Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 30. Okt. 2014 - L 6 KR 14/14 B

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2014:1030.L6KR14.14B.0A
30.10.2014

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

1

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (im Weiteren Klägerin) wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts, mit dem Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten abgelehnt wurde.

2

Die Beklagte gewährte der minderjährigen Tochter der Klägerin, Frau B., seit Oktober 2010 Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form eines persönlichen Budgets nach § 17 SGB IX. Die Klägerin trat dabei als Vertreterin ihrer Tochter auf und organisierte im Weiteren auch die Erbringung der Pflegeleistungen. In der in diesem Zusammenhang abgeschlossenen Vereinbarung für das persönliche Budget vom 8. Oktober 2010 wird u. a. ausgeführt, dass die Klägerin das trägerübergreifende persönliche Budget zur Verfügung gestellt bekomme, um die Grund- und Behandlungspflege sowie Betreuung ihrer Tochter absichern zu können. In einem Nachtrag zur Zielvereinbarung vom 16. August 2011 zwischen der Beklagten und der Klägerin "als Vertreterin ihrer Tochter" verpflichtete sich die Klägerin persönlich, Nachweise über die Verwendung der Gelder zu erbringen und die anfallenden Ausgaben zu dokumentieren.

3

Am 24. Oktober 2012 hörte die Beklagte und Beschwerdegegnerin (im Weiteren Beklagte) die "Familie B." (so die Adresse im Anschreiben) zu dem Erlass eines beabsichtigten Verwaltungsaktes an. In der Betreffzeile hieß es:

4

"Leistungen nach dem persönlichen Budget für Ihre Tochter B., geb. 2000 Anhörung Beteiligter zur Rückforderung nach § 24 des Sozialgesetzbuches (SGB X)." Hierbei führte sie aus, dass sie (die Klägerin und ihr Ehemann) zur Sicherstellung der ambulanten häuslichen Intensivpflege ihrer Tochter B. im Rahmen der häuslichen Krankenpflege Leistungen erhalten hätten. Die zweckgebundene Verwendung sei nicht nachvollziehbar. In einem persönlichen Gespräch sei der Sachverhalt bereits erörtert worden. Man beabsichtige, den nicht nachgewiesenen Betrag zurückzufordern (Bl. 6 Gerichtsakte). Daraufhin legitimierte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der Beklagten und trug vor, in der Vereinbarung habe man sich keine Rückforderung vorbehalten. Auch eine Aufhebung nach § 47 Abs. 2 SGB X komme nicht in Betracht.

5

Am 14. Dezember 2012 erließ die Beklagte einen Bescheid, mit dem sie Zahlungen für das Persönliche Budget in Höhe von mehr als 20.000 EUR zurückforderte (vgl. Blatt 4 Gerichtsakte). Adressiert war dieser an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, als Bezug wurden "Leistungen nach dem persönlichen Budget für B." genannt. Den hiergegen eingelegten, aber trotz Erinnerung nicht begründeten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2013 zurück (Bl. 8 Gerichtsakte); die Betreffzeile war identisch mit der des Ausgangsbescheides.

6

Daraufhin hat die Klägerin am 15. April 2013 Klage erhoben und die Aufhebung des genannten Bescheides beantragt. Zur Begründung hat sie erstmals vorgetragen, sie habe zu keiner Zeit Leistungen von der Beklagten erhalten. Vielmehr seien ihrer Tochter, der minderjährigen B., im Rahmen des persönlichen Budgets Leistungen gewährt worden. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass es in der Betreffzeile des Widerspruchsbescheides ausdrücklich heißt: "Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 14. Dezember 2012 zum persönlichen Budget von B., geb. 2000, vertreten durch die Mutter B.". In der Begründung heiße es weiter, dass B. seit Oktober 2010 Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form eines persönlichen Budgets nach § 17 SGB IX erhalten habe.

7

Mit Beschluss vom 12. März 2014 hat das Sozialgericht Magdeburg (SG) den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg. Die Klägerin sei durch den Bescheid nicht beschwert, da sich der streitige Bescheid und der Widerspruchsbescheid ausweislich der fettgedruckten Betreffzeile "persönliches Budget für B., vertr. durch Frau B." gegen B. richte. Dem entsprechend sei die Klage unzulässig, da die Klägerin durch den Verwaltungsakt nicht beschwert sei.

8

Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin noch im gleichen Monat Beschwerde eingelegt und betont, sie selbst werde als Empfängerin der Leistungen in dem Bescheid bezeichnet.

9

Die Klägerin beantragt,

10

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. März 2014 abzuändern und ihr für das Verfahren vor dem Sozialgericht Magdeburg Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt K., K. zu gewähren.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Beschwerde zurückzuweisen.

13

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

14

Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.

II.

15

Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt.

16

Nach dem gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG entsprechend anzuwendenden § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) setzt die Bewilligung von PKH voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung muss der durch Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) gebotenen Rechtsschutzgleichheit gerecht werden. Danach muss einerseits der Prozesserfolg nicht schon gewiss sein, reicht andererseits aber eine nur entfernte Erfolgsaussicht nicht aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 356 ff.). Nach dem vorgetragenen Sachverhalt und den vorliegenden Unterlagen müssen der Rechtsstandpunkt des Antragstellers zumindest vertretbar und eine Beweisführung möglich sein (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer in SGG, 10. Auflage 2012, § 73 a Rn. 7 a). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG eine weitgehende Angleichung der Situation von bemittelten und unbemittelten Rechtsuchenden bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. nur BVerfG a.a.O.).

17

Hier hat das Verfahren keine Aussicht auf Erfolg. Dahinstehen kann dabei, ob der Bescheid dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin als solchem in eigener Sache der Klägerin zugestellt worden ist. Daraus folgt jedenfalls kein anderer Inhalt des Bescheides, da die Beklagte nach dem Inhalt ihres Anhörungsschreibens und ihres Bescheides die Bevollmächtigung erkennbar auf die Leistungsempfängerin B. bezogen hat.

18

An wen der Aufhebung und Rückforderungsbescheid gerichtet war, ergibt sich - wie das SG bereits zutreffend dargelegt hat - bereits aus der Betreffzeile, da die Klägerin hier nur als Vertreterin ihrer Tochter als Adressatin genannt wird. In diesem Zusammenhang ist der Empfängerhorizont zu berücksichtigen. Ein Verwaltungsakt ist so auszulegen, wie ihn der Adressat nach den Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen, objektiven Erklärungsempfängers (vgl. § 133 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) verstehen durfte, wobei hinsichtlich der Erkennbarkeit des wirklichen Willens der Behörde in erster Linie auf den Verfügungssatz, ergänzend auch auf die Begründung oder sonstige zuvor zwischen den Beteiligten gewechselte Schreiben abzustellen ist (st. Rspr. BSG, siehe Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS17/13 R - juris; Urteil vom 23. August 2013, B 8 SO 7/12 R, juris; Urteil vom 20. März 2013, B 5 R 16/12 R - NZS 2013, 718). Danach war aber deutlich, dass die Leistungen nur der Tochter der Klägerin bewilligt worden waren und der Bescheid über die Rückforderung von Leistungen rechtlich nur die Leistungen an die Tochter betreffen konnte. Ausdrücklich hat die Klägerin selbst in der Klagebegründung vom 4. Juni 2013 vorgetragen, sie habe zu keiner Zeit Leistungen der Beklagten erhalten, deren Erstattung nunmehr mit dem angegriffenen Bescheid verlangt werde. Vielmehr sei die Gewährung des persönlichen Budgets an ihre Tochter erfolgt. Weiter hat sie in diesem Zusammenhang auch richtig darauf hingewiesen, dass die entsprechende Zielvereinbarung auch mit ihrer Tochter geschlossen worden sei, wobei sie als Vertreterin ihrer minderjährigen Tochter aufgetreten sei. Genau vor diesem Hintergrund war der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid zu verstehen, in dem die Klägerin nur als Vertreterin ihrer minderjährigen Tochter angesprochen wird. Dies muss nicht in jeder Zeile wiederholt werden.

