Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 16. Feb. 2017 - L 3 R 416/15

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2017:0216.L3R416.15.00
bei uns veröffentlicht am16.02.2017

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Witwenrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI). Umstritten ist insbesondere das Vorliegen einer so genannten Versorgungsehe.

2

Die am ... 1937 geborene Klägerin ist die Witwe des am ... 1936 geborenen und am ... 2012, d.h. im Alter von 76 Jahren, in S. (A.) verstorbenen Versicherten H. F. (im Folgenden: der Versicherte). Die späteren Eheleute waren seit dem 1. August 1992 unter der aktuellen Wohnadresse der Klägerin gemeldet. Der Versicherte hatte ein Kind aus einer früheren Beziehung. Aus der ersten geschiedenen Ehe der Klägerin ist ihr Sohn hervorgegangen.

3

Der Versicherte bezog zum Todeszeitpunkt Altersrente von der Beklagten mit einem monatlichen Zahlbetrag seit Juli 2011 in Höhe von 981,63 EUR. Die Klägerin bezieht seit Januar 1988 Rente aus der eigenen Versicherung bei der Beklagten mit einem monatlichen Zahlbetrag im Juli 2011 in Höhe von 719,41 EUR und eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit einem Zahlbetrag in Höhe von 228,99 EUR.

4

Der Versicherte musste sich im Jahr 2010 diversen stationären Krankenhausbehandlungen unterziehen, die hier nur in Bezug auf Einzelereignisse angegeben werden sollen: Seit Januar 2010 wurde bei ihm eine extrakorporale Hämodialyse bei Niereninsuffizienz durchgeführt. Im März 2010 erhielt er einen Aortenklappenersatz. Im Mai 2010 wurde bei ihm durch histologische Untersuchung von zwei Präparaten im Dickdarm ein Sigmapolyp in Form eines gering erodierten tubulo-villösen Adenoms und eine hochgradig karzinomsuspekte Neubildung der Dickdarmschleimhaut diagnostiziert. Bei einem infrarenalen Aortenaneurysma wurde im August 2010 ein "Aortenrepair" durchgeführt. Mehrfach, u.a. vom 20. Dezember bis zum 24. Dezember 2010, befand sich der Kläger wegen hypertensiver Krisen und dem Erfordernis von Notfalldialysen in stationärer Behandlung.

5

Die Eheschließung der Klägerin mit dem Versicherten fand am 14. April 2011 in O. (A.) statt.

6

Der Versicherte musste sich vor seinem Versterben am 29. Dezember 2011 der Oberschenkelamputation des rechten Beines unterziehen. Nach der Todesbescheinigung vom 3. Januar 2012 verstarb der Versicherte im Diakoniekrankenhaus S. auf der chirurgischen Abteilung. Auf der Bescheinigung ist zum Punkt 9 I "Unmittelbar zum Tode eine führende Krankheit, vorausgegangene Ursachen (Grundleiden)" angegeben: a) Koronarinsuffizienz, b) coronare Atherosklerose, c) generalisierte Atherosklerose. Zum Punkt 9 II "Andere wesentliche Krankheiten" heißt es dort: dialysepflichtige Niereninsuffizienz.

7

Die Klägerin beantragte am 26. Januar 2012 die Gewährung von Witwenrente und gab auf dem Ankreuzbogen an, die tödlichen Folgen einer Krankheit seien bei der Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen.

8

Den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Witwenrente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Mai 2012 ab. Die Ehe mit dem Versicherten habe nur vom 14. April 2011 bis zum 1. Januar 2012 angedauert und die Rechtsvermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI sei nicht entkräftet worden. Auch der Umstand, dass die Klägerin mit dem Versicherten seit 1992 in einer Lebensgemeinschaft gelebt habe, könne die Annahme einer Versorgungsehe nicht ohne weiteres entkräften. Zudem sei der Tod des Versicherten nicht plötzlich und unvermutet eingetreten. Die Eheschließung sei vielmehr erfolgt, nachdem eine bösartige und potentiell lebensbedrohliche Erkrankung festgestellt worden sei.

9

Mit dem hiergegen am 23. Mai 2012 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe mit dem Versicherten Jahrzehnte zusammengelebt. Der Versicherte habe wegen der hohen Kosten eine Hochzeit (mit vielen Gästen) gescheut. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei von einer etwaigen lebensbedrohlichen oder bösartigen Erkrankung nichts bekannt gewesen. Die notwendige Dialyse sei seit Jahren bekannt gewesen. Die Eheschließung sei Ausdruck einer gemeinsamen Zukunft auch dadurch gewesen, dass im Juni 2011 von den Eheleuten ein Auto gekauft worden sei, obwohl sie - die Klägerin - keine Fahrerlaubnis habe. Die Todesursache sei ein plötzliches Herzversagen gewesen.

10

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2012 als unbegründet zurück. Ein Anspruch der Klägerin auf Witwenrente nach § 46 SGB VI bestehe nicht. Besondere Umstände, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen könnten, seien von der Klägerin nicht ausreichend dargelegt worden. Insbesondere die Tatsache, dass die Klägerin mit dem Versicherten bereits viele Jahre in einer "Lebenspartnerschaft" gelebt habe, könne die Annahme einer Versorgungsabsicht nicht ohne weiteres entkräften. Die Angabe, es habe im Zeitpunkt der Heirat weder Anzeichen noch irgendwelche Hinweise auf eine potentiell lebensbedrohliche Erkrankung gegeben bzw. darauf, dass eine solche in absehbarer Zeit habe auftreten können, werde durch die Angaben des behandelnden Arztes widerlegt.

11

Hiergegen hat die Klägerin am 13. November 2012 vor dem Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Bei dem Versicherten habe ein komplexes Erkrankungsbild vorgelegen. Der tatsächlich eingetretene Verlauf mit einer plötzlichen Zustandsverschlechterung sei indes nicht vorherzusehen gewesen. Auch der gemeinsame Kauf eines Neuwagens im Frühjahr 2011 belege, dass beide Eheleute davon ausgegangen seien, noch lange Zeit eines gemeinsamen Lebens vor sich zu haben. Sie hat auf den an sie gerichteten Befundbericht des Hausarztes des Versicherten, des Facharztes für Allgemeinmedizin U., vom 18. Januar 2013 verwiesen, in dem im Wesentlichen ausgeführt wird, der Versicherte sei dort seit Oktober 2001 in regelmäßiger ärztlicher Behandlung gewesen. Dieser habe eine Vielzahl internistischer Erkrankungen gehabt. Die plötzliche Zustandsverschlechterung sei nicht vorherzusehen gewesen. Der Versicherte sei zuletzt wegen einer Gangrän der rechten Großzehe stationär chirurgisch im Diakoniekrankenhaus S. versorgt worden. Im Rahmen dieser Behandlung sei es zu einer progredienten Zustandsverschlechterung bis zum Tod gekommen. Der Tod sei unvorhersehbar gewesen. Der Versicherte habe noch im Herbst 2011 seine Landwirtschaft eigenständig betrieben, das Heu gemacht, Holz gespalten und sei Trecker gefahren. Er sei bis zuletzt noch selbstständig in die Praxis gefahren und habe mit seiner Frau die Einkäufe erledigt.

12

Nach dem von der Klägerin im Klageverfahren vorgelegten Arztbrief des Facharztes für Innere Medizin, Pneumologie und Allergologie Dr. G. vom 13. April 2011 lag bei dem Versicherten eine chronische Niereninsuffizienz im Stadium V (vollständiger Ausfall der Nieren) vor. Röntgenographisch sei "kein sicherer Tumornachweis" gegeben. Es liege offensichtlich eine erhebliche Überwässerung infolge ineffektiver Dialyse (vom Patienten selbst verantwortet) vor. Die Multimorbidität des Versicherten verbiete einen ambulanten endoskopischen Eingriff. Am 28. April 2011 wurde der Versicherte im A. Diakoniekrankenhaus S. nach dem an Herrn U. adressierten Verlegungsbericht dieser Einrichtung vom 3. Mai 2011 auf Grund einer Einweisung der behandelnden Ärztin für Nephrologie wegen des Verdachts auf eine parahiläre Raumforderung der Bronchien beidseits aufgenommen. Der Versicherte sei auf die Intensivstation übernommen worden. Dem Arztbrief des Internisten Dipl.-Med. P. vom 3. Juli 2011 ist zu entnehmen, den Zustand des Versicherten könne man mit einer Endlosschleife vergleichen. Infolge seiner penetranten Uneinsichtigkeit larviere er sich durch Verweigerung der notwendigen Ultrafiltrationsmenge selbst in diese Zustände der Überwässerung. Da der Versicherte eine ordentliche Behandlung mit seiner Unterschrift abgelehnt habe, werde der Kreislauf von Überwässerung und stationärer Krankenhausaufnahme wohl so weitergehen. Aus dem ebenfalls von der Klägerin an das Gericht übersandten Verlegungsbericht des A. Diakoniekrankenhauses S. vom 25. Juli 2011 ist zu entnehmen, anamnestisch sei bei dem Versicherten ein Zustand nach Blutung aus dem linken Oberlappenbronchus im Mai 2011 bekannt. Damals sei dieser notfallmäßig nach Sch. verlegt worden. Der von der nun behandelnden Einrichtung geäußerte Verdacht auf ein malignes Geschehen habe sich laut telefonischer Auskunft nicht bestätigt. Klinisch habe sich der Versicherte am 23. Juli 2011 in einem etwas eingeschränkten Allgemeinzustand mit diskreten Unterschenkelödemen und einem vesikulären Atemgeräusch gezeigt. Im Vergleich zu den Voraufnahmen vom Mai 2011 habe sich eine gute Regredienz der Pleuroergüsse und der Konsolidierungen ergeben. Es bestünden ein progredientes Infiltrat im Bereich der Lingula und vermehrte Konsolidierungen des linken Unterlappens, am ehesten in Form einer Einblutung (mit einer Pneumonie als Differentialdiagnose). Der Versicherte habe in deutlich gebessertem Allgemeinzustand in die Häuslichkeit entlassen werden können. Ein Sauerstoffkonzentrator sowie Stahldruckflaschen für die Häuslichkeit seien bei persistierender respiratorischer Partialinsuffizienz verordnet worden.

13

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. Juli 2015 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Witwenrente. Es liege keiner der von der Rechtsprechung angenommenen Gründe, durch die sich die gesetzliche Vermutung in § 46 Abs. 2a SGB VI widerlegen lasse, vor. Der Versicherte habe vielmehr unter einer lebensbedrohlichen Erkrankung in Form einer dialysepflichtigen Nierenerkrankung im Stadium V gelitten. Angesichts seiner Uneinsichtigkeit habe der Versicherte gewusst, dass sein Verhalten zum Tode führen würde. Die Bescheinigung des Hausarztes vom 18. Januar 2013 sei schlicht eine Gefälligkeitsbescheinigung. In Bezug auf die Angaben der Klägerin zu den Aktivitäten des Versicherten im Herbst 2011 sei zu berücksichtigen, dass sich dieser überwiegend im Krankenhaus befunden habe.

