücksichtigung der demografischen Veränderungen weiterhin zu gewährleisten. Eine übermäßige Belastung der Betroffenen sei nicht ersichtlich, zumal diese keine Beiträge entrichtet hätten.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verfassungswidrigkeit von § 74 Satz 3 und 4 iVm der Übergangsregelung von § 263 Abs 3 SGB VI(jeweils idF des RVNG). Die unterschiedliche Behandlung der Gruppe der Absolventen von Fachschulen und berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen einerseits und der Hoch- und Fachhochschulabsolventen andererseits verstoße gegen Art 3 Abs 1 GG. Es gebe keinen allgemeinen Grundsatz, dass Hochschulabsolventen durch ihre akademische Ausbildung im Regelfall bessere Verdienstmöglichkeiten hätten und dadurch überdurchschnittliche Rentenanwartschaften aufbauen könnten. Der vom Gesetzgeber angenommene sachliche Grund sei reine Spekulation. Es sei nicht ersichtlich, auf Grund welcher Datenlage er zu dieser Annahme gekommen sei. Auch könnten die Verdienstmöglichkeiten von Hochschulabsolventen kaum einheitlich und typisierend betrachtet werden, weil deutliche Unterschiede zwischen geistes- und naturwissenschaftlichen Studiengängen denkbar seien. Das BVerfG habe in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 (BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) jedoch Transparenz des Gesetzgebers sowie eine empirische und methodische Fundierung der gesetzlichen Regelung gefordert. Aus dem Urteil des BSG vom 20.10.2009 (B 5 R 72/08 R) könne nicht auf die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Normen geschlossen werden. Zwar habe das BSG in dieser Entscheidung die Streichung des Mindestwerts für Berufsausbildungszeiten zum 1.1.1997 als mit Art 14 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG vereinbar erachtet. Dort sei jedoch nicht die Ungleichbehandlung zwischen Hochschul- und Fachhochschulabsolventen bei der Bewertung ihrer schulischen Ausbildungszeiten geprüft worden. Auch das Urteil des erkennenden Senats vom 13.11.2008 (B 13 R 77/07 R) führe nicht weiter, weil die verfassungsrechtliche Beurteilung dort ausschließlich im Hinblick auf Art 14 Abs 1 GG vorgenommen worden sei. Schließlich habe sich das BVerfG in seiner Entscheidung vom 27.2.2007 (BVerfGE 117, 272 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7) im Rahmen des Art 3 Abs 1 GG nicht mit der unterschiedlichen Behandlung zweier Personengruppen auseinandergesetzt, sondern nur mit der Einführung einer Stichtagsregelung. Zudem stelle die schulische Ausbildung eine notwendige Vorleistung für das Rentenversicherungssystem dar (Hinweis auf BSG vom 18.10.2005 - SozR 4-2600 § 71 Nr 1). Daher sei es verfassungsrechtlich bedenklich, eine derartige Anrechnungszeit nur noch als "reine Versicherungslücke" zu behandeln.

7

           

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

        

die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 27. April 2010 und des Sozialgerichts Dresden vom 8. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Mai 2008 zu verpflichten, den Rentenbescheid vom 20. September 2005 abzuändern und der Klägerin ab 1. April 2005 Altersrente für Frauen unter Bewertung der Anrechnungszeiten wegen Schul- bzw Hochschulausbildung vom 9. Februar 1961 bis 31. Dezember 1963 mit 0,0625 Entgeltpunkten je Kalendermonat zu gewähren.

8

           

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der vom Gesetzgeber angeführte Differenzierungsgrund, dass bei typisierender Betrachtung Versicherte mit akademischer Ausbildung im Regelfall bessere Verdienstmöglichkeiten hätten als Versicherte ohne eine solche Ausbildung und damit im Regelfall auch höhere Rentenanwartschaften aufbauen könnten, sei ein ausreichender sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung dieser beiden Versichertengruppen bei der Bewertung ihrer schulischen Anrechnungszeiten. Der Einwand, dem Gesetz fehle eine empirische und methodische Fundierung, sei unzutreffend. Insoweit sei auf die von der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vom 3.3.2004 (BT-Drucks 15/2591 S 2 bis 3 zu Nr 6) zur ablehnenden Stellungnahme des Bundesrats (BR-Drucks 1/04 S 3) vom 13.2.2004 genannten Studien verwiesen; diese belegten, dass Akademiker vergleichsweise höhere Verdienste hätten. Auch neuere Studien bestätigten, dass bessere Bildung im Regelfall zu höherem Einkommen führe. Die Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 lasse sich auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht übertragen, weil es dort um die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG gegangen sei; hier gehe es aber lediglich darum, ob die vom Gesetzgeber angegebene Begründung für eine Differenzierung zwischen zwei Personengruppen - Hochschulabsolventen einerseits und Absolventen von Fachschulen und berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen andererseits - bei der Bewertung von beitragsfreien Anrechnungszeiten ausreichend sei.

10

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet.

12

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Mit ihrem Überprüfungsbegehren verfolgt die Klägerin eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG; vgl BSG vom 25.1.1994 - SozR 3-1300 § 44 Nr 8 S 19; BSG vom 28.6.1995 - BSGE 76, 156, 157 f = SozR 3-4100 § 249e Nr 7 S 52; BSG vom 5.11.1997 - BSGE 81, 150, 152 = SozR 3-3100 § 30 Nr 18 S 43; BSG vom 3.4.2001 - BSGE 88, 75, 77 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20 S 132; BSG vom 10.4.2003 - SozR 4-1300 § 44 Nr 3 RdNr 8), die unbegründet ist. Der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 14.3.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.5.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Rentenbescheids vom 20.9.2005 und auf Neufeststellung der Altersrente für Frauen (§ 237a SGB VI) unter Berücksichtigung höherer EP für die Zeiten ihrer Schul- und Hochschulausbildung. Denn die festgesetzte Rentenhöhe im Bescheid vom 20.9.2005 entspricht den gesetzlichen Bestimmungen (dazu unter A.) und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (dazu unter B.).

13

A. Streit besteht hier allein über den Gesamtbetrag an EP, der sich aus den 23 Monaten Anrechnungszeiten der Klägerin wegen Schul- und Hochschulausbildung innerhalb der dreijährigen Höchstbewertungsdauer ergibt. Von der Klägerin nicht angegriffen ist die Nichtbewertung der über diesen Zeitraum hinausgehenden Zeit ihrer Hochschulausbildung. Für die von ihr angestrebte Höherbewertung ihrer Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung mit 0,0625 EP je Kalendermonat gibt es keine gesetzliche Grundlage. Vielmehr hat die Beklagte zutreffend § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des RVNG vom 21.7.2004 (BGBl I 1791) angewandt und die Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung bei einem Rentenbeginn am 1.4.2005 zu Recht (nur) mit 0,0586 EP (Ost) je Kalendermonat rentenerhöhend bewertet.

14

1. Gemäß § 64 SGB VI ist der Monatsbetrag der Rente das Produkt aus den unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert. Die genannten Faktoren sind mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander zu vervielfältigen.

15

Die persönlichen EP für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente errechnen sich aus der Summe aller EP ua auch für beitragsfreie Zeiten (§ 66 Abs 1 Nr 2 SGB VI).

16

Aus im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten werden gemäß § 254b Abs 1 SGB VI für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente persönliche EP (Ost) und ein aktueller Rentenwert (Ost) gebildet. Für beitragsfreie Zeiten werden die nach der Gesamtleistungsbewertung ermittelten EP in dem Verhältnis als EP (Ost) berücksichtigt, in dem die für die Ermittlung des Gesamtleistungswerts zugrunde gelegten EP (Ost) zu allen zugrunde gelegten EP stehen (§ 263a Satz 1 SGB VI).