19

Wie der zutreffende Vortrag der Klägerin belegt, dass die Leistungen ihrer Tochter bewilligt worden seien, hat sie diese Zusammenhänge auch richtig verstanden, obgleich sich auch in der Zielvereinbarung vergleichbare Formulierungen finden: "5.1 Insgesamt erhält Frau B. für B. einen Hilfebedarf von 11.065,60 EUR monatlich." In dem Nachtrag zur Zielvereinbarung hat sich sogar die Klägerin persönlich zur Nachweisführung und Dokumentation verpflichtet. Insgesamt konnte die Klägerin trotz ihrer Einbindung in das Verfahren die Rückforderung nur als eine solche gegenüber ihrer Tochter verstehen, was sich auch nach dem objektiven Empfängerhorizont aus dem angefochtenen Bescheid ergibt.

20

Gerade vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, dass die Klägerin selbst wiederholt in dem angefochtenen Bescheid genannt wird. Denn dies geschieht erkennbar nur vor dem Hintergrund, dass sie die gesetzliche Vertreterin ihrer Tochter ist, mindestens faktisch über die Mittelverwendung entschied und zur Nachweisführung verpflichtet war.

21

Soweit die Beklagte Ausführungen zu einer "Mandantin" gemacht hat, so beruht dies darauf, dass Mandantin des Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren wohl tatsächlich nur die Klägerin selbst war. Sie hatte die Vollmacht in eigener Sache erteilt, wie sich aus den beigezogenen Verwaltungsakten ergibt, obgleich im Anhörungsschreiben nur ihr Ehegatte namentlich genannt war. Auch dies belegt deutlich, dass sich die Klägerin keinesfalls daran orientiert hat, wer in einem Schreiben in der Adresszeile aufgeführt wurde. Hätte die Beklagte nicht ihrerseits in richtiger Anwendung des § 133 BGB im Sinne des wirklich Gemeinten die Klägerin als Vertreterin der Tochter angesehen - wie es in dem angefochtenen Bescheid in der Betreffzeile ausdrücklich geschieht -, hätte sie sowohl das Gesuch auf Akteneinsicht zurückweisen als auch bereits den Widerspruch als unzulässig verwerfen müssen. Es liegt auf der Hand, dass mit dieser Argumentation anhand eines Wortlautes keine Erfolgsaussichten der Klage zu begründen sind.

22

Hinzu kommt, dass ausweislich des angefochtenen Bescheides die entsprechenden Bewilligungsbescheide aufgehoben wurden. Gerade weil die Klägerin vorträgt, Adressatin dieser Bewilligungsbescheide sei nur ihre Tochter, ergibt sich, dass Adressatin eines Aufhebungsbescheides ebenfalls nur ihre Tochter sein konnte.

23

Dies alles bestätigt auch das Verhalten der Klägerin selbst. Sie hat auch - anwaltlich vertreten - im Anhörungsverfahren ausdrücklich als Bezug "Leistungen nach dem persönlichen Budget für B." genannt und mit keinem Wort darauf hingewiesen, dass sie selbst entsprechende Leistungen nicht bekommen habe oder nicht Adressatin des Rückforderungsbescheides sein könne, sondern inhaltlich bzw. verfahrensrechtlich vorgetragen (Bl. 530 Verwaltungsakte). Sie hat so aus ihrem eigenen Empfängerhorizont deutlich gemacht, dass sie die Absicht der Beklagten, Leistungen von ihrer Tochter zurückzufordern, zumindest im Sinne des wirklich Gemeinten richtig verstanden hat. Umso schwerer ist es nachvollziehbar, warum sie den anschließend erlassenen Bescheid und auch den Widerspruchsbescheid erst im Klageverfahren als an sich adressiert verstanden haben will und damit ihrer eigenen Einlassung im Anhörungsverfahren widerspricht.

24

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).


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(1) Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, beauftragt der leistende Rehabilitationsträger unverzüglich einen geeigneten Sachverständigen. Er benennt den Leistungsberechtigten in der Regel drei möglichst wohnortnahe Sachverständige, soweit nicht gesetzlich die Begutachtung durch einen sozialmedizinischen Dienst vorgesehen ist. Haben sich Leistungsberechtigte für einen benannten Sachverständigen entschieden, wird dem Wunsch Rechnung getragen.

(2) Der Sachverständige nimmt eine umfassende sozialmedizinische, bei Bedarf auch psychologische Begutachtung vor und erstellt das Gutachten innerhalb von zwei Wochen nach Auftragserteilung. Das Gutachten soll den von den Rehabilitationsträgern vereinbarten einheitlichen Grundsätzen zur Durchführung von Begutachtungen nach § 25 Absatz 1 Nummer 4 entsprechen. Die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf werden den Entscheidungen der Rehabilitationsträger zugrunde gelegt. Die gesetzlichen Aufgaben der Gesundheitsämter, des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nach § 275 des Fünften Buches und die gutachterliche Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 bleiben unberührt.

(3) Hat der leistende Rehabilitationsträger nach § 15 weitere Rehabilitationsträger beteiligt, setzt er sich bei seiner Entscheidung über die Beauftragung eines geeigneten Sachverständigen mit den beteiligten Rehabilitationsträgern über Anlass, Ziel und Umfang der Begutachtung ins Benehmen. Die beteiligten Rehabilitationsträger informieren den leistenden Rehabilitationsträger unverzüglich über die Notwendigkeit der Einholung von Gutachten. Die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf werden in den Teilhabeplan nach § 19 einbezogen. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Die Rehabilitationsträger stellen sicher, dass sie Sachverständige beauftragen können, bei denen keine Zugangs- und Kommunikationsbarrieren bestehen.

(1) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, soweit

1.
der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist,
2.
mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, der eine Geld- oder Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes zuerkennt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn

1.
die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird,
2.
mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
Der Verwaltungsakt darf mit Wirkung für die Vergangenheit nicht widerrufen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einem Widerruf schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zum Widerruf des Verwaltungsaktes geführt haben. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, beauftragt der leistende Rehabilitationsträger unverzüglich einen geeigneten Sachverständigen. Er benennt den Leistungsberechtigten in der Regel drei möglichst wohnortnahe Sachverständige, soweit nicht gesetzlich die Begutachtung durch einen sozialmedizinischen Dienst vorgesehen ist. Haben sich Leistungsberechtigte für einen benannten Sachverständigen entschieden, wird dem Wunsch Rechnung getragen.

(2) Der Sachverständige nimmt eine umfassende sozialmedizinische, bei Bedarf auch psychologische Begutachtung vor und erstellt das Gutachten innerhalb von zwei Wochen nach Auftragserteilung. Das Gutachten soll den von den Rehabilitationsträgern vereinbarten einheitlichen Grundsätzen zur Durchführung von Begutachtungen nach § 25 Absatz 1 Nummer 4 entsprechen. Die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf werden den Entscheidungen der Rehabilitationsträger zugrunde gelegt. Die gesetzlichen Aufgaben der Gesundheitsämter, des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nach § 275 des Fünften Buches und die gutachterliche Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 bleiben unberührt.