14

Gegen das ihr am 10. August 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. September 2015 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie habe von einem behaupteten lebensbedrohlichen Zustand des Versicherten nichts gewusst. Das Ableben des Versicherten sei für sie überraschend gewesen. Sie hat sich auf einen weiteren Befundbericht von Herrn U. (adressiert an den Prozessbevollmächtigten: "Lieber M.") vom 23. Oktober 2016 gestützt. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 208 bis 214 Bd. II der Gerichtsakten verwiesen. Der Versicherte habe schließlich ihrem Drängen, die Ehe mit ihr zu schließen, nachgegeben, um ihr diesen Gefallen zu tun. Sie seien am Tag der Hochzeit allein gewesen. Eine Feier mit Familienangehörigen oder Freunden habe nicht stattgefunden. Der Senat habe hier sein Ermessen auszuschöpfen und dürfe nicht einer restriktiven Auslegung des § 46 Abs. 2a SGB VI zu ihren Lasten folgen.

15

Die Klägerin beantragt,

16

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 21. Juli 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr große Witwenrente ab dem 1. Februar 2012 zu gewähren.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

20

Von Seiten des Berichterstatters ist die Klägerin mit Richterbrief vom 12. Januar 2016 gebeten worden, Nachweise über ihr Einkommen und Vermögen und das Testament des Versicherten vorzulegen. Hierzu hat die Klägerin insbesondere das Testament aus dem Jahr 2004, das sie als Alleinerbin ausweist, und das Verkehrswertgutachten für das Grundeigentum des Versicherten vom 13. Dezember 2012 (Verkehrswert 44.000,00 EUR) übersandt.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

22

Die Berufung ist unbegründet.

23

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Witwenrente. Der dieses Begehren ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

24

Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Witwenrente ist nach § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen.

25

Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, da der Versicherte zum Zeitpunkt seines Todes die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllte und die Klägerin - seine Witwe - nicht wieder geheiratet hat.

26

Unter den genannten Voraussetzungen haben Witwen nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung Anspruch auf die unbefristet zu leistende große Witwenrente, insbesondere wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Auch diese Voraussetzung erfüllt die im Jahr 1937 geborene Klägerin bei dem hier im Januar 2012 eingetretenen Todesfall.

27

Die Witwenrente wird nach § 99 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind; sie wird vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist. Da der Versicherte zum Zeitpunkt seines Todes im Bezug von Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung stand, ist hier als Rentenbeginn auf den Beginn des auf den Tod des Versicherten folgenden Monats abzustellen, d.h. den 1. Februar 2012.

28

Nach § 46 Abs. 2a SGB VI besteht ein Anspruch auf Witwenrente nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, nach den besonderen Umständen des Falles ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Ein Ermessen ist weder dem Senat noch dem Rentenversicherungsträger in der Anwendung dieser Norm eingeräumt.

29

Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten hat hier vom 14. April 2011 bis zum 1. Januar 2012, d.h. nicht mindestens ein Jahr, sondern lediglich etwa achtundeinhalb Monate angedauert. Soweit die Ausführungen der Klägerin zu ihrem eheähnlichen Zusammenleben mit dem Versicherten dahingehend verstanden werden sollen, dass der Gesamtzeitraum des Zusammenlebens als Ehedauer zugrunde zu legen sein soll, ist dafür rechtlich kein Raum. Im Rahmen der Prüfung des gesetzlichen Tatbestandes des § 46 Abs. 2a SGB VI ist nur die Ehe im Rechtssinne maßgebend. Der Kreis der Berechtigten einer Hinterbliebenenrente ist in § 46 SGB VI abschließend geregelt und in verfassungsrechtlich zulässiger Weise auf Überlebende einer wirksam geschlossenen Ehe und gleichgeschlechtliche Partner einer Lebenspartnerschaft beschränkt (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 17. November 2010 - 1 BvR 1883/10 -, juris). Ein eheähnliches Zusammenleben von wie immer gearteter Intensität kann damit nicht als Ehe im Rechtssinne gewertet werden.

30

Auf Grund der gesetzlichen Vermutung in § 46 Abs. 2a SGB VI wird damit zunächst unterstellt, dass die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung war und somit ein Anspruch auf Witwenrente ausscheidet. Dieser mit Wirkung vom 1. Januar 2002 durch das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung des kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens vom 21. März 2001 (BGBl. 2001 I S. 403) eingeführten Vorschrift entsprechen vergleichbare Regelungen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, der Kriegsopferversorgung sowie in den Vorschriften über die Beamtenversorgung (vgl. hierzu das Urteil des erkennenden Senats vom 20. September 2007 - L 3 RJ 126/05 -, NZA-RR 2008, 207, 208). Hierdurch soll ein Anspruch auf Witwen- bzw. Witwerrente bei einer Versorgungsehe ausgeschlossen sein, wenn zumindest überwiegendes Ziel der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung ist. Dabei wird unterstellt, dass dies regelmäßig der Fall ist, wenn ein Ehegatte innerhalb eines Jahres nach Eheschließung verstirbt (vgl. die Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache 14/4595 S. 44).

31

Objektive Umstände, wie z.B. der Eintritt eines Unfalltodes, das mit der erfolgten Eheschließung sichergestellte Sorgerecht für gemeinsame Kinder oder die Legitimation einer vorher nach deutschem Eherecht ungültigen Ehe (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R -, BSGE 103, 99 ff.; Urteil des erkennenden Senats vom 20. September 2007, a.a.O.) lassen Rückschlüsse auf eine überwiegend nicht in Versorgungsabsicht erfolgte Eheschließung zu. In diesem Zusammenhang sprechen für solche objektiven Umstände u.a. auch ein vor der Diagnose der zum Tod des Versicherten führenden Erkrankung feststehender Hochzeitstermin (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 15. Juni 2010 - L 7 R 58/09 -, juris). Anerkannt sind zudem überwiegende religiöse Motive für eine Legitimation des Zusammenlebens (vgl. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (OVG), Beschluss vom 28. Oktober 2004 - 1 Bf 189/04 -, NVwZ-RR 2006, 196) oder der Wunsch, dem Partner neuen Lebensmut in der Überwindung einer Erkrankung zu geben (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 7. März 2007 - L 8 R 207/06 - NZS 2007, 665 (nur Leitsatz), juris; Urteil des erkennenden Senats vom 20. September 2007, a.a.O.). Dabei hat der Senat insoweit die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten zu berücksichtigen. Die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe sind in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (vgl. zu diesem Maßstab, BSG, Urteil vom 3. September 1986 - 9a RV 8/84 -, BSGE 60, 204, 206 und Urteil vom 5. Mai 2009, a.a.O.).

32

Nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles ist nicht die Annahme gerechtfertigt, dass die Ehe der Klägerin zu einem hinreichend ins Gewicht fallenden Umfang zu einem anderen Zweck als dem der Hinterbliebenenversorgung geschlossen wurde. Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung der Versorgungsehe erfordert nach § 202 SGG, § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils anhand objektiver Feststellungen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, a.a.O.). Bei der abschließenden Gesamtbewertung müssen diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, dann aber umso gewichtiger sein, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung war (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, a.a.O.).

33

Der multimorbide Versicherte war bereits im Jahr 2010 diversen operativen Maßnahmen ausgesetzt, die für sich genommen jeweils Zustände betrafen, die den Tod des hoch betagten Versicherten erwarten ließen. Zu nennen sind insbesondere die "hochgradig karzinomsuspekte Neubildung" im Dickdarm, die terminale Niereninsuffizienz ohne adäquate Dialyse, die Lungenerkrankung, die auf Grund der Multimorbidität des Klägers nicht im Rahmen einer Operation abschließend einem Befund zugeordnet werden konnte, und die Überbelastung des Herzens durch die unzureichende Dialyse, die schließlich nach der Todesbescheinigung zum Tod des Versicherten führte. Der vorliegende Fall weist im Übrigen die Besonderheit auf, dass der Versicherte durch sein Verhalten nach Auffassung von Dipl.-Med. P. Einfluss auf sein Ableben genommen hat und dieser Arzt den Versicherten von diesem Verlauf schriftlich in Kenntnis gesetzt hatte. Zum Zeitpunkt der Eheschließung stand die Krankenhausaufnahme des Versicherten zur weiteren Abklärung des Lungenbefundes unmittelbar bevor. Weniger als zwei Wochen nach der Eheschließung wurde die Krankenhausbehandlung schließlich im Rahmen der intensivmedizinischen Versorgung durchgeführt, sodass der Senat es für ausgeschlossen hält, dass die Klägerin, wie im Klage- und Berufungsverfahren vorgetragen, bis zum Tod des Versicherten nichts von einem lebensbedrohlichen Zustand des Versicherten gewusst haben will. Der Versicherte hatte mehrfach vor der Eheschließung Zustände des "Bluthustens", die im Zusammenleben nicht verborgen bleiben. Die von der Klägerin beschriebenen alltäglichen Verrichtungen (Heu machen etc.) lassen sich vor dem Hintergrund der von fachärztlicher Seite beschriebenen Uneinsichtigkeit des Versicherten ohne weiteres mit dessen schlechtem Gesundheitszustand in Übereinstimmung bringen. Wenn man das Vorbringen der Klägerin zugrunde legen würde, hätte selbst die Amputation des rechten Beines in ihr keine Ahnung des bevorstehenden Ablebens des Versicherten hervorgerufen. Das hält der Senat nicht für nachvollziehbar. Diese Maßnahme ist zwar nach der Eheschließung durchgeführt worden, war aber konsequente Folge des sich rapide verschlechternden Gesundheitszustands des Versicherten und belegt, dass auch die Angaben zu den vor der Eheschließung maßgebenden Umstände hier kritisch zu würdigen sind. In der Bewertung der Bescheinigungen des Hausarztes des Versicherten schließt sich der Senat der Einschätzung des Sozialgerichts an, dass hier versucht werden sollte, die Klägerin in ihrem Begehren zu unterstützen. Das von Herrn U. am 16. März 2012 erstellte Krankenblatt des Versicherten weist insbesondere für den 13. April 2011 als eine der Diagnosen die ICD-10 C18.7 (Bösartige Neubildung: Colon Sigmoideum) aus.

34

Die Anforderungen an die Gründe, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, müssten vor dem Hintergrund des sehr schlechten Gesundheitszustands des Versicherten vor der Eheschließung hier von ganz erheblichem Gewicht sein, um die gesetzliche Vermutung zu entkräften. Der Senat hat sich gemessen an diesen Anforderungen nicht von hinreichend gewichtigen anderen Gründen für die Eheschließung neben denjenigen der finanziellen Absicherung der Klägerin überzeugen können.