17

Zu den beitragsfreien Zeiten (§ 54 Abs 4 SGB VI) zählen auch Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI). Gemäß § 58 Abs 1 Satz 1 SGB VI in der hier maßgeblichen, ab 1.1.2005 geltenden Fassung sind Anrechnungszeiten ua Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren (Nr 4). Dementsprechend hat die Beklagte im Versicherungsverlauf des Rentenbescheids vom 20.9.2005 die Zeiten der Schulausbildung des Klägerin vom 9.2.1961 bis 31.8.1962 und die Zeiten der Hochschulausbildung vom 16.9.1963 bis 3.7.1967 berücksichtigt.

18

Beitragsfreie Zeiten sind mit dem aus der Gesamtleistung an Beiträgen im belegungsfähigen Gesamtzeitraum erzielten Durchschnittswert (= EP/Monat) zu bewerten (§ 71 Abs 1 Satz 1 SGB VI), der entweder im Rahmen der Grundbewertung nach § 72 Abs 1 SGB VI auf der Grundlage sämtlicher EP für Beitragszeiten (Zeiten mit vollwertigen Beiträgen und beitragsgeminderte Zeiten) und Berücksichtigungszeiten oder - falls für den Versicherten günstiger - im Rahmen der Vergleichsbewertung nach § 73 SGB VI auf der Grundlage nur der vollwertigen Beiträge und daher insbesondere ohne beitragsgeminderte Zeiten zu ermitteln ist(§ 71 Abs 1 Satz 2 SGB VI). Vorliegend ergab sich ein Durchschnittswert aus der Grundbewertung von 0,0905 EP und aus der Vergleichsbewertung von 0,0978 EP. Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit dieser Werte sind nicht erkennbar; solche wurden auch von der Klägerin nicht vorgebracht. Zutreffend hat die Beklagte daher der Gesamtleistungsbewertung den höheren Durchschnittswert aus der Vergleichsbewertung zugrunde gelegt.

19

2. Im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung findet allerdings gemäß § 74 SGB VI in der hier maßgeblichen, ab 1.1.2005 geltenden Fassung des RVNG eine Begrenzung statt (sog begrenzte Gesamtleistungsbewertung). Gemäß § 74 Satz 1 und 2 SGB VI wird der sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebende Wert für jeden Kalendermonat mit Zeiten einer beruflichen Ausbildung, Fachschulausbildung oder der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme auf 75 vH begrenzt; der so begrenzte Gesamtleistungswert darf für einen Kalendermonat 0,0625 EP nicht übersteigen. Ausbildungszeiten der genannten Art werden gemäß § 74 Satz 3 SGB VI insgesamt für höchstens drei Jahre "bewertet" (dh sie wirken sich für höchstens drei Jahre unmittelbar rentenerhöhend aus), vorrangig die Zeiten der Fachschulausbildung und der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme. Gemäß § 74 Satz 4 SGB VI werden ua Zeiten einer Schul- oder Hochschulausbildung nicht bewertet.

20

3. Für Rentenneuzugänge der Jahre 2005 bis 2008, zu denen die Klägerin gehört, hat der Gesetzgeber des RVNG hinsichtlich der Bewertung von Zeiten einer Schul- oder Hochschulausbildung in § 263 Abs 3 SGB VI aus Gründen des Vertrauensschutzes eine Übergangsregelung getroffen(vgl Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/2149 S 29 zu Nr 51 <§ 263> zu Buchst c).

21

Gemäß § 263 Abs 3 Satz 1 und 2 SGB VI wird der sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebende Wert für jeden Kalendermonat mit Anrechnungszeiten wegen einer Schul- oder Hochschulausbildung auf 75 vH begrenzt; der so begrenzte Gesamtleistungswert darf für einen Kalendermonat 0,0625 EP nicht übersteigen. Für Renten, die im Zeitraum von Februar 2005 bis Dezember 2008 beginnen, wird gemäß § 263 Abs 3 Satz 3 und 4 SGB VI der sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebende Wert für jeden Kalendermonat mit Zeiten einer Schul- oder Hochschulausbildung abweichend von § 74 Satz 4 SGB VI insgesamt für höchstens drei Jahre (unter Anrechnung von Zeiten einer Fachschulausbildung oder der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme) gleichwohl rentenerhöhend berücksichtigt, jedoch in Abhängigkeit vom Rentenbeginn nicht mit 75 vH bzw (höchstens) 0,0625 EP je Kalendermonat, sondern mit einem sich stufenweise in monatlichen Schritten von 1,56 vH bzw 0,0013 EP mindernden und sich aus der Tabelle des § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI ergebenden niedrigeren Prozentwert bzw EP-Wert.

22

4. Beginnt die Rente allerdings im Januar 2009 oder später, werden Zeiten der Schul- oder Hochschulausbildung nicht mehr bewertet, dh sie erhalten keine EP und haben insoweit keine rentenerhöhende Wirkung mehr.

23

Das bedeutet jedoch nicht, dass den Zeiten einer Schul- oder Hochschulausbildung nach dem vollendeten 17. Lebensjahr für die gesetzliche Rente keinerlei Bedeutung mehr zukäme. Denn zum einen bleibt deren rentenbegründende Wirkung erhalten: Dies zeigt sich nicht nur bei den Renten wegen Erwerbsminderung (wo Anrechnungszeiten den Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung, von denen drei Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sein müssen, verlängern, § 43 Abs 1 Satz 1 Nr 2, Abs 2 Satz 1 Nr 2 iVm Abs 4 Nr 1 und Nr 4 SGB VI), sondern (nach § 50 Abs 4 iVm § 51 Abs 3, § 54 Abs 1 Nr 2 und Abs 4 SGB VI)auch bei der Anrechnung auf die 35-jährige Wartezeit für die (vorzeitige Inanspruchnahme der) Altersrenten für langjährig Versicherte (§ 36 SGB VI) bzw für schwerbehinderte Menschen (§ 37 SGB VI). Zum anderen wirken sich Anrechnungszeiten wegen Schul- oder Hochschulausbildung auch künftig dadurch rentenerhöhend aus, dass sie im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung als "nicht belegungsfähige Kalendermonate" berücksichtigt werden und insoweit eine Versicherungslücken schließende Funktion haben (§ 72 Abs 3 Nr 1 iVm § 54 Abs 4 SGB VI; s hierzu auch BSG vom 2.3.2010 - SozR 4-2600 § 72 Nr 3 RdNr 14 ff; ferner zur Rechtsentwicklung Senatsbeschluss vom 27.8.2009 - B 13 R 6/09 S - BeckRS 2010, 66400 RdNr 12 ff; vgl insoweit auch BSG vom 26.1.2005 - SozR 4-2600 § 58 Nr 6 RdNr 15).

24

5. Die Beklagte hat in Anwendung der erläuterten Vorschriften die Zeiten der Klägerin wegen Schul- und Hochschulausbildung im Rahmen der Höchstdauer von drei Jahren zutreffend mit 0,0586 EP für jeden Kalendermonat bewertet. Bei einem Rentenbeginn im April 2005 ergibt sich bei der Multiplikation des für die Gesamtleistungsbewertung maßgeblichen Durchschnittswerts aus der Vergleichsbewertung von 0,0978 EP mit dem Tabellenwert des § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI von 70,31 vH(in Anwendung von § 121 SGB VI) ein Wert von 0,0688 EP (= 0,0978 EP x 70,31 : 100); höchstens jedoch von 0,0586 EP. Diesen Betrag hat die Beklagte zu Recht der begrenzten Gesamtleistungsbewertung für die Zeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung zugrunde gelegt. Nach Multiplikation mit 23 Monaten Anrechnungszeiten wegen Schul- oder Hochschulausbildung ergeben sich 1,3478 EP (Ost) (= 23 x 0,0586 EP ). Diesen EP-Wert für die Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung hat die Beklagte bei der Rentenberechnung (Ermittlung des Monatsbetrags der Rente) der Klägerin berücksichtigt (s Anlage 4 Seite 6 des Bescheids vom 20.9.2005).

