Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 09. März 2017 - L 4 AS 818/13

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2017:0309.L4AS818.13.00
bei uns veröffentlicht am09.03.2017

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) im Rahmen der Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

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Der Kläger bezog vor seinem (Rück-)Umzug nach Z. Leistungen nach dem SGB II beim Jobcenter H ... Er beantragte am 10. September 2011 beim Jobcenter H. die Erteilung einer Zustimmung zum Umzug von H. nach Z.

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Er meldete seinen Hauptwohnsitz mit Wirkung vom 1. Oktober 2011 unter der Anschrift des elterlichen Grundstücks in der Straße ... in Z. an. Hierzu reichte er bei dem Beklagten ein Schriftstück über eine zwischen ihm und seinem Vater, F. K., geschlossene "Nutzungsvereinbarung" ein. Darin berechnete F. K. seinem Sohn für die Nutzung von Wohnraum/Schlafraum, Küche und Bad (Gesamtfläche: 40,5 m²) ab dem 1. September 2011 "eine Pauschale von 230,00 EUR" zuzüglich Nebenkosten "für Wasser, Abwasser, anteilig Versicherung und Steuern, Öl und Müllgebühren" in Höhe von 95,57 EUR. Die "Nutzungsvereinbarung" enthielt einen Passus, wonach bei einem Verzug von einem Monat der Vertrag aufgehoben werde und der Nutzer die Wohnung unverzüglich zu räumen habe. In einer undatierten Mietbescheinigung bestätigte F. K. die Vermietung von drei beheizbaren Räumen mit einer Wohnfläche von 40,5 m² für eine Gesamtmiete in Höhe von 325,57 EUR.

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Mit Bescheid vom 11. Oktober 2011 lehnte das Jobcenter H. "die Zustimmung zur Anmietung der neuen Wohnung" ab: Der Kläger sei bereits am 1. Oktober 2011 umgezogen, habe aber erst am 11. Oktober 2011 ein Mietangebot vorgelegt.

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Nach dem erfolgten Umzug bezog der Kläger Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten. In diesem Zusammenhang führten zwei Mitarbeiter des Beklagten am 19. Oktober, 24. Oktober, 8. November und 10. November 2011 Hausbesuche in der Straße ... durch. Gemäß dem Ermittlungsbericht vom 11. November 2011 befinde sich die angemietete Wohnung des Klägers in einem Nebengebäude auf dem Grundstück des Vaters. Es handele sich um eine Ein-Raum-Wohnung, welche sich auf drei verschiedene Eingänge verteile, die wiederum über einen Hof erreichbar seien. Eine eigene Klingel sei noch nicht angebracht worden. Dem Kläger stehe ein Zimmer als Wohn- und Schlafzimmer zur Verfügung. Hierin befänden sich eine Couch mit Schlaffunktion, ein Tisch, ein Fernsehgerät, ein kleiner Kleiderschrank, ein Kühlschrank und eine Bar. Von diesem Raum gehe ein kleines Zimmer ab, welches zum Bad mit Dusche ausgebaut werden solle. Die vorhandene Bar sei (nach Angaben des Klägers) nur für seinen Geburtstag aufgebaut worden und werde demnächst wieder abgebaut. Das Zimmer habe "bewohnt" ausgesehen, aber – nach Einschätzung des Außendienstes – "eher einen Eindruck von einem Partyzimmer" gemacht. Die Küche sei nicht über das Wohn- und Schlafzimmer erreichbar. Um dorthin zu gelangen, müsse man über den Hof in einen Nebeneingang gehen. Sie sei zweckmäßig eingerichtet. Es befinde sich dort auch eine Waschmaschine. Eine Heizung sei nicht vorhanden.

6

Der Kläger habe erklärt, zwecks Verbindung der Küche mit dem Wohn- und Schlafzimmer sei ein Durchbruch geplant. Der Außendienst habe den Eindruck gewonnen, es handele sich um eine "Sommerküche". Es sei sehr viel Geschirr vorhanden gewesen sowie ein Vorratsschrank mit Kaffeepäckchen, Putzmitteln und Waschmittel. Es hätten "keine weiteren Lebensmittel gesichtet" werden können. Der Kläger habe dazu erklärt, seine Lebensmittel seien im Kühlschrank untergebracht.

7

Der Kläger nutze derzeit das Badezimmer im Haupthaus. Es sei vollständig eingerichtet und werde nur vom Kläger genutzt. Der Zugang könne nur über den Hof erfolgen. Der Kläger habe mitgeteilt, auf dem Grundstück befänden sich insgesamt vier eigene Wohnungen. Drei Wohnungen würden von Vater und Oma, Mutter und Bruder bewohnt. Weiterhin habe der Kläger erklärt, der Umzug von H. sei sehr schnell erfolgt, weshalb die Wohnung noch nicht richtig ausgebaut sei. Der Ausbau des Bades und der Durchbruch zur Küche würden noch erfolgen. Der Abschluss dieser Umbauarbeiten sei jedoch noch nicht absehbar.

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Zum Zwecke der Feststellung des Fortschritts der vom Kläger angekündigten Umbauarbeiten erfolgte am 19. April 2012 ein weiterer Hausbesuch. Dabei habe der Kläger mitgeteilt, bisher seien keine baulichen Veränderungen seiner Wohnung vorgenommen worden. Hierfür stünden ihm keine finanziellen Mittel zur Verfügung.

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Mit Bescheid vom 13. April 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2012 monatliche Leistungen in Höhe der Regelleistung von 374,00 EUR. Leistungen für KdU wurden nicht gewährt.

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Hiergegen erhob der Kläger am 23. April 2012 Widerspruch und wandte sich gegen die Nichtberücksichtigung von KdU.

11

Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens erbat der Beklagte die Nachreichung geeigneter Nachweise (Kontoauszüge, Quittungen o. Ä.) für die regelmäßige Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Nutzungsvertrag mit seinem Vater (Mietzahlung in Höhe von 325,57 EUR monatlich). Der Kläger reichte mit Schreiben vom 26. Juli 2012 Quittungen vom 14. Dezember 2011, 1. Januar 2012 und 1. Februar 2012 über je 325,57 EUR für "Miete Dezember 2011", "Miete Januar 2012" bzw. "Miete für Februar 2012" ein. Im Übrigen teilte der Kläger mit, er könne keine Nachweise vorlegen für Zeiten seiner Arbeitslosigkeit. In diesen Zeiträumen sei es ihm nicht möglich gewesen, diese Summe aufzubringen. Die Mietschulden seien immer noch offen. Ihm werde das Wasser abgestellt und die Wohnung gekündigt, wenn er nicht zeitnah bezahle. Mit Schreiben vom 9. August 2012 reichte er sodann eine Erklärung seines Vaters ein. Hierin bestätigte F. K., dass "der Mieter" verpflichtet sei, "seine Nutzungsgebühr und seine Nebenkosten am ersten jedes Monats zu entrichten". Es bestünden noch Rückstände für die Monate Oktober und November 2011 sowie die Monate März bis August. Die Schulden beliefen sich bereits auf 2.604,56 EUR und seien bis spätestens 15. September 2012 zu zahlen. Andernfalls werde "das Nutzungsrecht aufgehoben".

12

Mit Bescheid vom 12. Juni 2012 verfügte der Beklagte gemäß § 31a SGB II für den Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. September 2012 eine monatliche Absenkung der Leistungen für den Regelbedarf um 30 % (112,20 EUR monatlich). Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass der Kläger nach Auskunft des Arbeitgebers R. ab April 2012 ein Arbeitsverhältnis hätte aufnehmen können. Dies habe der Kläger indes mit der Begründung abgelehnt, dass er nach dem Himmelfahrtswochenende 14 Tage zum Hochseeangeln (nach Norwegen) fahren möchte. Durch dieses Verhalten habe er das Zustandekommen der Beschäftigung vereitelt.

13

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2012 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13. April 2012 (bezüglich des Bewilligungszeitraums von April bis September 2012) als unbegründet zurück: Die Nutzungsvereinbarung werde nicht als wirksam anerkannt. Es bestünden bereits ernsthafte Zweifel daran, ob der Kläger die angegebenen Wohnräume überhaupt bewohne. Außerdem falle für den Wohnraum eine "Grundnutzungsgebühr von umgerechnet 5,67 EUR/qm an", was weder dem ortsüblichen Mietzins entspreche noch angesichts der Wohnverhältnisse als angemessen erscheine. Vielmehr bestehe ein auffälliges Missverhältnis, zumal der Ausbau eines eigenen Badezimmers erst noch beabsichtigt, aber durch den Kläger selbst zu finanzieren sei. Im Rahmen der Prüfung durch den Außendienst habe der Wohn- bzw. Schlafraum eher den Eindruck eines Partyraumes gemacht. Der Kläger benutze das Badezimmer seiner Mutter im Haupthaus mit. In der Küche hätten sich weder Lebensmittel noch eine Heizung befunden. Auch bei der erneuten Besichtigung am 19. April 2012 hätten keinerlei Veränderungen festgestellt werden können. Es habe auch weiterhin eine eigene Klingel gefehlt. Der Beklagte zweifle den "Vollzug dieses Nutzungsverhältnisses" an. Die Aktenlage spreche für ein "Scheingeschäft". Gemäß der Nutzungsvereinbarung hätten bereits die vom Kläger selbst vorgetragenen Mietrückstände die Aufhebung des Vertrages zur Folge haben müssen. Entsprechende Mahnschreiben lägen indes nicht vor. Soweit der Kläger nach den vorgelegten Quittungen für Dezember 2011 bis Februar 2012 Mietzahlungen in bar geleistet habe, seien auf den eingereichten Kontoauszügen keine Barabhebungen in entsprechender Höhe ersichtlich. Da der Kläger derzeit kein Einkommen erziele, verbleibe es bei der Regelleistung in Höhe von 374,00 EUR monatlich. Für den Zeitraum von Juli bis September 2012 sei darüber hinaus die Absenkung des Leistungsanspruchs um monatlich 112,20 EUR aufgrund bestandskräftigen Sanktionsbescheides vom 12. Juni 2012 zu berücksichtigen.

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Hiergegen hat der Kläger am 28. September 2012 beim Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau Klage erhoben (Aktenzeichen: S 27 AS 2378/12) mit dem Ziel der Berücksichtigung der sich aus der Nutzungsvereinbarung ergebenden KdU. Während des sozialgerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte mit Bescheid vom 15. März 2013 die Leistungsbewilligung für September 2012 – wegen Einkommenserzielung – ganz aufgehoben und die Leistungen auf 0,00 EUR neu festgesetzt. Er hat darauf hingewiesen, dass dieser Bescheid gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden ist.

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Am 6. November 2012 ging beim Beklagten ein auf den 5. November 2012 datierter schriftlicher Weiterbewilligungsantrag des Klägers ein. Zuvor hatte der Kläger am 2. November 2012 bei einer persönlichen Vorsprache einen entsprechenden Weiterbewilligungsantrag gestellt. Mit Bescheid vom 27. November 2012 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum von November 2012 bis April 2013 Leistungen in Höhe des jeweiligen monatlichen Regelbedarfs in Höhe von 374,00 bzw. 382,00 EUR.

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Dagegen erhob der Kläger am 17. Dezember 2012 Widerspruch: KdU seien nicht berücksichtigt und im Übrigen für September und Oktober 2012 gar keine Leistungen bewilligt worden.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2013 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Er wiederholte zur Nichtberücksichtigung von KdU im Wesentlichen die Begründung aus dem Widerspruchsbescheid vom 28. August 2012. Darüber hinaus sei die Antragstellung auf Fortzahlung der zunächst bis 30. September 2012 bewilligten Leistungen erstmals im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 2. November 2012 erfolgt.

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Hiergegen hat der Kläger am 2. April 2013 vor dem SG Klage erhoben (Aktenzeichen: S 27 AS 770/13), mit welcher er wiederum die Übernahme von KdU begehrt: Die Zweifel, ob die Wohnräume tatsächlich bewohnt würden, seien nicht nachvollziehbar. Der Ausbau des eigenen Badezimmers solle nicht vom Kläger selbst finanziert, lediglich der zu entrichtende Mietzins hierfür vom Eigentümer verwandt werden. Die Bar sei beim Einzug nicht entfernt worden, weil diese auch anderweitig nutzbar sei. Dahinter befinde sich ein Kühlschrank, in dem sich auch die Lebensmittel befänden, welche der Außendienst "vermisst" habe. Die Beheizung erfolge übergangsweise elektrisch bzw. – alternativ – mit einem mobilen Heizgerät. Ein eigener Briefkasten sei vorhanden. Eine Klingel würde nicht benötigt. Seit Februar 2012 habe der Kläger keine Zahlungen mehr geleistet, da keine Rücklagen vorhanden seien und er lediglich die Regelleistung vom Beklagten erhalten habe. Nunmehr sei die Kündigung des Mietverhältnisses erfolgt. Die Kündigung sei bis zur Entscheidung der sozialgerichtlichen Auseinandersetzung zurückgestellt worden.

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Das SG hat die Verfahren S 27 AS 2378/12 und S 27 AS 770/13 mit Beschluss vom 18. April 2013 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des Verfahrens S 27 AS 2378/12 verbunden.

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Mit Urteil vom 9. Juli 2013 hat das SG die Klage abgewiesen: Es erscheine lebensfremd, eine Wohnung ohne Bad und ohne Heizung anzumieten. Die Prüfungen des Außendienstes hätten jedoch ergeben, dass weder Heizung noch Badezimmer im Wohngebäude vorhanden seien. Die Küche könne nur über den Hof erreicht werden. Der noch im November 2011 angekündigte Durchbruch einer Wand in die Küche sei auch im April 2012 noch nicht erfolgt. Für den Zeitraum von September bis November 2011 und nach Februar 2012 sei keine Miete gezahlt worden. Die behaupteten Mietzahlungen für Dezember 2011 bis Februar 2012 seien nicht (etwa durch Bankunterlagen) belegt worden. Nach alldem sei nicht von einem rechtswirksam geschlossenen Mietvertrag bzw. Nutzungsverhältnis auszugehen. Es ergäben sich mithin keine erstattungsfähigen KdU.

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Gegen das ihm am 12. Juli 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. August 2013 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Es seien für die gesamten streitgegenständlichen Zeiträume zu Unrecht keine KdU berücksichtigt worden. Die Zweifel des Beklagten, ob die Wohnräume tatsächlich bewohnt würden, seien nicht nachvollziehbar. Der Ausbau des Badezimmers solle nicht vom Kläger finanziert werden. Vielmehr habe der Eigentümer hierfür den zu entrichtenden Mietzins verwenden wollen. Da jedoch keine Miete gezahlt werde, habe mit dem Umbau noch nicht begonnen werden können. Zu Beginn des Mietverhältnisses sei der Mietzins auch tatsächlich entrichtet worden. Die Zahlungen seien durch Überweisungen erfolgt, wenn auch mit einem unzutreffenden Verwendungszweck (z. B. "Strom"). Nach Februar 2012 seien indes keine Rücklagen mehr vorhanden gewesen, so dass der Kläger keine Zahlungen mehr habe leisten können. Die Kündigung des Mietverhältnisses sei ausgesprochen und bis zur (sozial-) gerichtlichen Entscheidung zurückgestellt worden. Der Kläger hat "schriftliche Zeugenaussagen" von I. K., K. K., D. K., E. K., T. E. und J. E. eingereicht, die jeweils bestätigt haben, dass der Kläger eine eigenständige Wohnung auf dem Grundstück genutzt habe. Außerdem hat der Kläger mit Anwaltsschriftsatz vom 13. November 2014 mitgeteilt, "bis zur Erledigung des Rechtsstreits in den Haushalt der Mutter I. K. [Haushaltsgemeinschaft] gezogen" zu sein, da sein Bruder ausgezogen und der Wohnraum frei geworden sei.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 9. Juli 2013 aufzuheben, die Bescheide des Beklagten 13. April 2012 in der Fassung des Bescheides vom 12. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2012 und vom 27. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 sowie den Bescheid vom 15. März 2013 abzuändern und dem Kläger für die Zeiträume vom 1. April bis 30. September 2012 sowie vom 1. November 2012 bis 30. April 2013 weitere Leistungen unter Berücksichtigung von KdU in Höhe von monatlich je 325,57 EUR zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Zur Begründung trägt er vor, es könne nicht von einem rechtswirksam geschlossenen Mietvertrag ausgegangen werden. Das Vorbringen zu Mietzahlungen im Zeitraum Dezember 2011 bis Februar 2012 sei im Übrigen widersprüchlich. Einerseits sollen diese in bar erfolgt, andererseits sollen sie per Überweisung (wenn auch mit einem falschen Verwendungszweck ("Strom") geleistet worden sein.

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Am 15. Januar 2016 hat eine nichtöffentliche Sitzung des Senats stattgefunden, an welcher der Kläger teilgenommen hat. Er hat sich in der Sitzung zu den Wohnverhältnissen geäußert. Er habe insgesamt ca. 40 m² bewohnt (ein Raum, eine Küche sowie das allein von ihm genutzte und über den Hof erreichbare Bad im Haus des Vaters). Die Verbrauchskosten zahle die – vom Vater getrennt lebende – Mutter I. K ... Inwieweit dies zwischen den Eltern ausgeglichen werde, wisse er nicht. Sein Vater verlange von ihm Mietzahlungen. Es sei ein Mahnbescheid im Gespräch gewesen, aber dann nichts passiert. Ob ein Verjährungsverzicht vereinbart worden sei, wisse er nicht. Er sei zur Mutter gezogen, damit nicht noch weitere Schulden aufliefen.

