Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 21. Apr. 2016 - L 2 AS 378/13

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2016:0421.L2AS378.13.0A
bei uns veröffentlicht am21.04.2016

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) von dem Beklagten für den Monat März 2009 in Höhe von zusätzlich 28,76 EUR und für den Monat April 2009 in Höhe von zusätzlich 33,11 EUR.

2

Der am ... 1949 geborene Kläger wohnte im streitgegenständlichen Zeitraum zusammen mit seiner Mutter in einem ihr gehörenden Einfamilienhaus in G. Der Kläger war im Frühjahr 2003 nach dem Tod des Vaters dort eingezogen. Er bewohnte zwei Zimmer mit zusammen 30 qm Wohnfläche (Wohnzimmer und Schlafzimmer), Küche und Bad nutzte er gemeinsam mit seiner Mutter. Das Haus wird mit Heizöl beheizt. Die Warmwassererwärmung erfolgt zentral über die Heizungsanlage. Am 4. Juli 2004 schloss der Kläger mit seiner Mutter einen Mietvertrag über 2 Zimmer mit einer Wohnfläche von 30 qm ab. Danach war der Kläger verpflichtet, monatlich 162 EUR zu zahlen, für Miete 120 EUR und zusätzlich eine Vorauszahlung für Heizung in Höhe von 42 EUR.

3

Der Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II von dem Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der ARGE SGB II M. L. (künftig einheitlich: der Beklagte). Im Erstantrag trug der Kläger bei den Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) unter Vorlage der entsprechenden Belege zusätzlich auf ihn entfallende hälftige Nebenkosten (Wasser, Abwasser und Müll) in Höhe von 19,98 EUR im Monat ein.

4

Bereits mit dem Erstantrag gab der Kläger zu seinem Vermögen neben einem Guthaben in Höhe von 2.921,41 EUR auf dem Girokonto, 141,12 EUR auf dem Sparbuch, und Fonds-Anteilen mit einem Wert von 1.748,45 EUR noch eine private Rentenversicherung bei der Allianz Lebensversicherungs-AG (Rückkaufwert 7.056,60 EUR, eingezahlt 7.669,20 EUR) an. Dabei handelt es sich um eine ab 1. September 1999 laufende kapitalbildende Lebensversicherung mit Kapitalwahlrecht (Einmalzahlung oder Rente ab 1. September 2014) und Beitragsrückerstattung bei Tod vor dem 1. September 2014. Der Kläger zahlte einen monatlichen Beitrag in Höhe von 250 DM und nach der Währungsumstellung in Höhe von monatlich 127,82 EUR ein. Erst im Juni 2009 vereinbarte der Kläger – nachdem ein Mitarbeiter des Beklagten ihn auf einen Verwertungsausschluss angesprochen hatte – mit der Allianz Lebensversicherungs-AG einen Verwertungsausschluss, den diese mit Schreiben vom 24. Juni 2009 bestätigte.

5

Der Beklagte berücksichtigte anfänglich monatlich KdUH in Höhe von 174,42 EUR (120 EUR + 34,44 EUR (Hz – 18 % Warmwasser) + 19,98 EUR NK). Ab 1. Dezember 2007 berücksichtigte der Beklagte nunmehr nur noch die kopfanteiligen Unterkunftskosten, wogegen sich der Kläger wandte. Der Beklagte begründete diese Entscheidung damit, dass der Wohnraum des Klägers nicht abgeschlossen sei.

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Im Fortzahlungsantrag vom 25. September 2008 gab der Kläger an, Grundmiete in Höhe von 120 EUR und Heizkosten in Höhe von 76,64 EUR zu zahlen. Hierbei ging er davon aus, die Hälfte der im Haus anfallenden Heizkosten umgerechnet auf den Monat zu tragen und legte dabei die Kosten für Heizöl aus der Rechnung von August 2008 in Höhe von 1.839,48 EUR zugrunde.

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Der Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 25. November 2008 auf, die Anlage VM zur Feststellung der Vermögensverhältnisse nebst Anlagen vorzulegen. Der Kläger legte die betreffende Anlage nebst Belegen am 26. November 2008 bei dem Beklagten vor. Zu den Vermögensverhältnissen gab er an, über ein Guthaben von 58,25 EUR auf dem Girokonto, 500 EUR Bargeld und Sparbücher mit einem Gesamtwert von 424,97 EUR zu verfügen. Sein Aktiendepot habe einen Wert von 1.303,17 EUR. Weiter legte er dar, der Rückkaufwert seiner Rentenversicherung betrage 13.932,45 EUR.

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Die interne Vermögensprüfung des Beklagten ergab, dass kein zu berücksichtigendes Vermögen bestehe (Prüfvermerk vom 28. November 2008).

9

Über eine Vorsprache des Klägers am 28. November 2008 bei dem Beklagten findet sich ein Aktenvermerk in der Verwaltungsakte, wonach der Kläger noch nicht alle erforderlichen Unterlagen für die Kosten der Unterkunft eingereicht habe. Er wolle die Leistungen dann ohne die Kosten der Unterkunft berechnet haben, da er kein Geld habe.

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Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 28. November 2008 für den Zeitraum 1. November 2008 bis 30. April 2009 Leistungen für die Regelleistung in Höhe von 351 EUR monatlich. Die Bewilligung sei nicht abschließend, wie im persönlichen Gespräch am 28. November 2008 vereinbart, erfolge die Leistungsgewährung bis zur Vorlage der restlichen Unterlagen vorläufig ohne Unterkunftskosten.

11

Der Kläger legte am 1. Dezember 2008 weitere Belege zu den anfallenden Unterkunftskosten vor.

12

Mit Bescheid der ursprünglich das Datum 9. Januar 2009 trägt und von dem Beklagten durchgehend als Bescheid vom 9. Januar 2009 bezeichnet wird, der aber mit neuem Datum erst am 16. Januar 2009 an den Kläger gesandt wurde (künftig als Bescheid vom 16. (9.) Januar 2009 bezeichnet) änderte der Beklagte die Leistungshöhe aufgrund einer Neuberechnung der Unterkunftskosten und gewährte nunmehr Leistungen für den Zeitraum 1. November 2008 bis 30. April 2009 in folgender Höhe: 1. Dezember 2008 bis 31. März 2009 in Höhe von 458,75 EUR monatlich (davon KdUH 107,75 EUR) und für April 2009 in Höhe von 454,40 EUR (davon KdUH 103,40).

13

Nachdem der Kläger eine im März 2009 fällig gewordene Heizölrechnung in Höhe von 459,94 EUR für eine Öllieferung eingereicht hatte, änderte der Beklagte mit weiterem Änderungsbescheid vom 2. April 2009 die Bewilligungsentscheidung ab und gewährte nunmehr für den Monat März 2009 Leistungen in Höhe von 477,91 EUR (davon KdUH 126,91 EUR) und für den Monat April 2009 Leistungen in Höhe von 473,56 EUR (davon KdUH 122,56 EUR).

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Dagegen richtete sich der am 30. April 2009 erhobene Widerspruch des Klägers. Der Kläger wandte sich gegen die fehlende Berücksichtigung der vereinbarten Miete in Höhe von 120 EUR monatlich: Er sei weder Eigentümer des Hauses, noch bestehe eine Vereinbarung über mietfreies Wohnen. Insoweit sei zu dieser Rechtsfrage bereits für den Zeitraum März bis April 2008 ein Klageverfahren anhängig. Zugleich stellte er einen Überprüfungsantrag hinsichtlich früherer Bewilligungsabschnitte.

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Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2010 als unzulässig zurück. Die Überprüfung des Änderungsbescheides sei nur in dem Umfang möglich, in dem die Bewilligungsentscheidung geändert worden sei. Der angefochtene Änderungsbescheid enthalte keine Regelung zur Kaltmiete. Bereits mit dem Änderungsbescheid vom 16. (9.) Januar 2009 sei eine abschließende Entscheidung zu den KdUH nach der vorläufigen Entscheidung vom 26. November 2008 getroffen worden. Insoweit hätte nur die Änderung aufgrund der Einarbeitung der Heizölrechnung vom 4. März 2009 überprüft werden können.

16

Dagegen hat der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, am 28. Januar 2010 vor dem Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben und ausgeführt: Der Widerspruch sei nicht unzulässig. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens sei die Höhe der Unterkunftskosten insgesamt zu prüfen. Unerheblich sei, aus welchen Gründen der Bescheid geändert worden sei.

17

Der Beklagte hat darauf verwiesen, entgegen der Auffassung des Klägers komme es auf den Regelungsgehalt des Änderungsbescheides an. Der Änderungsbescheid enthalte nur eine geänderte Regelung zu den Heizkosten. Im weiteren Verlauf hat der Beklagte dargelegt, dass der Kläger schon deshalb keinen Anspruch auf höhere Leistungen habe, weil er berücksichtigungsfähiges Vermögen habe.