25

B. Der Auffassung der Klägerin, die Begrenzung des Gesamtleistungswerts für Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung durch § 74 Satz 4 iVm § 263 Abs 3 SGB VI(jeweils idF des RVNG) sei verfassungswidrig, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr stimmt der erkennende Senat mit den Vorinstanzen überein, dass diese Vorschriften mit dem GG vereinbar sind. Sie verstoßen weder gegen Art 14 Abs 1 (dazu unter 1.) noch gegen Art 3 Abs 1 GG (dazu unter 2.) und auch nicht gegen das Sozialstaatsprinzip (dazu unter 3.). Er hat daher keine Veranlassung, gemäß Art 100 Abs 1 GG eine Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit der von der Klägerin angegriffenen Regelungen herbeizuführen.

26

1. Eine Verletzung des Art 14 Abs 1 GG liegt nicht vor.

27

a) Die von der Klägerin in der Zeit bis zum Inkrafttreten der angegriffenen Normen erworbene Rentenanwartschaft wird vom Schutzbereich dieser Verfassungsnorm erfasst (vgl BVerfGE 53, 257, 289 f; 55, 114, 131; 58, 81, 109; 69, 272, 298; 70, 101, 110; 100, 1, 32 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 47; BVerfGE 117, 272, 292 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 50; stRspr). Es handelt sich um eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist; sie genießt den Schutz der Eigentumsgarantie, weil sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht und zudem der Sicherung seiner Existenz dient (vgl zB BVerfGE 69, 272, 300). Für Rentenanwartschaften, die in der DDR begründet wurden, gilt dies mit der Einschränkung, dass Art 14 Abs 1 GG sie nur in der Form schützt, die sie aufgrund der Regelungen des Einigungsvertrags erhalten haben (vgl BVerfGE 100, 1, 33 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 48 ff; BVerfGE 112, 368, 396 = SozR 4-2600 § 307a Nr 3 RdNr 43). Dabei ist auf die rentenversicherungsrechtliche Position insgesamt abzustellen und nicht auf einzelne Berechnungselemente (vgl BVerfGE 58, 81, 109; 117, 272, 293 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 51) wie hier die Bewertung von Zeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung als Anrechnungszeiten.

28

b) Die Rechtsänderung hat die Rentenanwartschaft der Klägerin beeinträchtigt. Während nach den bis zum 31.12.2004 geltenden Bestimmungen der sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebende Wert für Zeiten wegen schulischer Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres für jeden Kalendermonat auf 75 vH begrenzt war und für die Dauer von drei Jahren noch mit (höchstens) 0,0625 EP je Kalendermonat rentenerhöhend berücksichtigt werden konnte (§ 74 Satz 1, 2 und 4 SGB VI in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung), werden nach der Neuregelung durch das RVNG Zeiten einer Schul- oder Hochschulausbildung (für Rentenzugänge ab 2009) überhaupt nicht mehr bewertet (§ 74 Satz 4 SGB VI idF des RVNG). Eines der Ziele des Gesetzgebers war es, allgemeine Schulzeiten sowie Fachhochschul- und Hochschulzeiten (im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung) nur noch bis zu acht Jahren als (Versicherungslücken füllende) "unbewertete" (dh nicht rentenerhöhende) Anrechnungszeiten zu berücksichtigen (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/2149, S 24 zu Nr 13 <§ 74>). Übergangsweise galt für die Rentenneuzugänge 2005 bis 2008 eine Abschmelzung des begrenzten Gesamtleistungswerts um jeweils 1,56 vH bzw 0,0013 EP je Kalendermonat, beginnend mit 75 vH bzw 0,0625 EP bei einem Rentenzugang im Januar 2005 und endend mit 1,56 vH bzw 0,0013 EP bei einem Rentenzugang im Dezember 2008 (§ 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI idF des RVNG). Hiervon wird auch die Klägerin erfasst, da ihre Rente am 1.4.2005 begann und daher ihre Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung im Rahmen der dreijährigen Höchstbewertungsdauer je Kalendermonat (nur) mit 0,0586 EP (Ost) zu berücksichtigen sind.

29

c) Soweit dadurch in die bis dahin vorhandene Rechtsposition der Klägerin eingegriffen wurde, handelt es sich um eine verfassungsrechtlich zulässige gesetzgeberische Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums iS von Art 14 Abs 1 Satz 2 GG. Der Gesetzgeber hatte hier nicht nur deswegen eine besonders große Gestaltungsfreiheit, weil bei Rentenanwartschaften die Möglichkeit von Änderungen in gewissen Grenzen bereits von vornherein angelegt ist (vgl BVerfGE 53, 257, 293; 58, 81, 110; 70, 101, 111; 117, 272, 293 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 53; BVerfGE 122, 151, 182 = SozR 4-2600 § 237 Nr 16 RdNr 79; BVerfG SozR 4-2600 § 77 Nr 9 RdNr 34), sondern auch, weil es hier um die Begrenzung von Positionen ging, die Ausdruck besonderer Vergünstigungen waren. Denn Anrechnungszeiten beruhen - da ohne eigene Beitragsleistung erworben - überwiegend auf staatlicher Gewährung und sind somit Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge (so BVerfGE 58, 81, 112). Sie sind zwar Bestandteil der Rentenanwartschaft und unterliegen damit dem Bestandsschutz des Art 14 Abs 1 GG; es handelt sich jedoch um einen abgeleiteten Eigentumsschutz von geringerer Intensität (Wahl, jurisPR-SozR 12/2005, Anm 4 unter D 2b). Ebenso wie es im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers lag, diese Zeiten als ein Element des sozialen Ausgleichs für die mit der Ausbildung für den Einzelnen verbundene Minderung seiner sozialen Sicherheit vorzusehen (vgl BVerfGE 58, 81, 113; BVerfG SozR 2200 § 1259 Nr 46), ist es ihm auch überlassen, ob und inwieweit er diesen Ausgleich weitergewähren will.

30

Allerdings sind Eingriffe in Rentenanwartschaften nur zulässig, wenn sie einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sind (vgl BVerfGE 53, 257, 293; 70, 101, 111; 117, 272, 294 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 54; BVerfGE 122, 151, 182 = SozR 4-2600 § 237 Nr 16 RdNr 79; BVerfG SozR 4-2600 § 77 Nr 9 RdNr 35; stRspr). Sie müssen zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein. Insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (vgl BVerfGE 58, 81, 121; 76, 220, 238; 122, 151, 182 = SozR 4-2600 § 237 Nr 16 RdNr 79; stRspr). Diesen Anforderungen genügen die hier von der Klägerin angegriffenen Regelungen des § 74 Satz 4 iVm § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI(jeweils idF des RVNG).

31

aa) Mit den durch das RVNG vorgesehenen Maßnahmen sollten vor dem Hintergrund der sich "immer deutlicher abzeichnenden Auswirkungen" des sich verändernden demografischen Aufbaus der Bevölkerung und "einer schwierigen finanziellen Situation" der gesetzlichen Rentenversicherung "die Beiträge langfristig bezahlbar und die Renten so sicher gemacht werden, wie das in einer sich ständig verändernden Gesellschaft möglich ist" (Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/2149, S 2, 17). Richtschnur war dabei der "Grundsatz der Generationengerechtigkeit". Die Jüngeren sollten nicht durch zu hohe Beiträge überfordert ("erdrückt") werden, da nur mit "verkraftbaren Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung" der Spielraum geschaffen werde, der erforderlich sei, um eigenverantwortlich ergänzende Altersvorsorge betreiben zu können. Gleichzeitig sollte das Vertrauen der Älteren in das Funktionieren der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten bleiben (aaO).