28

In dem Termin hat der Senat darüber hinaus Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen I. K., J. E. , D. K., K. K., T. E. und E. K ... Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15. Januar 2016 (Blatt 146 bis 152 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

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Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2016 hat der Kläger die Betriebskostenabrechnungen der Jahre 2011 bis 2014 für das Grundstück eingereicht. Daraus haben sich für die streitgegenständlichen Zeiträume folgende "kalten" Nebenkosten (für Wasser, Abwasser und Müllgebühren) ergeben:

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April 2012: 113,98 EUR, Mai 2012: 144,98 EUR, Juni 2012: 54,00 EUR, Juli 2012: 199,97 EUR, August 2012 54,00 EUR, September 2012: 125,00 EUR, November 2012: 125,00 EUR, Dezember 2012: 0, Januar 2013: 74,97 EUR, Februar 2013: 25,80 EUR, März 2013: 426,10 EUR, April 2013: 134,97 EUR.

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Außerdem ist eine Abrechnung über Heizöl in Höhe von monatlich je 400,00 EUR vorgelegt worden.

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Am 23. November 2016 hat eine weitere nichtöffentliche Sitzung des Senats stattgefunden. In dieser ist der Vater F. K. als Zeuge vernommen worden (vgl. Blatt 212 bis 214 der Gerichtsakte).

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Im Nachgang zu diesem Termin, in dem der Zeuge K. unter anderem ausgesagt hatte, die Mieteinnahmen würden im Rahmen der jährlichen Steuererklärungen gegenüber dem Finanzamt angegeben, hat der Beklagte eine Mitteilung des Finanzamts B. vom 15. Dezember 2016 übermittelt, nach der F. K. für die Veranlagungszeiträume 2012/2013 keine Mieteinkünfte erklärt habe. Hierzu hat der Kläger wiederum vorgetragen, dass die Mieteinnahmen seit 2009 in der entsprechenden Anlage zur Steuererklärung immer angegeben worden seien, in den Steuerbescheiden aber mangels positiver Bilanz zwischen Einnahmen und Ausgaben keine Ausweisung von Mieteinnahmen erfolgt sei.

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In der mündlichen Verhandlung hat der Senat nochmals die Zeugin I. K. als Zeugin vernommen und den Kläger informatorisch angehört. Hierzu wird auf die Niederschrift vom 9. März 2017 (Blatt 266 bis 268 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

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Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen

Entscheidungsgründe

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Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen für die Bewilligungszeiträume April bis September 2012 sowie November 2012 bis April 2013 sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 2 SGG. Er hat keinen Anspruch auf die Berücksichtigung von KdU im Rahmen der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II.

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Der Kläger hat mit seiner Antragstellung den Streitgegenstand zulässigerweise auf die KdU beschränkt. Auch nach der seit 1. Januar 2011 geltenden Rechtslage handelt es sich bei einem Begehren auf höhere Leistungen für KdU um einen abtrennbaren Streitgegenstand, auf den der Verfahrensgegenstand zulässigerweise begrenzt werden kann (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 2016 – 4 AS 12/15 R, juris).

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1. Der Kläger ist dem Grunde nach leistungsberechtigt nach §§ 7 ff. SGB II. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen KdU. Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten, sind nach § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

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Der Kläger hatte im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze noch nicht erreicht und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er war auch erwerbsfähig und verfügte – abgesehen von September 2012 – nicht über zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne von § 11 SGB II und einzusetzendes Vermögen im Sinne von § 12 SGB II.

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2. Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

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a) Der Kläger macht tatsächliche Aufwendungen aus der mit seinem Vater als Vermieter abgeschlossenen "Nutzungsvereinbarung" geltend, nach welcher er verpflichtet sei, für die Nutzung einer Gesamtfläche von ca. 40 m² (ein kombinierter Wohn- und Schlafraum, eine – ohne Durchbruch – daneben befindliche Küche sowie ein über den Hof erreichbares Bad) eine Gesamtmiete in Höhe von 325,57 EUR monatlich zu zahlen. Im Ergebnis der hierzu vom Senat geführten Ermittlungen (einschließlich der Vernehmung von Zeugen) ist jedoch ein sich aus dem Mietvertrag ergebender Anspruch des Klägers auf die Gewährung von KdU nicht gegeben, ohne dass es noch auf den – zunächst vom Beklagten geltend gemachten – Gesichtspunkt ankäme, ob der Kläger die Räumlichkeiten überhaupt als Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II genutzt hat.

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aa) Dies folgt jedoch noch nicht aus dem Umstand, dass das Jobcenter H. (Saale) keine Zustimmung "zum Umzug" (bzw. zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft) erteilt hatte. Denn die diesbezügliche Regelung gemäß § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II ist nach erfolgtem Umzug keine Voraussetzung für die Erbringung von Leistungen in Höhe der angemessenen Unterkunftskosten, auch dann nicht, wenn die Zustimmung bestandskräftig abgelehnt worden war. Das Zusicherungsverfahren hat allein eine Aufklärungs- und Warnfunktion (Berlit in: LPK-SGB II, 4. Auflage, § 22 Rn. 117, 119 m. w. N.). Die grundsätzliche Verpflichtung des nunmehr zuständigen Leistungsträgers zur Übernahme von tatsächlich entstandenen (angemessenen) Unterkunftskosten wird mithin durch eine fehlende Zusicherung im Sinne von § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II nicht berührt.

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bb) Bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass der Grundsicherungsträger nur solche Kosten zu übernehmen hat, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf entsteht. Dies sind in erster Linie Kosten, die durch einen Mietvertrag begründet sind, wie sie der Kläger vorliegend geltend macht. Bei der als "Nutzungsvereinbarung" bezeichneten Abrede handelt es sich jedenfalls – unabhängig von der Bezeichnung durch juristische Laien – um einen Mietvertrag im Sinne der §§ 535, 549 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Es reicht aus, dass der Leistungsempfänger im jeweiligen Bewilligungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (vgl. BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 – B 14 AS 31/07 R, juris). Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung vorliegt, ist primär der Mietvertrag, mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden ist. Entscheidend ist der entsprechende rechtliche Bindungswille der beteiligten Vertragsparteien. So ist ein Mietverhältnis auch dann anzunehmen, wenn nur eine geringfügige "Gefälligkeitsmiete" vereinbart ist oder wenn der Mieter etwa lediglich die Betriebskosten oder sonstige Lasten zu tragen hat. Die Umstände des behaupteten Mietverhältnisses sind im Einzelnen zu ermitteln und zu würdigen. Bei dieser Gesamtwürdigung und bei der Auslegung der Vereinbarungen muss jedoch die tatsächliche Übung der Parteien, mithin der tatsächliche Vollzug des Vertragsinhalts, berücksichtigt werden. Im Übrigen sind die Kriterien, die der Bundesfinanzhof im Hinblick auf den so genannten Fremdvergleich entwickelt hat, nach der Rechtsprechung des BSG im Grundsicherungsrecht nicht anwendbar (BSG, a. a. O.).

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Der Senat geht von einem Rechtsbindungswillen aus, wenn die vertragsbegründenden Erklärungen beider Vertragsparteien aus Sicht eines verständigen Adressaten den Willen des Erklärenden erkennen lassen, mit der Erklärung jeweils eine rechtliche Bindung zu bewirken. Dies führt dazu, dass die Erklärung nicht mehr einseitig widerrufen oder geändert werden kann. Beiden Willenserklärungen muss also ein Geltungswille ("sic volo sic iubeo" = "So will ich, so befehle ich") entnommen werden können. Sie sind insoweit abzugrenzen von der bloßen Erklärung der Vertragsbereitschaft, die als solche unverbindlich ist. Hierbei ist für den Fall des Mietvertrags unter nahen Angehörigen im Grundsicherungsrecht zu berücksichtigen, dass einem Missbrauch auch dann vorgebeugt werden muss, wenn die Vertragsparteien Mietpreise unterhalb der Angemessenheitsgrenze vereinbaren oder diese ausschöpfen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. Juni 2012 – L 5 AS 67/09, juris).

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cc) Nach diesen Grundsätzen hat sich zur Überzeugung des Senats eine rechtliche Verpflichtung des Klägers zur Zahlung des Mietzinses aus der mit seinem Vater geschlossenen "Vereinbarung" nicht ergeben.

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Dagegen, dass der Kläger einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt gewesen ist, spricht bereits der Umstand, dass sein Vater trotz erheblicher (deutlich vierstelliger) Mietrückstände an die Nichteinhaltung der vertraglichen Pflichten des Mieters keine "spürbaren" juristischen Konsequenzen geknüpft hat. Der Vater hat zwar unter Hinweis auf die Mietschulden formal eine Kündigung des behaupteten Vertrages erklärt. Diese bloße Erklärung blieb aber ohne jede rechtlich relevante Konsequenz, da weder zur Durchsetzung der Mietforderungen noch zur Geltendmachung einer Räumung konkrete (prozessuale) Schritte eingeleitet worden sind. Es ist also in keiner Weise erkennbar, dass der Vater die Geltendmachung der ihm aus dem "Vertrag" zustehenden Ansprüche auch ernsthaft hätte durchsetzen wollen. Denn hierzu hätte er – über die bloße schriftliche Aufforderung hinaus – ein justizförmiges Verfahren einleiten müssen, etwa durch Beantragung eines Mahnbescheides als verhältnismäßig kostengünstiger Möglichkeit zur Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen.

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Schon allein der Umstand, dass der "Vermieter" dies nicht getan hat, widerlegt das Vorliegen eines ernsthaften Mietvertrages und eines diesbezüglichen Rechtsbindungswillens. Denn ein Mietvertrag wird auf Vermieterseite primär gerade deshalb eingegangen, um hieraus Mieteinnahmen zu erzielen. Wenn dann aber trotz bestehender Mietschulden in Höhe von mehr als 2.600,00 EUR schon im August 2012 keine Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Forderungen ergriffen werden, widerspricht dies offenkundig dem grundlegenden zivilrechtlich-wirtschaftlichen Charakter eines Mietvertrages. Jeder "ernsthaft vermietende" Vermieter würde jedenfalls die erforderlichen rechtlichen Schritte zur Durchsetzung seiner Ansprüche einleiten.

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Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – inzwischen sämtliche Mietzinsansprüche aus den streitgegenständlichen Bewilligungszeiträumen gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB (zum 31. Dezember 2015 bzw. 31. Dezember 2016) verjährt sind, so dass der Vater sich – durch den Verzicht auf formelle juristische Schritte – selbst der Möglichkeit begeben hat, seine (behaupteten) Forderungen überhaupt noch durchsetzen zu können. Dem steht zur Überzeugung des Senats nicht der vom Kläger vorgetragene Verjährungsverzicht entgegen. Unabhängig davon, ob den in Bezug genommenen Erklärungen bezüglich der "Zurückstellung" einer Kündigung bis zum Ende des (landes-)sozialgerichtlichen Verfahrens für sich gesehen überhaupt eine Willenserklärung des Klägers bezüglich eines Verjährungsverzichts entnommen werden könnte, ist das Vorliegen eines solchen Verzichts jedenfalls durch die eigenen Äußerungen des Klägers im Termin vom 15. Januar 2016 widerlegt worden. Dort hat er nämlich angegeben, er wisse nicht, ob ein Verjährungsverzicht vereinbart worden sei. Ein solcher hätte aber von ihm selbst erklärt werden müssen. Schon deshalb folgt aus seiner Unkenntnis hierüber, dass er eine entsprechende Willenserklärung nicht abgegeben hat. Die von Klägerseite schon im Verfahren vor dem SG dargelegten "Vereinbarungen" hat er also selbst nicht etwa im Sinne eines Verjährungsverzichts verstanden wissen wollen. Andernfalls hätte er auf die hierzu ergangene konkrete Nachfrage des Senats auf eben diese Einrede hingewiesen und keine fehlende Kenntnis geltend gemacht. An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts durch den Umstand, dass der Kläger ein juristischer Laie ist. Denn die grundsätzliche Bedeutung der Verjährung von Ansprüchen sowie eines Verzichts auf die Geltendmachung dieses Umstandes war für ihn auf Grundlage einer sog. "Parallelwertung in der Laiensphäre" ohne weiteres erkennbar, ohne dass es dazu detaillierter Rechtskenntnisse zum Ersten (Allgemeiner Teil) oder Zweiten Buch (Recht der Schuldverhältnisse) des BGB bedurft hätte.

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Aus der vom Kläger angegebenen Unkenntnis über einen Verjährungsverzicht resultiert zur Überzeugung des Senats darüber hinaus noch ein weiterer gegen einen ernstlichen Mietvertrag sprechender Gesichtspunkt: Wenn nämlich der Kläger angibt, er wisse nicht, ob ein Verjährungsverzicht vereinbart worden sei, geht er offenkundig davon aus, dass eine solche Vereinbarung seitens des Vaters als "Vermieter" nicht mit ihm, sondern mit dem Beklagten zu treffen gewesen wäre. Dies lässt wiederum erkennen, dass der Kläger letztlich nicht sich selbst, sondern den Beklagten als den aus dem Mietvertrag Verpflichteten ansieht. Daraus folgt wiederum, dass es den "Parteien" des Mietvertrages – im Sinne eines "Vertrages zu Lasten Dritter" – im Ergebnis darauf ankam, nicht eine Verpflichtung des Klägers, sondern des Beklagten zu begründen.

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Diese Einschätzung wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass der Vater – nach dem eigenen Vorbringen des Klägers – mit der Durchsetzung seiner Mietvertragsansprüche bis zur Beendigung des vorliegenden Verfahrens gegen den Beklagten habe zuwarten wollen. Im Rahmen eines "normalen Mietvertrages", dem ein wirklicher Rechtsbindungswille und die ernsthafte Begründung von gegenseitigen Rechten und Pflichten zu Grunde liegen, wäre es letztlich nicht Sache des Vermieters, wie der Mieter seine internen finanziellen Auseinandersetzungen mit Dritten betreibt. Sein Anspruchsgegner wäre allein der Mieter. Auf welche Weise dieser seine finanzielle Leistungsfähigkeit zwecks Erfüllung der übernommenen Pflichten sicherstellt, ist keine Angelegenheit des Vermieters. Er hat sich grundsätzlich allein an den Mieter als seinen Vertragspartner zu halten. Die gleichwohl hergestellte Verknüpfung mit dem grundsicherungsrechtlichen Verfahren gegen den Beklagten beinhaltet mithin einen weiteren wesentlichen Anhaltspunkt dafür, dass es letztlich allein um das "Verhältnis" sowohl des Klägers als auch seines Vaters gegenüber dem Beklagten und dessen finanzielle Verpflichtung gegangen ist.

51

Gegen die Glaubhaftigkeit der vorgetragenen Mietvertragskonstruktion sprechen darüber hinaus erhebliche Widersprüche im Vorbringen des Klägers. So hat der Kläger einerseits vorgetragen, in den (vor den streitgegenständlichen Bewilligungszeiträumen liegenden) Monaten Dezember 2011 bis Februar 2012 habe er auf den "Nutzungsvertrag" Mietzahlungen in Höhe von je 325,57 EUR in Form von Überweisungen (wenn auch unter Angabe eines falschen Verwendungszwecks) geleistet, während er andererseits handschriftliche Kopien von Quittungen über Barzahlungen in der maßgeblichen Höhe vorgelegt hat. Das Vorbringen des Klägers im Verlauf der gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Beklagten zur tatsächlichen Umsetzung des Mietvertrages ist also mindestens zum Teil offenkundig unrichtig, da allenfalls eine der beiden vorgetragenen Sachverhaltsvarianten zutreffend sein kann. Aus solchen evidenten Unstimmigkeiten im eigenen Vortrag folgt in einer Gesamtbetrachtung zur Überzeugung des Senats insgesamt die Unglaubhaftigkeit der Ausführungen zum behaupteten Mietvertrag.

52

dd) Aber nicht nur die Angaben des Klägers, sondern auch diejenigen seines Vaters, des Zeugen F. K. (als der anderen "Mietvertragspartei") stehen der Überzeugung des Senats, es sei ein ernsthaft gewollter Mietvertrag abgeschlossen worden, entgegen.