18

Im Verfahren vor dem SG mit dem Aktenzeichen S 26 AS 689/09, dessen Akten beigezogen wurden, hat der Beklagte näher erläutert, der Kläger habe über berücksichtigungsfähiges Vermögen in Form einer Rentenversicherung verfügt. Für diese sei erst ab Juni 2009 ein Verwertungsausschluss vereinbart worden. Der im Jahr 2008 relevante Betrag von 14.425,63 EUR überschreite den dem Kläger zustehenden Vermögensfreibetrag von maximal 9.750 EUR.

19

Hierauf hat der Kläger erwidert: Das Anwachsen des Vermögens über die Freigrenze sei während des laufenden Bezuges von Alg II erfolgt. Bei Beginn des Leistungsbezuges sei die Rentenversicherung schon vorhanden gewesen und habe die Freibeträge nicht überschritten. Der Kläger habe sich die geleisteten Beitragszahlungen bildlich gesprochen "vom Munde abgespart". Der Beklagte habe die ihm bekannte Rentenversicherung bei der Vermögensprüfung unberücksichtigt gelassen. Bei der Einführung der veränderten Vermögensfreibeträge zum 1. August 2006 sei der Kläger nicht auf die Notwendigkeit, einen Verwertungsausschluss zu vereinbaren, hingewiesen worden. Es sollte nach der Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit vom 27. Juli 2006 den Leistungsempfängern die Möglichkeit eingeräumt werden, innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu erklären, ob das Vermögen der Alterssicherung zugeführt werde. Die Verletzung der Beratungs- und Auskunftspflicht des Beklagten im Zusammenhang mit der Veränderung der Vermögensfreibeträge führe dazu, dass jedenfalls ein übersteigendes Vermögen im hier relevanten Zeitraum nicht angenommen werden könne. Es müsse auch von den Rückkaufwerten ausgegangen werden. Außerdem habe der Kläger auch über das Vermögen bei Kündigung der Versicherung nicht direkt verfügen können, weil diese nur zum Schluss einer Versicherungsperiode, die in der Regel ein Jahr betrage, gekündigt werden könne.

20

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihm weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft für März 2009 in Höhe von 28,76 EUR und für April 2009 in Höhe von 33,11 EUR zu zahlen. Die Höhe der geltend gemachten Forderung ergebe sich daraus, dass er pro Monat Kosten für Unterkunft und Heizung von 162 EUR gemäß dem Mietvertrag verlange. Hierbei müsse noch die Pauschale für die Warmwassererwärmung von 6,33 EUR monatlich in Abzug gebracht werden. Der Beklagte habe für März 2009 bereits KdUH in Höhe von 126,91 EUR gewährt und für April in Höhe von 122,56 EUR (162 EUR - 6,33 EUR – 126,91 EUR = 28,76 EUR; 162 EUR - 6,33 EUR - 122,56 EUR = 33,11 EUR).

21

Das SG hat die Klage nach mündlicher Verhandlung vom 29. Januar 2013 mit Urteil vom gleichen Tag abgewiesen und die Berufung zugelassen: Der Kläger sei nicht hilfebedürftig, da er seinen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen bestreiten könne. Der Rückkaufwert der Lebensversicherung betrage am 1. Mai 2008 14.698 EUR. Von diesem Betrag seien Freibeträge in Höhe von insgesamt 9750 EUR abzusetzen. Die Verwertung der Versicherung sei nicht als der Altersvorsorge dienendes Vermögen geschützt. Der Verwertungsausschluss sei erst nach April 2009 vereinbart worden. Die Verwertung sei auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Dem Rückkaufwert am 1. Mai 2008 von 14.698 EUR, stünden Beitragszahlungen in Höhe von 13.421,10 EUR gegenüber. Die Verwertung der Rentenversicherung sei auch keine unbillige Härte. Versorgungslücken des Klägers seien nicht ersichtlich. Allein die Verwertung von Vermögen, welches unter Konsumverzicht aufgebaut worden sei, stelle ohne Hinzutreten sonstiger Umstände keine solche Härte dar. Wenn tatsächlich Gelder vorhanden seien, stünden diese als Selbsthilfemöglichkeit einem Anspruch auf subsidiäre Leistungen nach dem SGB II entgegen. Für den Fall, dass das Geld nach einer Kündigung nicht sofort zur Verfügung gestanden hätte, hätte ein Darlehen gewährt werden können.

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Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 20. Februar 2013 zugestellte Urteil haben diese für den Kläger am 11. März 2013 vor dem Landessozialgericht Berufung eingelegt und ausgeführt: Im Verlauf des Verfahrens habe der Beklagte immer neue Fragen und Forderungen von Nachweisen für die Kosten der Unterkunft und Heizung aufgestellt, die der Kläger alle beantwortet bzw. erfüllt habe. Vier Jahre nach Beginn der Auseinandersetzung habe der Beklagte nunmehr auf das Vermögen verwiesen. Der Beklagte verhalte sich widersprüchlich, so habe er hinsichtlich der Unterkunfts- und Heizkosten für den Zeitraum März und April 2008 im Verfahren S 26 AS 689/09 ein Anerkenntnis abgegeben. Das Vermögen sei nicht zu verwerten. Die Rentenversicherung bestehe bereits seit dem Jahr 1999. Der Kläger habe die monatlich gezahlten Beiträge allein aus der Regelleistung finanziert. Er habe diese Versicherung und die Werte jeweils mitgeteilt. Der Beklagte habe das Anwachsen des Versicherungsbetrages verfolgt, ohne den Kläger hinsichtlich eines Verwertungsausschlusses zu beraten. Eine Beratung habe sich geradezu aufgedrängt bei Anwachsen des Versicherungsbetrages und durchgängigem Leistungsbezug. Erst im Sommer 2009 sei der Kläger zu einem Verwertungsausschluss befragt worden. Die Vermögensfreibeträge seien am 1. Januar 2005 noch nicht überschritten gewesen. Bei der Rentenversicherung handele es sich um nicht verwertbares Vermögen. Die Verwertung stelle eine besondere Härte dar. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn das Vermögen aus Geldzahlungen stamme, welche als Einkommen nicht zu berücksichtigen seien, dies werde auch in der Literatur vertreten.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 29. Januar 2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 2. April 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2010 werden abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren für den Monat März 2009 in Höhe von 28,76 EUR und für April 2009 in Höhe von 33,11 EUR.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend: Das Anerkenntnis im Parallelverfahren sei allein deshalb abgegeben worden, weil der angegriffene Bescheid nicht den Voraussetzungen für eine Rückforderung entsprochen habe. Leistungsvoraussetzungen müssten von Amts wegen geprüft werden, weshalb die "späte" Berücksichtigung unerheblich sei. Die Verwertung des Vermögens stelle keine besondere Härte dar. Zwar habe der Kläger die Beiträge aus den Leistungen des Beklagten finanziert, dies sei aber unerheblich. Würde die Rentenversicherung als nicht verwertbar angesehen, würde ein elementarer Grundsatz des SGB II verletzt, nämlich keinen Vermögensaufbau zu fördern. Zudem sei fraglich, wie der Kläger seinen Lebensunterhalt bestritten habe.

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Auf Anfrage durch den Senat hat die Allianz Lebensversicherungs AG am 24. September 2015 mitgeteilt, dass der Rückkaufwert der Lebensversicherung des Klägers einschließlich Überschussanteile zum 1. Oktober 2008 16.802,77 EUR betragen habe. Die eingezahlten Beträge zu diesem Zeitpunkt betrugen 13.932,38 EUR.

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Auf Anforderung übergab der Kläger seinen Rentenbescheid vom 20. Februar 2014, wonach ihm ab dem 1. März 2014 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit in Höhe von 811,28 EUR monatlich gezahlt wird. Für den Versicherungsverlauf wird auf Bl. 112 ff der Gerichtsakte verwiesen.

30

Der Senat hat die Gerichtsakte S 26 AS 689/09 zum Verfahren beigezogen. Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die vom SG zugelassene Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

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Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 2. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2010 mit dem der Beklagte dem Kläger höhere Leistungen für die Monate März und April 2009 zugesprochen hat. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Anfechtungs- und Leistungsklage mit dem Begehren, noch höhere Leistungen gezahlt zu bekommen.

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I. Die Klage ist zulässig, prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Der Kläger hat ein Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt dann, wenn das angestrebte Ergebnis (höhere Leistungen) auf einfachere Weise erreicht werden kann. Ein solcher Weg ist nicht gegeben, denn es liegt kein Fall vor, bei dem der Kläger sein Klageziel auch durch den Antrag auf eine endgültige Leistungsbewilligung erreichen kann.