32

Zu den im Rahmen eines Gesamtpakets vorgesehenen Maßnahmen, die zur Stabilisierung des Beitragssatzes und langfristigen Sicherung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung beitragen sollten (aaO S 33; s auch Antwort der Bundesregierung vom 19.12.2003 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Annette Widmann-Mauz, Andreas Storm, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU über die Auswirkungen des Wegfalls der bewerteten Anrechnungszeiten bei schulischer Ausbildung in der gesetzlichen Rentenversicherung, BT-Drucks 15/2305, S 7, 13), gehörte als "mittel- und langfristig wirkende" Maßnahme (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/2149, S 18 f) die Abschaffung der Bewertung von Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung (mit Ausnahme der Zeiten des Fachschulbesuchs und der Teilnahme an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen) als rentensteigernde Anrechnungszeiten nach einer vierjährigen Übergangsfrist für Rentenneuzugänge ab 2009 (zur Verfassungsmäßigkeit des ebenfalls mit dem RVNG in die Rentenformel eingefügten sog Nachhaltigkeitsfaktors s Senatsurteil vom 13.11.2008 - SozR 4-2600 § 255e Nr 1 RdNr 27 ff).

33

bb) Zur Erreichung dieser weitreichenden Ziele war die gesetzliche Neuregelung in § 74 Satz 4 iVm § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI geeignet. Es wurden Vergünstigungen zurückgenommen, die dem Gesetzgeber im Hinblick auf die Betonung der Beitragssatzstabilität und der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Rente sowie angesichts der angespannten Gesamtlage vor dem Hintergrund einer steigenden demografischen Belastung der gesetzlichen Rentenversicherung als unangemessen erscheinen konnten. Der damit erzielte Spareffekt ist nicht lediglich marginal (vgl dazu allgemein BVerfGE 70, 101, 112). Die Einsparungen aus dem Wegfall der bewerteten (rentensteigernden) Anrechnungszeiten wegen Fachhochschul- und Hochschulausbildung werden auf langfristig rund 200 Mio Euro/Jahr geschätzt. Hinzu kommt die Einsparung aus dem Wegfall der bewerteten Anrechnungszeiten wegen (allgemeiner) Schulausbildung. Insgesamt wird vom Wegfall der bewerteten Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung langfristig ein Einsparvolumen von 0,1 Beitragssatzpunkten erwartet (vgl Antwort der Bundesregierung vom 19.12.2003 aaO, BT-Drucks 15/2305, S 4, 8).

34

Unter diesen Umständen kann auch die Erforderlichkeit dieser Maßnahme nicht verneint werden. Sie würde nur dann fehlen, wenn evident wäre, dass die angestrebte Einsparung und Konsolidierung mit weniger einschneidenden Mitteln hätte erreicht werden können (vgl BVerfGE 76, 220, 241). Der Gesetzgeber war unter dem Gesichtspunkt des Erforderlichkeitsgrundsatzes nicht verpflichtet, auf andere Maßnahmen auszuweichen (etwa auf die vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger vorgeschlagene Minderung der Höchstbewertung für alle schulischen Ausbildungszeiten von bisher 75 vH des Durchschnittsverdiensts auf 60 vH des Durchschnittsverdiensts: s hierzu den auf diesem Vorschlag beruhenden Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kolb ua und der Fraktion der FDP vom 10.3.2004, BT-Drucks 15/2688); er kann insbesondere nicht darauf verwiesen werden, die mit § 74 Satz 4 iVm § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI verfolgten Einsparungen in anderen Bereichen des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung zu erzielen(vgl BVerfGE 75, 78, 101 f; 76, 220, 241; 116, 96, 127 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 91; BVerfGE 117, 272, 298 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 65; BVerfG SozR 4-2600 § 77 Nr 9 RdNr 44).

35

cc) Die zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erforderliche Abwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an dem Inkrafttreten der angegriffenen Regelungen des RVNG das Interesse der Betroffenen an dem Fortbestehen der günstigeren Bewertung ihrer Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung nach altem Recht überwiegt.

36

Soweit der Rentenanwartschaft der Klägerin eine höhere, über die versicherten Arbeitsentgelte hinausgehende rentenrechtliche Bewertung der Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung zugrunde liegt, beruht sie nicht auf ihrer eigenen Beitragsleistung. Ist es aber zur Sicherung der Finanzgrundlagen und zum Erhalt der Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung geboten, rentenrechtliche Positionen zu verändern, so kann der soziale Bezug, der dem Gesetzgeber größere Gestaltungsfreiheit bei Eingriffen gibt, diesen berechtigen, in Abwägung zwischen Leistungen an Versicherte und Belastungen der Solidargemeinschaft vor allem jene Positionen zu kürzen, die Ausdruck einer besonderen Vergünstigung sind (vgl BVerfGE 58, 81, 111). Denn eine durch einkommensbezogene Beitragszahlungen begründete rentenrechtliche Position genießt einen höheren Schutz gegen staatliche Eingriffe als eine Anwartschaft, soweit sie nicht auf Beitragsleistungen beruht (vgl BVerfGE 58, 81, 112 f). Dies ist hier in Bezug auf die Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung der Fall. Die Schul- und Hochschulausbildung begründet als solche allein noch keinen personalen Bezug zur Rentenversicherung. Sie stellt für sich genommen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keine Eigenleistung des Versicherten dar, die der Rentenversicherung zugute kommt, sondern dient seiner eigenen Qualifizierung und liegt in seinem Verantwortungsbereich (BVerfGE 58, 81, 113; s auch BVerfGE 117, 272, 299 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 67 zur Berufsausbildung).

37

Der Senat teilt nicht die Auffassung, schulische Ausbildungszeiten unterlägen als notwendige Vorleistungen für Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung einem höheren verfassungsrechtlichen Schutz (vgl aber BSG vom 18.10.2005 - SozR 4-2600 § 71 Nr 1 RdNr 40 ff; ferner W. Meyer/Blüggel, NZS 2005, 1, 8 f; Blüggel, Soziale Sicherheit 2004, 61, 66 ff). Dies ist auch nicht die Sichtweise des BVerfG. Denn die Höhe der Rente richtet sich vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen (§ 63 Abs 1 SGB VI). Insofern ist es durchaus konsequent, die Ausbildung vorwiegend dem Bereich der Eigenverantwortung des Einzelnen zuzuordnen, deren besondere Honorierung dem System der Rentenversicherung jedenfalls nicht immanent ist, weil es grundsätzlich an den Eintritt in das Arbeitsleben anknüpft (BVerfGE 58, 81, 113; Senatsbeschluss vom 27.8.2009 - B 13 R 6/09 S - BeckRS 2010, 66400 RdNr 15; BSG vom 2.3.2010 - SozR 4-2600 § 72 Nr 3 RdNr 33 f).

38

Demgegenüber fallen die mit dem RVNG verfolgten Ziele erheblich ins Gewicht, da sie auf eine Verbesserung der Finanzlage und der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung, auf die Herstellung von Generationengerechtigkeit sowie auf eine Begrenzung der Lohnzusatzkosten mit dem Ziel der Förderung eines hohen Beschäftigungsstandes gerichtet sind. In diesem Zusammenhang haben alle Maßnahmen besondere Bedeutung, die einer Stärkung der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Rente dienen. Dazu gehört auch die Regelung des § 74 Satz 4 SGB VI.

39

dd) Auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, der ebenfalls im Rahmen des Art 14 Abs 1 GG zu berücksichtigen ist (vgl BVerfGE 70, 101, 114; 76, 220, 244 f), sind die angegriffenen Bestimmungen nicht zu beanstanden.

40

Für den Versichertenkreis, dem die Klägerin angehört, also den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes "rentennahen Jahrgängen", wurden die Auswirkungen des § 74 Satz 4 SGB VI durch die Übergangsvorschrift des § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI mit ihrem vierjährigen "Abschmelzungsprogramm" abgemildert(s hierzu bereits oben unter A.3.). Dadurch kam es auch bei ihr noch zu einer rentenerhöhenden Bewertung von Zeiten mit Schul- und Hochschulausbildung.