53

(1) In diesem Zusammenhang kann auch die Aussage des Vaters im Erörterungstermin des Berichterstatters vom 23. November 2016 verwertet werden. Insoweit kommt es im Ergebnis nicht mehr darauf an, ob er wegen der medizinisch bescheinigten Verhandlungsunfähigkeit auf unabsehbare Zeit möglicherweise sogar in der Weise "unerreichbar" wäre, dass etwa die Voraussetzungen eines Urkundenbeweises durch Verlesung von Protokollen richterlicher Vernehmungen entsprechend der strafprozessualen Vorschriften des § 251 Abs. 2 Nr. 1 Strafprozessordnung (StPO; also z. B. Krankheit dem Erscheinen des Zeugen für eine längere oder ungewisse Zeit entgegensteht) oder sonstiger Niederschriften bzw. Urkunden im Sinne von § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO (der Zeuge kann in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden) gegeben wären. Denn das sozialgerichtliche Verfahrensrecht verlangt nicht, ausnahmslos alle unmittelbaren Beweismittel auszuschöpfen. Eine Regelung wie in § 251 StPO, die es den Strafgerichten nur in enumerativ aufgezählten Ausnahmefällen erlaubt, etwa die Verlesung von Niederschriften als Beweismittel zuzulassen und auf die persönliche Einvernahme zu verzichten, existiert im Sozialprozessrecht nicht. Überdies gibt es nach herrschender Meinung nicht einmal im Strafprozessrecht einen so weit reichenden Grundsatz, dass allgemein bei der Beweisaufnahme das sachnächste Beweismittel genutzt werden müsste (Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 18. Mai 2015 – L 15 VG 17/09 ZVW, juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Dezember 2016 – L 7 VE 19/13). Entsprechend den Vorschriften des sozialgerichtlichen Verfahrens ist die Verwertung der Niederschrift über eine Zeugenaussage in einem anderen gerichtlichen Verfahren oder in einem Verwaltungsverfahren im Wege des Urkundenbeweises möglich. Dies muss dann erst recht gelten für die Niederschrift eines Erörterungstermins in dem vor dem Senat anhängigen Verfahren selbst. Grundsätzlich hat die Verwertung einer Urkunde in der Regel zwar einen geringeren Beweiswert als eine unmittelbare Zeugenaussage, weil das Gericht (bzw. der gesamte Senat) keinen unmittelbaren Eindruck vom Zeugen erhält. Ob das Gericht aber einen Zeugen erneut vernimmt, liegt in seinem Ermessen. Die über § 202 SGG anwendbaren Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) enthalten keine Regelung, welche die Verwertung von Zeugenaussagen aus anderen Verfahren (bzw. aus anderen Terminen) anstelle der unmittelbaren Zeugenvernehmung verbieten würde. Vielmehr gilt auch hier, dass Beweisergebnisse aus anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises eingeführt werden dürfen (Bayerisches LSG, a. a. O., LSG Sachsen-Anhalt, a. a. O., vgl. auch Greger in: Zöller, ZPO, 30. Auflage, § 355 Rn. 4). Da es hier maßgeblich auf den objektiven inhaltlichen Kontext der Aussage des Zeugen ankommt (also nicht auf die subjektiven Begleitumstände seiner Vernehmung im Erörterungstermin), kann der Senat nach alledem auf die damaligen Angaben des Zeugen zurückgreifen.

54

(2) Dabei ist auffällig, dass der Vater auf Nachfragen zu elementaren Umständen des Zustandekommens des Nutzungsverhältnisses mehrfach Erinnerungslücken geltend gemacht hat. So wisse er selbst nicht mehr, nach welchen Kriterien die Miete berechnet worden sei, in welcher Weise über die Finanzierung der Miete durch den Kläger gesprochen worden sei oder auf welche Rückstände gelegentliche Zahlungen von ihm konkret angerechnet worden seien. Eine solche Unwissenheit des "Vermieters" zu grundlegenden Umständen der Begründung eines von ihm eingegangenen Vertragsverhältnisses, aus denen er regelmäßige monatliche Einnahmen von mehr als 300,00 EUR erzielt, erscheint nach Auffassung des Senats als unglaubhaft. Gerade unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation des Vaters, der trotz seines verhältnismäßig jungen Alters (54 Jahre im Zeitpunkt des Erörterungstermins) bereits Rentner ist, müsste ein Mietverhältnis mit entsprechenden Einnahmen für ihn eine so große wirtschaftliche Bedeutung haben, dass die ausgeprägte Unkenntnis über dessen wesentliche "Eckpfeiler", wie sie sich aus seiner Aussage ergeben hat, lebensfremd erscheint.

55

ee) Des Weiteren hält der Senat die Aussage des Klägers zur konkreten praktischen Umsetzung eines behaupteten "Nutzungsvertrages" auch deshalb für unglaubhaft, weil seine Angabe, er gebe die Mieteinnahmen in der Steuererklärung gegenüber dem Finanzamt an, vom zuständigen Finanzamt B. zurückgewiesen worden sind. Das Finanzamt hat mit Schreiben vom 15. Dezember 2015 ausdrücklich mitgeteilt, dass "F. K. für die Veranlagungszeiträume 2012/2013 keine Mieteinkünfte erklärt hat." Der Einwand des Klägers, es sei lediglich keine Ausweisung im späteren Steuerbescheid erfolgt, weil im Ergebnis keine zu versteuernden (die Ausgaben übersteigenden) Einnahmen erzielt worden seien, geht "ins Leere". Denn das Finanzamt hat eben nicht lediglich auf eine fehlende steuerliche Relevanz etwaig erklärter Einnahmen verwiesen, sondern vielmehr schon die bloße Erklärung von Mieteinkünften durch den Zeugen selbst (also seine entsprechende Angabe in seiner Steuererklärung) ausdrücklich verneint. In diesem Zusammenhang spricht einerseits die – rechtlich zwingend gebotene – fehlende Erklärung solcher Einnahmen gegen ihre tatsächliche Erzielung. Zum anderen steht auch dieser Widerspruch zur konkreten Mitteilung des Finanzamts insgesamt der Glaubhaftigkeit der Ausführungen des Zeugen entgegen.

56

Es sei deshalb nur ergänzend noch darauf hingewiesen, dass sich auch Widersprüche der Aussagen des Zeugen F. K. im Verhältnis zu den Angaben der Zeugin I. K. (Mutter des Klägers und von F. K. getrennt lebende Ehefrau) in der mündlichen Verhandlung ergeben haben. So wird zur heutigen Wohnsituation (der Kläger ist in die Mietwohnung der Mutter umgezogen) vom Vater angegeben, er leiste seine sich hieraus ergebenden Zahlungen "an die Mutti", während diese die Zahlungen dann an ihn weiterleite. I. K. hat indes ausgesagt, der Kläger zahle "die Miete und die Nebenkosten genauso an meinen Ehemann wie ich". Zwar bezieht sich dies nicht mehr auf die verfahrensgegenständlichen Bewilligungszeiträume. Es wird aber auch hieraus ersichtlich, dass das Vorbringen und die Erklärungen des Klägers und seiner Eltern zu den Wohnungs- und Finanzierungsangelegenheiten insgesamt von erheblichen Widersprüchlichkeiten und Unstimmigkeiten geprägt sind.

57

ff) Schließlich ist offenkundig auch der Kläger selbst nicht davon ausgegangen, ernsthaften Mietforderungen seines Vaters – mit den sich hieraus ergebenden erheblichen nachteiligen Konsequenzen – ausgesetzt gewesen zu sein. Denn andernfalls ist nicht erklärlich, dass er nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung innerhalb der hier maßgebenden Bewilligungszeiträume erhebliche Kosten für eine Reise zum Hochseeangeln nach Norwegen ausgegeben hat, anstatt das ihm hierfür zur Verfügung stehende Geld für die Tilgung seiner damals bereits erheblichen Mietschulden zu verwenden. Ebenso hätte er ein elementares Interesse an der Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit bei der Firma R. haben müssen, um finanzielle Mittel zur Begleichung der Mietrückstände erwirtschaften zu können. Wenn er gleichwohl eine Reise zum Hochseeangeln nach Norwegen der Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit vorzieht und es für dringlicher hält, erhebliche finanzielle Mittel für diese Reise statt für die Tilgung seiner Mietverbindlichkeiten auszugeben, steht auch dies in einem grundlegenden Widerspruch zu seinem Vorbringen bezüglich des Mietvertrages und insbesondere der vom Vater bereits erklärten bzw. angedrohten Kündigung, also der Gefahr des Wohnungsverlustes.

58

gg) Selbst wenn – entgegen der Überzeugung des Senats – von dem Abschluss eines Mietvertrages mit einem wirklichen Rechtsbindungswillen auszugehen wäre, stünde einer Berücksichtigung der KdU entgegen, dass der Kläger keinen durch den Vermieter rechtlich durchsetzbaren Forderungen aus dem Vertrag mehr ausgesetzt wäre. Denn gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB wären die 2012 entstandenen Mietforderungen bereits am 31. Dezember 2015 und die aus dem Jahr 2013 am 31. Dezember 2016 verjährt. Hat aber ein SGB II-Leistungsempfänger Anspruch auf KdU, so ist es ihm zumutbar, sich wie eine wirtschaftlich vernünftig handelnde Person zu verhalten, die ihre KdU selbst tragen muss. Es ist ihm daher zumutbar, gegen verjährte Mietzinsansprüche die Einrede der Verjährung zu erheben (so auch Hessisches LSG, Urteil vom 6. April 2016 – L 6 AS 464/13). Damit entfiele dann die Grundlage einer gegen den Kläger gerichteten – durchsetzbaren – Forderung, so dass von einer von ihm zu erbringenden tatsächlichen Aufwendung nicht (mehr) ausgegangen werden könnte. Dazu, dass zur Überzeugung des Senats ein wirksamer Verjährungsverzicht nicht vereinbart worden ist, wird auf die obigen Ausführungen unter Doppelbuchst. cc) Bezug genommen.

59

b) Obwohl kein wirksamer Mietvertrag vorliegt, nach welchem die dort vereinbarten Mietzahlungen als tatsächliche Aufwendungen des Klägers anzusehen wären, besteht die grundsätzliche Möglichkeit, dass der Kläger intern, d. h. gegenüber dem Vater, verpflichtet war, zumindest die auf ihn entfallenden laufenden Betriebs- und Verbrauchskosten zu tragen und daher KdU in (anteiliger) Höhe der tatsächlich angefallenen Betriebs- und sonstigen Nebenkosten zu gewähren wären. Dies setzt voraus, dass dem Kläger insoweit Kosten auch tatsächlich entstanden sind.

60

Denn grundsätzlich sind KdU unabhängig vom Alter der Bewohner und der jeweiligen Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Leistungsempfänger eine Unterkunft (hier: ein Grundstück mit mehreren Gebäuden) gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht. Hintergrund für dieses sog. "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf dem Grunde nach abdeckt und in aller Regel einer an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses des Wohnens nicht zulasse (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2012 – die 14 AS 36/12 R). Etwas anderes kann sich aber etwa dann ergeben, wenn der Nutzung der Unterkunft durch mehrere Personen vertragliche Regelungen zu Grunde liegen, auf deren Grundlage eine andere Aufteilung bei objektiver Betrachtung angezeigt ist (BSG, a. a. O.).

61

Nachdem sich der Senat nicht vom Bestehen einer Zahlungsverpflichtung aus Miet- bzw. Nutzungsvertrag überzeugen konnte, war demnach zu überprüfen, ob daneben bzw. "darunter" eine Vereinbarung zwischen dem Kläger als Nutzer der Räume und dem Vater als Eigentümer des Anwesens bestand, aufgrund der er verpflichtet war, eigene Beiträge zur Finanzierung der Unterkunftskosten zu übernehmen. Insoweit hätte eine Forderung des Vaters nahe gelegen, der Kläger müsse zumindest die von ihm verursachten (zusätzlichen) Kosten (für Wasser, Abwasser, [Heiz-] Strom, ggf. Abfallentsorgung) tragen. Eine solche Abrede oder Forderung des Vaters ließ sich jedoch ebenfalls nicht zur Überzeugung des Senats feststellen.

62

Die Beteiligten (also Kläger und sein Vater) hatten sich offensichtlich so auf eine Finanzierung des "Nutzungsentgelts" durch den Beklagten fokussiert, dass sie keine Absprachen für den Fall des Scheiterns der gewählten Vertragskonstruktion getroffen haben. Eine wie auch immer ausgestaltete Zahlungspflicht des Klägers für die von ihm durch das Wohnen im Anwesen verursachten Kosten ließ sich nicht feststellen. Nicht einmal der Umstand, dass der Kläger als einziger der Bewohner des Anwesens mit Strom heizte (im Übrigen erfolgte die Beheizung des Anwesens über eine Ölzentralheizung) und insofern unterscheidbare "Sonderkosten verursachte, führte zu einer Absprache hinsichtlich der Kostentragung. So sind vom Vater gegenüber dem Kläger für den streitigen Zeitraum – außerhalb der aus den oben dargelegten Gründen gescheiterten Konstruktion eines "Nutzungsvertrages" – keine konkreten Zahlungsforderungen erhoben worden.

63

Der Umstand, dass der Kläger im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine kostenintensive Reise nach Skandinavien plante, bezahlte und durchführte, spricht dagegen, dass der Kläger sich einem ernsthaften Zahlungsverlangen ausgesetzt sah.

64

Darauf, ob der Kläger der Geltendmachung der anteiligen Nebenkosten durch seinen Vater ebenfalls die Einrede der Verjährung entgegenhalten könnte, kommt es nach alldem nicht mehr an.

65

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

66

Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegt nicht vor.


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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen


(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem1.der Anspruch entstanden ist und2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des S

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(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die1.das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,2.erwerbsfähig sind,3.hilfebedürftig sind und4.ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschla

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Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung


(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Le

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Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen


(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dies

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 9 Hilfebedürftigkeit


(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer So

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Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 535 Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags


(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und s

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 12 Zu berücksichtigendes Vermögen


(1) Alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind vorbehaltlich des Satzes 2 als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind1.angemessener Hausrat; für die Beurteilung der Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs von Bür

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(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Bürgergeld. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Bürgergeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 8 Erwerbsfähigkeit


(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (2) Im Sinne von Absatz 1 kön

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 7a Altersgrenze


Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Ablauf des Monats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben: für de

Strafprozeßordnung - StPO | § 251 Urkundenbeweis durch Verlesung von Protokollen


(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden, 1. wenn der Angeklagte einen Vert

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 157


Das Landessozialgericht prüft den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Es hat auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 31a Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen


(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 10 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei einer weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 20 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebe

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 549 Auf Wohnraummietverhältnisse anwendbare Vorschriften


(1) Für Mietverhältnisse über Wohnraum gelten die §§ 535 bis 548, soweit sich nicht aus den §§ 549 bis 577a etwas anderes ergibt. (2) Die Vorschriften über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d bis 556g

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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 09. März 2017 - L 4 AS 818/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Mai 2015 - L 15 VG 17/09 ZVW

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bei uns veröffentlicht am 21.06.2012

Tenor Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. November 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand

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(1) Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 10 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei einer weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 20 Prozent des nach § 20 jeweils maßgebenden Regelbedarfs. Bei jeder weiteren Pflichtverletzung nach § 31 mindert sich das Bürgergeld um 30 Prozent des nach § 20 jeweils maßgeblichen Regelbedarfs. Eine weitere Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Minderungen nach den Sätzen 1 bis 3 sind aufzuheben, sobald erwerbsfähige Leistungsberechtigte diese Pflichten erfüllen oder sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig dazu bereit erklären, diesen künftig nachzukommen. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 gelten bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 3 in Fällen einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis nach § 159 Absatz 1 Satz 2 Nummer 8 des Dritten Buches die Rechtsfolgen des § 32.

(2) Vor der Feststellung der Minderung nach Absatz 1 soll auf Verlangen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Anhörung nach § 24 des Zehnten Buches persönlich erfolgen. Verletzen die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wiederholt ihre Pflichten oder versäumen wiederholt Meldetermine nach § 32, soll die Anhörung persönlich erfolgen.

(3) Eine Leistungsminderung erfolgt nicht, wenn sie im Einzelfall eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.

(4) Leistungsminderungen bei wiederholten Pflichtverletzungen oder wiederholten Meldeversäumnissen nach § 32 sind auf insgesamt 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzt. Die sich rechnerisch ergebenden Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen durch eine Leistungsminderung nicht verringert werden.

(5) Für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte gelten die Absätze 1 bis 4 bei Pflichtverletzungen nach § 31 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechend.

(6) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sollen innerhalb von vier Wochen nach Feststellung einer Leistungsminderung ein Beratungsangebot erhalten, in dem die Inhalte des Kooperationsplans überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben werden.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Das Landessozialgericht prüft den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Es hat auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Ablauf des Monats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:

für den
Geburtsjahrgang
erfolgt eine
Anhebung
um Monate
auf den Ablauf des Monats,
in dem ein Lebensalter
vollendet wird von
1947165 Jahren und 1 Monat
1948265 Jahren und 2 Monaten
1949365 Jahren und 3 Monaten
1950465 Jahren und 4 Monaten
1951565 Jahren und 5 Monaten
1952665 Jahren und 6 Monaten
1953765 Jahren und 7 Monaten
1954865 Jahren und 8 Monaten
1955965 Jahren und 9 Monaten
19561065 Jahren und 10 Monaten
19571165 Jahren und 11 Monaten
19581266 Jahren
19591466 Jahren und 2 Monaten
19601666 Jahren und 4 Monaten
19611866 Jahren und 6 Monaten
19622066 Jahren und 8 Monaten
19632266 Jahren und 10 Monaten
ab 19642467 Jahren.

(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Im Sinne von Absatz 1 können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen, ist ausreichend.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind vorbehaltlich des Satzes 2 als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind

1.
angemessener Hausrat; für die Beurteilung der Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs von Bürgergeld maßgebend,
2.
ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person; die Angemessenheit wird vermutet, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt,
3.
für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge; zudem andere Formen der Altersvorsorge, wenn sie nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördert werden,
4.
weitere Vermögensgegenstände, die unabhängig von der Anlageform als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnet werden; hierbei ist für jedes angefangene Jahr einer hauptberuflich selbständigen Tätigkeit, in dem keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung, an eine öffentlich-rechtliche Versicherungseinrichtung oder an eine Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe entrichtet wurden, höchstens der Betrag nicht zu berücksichtigen, der sich ergibt, wenn der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltende Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung nach § 158 des Sechsten Buches mit dem zuletzt festgestellten endgültigen Durchschnittsentgelt gemäß Anlage 1 des Sechsten Buches multipliziert und anschließend auf den nächsten durch 500 teilbaren Betrag aufgerundet wird,
5.
ein selbst genutztes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern; bewohnen mehr als vier Personen das Hausgrundstück beziehungsweise die Eigentumswohnung, erhöht sich die maßgebende Wohnfläche um jeweils 20 Quadratmeter für jede weitere Person; höhere Wohnflächen sind anzuerkennen, sofern die Berücksichtigung als Vermögen eine besondere Härte bedeuten würde,
6.
Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung von angemessener Größe bestimmt ist, und das Hausgrundstück oder die Eigentumswohnung Menschen mit Behinderungen oder pflegebedürftigen Menschen zu Wohnzwecken dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde sowie
7.
Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung für die betroffene Person eine besondere Härte bedeuten würde.