34

Der Bescheid vom 16.(9.) Januar 2009 ist als endgültige Leistungsbewilligung auszulegen, mit der eine abschließende Entscheidung über die Leistungshöhe für den Zeitraum März bis April 2009 getroffen werden sollte (wie sie auch der Kläger verstanden hat), die im Bescheid vom 28. November 2008 nur vorläufig geregelt war. Die vorläufige Regelung beruhte, wie im Gespräch am 28. November 2008 dem Kläger eröffnet, darauf, dass der Beklagte nur noch die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) nicht abschließend beurteilen konnte, da der Kläger noch nicht zu allen Positionen Unterlagen vorgelegt hatte.

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Es liegt ein Sonderfall vor, bei dem aus den weiteren Umständen und den allgemein zugänglichen Unterlagen für den Bescheidempfänger deutlich wurde, dass im Bescheid vom 16. (9.) Januar 2009 endgültig entschieden wurde, auch wenn aus dem Verfügungssatz selbst dies nicht eindeutig hervorgeht (zum Regelfall: BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 31/14 R – zitiert nach juris, bei einer teilweisen Aufhebung von Leistungen). Allein die Bezeichnung "Änderungsbescheid" steht dem nicht zwingend entgegen, wenn aus dem Inhalt des Bescheides eine endgültige Festsetzung hervorgeht (vgl. hierzu den Sachverhalt im Urteil des BSG vom 17. Februar 2016 – B 4 AS 17/15 R – bei dem ein Änderungsbescheid als endgültige Leistungsbewilligung angesehen wurde). Der Beklagte hatte ursprünglich Unterlagen zu den Kosten der Unterkunft und den Vermögensverhältnissen vom Kläger angefordert. Nach Vorlage der Unterlagen zu den Vermögensverhältnissen hat er dem Kläger im Gespräch am 28. November 2008 eröffnet, dass nur noch weitere Unterlagen zu den Kosten der Unterkunft fehlen und über diese noch nicht abschließend entschieden werden könne. Infolgedessen hat er im Bescheid vom 28. November 2008 vorläufig noch keine Kosten der Unterkunft bewilligt. Nachdem der Kläger weitere Unterlagen eingereicht hatte, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 16. (9.) Januar 2009 insgesamt die Leistungen und verwies darauf, dass auch die Kosten der Unterkunft nunmehr festgesetzt würden. Nach der eigenen Logik des Beklagten, der die Unterkunftskosten durchschnittlich für jeden Monat angesetzt hat, konnte er "durchentscheiden", weil er nicht auf tatsächlich im jeweiligen Monat fällige Unterkunftskosten abgestellt hat. Dies war aufgrund der Vorkorrespondenz und der persönlichen Vorsprache für den Kläger auch erkennbar. Nach dem Empfängerhorizont waren die Unterkunftskosten von dem Beklagten abschließend geprüft und bewilligt worden.

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II. Zu Recht hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen.

37

Der Bescheid des Beklagten vom 2. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2010 ist nicht zu Lasten des Klägers unrechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Leistungen für März und April 2009 gegen den Beklagten.

38

Ein weiterer Anspruch für März 2009 scheidet aus. Die Voraussetzungen für eine wesentliche Änderung der Verhältnisse zugunsten des Klägers gem. §§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III), 48 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) liegen nicht vor. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen eintritt, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, sofern die Voraussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorliegen.

39

Es liegt keine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Vergleich zum Erlass des Bescheides am 16. (9.) Januar 2009 vor. Denn der Kläger hat auch nach der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse keinen höheren Anspruch, als ihm der Beklagte ursprünglich bewilligt hat.

40

Voraussetzung für § 48 SGB X ist es, dass der Bescheid nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte. Hierbei ist von den objektiven Verhältnissen auszugehen. In diesem Fall, bei dem der Kläger § 48 SGB X zu seinen Gunsten angewandt wissen will, muss sich ein Anspruch auf höhere Leistungen ergeben.

41

1. Vorliegend begehrt der Kläger über § 48 SGB X höhere Leistungen, weil eine Änderung zu seinen Gunsten eingetreten sei. Infolge der Berücksichtigung der auf ihn entfallenden tatsächlichen Kosten für Heizmaterial durch die Heizöllieferung im März 2009 kann eine wesentliche Änderung vorliegen. Bei der Leistungshöhe sind nach § 22 SGB II die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen, soweit diese angemessen sind. Es kommt bei einem Mietverhältnis darauf an, ob der Kläger einer ernsthaften Mietforderung ausgesetzt ist, bzw. nach der vertraglichen Gestaltung bestimmte auf ihn entfallende Nebenkosten zu übernehmen hat. Würde der Kläger abweichend von dem damals geltenden ursprünglichen schriftlichen Mietvertrag noch vor der formellen Änderung des schriftlichen Mietvertrages verpflichtet sein, die auf ihn entfallenden Heizkosten zu tragen, würde die Forderung mit Fälligkeit anfallen. Die Heizkosten hätten dann nicht wie von dem Beklagten geschehen auf den Monat umgerechnet werden dürfen, sondern würden im Monat März 2007 bedarfserhöhend zu berücksichtigen sein.

42

Ein höherer Anspruch und damit eine wesentliche Änderung der Verhältnisse scheidet hier jedoch aus, unabhängig davon, ob die auf den Kläger entfallenden zusätzlichen Heizkosten im Monat März 2009 berücksichtigt werden oder nicht. Dies gilt auch dann, wenn als weitere bedarfserhöhende Positionen bei den Kosten für Unterkunft und Heizung noch ein monatlicher Mietzins von 120,00 EUR zu berücksichtigen wäre. Insofern kann offen bleiben, ob diese Position Gegenstand einer zu einer Leistungserhöhung führenden weiteren Berücksichtigung bei der Überprüfung eines für den Kläger günstigen Änderungsbescheides sein kann (vgl. zur Zulässigkeit einer Inzidentprüfung: BSG für den Fall einer Absenkung der Leistung nach § 48 SGB X bei einer ursprünglich zu niedrig bewilligten Leistung, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 132/11 R – Rn. 26, zitiert nach juris). Denn der Kläger hat unter keinem nach seinem Vorbringen oder sonst in Betracht kommenden, zu einer Erhöhung der KdUH führenden Gesichtspunkt einen höheren Leistungsanspruch für den streitgegenständlichen Monat. Denn es liegt ein zu berücksichtigendes Vermögen vor, dass den konkret maximal berücksichtigungsfähigen Bedarf deutlich übersteigt.

43

2. Der Kläger war nicht hilfebedürftig i. S. der §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. 9 Abs. 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 gültigen Fassung. Danach ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit nicht oder nur nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

44

Der Kläger verfügte neben einem Aktiendepot mit einem damaligen Wert von 1.303,17 EUR und Sparbucheinlagen in Höhe von 424,97 EUR über berücksichtigungsfähiges Vermögen aus einer Kapitallebensversicherung mit einem Verkehrswert von 16.802,77 EUR. Der Verkehrswert von Vermögen ergibt sich daraus, was am Markt für ein Preis erzielt werden kann. Bei einer Lebensversicherung ist dies der Rückkaufwert der Versicherung zuzüglich der Überschussanteile (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 – B 4 AS 29/12 R – zitiert nach juris). Diesen Rückkaufwert inclusive Überschussanteile hat die Allianz Lebensversicherungs-AG am 24. September 2015 mitgeteilt.

45

Dieses Vermögen überschreitet die Freibetragsgrenzen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 4. SGB II in der bis zum 16. April 2010 gültigen Fassung (a. F.) erheblich. Die Vermögensfreibeträge des Klägers betrugen 150 EUR je vollendetem Lebensjahr, also 9.000 EUR. Die Sonderregelung nach § 65 Abs. 5 SGB II greift für den Kläger nicht, weil er nach dem 1. Januar 1948 geboren ist. Hinzu kommt gem. § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II a. F. ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 EUR.

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Die Kapitallebensversicherung des Klägers ist auch nicht mit dem diese Freibeträge überschreitenden Anteil nach anderen Vorschriften nicht als Vermögen zu berücksichtigen.

47

a) Eine Freistellung nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II a. F. scheidet aus, weil es sich nicht um eine geförderte Riesterrente handelt.

48

b) Auch eine Freistellung nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a. F. greift nicht. Nach dieser Vorschrift sind geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 250 EUR je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen höchstens jedoch den Höchstbetrag nach Satz 2 (hier 16.250 EUR) nicht überschreitet, freigestellt. Es fehlt an einer vertraglichen Vereinbarung nach § 165 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), wonach die Versicherung vor dem Eintritt des Ruhestandes nicht verwertet werden konnte. Eine solche Vereinbarung hat der Kläger erst im Juni 2009 abgeschlossen. Dieser kommt keine Rückwirkung zu, denn im März und April 2009 konnte der Kläger tatsächlich seine Lebensversicherung verwerten. Ein Rückgriff auf die durch Richterrecht geschaffene Rechtslage zum Recht der Arbeitslosenhilfe scheidet seit dem Inkrafttreten des SGB II aus (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012, a. a. O.).