35

In tatsächlicher Hinsicht bestand bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Eheschließung ein erheblicher Versorgungsbedarf. Ohne die Eheschließung stand ihr bei einem Versterben des Versicherten die Heranziehung zur Erbschaftsteuer bevor. Zudem stand fest, dass sie den pflichtteilsberechtigten Sohn des Versicherten auszahlen musste. Nach den Angaben der Klägerin stand hierzu kein anderes Vermögen als das von ihnen bewohnte Haus und das Auto zur Verfügung. Die eigenen Renten der Klägerin lagen knapp oberhalb des Existenzminimums. Soweit die Klägerin angegeben hat, der Versicherte habe ihr einen Gefallen tun wollen, ist dieses Motiv nicht deutlich von dem Wunsch einer finanziellen Absicherung abzugrenzen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Versorgung und finanzielle Absicherung des Lebensgefährten kein von diesem Motiv abgrenzbarer oder negativ zu bewertender Antrieb für eine Eheschließung und damit mit einer Heirat, um der langjährigen Lebensgefährtin eine Freude zu bereiten, ohne weiteres vereinbar. Auch andere Gesichtspunkte, wie z.B. der ggf. höher bewertete gesellschaftliche Status der Ehefrau, sind partiell durch die finanzielle Verbindung der Ehepartner beeinflusst. Ein Grund für den hier gewählten konkreten Zeitpunkt der Eheschließung, der die Ahnung des bevorstehenden Ablebens des Versicherten völlig in den Hintergrund treten lassen könnte, ist nicht angegeben worden. Die gemeinsame Anschaffung eines Kraftfahrzeuges ist der einzige Aspekt, der hier in Bezug auf eine gemeinsame Zukunftsplanung der Eheleute vorgebracht worden ist. Da es sich bei einem Neuwagen um ein gut verwertbares Wirtschaftsgut handelt - im vorliegenden Fall durch die Veräußerung an den Sohn der Klägerin - und der Versicherte, wie von der Klägerin wiederholt betont, sein Leben bis zuletzt in Bezug auf seine Alltagsaktivitäten ausschöpfen wollte, lässt sich die Anschaffung ebenso einem letzten Wunsch des Versicherten zuordnen. Eine genauere Festlegung ist insoweit nicht mehr möglich.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

37

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.


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(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

(1) Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

(2) Eine Hinterbliebenenrente wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Sie wird bereits vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist. Eine Hinterbliebenenrente wird nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet.

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

Gründe

1

Die Beschwerdeführerin begehrt die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund des Todes ihres nichtehelichen Lebensgefährten.

I.

2

Die im Februar 1960 geborene Beschwerdeführerin hatte mit ihrem am 30. November 2004 verstorbenen Lebensgefährten nach eigener Darstellung bis zu dessen Tod sechzehn Jahre zusammengelebt. Der Beziehung entstammt eine im Mai 2000 geborene Tochter. Die Beschwerdeführerin und ihr Lebensgefährte schlossen am 15. Juli 2004 nach buddhistischem Zen-Ritus in Frankreich eine Ehe. Nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin beabsichtigten sie auch eine standesamtliche Eheschließung, die auf den 21. Februar 2005 terminiert gewesen sei.

3

Nach dem Tod ihres Lebenspartners beantragte die Beschwerdeführerin im Dezember 2004 eine Witwenrente beim zuständigen Rentenversicherungsträger. Dieser lehnte den Antrag unter Hinweis auf die fehlende Witweneigenschaft im Sinne von § 46 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos.

4

Die hiergegen gerichtete Klage wurde vom Sozialgericht mit angegriffenem Urteil abgewiesen. Das Landessozialgericht lehnte sodann die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren mit angegriffenem Beschluss mangels Erfolgsaussichten ab. Die Berufung selbst wurde vom Landessozialgericht mit nicht vorgelegtem und nicht angegriffenem Beschluss zurückgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundessozialgericht mit angegriffenem Beschluss als unzulässig verworfen, weil sie keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung benannt habe und auch nicht die Klärungsbedürftigkeit des von ihr angesprochenen Fragekomplexes dargelegt habe.

5

Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin, dass die Gerichte den Begriff der "Witwe" in einer mit Art. 6 GG in Verbindung mit Art. 8 EMRK nicht zu vereinbarenden Weise ausgelegt hätten. Zwar verstünden die deutschen Gesetze, wenn sie den Begriff "Witwe" oder "Witwer" verwenden, durchweg die Überlebenden aus einer formal geschlossenen Ehe. Eine davon abweichende Auslegung gebiete aber der fürsorgerische Gedanken, der auch Überlebende aus einer nichtehelichen Partnerschaft als schutzbedürftig erscheinen lasse, der verfassungsrechtliche Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG, der nicht nur ehelich begründete Familien umfasse, sowie Art. 8 EMRK, der auch faktische Beziehungen schütze. In dieselbe Richtung weise auch Art. 23 Abs. 1 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte. Dass eine verfassungskonforme Interpretation des Begriffs "Witwe" jede überlebende Partnerin einer familiären Beziehung unabhängig vom bürgerlich rechtlichen Familienstand jedenfalls dann erfasse, wenn sie zugleich Mutter eines gemeinsamen Kindes sei, ergebe sich zudem aus Art. 6 Abs. 4 und Abs. 5 GG. Bei einer anderen Auslegung des Witwenbegriffs stelle sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen. Die Verweigerung einer Witwenrente verstoße darüber hinaus gegen Art. 14 EMRK und Art. 1 des 12. Zusatzprotokolls zur EMRK.

II.

6

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

7

1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landessozialgerichts über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren richtet, ist sie verfristet (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Der Beschluss ist am 9. Dezember 2009 beim Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin eingegangen; die Verfassungsbeschwerde ist indes erst am 22. Mai 2010 erhoben worden.

8

2. Die Verfassungsbeschwerde ist - unbeschadet der Beantwortung weiterer Zulässigkeitsfragen - unbegründet, soweit sie sich gegen die Sachentscheidung des Sozialgerichts richtet. Die Auslegung des Begriffs "Witwe" in § 46 SGB VI durch das Sozialgericht dahingehend, dass nur die Überlebende einer zivilrechtlich geschlossenen Ehe hierunter zu verstehen sei, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

9

a) Das Bundesverfassungsgericht prüft die Auslegung und die Anwendung einfachen Rechts nur darauf, ob sie Auslegungsfehler enthält, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der betroffenen Grundrechte beruhen, und ob sie willkürlich ist (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 85, 248 <257 f.>; 108, 351 <365>).

10

b) Dies ist hier nicht Fall. Zum einen ist die Auslegung des Sozialgerichts nicht willkürlich. Die Beschwerdeführerin geht selbst und zu Recht davon aus, dass die deutschen Gesetze - hier konkret § 46 SGB VI - unter "Witwe" nur den Überlebenden einer - hier unstreitig nicht vorliegenden - zivilrechtlich wirksam geschlossenen Ehe verstehen (vgl. etwa BSGE 53, 137 <138>; BSG, Urteil vom 30. März 1994 - 4 RA 18/93 -, NJW 1995, S. 3270 <3271>; Löns, in: Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl. 2008, § 46 Rn. 4). Diese Auslegung des einfachen Rechts liegt auch der Rechtsprechung der Bundesverfassungsgerichts zugrunde (vgl. BVerfGE 112, 50 <65>).

11

c) Sie ist zum anderen auch mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass es dem Gesetzgeber wegen des besonderen verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe, den Art. 6 Abs. 1 GG anordnet, nicht verwehrt ist, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen (vgl. BVerfGE 6, 55 <76>; 105, 313 <348>; 124, 199 <225>; BVerfGK 12, 169 <175, 177>). Dies gilt insbesondere im Verhältnis der Ehe zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften (vgl. BVerfGE 117, 316 <327>); sie fallen nicht unter den Begriff der Ehe (vgl. BVerfGE 36, 146 <165>; 82, 6 <15>; 112, 50 <65>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. Juli 2003 - 1 BvR 1587/99 -, NJW 2003, S. 3691). Daher ist es gerechtfertigt, die Partner im Falle der Auflösung der Ehe durch Tod besser zu stellen als Menschen, die in weniger verbindlichen Paarbeziehungen zusammenleben (vgl. BVerfGE 124, 199 <225>). Dem entspricht die Nichteinbeziehung von überlebenden nichtehelichen Lebensgefährten in die Hinterbliebenenrente der gesetzlichen Rentenversicherung.

12

d) Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 6 Abs. 4 und Abs. 5 GG, deren Verletzung die Beschwerdeführerin rügt. Art. 6 Abs. 4 GG betrifft nur Situationen, in denen die Mutter Nachteile erleidet, die auf ihre Mutterschaft zurückzuführen sind (vgl. BVerfGE 60, 68 <74>), nicht aber Regelungen für Sachverhalte, die nicht allein Mütter betreffen (vgl. BVerfGE 87, 1 <42>; 94, 241 <259>; Aubel, Der verfassungsrechtliche Mutterschutz, 2003, S. 177 ff.). Der Ausschluss nichtehelicher Partner von der Hinterbliebenenrente in § 46 SGB VI knüpft aber weder an die Mutterschaft an noch betrifft er ausschließlich Mütter. Art. 6 Abs. 5 GG schließlich begünstigt nur nichteheliche Kinder, nicht aber deren Eltern (vgl. BVerfGE 79, 203 <209>; 112, 50 <67>).

13

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 3. März 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer großen Witwenrente aus der Versicherung des K... G...

2

Die 1954 geborene Klägerin war nach eigenen Angaben seit vielen Jahren mit dem Versicherten bekannt, als sie im April des Jahres 1994 eine Liebesbeziehung mit ihm einging. Zu dieser Zeit und in den folgenden Jahren waren die Klägerin und der verstorbene Versicherte bei demselben Arbeitgeber, einem Reinigungsunternehmen, beschäftigt. Ab dem 1. September 2003 lebte die Klägerin mit dem Versicherten gemeinsam in einer Wohnung, und zwar zunächst in K..., in der R... und ab dem 1. Dezember 2004 im M...

3

Im März des Jahres 2005 wurde bei dem Versicherten ein „tiefsitzendes, hepatisch in alle Segmente metastasiertes“ Rectumkarzinom diagnostiziert. Daraufhin wurde am 17. März 2005 eine Rektumamputation durchgeführt und es wurde ein so genannter künstlicher Darmausgang gelegt. Bei der Operation bestätigte sich der bereits zuvor bestehende Verdacht, dass Metastasen in der Leber vorlagen, die nicht zu operieren waren. Anschließend wurde eine palliativ ausgerichtete Chemotherapie durchgeführt. In der Folge traten Komplikationen, wie gehäuft schwere Infekte der Atemwege und des Verdauungstrakts sowie eine Lungenarterienembolie, auf. Wegen der Lungenarterienembolie wurde der Versicherte vom 19. bis zum 22. Juli 2005 im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein stationär behandelt. Für die Zeit ab dem 1. August 2005 wurden dem Versicherten Leistungen aus der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I gewährt. Ebenfalls am 1. August 2005 stellten die Klägerin und der Versicherte nach eigenen Angaben Erkundigungen zu den zuständigen Standesämtern an. Unter dem 21. Oktober 2005 und dem 25. Oktober 2005 ließen sie sich durch die zuständigen Standesämter Abstammungsurkunden ausstellen. Die palliative Chemotherapie konnte nach dem 6. Dezember 2005 aufgrund therapiebedingter Blutbildveränderungen und anschließend wegen auftretender Infektionen nicht mehr fortgesetzt werden. Am 2. Januar 2006 schlossen die Klägerin und der Versicherte die Ehe. Zu diesem Zeitpunkt bezog die Klägerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 15. Januar 2006 wurde der Versicherte mit beginnendem Leberversagen in das Städtische Krankenhaus Kiel aufgenommen. Er wurde zunehmend kraftloser, trübte ein und verstarb schließlich am 20. Januar 2006.

4

Am 2. Februar 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des verstorbenen Versicherten. In dem dazu von der Beklagten vorgelegten Formblatt gab die Klägerin an, dass die Heirat zur Sicherung der erfolgten Betreuung bzw. Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt und dass der Tod des Ehegatten bei Eheschließung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten gewesen sei.