(2) Von dem zu berücksichtigenden Vermögen ist für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag in Höhe von 15 000 Euro abzusetzen. Übersteigt das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den Betrag nach Satz 1, sind nicht ausgeschöpfte Freibeträge der anderen Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen.

(3) Für die Berücksichtigung von Vermögen gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit wird Vermögen nur berücksichtigt, wenn es erheblich ist. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind.

(4) Vermögen ist im Sinne von Absatz 3 Satz 2 erheblich, wenn es in der Summe 40 000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 15 000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person übersteigt; Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Bei der Berechnung des erheblichen Vermögens ist ein selbst genutztes Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung abweichend von Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 nicht zu berücksichtigen. Es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Liegt erhebliches Vermögen vor, sind während der Karenzzeit Beträge nach Satz 1 an Stelle der Freibeträge nach Absatz 2 abzusetzen. Der Erklärung ist eine Selbstauskunft beizufügen; Nachweise zum vorhandenen Vermögen sind nur auf Aufforderung des Jobcenters vorzulegen.

(5) Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs.

(6) Ist Bürgergeld unter Berücksichtigung des Einkommens nur für einen Monat zu erbringen, gilt keine Karenzzeit. Es wird vermutet, dass kein zu berücksichtigendes Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Absatz 4 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen.

(2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.

(1) Für Mietverhältnisse über Wohnraum gelten die §§ 535 bis 548, soweit sich nicht aus den §§ 549 bis 577a etwas anderes ergibt.

(2) Die Vorschriften über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d bis 556g), über die Mieterhöhung (§§ 557 bis 561) und über den Mieterschutz bei Beendigung des Mietverhältnisses sowie bei der Begründung von Wohnungseigentum (§ 568 Abs. 2, §§ 573, 573a, 573d Abs. 1, §§ 574 bis 575, 575a Abs. 1 und §§ 577, 577a) gelten nicht für Mietverhältnisse über

1.
Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist,
2.
Wohnraum, der Teil der vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung ist und den der Vermieter überwiegend mit Einrichtungsgegenständen auszustatten hat, sofern der Wohnraum dem Mieter nicht zum dauernden Gebrauch mit seiner Familie oder mit Personen überlassen ist, mit denen er einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt führt,
3.
Wohnraum, den eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein anerkannter privater Träger der Wohlfahrtspflege angemietet hat, um ihn Personen mit dringendem Wohnungsbedarf zu überlassen, wenn sie den Mieter bei Vertragsschluss auf die Zweckbestimmung des Wohnraums und die Ausnahme von den genannten Vorschriften hingewiesen hat.

(3) Für Wohnraum in einem Studenten- oder Jugendwohnheim gelten die §§ 556d bis 561 sowie die §§ 573, 573a, 573d Abs. 1 und §§ 575, 575a Abs. 1, §§ 577, 577a nicht.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. November 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte für die Zeit vom 19. Juli 2007 bis zum 31. Januar 2008 die vom Kläger geltend gemachten Kosten der Unterkunft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) übernehmen muss.

2

Der am ... 1963 geborene Kläger bewohnte im streitigen Zeitraum eine Wohnung, die im Eigentum seiner Mutter, Frau G. G., stand.

3

Er beantragte am 19. Juli 2007 bei dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Im Leistungsantrag hatte er zunächst keine Angaben zum Vermieter seiner Wohnung gemacht. In Grünschrift trug ein Mitarbeiter des Beklagten den Namen und die Anschrift der Mutter sowie 343,20 EUR monatlich als Kaltmiete ein. Unterhalb des Leistungsantrags befindet sich ebenfalls in Grünschrift ein Vermerk: "Kein Mietvertrag, Mutter hat auf dem Grundstück mehrere Wohnungen, eine bewohnt Herr G ...

4

Der Kläger reichte im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens eine Mietbescheinigung seiner Mutter vom 24. Juli 2007 ein. Hierin bestätigt diese, dass ihr Sohn die Miete in Höhe von 343,20 EUR monatlich seit dem Mietbeginn am 1. Januar bis Mai 2007 bezahlt habe. Mietschulden bestünden aus den Monaten Juni und Juli 2007 in Höhe von 686,40 EUR. Neben der Miete sei für die Nebenkosten ein Betrag von 80,00 EUR zu entrichten. Die Wohnfläche betrage 66 qm. Mit Schreiben vom 1. August 2007 forderte der Beklagte vom Kläger unter anderem Nachweise über die Zahlung der Miete für die letzten sechs Monate sowie für den Fall, dass die Mietzahlung nicht nachgewiesen werden könne, Nebenkostennachweise für den Wohnraum einzureichen. Unter dem 16. August 2007 übersandte der Kläger Kontoauszüge, Kopien von zwei Quittungen sowie einen Mietvertrag. Bei den Kontoauszügen handelt es sich um Auszüge seines Girokontos bei der O.-Sparkasse für den Zeitraum vom 14. Mai bis zum 4. Juli 2007. Der Kläger reichte diese Auszüge ungeordnet ein und kopierte sie so, dass nicht alle Angaben ersichtlich waren. Desweiteren übersandte er zwei Quittungen vom 2. Februar 2007 und vom 3. März 2007, in denen seine Mutter den Erhalt von 846,40 EUR für zwei Monatsmieten sowie 423,20 EUR für die Miete März 2007 bestätigt. Der Kläger führte hierzu aus, er habe leider keine weitere Miete bezahlen können. Seinem Schreiben war auch die Kopie eines Mietvertrags beigefügt, der als Vertragsparteien ihn und seine Mutter ausweist und der von seiner Mutter am 1. Januar 2007 unterzeichnet worden ist. In diesem Vertrag war die Zahlung des Mietzinses auf ein Girokonto der Mutter vorgesehen.

5

Mit Bescheid vom 30. August 2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 19. Juli 2007 bis zum 31. Juli 2007 monatliche Leistungen in Höhe von 150,37 EUR und für die Zeit vom 1. August 2007 bis zum 31. Januar 2008 in Höhe von 347,00 EUR. Die vom Kläger geltend gemachten Wohnkosten wurden nicht berücksichtigt. Die Mietzahlungen an seine Mutter seien nicht plausibel. Er möge Nachweise über Nebenkosten und Heizkosten vorlegen. Bis zu deren Vorlage werde ihm nur die Regelleistung gewährt.

6

Am 1. Oktober 2007 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid ein. Bezüglich der Zahlung der Miete an seinen Vermieter verweise er auf den Mietvertrag. Er zahle eine Nebenkostenpauschale und müsse in Kürze Heizöl kaufen. Er bitte darum, die Mietzahlungen zu übernehmen. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2007 forderte der Beklagte den Kläger auf, die tatsächliche Zahlung der Miet-, Heiz- und Nebenkosten für den Zeitraum seit dem 1. Januar 2007 nachzuweisen. Dazu solle er die entsprechenden Kontoauszüge vorlegen, aus denen die Kontenbewegungen hervorgingen, die die Zahlungen plausibel machen würden. Ohne diese Nachweise müsse davon ausgegangen werden, dass Zahlungen tatsächlich nicht erfolgt seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Tatsächliche Zahlungen für die Kosten der Unterkunft seien trotz Aufforderung nicht nachgewiesen worden. Dies könne zum Beispiel durch Kontenbewegungen erfolgen. Anhand der eingereichten Quittungen sei nicht erkennbar, dass der Kläger irgendwelche Zahlungen vorgenommen habe. Es sei daher davon auszugehen, dass er diese Kosten tatsächlich nicht bezahle und eine Hilfebedürftigkeit diesbezüglich nicht gegeben sei.

7

Unter dem 15. November 2007 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er wehre sich gegen die Unterstellung, dass die Zahlungen tatsächlich nicht erfolgt seien. Er bemühe sich derzeit um die Kostenvoranschläge für 1.500 l Heizöl, damit er seine Heizkosten für Winter 2007/2008 beantragen könne. Nach Vorlage einer Rechnung über die Lieferung von 1.508 l Heizöl bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 30. Oktober 2008 für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. Januar 2009 unter anderem 1.184,03 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung, die direkt an den Energielieferanten überwiesen wurden.

8

Der Kläger hat am 19. Dezember 2007 beim Sozialgericht Magdeburg (SG) Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. November 2007 erhoben. Er hat bemängelt, dass sein Antrag auf Kosten für Unterkunft und Heizung nicht berücksichtigt worden sei. Selbstverständlich habe er die Miete an seine Vermieterin zu bezahlen, auch wenn diese seine Mutter sei. Zum 1. Januar 2007 sei er von einer größeren Wohnung in die nunmehr bewohnte kleinere Wohnung auf dem Anwesen seiner Mutter umgezogen. Der Beklagte hat vorgetragen, bei einem Mietverhältnis zwischen Verwandten würden höhere Anforderungen an den Nachweis der tatsächlichen Zahlungen gelten. Regelmäßige Geldabgänge, die auf eine tatsächliche Mietzahlung schließen ließen, seien aus den eingereichten Kontoauszügen nicht ersichtlich. Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 27. November 2008 die Klage angewiesen. Die Entscheidung des Beklagten, die Wohnkosten nicht zu übernehmen, sei nicht zu beanstanden. Es habe dem Kläger oblegen, die von ihm behaupteten Mietzahlungen durch Vorlage der Kontoauszüge plausibel nachzuweisen. Dem sei er nicht nachgekommen.

9

Der Kläger hat gegen den ihm am 31. Dezember 2008 zugestellten Gerichtsbescheid am 28. Januar 2009 Berufung beim SG eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Er sei, nachdem er sich das große Wohnhaus nicht mehr habe leisten können, in die Wohnung Nr. 7 auf dem Anwesen seiner Mutter umgezogen. Wäre ihm der Umstand bekannt gewesen, dass Mietzahlungen zu dokumentieren seien, hätte er die letzten Zahlungen über sein Konto bezahlt. Er werde versuchen, seine "Mietschulden (von August 2007 bis Februar 2009 = 6.520,80 EUR)" zu begleichen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat er ausgeführt, er habe am 15. September 2009 durch den Verkauf seiner Plattensammlung an einen Herrn R. 1.500,00 EUR erlöst. Damit habe er seine "Mietschulden für April, Mai, Juni bis zum 19. Juli 2007 in Höhe von 1.481,20 EUR" an seine Mutter zahlen können. Zum Beleg hat er u. a. eine Kopie der von seiner Mutter ausgestellten Quittung vom 15. September 2009 eingereicht, mit der diese bestätigt, den Betrag von 1.481,20 EUR als Miete für April, Mai, Juni bis 19. Juli 2007 erhalten zu haben. Er habe den Preis für seine Plattensammlung "speziell auf seine Mietschulden abgestellt". Seine Mutter habe sich in der Mietbescheinigung, die am 24. Juli 2007 ausgestellt worden sei, geirrt. Die Mietzahlung sei richtigerweise für die Monate April, Mai, Juni und bis zum 19. Juli 2007 offen gewesen.

10

Der Kläger beantragt,

11

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. November 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2007 zu verurteilen, ihm für den Monat Juli 2007 183,39 EUR sowie für die Monate August 2007 bis Januar 2008 jeweils 423,20 EUR Leistungen für Unterkunft und Heizung zu gewähren.

12

Der Beklagte beantragt,

13

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. November 2008 zurückzuweisen.

14

Er hat erwidert, die nachgeholte Bezahlung der Miete bis zur Antragstellung Mitte Juli 2007 sei als Versuch zu werten, im Nachhinein einen Zustand herzustellen, der die Gewährung von Unterkunftskosten ermöglichen solle. Auffällig sei, dass (1.) die Miete für April bis Mitte Juli 2007 erst über zwei Jahre später im September 2009 an die Mutter gezahlt worden sei, dass (2.) der Kläger einen Kaufpreis von 1.500,00 EUR erzielt habe, was für eine Plattensammlung recht hoch erscheine und (3.) dieser Betrag fast genau dem Betrag der zu zahlenden Miete von 1.481,20 EUR entsprochen habe. Auffällig sei ferner, dass der Kläger rückständige Miete seit April 2007 gezahlt habe, obwohl die Vermieterin am 24. Juli 2007 bestätigt habe, dass nur für die beiden Monate Juni und Juli 2007 noch Mietrückstände bestünden. Es scheine zwischen Mutter und Sohn keine Übereinstimmung hinsichtlich der noch ausstehenden Mietzahlungen zu herrschen. Dies könne nur darauf hindeuten, dass der Mietvertrag ohnehin nie vollzogen worden sei und daher auch nach zwei bis drei Jahren nicht klar sei, welche Miete schon bestätigt worden sei und welche noch ausstehen solle. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass fast drei Jahre lang Mietschulden bestanden hätten. Konsequenzen seien dem Kläger daraus jedoch nicht erwachsen. Insbesondere habe ihm durch die Nichtzahlung der Miete keine Wohnungslosigkeit gedroht.

15

Der Senat hat den Kläger gebeten, Kopien der Kontoauszüge für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Januar 2008 zu übersenden, seine Mietzahlungen vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2006 zu belegen sowie eine Kopie des Mietvertrags für die von ihm im Jahr 2006 bewohnte Wohnung vorzulegen. Der Kläger hat hierzu mitgeteilt, er hebe Kontoauszüge nur zwei Jahre auf. Die Miete habe er in bar an seine Mutter gezahlt. Unterlagen hat er nicht beigebracht.

16

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung die Mutter des Klägers, Frau G. G., als Zeugin gehört. Hierzu wird auf das Protokoll der Sitzung verwiesen.

17

Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und anschließenden Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf deren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

18

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 2 SGG. Er hat keinen Anspruch auf die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung durch den Beklagten. Der die Verwaltungsentscheidung bestätigende Gerichtsbescheid des SG ist deshalb nicht zu beanstanden.

19

Der Streitgegenstand ist hier, dem Vorbringen des Klägers im Klage- und Berufungsverfahren entsprechend, auf die Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt. Insoweit handelt es sich um einen abtrennbare Verfügungssatz (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. März 2008 - B 11 B AS 41/06 R - juris).

20

Der Kläger ist in dem hier streitigen Zeitraum dem Grunde nach anspruchsberechtigt gewesen.

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Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung.

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Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten sind nach § 7 Abs.1 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung Personen, die
das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
erwerbsfähig sind,
hilfebedürftig sind und
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

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Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht
durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,
aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen
sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

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Der Kläger ist im passenden Alter und hilfebedürftig gewesen und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt. Der Senat geht auch von seiner Erwerbsfähigkeit aus, da zwar Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt worden sind, aber zu einer Erwerbsunfähigkeit keine Feststellung gemäß § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II getroffen wurde (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R – juris).

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Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit sie angemessen sind.

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Bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass der Grundsicherungsträger nur solche Kosten zu übernehmen hat, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht. Dies sind in erster Linie Kosten, die durch Mietvertrag begründet sind, wie sie der Kläger vorliegend auch geltend macht. Es reicht aus, dass der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG, Urteil vom 7. Mai 2009 - B 14 AS 31/07 R - juris). Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung des Hilfebedürftigen vorliegt, ist in erster Linie der Mietvertrag, mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden ist. Entscheidend ist der entsprechende rechtliche Bindungswille der beteiligten Vertragsparteien. So ist ein Mietverhältnis auch dann anzunehmen, wenn nur eine geringfügige "Gefälligkeitsmiete" vereinbart ist, oder wenn der Mieter lediglich die Betriebskosten oder sonstige Lasten zu tragen hat. Grundsicherungsrechtlich ist es sogar erwünscht, wenn der vereinbarte Mietzins etwa aus Gründen der verwandtschaftlichen Verbundenheit niedriger ist, als dies in einem Vermietverhältnis unter Fremden der Fall wäre (BSG, a.a.O.). Die Umstände des behaupteten Mietverhältnisses sind im Einzelnen zu ermitteln und zu würdigen. Bei dieser Gesamtwürdigung und bei der Auslegung der Vereinbarungen muss jedoch die tatsächliche Übung der Parteien, mithin der tatsächliche Vollzug des Vertragsinhalts, berücksichtigt werden. Im Übrigen sind die Kriterien, die der Bundesfinanzhof im Hinblick auf den sogenannten Fremdvergleich entwickelt hat, nach der Rechtsprechung des BSG im Grundsicherungsrecht nicht anwendbar (BSG, a.a.O.).