(3) Hat der leistende Rehabilitationsträger nach § 15 weitere Rehabilitationsträger beteiligt, setzt er sich bei seiner Entscheidung über die Beauftragung eines geeigneten Sachverständigen mit den beteiligten Rehabilitationsträgern über Anlass, Ziel und Umfang der Begutachtung ins Benehmen. Die beteiligten Rehabilitationsträger informieren den leistenden Rehabilitationsträger unverzüglich über die Notwendigkeit der Einholung von Gutachten. Die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf werden in den Teilhabeplan nach § 19 einbezogen. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Die Rehabilitationsträger stellen sicher, dass sie Sachverständige beauftragen können, bei denen keine Zugangs- und Kommunikationsbarrieren bestehen.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Thüringer Landessozialgerichts vom 6. Juli 2011 und des Sozialgerichts Nordhausen vom 21. Juli 2008 sowie der Bescheid des Beklagten vom 3. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2006 aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 6561,62 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Inanspruchnahme der Klägerin als Gesamtschuldnerin in Höhe von 6561,62 Euro im Wege des Kostenersatzes als Erbin für die ihrem Vater E G (G) in der Zeit vom 28.5.1991 bis 30.6.1992 und für Juni 1996 erbrachten Sozialhilfeleistungen.

2

Die Klägerin ist neben fünf weiteren Geschwistern Miterbin (Erbschein des Amtsgerichts Worbis vom 22.10.2001) ihres am 28.5.2001 verstorbenen Vaters G. G lebte seit März 1991 in einem Pflegeheim in L (Landkreis Eichsfeld). Die Kosten der Unterbringung wurden vom Beklagten bis Juni 1992 sowie für den Monat Juni 1996 unter Berücksichtigung des Renteneinkommens des G und des ab 1.10.1991 gezahlten Wohngeldes erbracht (in der Zeit von Juli 1992 bis Mai 1996 hat das Landessozialamt die Kosten übernommen). Die von ihm aufgebrachten Kosten beliefen sich auf über 18 000 DM. Ab 1.7.1996 (Inkrafttreten der Regelung über die vollstationäre Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - ) wurden keine Sozialhilfeleistungen mehr erbracht. Zum Zeitpunkt des Todes des G betrug das Guthaben auf seinem Sparbuch 18 000 DM und auf seinem Girokonto 532,92 DM. Am 28.6.2001 wurden dem Sparkonto Zinsen in Höhe von 497,44 DM gutgeschrieben. Das Girokonto wies aufgrund von Kontobewegungen am Tag seiner Löschung am 4.9.2001 ein Guthaben von 2019,08 DM aus.

3

Nachdem sich die Erbengemeinschaft bereits auseinandergesetzt hatte, forderte der Beklagte von der Klägerin nach Anhörung "im Wege der gesamtschuldnerischen Erbenhaftung" Kostenersatz in Höhe von 6561,62 Euro (Bescheid vom 3.11.2003; Widerspruchsbescheid vom 30.3.2006). Dabei ging er von einem zur Verfügung stehenden Nachlass in Höhe von 22 616,52 DM (Sparguthaben: 18 497,44 DM; Girokonto: 2019,08 DM; Sterbegeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung 2100 DM) aus; abzüglich "anerkannter" Nachlassverbindlich-keiten in Höhe von 6619,10 DM und eines Vermögensfreibetrags in Höhe von 3164 DM verbleibe ein Kostenersatzbetrag in Höhe von 12 833,42 DM (6561,62 Euro).

4

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 21.7.2008; Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 6.7.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin sei nach § 92c Bundessozialhilfegesetz (BSHG) als Gesamtschuldnerin für alle Miterben zum Kostenersatz verpflichtet. Die Ersatzpflicht erstrecke sich auf rechtmäßig innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren vor dem Erbfall geleistete Hilfe. Dies gelte auch dann, wenn das Nachlassvermögen erst nach dem Bezug von Sozialhilfe durch den Hilfeempfänger erworben worden sei, weil sich die Erbenhaftung nicht allein auf zum Zeitpunkt des Sozialhilfebezugs vorhandenes Schonvermögen erstrecke. Die von dem Beklagten aufgebrachten Leistungen seien auch rechtmäßig erbracht worden und deutlich höher als der zu berücksichtigende, vom Beklagten richtig berechnete Kostenersatz. Eine Privilegierung der Klägerin oder eines der Miterben nach § 92c Abs 3 Nr 2 oder 3 BSHG sei nicht erkennbar. Da der Kostenersatz eine Nachlassverbindlichkeit sei, für den die Erben als Gesamtschuldner hafteten, habe der Beklagte die Klägerin auch für alle Miterben in Anspruch nehmen dürfen. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ausübung des Ermessens bei der Frage, wer von den Gesamtschuldnern in Anspruch genommen werde, seien nicht erkennbar. Eine Beteiligung der Miterben sei weder im Verwaltungsverfahren noch im Gerichtsverfahren erforderlich.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 92c BSHG. Die Ersatzpflicht scheitere schon daran, dass die Sozialhilfe vor dem Erwerb des Nachlassvermögens durch den Hilfeempfänger gewährt worden und dieser selbst nicht zur Erstattung verpflichtet gewesen sei. Im Übrigen sei das LSG zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin als Gesamtschuldnerin für die gesamte gegen die Erbengemeinschaft gerichtete Forderung in Anspruch genommen werden könne. Eine Ermächtigung des Beklagten, die gesamte Forderung gegenüber einem Erben geltend zu machen, könne der Vorschrift des § 92c BSHG nicht entnommen werden. Zudem sei nicht berücksichtigt worden, dass zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Kostenersatzes die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bereits erfolgt gewesen sei. Der angegriffene Bescheid sei auch verfahrensfehlerhaft, weil er keinen Verfügungssatz enthalte. Erst auf S 3 des Bescheids werde innerhalb der Begründung mitgeteilt, dass "Kostenersatz gemäß § 92c BSHG … in Höhe des verwertbaren Restnachlasses in Höhe von 6561,62 Euro geltend gemacht" werde. Schließlich leide das Verfahren vor dem SG unter dem Mangel, dass die übrigen Erben nicht beigeladen worden seien.

6

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 3.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2006 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Der Bescheid des Beklagten vom 3.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2006 (§ 95 SGG), gegen den sich die Klägerin mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) wendet, ist rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten. Zwar war der Beklagte berechtigt, bei einer Erbengemeinschaft von jedem Miterben als Gesamtschuldner im Wege der Erbenhaftung den gesamten Forderungsbetrag geltend zu machen; jedoch hatte er Ermessen auszuüben, welchen von mehreren Gesamtschuldnern er in Anspruch nimmt und in welcher Höhe er von diesem Kostenersatz verlangt. Dies hat er unterlassen.

10

Einer Beiladung der übrigen Erben nach § 75 Abs 2 1. Alt SGG (echte notwendige Beiladung) bedurfte es nicht. Nach dieser Vorschrift sind Dritte notwendig beizuladen, wenn sie an einem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Einer einheitlichen Entscheidung bedarf es nicht deshalb, weil die Erben für den Kostenersatz nach § 92c BSHG als Gesamtschuldner haften(dazu unten). Die gesamtschuldnerische Haftung trifft jeden Erben gesondert und bewirkt gerade nicht, dass das streitige Rechtsverhältnis ihnen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden könnte (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; BSG SozR 3-1500 § 58 Nr 1; SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 16; vgl auch Bundessozialgericht , Beschluss vom 15.7.2011 - B 12 SF 1/11 S - RdNr 8; aA für gemeinsame Unternehmer bei Beitragsbescheiden im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung BSG, Urteil vom 30.3.1988 - 2/9b RU 18/87 - mwN).