41

Die Rentenminderung, die daraus resultiert, dass die Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung nicht mehr - wie nach altem Recht - mit (höchstens) 0,0625 EP, sondern nur noch mit 0,0586 EP je Kalendermonat in die Rentenberechnung eingehen, hält sich im vertretbaren Rahmen; insoweit errechnet sich bei der Klägerin im Vergleich zum alten Recht (unter Zugrundelegung des beim Rentenbeginn im April 2005 maßgeblichen aktuellen Rentenwerts ) eine Rentenminderung von 2,06 Euro/Monat.

42

Nach altem Recht hätte sich der auf die Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung entfallende Teil des Rentenbetrags auf 33,02 Euro/Monat belaufen (0,0978 EP x 75 : 100 = 0,0734 EP; aber begrenzt auf den Höchstwert von 0,0625 EP/Monat; 0,0625 EP (Ost) x 23 Monate Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung = 1,4375 EP x 22,97 Euro = 33,02 Euro/Monat). Diese Bewertung fällt bei der Klägerin wegen der Übergangsregelung in § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI mit Rentenbeginn im April 2005 nicht vollständig weg; es ergibt sich aber ein verminderter Betrag von 30,96 Euro/Monat (0,0978 EP x 70,31 : 100 = 0,0688 EP, aber begrenzt auf den Höchstwert von 0,0586 EP/Monat; 0,0586 EP x 23 Monate Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung = 1,3478 EP x 22,97 Euro = 30,96 Euro/Monat), sodass sich eine Differenz von 2,06 Euro/Monat zwischen altem (33,02 Euro/Monat) und neuem Recht (30,96 Euro/Monat) errechnet.

43

Die maximale Minderung betrug beim Auslaufen der Übergangsregelung in § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI und Wegfall der Bewertung von höchstens drei Jahren Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung 2,25 EP(= 36 x 0,0625 EP). Dies entsprach in den alten Bundesländern bei Rentenbeginn im Januar 2009 einem Betrag von 61,20 Euro/Monat (= 2,25 EP x 27,20 Euro aktueller Rentenwert im Januar 2009), in den neuen Bundesländern einem von 58,79 Euro/Monat (= 2,25 EP x 26,13 Euro aktueller Rentenwert im Januar 2009; vgl auch die Werte in der Antwort der Bundesregierung vom 19.12.2003 aaO, BT-Drucks 15/2305, S 3, wonach sich die Rentenhöhe durch die Abschaffung der Bewertung der Anrechnungszeiten wegen des Besuchs von allgemeinbildenden Schulen und Hochschulen um durchschnittlich 15,23 Euro/Monat reduziert; vgl zu den Auswirkungen auf die Rentenhöhe auch Loose, Soziale Sicherheit 2003, 431, 432 f).

44

Angesichts der Übergangsregelung in § 263 Abs 3 SGB VI mag offenbleiben, ob sich bei der wechselhaften Geschichte der Ausfall- und Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung(vgl hierzu zB Senatsbeschluss vom 27.8.2009 - B 13 R 6/09 S - BeckRS 2010, 66400 RdNr 12 ff; Blüggel, Soziale Sicherheit 2004, 61 ff) überhaupt ein schutzwürdiges Vertrauen auf deren rentensteigernde Wirkung entwickeln konnte. Allein aufgrund eines bestimmten Lebensalters ist ein gesteigerter Bestandsschutz einer vorhandenen Rechtsposition verfassungsrechtlich jedenfalls nicht geboten (vgl BVerfGE 117, 272, 294 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 56; BSG vom 2.3.2010 - SozR 4-2600 § 72 Nr 3 RdNr 31).

45

2. Mit den von der Klägerin angegriffenen Regelungen hat der Gesetzgeber nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG verletzt. Auch an diese Verfassungsnorm ist der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gebunden (vgl BVerfGE 74, 203, 214). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz ist jedoch nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner - hier bestehenden weiten - Gestaltungsfreiheit überschritten hat (vgl BVerfGE 52, 277, 280 f; 68, 287, 301; 81, 108, 117 f; 84, 348, 359).

46

a) Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (BVerfGE 126, 29, 43 mwN). Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 87, 1, 36; 112, 50, 67; 117, 272, 300 f; 122, 151, 188; 126, 29, 47; stRspr).

47

Die Klägerin gehört - wie oben ausgeführt - zu der Gruppe von Versicherten, deren Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung durch das RVNG in ihrer Bewertung im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung gemindert worden sind. Damit wird sie zum einen gegenüber Versicherten mit Rentenbeginn bis einschließlich Januar 2005 (dazu unter aa) und zum anderen gegenüber Versicherten mit Zeiten einer Fachschulausbildung oder der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (dazu unter bb) ungleich behandelt. Denn diese Versicherten werden von der Neubewertung der Zeiten wegen schulischer Ausbildung durch das RVNG nicht erfasst, obwohl auch sie während dieser Zeiten keine Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt oder getragen haben.

48

b) Die unterschiedliche Behandlung der dargestellten Gruppen bei der Bewertung ihrer schulischen Ausbildungszeiten wird durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt:

49

aa) Die Regelung des Wegfalls der rentensteigernden Bewertung von Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung (§ 74 Satz 4 SGB VI) durch das RVNG ist am 1.1.2005 in Kraft getreten (Art 15 Abs 11 aaO). Das neue Recht findet auf Versicherte mit Rentenbeginn ab diesem Zeitpunkt und damit auch auf die Klägerin Anwendung (vgl § 300 Abs 1, Abs 2 SGB VI); seine Wirkung wird allerdings durch die ebenfalls zum 1.1.2005 in Kraft getretene Übergangsregelung in § 263 Abs 3 SGB VI(vgl Art 15 Abs 11 RVNG) abgeschwächt, die auch der Klägerin zugute gekommen ist; lediglich Versicherte mit Rentenbeginn bis einschließlich Januar 2005 sind von dem Wegfall bzw der Kürzung der Bewertung von Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung nicht betroffen.

50

Eine solche Stichtagsregelung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Dem Gesetzgeber ist es durch Art 3 Abs 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Einführung des Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientieren und damit sachlich vertretbar sind (vgl BVerfGE 101, 239, 270; 117, 272, 301 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 73; stRspr). Dies war hier der Fall. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes danach differenziert, ob ein Versicherter bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits ein Vollrecht auf Rente erworben hat, und damit in abgeschlossene Rentenbiografien nicht mehr eingreift (vgl BVerfGE 58, 81, 126; 75, 78, 106; 117, 272, 301 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 73).

51

bb) Auch bei Versicherten, die Zeiten an Fachschulen (zur Begriffsbestimmung s BSG vom 9.6.1988 - 4/11a RA 68/87 - Juris RdNr 14 f; BSG vom 21.2.1989 - SozR 2200 § 1259 Nr 109 S 290) und für berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (zur Begriffsbestimmung s § 58 Abs 1 Satz 2 SGB VI)aufweisen, bleibt es insoweit bei der bisherigen rentenrechtlichen Bewertung; diese Zeiten werden weiterhin nach Vollendung des 17. Lebensjahres für die Dauer von höchstens drei Jahren als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung mit bis zu 0,0625 EP je Kalendermonat (0,75 EP/Jahr x 3 = maximal 2,25 EP) rentensteigernd berücksichtigt (§ 74 Satz 1 bis 3 SGB VI idF des RVNG).