49

Der Kläger kann nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so behandelt werden als ob er einen Verwertungsausschluss früher vereinbart hätte. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen Verletzung einer Beratungspflicht des Beklagten kann nicht bestehen, weil die erforderliche zivilrechtliche Vereinbarung zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer nicht durch eine dem Beklagen mögliche und zulässige Amtshandlung nachträglich herbeigeführt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 – B 14 AS 27/07 R – Rn. 40, zitiert nach juris; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, 01/16, § 12 SGB II Rn. 331).

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c) Auch ein Ausschluss der Berücksichtigung des Vermögens aus der Versicherung gem. § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II a. F. kommt nicht in Betracht.

51

Nach dieser Vorschrift sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen, Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.

52

aa) Die Verwertung der Versicherung ist nicht offensichtlich unwirtschaftlich, weil der Erlös höher ist als die eingezahlten Beträge. Der Kläger hatte Beiträge in Höhe von 13.932,38 EUR eingezahlt und der Verkehrswert betrug 16.802,77 EUR.

53

Auch das Argument, die Versicherung könne nicht sofort gekündigt werden, greift nicht, denn auch vor der Fälligkeit kann die Versicherung beliehen oder verkauft werden.

54

bb) Die Verwertung der Kapitallebensversicherung stellt auch keine besondere Härte für den Kläger dar. Maßgebend sind hierfür außergewöhnliche Umstände, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen und die Absetzbeträge erfasst werden. Die Vorschrift setzt voraus, dass die Umstände dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte. Sinn und Zweck der Härteklausel ist es, in atypischen, mit den abstrakten Merkmalen der Gesetzessprache nicht erfassbaren Fallgestaltungen Lösungen zu ermöglichen, die den gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Leitvorstellungen entsprechen (vgl. Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 11/2015, § 12 SGB II Rn. 94). Eine besondere Härte kann sich entweder aus den besonderen Lebensumständen des Klägers – dazu unter (1) – oder aus anderen Umständen, insbesondere der Herkunft des Vermögens ergeben – dazu unter (2).

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(1) Eine Härte nach den Lebensumständen liegt danach vor, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles, wie z. B. der Art, Schwere und Dauer der Hilfe, des Lebensalters, des Familienstandes oder der sonstige Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen, eine typische Vermögenslage deshalb zu einer besonderen Situation wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden nachhaltig beeinträchtigt ist (vgl. Mecke in Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 12 Rn. 122). Dabei reicht nicht schon der Verlust der privat aufgebauten Altersvorsorge kurz vor dem Renteneintritt oder der ein mangelnder Verwertungsausschluss aus, es muss eine Versorgungslücke aufgrund einer atypischen Erwerbsbiographie hinzukommen (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012, a. a. O. Rn. 27).

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Eine solche atypische Erwerbsbiographie liegt ausweislich des Rentenbescheides nicht vor und wird von dem Kläger auch nicht geltend gemacht. Eine Atypik liegt nicht schon bei langen Zeiten der Arbeitslosigkeit vor (BSG, Urteil vom 15. April 2008 – B 14/7b AS 52/06 R – zitiert nach juris). Der Kläger bezieht auch eine Altersrente, die über seinem Bedarf der Grundsicherung liegt. Andere besondere Umstände in den Lebensumständen sind nicht ersichtlich.

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(2) Die Herkunft des Vermögens begründet nur in Ausnahmekonstellationen eine besondere Härte. Grundsätzlich muss der Leistungsträger nicht prüfen, woher das zu berücksichtigende Vermögen stammt, sondern der Leistungsempfänger muss dieses Vermögen zur Selbsthilfe einsetzen. Dies folgt aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge, welche erst eingreifen soll, wenn der Hilfebedürftige ihm zur Verfügung stehende Mittel verbraucht hat. Es müssen außergewöhnliche Umstände hinzukommen, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, hiervon abzuweichen. Hierunter sind Leistungen zu zählen mit denen ein besondere Zweck bei der Zahlung verbunden war, der fortwirkt, wenn das gezahlte Geld nach einer neuerlichen Antragstellung auf SGB II noch als Vermögen vorhanden ist. So ist beispielsweise die Erbringung von Schmerzensgeld eine Leistung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens. Dieser Zweck der Zahlung wirkt fort, auch wenn im folgenden Bewilligungsabschnitt das noch vorhandene Geld als Vermögen anzusehen ist.

58

Solche außergewöhnliche Umstände können nicht in dem Ansparen von nicht benötigten Hilfeleistungen gesehen werden. Ein solches Ansparen von berücksichtigungsfähigem Vermögen während des Leistungsbezuges liegt hier vor. Zu Beginn des Leistungsbezuges lag das Vermögen noch unter den gesetzlichen Freibeträgen und ist erst im laufenden Leistungsbezug weiter aufgebaut worden, so dass es die Freibeträge überstieg.

59

Ob die Herkunft des Vermögens, welches ursprünglich aus dem gezahlten laufenden SGB II-Leistungen stammte, eine besondere Härte darstellt ist umstritten. In der Literatur wird überwiegend das Ansparen von Vermögen unter Konsumverzicht aus der Regelleistung nicht als besondere Härte eingestuft (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, a.a.O. Rn. 541; Radüge in jurisPK SGB II, § 12 Rn. 173, Striebinger in Gagel, a.a.O. § 12 SGB II Rn. 21 f; a. A. wohl Mecke in Eicher a. a. O., § 12 Rn. 126).

60

Ein solcher besonderer Zweck, der nach den gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Leitvorstellungen, auch bei der Vermögensprüfung berücksichtigt werden muss, ist mit der laufenden Zahlung der SGB II-Leistung nicht verbunden. Das Jobcenter muss nicht prüfen, ob berücksichtigungsfähige Vermögensbestandteile eventuell während der Phase des Leistungsbezuges angespart wurden. Denn das Ansparen von Vermögen während eines laufenden Bezuges von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Konsumverzicht, kann nicht dazu führen, dass ein so gebildetes Vermögen, dann wenn es die Freibetragsgrenzen übersteigt, wegen der Annahme einer besonderen Härte nicht zu berücksichtigen ist. Die Regelleistung ist darauf ausgerichtet, das soziokulturelle Existenzminimum abzusichern. Gleichwohl kann der Leistungsberechtigte ohne Vorgaben über den Einsatz der ihm zur Verfügung gestellten Mittel entscheiden. Es obliegt ihm sogar, eine bestimmte Summe für Ersatzbeschaffungen anzusparen. Der Verwertungsschutz ist dann durch die entsprechenden Freibeträge und den allgemeinen Freibetrag sichergestellt. Es ist aber nicht Sinn und Zweck der pauschalierten Leistungsgewährung, dass Vermögen über die Freibetragsgrenzen hinaus aufgebaut wird.

61

Darauf, dass die geforderte Verwertung des während des Leistungsbezuges angesparten Vermögens, eine besondere Härte darstellt, können nach Auffassung des Senates auch keine Rückschlüsse aus der Entscheidung des BSG vom 23. August 2011– B 14 AS 185/10 R – zitiert nach juris, gezogen werden. In jener Entscheidung ging es um die Berücksichtigung von Einkommen infolge einer Stromkostenrückerstattung und nicht um die Frage einer Verwertung von über den Freibetragsgrenzen liegendem Vermögen. Das BSG hat nach dem Sinn und Zweck aus der Wertung, dass Leistungen nach dem SGB II nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II kein auf den Hilfebedarf anzurechnendes Einkommen sind, Rückschlüsse auf die Nichtanrechenbarkeit der Stromkostenerstattung gezogen. Entscheidend war, dass die Leistungen für die Stromkosten während des laufenden Leistungsbezuges der Befriedigung eines regelsatzrelevanten Grundbedarfs dienten. Es sei geboten - so das BSG - Einnahmen, die aus Einsparungen bei den Regelbedarfen resultieren (hier die Rückzahlung der regelbedarfsrelevanten Stromkosten) von der Berücksichtigung freizustellen. Im Falle des Klägers resultierten die für die Zahlung des Beitrages von 127 EUR monatlich zum Vermögensaufbau verwendeten Mittel aber nicht erkennbar aus Leistungen für besondere regelbedarfsrelevante Positionen, sondern aus einer entsprechenden Verwendung von Leistungen für die allgemeine Lebenshaltung. Zudem kann eine auf die Einkommensanrechnung bezogene Wertung nicht auf die anders geregelte Frage der Vermögensverwertung übertragen werden. Schon von daher liegt der Fall hier entscheidend anders.