27

Der Senat geht von einem sogenannten Rechtsbindungswillen aus, wenn die vertragsbegründenden Erklärungen beider Vertragsparteien aus Sicht eines verständigen Adressaten den Willen des Erklärenden erkennen lassen, mit der Erklärung jeweils eine rechtliche Bindung zu bewirken. Dies führt dazu, dass die Erklärung nicht mehr einseitig widerrufen oder geändert werden kann. Beiden Willenerklärungen muss also ein Geltungswille ("sic volo sic iubeo" = "So will ich, so befehle ich") entnommen werden können. Sie sind insoweit abzugrenzen von der bloßen Erklärung der Vertragsbereitschaft, die als solche noch unverbindlich ist (Busche in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 145 Rn. 7). Hierbei ist für den Fall des Mietvertrags unter nahen Angehörigen im Grundsicherungsrecht zu berücksichtigen, dass einem Missbrauch auch dann vorgebeugt werden muss, wenn die Vertragsparteien Mietpreise unterhalb der Angemessenheitsgrenze vereinbaren oder diese ausschöpfen.

28

Der Senat konnte nach umfassender Gesamtwürdigung der Umstände des Vertragsschlusses, unter Auswertung des Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten unter Berücksichtigung des - widersprüchlichen - Vortrags des Klägers sowie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (Einvernahme der Mutter als Zeugin) mit hinreichender Sicherheit weder einen Bindungswillen des Klägers noch einen Bindungswillen der Zeugin bezüglich des Mietvertrages vom 1. Januar 2007 feststellen.

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Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

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Bei der mündlichen Antragstellung am 19. Juli 2007 hatte der Kläger im Antragsformular keine Angaben zum Vermieter seiner Wohnung und zur Miethöhe gemacht, obwohl er im Januar desselben Jahres einen Mietvertrag mit seiner Mutter abgeschlossen haben will. Es erscheint lebensfremd, dass er die später vorgetragenen mietvertraglichen Verpflichtungen zu diesem Zeitpunkt nicht im Antragsformular eingetragen hat. Erst auf Nachfrage eines Mitarbeiters des Beklagten, was sich nach Auffassung des Senats aus der in Grünschrift vorgenommenen Ergänzung ergibt, sind der Name der Vermieterin sowie eine Kaltmiete in das Formular eingetragen worden. Unter dem Formular ist ebenfalls in Grünschrift vermerkt worden, dass kein Mietvertrag bestehe. Die Mutter habe auf dem Grundstück mehrere Wohnungen, von denen eine vom Kläger bewohnt werde. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger den Mietvertrag im Antragsformular zunächst nicht aufgeführt hatte, erscheint dieser Vermerk zutreffend, zumal es sich um eine dem Leistungszeitraum zeitlich näher liegende unterbliebene Äußerung des Klägers handelt, die unbeeinflusst von zukünftigen leistungsbezogenen Erwägungen gewesen sein dürfte.

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Gegen die Glaubhaftigkeit des tatsächlichen Vollzugs des Mietvertrages spricht weiterhin, dass nach der Mietbescheinigung der Mutter vom 24. Juli 2007 Mietschulden für die Monate Juni bis Juli 2007 bestehen sollten, während der Kläger selbst bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragen hat, er habe bereits "nach dem März 2007 leider keine weitere Miete bezahlen können". Zwar lässt allein dieser einmalige Widerspruch, der auf einem Irrtum beruhen könnte, nicht mit hinreichender Sicherheit auf den fehlenden Vollzug des Vertrags schließen. Aber auch im weiteren Verlauf des gerichtlichen Verfahrens sind neue Widersprüche im Hinblick auf die Mietzahlungen vom Kläger an die Mutter hinzugetreten. So hat er im Berufungsverfahren vorgetragen, er versuche seine "Mietschulden (von August 2007 bis Februar 2009)" zu begleichen. Im weiteren Verlauf hat er abweichend hiervon mitgeteilt, nach dem Verkauf seiner Plattensammlung "Mietschulden für April, Mai, Juni bis 19. Juli 2007" an seine Mutter bezahlt zu haben und hat eine Kopie der von seiner Mutter ausgestellten Quittung vom 15. September 2009 eingereicht. Diese Widersprüche der Vertragsparteien im Hinblick auf die Umsetzung des Mietvertrags sprechen nicht dafür, dass der Mietvertrag tatsächlich vollzogen worden ist. Sie lassen vielmehr erkennen, dass die Mietzahlungsverpflichtungen nicht ernsthaft erfüllt werden sollten. Gerade vor dem Hintergrund der vom Kläger behaupteten geringen finanziellen Mittel erscheint es unglaubhaft, dass beide Vertragsparteien nicht mehr wissen, welche Mietzahlungen erfolgt sind und welche nicht. Auch ein mehrfacher Irrtum der Vertragsparteien, wie ihn der Kläger unter anderem seiner Mutter im Hinblick auf deren Mietbescheinigung vom 24. Juli 2007 unterstellt, erscheint in der Gesamtwürdigung unglaubhaft.

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Dies gilt auch deshalb, da die Beteiligten im Mietvertrag eine Überweisung des Mietzinses auf das Konto der Mutter vereinbart hatten, diese aber nie praktiziert wurde. Nach Auskunft des Klägers sei auch zuvor der Mietzins in der größeren, ebenfalls von der Mutter angemieteten Wohnung, immer in bar bezahlt worden. Er habe - so der Vortrag des Klägers - die Mittel aus der Barschaft nach dem Erbfall seines Vaters verwendet. Es erscheint dem Senat jedoch wenig lebensnah, dass die Beteiligten ab Januar 2007 eine Überweisung auf das Konto vereinbarten, wenn zwischen ihnen klar war, dass die Miete immer bar bezahlt wurde und auch nachfolgend bar bezahlt worden ist.

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Zudem spricht gegen den Rechtsbindungswillen und den tatsächlichen Vollzug des Vertrages, dass der Kläger laut den im Verwaltungsverfahren eingereichten Kontoauszügen am 30. Mai 2007 100,00 EUR, am 31. Mai 2007 250,00 EUR, am 19. Juni 2007 100,00 EUR sowie am 26. Juli 2007 100,00 EUR auf sein Konto eingezahlt hat. Sollte - wie der Kläger im Berufungsverfahren zuletzt vorgetragen hat - die Miete für die Monate April, Mai, Juni bis zum 19. Juli 2007 noch nicht bezahlt worden sein, ist es nicht nachvollziehbar, dass er die genannten Barbeträge nicht für die Begleichung seiner Mietschulden eingesetzt, sondern auf sein Konto einzahlt hat. Nach Auffassung des Senats spricht diese Verfahrensweise gerade dafür, dass er keiner Mietzinszahlungsverpflichtung gegenüber seiner Mutter ausgesetzt war. Anderenfalls hätte er den Betrag zunächst zur Schuldentilgung nutzen müssen, anstatt sie auf seinem Konto gutschreiben zu lassen.

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Weiterhin spricht gegen die Ernsthaftigkeit der vertraglichen Vereinbarung zwischen Kläger und Mutter, dass jene die Nichtzahlung der Miete im Jahr 2007 bis zum 15. September 2009, dem Tag des behaupteten Verkaufs einer Plattensammlung, offenbar beanstandungslos hingenommen hat. Es ist auch lebensfremd, dass der Kläger - wie er im Berufungsverfahren vorgetragen hat - den Preis für seine Plattensammlung "speziell auf die Höhe seiner Mietschulden abstimmen" konnte.

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Es ist ebenfalls nicht erklärbar, warum er die oben genannten Barbeträge im Jahr 2007 auf sein Konto einzahlen konnte, obwohl er sein Barvermögen nach dem letzten Schriftsatz vom 31. Mai 2012 "bis Ende 2006" verbraucht haben will. Insbesondere erscheint damit auch zweifelhaft, ob die von der Mutter ausgestellten Quittungen vom 2. Februar 2007 und vom 3. März 2007 für bare Mietzahlungen in den Monaten Januar bis März 2007 zutreffend sind, da zu diesem Zeitpunkt die Barschaft nach den Angaben des Klägers bereits verbraucht war.

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Auch die Vernehmung der Mutter als Zeugin sowie die Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2012 haben nicht dazu geführt, dass der Senat die dargestellten Widersprüche entkräften und den rechtlichen Bindungswillen beider Vertragsparteien feststellen konnte. Vielmehr haben sich eine Vielzahl weiterer Widersprüche ergeben, die gegen den jeweiligen Bindungswillen sprechen:

37

So hat der Kläger im Hinblick auf die bis Ende 2006 von ihm bewohnte Wohnung zunächst angegeben, er habe den Mietvertrag über diese Wohnung nicht aufgehoben. Auf Vorhalt seiner früheren Angaben hat er diesen Vortrag dahingehend verändert, dass der Mietvertrag mündlich geschlossen worden sei. Während der Kläger mitgeteilt hat, dass die Mietzahlungen für diese Wohnung regelmäßig zum Ersten eines Monats in der Küche der Zeugin erfolgt seien und er dafür Quittungen erhalten habe, hat die Zeugin ausgesagt, sie habe zwar monatlich 400,- EUR erhalten, aber keine Quittungen ausgestellt. Nicht miteinander zu vereinbaren sind auch die Angaben des Klägers und die Aussagen der Zeugin bezüglich des Einzugs in die ab dem Jahr 2007 vom Kläger bewohnte Wohnung. Während der Kläger mitgeteilt hat, er sei Weihnachten 2006 umgezogen, hat die Zeugin erklärt, dass der Umzug erst nach Abschluss des Mietvertrags im Januar 2007 erfolgt sei. Nicht nachvollziehbar für den Senat ist weiterhin, dass der Kläger nicht erklären konnte, warum er zwischen Mai und Juli 2007 insgesamt 550,- EUR auf sein Girokonto eingezahlt hat, obwohl er zur Begründung seines Anspruchs ausgeführt hatte, er habe keine finanziellen Mittel mehr gehabt und die seiner Mutter geschuldete Miete nicht bezahlen können. Er hat auch auf ausdrückliche Befragung in der mündlichen Verhandlung hierfür keine Erklärung angeben können. Der Kläger und seine Mutter konnten auch nicht erklären, warum sie trotz der in den Jahren 2006 und 2007 immer durchgeführten Barzahlungen in dem Mietvertrag, der unter dem 1. Januar 2007 geschlossen worden sein soll, eine Kontoüberweisung vereinbart und das Konto der Mutter angegeben hatten. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung hierzu vorgetragen, dass er diese Vereinbarung selbst nicht nachvollziehen könne.

38

Beide Vertragsparteien konnten in der mündlichen Verhandlung auch nicht erklären, wie der Mietpreis für die Wohnung ermittelt worden sein soll. Wenn tatsächlich – wie der Kläger ausgesagt hat – seit dem Jahr 2000 keine Mietverträge mit Dritten mehr geschlossen werden konnten, erscheint die hier vereinbarte Miete bei weitem überhöht und dürfte im Bereich der Sittenwidrigkeit liegen, so dass auch aus diesem Grund eine Unwirksamkeit des Mietvertrags anzunehmen wäre. Auch die Widersprüche im Hinblick auf die noch ausstehenden Mieten konnten weder Sohn noch Mutter in der mündlichen Verhandlung erklären. Vielmehr haben sie vorgetragen, sie könnten sich diese nicht erklären bzw. hätten sich geirrt. Gegensätzliche Angaben haben der Kläger und die Zeugin schließlich im Hinblick darauf gemacht, wer die Summe in der Quittung vom 15. September 2009 ermittelt hat. Während der Kläger erklärt hat, er habe die Summe ausgerechnet, hat die Zeugin ausgesagt, sie habe dies getan.

39

Gegen ein ernsthaften Bindungswillen spricht zudem, dass nicht nur im Hinblick auf den Mietpreis, sondern auch auf die vermieteten Räume keine Übereinstimmung zwischen Vermieter und Mieter bestanden. Während der Kläger vorgetragen hat, der Wintergarten sei nicht vom Mietvertrag umfasst worden, hat die Mutter ausgesagt, der Kläger habe den Wintergarten nutzen können. Auch im Hinblick auf die Quadratmeterzahl der vermieteten Räumlichkeiten, die in der vom Beklagten beigezogenen Objektbeschreibung mit 80 m² angegeben ist, im Mietvertrag aber mit 66 m² Wohnfläche ausgewiesen wird, konnten die Vertragsparteien keine näheren Erklärungen abgeben.

40

Gegen die Ernsthaftigkeit spricht ferner, dass schriftliche Mahnungen oder Kündigungen seitens der Zeugin nicht erfolgt sind. Der Umstand, dass die Zeugin keine Steuererklärung im Hinblick auf die in den Jahren 2006, 2007 und 2009 vereinnahmten Mieten abgegeben hat, stützt die Behauptung eines ernsthaften Bindungswillens nicht. Im Jahr 2006 hatte sie immerhin nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung 4.800,00 EUR Mieteinnahmen erzielt, die der Sohn ihr in bar übergeben haben soll. Obwohl die Zeugin weiß, dass eine Steuererklärung im Hinblick auf diese Mieteinnahmen erforderlich ist, hat sie auf ausdrückliche Nachfrage mitgeteilt, dass nicht beabsichtigt sei, ihre Mieteinnahmen nachträglich zu erklären.

41

Gegen den Bindungswillen spricht auch, dass der Betrag von 1.481,20 EUR, den die Zeugin auf der Quittung vom 15. September 2009 aufgeführt hat, nicht der Summe entspricht, die für den quittierten Zeitraum an Mietschulden bestanden haben müsste. Weder die Zeugin noch der Kläger konnten erklären, wie sie zu diesem Betrag gekommen sind. Das gleiche gilt für die vom Kläger als Mietschulden angeführte Summe von 6.520,80 EUR, die nur der Kaltmiete ohne die vereinbarte Nebenkostenpauschale entspricht. Gegen die Glaubhaftigkeit des Vortrags des Klägers spricht ferner, dass er die Kontoauszüge, die der Senat kurz vor der mündlichen Verhandlung angefordert hat, nicht aufgehoben hat. Ihm war bereits während des Verwaltungsverfahrens klar, dass es auf die Zahlungsausgänge und die Zahlungseingänge ankommen könnte. Er hat insoweit in der mündlichen Verhandlung auch keine Erklärung dafür abgeben können, warum er die Unterlagen nicht aufgehoben hat.

42

Gegen die Richtigkeit des Vortrags von Kläger und Zeugin spricht schließlich, dass die Zeugin erklärt hat, der Mietvertrag zum 1. Januar 2007 sei abgeschlossen worden, da die Zeugin nicht mehr "Hotel Mama" habe sein wollen. Denn nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und seiner Mutter hatte diese als Vermieterin bereits im Jahr 2006 monatlich 400,00 EUR Mietzins von ihrem Sohn eingenommen. Der Vortrag der Zeugin, sie habe mit dem Mietvertrag zum 1. Januar 2007 das kostenfreie Wohnen im "Hotel Mama" beenden wollen, kann damit nicht zutreffend sein.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

44

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

Gründe

Leitsatz:

in dem Rechtsstreit

A., A-Straße, A-Stadt

- Klägerin und Berufungsklägerin -

gegen

..., vertreten durch ...

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

Der 15. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung in München am 18. Mai 2015 durch den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialgericht Dr. Hesral, den Richter am Bayer. Landessozialgericht Neuerer und den Richter am Bayer. Landessozialgericht Dr. Braun sowie die ehrenamtlichen Richter T. und H. für Recht erkannt:

I.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23. November 2007 wird zurückgewiesen.

II.

Die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundessozialgericht Az. B 9 VG 22/08 B trägt der Beklagte. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten wegen Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Am 03.07.2001 stellte die Klägerin beim Beklagten Antrag auf eine Entschädigung nach dem OEG. Als gesundheitliche Schädigung waren „Ruptur vorderes Kreuzband, rechtes Kniegelenk“ und „Stoßverletzungen linke Schulter“ genannt. Zum Tathergang war auf dem Formblatt vermerkt, der Nachbar der Klägerin J. M. habe widerrechtlich auf dem Eigentümerweg zwischen ihrem und dem Nachbargrundstück den Absperrpfosten beschädigt und beseitigt.

Dem Vorgang liegt im Wesentlichen folgende Problematik zugrunde: Seit 1988 wohnt die Klägerin mit ihrer Familie in A-Stadt. Sie ist Miteigentümerin des Grundstücks S-Ring 53a. Ihr Nachbar J. M. ist Eigentümer des Anwesens S-Ring 53; bei den beiden Häusern handelt es sich um Doppelhaushälften. Beide Anwesen sind über eine Grundstückszufahrt zu erreichen, die im Gemeinschaftseigentum der Familien A. und M. steht. Seit Jahren streiten diese wegen der Benutzung dieses Weges, u. a. unter Zuhilfenahme zivilgerichtlichen Rechtsschutzes.

Die streitgegenständliche Tat geschah am 22.03.2001. Eine erste Auseinandersetzung fand etwa zwischen 14:00 und 14:30 Uhr statt und zog einen ersten Polizeieinsatz nach sich. Nachdem die Polizei das Grundstück wieder verlassen hatte, kam es um ca.15:30 Uhr zu dem zweiten Vorfall, der einen weiteren Polizeieinsatz nach sich zog; die Klägerin leitet ihre Versorgungsansprüche aus gesundheitlichen Störungen infolge dieses zweiten Vorfalls ab.

Am 14.05.2001 erstattete die Klägerin gegen J. M. Strafanzeige wegen schwerer Körperverletzung. In dieser Anzeige wird der Vorgang dahin geschildert, J. M. habe den Absperrpfosten auf der im Zentrum des Nachbarstreits stehenden Zufahrt gegen 14.30 Uhr widerrechtlich entfernt. Die Polizei sei erschienen, habe aber nur auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Sodann habe sie, die Klägerin, den Pickel geholt, um den Pfosten provisorisch wieder einzusetzen. Als J. M. das gesehen habe, sei er wütend auf die Klägerin zugesprungen, habe den Pickel - ebenso wie die Klägerin - mit beiden Händen umfasst und kraftvoll mehrmals gegen deren Schulter gestoßen. Sodann habe er sie mitsamt Pickel brutal zu Boden gestoßen. Bei dem Sturz habe sie mehrere Prellungen am rechten Knie sowie eine Ruptur des Kreuzbands erlitten.