5

Die Beklagte zog das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Schleswig-Holstein zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 28. September 2005 bei und lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 14. März 2006 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass kein Anspruch auf Witwenrente bestehe, da die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe und keine besonderen Umstände des Falles nachgewiesen seien, die die Annahme nicht rechtfertigten, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Insbesondere folgende „besondere Umstände“ sprächen gegen eine Versorgungsehe:

6

- plötzlicher unvorhersehbarer Tod (z. B. Arbeits-/Verkehrsunfall, Verbrechen, Infektionskrankheit),
- Heirat zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des anderen Ehegatten, wenn der Tod des Ehegatten auf absehbare Zeit nicht zu erwarten war,
- die tödlichen Folgen einer Krankheit waren bei Eheschließung nicht vorhersehbar,
- Nachholung einer gültigen deutschen Trauung durch hier in ungültiger – nach ausländischem Recht gültiger – Ehe lebende Ausländer,
- Vorhandensein gemeinsamer leiblicher Kinder bzw. Schwangerschaft,
- Erziehung eines minderjährigen Kindes des verstorbenen Versicherten durch den Hinterbliebenen.

7

Derartige Umstände seien hier nicht bewiesen.

8

Zur Begründung des dagegen am 3. April 2006 eingelegten Widerspruchs machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass sie vor der Eheschließung bereits längere Zeit in eheähnlicher Gemeinschaft mit dem Versicherten gelebt habe. Sie sei bereits seit April 1994 mit dem Verstorbenen liiert gewesen und habe seit dem 1. September 2003 mit ihm in einer Wohnung zusammengelebt. Dazu nimmt die Klägerin auf eine Kopie aus einem Mietvertrag Bezug. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am 2. Januar 2006 sei es für sie und ihren Ehemann auch nicht erkennbar gewesen, dass er noch im selben Monat ins Krankenhaus kommen und sodann am 20. Januar 2006 versterben werde. Eine verlässliche medizinische Diagnose des Sterbezeitpunktes habe nicht vorgelegen. Damit sei die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe durch entgegenstehende äußere Umstände widerlegt. Daraufhin holte die Beklagte einen Befund- und Behandlungsbericht des Arztes für Allgemeinmedizin C... vom 20. Juni 2006 ein, dem Arztbriefe des Städtischen Krankenhauses K... vom 1. April 2005, des Arztes für Innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie Dr. B... vom 9. Mai 2005 sowie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Klinik für Allgemeine Innere Medizin, vom 22. Juli 2005 beigefügt waren. Ferner zog die Beklagte Arztbriefe des Städtischen Krankenhauses Kiel vom 24. Mai 2005 und vom 2. März 2006 bei. Die medizinischen Unterlagen ließ die Beklagte durch den Arzt für innere Medizin Dr. Walther auswerten.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Nach der gesetzlichen Regelung des § 46 Abs. 2a SGB VI sei zu vermuten, dass beim Tod eines Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung gewesen sei. Die Widerlegung der Rechtsvermutung erfordere den vollen Beweis des Gegenteils. Die Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen habe ergeben, dass zum Zeitpunkt der Heirat am 2. Januar 2006 zweifellos zu erkennen gewesen sei, dass das Ableben des Versicherten innerhalb eines Jahres zu erwarten gewesen sei. Durch das Tumorleiden sei es zu einer derartigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes gekommen, dass ein längeres Überleben ausgeschlossen gewesen sei. Die Klägerin habe seit dem 1. September 2003 mit dem Versicherten in einer gemeinsamen Wohnung gelebt. Die Heirat am 2. Januar 2006 sei zum Zweck ihrer Versorgung erfolgt, da ein anderer Grund für die Eheschließung zu diesem Zeitpunkt gerade im Hinblick auf die lange Bekanntschaft seit 1994 und das bereits seit drei Jahren bestehende eheähnliche Zusammenleben nicht ersichtlich sei. Auch die konkreten Umstände der Eheschließung sprächen für eine Versorgungsehe. Die Heirat sei erst erfolgt, nachdem beim Versicherten ein Zustand, der nicht mehr behandlungsfähig gewesen sei, festgestellt worden sei. Es sei als entscheidend anzusehen, ob sich die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann im Zeitpunkt der Heirat bzw. des Heiratentschlusses über den grundsätzlich lebensbedrohlichen Charakter der Erkrankung im Klaren gewesen seien. Nicht erforderlich sei die Erkenntnis der Unheilbarkeit der Krankheit. Nach dem dargestellten Krankheitsverlauf und den Umständen des Einzelfalls habe sich die Klägerin über den lebensbedrohlichen Charakter der Erkrankung im Klaren gewesen sein müssen.

10

Dagegen hat sich die Klägerin mit der am 26. September 2006 beim Sozialgericht Kiel eingegangenen Klage gewandt und zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Sie sei bereits seit April 1994 mit dem Versicherten liiert gewesen und habe seit dem 1. September 2003 mit ihm zusammengelebt. Weder für sie noch für den Versicherten sei zum Zeitpunkt der Eheschließung am 2. Januar 2006 erkennbar gewesen, dass der Ehemann bereits am 20. Januar 2006 versterben werde. Aus dem Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Schleswig-Holstein vom 28. September 2005 ergebe sich ein zu prognostizierender Sterbezeitpunkt nicht. Im Gegenteil sei eine erheblich eingeschränkte Alterskompetenz (richtig: Alltagskompetenz) ausdrücklich verneint worden. Veränderungen der Pflegesituation des Versicherten seien nicht empfohlen worden und der begutachtende Arzt habe prognostisch betont, dass die Entwicklung des Pflegebedarfs nicht abschließend zu beurteilen sei. Eine Nachuntersuchung sei schließlich für September 2006 empfohlen worden. Genau diese ärztliche Erkenntnis habe auch ihrer Erkenntnis im Zeitpunkt der Eheschließung entsprochen. Damit seien bei Eheschließung die tödlichen Folgen der Erkrankung weder für sie noch für den Versicherten absehbar gewesen. Auf die Frage, ob dies für einen Arzt erkennbar gewesen wäre, könne es im vorliegenden Zusammenhang nicht ankommen. Weder ihr noch ihrem verstorbenen Ehemann seien ärztlicherseits entsprechende Mitteilungen vor der Eheschließung am 2. Januar 2006 gemacht worden. Dies könnten die den Versicherten behandelnden Ärzte C..., Dr. B... sowie der Chefarzt des Städtischen Krankenhauses K... bestätigen. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Chemotherapie bis zur endgültigen Ausheilung einer schweren Bronchitis unterbrochen worden sei und zwar ohne akute nachteilige Folgen für den Versicherten. Dies ergebe sich aus dem Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 28. September 2005. Was mit dem Versicherten hinsichtlich irgendwelcher Operationen besprochen worden sei, könne sie nicht beurteilen. Mit ihr sei derartiges jedenfalls nicht besprochen worden.

11

Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

12

den Bescheid der Beklagten vom 14. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr auf ihren Antrag vom 2. Februar 2006 Witwenrente zu gewähren.

13

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Sie hat sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen und ergänzend vorgetragen: Insbesondere aus den im Verwaltungsverfahren beigezogenen Krankenunterlagen sei erkennbar, dass eine ungünstige Prognose bestanden habe. Dies sei der Klägerin und dem Versicherten durch den behandelnden Onkologen, Dr. B..., auch mitgeteilt worden. Auch lasse der Umstand, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Eheschließung Leistungen nach dem SGB II bezogen habe, auf einen Versorgungsbedarf schließen.

16

Mit Gerichtsbescheid vom 3. März 2009 hat das Sozialgericht Kiel die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Da die Ehe vorliegend 19 Tage gedauert habe, greife die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe nach § 46 Abs. 2a SGB VI ein. Diese Vermutung sei vorliegend nicht durch besondere Umstände des Einzelfalls widerlegt. Soweit die Klägerin vortrage, bereits seit 1994 mit dem Verstorbenen liiert gewesen zu sein und seit 2003 eine eheähnliche Lebensgemeinschaft mit dem Verstorbenen geführt zu haben, sei allein darin kein von der Versorgungsabsicht verschiedener Beweggrund zu erkennen, die Eheschließung ausgerechnet am 2. Januar 2006 durchzuführen. Zwar könne das langjährige Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vor der Eheschließung je nach deren Dauer und Ausgestaltung nach den Umständen des Einzelfalls den gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestand erfüllen. Jedoch reiche dabei allein das Bestehen einer langjährigen eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung aus, da dieser Umstand gerade nichts über den Zweck der später erfolgten Eheschließung aussage. Nur in Verbindung mit besonderen Umständen des Einzelfalls könne sich aus einer zuvor bestehenden langjährigen eheähnlichen Lebensgemeinschaft etwas Derartiges ergeben. Andererseits könne aber auch eine langjährig bestehende nichteheliche Lebensgemeinschaft eine bewusste Entscheidung für diese inzwischen gesellschaftlich weitgehend akzeptierte Form des Zusammenlebens darstellen, sodass unter diesen Umständen dem Entschluss, diese Form des Zusammenlebens zu beenden und eine Ehe einzugehen, das Motiv der Sicherung der Hinterbliebenenversorgung des überlebenden Partners zugrunde liegen könne. Zwar könne gegen eine Versorgungsehe auch die Tatsache sprechen, dass der Tod nicht vorhersehbar gewesen sei, bereits vor der Eheschließung eine feste Heiratsabsicht nachweisbar bestanden habe und/oder die Heirat zur Absicherung der Betreuung oder Pflege geschlossen worden sei, wenn mit dem Ableben aufgrund der bekannten gesundheitlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht in absehbarer Zeit habe gerechnet werden müssen. Entscheidend sei dabei aber, ob der Versicherte und die Klägerin aufgrund der ihnen bekannten medizinischen Umstände bei Eheschließung von einem Versterben des Versicherten in absehbarer Zeit ausgegangen seien bzw. hätten ausgehen müssen. Wenn danach keinerlei Anhaltspunkte für die Besorgnis eines vorzeitigen Versterbens des Versicherten bei der Heirat vorgelegen hätten, beständen auch keine Anhaltspunkte für die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe. Vorliegend hätten jedoch Anhaltspunkte für die Besorgnis eines baldigen Versterbens des Versicherten bestanden. Sowohl dem Versicherten als auch der Klägerin sei bewusst gewesen, dass der Versicherte seit März 2005 an einem schweren Krebsleiden gelitten habe. Dem Arztbericht des Dr. B... vom 9. Mai 2005 sei ausdrücklich zu entnehmen, dass dem Versicherten in einem ausführlichen Gespräch die therapeutischen Optionen einschließlich prognostischer Relevanz dargelegt worden seien und dass der Versicherte sich mit einer palliativen Chemotherapie einverstanden erklärt habe. Damit sei dem Versicherten zur Überzeugung der Kammer die infauste Prognose bekannt gewesen. Demzufolge könne auch die Klägerin selbst bei Eheschließung nicht erwartet haben, dass der Versicherte seine Krebserkrankung um zumindest mehr als ein Jahr überleben werde. Auch habe sich die medizinische Situation zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als offen dargestellt. Dem stehe nicht das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Schleswig-Holstein zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 28. September 2005 entgegen. Soweit dem Gutachten zu entnehmen sei, dass die Entwicklung des Pflegebedarfs nicht abschließend zu beurteilen sei und eine Nachuntersuchung im September 2006 empfohlen werde, stelle dies keine günstigere Prognose dar. Vielmehr werde gar keine Prognose angestellt, sondern lediglich die Beobachtung der Entwicklung der Pflegebedürftigkeit empfohlen. Nach alledem erschiene es lebensfremd, dass sich die Klägerin und der Versicherte über die grundsätzliche Lebensbedrohlichkeit des Zustands des Versicherten nicht im Klaren gewesen seien. Der sachliche und zeitliche Zusammenhang zwischen der Terminierung der Eheschließung und der Erkrankung des Versicherten bestätige dies ebenfalls. Die Klägerin und der Versicherte hätten bereits seit September 2003 in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt. Erst als der Versicherte unheilbar erkrankt sei, sei die Ehe eingegangen worden. Konkrete, längere Zeit zurückliegende Hochzeitspläne seien weder vorgetragen noch belegt. Eine übereinstimmende feste Absicht, die Ehe einzugehen, könne in der Zeit vor der Diagnose der Krebserkrankung der Versicherten nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Selbst wenn die Ehe zur Absicherung der Betreuung oder Pflege geschlossen worden sein sollte, habe zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Ableben aufgrund der bekannten gesundheitlichen Verhältnisse in absehbarer Zeit gerechnet werden müssen. Entgegen der Auffassung der Klägerin stellten die zum Zeitpunkt der Eheschließung bezogenen Leistungen nach dem SGB II keine ausreichenden Einkünfte in der Weise dar, dass dadurch die Versorgungsvermutung widerlegt werden könne.