62

Der Frage der Vermögensverwertung mag wertungsmäßig anders liegen, wenn eine hohe Nachzahlung vorenthaltener SGB II-Leistungen zu einem berücksichtigungsfähigen Vermögen führen würde. Hier würde das unrechtmäßige Vorenthalten der Leistungen durch den Leistungsträger bei einer einmaligen Nachzahlung den Kläger schlechter stellen, als wenn diesem die Leistungen regelmäßig ausgezahlt würden. Der Kläger konnte die zunächst vorenthaltene Leistung in dieser Fallkonstellation nicht für seine laufende Existenzsicherung verbrauchen. Es wurde somit quasi gegen seinen Willen Vermögen gebildet. Dann dürften vom Normalfall abweichende außergewöhnliche Umstände vorliegen, weil die Bildung des Vermögens auf dem Leistungsträger zuzurechnenden Umständen beruht.

63

(3) Eine besondere Härte kann auch nicht mit der Verletzung einer Beratungspflicht durch den Beklagten begründet werden. Isoliert betrachtet, stellt ein etwaiges Beratungsverschulden, welches keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründet, keinen solchen außergewöhnlichen Umstand dar. Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Beratungspflicht besteht in dem möglichen Vorliegen der Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches oder einem Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB (auch in Entscheidungen des BSG wurde bei einer Ablehnung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht zusätzlich geprüft, ob das Beratungsverschulden als besondere Härte berücksichtigt werden kann - BSG Urteil vom 15. April 2008 – B 14 AS 27/07 R und im Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 63/06 R – jeweils zitiert nach juris).

64

Auch für den Monat April 2009 kommen höhere Leistungen nicht in Betracht, weil der Kläger durch das berücksichtigungsfähige Vermögen keinen Leistungsanspruch hat.

65

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.

66

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

67

Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Rechtsfrage, ob "vom Munde abgesparte SGB II-Leistungen" von der Vermögensberücksichtigung ausgenommen sind, noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, weshalb die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat.


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Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. Juni 2014 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 13. April 2011 zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen drei Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Aufhebung und Rückforderung vorläufig bewilligter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

2

Die 1980 geborene Klägerin lebt nach kurz vorher erfolgter Trennung von ihrem Ehemann seit dem 1.11.2009 mit ihren 2001 und 2005 geborenen Söhnen (den Klägern zu 2 und 3) in einer gemeinsamen Wohnung. Auf ihren Antrag bewilligte das beklagte Jobcenter den Klägern unter Berücksichtigung eines Erwerbseinkommens der Klägerin in Höhe von monatlich 198 Euro sowie des Kindergeldes für November 2009 bis April 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1093,11 Euro (Bescheid vom 11.11.2009). Die Bewilligung erfolgte ausdrücklich vorläufig, weil im Hinblick sowohl auf das Einkommen der Klägerin wie zur ausstehenden Unterhaltsregelung mit dem Vater der Kläger über den Anspruch nicht abschließend entschieden werden könne.

3

Auf Vorlage von Bescheinigungen über das Einkommen der Klägerin für September 2009 bis März 2010 sowie über den ab November 2009 gezahlten Unterhalt erließ der Beklagte nach Anhörung der Klägerin einen an sie adressierten Bescheid, nach dem der Bewilligungsbescheid vom 11.11.2009 gestützt auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) für die Zeit vom 1.11.2009 bis 30.4.2010 "teilweise in Höhe von 2450,55 Euro aufgehoben" werde und die zu Unrecht erbrachten Leistungen nach § 50 SGB X zu erstatten seien(Bescheid vom 1.7.2010). Den Widerspruch hiergegen wies er zurück: Wegen der nachträglichen Einkommenserzielung könne die Aufhebung verschuldensunabhängig auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X gestützt werden. Einer besonderen Ermächtigungsgrundlage dafür bedürfe es nicht, da sich ein Leistungsempfänger bei Bewilligung vorläufiger Leistungen nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Ergehe eine Aufhebung anstatt einer endgültigen Regelung, so habe dies lediglich klarstellende Wirkung (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2010).

4

Das Sozialgericht (SG) hat den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben, weil der Rückforderungsanspruch gegenüber den einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft nicht individuell bezeichnet und die Teilaufhebung daher rechtswidrig sei (Gerichtsbescheid vom 13.4.2011). Das Landessozialgericht (LSG) hat den Gerichtsbescheid auf Berufung des Beklagten aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 11.6.2014): Die Bestimmtheitsanforderungen seien gewahrt, da die Kinder hinreichend deutlich als Regelungsadressaten einbezogen seien. Dass der Bescheid auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X anstatt auf § 328 Abs 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gestützt sei, stelle einen bloßen Begründungsmangel dar, der unschädlich sei. Diese Rechtsgrundlagen seien austauschbar, weil die Korrektur vorläufiger Bewilligungen gegenüber § 48 SGB X geringere (nämlich keine) Anforderungen an den Vertrauensschutz stellten, ebenfalls keine Ermessensausübung erforderten und die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt seien. Ergehe auf einen vorläufigen Bescheid nach Vorlage der maßgeblichen Unterlagen ein Bescheid mit neuer Berechnung im Hinblick auf die bisher ungeklärten Punkte und ohne Hinweis auf eine noch erfolgende abschließende Entscheidung, so müsse der Leistungsempfänger dies als endgültige Leistungsfestsetzung ansehen.

5

Mit ihren Revisionen rügen die Kläger die Verletzung von § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II in der damals geltenden Fassung iVm § 328 SGB III. Nach Vorlage der ursprünglich fehlenden Unterlagen hätte der Beklagte die Leistungen endgültig festsetzen müssen. Das lasse der angefochtene Bescheid für die im Streit stehenden Monate nicht erkennen.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11.6.2014 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 13.4.2011 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässigen Revisionen sind begründet. Zu Unrecht hat das LSG entschieden, dass der angefochtene Bescheid vom 1.7.2010 den Anforderungen an die abschließende Entscheidung über einen zunächst nur vorläufig zuerkannten Leistungsanspruch genügt.

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 1.7.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2010, mit dem der Beklagte die durch Bescheid vom 11.11.2009 für die Zeit vom 22.10.2009 bis 30.4.2010 erteilte vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen des Zuflusses höheren Einkommens für die Monate November 2009 bis April 2010 "teilweise in Höhe von 2450,55 Euro aufgehoben" und eine Erstattungsforderung in entsprechender Höhe festgesetzt hat. Hiergegen wenden sich die Kläger zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 1. Alt Sozialgerichtsgesetz ).

10

2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Insbesondere fehlt es entgegen der Auffassung des Beklagten an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklagen nicht deshalb, weil die Kläger im Erfolgsfall mit einer ihnen ebenso nachteiligen abschließenden Entscheidung nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II(in der bis zum 31.3.2011 unverändert fortgeltenden Fassung des Gesetzes zur Neufassung der Freibetragsregelungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige vom 14.8.2005, BGBl I 2407; im Folgenden: § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF) iVm § 328 Abs 3 Satz 2 Halbs 1 SGB III(idF des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24.3.1977, BGBl I 594) zu rechnen haben könnten. Auf einen solchen möglichen weiteren Geschehensablauf kommt es nicht an. Entscheidend ist allein, ob die statthaften Klagen gegen den Änderungs- und Erstattungsbescheid ausnahmsweise deshalb unzulässig sind, weil die Klagen selbst im Falle ihres Erfolgs für die Kläger keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen können, die begehrte gerichtliche Entscheidung ihre Stellung also weder gegenwärtig noch zukünftig verbessern würde (vgl etwa BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 24/10 R -, NZS 2012, 798 RdNr 10 mwN). So liegt es hier ersichtlich nicht, weil eine Beseitigung des angefochtenen Änderungs- und Erstattungsbescheids die Rechtsstellung der Kläger jedenfalls zunächst verbessert. Ob sie schließlich im Ergebnis auf anderem Wege dennoch zur Erstattung vorläufig erbrachter Leistungen heranzuziehen sind, ist im hier zu entscheidenden Rechtsstreit nur im Rahmen der Umdeutungsvoraussetzungen des § 43 SGB X beachtlich(dazu unter 7 c). Liegen sie - wie hier - nicht vor, kommt es auf ein etwaiges künftiges Alternativverhalten der beklagten Behörde unter Rechtsschutzgesichtspunkten nicht an.

11

3. Auch in der Sache haben die Revisionen Erfolg. Zwar sind die angefochtenen Entscheidungen entgegen der Auffassung des SG formell nicht zu beanstanden (dazu nachfolgend 4. und 5.). Nach Wegfall der Voraussetzungen für die zunächst nur vorläufige Bewilligung der existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II gemäß § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III(in der bis zum 31.3.2012 unveränderten Fassung des AFRG; im Folgenden: § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III aF)hatte der Beklagte jedoch anstelle des auf § 48 SGB X gestützten Änderungsbescheids eine endgültige Bewilligungsentscheidung nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III zu treffen, woran es hier fehlt(dazu 6. bis 7.). Demgemäß hat auch die angefochtene Erstattungsverfügung keine Grundlage (dazu unter 8.).