Am 26.08.2001 wurden die Anwohnerin B. B. und die Spaziergängerin A. B. in der Polizeiinspektion A-Stadt als Zeuginnen vernommen. Diese bestätigten die Angaben der Klägerin nicht.

Mit Verfügung vom 08.11.2001 wurde das Ermittlungsverfahren gegen J. M. eingestellt. Hierzu erging auf Betreiben der Klägerin eine Beschwerdeentscheidung des Generalstaatsanwalts beim Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg und schließlich auch eine Entscheidung gemäß § 172 Abs. 3 Strafprozessordnung (StPO) des OLG. Der Antrag wurde aus formalen Gründen als unzulässig verworfen.

Anzeigen der Klägerin in diesem Zusammenhang gegen verschiedene Personen (u. a. gegen J. M.) blieben ohne Erfolg.

Der beschuldigte Nachbar J. M. ließ in seiner Gegenanzeige folgenden Sachverhalt vortragen: In der ersten Situation (vor Eintreffen der Polizei) habe ihn die Klägerin zunächst beschimpft und sei dann mit der Spitzhacke auf ihn losgegangen. Diesen Angriff habe er gerade noch abwenden können, indem er versucht habe, die Spitzhacke zu ergreifen. Die Klägerin sei dann zurück auf ihr Grundstück gegangen und habe gesagt, sie werde noch sehen, wie man ihn, den Nachbarn, mit dem Sarg hinaustragen werde, denn sie werde jetzt zu anderen Mitteln greifen. Anschließend sei es zum Erscheinen der Polizei gekommen. Als diese wieder abgerückt gewesen sei, sei die Klägerin erneut herausgekommen und habe gegen 15:15 Uhr wieder in der gemeinsamen Zufahrt ein Loch graben wollen. Als er sich dagegen verwehrt habe, sei sie mit der Spitzhacke auf ihn losgegangen. Bei dem anschließenden Gerangel habe sie sich absichtlich fallen lassen sowie zu schreien und zu weinen begonnen. Den Pickel habe er der später erneut eintreffenden Polizei als Tatwaffe übergeben.

In der Sitzung des Amtsgerichts E. (AG) - Strafrichter - wurden die Klägerin (als Angeklagte) sowie die Zeugen J. M., B. M. (Ehefrau des J. M.; diese bestätigte dessen Aussage), A. B., B. B., Polizeikommissar T., der die Angaben der Klägerin nicht bestätigte, sowie der Enkel der Klägerin A. A. (geb. 1992) vernommen. A. A. bestätigte genau deren Version. Die Strafrichterin verurteilte die Klägerin wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Amtsgericht stellte in seinem Urteil vom 04.10.2002 fest, dass es „zwischen 13:40 Uhr und 15:00 Uhr“ zu einer Auseinandersetzung gekommen sei. Die Klägerin sei mit einer Spitzhacke auf ihren Nachbarn J. M. losgegangen, der sich gerade noch umdrehen und ihr die Spitzhacke habe entwenden können. Im Anschluss daran sei es noch zu einer Bedrohung gekommen. Feststellungen zur zweiten Auseinandersetzung enthält das Urteil nicht. Zur Aussage des A. A. ist im Urteil ausgeführt, dieser habe Formulierungen gebraucht, die denen eines zehnjährigen Kindes nicht entsprächen. Die Aussage habe den Eindruck hinterlassen, als ob sie entweder aus Gefälligkeit erfolgt sei oder, nachdem der Vorfall schon eineinhalb Jahre zurückgelegen habe, er die Äußerungen wiedergegeben habe, die er von der Klägerin gehört habe.

Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht (LG) N. wurden in einer ersten Sitzung am 12.05.2003 weitere Ermittlungen beschlossen, so die Einvernahme des Kindes T. G.. Bevor diese (zum Tatzeitpunkt acht Jahre alt) in der Sitzung befragt wurde, erfolgte am 12.06.2003 eine Vernehmung durch die Polizei. U. a. sagte das Mädchen aus, sie und A. A. hätten am 22.03.2001 auf der Terrasse der Familie A. gespielt. Sie habe u. a. gesehen, wie die Klägerin den Pickel mit beiden Händen über dem Kopf gehalten und richtig Schwung geholt habe, um J. M. auf den Kopf zu hauen. J. M. habe mit beiden Händen nach oben gelangt, den Pickel festgehalten und ihr aus den Händen gerissen. Er habe den Pickel weggestellt. Dann habe er die Klägerin weggeschubst. Wie die Klägerin gestürzt sei, habe sie nicht gesehen. Diese habe vor einigen Wochen bei ihrer Mutter angerufen und darum gebeten, sie, T. G., solle aussagen, dass J. M. sie verletzt habe.

Die Verhandlung vor dem LG fand am 18. und 20.08.2003 statt. Die Klägerin wurde wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten (ohne Bewährung) verurteilt. Aus dem Urteil, in dem u. a. die Feststellung enthalten ist, dass die Klägerin seit ihrem Umzug nach A-Stadt mit ihrer gesamten Nachbarschaft in Streit lebe und der Überzeugung sei, dass sich sämtliche Anwohner in ihrer Umgebung gegen sie verschworen hätten, geht hervor, dass die Klägerin in der Berufungshauptverhandlung Zeugen mehrfach als Lügner beschimpft und angeschrien und die H. Polizei und die ganze Justiz als ausländerfeindliche Behörden, die sich gegen sie verschworen hätten, beschimpft habe.

A. B., J. M. und B. M. hätten ihre bisherigen Aussagen bestätigt und ruhig, sachlich und ohne Belastungseifer ausgesagt; an der Glaubwürdigkeit der Zeugen bestünden keine Zweifel.

A. A. sagte aus, die Klägerin habe J. M. nicht beschimpft oder beleidigt. Der Pickel sei so schwer gewesen, dass die Klägerin ihn nur am Boden habe schleifen können; erhoben habe sie ihn nie. A. habe den Eindruck erweckt, so das LG, er habe die Aussage auswendig gelernt; seine Wortwahl sei nicht altersgerecht gewesen. Vor etwa zwei Wochen habe er mit der Familie ausführlich über den Vorfall gesprochen. A. sei offenkundig unglaubwürdig gewesen; er sei erkennbar unter Druck gestanden. Er habe bewusst gelogen, die Aussage sei ihm angelernt worden.

Zum zweiten Vorfall wiederholte T. G. ihre Aussage. Das Gericht beurteilte diese ohne Einschränkung als glaubhaft. Das Kind sei ständig im Haus der Familie A. verkehrt und habe die Klägerin sogar als „Oma“ bezeichnet; es sei nicht der geringste Belastungseifer zu erkennen gewesen. T. G. sei so verschüchtert gewesen, vor Gericht aussagen zu müssen, dass sie überhaupt nicht in der Lage gewesen wäre zu lügen. Die Mutter von T. G., S. G., sagte aus, am Abend des Tattages sei T. G. völlig verändert gewesen, habe sich geweigert, zu Abend zu essen und sei ohne fernzusehen ins Bett gegangen. Sie habe nur erzählt, dass J. M. die Klägerin geschubst habe. Erst später habe sie den ganzen Vorfall berichtet. Die Klägerin rief nach Angaben von S. G. Ende Mai 2003 dreimal bei dieser an und verlangte nach einer Bestätigung, dass ihre Tochter T. G. gesehen habe, wie der Nachbar die Klägerin geschlagen habe. Sie, S. G., habe dies abgelehnt. B. B. und A. A. wiederholten ihre bisherigen Einlassungen zum zweiten Vorfall. Dabei sei A. auch bei diesem Teil seiner Aussage völlig unglaubwürdig gewesen. Seine Aussagen hätten auswendig gelernt geklungen und seien nicht altersgerecht formuliert gewesen.

Es kam sodann zu einem Revisionsverfahren vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLG). In der Revisionsschrift der Klägerin wurde u. a. gerügt, die Einführung der Aussage der T. G. vor der Polizei sei unzulässig gewesen. A. A. habe das Gericht unzulässig eingeschüchtert; (auch) bezüglich ihm hätte ein Glaubwürdigkeitsgutachten eingeholt werden müssen. Nach Stellungnahme der Staatsanwaltschaft beim BayObLG verwarf dieses die Revision mit Beschluss vom 15.01.2004 als unbegründet.

Sodann beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 11.02.2004 und 15.07.2004 die Wiederaufnahme des Verfahrens. Das LG R. lehnte dies jedoch ab. Auch in diesem Zusammenhang wurden (erfolglos) Rechtsmittel eingelegt und Verfahrensverstöße der Gerichte gesehen.

Die Haftstrafe verbüßte die Klägerin vom 05.04. bis 18.10.2005.

Im Rahmen des Zivilrechtsstreits (Az.: 4 O 5101/01) zwischen der Klägerin (als dortiger Klägerin) und J. M. (als dortigem Beklagten) vor dem LG sagte B. M. am 25.05.2004 u. a. aus, dass sie beim ersten Vorfall ihren Mann gewarnt habe, als die Klägerin auf diesen mit der Hacke zuging. Er habe ihr die Hacke entreißen wollen, was ihm zunächst nicht gelungen sei; es habe sich dann ein regelrechter Kampf um die Spitzhacke entwickelt. Ihrem Mann sei es schließlich gelungen, der Klägerin die Hacke abzunehmen. Die Klägerin habe im Rahmen ihrer Beschimpfungen dann auch geäußert, sie werde noch sehen, wie man ihn (den Nachbarn) hier im Sarg hinaustrage. Zum zweiten Vorfall gab sie an, die Klägerin habe geäußert, den Pfosten jetzt wieder einsetzen zu wollen; dabei habe sie mit der Hacke mehrfach auf den Boden geklopft. Auf einmal habe sie die Hacke wieder erhoben. Daraufhin habe ihr Mann wieder nach dem Stiel gegriffen. Die Klägerin habe die Hacke plötzlich losgelassen und sich einfach auf den Boden gesetzt, wo sie „leise in sich hineinzuweinen schien“.

Medizinische Ermittlungen führte der Beklagte nicht durch. Mit Bescheid vom 29.08.2003 lehnte er den Antrag auf Beschädigtenversorgung ab, weil J. M. nicht rechtswidrig, sondern zur Abwehr eines gegen ihn gerichteten Angriffs gehandelt habe.

Dagegen legte die Klägerin am 29.09.2003 Widerspruch ein. Sie sei von ihrem Nachbarn angegriffen worden. Dieser stelle nun Lügen auf, um von seinen abscheulichen Taten abzulenken.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2005 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach den vorliegenden Zeugenaussagen, so die Begründung, habe sich J. M. lediglich verteidigen wollen. Dass die Klägerin dabei zu Fall gekommen sei und sich verletzt habe, könne ihm nicht angelastet werden.

Am 17.11.2005 hat die Klägerin zum Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben. In ihrer Klagebegründung hat sie daran festgehalten, J. M. habe nicht in Notwehr gehandelt, sondern einen vorsätzlichen und rechtswidrigen tätlichen Angriff gegen sie unternommen. Als Zeugen hat sie wiederum ihren Enkel A. A. sowie ihren Ehemann A. und die Anwohnerin B. B. benannt.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23.11.2007 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht mit dem notwendigen Vollbeweis feststellbar, dass ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff gegen die Klägerin stattgefunden hätte. Insoweit hat sich das SG auf die beigezogenen Strafakten gestützt, die es im Wege des Urkundenbeweises verwertet habe. Bei dem von den Strafgerichten festgestellten Handlungsablauf könne das Gericht keinen vorsätzlichen tätlichen Angriff des J. M. auf die Klägerin feststellen, zumal dessen Einlassungen im Strafverfahren auch von unbeteiligten Tatzeugen bestätigt worden seien. Das SG habe sich nicht gedrängt fühlen müssen, weitere Ermittlungen anzustellen. Dazu bestünde nur dann eine Verpflichtung, wenn neue erfolgversprechende Ansatzpunkte zur Feststellung einer rechtswidrigen Vorsatztat aufgetaucht wären oder der Sachverhalt unter anderen rechtlichen Kriterien als im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu würdigen gewesen wäre; das sei jedoch nicht der Fall.

Am 19.03.2008 hat die Klägerin beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) gegen das Urteil Berufung (Az.: L 15 VG 10/08) eingelegt. Zur Berufungsbegründung hat die Klägerin u. a. verschiedene medizinische Unterlagen vorgelegt. Der Senat hat die Berufung mit Urteil vom 08.07.2008 als unzulässig, weil verfristet, verworfen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Beschluss vom 23.04.2009 (Az.: B 9 VG 22/08 B) das Senatsurteil aufgehoben und die Sache an das BayLSG zurückverwiesen (Az.: L 15 VG 17/09 ZVW). In den Gründen hat es festgestellt, die Berufung der Klägerin sei zulässig, so dass der Senat zu Unrecht nicht in der Sache entschieden habe. Denn die Berufung sei rechtzeitig erfolgt.

Mit Schriftsatz vom 17.08.2009 hat die Klägerin die Berufung neu begründet. Im Wesentlichen hat sie vorgetragen, dass die Beweiswürdigung des SG fehlerhaft gewesen sei. Unabhängig von vorliegenden Urteilen des Strafgerichts oder von Zivilverfahren sei eine Tatsachenwürdigung durch die Sozialgerichte vorzunehmen. Soweit das „LSG“ [Anm.: Gemeint ist offensichtlich das SG] das Strafurteil als Urkundenbeweis verwertet habe, widersetze sich die Klägerin diesem wegen offenkundiger Rechtswidrigkeit. Es seien die Zeuginnen B. B. und B., beide Anwohnerinnen, anzuhören, dass diese keine Äußerung der Klägerin gehört hätten, wonach diese dafür sorgen werde, dass man J. M. „hier mit dem Sarg heraustragen“ werde. Dies habe die Klägerin, so der Bevollmächtigte, nicht gesagt, sondern, dass sie jetzt andere Mittel anwenden werde. Diese Äußerung habe sie mit dem Herbeirufen der Polizei wahrgemacht. Zudem werde ausdrücklich die Einholung eines Sachverständigengutachtens hinsichtlich der vorgetragenen körperlichen Schäden beantragt.

Am 21.12.2010 hat in Nürnberg ein Erörterungstermin des Senats stattgefunden. Mit Schreiben vom 17.01.2011 hat die Klägerin Beschwerde hiergegen erhoben; ihre Beschwerde richtete sich gegen die Durchführung des Termins als solchen, gegen das Protokoll sowie gegen dieses und andere Gerichtsverfahren.

Mit Schriftsatz vom 25.01.2011 hat die Klägerin den (damaligen) Berichterstatter des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit im Hinblick auf seine Ankündigung, es werde keine neuen Zeugenvernehmungen geben, abgelehnt. Zudem hat sie gerügt, dass der Erörterungstermin in nichtöffentlicher Sitzung erfolgt sei. In dem Schriftsatz hat die Klägerin weiter auf Umstände am Tattag und fehlerhafte Beweiswürdigungen seitens des Strafgerichts hingewiesen. Im Hinblick auf die durch den Berichterstatter herausgestellte Problematik der Zeitferne sei festzustellen, dass sich bei einer neuen Zeugeneinvernahme auch das Gegenteil der Beweiswürdigung ergeben könne.

Mit Beschluss vom 13.09.2011 hat der Senat entschieden, dass das Ablehnungsgesuch gegen den damaligen Berichterstatter unbegründet sei.

Mit Schreiben vom 26.01.2011 ist erneut die Vernehmung weiterer Zeugen beantragt worden, insbesondere der B. M., der B., des PK T., des A. A. sowie des A.. Auch im Schriftsatz vom 04.03.2011 hat die Klägerseite wieder Beweisanträge gestellt. Einzuvernehmen sei auch A. B.; ein Sachverständigengutachten im Hinblick auf die erfolgten Gesundheitsstörungen sei einzuholen.

Am 25.06.2014 hat der Senat die Anwohnerin B. schriftlich befragt.

Mit Schriftsatz vom 25.08.2014 hat die Klägerin hervorgehoben, dass sie beim zweiten Vorfall am Tattag von ihrem Nachbarn auf das Schwerste verletzt worden sei und dass B. in ihrem Garten gewesen sei und gesehen haben müsse, wie „der brutale Mann“ sie angegriffen und verletzt habe. Auch B. B. sei draußen auf ihrer Terrasse gewesen. Im Übrigen hat sich die Klägerin gegen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und die Gerichtsverfahren der Strafjustiz gewandt. In dem Schriftsatz hat die Klägerin erneut die Vernehmung der Zeugen B., B. sowie A. und A. beantragt.

In der mündlichen Verhandlung am 18.05.2015 hat der Senat die Zeugen B. und A. einvernommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG vom 23.11.2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 29.08.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.10.2005 zu verurteilen, die wegen des Vorfalls am 22.03.2001 erlittenen Verletzungen in Gestalt eines Kreuzbandrisses, eines Meniskusschadens, Halswirbeltrauma und Halsschädigungsfolgen nach dem OEG anzuerkennen und deshalb Beschädigtenversorgung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten, des SG, des BSG, der Staatsanwaltschaft N. Aktenzeichen 902Js142731/01 sowie des Amtsgerichts E. - Zivilgericht - Aktenzeichen 4C1652/99 beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet.