17

Gegen den ihm am 6. März 2009 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit der am 18. März 2009 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchs- und aus dem Klageverfahren wiederholt. Auch nach dem Inhalt der im Berufungsverfahren eingeholten ärztlichen Stellungnahmen hätten sie und der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht von einem Versterben des Versicherten in absehbarer Zeit ausgehen müssen. Prof. Dr. V... von der Chirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses K... habe bestätigt, dass die definitive Lebensdauer eines Patienten mit einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung von keinem Arzt vorhergesagt werden könne. Der Arzt für Allgemeinmedizin C... habe seine Ansicht, dass die Einleitung einer palliativen Chemotherapie geringe Aussicht auf Heilung habe, weder dem Versicherten noch ihr gegenüber geäußert. Der Arzt habe nach Offenbarung der Heiratsabsicht zu einem zügigen Vollzug geraten und zwar unter Hinweis auf möglicherweise langwierige weitere Behandlungen und gesundheitliche Einschränkungen. Auch Dr. B... habe Aussagen zur voraussichtlichen Lebensdauer gerade nicht gemacht.

18

Die Klägerin beantragt,

19

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 3. März 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. März 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2006 aufzuheben und ihr eine Witwenrente zu gewähren.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise Herrn Norbert C..., K..., als Zeugen zu vernehmen zum Beweis der Tatsache, dass der Versorgungsaspekt auch Gegenstand der Besprechung in seiner Praxis gewesen ist (s. Schreiben vom 26. August 2009).

22

Sie trägt im Wesentlichen vor, dass auch nach dem Inhalt der im Berufungsverfahren eingeholten medizinischen Unterlagen vom Vorliegen einer Versorgungsehe auszugehen sei. So bestätigten die behandelnden Ärzte, dass bereits von Beginn an von einer lebensbedrohlichen Erkrankung auszugehen gewesen sei, die lediglich mit einer palliativen Chemotherapie habe behandelt werden können. Entsprechende Aufklärungsgespräche hätten stattgefunden und über das Ausmaß der Erkrankung informiert. So sei der Versicherte über die Metastasierung aufgeklärt worden und darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass eine palliative Vorgehensweise erfolge. Bei Äußerung der Heiratsabsicht sei den künftigen Ehepartnern sogar zu einem „zügigen Vollzug“ geraten worden.

23

Der Senat hat Auskünfte der Chefärztin der Chirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses K..., Prof. Dr. V..., vom 19. August 2009, des Arztes für Allgemeinmedizin C... vom 26. August 2009 und vom 11. Juni 2010 sowie des Arztes für Innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie Dr. B... vom 27. August 2009 und vom 10. Juni 2010 eingeholt.

24

Die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakte haben dem Senat vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zutreffend hat das Sozialgericht entschieden, dass einem Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente, deren rentenrechtliche Voraussetzungen im Übrigen erfüllt sind, die Regelung des § 46 Abs. 2a SGB VI entgegensteht. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Diese Regelung ist durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. b des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (AVmEG) vom 21. März 2001 (BGBl. I S. 403) eingefügt worden und gilt gemäß § 242a Abs. 3 SGB VI nur, wenn die Ehe ab dem 1. Januar 2002 geschlossen wurde. Da die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten am 2. Januar 2006 geschlossen wurde und bis zum Tod des Versicherten am 20. Januar 2006 weniger als ein Jahr gedauert hat, ist der Tatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 1 SGB VI erfüllt. Der Ausschluss vom Anspruch auf Hinterbliebenenrente tritt deshalb nur dann nicht ein, wenn besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, das es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

26

Die gesetzliche Vermutung, nach der es sich bei Ehen, die nicht mindestens ein Jahr gedauert haben, um Versorgungsehen handelt, hat der Gesetzgeber aus entsprechenden Regelungen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs. 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII), im Recht der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz - BVG) und dem Recht der Beamtenversorgung (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG) übernommen. Deshalb kann bei der Auslegung insbesondere des Begriffs der „besonderen Umstände“ auch auf die zu den genannten Vorschriften ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Welche Umstände geeignet sind, als „besondere Umstände“ die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe zu widerlegen, wird in der Rechtsprechung jedoch nicht einheitlich beurteilt.

27

Teilweise wird davon ausgegangen, dass eine länger dauernde nichteheliche Lebensgemeinschaft vor der Eheschließung als besonderer Umstand gegen die Versorgungsvermutung sprechen könne (vgl. Schleswig-Holsteinsiches LSG, Urt. v. 7. März 2007 - L 8 R 207/06). Dem ist jedoch mit dem Sozialgericht entgegenzuhalten, dass einer langjährig bestehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft auch eine bewusste Entscheidung für diese inzwischen gesellschaftlich weitgehend akzeptierte Form des Zusammenlebens zugrunde gelegen haben kann und dass unter diesen Umständen dem Entschluss, diese Form des Zusammenlebens zu beenden und eine Ehe einzugehen, das Motiv der Erlangung der Hinterbliebenenversorgung zugrunde liegen kann (so auch Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 21. März 2007 - L 8 R 112/06; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Mai 2008 - L 21 R 39/05; Bayerisches LSG, Urteil vom 2. Februar 1972 - L 2 U 98/70, Breithaupt 1972, S. 742). Daher kann die gesetzliche Vermutung vorliegend nicht bereits durch die nach Angaben der Klägerin seit 1994 bestehende Liebesbeziehung mit dem Versicherten oder die seit September 2003 bestehende Lebensgemeinschaft widerlegt werden.

28

Der Senat geht mit der in Literatur und Rechtsprechung allgemein vertretenden Auffassung davon aus, dass als Umstand, der gegen eine Versorgungsehe sprechen kann, der unvorhersehbare plötzliche Tod des Versicherten, z. B. durch Unfall oder Verbrechen, anzusehen ist (vgl. Kamprad in: Hauck/Noftz, SGB VI, K § 46 Rz. 38; Butzer in: GK-SGB VI, § 46 Rz. 113; V... in: DAngVers 2001, 434, 435; so ausdrücklich die Gesetzesbegründung zum Altersvermögensgesetz, BT-Drucks. 14/4595, S. 44). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass bei einer fehlenden Vorhersehbarkeit des baldigen Ablebens des Versicherten, die eine Vorplanung der Ehepartner ausschließt, die Vermutung nicht gerechtfertigt ist, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat in der Versorgung des überlebenden Partners zu suchen ist. Deshalb spricht auch das Vorliegen einer konkreten Heiratsabsicht bereits vor dem Auftreten einer lebensbedrohlichen Erkrankung gegen die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe. Entsprechendes gilt nach Auffassung des Senats, wenn die tödlichen Folgen einer Erkrankung zum Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht vorhersehbar oder den Ehepartnern nachweislich nicht bekannt waren (vgl. das Urteil des Senats vom 19. August 2008 - L 7 R 187/07, veröffentlicht in juris). Die fehlende Kenntnis vom bevorstehenden Tod des Versicherten spricht dagegen, dass die Versorgung nach dem Tod ausschlaggebend für die Motivation zur Eingehung der Ehe gewesen ist.

29

Im vorliegenden Fall kann eine übereinstimmende feste Absicht, die Ehe einzugehen, in der Zeit vor der Diagnose der Krebserkrankung des Versicherten im März 2005 nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Zwar hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage angegeben, mit ihrem Ehemann über Heiratsabsichten gesprochen zu haben. Dies ist aus Sicht des Senats jedoch nicht ausreichend, um die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe zu widerlegen. Ob mit dem 2. Senat des BVerwG (Beschluss vom 19.1.2009 - 2 B 14/08, m.w.N.) zu fordern ist, dass sich die Eheschließung als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von dem lebensbedrohlichen Charakter einer Erkrankung bestehenden Heiratsentschlusses darstellt, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls genügt es nicht, dass eine Hochzeit allgemein in Erwägung gezogen wurde (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.6.2009 - L 10 KN 51/06; Bayerisches LSG, Urteil vom 19.8.2009 – L 19 R 587/07 sowie Urteil vom 9.9.2009 – L 13 KN 12/07; wohl a.A.: Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11.5.2009 – L 8 R 162/07). Zu einem konkreten Entschluss, die Ehe zu einem bestimmten Zeitpunkt einzugehen oder gar zu Schritten für die Umsetzung eines solchen Entschlusses, ist es auch nach den Angaben der Klägerin in der Zeit vor der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten im März 2005 nicht gekommen. Vielmehr hat die Klägerin nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung - wenn sie von ihrem Bruder gefragt wurde, ob sie nicht heiraten wolle - angegeben, dass sie „noch Zeit hätten“. Erkundigungen bei den zuständigen Standesämtern, die möglicherweise Hinweise auf eine konkrete Heiratsabsicht geben könnten, hat die Klägerin nach eigenen Angaben im August 2005 und damit mehrere Monate nach der Diagnose der Krebserkrankung angestellt. Die Abstammungsurkunden haben sich die späteren Ehepartner nach Ablauf von zwei weiteren Monaten im Oktober 2005 ausstellen lassen.