12

4. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass sich die angegriffenen Verfügungen nicht deshalb als formell rechtswidrig erweisen, weil die Kläger zu ihren Voraussetzungen nicht gemäß § 24 Abs 1 SGB X ordnungsgemäß angehört worden sind. Ohne Bedeutung hierfür ist, ob der Beklagte insoweit von zutreffenden rechtlichen Vorstellungen ausgegangen ist. Denn bezüglich der Frage, ob ein Anhörungsfehler vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen Rechtsansicht der handelnden Verwaltungsbehörde auszugehen, mag sie auch falsch sein (vgl BSG Urteil vom 26.9.1991 - 4 RK 4/91 - BSGE 69, 247, 252 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 S 9 f; zuletzt etwa BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 21).

13

Ausreichend war es daher, den Klägern die Gelegenheit zu geben, sich zu den aus Sicht des Beklagten erheblichen Tatsachen für die Änderung der mit Bescheid vom 11.11.2009 vorläufig bewilligten Leistungen zu äußern (zu den Anforderungen insoweit vgl nur BSG Urteil vom 26.9.1991 - aaO S 251 f bzw S 9; zuletzt etwa BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - BSGE 114, 188 = SozR 4-4200 § 11 Nr 62, RdNr 14 sowie BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 30, jeweils mwN). Dem ist der Beklagte mindestens durch die Übersendung von Berechnungsbögen nachgekommen, mit dem er auf die Bitte der Klägerin reagierte, die im Anhörungsschreiben vom 29.4.2010 aufgeführte Überzahlung näher zu erläutern.

14

5. Zu Recht hat das LSG den angefochtenen Bescheid entgegen der Auffassung des SG auch als inhaltlich hinreichend bestimmt angesehen (§ 33 Abs 1 SGB X).

15

Zwar ist das SG im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass das Bestimmtheitserfordernis bei der Korrektur einer Bewilligungsentscheidung gegenüber einer Mehrheit von Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II unter Berücksichtigung der Besonderheiten des hierfür geltenden materiellen Rechts (vgl dazu BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 8 SO 2/09 R - SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16)nur gewahrt ist, wenn sich ihm hinreichend klar entnehmen lässt, an welche Mitglieder der Korrekturbescheid adressiert und wer Verpflichteter der entsprechenden Erstattungsforderung ist (stRspr; vgl etwa BSG Urteil vom 16.5.2012 ebenda; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31 ff; zu den Bestimmtheitsanforderungen im Ganzen vgl zuletzt etwa BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 30 mwN). Jedoch hat der erkennende Senat es dafür ausreichen lassen, wenn ein eine Bedarfsgemeinschaft zwischen Elternteil und minderjährigem Kind betreffender Änderungsbescheid zwar nur gegenüber dem Elternteil ergeht, jedoch zum einen mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen ist, dass der zurückzuzahlende Gesamtbetrag das Ergebnis einer Addition von insgesamt mehreren, an die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gerichteten Korrekturentscheidungen ist, und dass zum anderen auch durch den Hinweis auf die gesetzliche Vertretung des Kindes ersichtlich wird, dass der Elternteil nicht (Gesamt-)Schuldner der Rückforderungssumme ist (Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31 ff).

16

Hieran gemessen ist die Adressierung des angefochtenen Bescheids allein an die Klägerin unschädlich, weil sich auch hier einleitend der Hinweis findet, dass die Leistungen in dem geänderten Ausgangsbescheid für die Klägerin und ihre Söhne bewilligt worden sind, die im Einzelnen aufgeführten Korrekturbeträge zwischen den drei Klägern unterscheiden und schließlich ebenfalls die Wendung gebraucht ist "Soweit der Bescheid Ihre Kinder betrifft, ergeht er an Sie als gesetzlichen Vertreter."

17

6. In der Sache beurteilt sich die Rechtmäßigkeit der geänderten Leistungsbewilligung ausschließlich an den für die abschließende Entscheidung nach vorangegangener vorläufiger Bewilligung maßgebenden Vorschriften des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 SGB III. Keine Grundlage findet sie dagegen in den für die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse einschlägigen Bestimmungen von § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II(idF des Freibetragsneuregelungsgesetzes; im Folgenden: § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II aF) iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III(idF des AFRG) sowie § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X; insoweit ist dem LSG nicht zu folgen.

18

a) Nach der Verweisungsnorm des § 40 SGB II sind für das Verfahren nach dem SGB II ua die Vorschriften des § 328 SGB III über die vorläufige Entscheidung entsprechend anwendbar(Abs 1 Satz 2 Nr 1a). Hiernach kann über die Erbringung von Geldleistungen ua dann vorläufig entschieden werden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat (§ 328 Abs 1 Nr 3 SGB III aF). Im Hinblick auf die endgültige Leistungsbewilligung gilt sodann zunächst: "Eine vorläufige Entscheidung ist nur auf Antrag des Berechtigten für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist" (§ 328 Abs 2 SGB III aF). Weiter ist bestimmt: "Auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen sind auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten" (§ 328 Abs 3 Satz 1 und 2 Halbsatz 1 SGB III idF des AFRG bzw des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes vom 16.12.1997, BGBl I 2970 ).

19

b) Zutreffend hat hiernach der Beklagte im Hinblick auf das teilweise noch ungeklärte Einkommen der Kläger mindestens wegen der noch nicht feststehenden Höhe der Unterhaltszahlungen für die Kläger zu 2) und 3) nach erst kurz zuvor erfolgter Trennung der Klägerin von ihrem Ehemann und dem Vater ihrer Söhne über den geltend gemachten Leistungsanspruch durch Bescheid vom 11.11.2009 zunächst (nur) im Wege der vorläufigen Entscheidung nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III aF befunden. Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits mehrfach entschieden hat, ist der Erlass eines endgültigen Bescheides kein taugliches Instrumentarium in Fällen, in denen objektiv nur die Möglichkeit einer prospektiven Schätzung insbesondere der Einkommenssituation besteht. Dies ist Folge der grundsätzlichen Verpflichtung der Verwaltung, vor Erlass eines Bescheides die Sachlage vollständig aufzuklären, um die objektiven Verhältnisse festzustellen (vgl BSG Urteil vom 2.6.2004 - B 7 AL 58/03 R - BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 6 mwN). Erlässt sie einen endgültigen Bescheid auf Grundlage eines nicht endgültig aufgeklärten Sachverhalts und stellt sich später heraus, dass der Bescheid bereits im Zeitpunkt des Erlasses objektiv rechtswidrig war, ist ein Fall des § 45 SGB X gegeben. Dies gilt unabhängig davon, zu welchen Ermittlungen sich die Verwaltung aufgrund der Angaben des Antragstellers vor Erlass des Ausgangsverwaltungsakts gedrängt sehen musste (vgl bereits BSG Urteil vom 25.6.1998 - B 7 AL 2/98 R - BSGE 82, 198, 209 f = SozR 3-4100 § 242v Nr 1 S 14 f; BSG Urteil vom 2.6.2004 aaO; BSG vom 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R - BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39, RdNr 16; BSG, Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 17 f).

20

Hiernach hat der Beklagte jedenfalls die Ungewissheit über die Höhe der künftigen Unterhaltszahlungen zu Recht zum Anlass genommen, von einer endgültigen Entscheidung über den von den Klägern geltend gemachten Leistungsanspruch vorerst abzusehen und mit ihr bis zur Vorlage der angeforderten Unterlagen abzuwarten.

21

c) Nach deren Vorlage hatte der Beklagte gemäß § 328 SGB III iVm § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift eine abschließende Entscheidung über das streitbefangene Leistungsbegehren zu treffen und durfte sich nicht lediglich auf eine (fortschreibende) Änderung der vorläufigen Bewilligung beschränken.

22

Bereits die Wendung "kann vorläufig entschieden werden, wenn" (§ 328 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB III) verweist darauf, dass Bewilligungen nach § 328 Abs 1 Satz 1 SGB III aF ausschließlich auf eine Zwischenlösung zielen und demgemäß auf die Ersetzung durch eine endgültige Entscheidung nach Wegfall der Vorläufigkeitsvoraussetzungen nach § 328 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB III angelegt sind. Entsprechend unterscheidet die Norm in der Anrechnungsregelung des Abs 3 Satz 1 zwischen den "auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte(n) Leistungen" und der "zustehende(n) Leistung". Ebenso wird in der Vorgabe für die Überzahlungsfälle explizit Bezug genommen auf den mit der "abschließenden Entscheidung" zuzuerkennenden Leistungsanspruch (Satz 2 Halbsatz 1). Dass deshalb jedenfalls bei Änderungen gegenüber den ursprünglich zugrunde gelegten Annahmen ein von Amts wegen zu beachtender verfahrensrechtlicher Anspruch auf eine die Leistungen endgültig zuerkennende Bewilligung besteht, folgt schließlich mittelbar aus § 328 Abs 2 SGB III aF, wonach eine vorläufige Entscheidung nur auf Antrag des Berechtigten für endgültig zu erklären ist, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist(ebenso Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 328 RdNr 83, Stand März 2015).