52

(1) Die ungleiche Behandlung gegenüber Versicherten, die - wie die Klägerin - "nur" Zeiten der allgemeinen Schul- und Hochschulausbildung aufweisen, wird in den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren des RVNG damit begründet, dass die rentenrechtliche Besserstellung derjenigen Versicherten mit Zeiten schulischer Ausbildung beseitigt werden soll, die - bei typisierender Betrachtung - durch ihre akademische Ausbildung und die damit im Regelfall einhergehenden besseren Verdienstmöglichkeiten überdurchschnittliche Rentenanwartschaften aufbauen können. Vor dem Hintergrund steigender demografischer Belastungen der Alterssicherungssysteme könne es nicht länger Aufgabe der Versichertengemeinschaft sein, diese Zeiten zu privilegieren. Zeiten einer nichtakademischen Ausbildung an Schulen mit überwiegend berufsbildendem Charakter (Fachschulen) und der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme sollten hingegen auch weiterhin mit bis zu 75 vH des Durchschnittsentgelts bewertet werden. Denn hier könne regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass im späteren Erwerbsleben Rentenanwartschaften im selben Umfang aufgebaut würden wie auf der Grundlage einer akademischen Ausbildung. Zudem solle eine sozialpolitisch bedenkliche Ungleichbehandlung von Zeiten der beruflichen Ausbildung an Schulen einerseits und von Zeiten der beruflichen Ausbildung im dualen System andererseits vermieden werden, da bei letzteren - wie bisher auch - eine Höherbewertung der Pflichtbeiträge auf bis zu 75 vH des Durchschnittsentgelts erfolge. Durch die Begrenzung der Bewertung bzw Höherbewertung von schulischen und beruflichen Ausbildungszeiten auf insgesamt 36 Monate solle eine unverhältnismäßige rentenrechtliche Besserstellung nichtakademischer Ausbildung verhindert werden (Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/2149, S 19 zu Nr 4).

53

(2) Diese Begründung für die unterschiedliche Behandlung der Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung bei den genannten Versichertengruppen ist nicht sachfremd. Der Gesetzgeber durfte insbesondere von der typisierenden Annahme ausgehen, dass Absolventen von Hochschulen (Universitäten, Fachhochschulen ua) im späteren Erwerbsleben im Vergleich zu Absolventen von Fachschulen und berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen durch ihre höhere berufliche Qualifikation im Regelfall bessere Verdienstmöglichkeiten haben und deswegen höhere Rentenanwartschaften und Renten aufbauen können.

54

Entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin geht der Senat davon aus, dass das BVerfG in seiner Entscheidung vom 9.2.2010 (BVerfGE 125, 175, 225 f = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 141 ff) spezifische Anforderungen an die Begründungspflicht des Gesetzgebers nur für die Bestimmung (Bemessung) des menschenwürdigen Existenzminimums gemäß Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG aufgestellt hat (vgl zur Begründungspflicht des Gesetzgebers aus verfassungsrechtlicher Sicht kritisch Hebeler, DÖV 2010, 754 ff; s hierzu auch Meßling in Festschrift für Renate Jaeger, 2011, S 787 ff). Dennoch kann es für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer Regelung auch allgemein von Relevanz sein, ob sich für die ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Einschätzungen des Gesetzgebers hinreichend tragfähige Grundlagen finden lassen (vgl hierzu BVerfGE 50, 50, 51; 50, 290, 333; 86, 90, 109; 88, 203, 262 f; 121, 317, 350 ff). Ist dies nicht der Fall oder erweisen sich die Erwägungen des Gesetzgebers als so offensichtlich fehlerhaft, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können, können die Gerichte diese trotz eines insoweit grundsätzlich bestehenden weiten gesetzgeberischen Einschätzungs- und Prognosespielraums beanstanden (vgl BVerfGE 77, 84, 106; 91, 1, 29).

55

(3) Soweit der Senat die angegriffenen Regelungen im Hinblick auf die Vergleichsgruppen - Hochschulabsolventen einerseits und Absolventen von Fachschulen und berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen andererseits - zu überprüfen hat, sind die Erwägungen des Gesetzgebers des RVNG, die der unterschiedlichen Bewertung der Ausbildungszeiten dieser beiden Versichertengruppen zugrunde liegen, nicht unvertretbar. Dass Versicherte mit einer Hochschulausbildung im Regelfall bessere Verdienstmöglichkeiten und höhere Altersrenten haben als Versicherte der Vergleichsgruppe, wird durch mehrere Studien belegt:

56

Bereits im Gesetzgebungsverfahren hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vom 3.3.2004 (BT-Drucks 15/2591 S 2-3 zu Nr 6) zur ablehnenden Stellungnahme des Bundesrats (BR-Drucks 1/04 S 3) vom 13.2.2004 ausgeführt, dass sie zwar mit dem Bundesrat darin übereinstimme, dass eine akademische Ausbildung erst nach längerer Zeit zur Realisierung höherer Rentenanwartschaften führe. Zugleich hat sie aber darauf hingewiesen, dass ein Studium auch unter Berücksichtigung der höheren Kosten der Ausbildung und einer tendenziell kürzeren Erwerbsphase, besonders bei einem weitgehend öffentlich finanzierten Ausbildungsangebot, in der Regel zu einer "positiven Bildungsrendite" führt und sich dies sowohl in der Einkommenssituation während der Erwerbsphase als auch im Alter widerspiegelt. Insoweit hat die Bundesregierung auf die "Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998" (EVS '98) und die Infrateststudie "Alterssicherung in Deutschland 1999" (ASiD '99) Bezug genommen. Danach verdienten unter Zugrundelegung der EVS '98 in der gesetzlichen Rentenversicherung als Arbeitnehmer pflichtversicherte Akademiker mit 2299 Euro fast das 1,5 fache des monatlichen Durchschnittsverdiensts der Versicherten (1584 Euro), Arbeitnehmer mit einer abgeschlossenen Lehre oder Gesellenprüfung lagen dagegen mit 1480 Euro knapp unterhalb des Durchschnittsverdiensts (s auch die Antwort der Bundesregierung vom 19.12.2003 aaO, BT-Drucks 15/2305, S 16). Nach der ASiD '99 bezogen Versicherte mit Hochschulausbildung mit 1163 Euro eine um durchschnittlich 350 Euro höhere Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Versicherte mit abgeschlossener Lehre oder Gesellenprüfung, welche nur auf 813 Euro kamen (BT-Drucks 15/2591 S 3; s auch die Antwort der Bundesregierung vom 19.12.2003 aaO, BT-Drucks 15/2305, S 14, wonach in den neuen Bundesländern nach der ASiD '99 Versicherte mit einer akademischen Ausbildung mit monatlich 1219 Euro sogar eine um 475 Euro höhere Rente bezogen als Versicherte mit abgeschlossener Lehre oder Gesellenprüfung, welche nur auf monatlich 744 Euro kamen).

57

Auch aktuelle Studien bestätigen, dass in den vergangenen Jahren die wirtschaftlichen Vorteile einer Ausbildung an Universitäten oder Fachhochschulen (sog tertiäre Ausbildung) in Deutschland weiter zugenommen haben. Nach der von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erstellten (und von der Beklagten in ihrer Revisionserwiderung benannten) Studie "Bildung auf einen Blick 2010" verdienten Hochqualifizierte im Jahre 2008 im Schnitt 67 Prozent mehr als Erwerbstätige, die "nur" über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügten. 2007 lag dieser Einkommensvorsprung bei 62 Prozent, seit 1998 hat er sich nach Angaben der OECD mehr als verdoppelt. Hinzu kommen ein deutlich geringeres Risiko von Arbeitslosigkeit und weit höhere Erwerbsquoten bei den Älteren. So waren etwa 2009 von den 60 bis 65-Jährigen mit einer Ausbildung an einer Universität oder Fachhochschule 56 Prozent erwerbstätig; bei den 60 bis 65-Jährigen mit nur einer beruflichen Ausbildung dagegen lediglich 36 Prozent (s hierzu nur Pressemitteilung der OECD vom 7.9.2010 "Mehr Hochschulabsolventen in Deutschland - aber auch weiter steigende wirtschaftliche Vorteile aus guter Bildung" zur Studie "Bildung auf einen Blick 2010", veröffentlicht im Internet unter http://www.oecd.org). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Autorengruppe "Bildungsberichterstattung" in ihrem im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erstatteten (und von der Beklagten in ihrer Revisionserwiderung ebenfalls benannten) Bericht "Bildung für Deutschland 2010". Danach lag im Jahre 2008 die relative Einkommensposition von Hochschulabsolventen bei 174 Prozent und von Fachhochschulabsolventen bei 163 Prozent des Medians der monatlichen Bruttoerwerbseinkommen aller Erwerbstätigen, die relative Einkommensposition von Personen mit Hauptschulabschluss/mittlerem Schulabschluss und beruflichem Abschluss dagegen lediglich bei 107 Prozent des Medians (s Tabellenanhang Tab I2-5A im Bericht "Bildung für Deutschland 2010", ua veröffentlicht im Internet unter http:// www.kmk.org /bildung-schule/bildungsberichterstattung/bildungsbericht-2010.html).