30

Zu diesem Zeitpunkt war die unmittelbare Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung des Versicherten nach Überzeugung des Senats bereits offenkundig und auch für den medizinischen Laien nicht mehr zu übersehen. Nach der vom Senat eingeholten Auskunft der Chefärztin der Chirugischen Klinik des Städtischen Krankenhauses K... Prof. Dr. V... vom 19. August 2009 bestand bereits bei der ersten Vorstellung des Klägers in der tumorchirurgischen Ambulanz des Krankenhauses am 1. März 2005 eine fortgeschrittene Krebserkrankung mit Metastasen in der Leber. Bereits zu diesem Zeitpunkt hat ein ausführliches Aufklärungsgespräch mit dem Versicherten stattgefunden. Nach der Rektumamputation und der Anlage eines „künstlichen Darmausgangs“, die am 17. März 2005 erfolgte, wurde der Versicherte durch den damaligen Oberarzt Dr. S... in einem ausführlichen Gespräch über die Metastasierung der Leber und die palliative Therapie bei nicht heilbarer Situation des Tumors aufgeklärt. Weitere aufklärende Gespräche über die Unheilbarkeit und die palliative Ausrichtung der Behandlung sind nach der ebenfalls im Berufungsverfahren eingeholten Stellungnahme des Dr. B... vom 27. August 2009 sowie dem bereits im Widerspruchsverfahren vorliegenden Arztbrief des Dr. B... vom 9. Mai 2005 am 21. April 2005 mit dem Versicherten geführt worden. Zwar kann nicht mehr festgestellt werden, ob die Klägerin bei diesen aufklärenden Gesprächen zugegen war. Es liegt jedoch zumindest nahe, dass sie mit ihrem späteren Ehemann darüber gesprochen hat. Unabhängig davon kann der Klägerin der lebensbedrohliche Zustand des Versicherten spätestens seit dessen stationärer Behandlung im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in der Zeit vom 17. bis zum 22. Juli 2005 wegen Lungenembolie nicht verborgen geblieben sein. Für die deutlich erkennbare Verschlechterung der gesundheitlichen Verfassung des Versicherten spricht auch, dass Leistungen der Pflegeversicherung beantragt und für die Zeit ab 1. August 2005 nach der Pflegestufe I gewährt wurden. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin dargelegt, dass sie die pflegerische Tätigkeit übernommen habe, weil sie mit der Arbeit der professionellen Pflegekräfte unzufrieden gewesen sei. Auch bei der Übernahme der Pflegetätigkeit kann der Klägerin die unmittelbare Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung des Versicherten nicht entgangen sein. Zwar kann nach Auffassung des Senats nicht ausgeschlossen werden, dass gerade nahe Angehörige die Erkenntnis von der Lebensbedrohlichkeit einer Erkrankung verdrängen. Ob es darauf im Zusammenhang mit der Widerlegung der Vermutung nach § 46 Abs. 2a SGB VI ankommen kann, konnte für das vorliegende Verfahren dahingestellt bleiben, weil sich der Senat jedenfalls von dem Vorliegen einer solchen Verdrängung aufgrund der allgemein gehaltenen Behauptung der Klägerin, dass sie noch nicht mit einem so baldigen Tod des Versicherten gerechnet habe, nicht überzeugen konnte. Dabei zieht der Senat die Richtigkeit der Angabe der Klägerin, dass der Versicherte noch im Dezember 2005 „auf dem Dach der Gartenlaube gestanden“ habe, nicht in Zweifel und es mag auch immer wieder Phasen gegeben haben, in denen die unmittelbare Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung weniger deutlich in Erscheinung getreten ist. Auf der anderen Seite ist es nach den vorliegenden Berichten der behandelnden Ärzte in der Zeit der Durchführung der Chemotherapie ab März 2005 und bis zum 6. Dezember 2005 immer wieder zu schweren Komplikationen (schwere Infekte der Atemwege und des Verdauungstraktes sowie die o.g. Lungenarterienembolie) gekommen und nach dem 6. Dezember 2005 konnte die palliativ ausgerichtete Chemotherapie nach der Stellungnahme des Dr. B... vom 10. Juni 2010 aufgrund therapiebedingter Blutbildveränderungen und anschließend wegen einer sich entwickelnden Infektion nicht mehr fortgesetzt werden. Ferner hat der Senat keine Zweifel an der Richtigkeit der Angabe des behandelnden Arztes C..., der auf Nachfrage des Senats mitgeteilt hat, dass der Versicherte bereits im November und Dezember des Jahres 2005 und damit vor der Eheschließung unter ausgeprägter Tumorkachexie, Schwäche und Luftnot gelitten habe. Die Angabe des Arztes C... steht im Einklang mit der Stellungnahme des Dr. B... vom 10. Juni 2006, der auf Nachfrage des Senats angegeben hat, dass der Kläger im November und Dezember des Jahres 2005 krankheits- und therapiebedingt körperlich geschwächt, aber nicht bettlägerig gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann auch dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Schleswig-Holstein zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 28. September 2005 nicht entnommen werden, dass die tödlichen Folgen der Krebserkrankung nicht absehbar gewesen seien. Vielmehr geht der Senat mit dem Sozialgericht davon aus, dass dem Gutachten keine Aussage zur Prognose zu entnehmen ist. Auch aus der Angabe im Gutachten, dass die Alltagskompetenz des Versicherten nicht eingeschränkt sei und dass eine Nachuntersuchung für September 2006 empfohlen werde, kann eine Prognose nicht hergeleitet werden. Das Gutachten bestätigt jedoch, dass der Kräftezustand des Versicherten bereits im September 2005 reduziert war, dass dieser im letzten halben Jahr 24 kg abgenommen hatte (2.3. des Gutachtens) und dass bereits ein Bedarf im Bereich der Grundpflege von insgesamt 59 Minuten pro Tag u.a. bei der Körperwäsche, bei der Zahnpflege, beim Wechseln des Stomabeutels, bei der mundgerechten Zubereitung der Ernährung und beim An- und Auskleiden bestand. Auch daraus, dass die behandelnden Ärzte gegenüber dem Versicherten keine Angaben zur verbleibenden Lebensspanne gemacht haben, kann die Klägerin nichts zur Begründung ihres Anspruchs herleiten. Dass die verbleibende Lebensdauer bei Krebskranken auch im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung generell von keinem Arzt sicher vorhergesagt werden kann, hat die Chefärztin der Chirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses K..., Prof. Dr. V..., in ihrer Stellungnahme vom 19. August 2009 nachvollziehbar dargelegt und es entspricht auch der Kenntnis des Senats aus anderen Verfahren, dass Ärzte dazu vielfach keine konkreten Angaben machen. Allein fehlende Angaben der behandelnden Ärzte zur verbleibenden Lebensspanne können daher nicht als Hinweis auf eine nicht bestehende oder nicht erkennbare unmittelbare Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung angesehen werden.

31

Die Frage, ob die wirtschaftliche Situation der Hinterbliebenen zum Zeitpunkt der Eheschließung im vorliegenden Zusammenhang zu berücksichtigen ist (vgl. z.B. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.1.1973 - L 15 BU 12/72, Breithaupt 1973, 710, 712; ablehnend dagegen: Verbandskommentar, § 46 SGB VI Rz. 9), kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Eheschließung auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch angewiesen war und daraus jedenfalls nichts zu ihren Gunsten abgeleitet werden kann.

32

Der Senat konnte auch keine anderen „besonderen Umstände des Falles“ erkennen, nach denen die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu begründen. Die Frage, welche Umstände in diesem Zusammenhang als „besondere Umstände“ zu berücksichtigen sind, wird in der Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet. Insbesondere ist nicht abschließend geklärt, ob ganz persönliche Motive, wie z.B. Beistand in schweren Zeiten und Lebensmut im Kampf gegen eine schwere Erkrankung zu geben (vgl. z.B. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.8.2008 - L 1 R 193/06, veröffentlicht in juris; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 7.3.2007 - L 8 R 207/06, Breithaupt 2007, 956; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. September 2007 - L 3 RJ 126/05 - NZA-RR 2008, 207), die im Einzelfall zur Eheschließung geführt haben können, zu erforschen sind. Gegen das Abstellen auf die individuelle Motivlage wird angeführt, dass die in § 46 Abs. 2a SGB VI aufgestellte gesetzliche Vermutung auf einer Typisierung beruht, die u.a. bezweckt, dass zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts keine „unerfreulichen und im Ergebnis unsicheren Ausforschungen im Bereich der privaten Lebenssphäre“ vorgenommen werden müssen (BSG, Urteil vom 3. September 1986 - 9a RV 8/84 - BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr. 5, m.w.N.; vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.2.2009 – L 3 R 80/08; Gürtner in: KassKomm., § 46 SGB VI Rz. 46c; Rohr/Sträßer/Dahm, Bundesversorgungsgesetz, § 38 Anm. 5.; Pötter, RVaktuell 2010, S. 15, 21). Der Widerlegungstatbestand der „besonderen Umstände“ gebietet danach eine typisierende Betrachtungsweise (BSG, a.a.O.). Auf der anderen Seite sollen nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28. März 1973 – 5 RKnU 11/71, BSGE 35, 272 = SozR Nr. 2 zu § 594 RVO) alle zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten, die nicht schon von der Vermutung selbst erfasst und geeignet sind, einen Schluss auf den Zweck der Heirat zuzulassen, als besondere Umstände zu berücksichtigen sein. Die Annahme einer Versorgungsehe soll nur dann gerechtfertigt sein, wenn die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe beider Ehegatten insgesamt gesehen überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. In einer Entscheidung des BSG vom 5. Mai 2009 (B 13 R 55/08 R, BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6) werden beide Aspekte miteinander verbunden. Danach soll es nicht gegen den Willen des Hinterbliebenen zu einem Eingriff in seine Intimsphäre kommen. Der Hinterbliebene soll nicht genötigt werden, auch seine allerpersönlichsten, innersten Gedanken und Motive für die Eheschließung mit dem verstorbenen Versicherten mitzuteilen. Die Ausgestaltung des § 46 Abs. 2a SGB VI verfolge gerade den Zweck, die Träger der Rentenversicherung und die Sozialgerichte von der Ausforschung im Bereich der privaten Lebensführung zu entbinden. Der Hinterbliebene, der von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, beeinträchtigt nach der genannten Entscheidung des 13. Senats des BSG allerdings seine Möglichkeiten, die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe zu widerlegen. Der Hinterbliebene soll „selbst abwägen, ob er private Details preisgeben will, um die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindesten einem Jahr zu entkräften“. Wenn der Hinterbliebene sich entscheidet, die persönlichen Motive darzulegen, so sollen die Darlegungen auch zu würdigen sein. Die vom Bundessozialgericht angenommene Entscheidungsfreiheit besteht unter diesen Umständen jedoch nur scheinbar; tatsächlich bleibt dem Hinterbliebenen, der einen Anspruch durchsetzen möchte, kaum eine andere Wahl, als seine individuellen Motive zu offenbaren. Die Überprüfung der Glaubhaftigkeit dieser Angaben durch den Rentenversicherungsträger oder die Sozialgerichte begegnet dann kaum überwindbaren Schwierigkeiten und jeder Versuch einer Überprüfung kann zu den unerfreulichen oder gar unwürdigen Ausforschungen in der privaten Lebenssphäre führen, die mit der gesetzlichen Vermutung gerade vermieden werden sollten (zur erforderlichen Vernehmung des Standesbeamten, der die Trauung im Krankenhaus vorgenommen hat, vgl. das - bisher nur als Terminsbericht vorliegende - Urteil des BSG vom 6.5.2010 - R 13 R 134/08 R). Zudem begründet das Abstellen auf glaubhafte Angaben des Hinterbliebenen die Gefahr, dass der Anspruch maßgeblich von dessen Fähigkeit beeinflusst wird, seine Motivlage überzeugend darzustellen. Das dargestellte Ziel der in § 46 Abs. 2a SGB VI aufgestellten Vermutung kann daher unter Zugrundelegung des Rechtsprechung des 13. Senats des BSG in der Mehrzahl der Fälle nicht erreicht werden. Auf der anderen Seite verkennt der Senat nicht, dass § 46 Abs. 2a SGB VI - anders als z.B. § 7 Abs. 3a SGB II - eine widerlegliche Annahme oder Vermutung enthält und dass das Ziel, unerfreuliche und unsichere Aufforschungen des privaten Lebensbereichs zu vermeiden, im Wortlaut der Vorschrift wenn überhaupt, so jedenfalls keinen deutlichen Ausdruck gefunden hat. Eine Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände ist der Regelung nicht ohne weiteres zu entnehmen. Dies könnte dafür sprechen, dass alle Umstände, die für die Beurteilung des Zwecks der Eheschließung von Bedeutung sind, auch als besondere Umstände zu berücksichtigen sind.