23

Auch Sinn und Zweck von § 328 SGB III gebieten, jedenfalls in den Fällen des § 328 Abs 3 SGB III die vorläufige Leistungsbewilligung nach Wegfall der Gründe für die nur vorläufige Bescheidung des Leistungsbegehrens durch eine endgültige Entscheidung zu ersetzen. Vorläufigen Entscheidungen nach dem Sozialgesetzbuch (vgl etwa auch § 42 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) kommt nach Zweck und Bindungswirkung allein die Funktion zu, eine (Zwischen-)Regelung bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage zu treffen. Vorläufig bewilligte Leistungen sind daher als aliud gegenüber endgültigen Leistungen anzusehen, deren Bewilligung keine Bindungswirkung für die endgültige Leistung entfaltet (stRspr; vgl bereits etwa BSG Urteil vom 31.8.1983 - 2 RU 80/82 - BSGE 55, 287, 290 f = SozR 1200 § 42 Nr 2 S 3 f; BSG Urteil vom 31.5.1989 - 4 RA 19/88 - SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14; BSG Urteil vom 12.5.1992 - 2 RU 7/92 - SozR 3-1200 § 42 Nr 2 S 4 f; BSG Urteil vom 9.5.1996 - 7 RAr 36/95 - SozR 3-4100 § 112 Nr 28 S 127; BSG Urteil vom 16.6.1999 - B 9 V 13/98 R - SozR 3-1200 § 42 Nr 8 S 25; zuletzt BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21, RdNr 20; ebenso Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, K § 328 RdNr 63, Stand Mai 2012; modifiziert Greiser in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 5 f, 48, Stand Februar 2013: keine Bindungswirkung nur, soweit Vorläufigkeit reicht).

24

Folgerichtig können Leistungsbezieher nach § 328 Abs 2 SGB III aF schon dann nicht darauf verwiesen werden, auf eine endgültige Entscheidung über den erhobenen Anspruch zu verzichten, wenn keine Änderung gegenüber den ursprünglichen Annahmen eingetreten ist. Umso mehr muss dies gelten für Adressaten vorläufiger Bescheide, bei denen abschließend neue Umstände zu berücksichtigen sind. Zur Beseitigung der Unklarheit über die Höhe der ihnen endgültig zustehenden Leistungen ist deshalb von Amts wegen notwendig eine das Verwaltungsverfahren auf den ursprünglichen Leistungsantrag abschließende Entscheidung (vgl § 8 SGB X) nach Maßgabe von § 328 Abs 3 Satz 1 sowie ggfs Satz 2 Halbsatz 1 SGB III zu treffen(ebenso zur einstweiligen Gewährung von Altersruhegeld BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 109 f = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; zu § 42 SGB I BSG Urteil vom 9.5.1996 - 7 RAr 36/95 - SozR 3-4100 § 112 Nr 28 S 127: vorläufiger Bescheid ist von vornherein auf Ersetzung durch endgültigen Bescheid angelegt; ebenso Eicher/Greiser in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 40 RdNr 54; Aubel in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 40 RdNr 72; Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 328 RdNr 75, Stand März 2015; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, K § 328 RdNr 133, Stand Mai 2012; Greiser in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 5, Stand Februar 2013).

25

d) Als in diesem Sinne abschließende Entscheidung über das zunächst nur vorläufig beschiedene Leistungsbegehren genügt die Regelungswirkung eines bloßen Änderungsbescheids nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X nicht(zur Auslegung der Entscheidung hier sogleich unter 7.). Dabei kann offenbleiben, ob die §§ 44 ff SGB X im Anwendungsbereich von § 328 SGB III generell verdrängt sind oder ob die Korrektur vorläufiger Bewilligungen partiell auch auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 44 ff SGB X zu stützen und im Hinblick auf Vertrauensschutz an ihnen zu messen sein kann(vgl dazu einerseits etwa Greiser in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 60 mit RdNr 47 ff, Stand Februar 2013; Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 328 RdNr 73 f, Stand März 2015; skeptisch Düe in Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, § 328 RdNr 8 ff; ablehnend Schaumberg in jurisPK-SGB III, 1. Aufl 2014, § 335 RdNr 67: § 328 SGB III verdrängt die §§ 44 ff SGB X; ebenso wohl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, K § 328 RdNr 37, Stand Mai 2012).

26

Denn ungeachtet dessen genügt den Anforderungen an eine iS von § 328 Abs 3 SGB III "abschließende Entscheidung" nur ein Bescheid, der den ursprünglichen Vorläufigkeitsvorbehalt aufhebt und die begehrte Leistung als die "zustehende Leistung" endgültig zuerkennt, was mit einem Änderungsbescheid nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X regelmäßig nicht zum Ausdruck gebracht wird. Nicht entscheidend für die hier maßgebende Rechtsgrundlage ist deshalb, ob der vorläufigen Entscheidung ein (noch) geringeres Maß an Vertrauensschutz zukommt als er durch § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X vermittelt wird, worauf das LSG abgestellt hat. Maßgebend für die vorliegend zu treffende Entscheidung ist vielmehr, ob auch für jeden Außenstehenden kein Zweifel über die nunmehr endgültige Bindungswirkung der abschließenden Entscheidung bestehen kann; andernfalls wäre dem Schutzzweck der endgültigen Bewilligung im Hinblick auf ihre Funktion für den Vertrauensschutz insbesondere nach den §§ 45 und 48 SGB X nicht genügt.

27

7. Die hieraus sich ergebenden Anforderungen an die endgültige Bewilligung der den Klägern im streitbefangenen Zeitraum zustehenden Leistungen wahrt der angefochtene "Aufhebungs-" bescheid vom 1.7.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids nicht (zur Befugnis seiner Auslegung auch durch das Revisionsgericht vgl etwa BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 12 mwN).

28

a) Ausdrücklich enthält der Bescheid eine abschließende Regelung nicht; dem Wortlaut nach beschränken sich die Verfügungssätze darauf, dass die erteilte Bewilligung teilweise "aufgehoben" und eine entsprechende Erstattungsforderung festgesetzt wird. Das kann entgegen der Auffassung des LSG auch nicht im Wege der Auslegung dahin verstanden werden, dass für den fraglichen Zeitraum nunmehr endgültig Leistungen in bestimmter Höhe bewilligt worden sind. Zwar geht es im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass für die Auslegung nicht allein auf den Wortlaut der Verfügungssätze abzustellen ist, sondern auch auf alle weiteren Umstände, die nach dem Empfängerhorizont für dessen Verständnis maßgebend sind. Ausreichend ist danach, wenn aus dem gesamten Inhalt eines Bescheids einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über die Regelung gewonnen werden kann, auch wenn dazu auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (stRspr; vgl etwa BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 26).

29

b) Auch nach diesem Maßstab kann indes dem angefochtenen Bescheid unter Berücksichtigung der aufgezeigten Besonderheiten im Verhältnis zwischen vorläufiger und endgültiger Regelung nach § 328 SGB III keine Regelung des Inhalts entnommen werden, dass den Klägern nunmehr endgültige Leistungen zuerkannt worden sind. Nicht ausreichend hierfür ist, dass der Beklagte mit dem Bescheid eine endgültige Entscheidung über den Bewilligungszeitraum vom 22.10.2009 bis zum 30.4.2010 herbeiführen wollte. Dafür bedürfte es zumindest irgend eines Anhaltspunktes in einem Verfügungssatz oder zumindest in der Begründung der Entscheidung, der eine solche Bindungswirkung zu entnehmen sein könnte, woran es hier fehlt. Den einzig möglichen Hinweis hierauf könnte ein Verweis auf eine im Widerspruchsbescheid bezeichnete Entscheidung des LSG in einem Eilverfahren bieten, wonach es unschädlich sei, wenn anstatt einer endgültigen Regelung eine "Aufhebung" erfolge (Verweis auf L 13 AS 118/09 B ER). Da den Klägern der nähere Inhalt dieser Entscheidung nicht bekannt ist, kann auch daraus indes nicht zweifelsfrei darauf geschlossen werden, dass mit der angefochtenen Entscheidung eine endgültige Leistungsbewilligung iS von § 328 Abs 3 Satz 2 SGB III getroffen sein sollte.

30

c) Aus diesen Gründen kommt auch eine Umdeutung in einen endgültigen Leistungsbescheid nicht in Betracht. Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt setzt nach § 43 Abs 1 SGB X voraus, dass der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden konnte und die Voraussetzungen für den Erlass dieses Verwaltungsaktes erfüllt sind. Das könnte hier nur angenommen werden, wenn dem streitbefangenen Bescheid in einer den aufgezeigten Grundsätzen genügenden Weise entnommen werden könnte, dass nunmehr eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch der Kläger im streitbefangenen Zeitraum getroffen werden sollte. Daran fehlt es indes gerade.