11

Der Bescheid des Beklagten ist formell rechtmäßig. Insbesondere bedurfte es nicht der Beteiligung sozial erfahrener Dritter nach § 114 Abs 2 BSHG; denn eine beratende Beteiligung ist nur vor dem Erlass des Bescheids über einen Widerspruch gegen die "Ablehnung der Sozialhilfe oder gegen die Festsetzung ihrer Art und Höhe" erforderlich, um die es hier nicht geht. Insbesondere stellt der Kostenersatz keine Rückforderung von Sozialhilfe nach §§ 45 ff, 50 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) dar, bei der die zunächst unterbliebene Ablehnung oder Änderung durch die Korrektur des ursprünglichen Bescheids gleichsam nachgeholt wird und deshalb die Beteiligung sozial erfahrener Dritter erforderlich macht(BVerwGE 70, 196 ff), weil Art und Höhe der ursprünglichen Festsetzung der Sozialhilfe bei der Geltendmachung des Kostenersatzes nach § 92c BSHG unangetastet bleiben.

12

Der Bescheid vom 3.11.2003 ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs 1 SGB X verfahrensfehlerhaft. Danach muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die Bestimmtheit bezieht sich dabei auf den Entscheidungsausspruch, also den Verfügungssatz bzw die Verfügungssätze der Entscheidung (Waschull in Diering/Timme/Waschull, Lehr- und Praxiskommentar SGB X, 3. Aufl 2011, § 33 RdNr 2). Das Bestimmtheitserfordernis setzt voraus, dass der Adressat des Verwaltungsakts in der Lage ist, das von ihm Geforderte zu erkennen. Dies ist der Fall, wenn für den verständigen Beteiligten der Wille der Behörde unzweideutig erkennbar wird und eine unterschiedliche subjektive Bewertung nicht möglich ist (BSG SozR 3-4100 § 242q Nr 1 S 2 f; SozR 4-1300 § 33 Nr 2 RdNr 16; SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11). Zudem muss der Verwaltungsakt eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden (BVerwGE 84, 335, 338). Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts. Ein Bescheid über den Kostenersatz durch Erben nach § 92c BSHG ist danach schon dann hinreichend bestimmt, wenn der Adressat des Verwaltungsakts die Höhe der Haftungsschuld erkennen kann(BSG SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11). An welcher Stelle der Verfügungssatz in dem Bescheid ausgesprochen wird, ist hingegen ohne Bedeutung, solange der Adressat in der Lage ist, das von ihm Geforderte zu erkennen. Dies ist hier zu bejahen. Auf S 3 des Bescheids heißt es nämlich in Fettdruck: "Kostenersatz gemäß § 92c BSHG wird daher in Höhe des verwertbaren Restnachlasses in Höhe von 6561,62 Euro geltend gemacht" und auf S 4 heißt es schließlich: "Ich bitte Sie daher um Einzahlung des Betrages in Höhe von 6561,62 Euro". Die Forderung wird damit eindeutig zum Ausdruck gebracht und wurde von der Klägerin auch so verstanden, wie ihr weiteres Vorgehen im Widerspruchs- und Klageverfahren bestätigt.

13

Der angegriffene Bescheid genügt auch im Übrigen den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsakts. Neben der Höhe des Kostenersatzes ist weder die konkrete Benennung des Haftungsgrunds noch die Bezeichnung des Zeitraums erforderlich, für den Kostenersatz begehrt wird, noch detailliert aufzulisten, wann und in welcher Höhe die jeweiligen Sozialhilfeleistungen erbracht worden sind (BSG SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11). Inwieweit aus der engen Verzahnung von § 33 SGB X und § 35 SGB X aus dem Bescheid zumindest im Ansatz erkennbar sein muss, dass ein Ersatzanspruch gegen den Erben geltend gemacht wird, kann dahinstehen, weil der Beklagte die Klägerin ausdrücklich als Erbin in Anspruch genommen hat(dazu BSG aaO). Dem Bescheid ist auch zu entnehmen, dass die Klägerin im Wege der gesamtschuldnerischen Erbenhaftung in vollem Umfang in Anspruch genommen wird, was der Beklagte auf S 4 der Begründung im Einzelnen erläutert.

14

Der Beklagte war örtlich und sachlich für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs zuständig. Dies ergibt sich - ohne besonders geregelt sein zu müssen und mangels anderweitiger Regelungen - aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass der Erstattungsanspruch als actus contrarius die Kehrseite des Leistungsanspruchs darstellt (BSG aaO RdNr 10).

15

Die materielle Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids misst sich an § 92c BSHG(in der Fassung, die die Norm durch das Zweite Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21.12.1993 - BGBl I 2374 - erhalten hat). Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts ist für das anzuwendende Recht die Entstehung des Anspruchs - hier der Erbfall im Mai 2001 - maßgebend (BSG aaO RdNr 12; BVerwGE 57, 26, 29).Nach § 92c Abs 1 BSHG(seit 1.1.2005 § 102 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe -) ist der Erbe des Hilfeempfängers zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet, die innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Zweifache des Grundbetrags nach § 81 Abs 1 BSHG übersteigen.

16

Für den Kostenersatzanspruch spielt es schon nach dem Wortlaut des § 92c BSHG keine Rolle, ob das Vermögen bereits zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs existiert hatte und nach § 88 Abs 2 und 3 BSHG geschont worden war oder erst nach dem Leistungsbezug erworben worden ist. Neben einer am Wortlaut orientierten Auslegung zeigen systematische Erwägungen und die historische Entwicklung der Vorschrift, dass der Zeitpunkt des Erwerbs des Vermögens für einen Kostenersatzanspruch irrelevant ist (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen , Urteil vom 20.2.2001 - 22 A 2695/99; OVG Berlin, Urteil vom 23.6.2005 - 6 B 23/03; H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 102 SGB XII RdNr 20; Simon in juris PraxisKommentar SGB XII, § 102 SGB XII RdNr 44; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 102 SGB XII RdNr 96, Stand März 2008).

17

Im früheren Fürsorgerecht (Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13.2.1924 - RGBl I 100) sah § 25 RFV noch vor, dass "ein Hilfebedürftiger, der zu hinreichendem Vermögen oder Einkommen gelangt, die aufgewendeten Kosten dem Fürsorgeverband zu ersetzen hat". Satz 2 der Vorschrift regelte ergänzend, dass der Ersatzanspruch "auch gegenüber dem Erben des Hilfebedürftigen geltend gemacht werden" kann und - wie der Ersatzanspruch nach § 92c BSHG bzw seit 1.1.2005 § 102 SGB XII - als Nachlassverbindlichkeit gilt. Eine solche Haftung wurde mit Einführung des BSHG insgesamt aufgehoben, weil die Meinung, dass die Verpflichtung zum Kostenersatz aus sozialethischen und fürsorgepolitischen Gründen notwendig sei, immer seltener vertreten und stattdessen darauf hingewiesen wurde, dass gerade diejenigen Hilfebedürftigen, die auf öffentliche Hilfe dringend angewiesen seien, vor allem ältere Menschen, wegen der Ersatzpflicht nicht um Hilfe nachsuchten. Ferner wurde geltend gemacht, dass die Verpflichtung zum Kostenersatz die öffentliche Fürsorge in den Augen der Allgemeinheit diskriminiere und andere steuerfinanzierte Sozialleistungen - wie die Arbeitslosenhilfe - ohne Ersatzpflicht gewährt würden (BR-Drucks 53/60, S 35). Diesen Erwägungen folgend wurde die Ersatzpflicht im BSHG auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten sowie auf Fälle beschränkt, in denen der Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt später zu erheblichem Einkommen oder Vermögen gelangte (§ 92 idF des BSHG vom 30.6.1961 - BGBl I 815).