33

Ob danach der Rechtsprechung des 13. Senats des BSG zu folgen ist und auf die individuellen Beweggründe beider Ehegatten abzustellen oder eine eher pauschalierende Betrachtung unter Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände geboten ist, kann für die Entscheidung dieses Rechtsstreits dahingestellt bleiben. Auch der 13. Senat des BSG geht davon aus, dass bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt ist. Zwar ist danach auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom Hinterbliebenen zu beweisender besonderer Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden. Der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI wird nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 292 der Zivilprozessordnung der volle Beweis erbracht wird. Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit.

34

Die Klägerin hat im Klage- und im Berufungsverfahren zunächst keine konkreten Angaben zum Zweck der Eheschließung gemacht. Auf Befragen in der mündlichen Verhandlung hat sie sinngemäß angegeben, dass die Ehe Ausdruck der Absicht gewesen sei, mit dem Versicherten zusammen zu bleiben und dass die Begründung eines Anspruchs auf Versorgung keine Bedeutung gehabt habe. Nach Auffassung des Senats handelt es sich dabei um eine denkbare Möglichkeit und der Senat will dies nicht in Abrede stellen. Dies genügt jedoch nicht, um die gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Erforderlich ist die volle richterliche Überzeugung davon, dass dies allein zutrifft oder dass die Versorgung wenigstens nicht das überwiegende Motiv gewesen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung und auch bereits in der Zeit, in der die ersten konkreten Vorbereitungen zur Eheschließung getroffen wurden, aus den bereits dargelegten Gründen offenkundig war. Ferner konnte die Klägerin aus Sicht des Senats nicht nachvollziehbar begründen, aus welchem Grund sie die Ehe mit dem Versicherten während der vorangegangenen langjährigen Partnerschaft zunächst nicht eingegangen ist, sondern erst nachdem dieser lebensbedrohlich erkrankt war. Die Klägerin hat dazu im Wesentlichen angegeben, dass sie und ihr späterer Ehemann wegen der starken Inanspruchnahme durch die Berufstätigkeit keine Gelegenheit gefunden hätten, die Ehe zu schließen und dass ihr erst Ende des Jahres 2005 etwas mehr Zeit geblieben sei, „das Projekt mit der Heirat in Angriff nehmen zu können“. Diese Angabe ist jedoch nicht ohne weiteres mit ihrer Angabe zu vereinbaren, nach der sie bereits etwa im Jahr 2004 - und damit vor der Erkrankung des Versicherten - arbeitslos geworden sei. Im Übrigen spricht aus Sicht des Senats die Lebenserfahrung dagegen, dass ein Entschluss, die Ehe einzugehen, aus Zeitmangel über Jahre nicht umzusetzen ist. Die Angabe der Klägerin, nach der sie vor der Erkrankung des Versicherten geglaubt habe, noch genug Zeit zu haben, um den Versicherten heiraten zu können, kann als realistische Möglichkeit nachvollzogen werden, ist aber unter den vorliegenden Umständen nicht ausreichend, um die volle Überzeugung des Senats zu begründen, dass – entgegen der im Gesetz ausgelegten Vermutung - die Begründung des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente nicht der überwiegende Zweck der Heirat gerade in der Endphase der schweren Krebserkrankung des Versicherten war. Daher sieht der Senat die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe nach § 46 Abs. 2a SGB VI als nicht widerlegt an.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

36

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.


Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 5. Mai 2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2004 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Witwenrente nach seiner am 21. Oktober 2002 verstorbenen Ehefrau C. B. zu gewähren.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Witwerrente hat.

2

Der 1966 geborene Kläger heiratete am 10. Oktober 2002 die 1951 geborene Versicherte C. B... Er lebte mit der Versicherten zuvor bereits seit Juni 1998 zusammen. Im Jahr 2002 arbeitete der Kläger bei der Stadtreinigung in Ahrensburg als Kraftfahrer und bezog ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von etwa 1.200,00 EUR. Die Versicherte arbeitete als Verwaltungsangestellte beim Arbeitsamt und bezog ein monatliches Bruttoeinkommen von etwa 1.400,00 EUR.

3

Am 8. April 2002 erkrankte die Versicherte arbeitsunfähig an einem fortgeschrittenen Nierentumor links mit metastatischen Lymphknotenpaketen. Der Tumor wurde am 23. April 2002 operativ entfernt. Im Anschluss erfolgte eine Immuntherapie mit subkutanem Interleukin II, die Ende Juli 2002 abgebrochen werden musste, da diese von der Versicherten schlecht vertragen wurde und die Verdachtsdiagnose eines Lokalrezidivs mit Leberfilialisierung gestellt wurde. Ende September/Anfang Oktober 2002 wurde das metastasierende Nierenzellkarzinom mit Lokalrezidiv mit Chemotherapie behandelt. Am 21. Oktober 2002 verstarb die Versicherte. Auf ihren Antrag vom 10. Oktober 2002 bewilligte die Beklagte der Versicherten eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Oktober 2002 in Höhe von 841,78 EUR monatlich. Einen Tag nach der Hochzeit, am 11. Oktober 2002, ließ die Versicherte eine Generalvollmacht einschließlich Patiententestament zu Gunsten des Klägers in der Asklepios Klinik Bad Oldesloe, wo sie sich zu dieser Zeit befand, beurkunden. Die Hochzeit des Klägers mit der verstorbenen Versicherten fand ebenfalls in der Asklepios Klinik statt.

4

Am 3. Dezember 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Witwerrente. Die Beklagte lehnte den Antrag nach Anhörung mit Bescheid vom 27. Februar 2004 ab, weil die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe und die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht durch besondere Umstände widerlegt worden sei. Hiergegen legte der Kläger am 16. März 2004 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er vortrug, dass er mit der verstorbenen Versicherten bereits seit Januar 1999 verlobt gewesen sei und dass sie im März 2002 beschlossen hätten zu heiraten. In der Hoffnung auf Behandlungserfolg und baldige Genesung seiner Frau hätten sie den Termin der Hochzeit auf einen Zeitpunkt nach der Behandlung verschoben. Leider habe sich der Gesundheitszustand seiner Frau verschlechtert. Um ihr Hoffnung und Genesung zu geben, hätten sie dann schließlich doch geheiratet.

5

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2004 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Anspruch auf Witwerrente ausgeschlossen sei, wenn das Ziel der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung sei. Dabei werde unterstellt, dass dieses regelmäßig der Fall sei, wenn ein Ehegatte innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung versterbe. Diese gesetzliche Vermutung könne widerlegt werden, wenn Umstände vorlägen, die trotz kurzer Ehedauer nicht auf eine Versorgung schließen ließen. Solche Umstände könnten z. B. vorliegen bei einem plötzlichen unvorhersehbaren Tod oder wenn die tödlichen Folgen einer Krankheit bei der Eheschließung nicht vorhersehbar gewesen seien. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger nicht vor. Die Versicherte habe einen Tag nach der Hochzeit durch einen Notar ein Testament aufnehmen lassen, aus dem eindeutig erkennbar sei, dass der Kläger und seine verstorbene Ehefrau wussten, dass eine unheilbare Krankheit vorliege. Es müsse daher eine Versorgungsehe unterstellt werden.

6

Hiergegen hat der Kläger am 3. Juni 2004 Klage vor dem Sozialgericht Lübeck erhoben und sein bisheriges Vorbringen weiter präzisiert: Seine verstorbene Ehefrau hätte beabsichtigt, frühestmöglich in Rente zu gehen. Dann hätten sie zusammen nach Ägypten auswandern wollen. Sie hätten häufig in Ägypten Urlaub gemacht und er habe dort mehrere Tauchscheine erworben. Sie hätten sich dann in Ägypten mit einer Tauchschule selbstständig machen wollen. Dorthin wollten sie jedoch nur als Ehepaar auswandern, so dass eine Heirat fest geplant gewesen sei. Im Jahr 2002 seien sie Mitte März aus dem Urlaub wiedergekommen. Auf dem Rückflug hätten sie beschlossen zu heiraten, ohne schon einen konkreten Hochzeitstermin festgelegt zu haben. Etwa eine Woche nach dem Urlaub habe seine verstorbene Ehefrau über Nierenschmerzen geklagt. Dann sei der Nierentumor diagnostiziert worden. Er habe von der Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung seiner Frau keine Kenntnis gehabt. Hiervon habe er erst nach der Hochzeit erfahren. Zu der Hochzeit im Krankenhaus sei es nur aus dem Grund gekommen, dass er hierdurch seiner Ehefrau habe helfen wollen, den Krebs zu besiegen.

7

Der Kläger hat beantragt,

8

den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2004 aufzuheben und ihm Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau C. B. zu gewähren.

9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Zur Begründung hat sie sich im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen.

12

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben zu der Frage der Motivation der Versicherten und des Klägers für die Hochzeit durch Vernehmung der Zeuginnen I. S. und I. K. im Termin zur mündlichen Verhandlung am 5. Mai 2006. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

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Mit Urteil vom selben Tage hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Geschehensablauf die Vermutung zulasse, dass durch die Eheschließung vorrangig beabsichtigt gewesen sei, dem Kläger - auch - eine Witwerrente zu sichern. Der Nachweis, dass unter den Heiratsmotiven die Versorgungsabsicht keine maßgebende Bedeutung gehabt hätte, sei dem Kläger nicht gelungen. Ob dem Kläger die Lebensbedrohlichkeit der Krankheit seiner verstorbenen Ehefrau bekannt gewesen sei, hätte nicht geklärt werden können. Fest stehe jedenfalls nicht, dass der Kläger hierüber sicher keine Kenntnis gehabt hätte. Eine konkrete Heiratsabsicht vor Bekanntwerden der lebensbedrohenden Erkrankung der Versicherten sei nach dem Vortrag des Klägers nicht zu erkennen. Für die Absicht des Klägers, seiner Ehefrau durch die Hochzeit Hoffnung und Genesung zu geben, liege nur seine eigene Erklärung vor. Die gehörten Zeuginnen hätten diesen Vortrag des Klägers nicht bestätigt. Beide hätten hierzu keine Einzelheiten ausgesagt. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute seien nicht geeignet, die gesetzliche Versorgungsvermutung zu widerlegen. Zum Zeitpunkt des Todes der Versicherten seien die Einkommensverhältnisse der Eheleute in etwa ausgeglichen gewesen. Alleine hieraus könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass kein Motiv für eine Versorgungsehe vorliege.