58

(4) Vor diesem Hintergrund liegt ein ausreichender Differenzierungsgrund zwischen den hier zu vergleichenden Gruppen von Normadressaten vor. Gemessen an seinem Konzept ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber an der Realität vorbeigegangen ist. Vielmehr konnte er bei der Ausgestaltung der rentenrechtlichen Vergünstigung der Bewertung von beitragsfreien Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung in typisierender Betrachtung daran anknüpfen, dass Absolventen von Hochschulen bereits durch ihre qualifizierte Ausbildung und die damit im Regelfall auch einhergehenden besseren Verdienstmöglichkeiten höhere Rentenanwartschaften und Renten aufbauen können als Absolventen von Fachschulen und berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen.

59

Dass der Gesetzgeber beim Abbau dieser auf dem Gedanken der staatlichen Fürsorge beruhenden Vergünstigung (vgl BVerfGE 58, 81, 112) bei denjenigen Versicherten ansetzt, die die dadurch bedingte Minderung ihrer Rentenanwartschaften und Renten finanziell voraussichtlich besser verkraften können, ist nicht zu beanstanden. Soweit er bei seiner Entscheidung, bei welchen beitragsfreien Zeiten wegen schulischer Ausbildung er zukünftig auf deren (begrenzt) rentenerhöhende Wirkung verzichtet, nicht auf die im Erwerbsleben von den Versicherten tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste abgestellt hat, sondern typisierend darauf, dass eine höhere berufliche Qualifikation zu einem höheren Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen und damit auch zu einer höheren Rente führen (vgl BVerfGE 58, 81, 113), liegt dies jedenfalls nicht außerhalb seines hier bestehenden weiten Gestaltungsspielraums. Überdies liegen Art und Umfang der Ausbildung grundsätzlich im Bereich der Eigenverantwortung des Einzelnen, der selbst entscheidet, ob er durch eine qualifizierte Ausbildung seine Erwerbschancen auf dem Arbeitsmarkt unter Verzicht auf mit Beiträgen belegte Zeiten in der Rentenversicherung erhöhen will oder nicht (BVerfGE aaO). Dies schließt aber auch das Risiko ein, später - aus welchen Gründen auch immer - trotz einer solchen Ausbildung nicht die erhofften höheren Arbeitsverdienste zu erzielen.

60

Von daher mag die Klägerin zu Recht darauf hinweisen, dass Hochschulabsolventen nicht in jedem Fall überdurchschnittlich verdienen bzw dass bei einem im Vergleich zu Absolventen einer Fachschule oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme höheren Arbeitsverdienst im Einzelfall dieser Verdienst nicht ausreicht, den Verlust an Beitragsjahren auszugleichen. Aber auch dieser Einwand ist nicht geeignet, die typisierende Betrachtungs- und Vorgehensweise des Gesetzgebers zu beanstanden. Anderslautende Untersuchungsergebnisse als die vorliegenden, wonach Versicherte mit Hochschulausbildung im Durchschnitt über höhere Arbeitsverdienste verfügen als Versicherte ohne eine solche Ausbildung, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

61

3. Schließlich verstoßen die angegriffenen Regelungen des § 74 Satz 4 iVm § 263 Abs 3 Satz 4 SGB VI auch nicht gegen das Sozialstaatsprinzip(Art 20 Abs 1 iVm Art 28 Abs 1 GG). Zwar begründet das Sozialstaatsprinzip die Pflicht des Staates, für eine gerechte soziale Ordnung Sorge zu tragen; die Erfüllung dieser Verpflichtung obliegt jedoch der eigenverantwortlichen Gestaltung des Gesetzgebers. Selbst wenn durch eine Regelung im Einzelfall Unbilligkeiten auftreten, ist das Sozialstaatsgebot nicht verletzt; denn es dient nicht der Korrektur jeglicher (aus Sicht des Normadressaten) hart oder unbillig erscheinender Einzelregelungen (vgl hierzu BVerfGE 66, 234, 247 f; 69, 272, 314 f).

62

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Leistungsberechtigte erhalten keine Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder vergleichbaren Landesgesetzen.

(2) Leistungen anderer, besonders Unterhaltspflichtiger, der Träger von Sozialleistungen oder der Länder im Rahmen ihrer Pflicht nach § 44 Abs. 1 des Asylgesetzes werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

(3) Die §§ 60 bis 67 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch über die Mitwirkung des Leistungsberechtigten sind entsprechend anzuwenden. Als Mitwirkung im Sinne des § 60 Absatz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch gilt auch, dass Personen, die Leistungen nach diesem Gesetz als Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4, 5 oder 7 beantragen oder beziehen, auf Verlangen der zuständigen Leistungsbehörde die Abnahme ihrer Fingerabdrücke zu dulden haben, wenn dies nach § 11 Absatz 3a zur Prüfung ihrer Identität erforderlich ist.

(4) Folgende Bestimmungen des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch sind entsprechend anzuwenden:

1.
die §§ 44 bis 50 über die Rücknahme, den Widerruf und die Aufhebung eines Verwaltungsakts sowie über die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen,
2.
der § 99 über die Auskunftspflicht von Angehörigen, Unterhaltspflichtigen oder sonstigen Personen und
3.
die §§ 102 bis 114 über Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander.
§ 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch gilt jedoch nur mit der Maßgabe, dass
1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.

(5) Die §§ 117 und 118 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie die auf Grund des § 120 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder des § 117 des Bundessozialhilfegesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sind entsprechend anzuwenden.

(1) Leistungsberechtigt nach diesem Gesetz sind Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die

1.
eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz besitzen,
1a.
ein Asylgesuch geäußert haben und nicht die in den Nummern 1, 2 bis 5 und 7 genannten Voraussetzungen erfüllen,
2.
über einen Flughafen einreisen wollen und denen die Einreise nicht oder noch nicht gestattet ist,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzen
a)
wegen des Krieges in ihrem Heimatland nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes,
b)
nach § 25 Absatz 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder
c)
nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes, sofern die Entscheidung über die Aussetzung ihrer Abschiebung noch nicht 18 Monate zurückliegt,
4.
eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes besitzen,
5.
vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist,
6.
Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der in den Nummern 1 bis 5 genannten Personen sind, ohne daß sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllen,
7.
einen Folgeantrag nach § 71 des Asylgesetzes oder einen Zweitantrag nach § 71a des Asylgesetzes stellen oder
8.
a)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, die ihnen nach dem 24. Februar 2022 und vor dem 1. Juni 2022 erteilt wurde, oder
b)
eine entsprechende Fiktionsbescheinigung nach § 81 Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, die nach dem 24. Februar 2022 und vor dem 1. Juni 2022 ausgestellt wurde,
und bei denen weder eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 des Aufenthaltsgesetzes oder nach § 16 des Asylgesetzes durchgeführt worden ist, noch deren Daten nach § 3 Absatz 1 des AZR-Gesetzes gespeichert wurden; das Erfordernis einer erkennungsdienstlichen Behandlung gilt nicht, soweit eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorgesehen ist.

(2) Die in Absatz 1 bezeichneten Ausländer sind für die Zeit, für die ihnen ein anderer Aufenthaltstitel als die in Absatz 1 Nr. 3 bezeichnete Aufenthaltserlaubnis mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten erteilt worden ist, nicht nach diesem Gesetz leistungsberechtigt.