Sie ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden; dies ergibt sich aus dem Beschluss des BSG vom 23.04.2009, § 170 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff auf die Klägerin im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG ist, wie das SG zu Recht entschieden hat, nicht nachgewiesen.

Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Über die Voraussetzung hinaus, dass der tätliche Angriff im strafrechtlichen Sinn rechtswidrig sein muss, bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG, dass Leistungen zu versagen sind, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder wenn es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Antragstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren.

Bei der Beurteilung einer Handlung als vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG (und der Eingrenzung des schädigenden Vorgangs als erstem Glied der versorgungsrechtlichen Ursachenkette) geht der Senat von folgenden rechtlichen Maßgaben aus (vgl. z. B. Urteil v. 05.02.2013, Az.: L 15 VG 22/09; zum Ganzen vgl. auch BSG, Urteile v. 17.04.2013, Az.: B 9 V 1/12 R sowie Az.: B 9 V 3 /12 R, und v. 16.12.2014, Az.: B 9 V 1/13 R):

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zu berücksichtigen, dass die Verletzungshandlung im OEG entsprechend dem Willen des Gesetzgebers eigenständig und ohne direkte Bezugnahme auf das Strafgesetzbuch (StGB) geregelt ist (BSG, Urteil v. 07.04.2011, Az.: B 9 VG 2/10 R, m. w. N.). Gleichwohl orientiert sich die Auslegung an der im Strafrecht gewonnenen Bedeutung des auch dort verwendeten rechtstechnischen Begriffs des „tätlichen Angriffs“ (vgl. insbesondere BSG, Urteil v. 28.03.1984, Az.: B 9a RVg 1/83, BSGE 56, 234, 235 f). Die Auslegung hat sich mit Rücksicht auf den das OEG prägenden Gedanken des lückenlosen Opferschutzes aber weitestgehend von subjektiven Merkmalen (z. B. einer kämpferischen, feindseligen Absicht des Täters) gelöst (st. Rspr. seit 1995; vgl. BSG, Urteil v. 07.04.2011, a. a. O., m. w. N.). Das Vorliegen eines tätlichen Angriffs hat das BSG vornehmlich aus der Sicht eines objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden (z. B. Urteil v. 29.04.2010, Az.: B 9 VG 1/09 R, BSGE 106, 91).

Der Rechtsbegriff des tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG ist also grundsätzlich unter Bezugnahme auf seine im Strafrecht gewonnene Bedeutung (§§ 113, 121 StGB) auszulegen. Danach liegt ein tätlicher Angriff bei einer in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielenden gewaltsamen Einwirkung vor (BSG, a. a. O., m. w. N.).

Zwar spricht aus Sicht des Senats sehr viel dafür, dass es sich bei der Einwirkung des Nachbarn J. M. auf die Klägerin („Schubser“) um einen vorsätzlichen tätlichen Angriff im Sinn von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG handelt. Nähere Erläuterungen dazu erübrigen sich aber. Der von der Klägerin geltend gemachte Versorgungsanspruch scheitert daran, dass sich der Senat nicht davon hat überzeugen können, dass der tätliche Angriff rechtswidrig war.

Ein tätlicher Angriff ist dann rechtswidrig, wenn Rechtfertigungsgründe im strafrechtlichen Sinn fehlen. Das Fehlen solcher rechtfertigenden Gründe muss mit dem Maßstab des Vollbeweises erwiesen sein (vgl. Urteil des Senats vom 17.08.2011, Az.: L 15 VG 21/10; Weiner, in: Gelhausen/ders., OEG, 6. Aufl., § 1 Rn. 69, 72; vgl. weiter BSG, Urteil vom 22.06.1988, Az.: 9/9a RVg 3/87). § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG) mit dem weniger strengen Beweismaßstab der Glaubhaftmachung greift vorliegend nicht ein.

Wie der Senat wiederholt (vgl. z. B. Urteil vom 21.04.2015, Az.: L 15 VG 24/09) unterstrichen hat, sind nach den Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren die einen Anspruch begründenden Tatsachen grundsätzlich im Vollbeweis, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d. h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92; Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 128, Rdnr. 3b).

Zur Ermittlung, ob Rechtfertigungsgründe fehlen, gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Die Beweiswürdigung des Gerichts hat sich an den individuellen Gegebenheiten des konkreten Falls zu orientieren, soweit nicht gesetzliche Beweisregeln existieren. Letzteres ist hier nicht der Fall. Generalisierungen oder typisierende Betrachtungsweisen sind daher unangebracht. Es gibt keinen beweisrechtlichen Automatismus, dass das Fehlen von Rechtfertigungsgründen anhand von unmittelbaren Beweismitteln (z. B. Zeugenaussagen, Filmmitschnitten) nachgewiesen sein müsste (vgl. bereits das Senatsurteil vom 17.08.2011, a. a. O.). Die Rechtswidrigkeit des Angriffs kann unter Umständen auch dann als erwiesen angesehen werden, wenn der genaue Tatablauf im Übrigen nicht zur Überzeugung des Gerichts feststeht. Trotz dieser für die Klägerin günstigen rechtlichen Rahmenbedingungen gelingt es nicht, das Fehlen von Rechtfertigungsgründen mit dem Maßstab des Vollbeweises festzustellen. Denn es spricht sehr viel dafür, dass die Tatversion, die die Klägerin schildert, falsch bzw. unvollständig ist; die Tatumstände, die erwiesen sind, nämlich die von den Zeugen beobachteten Auseinandersetzungen zwischen der Klägerin und dem beschuldigten Nachbarn, lassen auch solche Geschehensabläufe als denkbar, realistisch und sogar naheliegend erscheinen, bei denen der Rechtfertigungsgrund der Notwehr (§ 32 StGB) gegeben wäre.

Unter Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens hält der Senat es nicht nur für nicht in einem die volle richterliche Überzeugung begründenden Maß für erwiesen, dass J. M. am Nachmittag des 22.03.2001 auf die Klägerin zugesprungen wäre, den Pickel und ebenso die Klägerin mit beiden Händen umfasst und kraftvoll mehrmals gegen die Schulter der Klägerin gestoßen sowie diese dann mitsamt dem Pickel brutal zu Boden gestoßen hätte. Der Senat hält vielmehr diese Version des Geschehensablaufs für wenig wahrscheinlich. Er hält es dagegen für naheliegend, dass die Klägerin selbst mit dem Pickel auf ihren Nachbarn losgegangen ist, worauf dieser versucht hat, ihn der Klägerin abzunehmen, und dass die Klägerin im Verlauf dieser Auseinandersetzung gestürzt ist oder sich ggf. sogar selbst hingesetzt hat.

Im Einzelnen würdigt der Senat die vorliegenden Beweismittel wie folgt:

1. Mit Ausnahme des einvernommenen Enkelsohns der Klägerin, A. A., hat keiner der in den gerichtlichen Verfahren von der Polizei vernommenen Zeugen den Sachverhalt so bestätigt, wie die Klägerin ihn angegeben hat. Vielmehr erscheint aus Sicht des Senats das Vorliegen einer Notwehrsituation für den von der Klägerin beschuldigten Nachbarn J. M. naheliegend.

Dies ergibt sich aus den Aussagen der Anwohnerin B. B., der Spaziergängerin A. B., des Beschuldigten J. M. und dessen Ehefrau B. M., ferner des Kindes T. G.. Keine Beobachtungen des Tathergangs haben die Zeugen S. G., B. und Polizeikommissar T. schildern können. Die Aussagen von S. G. und Polizeikommissar T. stehen jedoch auch dieser Annahme des Senats nicht entgegen und fügen sich in das Bild des vom Senat für naheliegend gehaltenen Geschehensablaufs nahtlos ein.

Wie das LG sieht auch der Senat keinen Anlass zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit dieser Zeugen. Neben der Konsistenz der Zeugenaussagen in den verschiedenen Vernehmungssituationen fällt dabei auf, dass die Zeugen ruhig, sachlich und ohne Belastungseifer ausgesagt haben. Es liegt nahe, dass für den Fall, dass insbesondere J. M. und B. M. die Bedrohung durch die Klägerin etc. nur erfinden hätten wollen, eine weniger ausgefallene Version als die geschilderte zu erwarten gewesen wäre. Auch wenn das Interesse von J. M. und ggf. seiner Ehefrau nicht von der Hand zu weisen ist, in keinem Fall als Täter eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs dazustehen, sieht der Senat durch die genannten weiteren Aspekte die Glaubwürdigkeit als gegeben an. Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf die grundsätzlichen Bedenken, die hinsichtlich der Glaubhaftigkeit bestehen könnten, da zwischen der Klägerin einerseits und der gesamten Nachbarschaft andererseits ein gestörtes Verhältnis bestehen dürfte. Würde der Senat aus diesem Grund generell Bedenken hinsichtlich des Wahrheitsgehalts der Angaben der Nachbarn der Klägerin haben, so müsste dies folgerichtig in gleicher Weise für die Angaben der Klägerin selbst gelten, die mit ihrer gesamten Nachbarschaft in Streit lebt und - entsprechend der strafgerichtlichen Feststellung - der Überzeugung ist, dass sich sämtliche Anwohner in ihrer Umgebung gegen sie verschworen hätten.

Im Übrigen kann der Vortrag der Klägerin, dass die Aussagen der Zeugen in den gerichtlichen Verfahren widersprüchlich seien und dass die Beweiswürdigungen seitens der Strafgerichte fehlerhaft seien etc., nicht überzeugen. Vielmehr ist das Vorbringen der Klägerseite z. B. zu den Zeugenaussagen im zivilgerichtlichen Verfahren (Verhandlung vom 25.05.2004) zumindest missverständlich und jedenfalls nicht nachvollziehbar. Es zeugt jedenfalls von einer nicht korrekten Erfassung des Sachverhalts und von unzutreffenden Schlussfolgerungen durch die Klägerseite; an dieser Stelle muss dahingestellt bleiben, ob es insoweit lediglich versehentlich zu diesen Unrichtigkeiten gekommen ist. So ist im Schriftsatz vom 25.01.2011 auf die Aussage von B. M. im zivilgerichtlichen Verfahren verwiesen worden, die gesagt habe, dass die Klägerin mehrfach mit der Hacke auf den Boden geklopft und auf einmal die Hacke wieder erhoben habe. J. M. habe, so die Klägerseite, deshalb sofort wieder nach dem Stiel gegriffen. Auf Nachfrage durch das Gericht habe B. M. ausgesagt, dass es nicht so gewesen sei, dass sie mit der Hacke besonders gefährliche Gesten gemacht und die Hacke auch nicht über den Kopf erhoben habe. Diese Aussage der Zeugin M., hat sich jedoch, was die Klägerseite zumindest nicht erwähnt, auf den ersten Vorfall, um den es hinsichtlich des geltend gemachten tätlichen Angriffs nicht geht, bezogen. Weiter hat die Klägerseite darauf hingewiesen, dass durch die Zeugenaussage von B. M. sowohl das Handeln von J. M. „verständlich“ als auch die von Seiten des Strafgerichts vorgenommene Beweiswürdigung ad absurdum geführt werde. Denn es finde sich keine Grundlage für die dortige Feststellung: „Als der Geschädigte nicht reagierte, sondern fortfuhr, das Loch zu schließen und dabei mit dem Rücken zur Angeklagten stand, war diese darüber so erbost, das sie sich entschloss, nunmehr mit dem Pickel auf den Geschädigten einzuschlagen, um diesen zu verletzten.“ Anders als die Klägerseite betont, geht aus dem Protokoll der genannten zivilgerichtlichen Verhandlung aber gerade hervor, dass die Klägerin dann die Hacke durchaus erhoben hat (vgl. S. 5 des Protokolls). Diese Feststellung erwähnt die Klägerseite jedoch nicht.

Auch im Übrigen kann der Senat Widersprüche oder weitere Anhaltspunkte dafür nicht erkennen, dass die Annahme einer Notwehrsituation (für den beschuldigten Nachbarn J. M.) fernliegend wäre.

Zwar hat der einvernommene Enkelsohn der Klägerin, A. A., der zum Tatzeitpunkt neun Jahre alt war, die von der Klägerin geschilderte Version des Geschehensablaufs exakt bestätigt. Auch scheitert die Verwertung der Aussage von A. A. nicht von vornherein an seinem damaligen Alter. Die Aussagen von Kindern als Zeugen können dann wichtige Beiträge zur Wahrheitsfindung darstellen, wenn beachtet wird, „dass das Kind die Ereignisse der Umwelt aus seiner Welt ansieht, nach seinen Erfahrungen und Erwartungen beurteilt und mit seinen subjektiven Fähigkeiten, seiner Geisteshaltung und charakterlichen Formung wiedergibt“ (Peters, Strafprozess, 4. Aufl., S. 385); ein Kind kann nur das leisten, „was seiner Erfahrung, seinem Wissen, seinem Vorstellungsbild und seinem Interessensbereich entspricht.“ Dabei besteht eine besonders große Gefahr für die bewusste oder unbewusste Beeinflussung des Kindes durch Dritte (a. a. O.).

Der Senat sieht die Angaben von A. A. nicht als glaubhaft an. Entsprechend den Feststellungen des AG und des LG hat A. A. nicht altersgerechte Formulierungen bei seiner Aussage gebraucht. Diese hat den Eindruck hinterlassen, als ob sie entweder aus Gefälligkeit erfolgt ist, oder der Zeuge nur Äußerungen wiedergegeben hat, die er von der Klägerin gehört hat. Die Aussagen haben auswendig gelernt geklungen.

2. Auch die Aussage des Ehemanns der Klägerin A. und die weiteren von der Klägerseite vorgebrachten Aspekte können zu keinem Nachweis eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs auf die Klägerin oder dazu führen, dass das Vorliegen einer Notwehrsituation als fernliegend einzustufen wäre.

- Der Zeuge A. hat ausgesagt, dass die Klägerin und der beschuldigte Nachbar in den Tagen und Wochen vor dem Ereignis am 22.03.2001 bereits Streit gehabt hätten und dass der Beschuldigte gegenüber der Klägerin bedrohend geworden sei; er, der Zeuge, habe - ca. drei Wochen vor dem genannten Tag - den Nachbarn davon abgehalten, auf die Klägerin loszugehen. Hieraus ergibt sich zwar, den Wahrheitsgehalt dieser Aussage unterstellend, eine gewisse Plausibilität hinsichtlich einer „angeheizten“ Stimmung zwischen den Nachbarn und hinsichtlich möglicher direkter Konfrontationen zwischen der Klägerin und dem Nachbarn J. M.; Rückschlüsse hinsichtlich der Rechtswidrigkeit eines tätlichen Angriffs von letzterem lassen sich daraus aber in keiner Weise gewinnen. Es kann also offen bleiben, ob die Aussage des Ehemanns der Klägerin überhaupt als glaubhaft angesehen werden kann.

- Unmaßgeblich ist aus Sicht des Senats auch der von der Klägerseite hervorgehobene Aspekt, dass es die Klägerin gewesen sei, die zweimal die Polizei gerufen habe. Denn die Motivation hierfür kann vielfältig sein und lässt keinen Schluss darauf zu, dass sich die Klägerin im Hinblick auf den geltend gemachten Vorgang vom Nachbarn bedroht gefühlt habe; insbesondere ergibt sich daraus nicht die Rechtswidrigkeit einer Handlung von J. M.

- Es kommt auch nicht darauf an, ob das Ehepaar M. an dem betreffenden „Tattag“ erfahren hat, aus einem zivilgerichtlichen Vergleich nicht vollstrecken zu können. Aufgrund einer solchen Tatsache würde sich kein Hinweis auf einen Angriff und insbesondere nicht auf dessen Rechtswidrigkeit auf die Klägerin ergeben.

- Unmaßgeblich sind schließlich auch die - z. B. im Schriftsatz vom 04.03.2011 enthaltenen - den Nachbarn betreffenden (überflüssigen) Hinweise auf dessen Vorleben in der DDR, die durchaus geeignet sind, J. M. zu diskreditieren. Ob der Nachbar in der DDR wegen Straftaten gesucht worden und ob er ohne seine Frau und Kinder aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland geflüchtet ist, hat auf das vorliegende Verfahren keinerlei Einfluss.

- Nicht von Belang ist auch, ob die Äußerung der Klägerin gefallen ist, sie werde noch sehen/dafür sorgen, dass man J. M. „mit dem Sarg heraustragen“ werde. Unmaßgeblich ist auch, wer zu welchem Zeitpunkt eine solche Äußerung behauptet hat. Denn auch hieraus ergeben sich keine verlässlichen Rückschlüsse auf das Vorliegen eines rechtswidrigen Angriffs auf die Klägerin bzw. auf das Vorliegen einer Notwehrsituation.

3. Ebenso wenig vermag sich der Senat allein auf der Grundlage der Angaben der Klägerin die volle richterliche Überzeugung vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG zu bilden. Zwar kann sich eine Entscheidung in freier Beweiswürdigung jedenfalls dann allein auf den beteiligten Vortrag stützen, wenn dieser glaubhaft ist - wobei „glaubhaft“ hier nicht im Sinn einer Herabsetzung des Überzeugungsmaßstabes verstanden werden darf -, der Lebenserfahrung entspricht und nicht zu anderen festgestellten Tatsachen im Widerspruch steht (vgl. z. B. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 128, Rdn. 4; Gutzler, in: Sgb 2009, S. 73, 76, jeweils m. w. N.).