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Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24. Juli 2006 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die am 24. August 2006 bei dem Sozialgericht Lübeck eingegangen ist. Zur Begründung führt der Kläger aus, dass das Sozialgericht rechtsirrig die Auffassung vertreten habe, die Vermutung der Versorgungsehe könne nur durch besondere, objektiv feststellbare Umstände des jeweiligen Falls ausgeräumt werden. Es hätte daher nicht die vom Kläger geschilderten Beweggründe für die Eheschließung außer Acht lassen dürfen. Dementsprechend hätte sich das Sozialgericht mit der Glaubhaftigkeit dieser Schilderungen auseinandersetzen müssen. Insbesondere habe er der verstorbenen Versicherten Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft und die Kraft geben wollen, den Krebs zu besiegen. Dies werde durch Zeugenaussagen bestätigt.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 5. Mai 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau C. B. eine Witwenrente zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Die Beweiswürdigung des Sozialgerichts sei nicht zu beanstanden. Dem Kläger sei der Beweis des Gegenteils der Rechtsvermutung des § 46 Abs. 2a Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) nicht gelungen.

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Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung des Einzelrichters anstelle des gesamten Senats gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, in der der Kläger angehört wurde.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.

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Die Berufung ist auch begründet. Das angefochtene Urteil hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist dem Kläger eine Witwerrente zu gewähren.

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Gemäß § 46 Abs. 1 SGB VI haben Witwer, die nicht wieder geheiratet haben und nicht die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 SGB VI erfüllen, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf kleine Witwerrente. Der Kläger ist der Witwer der am 21. Oktober 2002 verstorbenen Versicherten. Dass diese die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, ist nicht streitig. Der Kläger hat auch nicht wieder geheiratet. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 46 Abs. 1 SGB VI sind somit erfüllt. Die Voraussetzungen für die große Witwerrente gemäß § 46 Abs. 2 SGB VI erfüllt der Kläger unstreitig nicht.

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Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI, der mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in das SGB VI eingefügt wurde, besteht der Anspruch jedoch nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falls die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

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Diese Norm enthält mithin für alle seit ihrem Inkrafttreten geschlossenen Ehen die gesetzliche Vermutung, dass bei Tod der Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung war. Die Ehe zwischen der Versicherten und dem Kläger hat weniger als ein Jahr gedauert (vom 10. Oktober 2002 bis zum 21. Oktober 2002). Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI greift also ein.

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Diese Vermutung ist allerdings widerlegbar („es sei denn“). Sie ist widerlegt, wenn besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer trotz kurzer Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Widerlegung der Vermutung erfordert nach § 202 SGG in Verbindung mit § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils. Der Vollbeweis erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon oder einen so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (vgl. BSG, SozR 3-3900, § 15 Nr. 3 m.w.N.).

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Das Urteil des Sozialgerichts hätte mithin nur bestätigt werden können, wenn in diesem Sinne die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht widerlegt ist.

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Entgegen der Beurteilung der Beklagten und des Sozialgerichts ist der Senat hier jedoch davon überzeugt, dass nach den besonderen Umständen des Falls die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die vom Kläger glaubhaft geltend gemachten Gründe für die Heirat und die nicht auf eine Versorgungsabsicht hindeutenden objektiven Begleitumstände stehen zumindest gleichwertig neben dem Versorgungsgedanken, so dass dieser nicht überwiegt und schon gar nicht der alleinige Zweck der Heirat war. Die Heirat stellt sich vielmehr als die Fortsetzung einer langjährigen Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft aufgrund einer Liebesbeziehung dar, in der beide Eheleute durch annähernd gleiches Einkommen finanziell abgesichert waren. Sie sollte in einer einschneidenden Lebenssituation neuen Mut machen. Dies stand im Vordergrund und nicht der Missbrauch der Ehe in Versorgungsabsicht.

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Im Einzelnen war dabei für den Senat aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens Folgendes für die gewonnene Überzeugung leitend (§ 128 SGG):

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„Besondere Umstände des Falls“ im Sinne von § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle Umstände, die einen Schluss auf den Zweck der Heirat zulassen. Dabei sind vor allem solche Umstände von Bedeutung, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund schließen lassen (vgl. BSGE 35, 272 [274 f]). Die besondere Schwierigkeit besteht dabei darin, den materiellen Grund des Überwiegens der Versorgungsabsicht mit immateriellen Gründen zu vergleichen und abzuwägen, weil es insoweit an einem einheitlichen Maßstab fehlt. Dabei genügt der Nachweis, dass unter den Beweggründen jedenfalls nur eines der Eheschließenden der Zweck, dem Witwer eine Versorgung zu verschaffen, keine maßgebende Bedeutung hatte (BVerwGE 25, 221). Das bereitet die zusätzliche Schwierigkeit, auch die Beweggründe der Verstorbenen festzustellen.

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Zu würdigen ist zunächst das langjährige Zusammenleben des Klägers und der Versicherten in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vor der Eheschließung. Dieser Umstand kann je nach deren Dauer und Ausgestaltung nach den Umständen des Einzelfalls den gesetzlich geregelten Ausnahmetatbestand erfüllen (BSG, Beschluss vom 2. Februar 2001, B 2 U 379/00 B); weitere Aspekte des Falls müssen im Lichte der langjährigen Lebensgemeinschaft vor der Ehe gewürdigt werden (Urteil des erkennenden Senats vom 10. Dezember 2003, L 8 U 65/02). Nicht in allen Fällen, in denen Versicherte bei der Heirat schwer krank sind, wird alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat der Versorgungszweck sein. Im Vordergrund kann z. B. die Absicht stehen, eine schon länger bestehende Gemeinschaft zu legitimieren oder der Wunsch, dem Partner in seiner Krankheit zur Seite zu stehen (so ausdrücklich Bundesverwaltungsgericht, a.a.O.). Danach stellt das über vierjährige Zusammenleben des Klägers und der Versicherten - für sich allein - keinen widerlegenden Umstand dar. Es kann jedoch auch nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. In Abgrenzung zur „klassischen“ Versorgungsehe nach nur kurzer Bekanntschaft, in der die Ehe zu Versorgungszwecken missbraucht wird, ist hier festzustellen, dass der Kläger und die Versicherte geplant hatten, die bestehende Gemeinschaft in die Ehe münden zu lassen. Sie hatten diese nicht ausgeschlossen, weil sie der nichtehelichen Lebensgemeinschaft grundsätzlich den Vorzug gegeben haben, sondern sie sind übereinstimmend davon ausgegangen, jedenfalls das Rentenalter gemeinsam als Ehepaar in Ägypten zu verbringen. Einen konkreten Termin für die Hochzeit in naher Zukunft hatten sie allerdings vor Bekanntwerden der Erkrankung der Versicherten nicht festgelegt, so dass die allgemeinen Heiratsabsichten bei Bestehen der Liebesbeziehung alleine nicht ausreichen, die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI zu widerlegen (so auch LSG Berlin, Urteil vom 8. April 1999, 3 L U 99/97). Glaubhaft ist jedoch, dass die Eheschließung ohnehin beabsichtigt war. Sowohl die wirtschaftliche Situation der Versicherten und des Klägers als auch deren gemeinsame Lebensplanung bis zum Rentenalter sprechen gegen die Eingehung der Ehe nur oder überwiegend zum Zwecke der Begründung eines Anspruchs des Klägers auf Hinterbliebenenversorgung. Die plötzliche Erkrankung der Versicherten hat lediglich den Zeitpunkt der Eheschließung beeinflusst; dies jedoch nicht überwiegend aus Gründen der Versorgung. Die Heirat erfolgte hier in Kenntnis der lebensbedrohenden Erkrankung der Versicherten. Dies ergibt sich schon daraus, dass es sich um eine so genannte Nottrauung im Krankenhaus handelte, die üblicherweise nur bei einer lebensbedrohenden Erkrankung durchgeführt wird. Trotz dieser Kenntnis ist nicht in jedem Fall eine Versorgungsehe gegeben (so auch oben genanntes Senatsurteil vom 10. Dezember 2003). Das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung ist zum einen objektiv nicht gleichbedeutend damit, dass der Tod tatsächlich in naher Zukunft eintreten wird. Zum anderen hat auch die subjektive Vorstellung der Versicherten und des Klägers über die Lebenserwartung Bedeutung. Diese hatten die Hoffnung nicht aufgegeben. Die Eheschließung sollte der Versicherten vielmehr neuen Lebensmut vermitteln. Der Kläger wollte auch öffentlich deutlich machen, dass er gerade in dieser Situation zu seiner 15 Jahre älteren Lebensgefährtin steht. Dies ist ein plausibles Motiv für die plötzliche Hochzeit. So hat die Zeugin K., eine langjährige Freundin der Versicherten, vor dem Sozialgericht ausgesagt, dass die Versicherte sie angerufen habe mit dem Satz: „In zwei Tagen heirate ich meinen U..“ Darüber sei die Versicherte sehr glücklich gewesen. Die Zeugin und die Versicherte hätten dann beide am Telefon geweint. Dieses Telefonat bringt Freude und Hoffnung von Seiten der Versicherten zum Ausdruck. Es steht im krassen Widerspruch zu einem Versorgungsmotiv.

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Daraus, dass die Versicherte einen Tag nach der Hochzeit durch einen Notar eine Generalvollmacht einschließlich Patiententestament und ein Testament aufnehmen ließ, lässt sich nicht ableiten, dass die Versicherte unmittelbar mit ihrem Tod rechnete. Sie hätte auch ohne Eheschließung gleichlautende Verfügungen treffen können. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass die Ehe geschlossen wurde, um Erbschaftssteuer zu sparen. Aber selbst wenn dies so wäre, wäre dies zwar ein materieller, jedoch ein von der Versorgungsabsicht verschiedener Beweggrund.

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Letztlich war auch der Umstand zu würdigen, dass der Kläger auch ohne die Eheschließung abgesichert ist und über eine ausreichende eigene Versorgung verfügt. Denn die Versorgungsvermutung tritt im Vergleich zu anderen Motiven umso mehr in den Vordergrund, je bedeutsamer materielle Vorteile durch die Hinterbliebenenrente sind. Die Versorgungsvermutung ist nicht erst dann widerlegt, wenn sich die finanzielle Situation des Witwers verschlechtert (anderer Ansicht: Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. November 1999, L 5 U 112/98). Hier hat der Kläger wegen der Antragstellung erst 14 Monate nach dem Tod der Versicherten zunächst nur Anspruch auf kleine Witwerrente für zehn Monate unter Anrechnung des eigenen Einkommens gemäß § 97 SGB VI. Der Umstand, dass der Kläger durch die späte Antragstellung über die Hälfte seines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente „verschenkt“ hat, spricht ebenfalls dafür, dass der überwiegende Zweck der Heirat nicht die Hinterbliebenenversorgung war.

35

Ob ein weitergehender Anspruch auf große Witwerrente nach Vollendung des 45. Lebensjahres besteht, ist nicht absehbar. Dies hängt von Umständen wie z. B der Höhe des eigenen Einkommens, Wiederheirat usw. ab. In Anbetracht dessen stehen die oben genannten vom Kläger glaubhaft und nachvollziehbar vorgetragenen Gründe für die Heirat zumindest gleichwertig neben dem Versorgungsgedanken, so dass dieser jedenfalls nicht überwiegt.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG.

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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision durch den Senat nach § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Stellt das Gesetz für das Vorhandensein einer Tatsache eine Vermutung auf, so ist der Beweis des Gegenteils zulässig, sofern nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Dieser Beweis kann auch durch den Antrag auf Parteivernehmung nach § 445 geführt werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.