18

Durch das Entfallen der Pflicht zum Kostenersatz entfiel auch die nach § 25 RFV als Nachlass-verbindlichkeit normierte Pflicht des Erben. Dies wurde später als unbillig empfunden und durch Einführung des § 92c BSHG durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes vom 14.8.1969 (BGBl I 1153) wieder geändert. Zur Begründung (BR-Drucks 318/68, S 16) wurde angeführt, es erscheine nicht gerechtfertigt, dass den Erben der Hilfeempfänger, besonders denjenigen, die dem Hilfeempfänger nicht nahe gestanden hätten, nur deshalb zu Lasten der Allgemeinheit Vermögen zuwachse, weil dem Hilfeempfänger und seinen nächsten Angehörigen selbst die Verwertung dieses Vermögens nicht zugemutet worden sei. Diese Folge der geltenden Bestimmungen bedeute zugleich auch eine nicht gerechtfertigte Besserstellung gegenüber den Erben solcher Hilfeempfänger, die allein auf den Einsatz ihres Einkommens angewiesen seien. Die Einführung des § 92c BSHG zeigt mithin, dass die ursprüngliche Erbenhaftung wieder eingeführt werden sollte. Zwar nimmt die Gesetzesbegründung auf Schonvermögen Bezug, lässt aber - ebensowenig wie der Wortlaut des § 92c BSHG - erkennen, dass die Erbenhaftung auf früheres Schonvermögen beschränkt bleiben soll, zumal das in der Drucksache genannte Schonvermögen nur den typischen Anwendungsfall der Erbenhaftung darstellt(ebenso OVG NRW, Urteil vom 20.2.2001 - 22 A 2695/99). Es wäre auch nicht nachvollziehbar, weshalb ein Erbe besser gestellt oder besonders geschützt werden sollte, wenn der Nachlass des Hilfebedürftigen in der Zeit nach dem Leistungsbezug erworben wurde. Der Zweck der Kostenersatzpflicht liegt nämlich in erster Linie darin, "im öffentlichen Interesse eine möglichst umfassende 'Refinanzierung' aufgewendeter Sozialhilfekosten sicherzustellen" (BVerwGE 118, 313, 316 f). Dass der Gesetzgeber selbst von einem solchen Verständnis der Regelung ausgegangen ist, zeigt sich daran, dass er in der Folgezeit trotz mehrfacher Änderungen der Norm und insbesondere bei der Einführung des SGB XII die Vorschrift insoweit unverändert gelassen und gerade keine "Korrektur" oder "Klarstellung" vorgenommen hat. Hätte er die Anwendung der Erbenhaftung auf das Schonvermögen beschränkt wissen wollen, hätte eine solche "Klarstellung" erwartet werden können. Einen ausreichenden Schutz des Erben bieten mithin die Frist von zehn Jahren, nach der auch der Erbe nicht mehr in Anspruch genommen wird, sowie die in Abs 3 genannten Privilegierungen. Zudem beschränkt sich der Kostenersatz auf den das Zweifache des Grundbetrags nach § 81 Abs 1 BSHG übersteigenden Betrag.

19

Die Klägerin ist als Erbin des Hilfeempfängers zu behandeln. Das Amtsgericht Worbis hat einen gemeinschaftlichen Erbschein erteilt, wonach sie neben ihren fünf Geschwistern Erbin zu 1/6 ist. Mit der Aushändigung des Erbscheins ist die positive Vermutung verbunden, dass demjenigen, der in dem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, das in dem Erbschein angegebene Erbrecht zusteht (§ 2365 Bürgerliches Gesetzbuch). Zwar bindet der Erbschein die Instanzgerichte nicht, sie dürfen aber - wie hier das LSG - von dieser Berechtigung ausgehen, solange der Erbschein nicht eingezogen ist (BSG SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 13 mwN).

20

Ob - wie hier - bei einer Mehrheit von Erben jeder Erbe als Gesamtschuldner (§ 421 BGB) in Anspruch genommen werden darf oder nur auf einen Teilbetrag, hat der Senat bislang offen gelassen (BSG aaO RdNr 14; ebenso BVerwGE 57, 26, 27). Diese Frage ist im ersteren Sinne zu bejahen (ebenso Verwaltungsgerichtshof Kassel, Urteil vom 26.11.1998 - 1 UE 1276/95 -, allerdings nur wenn kein Privilegierungstatbestand in der Person eines Erben vorliegt). Nach § 92c Abs 2 BSHG gehört die Ersatzpflicht des Erben zu den Nachlassverbindlichkeiten, für die nach § 1967 Abs 1 BGB der Erbe haftet. Bei einer Mehrheit von Erben haften die Miterben für die gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch (§ 2058 BGB), also jeder einzelne Miterbe persönlich (§ 421 BGB).

21

Auch nach der Teilung des Nachlasses bleibt die gesamtschuldnerische Haftung der Miterben für die nicht vorab getilgten Nachlassverbindlichkeiten (vgl § 2046 BGB) grundsätzlich bestehen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.10.1997 - IV ZR 327/96), soweit - wie hier - kein in §§ 2060, 2061 BGB genannter Ausnahmefall (Ausschluss im Angebotsverfahren, verspätete Geltendmachung, Nachlassinsolvenzverfahren, Privataufgebot) vorliegt. An der gesamtschuldnerischen Haftung ändert sich auch nichts, wenn in der Person eines oder mehrerer Erben eine Privilegierung nach § 92c Abs 3 BSHG vorliegt, insbesondere die Inanspruchnahme eines von mehreren Erben nach der Besonderheit des Einzelfalls eine besondere Härte bedeuten würde(§ 92c Abs 3 Nr 3 BSHG). Die Privilegierung gilt bei einer Mehrheit von Erben nur in der Person des Erben, der die Voraussetzungen hierfür erfüllt (BVerwGE 57, 26, 28). Die Privilegierung hat also nicht zur Folge, dass die Voraussetzungen für einen Kostenersatzanspruch nicht gegeben sind, sondern nur, dass dieser nicht geltend gemacht, also durchgesetzt werden kann, soweit der privilegierte Miterbe betroffen ist. Gleichwohl sind individuelle Privilegierungen vom Sozialhilfeträger nach Sinn und Zweck der Regelung im Rahmen erforderlicher Ermessenserwägungen ebenso zu beachten wie sonstige Umstände.

22

Die Entscheidung des Beklagten, allein die Klägerin in Anspruch zu nehmen, ist vor diesem Hintergrund ermessensfehlerhaft. Der Gläubiger kann zwar gemäß § 421 BGB die Leistung "nach seinem Belieben" von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Dieses "Wahlrecht", das im Zivilrecht seine Grenze lediglich im Rechtsmissbrauch findet (Grüneberg in Palandt, BGB, 72. Aufl 2013, § 421 RdNr 12 mwN), ist im öffentlichen Recht insoweit allgemein eingeschränkt, als an die Stelle des "freien Beliebens" ein pflichtgemäßes Ermessen bei der Auswahl des Gesamtschuldners tritt (Bundesverwaltungsgericht , Urteil vom 22.1.1993 - 8 C 57/91; Grüneberg in Palandt, aaO, § 421 RdNr 12; zur Erforderlichkeit der Ermessensausübung allgemein auch BSGE 89, 90, 93 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5). In der Regel hat der Sozialleistungsträger dabei jedoch nur das Willkürverbot zu beachten oder eine offenbare Unbilligkeit zu berücksichtigen (BVerwG aaO, wonach ausdrückliche Ausführungen im Sinne einer expliziten Ermessensausübung bei der Auswahl des in Anspruch Genommenen nicht gefordert werden; BSGE 45, 271, 273 = SozR 1200 § 51 Nr 3 S 4),sodass nur eine Verletzung der dem Leistungsträger obliegenden Fürsorgepflicht, wie sie in § 13 f Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) zum Ausdruck kommt, das "Wahlrecht" einschränken würde(BSG aaO).