Der Senat betrachtet die Aussagen der Klägerin im Kern aber als nicht glaubhaft. Vor allem widerspricht sie derjenigen aller einvernommenen Zeugen (mit Ausnahme des Kindes A. A.). Darüber hinaus ergeben sich starke Zweifel auch aufgrund von Randereignissen, die von Zeugen glaubhaft geschildert worden sind. So ist die Klägerin nach dem Vorfall zu der Zeugin A. B. hingetreten und hat gegenüber dieser - aus Sicht des Senats vorsorglich - klar gemacht: „Sie haben doch sowieso nichts gesehen.“ Diese Bemerkung wäre nach Auffassung des Senats im Falle eines rechtswidrigen Angriffs auf sie schwer nachvollziehbar. Gewisse Zweifel ergeben sich auch aufgrund des von der Zeugin T. G. bestätigten dreimaligen Anrufs der Klägerin bei ihrer Mutter, dass die Zeugin T. G. bestätigten solle, dass der Nachbar die Klägerin geschlagen habe.

Weiter ergeben sich Zweifel an den Angaben der Klägerin auch bereits deshalb, weil ihre im Laufe des gerichtlichen Verfahrens aufgestellte Behauptung, sie sei vom Nachbarn J. M. bereits mehrfach körperlich verletzt worden, sich in der Beweisaufnahme des Senats als unzutreffend herausgestellt hat. So hat der vom Senat als Zeuge einvernommene Ehemann der Klägerin, von dem anzunehmen ist, dass er über das Ausmaß der Auseinandersetzungen zwischen seiner Ehefrau und dem Nachbarn im Einzelnen Kenntnis besitzt, lediglich bestätigt, dass J. M. auf die Klägerin einmal losgehen habe wollen. Von einer Verletzung hat er nicht berichtet.

Der vollen richterlichen Überzeugung, dass die Klägerin Opfer des von ihr behaupteten rechtswidrigen Angriffs durch J. M. geworden sein könnte, wirken auch die im Raum stehenden bzw. naheliegenden Erklärungsmodelle für die (möglicherweise falschen) Angaben der Klägerin entgegen:

Zwar stellt der Senat nur in untergeordnetem Maße auf das unmittelbare Interesse der Klägerin am Verfahrensausgang ab. Dass Beteiligte am Verfahrensausgang ein solches Interesse haben und damit die Gefahr von Einseitigkeit, Voreingenommenheit oder gar Unwahrhaftigkeit besteht, ist naheliegend und bedarf keiner näheren Erläuterung, muss jedoch in den Hintergrund treten. Denn diese aussagepsychologischen Faktoren sind bei jeder Beteiligtenvernehmung zu berücksichtigen; eine zu starke Gewichtung ohne erkennbaren Anlass würde jedoch jegliche beteiligten Angaben von vornherein unverwertbar machen, was offensichtlich nicht sachgerecht wäre und auch mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Einklang stünde (vgl. Urteil des Senats vom 05.02.2013, Az.: L 15 VG 22/09; Gutzler, a. a. O.). Allerdings bestehen mit Blick auf die von der Klägerin geäußerte Überzeugung, dass sich sämtliche Anwohner in ihrer Umgebung gegen sie verschworen hätten, doch grundsätzliche Zweifel an ihren Angaben (siehe unten).

Auch der Detailreichtum der klägerischen Schilderungen (zur Beachtung inhaltlicher Realitätskriterien vgl. z. B. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 3. Aufl., Rdn. 310 ff.) ist im Rahmen der Beweiswürdigung von sehr untergeordneter Bedeutung, weil die Angaben im Widerspruch zu den ebenfalls detaillierten Angaben der Zeugen stehen.

Im Falle der Klägerin erscheint aus der Sicht des Senats nicht ausgeschlossen, dass die Angaben im Rahmen der wohl schon lange andauernden grundsätzlichen Auseinandersetzungen zwischen ihr und ihrer Umgebung zurückzuführen sind. Möglich erscheint vorliegend, dass die Klägerin vor dem Hintergrund dieses dauernden Konflikts die vorliegenden Angaben gemacht hat. Gut möglich erscheint daneben auch, dass bei der Klägerin eine Gedächtnistäuschung gegeben ist, dass sie also aufgrund des bei ihr vorliegenden Feindbilds den genauen Vorgang der Auseinandersetzung am 22.03.2001 nicht zutreffend wiedergeben kann und die gefährliche und rechtswidrige Handlung - gewissermaßen automatisch - ihrem Nachbarn zuschreibt.

Der Senat war nicht gehalten, positiv festzustellen, aus welchem Grund die Klägerin eine falsche Schilderung gegeben hat; daher hat es auch insoweit keines Sachverständigengutachtens bedurft. Die möglichen Erklärungen festigen lediglich den aus anderen Gründen gewonnenen Eindruck, dass der Klägerin nicht geglaubt werden kann.

Das somit bestehende non liquet in Bezug auf das Fehlen von Rechtfertigungsgründen wirkt sich nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Ungunsten des Klägers aus. Die prüfungstechnische Besonderheit, dass die Rechtswidrigkeit nicht positiv, sondern negativ über den Ausschluss von Rechtfertigungsgründen festgestellt wird, bewirkt keine Umkehr der objektiven Beweislast. Ansatzpunkte für eine Umkehr der Beweislast aufgrund von tatsächlichen Vermutungen existieren nicht (vgl. Urteil des Senats vom 17.08.2011, a. a. O.; BSG, Urteil vom 22.06.1988, a. a. O.).

Zu einer persönlichen Einvernahme der - teilweise bereits mehrfach vor Gericht gehörten - Zeugen bestand für den Senat keine Veranlassung und erst Recht keine verfahrensrechtliche Pflicht. Dies gilt insbesondere auch für den einzigen Zeugen, der die Version der Klägerin gestützt hat, nämlich den A. A. (siehe oben).

1. In Streitsachen zum OEG ist grundsätzlich eine von den Straf- und Zivilgerichten unabhängige Beweiswürdigung geboten. Eine solche hat der Senat vorgenommen. Denn diese Voraussetzung besagt nicht, dass Zeugen in betreffenden gerichtlichen Verfahren persönlich einzuvernehmen sind. Das Erfordernis der unabhängigen Beweiswürdigung besagt vielmehr, dass im Hinblick auf die Feststellung eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs weder die Verwaltungsbehörde noch die Sozialgerichte an das Ergebnis des Strafverfahrens gebunden sind (vgl. die Urteile des BSG vom 07.12.1983, Az.: 9 ArV 40/82, sowie vom 25.06.1986, Az.: 9 ArV 2/84). Somit können Beweisergebnisse aus anderen Verfahren (z. B. Zeugenaussagen in anderen Gerichtsverfahren) auch ohne Zustimmung der Beteiligten im Wege des Urkundenbeweises gewürdigt werden (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., a. a. O., § 103, Rdn. 11 d).

2. Vorliegend bestand für den Senat weder im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz gemäß § 103 SGG noch auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz gemäß § 117 SGG die Veranlassung, neben den Zeugen B. und A. auch die anderen Zeugen in der mündlichen Verhandlung am 18.05.2015 persönlich einzuvernehmen.

a. Hierbei ist - zunächst ohne Blick auf die konkreten Umstände des vorliegenden Falls - festzustellen, dass das sozialgerichtliche Verfahrensrecht nicht verlangt, ausnahmslos das unmittelbare Beweismittel, hier also die Einvernahme der weiteren Zeugen, auszuschöpfen. Eine Regelung wie § 251 StPO, die es den Strafgerichten nur in enumerativen Ausnahmefällen erlaubt, die Verlesung von Niederschriften als Beweismittel zuzulassen und auf die persönliche Einvernahme zu verzichten, existiert im Sozialprozessrecht nicht; überdies existiert nach der herrschenden Meinung nicht einmal im Strafprozessrecht ein weitreichender Grundsatz, dass allgemein bei der Beweisaufnahme das sachnächste Beweismittel benutzt werden müsste (vgl. z. B. Meyer-Gossner, StPO, 57. Aufl., § 250, Rdn. 3).

Entsprechend den Vorschriften des sozialgerichtlichen Verfahrens ist die Verwertung der Niederschrift über eine Zeugenaussage in einem anderen gerichtlichen Verfahren oder in einem Verwaltungsverfahren im Wege des Urkundenbeweises möglich. Grundsätzlich hat die Verwertung einer Urkunde in der Regel zwar einen geringeren Beweiswert als eine unmittelbare Zeugenaussage, weil das Gericht keinen unmittelbaren Eindruck vom Zeugen erhält. Ob das Gericht aber einen Zeugen erneut vernimmt, liegt in seinem Ermessen (vgl. Keller, a. a. O., § 117, Rdn. 5, m. w. N.). Die über § 202 SGG anwendbaren Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) enthalten keine Regelung, welche die Verwertung von Zeugenaussagen aus anderen Gerichtsverfahren zugunsten der unmittelbaren Zeugenvernehmung verbieten würde. Vielmehr gilt auch hier, dass Beweisergebnisse aus anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises eingeführt werden dürfen (z. B. Greger, in Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 355, Rdn. 4).

b. Wegen der Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens bestand für den Senat keine verfahrensrechtliche Pflicht, die Zeugeneinvernahmen zu wiederholen. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass die Aufklärung durch die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte exakt die sich im hier vorliegenden OEG-Verfahren aufgeworfenen Beweisfragen betrifft, also auch für die den Senat stellenden Rechtsfragen das tatsächliche Fundament bereit stellt. Aus dieser Aufklärung kann unmittelbar - ohne weitere Zwischenschritte - abgeleitet werden, dass die Klägerin nicht Opfer eines rechtswidrigen Angriffs im Sinne von § 1 OEG durch J. M. geworden ist bzw. dass viel dafür spricht, dass eine Notwehrsituation für den beschuldigten Nachbarn bestanden hat.

c. Der Senat musste sich nicht gedrängt fühlen, die Zeugeneinvernahmen im Rahmen dieses Verfahrens zu wiederholen. Dies ist nach Auffassung des Senats, die auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG im Bereich der Opferentschädigung (vgl. Urteil vom 10.11.1993, Az.: 9 RvG 2/93) steht, nicht bereits deshalb erforderlich, wenn einer der Beteiligten dies beantragt. Maßgeblich ist, ob Anhaltspunkte vorliegen, dass bei einer eigenen Vernehmung des Zeugen eine andere Bewertung stattfinden könnte. Nur eine solche eher restriktive Auffassung kann aus Sicht des Senats dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung das erforderliche Gewicht verschaffen (Vermeidung widersprechender Ergebnisse), (ggf. erneute) sekundäre Viktimisierungen vermeiden und prozessualen Doppelaufwand auf ein Minimum reduzieren. Der Senat geht jedoch mit dem BSG (vgl. Beschluss vom 08.08.2001, Az.: B 9 VG 1/01 B) davon aus, dass Zeugen persönlich einzuvernehmen sind, wenn die Aussagen einzelner oder mehrerer Zeugen zum Tathergang anders als vom Straf- oder Zivilgericht gewertet werden können, weil sie widersprüchlich sind und daher dies im Einzelnen herauszuarbeiten ist, wobei auch auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen einzugehen ist, die widersprüchliche Aussagen gemacht haben.

Unbeschadet der Tatsache, dass eine erneute Zeugeneinvernahme zum heutigen Zeitpunkt nach den Grundsätzen des ungeeigneten Beweismittels nicht in Betracht kommt (siehe hierzu im Einzelnen unten), sind die Voraussetzungen nach dem genannten Beschluss des BSG vorliegend nicht gegeben, weil ein solcher Fall nicht vorliegt. Wie oben bereits dargelegt, hat die Klägerseite nicht vermocht, substantiiert und nachvollziehbar aufzuzeigen, dass die einzelnen Zeugeneinvernahmen - die Aussage von A. A. ausgenommen - zueinander widersprüchlich seien. Vielmehr ist, wie dargelegt, die Argumentation der Klägerseite nicht plausibel. Es bestand kein Bedarf, die Glaubwürdigkeit der Zeugen aus der Nachbarschaft im Einzelnen herauszuarbeiten im Hinblick auf die vorhandenen „Lager“ mit der Klägerin auf der einen und der Nachbarschaft auf der anderen Seite.

d. Der Senat hat auch keine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen, indem er von einer (erneuten) Einvernahme der Zeugen abgesehen hat. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Beschluss vom 31.01.2008, Az.: B 13 R 53/07 B, sowie Beschluss vom 16.05.2007, Az.: B 11 B AS 37/06 B) darf ein Gericht auf die Vernehmung eines ordnungsgemäß benannten Zeugen nur in engen Ausnahmefällen verzichten, etwa wenn es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht ankommt, diese bereits erwiesen sind oder das Beweismittel ungeeignet oder unerreichbar ist. Nach Auffassung des Senats ist vorliegend eine neuerliche Zeugeneinvernahme ungeeignet, da nun ein besonders langer Zeitraum nach dem Vorfall vergangen ist und die Erinnerung der Zeugen weitaus schlechter sein muss als zum Zeitpunkt der Hauptverhandlungen im Jahr 2003. Zwar gibt es nach der Rechtsprechung des BSG keine generelle Beweisregel dafür, dass frühere Aussagen einen höheren Beweiswert haben als spätere (vgl. BSG vom 11.11.2003, Az.: B 2 U 41/02 R). Im Hinblick auf die besonders lange Zeitdauer und die für die Zeugen grundsätzlich eher geringe Bedeutung des Vorfalls vom 22.03.2001, der auch wenig einprägsam ist, hält es der Senat jedenfalls in diesem Einzelfall für ausgeschlossen, dass eine Zeugeneinvernahme jetzt auch nur annähernd die Effizienz der Zeugeneinvernahme des Jahres 2003 aufweisen könnte.

e. Auch hat die Beweiswürdigung der Strafgerichtsbarkeit keine Lücken oder Ungereimtheiten gelassen. Die Aussagen der Zeugen, die diese dort gemacht haben, reichen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht aus und es sind keine Gründe erkennbar, dass sich der Senat bei der Beweiswürdigung den Strafgerichten nicht anschließen könnte. Gerade weil damals divergierende Zeugenaussagen vorlagen, haben sich die Strafgerichte sehr sorgfältig mit der Glaubhaftigkeit jeder einzelnen Aussage befasst. Es spielt für den Senat auch eine große Rolle, dass die Strafgerichte ihre Beweiswürdigung ausführlich dargestellt und begründet haben. Allein das Urteil des LG zeugt bereits von einer „einfühlsamen“ und sorgfältigen Beweiswürdigung. Der Senat sieht sich aufgrund der vorhandenen Unterlagen sehr gut in der Lage, sich aus den ausführlichen Schilderungen des LG ein authentisches Bild vom Aussageverhalten der einzelnen Zeugen zu machen. Es liegen überhaupt keine Anhaltspunkte vor, dass die Beobachtungen des LG (z. B. Eingeschüchtertheit der T. G., Verwenden einer nicht kindgerechten Sprache bei A. A. etc.) falsch sein könnten oder dass das Gericht aus diesen Eindrücken unzulässige Schlüsse auf die Glaubhaftigkeit der Aussagen gezogen hätte. Zudem besteht vorliegend die Besonderheit, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass bei einer unterstellten, im Vergleich zu 2003 identisch guten Erinnerung irgendeiner der Zeugen nunmehr abweichend aussagen würde.

3. Zusammenfassend ermöglichen somit die Strafakten gerade wegen der Besonderheiten dieses Einzelfalls dem Senat eine Rekonstruktion der Zeugeneinvernahmen, die vor dem Hintergrund des Amtsermittlungsgrundsatzes ausreicht, um zu einer sicheren Überzeugung zu kommen. Alles, was der Senat für seine eigene rechtssichere Würdigung benötigte, liegt aufgrund der strafgerichtlichen Tätigkeit und aufgrund der Zeugeneinvernahmen in der mündlichen Verhandlung des Senats vor. Demgegenüber erscheint dem Senat das komplette Wiederaufrollen der Beweisaufnahme nicht nur überflüssig, sondern wegen des langen Zeitraums seit der Tat wie dargelegt weit unterlegen bzw. ungeeignet. Dies gilt im Übrigen insbesondere für den Zeugen A. A., der zum Tatzeitpunkt bekanntlich erst neun Jahre alt gewesen ist.

Weitere Ermittlungen waren darüber hinaus ebenfalls nicht veranlasst. Im Hinblick auf die in den strafgerichtlichen Verfahren bereits gemachten Zeugenaussagen seitens der Polizei besteht kein Ansatzpunkt für die Vermutung, dass etwaige Nachfragen dort weitere Erkenntnisse hätten bringen können. Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat auch darauf hin, dass die Einholung aussagepsychologischer Glaubhaftigkeitsgutachten vorliegend nicht in Frage kam. Eine solche Begutachtung kommt nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. die Urteile vom 05.02.2013, a. a. O., sowie vom 21.04.2015, a. a. O.) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 16.12.2002, Az.: 2 BvR 2099/01) nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, wenn nämlich dem Gericht die Sachkunde für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit fehlt. Hierfür gibt es vorliegend keinerlei Anhaltspunkte.

Die Berufung kann somit keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt u. a., dass die Klägerin im Verfahren Aktenzeichen B 9 VG 22/08 B erfolgreich war.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.