(3) Die Leistungsberechtigung endet mit der Ausreise oder mit Ablauf des Monats, in dem die Leistungsvoraussetzung entfällt. Für minderjährige Kinder, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen und die mit ihren Eltern in einer Haushaltsgemeinschaft leben, endet die Leistungsberechtigung auch dann, wenn die Leistungsberechtigung eines Elternteils, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzt, entfallen ist.

(3a) Sofern kein Fall des Absatzes 1 Nummer 8 vorliegt, sind Leistungen nach diesem Gesetz mit Ablauf des Monats ausgeschlossen, in dem Leistungsberechtigten, die gemäß § 49 des Aufenthaltsgesetzes erkennungsdienstlich behandelt worden sind und eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes beantragt haben, eine entsprechende Fiktionsbescheinigung nach § 81 Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes ausgestellt worden ist. Der Ausschluss nach Satz 1 gilt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes. Das Erfordernis einer erkennungsdienstlichen Behandlung in den Sätzen 1 und 2 gilt nicht, soweit eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorgesehen ist.

(4) Leistungsberechtigte nach Absatz 1 Nummer 5, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder von einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat im Sinne von § 1a Absatz 4 Satz 1 internationaler Schutz gewährt worden ist, haben keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz, wenn der internationale Schutz fortbesteht. Hilfebedürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen, werden bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von zwei Wochen, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen nach Satz 2. Hierüber und über die Möglichkeit der Leistungen nach Satz 6 sind die Leistungsberechtigten zu unterrichten. Die Überbrückungsleistungen umfassen die Leistungen nach § 1a Absatz 1 und nach § 4 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2. Sie sollen als Sachleistung erbracht werden. Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden Leistungsberechtigten nach Satz 2 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen nach den §§ 3, 4 und 6 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von zwei Wochen hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist. Neben den Überbrückungsleistungen werden auf Antrag auch die angemessenen Kosten der Rückreise übernommen. Satz 7 gilt entsprechend, soweit die Personen allein durch die angemessenen Kosten der Rückreise die in Satz 4 genannten Bedarfe nicht aus eigenen Mitteln oder mit Hilfe Dritter decken können. Die Leistung ist als Darlehen zu erbringen.

(1) Leistungsberechtigte erhalten keine Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder vergleichbaren Landesgesetzen.

(2) Leistungen anderer, besonders Unterhaltspflichtiger, der Träger von Sozialleistungen oder der Länder im Rahmen ihrer Pflicht nach § 44 Abs. 1 des Asylgesetzes werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

(3) Die §§ 60 bis 67 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch über die Mitwirkung des Leistungsberechtigten sind entsprechend anzuwenden. Als Mitwirkung im Sinne des § 60 Absatz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch gilt auch, dass Personen, die Leistungen nach diesem Gesetz als Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4, 5 oder 7 beantragen oder beziehen, auf Verlangen der zuständigen Leistungsbehörde die Abnahme ihrer Fingerabdrücke zu dulden haben, wenn dies nach § 11 Absatz 3a zur Prüfung ihrer Identität erforderlich ist.

(4) Folgende Bestimmungen des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch sind entsprechend anzuwenden:

1.
die §§ 44 bis 50 über die Rücknahme, den Widerruf und die Aufhebung eines Verwaltungsakts sowie über die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen,
2.
der § 99 über die Auskunftspflicht von Angehörigen, Unterhaltspflichtigen oder sonstigen Personen und
3.
die §§ 102 bis 114 über Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander.
§ 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch gilt jedoch nur mit der Maßgabe, dass
1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.

(5) Die §§ 117 und 118 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie die auf Grund des § 120 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder des § 117 des Bundessozialhilfegesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sind entsprechend anzuwenden.

(1) Blinden Menschen wird zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen Blindenhilfe gewährt, soweit sie keine gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. Auf die Blindenhilfe sind Leistungen bei häuslicher Pflege nach dem Elften Buch, auch soweit es sich um Sachleistungen handelt, bei Pflegebedürftigen des Pflegegrades 2 mit 50 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 2 und bei Pflegebedürftigen der Pflegegrade 3, 4 oder 5 mit 40 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 3, höchstens jedoch mit 50 Prozent des Betrages nach Absatz 2, anzurechnen. Satz 2 gilt sinngemäß für Leistungen nach dem Elften Buch aus einer privaten Pflegeversicherung und nach beamtenrechtlichen Vorschriften. § 39a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Blindenhilfe beträgt bis 30. Juni 2004 für blinde Menschen nach Vollendung des 18. Lebensjahres 585 Euro monatlich, für blinde Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, beträgt sie 293 Euro monatlich. Sie verändert sich jeweils zu dem Zeitpunkt und in dem Umfang, wie sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert.

(3) Lebt der blinde Mensch in einer stationären Einrichtung und werden die Kosten des Aufenthalts ganz oder teilweise aus Mitteln öffentlich-rechtlicher Leistungsträger getragen, so verringert sich die Blindenhilfe nach Absatz 2 um die aus diesen Mitteln getragenen Kosten, höchstens jedoch um 50 vom Hundert der Beträge nach Absatz 2. Satz 1 gilt vom ersten Tage des zweiten Monats an, der auf den Eintritt in die Einrichtung folgt, für jeden vollen Kalendermonat des Aufenthalts in der Einrichtung. Für jeden vollen Tag vorübergehender Abwesenheit von der Einrichtung wird die Blindenhilfe in Höhe von je einem Dreißigstel des Betrages nach Absatz 2 gewährt, wenn die vorübergehende Abwesenheit länger als sechs volle zusammenhängende Tage dauert; der Betrag nach Satz 1 wird im gleichen Verhältnis gekürzt.

(4) Neben der Blindenhilfe wird Hilfe zur Pflege wegen Blindheit nach dem Siebten Kapitel außerhalb von stationären Einrichtungen sowie ein Barbetrag (§ 27b Absatz 2) nicht gewährt. Neben Absatz 1 ist § 30 Abs. 1 Nr. 2 nur anzuwenden, wenn der blinde Mensch nicht allein wegen Blindheit voll erwerbsgemindert ist. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für blinde Menschen, die nicht Blindenhilfe, sondern gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten.

(5) Blinden Menschen stehen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen.

(6) Die Blindenhilfe wird neben Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches erbracht.

(1) Leistungsberechtigte erhalten keine Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder vergleichbaren Landesgesetzen.

(2) Leistungen anderer, besonders Unterhaltspflichtiger, der Träger von Sozialleistungen oder der Länder im Rahmen ihrer Pflicht nach § 44 Abs. 1 des Asylgesetzes werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

(3) Die §§ 60 bis 67 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch über die Mitwirkung des Leistungsberechtigten sind entsprechend anzuwenden. Als Mitwirkung im Sinne des § 60 Absatz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch gilt auch, dass Personen, die Leistungen nach diesem Gesetz als Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4, 5 oder 7 beantragen oder beziehen, auf Verlangen der zuständigen Leistungsbehörde die Abnahme ihrer Fingerabdrücke zu dulden haben, wenn dies nach § 11 Absatz 3a zur Prüfung ihrer Identität erforderlich ist.

(4) Folgende Bestimmungen des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch sind entsprechend anzuwenden:

1.
die §§ 44 bis 50 über die Rücknahme, den Widerruf und die Aufhebung eines Verwaltungsakts sowie über die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen,
2.
der § 99 über die Auskunftspflicht von Angehörigen, Unterhaltspflichtigen oder sonstigen Personen und
3.
die §§ 102 bis 114 über Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander.
§ 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch gilt jedoch nur mit der Maßgabe, dass
1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.

(5) Die §§ 117 und 118 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie die auf Grund des § 120 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder des § 117 des Bundessozialhilfegesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sind entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.