23

Dies gilt aber nicht für die gesamtschuldnerische Erbenhaftung nach § 92c BSHG. Sie dient der möglichst umfassenden "Refinanzierung" aufgewendeter Sozialhilfekosten (s oben), mithin der Herstellung des Nachrangs durch Zugriff auf den durch das Erbe Begünstigten; mit der nachträglichen Deckung der angefallenen Sozialhilfeaufwendungen (BVerwGE 118, 313, 316) verfolgt die Norm anders als sonstige Regelungen - selbst des Sozialhilferechts (§§ 93, 103, 104 SGB XII)- damit auch bereicherungsrechtliche Ziele. Dies darf nicht ohne die Bewertung der Umstände geschehen, die die tatsächliche finanzielle Belastung des Miterben im Rahmen der Erbengemeinschaft betreffen. Deshalb muss die Auswahl eines Gesamtschuldners für den Kostenersatz insgesamt im Rahmen einer Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung solcher Umstände erfolgen.

24

Eine Rolle spielen insbesondere eine bereits erfolgte Verteilung des Erbes, wenn sie - wie hier - vor Kenntnis von dem Kostenersatzanspruch durchgeführt worden ist, ein eventueller Verbrauch des ererbten Vermögens, die Anzahl der Erben, der Wert des Nachlasses und die Höhe des Kostenersatzanspruchs sowie die Relation der beiden Werte zueinander und auch die Erbquote. Nur eine Gesamtschau der Situation aller Erben wird deren individuellen Zahlungspflicht gerecht. Dies wird durch die Struktur der Vorschrift des § 92c BSHG bestätigt. Sie enthält bereits selbst ausdrückliche individuelle Privilegierungen von Erben (§ 92c Abs 1 Satz 4, Abs 3 Nr 2 und 3 sowie Abs 4 Satz 2 BSHG), mit der Folge, dass der Anspruch auf Kostenersatz bei den privilegierten Erben nicht geltend zu machen ist. Ist einer von mehreren Erben privilegiert, besteht wegen der gesamtschuldnerischen Haftung zumindest die Gefahr, dass privilegierte Personen im Wege des Rückgriffs nach § 426 BGB (doch) in Anspruch genommen werden(vgl nur Simon in jurisPK-SGB XII, § 102 SGB XII RdNr 23 mwN), obwohl die Privilegierung das Ziel verfolgt, einen Miterben dafür zu "belohnen", dass er sich zu Lebzeiten des Hilfeempfängers der Mühe unterzogen hat, diesen bei sich aufzunehmen und zu pflegen (§ 92c Abs 3 Nr 2 BSHG; BVerwGE 57, 26, 28), bzw den Erben zu verschonen, den die Inanspruchnahme durch den Sozialhilfeträger besonders hart trifft (§ 92c Abs 3 Nr 3 BSHG). Will man diesen Privilegierungstatbeständen gerecht werden, muss auch deshalb eine Auswahlentscheidung verlangt werden, die nicht nur durch das Willkürverbot oder eine offenbare Unbilligkeit begrenzt sein kann.

25

Der Sozialhilfeträger hat also eine Ermessensentscheidung zu treffen und auf die dafür relevanten Verhältnisse des Einzelfalls einzugehen, um eine ungerechtfertigte Mehrbelastung der anderen Erben bzw einen Rückgriff durch diese gegenüber dem privilegierten Erben zu verhindern. Den für seine Entscheidung benötigten Sachverhalt hat der Sozialhilfeträger unter Einbeziehung der übrigen Erben von Amts wegen zu ermitteln (vgl dazu: BSGE 59, 157, 171 = SozR 1300 § 45 Nr 19; BSG SozR 3-1300 § 50 Nr 20 S 65). Dies hat der Beklagte verkannt; bei seiner Entscheidung, die Klägerin in Anspruch zu nehmen, hat er sich ausschließlich formal davon leiten lassen, dass diese sich um die Abwicklung des Nachlasses gekümmert habe. Eine Ermessensentscheidung hat er damit nicht getroffen.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung(vgl BSG SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 30). Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 3, § 63 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat den Klägern auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Die Beklagte hat ebenfalls die Gerichtskosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 2749,62 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Anrechnungsfähigkeit einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine große Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

2

Die im Jahre 1941 geborene und am 31.10.2010 verstorbene U. K. nachfolgend: Hinterbliebene - infizierte sich im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als Krankenschwester mit einer Tuberkulose, die im Jahre 1978 als Berufskrankheit anerkannt wurde. Mit Bescheid vom 21.3.1978 gewährte die Berufsgenossenschaft der Hinterbliebenen ab August 1972 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 vH, die im Jahre 1989 auf eine Höhe von 648,21 Euro eingefroren wurde.

3

Die Hinterbliebene war seit 1973 mit H. K. verheiratet, der am 3.3.2007 verstarb. Im selben Monat beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Hinterbliebenenrente. Bei der Antragstellung war der Hinterbliebenen der Versicherungsberater der Deutschen Rentenversicherung Bund K. K. behilflich, den sie über die bestehende Tuberkuloseerkrankung informierte. Nachdem der Versicherungsberater erklärt hatte, eine Anrechnung der Verletztenrente auf die Hinterbliebenenrente erfolge nicht, gab die Hinterbliebene im Antragsformular lediglich an, eine eigene Altersrente zu beziehen; auf die ihr gewährte Verletztenrente wies sie nicht hin.

4

Mit Bescheid vom 8.5.2007 bewilligte die Beklagte der Hinterbliebenen ab April 2007 Hinterbliebenenrente, ohne die Verletztenrente zu berücksichtigen.

5

Nach Anhörung der Hinterbliebenen nahm die Beklagte mit Bescheid vom 14.5.2008 den Bewilligungsbescheid vom 8.5.2007 mit Wirkung ab 1.4.2007 gemäß § 45 SGB X zurück, weil dieser wegen der fehlenden Berücksichtigung der Verletztenrente bei der Gewährung der Witwenrente rechtswidrig gewesen sei und forderte die Erstattung von 2559,15 Euro wegen Überzahlung in der Zeit vom 1.7.2007 bis 31.5.2008. Die Hinterbliebene könne sich nicht auf schützenswertes Vertrauen berufen, da die Gewährung der Witwenrente auf Angaben beruht habe, die sie grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig bzw unvollständig gemacht habe und sie zudem die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gekannt bzw aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe.

6

Nachdem der Versicherungsberater K. K. im Widerspruchsverfahren den Hinweis der Hinterbliebenen auf ihre Tuberkuloseerkrankung bestätigt hatte, gab die Beklagte dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 teilweise statt. Unter Abänderung des Bescheides vom 14.5.2008 nahm sie den Bewilligungsbescheid vom 8.5.2007 erst mit Wirkung ab 1.6.2008 zurück und machte gleichzeitig für den Zeitraum vom 1.6.2008 bis 30.6.2009 eine Erstattung von überzahlter Hinterbliebenenrente in Höhe von nunmehr 2749,62 Euro geltend. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück.

7

Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Koblenz mit Urteil vom 3.8.2010 abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens ist die Hinterbliebene verstorben. Ihre Kinder, die Kläger zu 1. und 2., haben den Rechtsstreit fortgeführt. Mit Urteil vom 21.3.2012 hat das LSG Rheinland-Pfalz das Urteil des SG Koblenz und den Bescheid der Beklagten vom 14.5.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid der Beklagten vom 8.5.2007 sei rechtmäßig. Nach § 97 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI werde Einkommen von Berechtigten, das mit einer Witwenrente oder Witwerrente zusammentreffe, hierauf angerechnet. Welches Einkommen anrechnungsfähig sei, ergebe sich aus § 18a bis § 18e SGB IV. Nach § 18a Abs 1 S 1 Nr 2 SGB IV sei bei Renten wegen Todes Erwerbsersatzeinkommen zu berücksichtigen. Dies gelte allerdings gemäß § 18a Abs 1 S 2 Nr 1 SGB IV nicht, soweit es sich hierbei - abgesehen von den ausdrücklich genannten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen - um steuerfreie Einnahmen iS von § 3 Einkommensteuergesetz (EStG) handele. Nach § 3 Nr 1a EStG gehörten zu den nicht berücksichtigungsfähigen steuerfreien Einnahmen Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die angefochtenen Bescheide, in denen zu Unrecht eine solche Anrechnung vorgenommen worden sei, seien daher aufzuheben.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 97 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI iVm § 18a Abs 1 S 1 Nr 2, Abs 3 S 1 Nr 4 SGB IV und § 114 Abs 1 Nr 2 SGB IV. Das LSG habe übersehen, dass eine Anwendung des § 18a Abs 1 S 2 Nr 1 SGB IV auf den vorliegenden Sachverhalt durch § 114 Abs 1 Nr 2 SGB IV ausgeschlossen werde. Nach dieser Regelung seien Leistungen, die aufgrund oder in entsprechender Anwendung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erbracht würden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen), mit Ausnahme von Zusatzleistungen bei Renten wegen Todes als Einkommen zu berücksichtigen, wenn der versicherte Ehegatte vor dem 1.1.2002 verstorben sei oder die Ehe vor diesem Tag geschlossen worden und mindestens ein Ehegatte vor dem 2.1.1962 geboren sei. Erwerbsersatzeinkommen im Sinne dieser Regelung seien nach § 114 Abs 3 S 1 SGB IV Leistungen nach § 18a Abs 3 S 1 Nr 1 bis 8 SGB IV und damit auch die in § 18a Abs 3 S 1 Nr 4 SGB IV genannte Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine Ausnahme für steuerfreie Einkünfte sei in § 114 Abs 1 und 3 SGB IV nicht vorgesehen. Nach den Feststellungen des LSG unterfalle die 1941 geborene und seit 1973 mit H. K. verheiratete Hinterbliebene dem von der Regelung des § 114 Abs 1 Nr 2 SGB IV erfassten Personenkreis. Sie könne sich daher auf die Regelung des § 18a Abs 1 S 2 Nr 1 SGB IV nicht berufen. Die im Urteil des BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 15/11 R - RdNr 15 aufgeworfene Frage, ob § 114 Abs 1 SGB IV im Wege teleologischer Reduktion lediglich zu Gunsten der Betroffenen anzuwenden sei, sei zu verneinen. Die vom LSG vertretene Auffassung sei aber selbst dann nicht haltbar, wenn § 114 Abs 1 Nr 2 SGB IV auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung finden könne. Die eine Anrechnung der Verletztenrente der Hinterbliebenen ausschließende Regelung des § 18a Abs 1 S 2 Nr 1 SGB IV stehe in einem offenkundigen Widerspruch zur Regelung des § 18a Abs 1 S 1 Nr 2 iVm Abs 3 S 1 Nr 4 SGB IV, der eine derartige Anrechnung ausdrücklich anordne. Ein derartiger Widerspruch in den Aussagen einer gesetzlichen Regelung könne nicht dadurch aufgelöst werden, dass einer der widersprechenden Gesetzesbefehle ohne jegliche Begründung als unbeachtlich behandelt werde. In einem derartigen Fall seien vielmehr weitere Auslegungsgrundsätze heranzuziehen, um das von dem Gesetz gewollte Ergebnis zu ermitteln. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass eine spezielle Regelung eine allgemeine Regelung verdränge, sowie unter Beachtung des Grundsatzes der verfassungskonformen Auslegung - hier: Art 3 Abs 1 GG - sei nicht § 18a Abs 1 S 2 SGB IV, sondern § 18a Abs 1 S 1 Nr 2 iVm Abs 3 S 1 Nr 4 SGB IV in Fällen der vorliegenden Art anwendbar. Dieses Ergebnis stehe auch nicht mit dem gesetzgeberischen Willen in Widerspruch.

9

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. März 2012 aufzuheben und die Berufung der Hinterbliebenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 3. August 2010 zurückzuweisen.

10

Die Kläger beantragen,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

13

Das LSG hat im Ergebnis zu Recht den Bescheid vom 14.5.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 aufgehoben.

14

1. Soweit der Bescheid vom 14.5.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009 den Bescheid vom 8.5.2007 für die Zeit ab 1.6.2008 zurücknimmt, verstößt er gegen das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 SGB X und ist schon deswegen rechtswidrig.

15

Hinreichend bestimmt ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn die von ihm getroffene Regelung, die verfügte Rechtsfolge, vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist (vgl BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwN; BSG vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - Juris RdNr 18; BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16 mwN; s auch U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 37 RdNr 27). Dieser Anforderung ist nicht genügt.

16

Der Bescheid vom 8.5.2007 enthält verschiedene Regelungen: Zum einen bewilligt er der Hinterbliebenen große Witwenrente; er regelt insoweit insbesondere die Rentenart, den Rentenbeginn (1.4.2007) und die Höhe der Hinterbliebenenrente. Daneben bestimmt er den monatlichen Einzelanspruch auf Zahlung iHv 733,48 Euro ab 1.7.2007 und für die Zeit vom 1.4.2007 bis 30.6.2007 die Gewährung einer Nachzahlung iHv 3290,37 Euro.

17

Zwar lässt sich den in den angefochtenen Bescheiden verlautbarten Umständen im Wege der Auslegung entnehmen, welche dieser Regelungen zurückgenommen worden ist; hingegen ist nicht erkennbar, in welchem Umfang dies geschehen sollte.

18

Die Auslegung eines Verwaltungsakts hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern auf den wirklichen Willen der Behörde bzw des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die dem Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (BSG SozR 4-5075 § 3 Nr 1 RdNr 15 mwN).

19

Unter Beachtung dieser Vorgaben sind die angefochtenen Bescheide dahin zu verstehen, dass der Bescheid vom 8.5.2007 mit Wirkung ab 1.6.2008 teilweise hinsichtlich des monatlichen Einzelanspruchs auf Zahlung zurückgenommen worden ist. Ausweislich der Bescheidbegründung hat die Beklagte lediglich die Höhe des monatlichen Zahlungsanspruchs wegen Nichtberücksichtigung anrechnungsfähigen Einkommens verringern wollen und nicht die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Witwenrente dem Grunde nach in Frage gestellt (vgl zu der gebotenen Unterscheidung zwischen dem Anspruch auf Rente dem Grunde nach und dem Einzelanspruch auf Zahlung BSG SozR 4-2600 § 313 Nr 1 RdNr 14 mwN).

20

In welcher Höhe der monatliche Zahlungsanspruch auf Hinterbliebenenrente zurückgenommen wird, lässt sich dem Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 nicht entnehmen. Zwar führen dessen Gründe auf S 3 und 7 aus, dass bei korrekter Anrechnung der Unfallrente der Witwenrentenanspruch ab 1.4.2007 auf ca 428,95 Euro ohne Berücksichtigung der jährlichen Rentenanpassungen hätte gekürzt werden müssen, und dass ab 1.7.2009 nur noch eine Rente von 437,31 Euro vorbehaltlich zukünftiger Rentenanpassungen ausgezahlt werde. Hieraus lässt sich jedoch die konkrete Kürzung des monatlichen Zahlungsanspruchs auf Witwenrente bzw die Höhe des infolge der Kürzung verbleibenden Einzelanspruchs auf Zahlung nicht ermitteln.

21

Aus dem Bescheid vom 14.5.2008 ergibt sich vielmehr, dass die Summe von 428,95 Euro nicht die Höhe des um die Unfallrente gekürzten monatlichen Zahlungsanspruchs, sondern den sich nach zusätzlichem Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ergebenden monatlichen Zahlbetrag der Hinterbliebenenrente bezeichnet, und dies erst nach Ablauf des Sterbevierteljahres ab 1.7.2007. Bei dem Betrag von 437,31 Euro handelt es sich unter Berücksichtigung der Formulierung "Rente … ausgezahlt" um den ab 1.7.2009 zu leistenden monatlichen Rentenzahlbetrag.

22

Die Heranziehung des Bescheides vom 14.5.2008 zur Auslegung des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009 führt auch im Übrigen zu keinem hinreichend bestimmten Inhalt im hier maßgeblichen Zusammenhang. Der Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009, der gegenüber dem Bescheid vom 14.5.2008 (nur) die zeitliche Wirkung der Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 1.4.2007 auf den 1.6.2008 verschiebt, ist keiner Auslegung dahin zugänglich, dass der im Ausgangsbescheid ab 1.7.2007 angegebene Einzelanspruch auf Zahlung von 475,55 Euro (733,48 Euro - anrechenbares Einkommen von 257,93 Euro) für die Zukunft weitergelten soll. Der verständige, die Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte ist außerstande zu erkennen, dass dieser Betrag die Höhe des monatlichen Zahlungsanspruchs auf Witwenrente nach Anrechnung der Unfallrente bezeichnet. Weder im Tenor noch in der Begründung des Bescheides vom 14.5.2008 ist ein der Hinterbliebenen nach Kürzung verbleibender monatlicher Rentenzahlungsanspruch von 475,55 Euro aufgeführt. Dieser Betrag findet sich erst in der Anlage 1 des Bescheides als in keiner Weise hervorgehobenes Element eines nicht unbeträchtlichen Zahlenwerks. Ein verständiger Beteiligter muss nicht damit rechnen, dass der für ihn maßgebliche Zahlungsanspruch an derart "versteckter Stelle" geregelt wird. Dies gilt umso mehr, als die Anlage 1 nicht dasselbe Datum aufweist wie der Bescheid vom 14.5.2008 und zudem die Anlage 1 durch den Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 gegenstandslos geworden ist. Mit Wirkung vom 1.7.2008 ist darüber hinaus durch § 1 Abs 1 Rentenwertbestimmungsgesetz vom 26.6.2008 (BGBl I 1076) der aktuelle Rentenwert von zuvor 26,27 Euro auf 26,56 Euro angehoben worden, sodass sich der monatliche Anspruch der Hinterbliebenen auf Witwenrente erhöht hat (vgl § 64 SGB VI). Damit war dem Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 die Höhe der Kürzung des monatlichen Rentenzahlungsanspruchs bzw die Höhe des verbleibenden Einzelanspruchs auf Zahlung nach Anrechnung der Unfallrente ab 1.7.2008 auch aus diesem Grund nicht zu entnehmen.

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2. Da der Bescheid vom 14.5.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009 mangels hinreichender Bestimmtheit aufzuheben war, soweit dieser den Bewilligungsbescheid vom 8.5.2007 mit Wirkung ab 1.6.2008 zurückgenommen hat, ist der Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 auch insoweit rechtswidrig, als er die Erstattung eines Betrags von 2749,62 Euro wegen zu viel gezahlter Witwenrente in der Zeit vom 1.6.2008 bis 30.6.2009 fordert.

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Er verstößt gegen § 50 Abs 1 SGB X, nach dem aufgrund eines Verwaltungsakts erbrachte Leistungen nur zu erstatten sind, soweit dieser aufgehoben worden ist. Durch die Aufhebung des Bescheides vom 14.5.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.4.2009, soweit die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 8.5.2007 verfügt ist, gilt dieser Bescheid wieder in vollem Umfang, sodass er eine Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen des ungekürzten Rentenzahlbetrages im streitigen Zeitraum darstellt.

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Darüber hinaus ist die im Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 geregelte Erstattung auch deswegen rechtswidrig, weil dem Widerspruchsausschuss der Beklagten hierfür die Entscheidungskompetenz fehlte.

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Die Entscheidungsbefugnis der Widerspruchsbehörde ist auf den durch den Widerspruch vorgegebenen Rahmen beschränkt. Aus diesem Grund darf die Widerspruchsbehörde einen Widerspruch nicht zum Anlass nehmen, rechtlich selbständige Regelungen zu treffen, die über den Inhalt des angefochtenen Verwaltungsakts hinausgehen (VGH Mannheim NVwZ-RR 2002, 3, 5; Dolde/Porsch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 68 RdNr 36 und 47 mwN - Stand: Oktober 2005). Weitergehende Entscheidungen der Widerspruchsbehörde sind unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten nur zulässig, wenn dieser eine eigene Verwaltungskompetenz zukommt und sie nicht nur auf die Rechtsschutzgewährung beschränkt ist (vgl BSGE 71, 274, 279 = SozR 3-1500 § 85 Nr 1 S 6).

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Der Bescheid vom 14.5.2008 enthält mehrere Regelungen iS von § 31 SGB X. Er nimmt zum einen den Bescheid vom 8.5.2007 für die Zeit ab 1.4.2007 zurück und fordert zum anderen von der Hinterbliebenen für die im Zeitraum vom 1.7.2007 bis 31.5.2008 erfolgte Überzahlung die Erstattung eines festgesetzten Betrags von 2559,15 Euro (§ 50 Abs 1 S 1, Abs 3 SGB X). Die im Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009 verfügte Rückforderung eines Überzahlungsbetrags von nunmehr 2749,62 Euro, die wegen § 86a S 1 SGG für einen anderen Zeitraum, die Zeit vom 1.6.2008 bis 30.6.2009, geleistet worden war, stellt im Verhältnis hierzu eine weitergehende, rechtlich selbständige Regelung dar.

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Hierzu war der Widerspruchsausschuss der Beklagten unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten nicht befugt. Gemäß § 85 Abs 2 Nr 2 SGG erlässt den Widerspruchsbescheid in Angelegenheiten der Sozialversicherung - und damit auch der Rentenversicherung(§ 1 Abs 1 S 1 SGB IV) - die von der Vertreterversammlung bestimmte Stelle. Die Kompetenz des Widerspruchsausschusses der Beklagten beschränkt sich damit auf die Rechtsschutzgewährung (vgl auch BSGE 75, 241, 245 f; BSG SozR 3-1500 § 87 Nr 1 S 5 f). Eine ursprüngliche sachliche (Verwaltungs-)Zuständigkeit der Widerspruchsstelle ist nicht gegeben (BSG vom 21.6.2000 - B 4 RA 57/99 R - Juris RdNr 17 - auch zur Beachtlichkeit dieses Verfahrensfehlers iS von § 62 Halbs 2, § 42 S 1 SGB X).

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Schließlich verstößt der Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009, soweit er die Erstattung von 2749,62 Euro fordert, ebenfalls gegen das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 SGB X mit der Folge der Rechtswidrigkeit, weil er nur die Gesamtsumme, nicht aber die einzelnen Berechnungsposten benennt(vgl U. Stelkens, aaO, § 37 RdNr 40; VGH München NVwZ-RR 1994, 113).

30

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG, soweit sich die Revision auf die teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 8.5.2007 durch die angefochtenen Bescheide bezieht, und auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, soweit Streitgegenstand die Erstattung überzahlter Hinterbliebenenrente ist(vgl hierzu im Einzelnen Beschluss vom 11.10.2012 - B 5 R 16/12 R).

31

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 40, § 47 Abs 1 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 63 Abs 2 S 1 GKG.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.