31

8. Mangels einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden abschließenden Entscheidung über den Leistungsanspruch der Kläger iS von § 328 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III fehlt es schließlich an einer hinreichenden Grundlage für die festgesetzte Erstattungsforderung. Voraussetzung für sie ist, dass mit der endgültigen Entscheidung "ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt" worden ist. Ohne eine solche Entscheidung kann der streitbefangene Bescheid auch hinsichtlich der Erstattung selbst dann keinen Bestand haben, wenn deren Höhe zutreffend bestimmt sein sollte.

32

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 4. Dezember 2014 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des Anspruchs der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.11.2009 unter Berücksichtigung von Einkommen der Klägerin aus zwei Gewerbebetrieben, von denen ein Gewerbebetrieb Verluste erzielte, sowie die Erstattung von vorläufigen Leistungen für den Zeitraum von Juli bis November 2009 in Höhe von 697,08 Euro durch die Klägerin.

2

Die Kläger lebten im streitgegenständlichen Zeitraum gemeinsam in einer Mietwohnung. Die Klägerin betreibt - an zwei verschiedenen Betriebsstätten - einen Handel mit Tierfutter für Hunde und Katzen (B Versandhandel/Ladengeschäft) sowie einen Möbelhandel (An- und Verkauf). Mit letzterem erwirtschaftete sie im streitgegenständlichen Zeitraum Verluste.

3

Den Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen für die Zeit ab 1.2.2009 lehnte der Beklagte mangels Hilfebedürftigkeit der Kläger zunächst ab (Bescheid vom 3.2.2009). Während des hiergegen gerichteten Widerspruchsverfahrens erwirkte der Kläger eine einstweilige gerichtliche Anordnung (Beschluss des SG Berlin vom 6.7.2009 - S 108 AS 10168/09 ER; Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 7.8.2009 - L 28 AS 1253/09 B ER), mit welcher der Beklagte zur vorläufigen Gewährung von Leistungen an den Kläger in Höhe von monatlich 346 Euro für die Zeit vom 27.6.2009 bis 30.11.2009 verpflichtet wurde. Der Beklagte kam dem unter Berücksichtigung eines anteiligen monatlichen Einkommens der Klägerin in Höhe von 192 Euro nach (vorläufiger Bewilligungsbescheid vom 20.7.2009) und wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 21.7.2009). Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage (S 96 AS 24112/09, zuletzt S 204 AS 10168/09) haben die Kläger zunächst vorläufige höhere Leistungen für den Zeitraum von Februar bis Juni 2009 in Höhe von monatlich 847 Euro und für Juli bis November 2009 in Höhe von monatlich weiteren 508 Euro begehrt. Der bei der Leistungsberechnung zugrunde zu legende Gesamtgewinn, errechnet aus dem Gewinn aus dem Tierfutterhandel und dem Verlust aus dem Möbelhandel, sei geringer als vom Beklagten angenommen.

4

Während des Klageverfahrens änderte der Beklagte die dem Kläger vorläufig für die Zeit vom 27.6.2009 bis 30.11.2009 bewilligten Leistungen für Juli 2009 ab; zusätzlich bewilligte er nunmehr auch der Klägerin vorläufige Leistungen für die Zeit vom 14.7.2009 bis 30.11.2009. Einen bereits vor der Klageerhebung gestellten Weiterbewilligungsantrag (29.6.2009) lehnte der Beklagte erneut mangels Hilfebedürftigkeit ab (Bescheid vom 8.7.2009).

5

Nach Vorlage der abschließenden Angaben zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit bewilligte der Beklagte den Klägern alsdann Leistungen für den Zeitraum 1.2.2009 bis 26.6.2009 (Bewilligungsbescheid vom 8.3.2010) und berücksichtigte dabei monatliches Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit durch den Tierfutterhandel in Höhe von 610,82 Euro; aus dem Möbelhandel sei kein Gewinn erzielt worden. Ein Verlustausgleich mit dem Einkommen aus dem Tierfutterhandel finde nicht statt. Für den Zeitraum vom 27.6.2009 bis 30.11.2009 bewilligte der Beklagte endgültige Leistungen (Änderungsbescheid vom 8.3.2010) unter teilweiser Aufhebung der vorläufigen Bewilligung. Mit weiteren, jeweils gesondert an die Kläger gerichteten Festsetzungs- und Erstattungsbescheiden vom selben Tag, betreffend die vorläufigen Bewilligungsbescheide vom 20.7.2009, 5.8.2009 und unter Bezugnahme auf den Änderungsbescheid vom 8.3.2010, machte der Beklagte eine Überzahlung an den Kläger in Höhe von insgesamt 840,72 Euro und die Klägerin in Höhe von insgesamt 697,08 Euro geltend. Die hiergegen erhobenen Widersprüche blieben erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 21.6.2010). Die Klage gegen den an den Kläger adressierten Widerspruchsbescheid (Aktenzeichen S 143/138 AS 22064/10) hat dieser nach gerichtlichem Hinweis auf eine doppelte Rechtshängigkeit zum Klageverfahren S 204 AS 10168/09 zurückgenommen, während die Klage gegen den an die Klägerin adressierten Widerspruchsbescheid (Aktenzeichen S 142 AS 22063/10) zum Klageverfahren S 204 AS 10168/09 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurde (Verbindungsbeschluss des SG vom 22.3.2011).

6

Das SG hat die Klagen, mit denen die Kläger zuletzt unter Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 8.3.2010 und des Änderungsbescheids vom selben Tag höhere Leistungen nach dem SGB II und die Aufhebung des an die Klägerin gerichteten Festsetzungsbescheids vom 8.3.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.6.2010 beantragt hatten, abgewiesen (Urteil vom 22.7.2011).

7

In dem von den Klägern angestrengten Berufungsverfahren hat sich der Beklagte mit einem Teilanerkenntnis vom 12.4.2013 in der Fassung der Annahmeerklärung vom 23.4.2013 verpflichtet, den Klägern unter Änderung des Bescheids vom 8.3.2010 höhere Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen. Das LSG hat die Berufung der Kläger mit der Begründung zurückgewiesen, dass sie keinen höheren Leistungsanspruch als mit den angefochtenen Bescheiden in Gestalt des angenommenen Teilanerkenntnisses hätten. Die Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit nach der Alg II-V sehe eine betriebsbezogene Betrachtung von Einnahmen und Ausgaben vor. Auch ohne ausdrückliches Verbot des Verlustausgleichs innerhalb derselben Einkommensart ergebe sich die Unzulässigkeit der Saldierung aus dem Einkommensbegriff des § 11 Abs 1 SGB II und der Alg II-V. Es werde auf die tatsächlichen Bruttoeinnahmen abgestellt und an die sozialhilferechtlichen Regelungen angeknüpft. Die klägerische Betrachtungsweise führe dazu, dass die Allgemeinheit die Kosten einer verlustbringenden Tätigkeit zu tragen hätte. Würden zwei Gewerbe betrieben, sei es naheliegend und auch betriebswirtschaftlich sinnvoll, das verlustreiche Gewerbe aufzugeben. Der gegenüber der Klägerin ergangene Festsetzungs- und Erstattungsbescheid vom 8.3.2010 sei nicht zu beanstanden; der an den Kläger adressierte Festsetzungs- und Erstattungsbescheid sei nach Rücknahme der Klage insoweit bindend geworden (Urteil vom 4.12.2014).

8

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügen die Kläger eine Verletzung der §§ 11, 13 SGB II und §§ 3, 5 Alg II-V. Ihrer Ansicht nach ist auch im SGB II ein Verlustausgleich innerhalb einer Einkunftsart zulässig.

9

Die Kläger beantragen,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 4. Dezember 2014 und des SG Berlin vom 22. Juli 2011 aufzuheben, die Bescheide vom 8. März 2010 in der Form des Teilanerkenntnisses des Beklagten vom 12. April 2013 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, den Klägern für die Zeiträume vom 1. Februar 2009 bis 26. Juni 2009 und 27. Juni 2009 bis 30. November 2009 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren
sowie den an die Klägerin adressierten Erstattungsbescheid des Beklagten vom 8. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2010 aufzuheben.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er hält die angegriffene Entscheidung aus den im Urteil des LSG niedergelegten Gründen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Zwar ist das LSG zutreffend von einem Ausschluss des horizontalen Verlustausgleichs im SGB II ausgegangen; die Feststellungen des LSG zur Hilfebedürftigkeit der Kläger vermögen die Entscheidung in der Sache indes nicht zu tragen.

13

1. Streitig sind zum einen höhere als mit den Bescheiden vom 8.3.2010 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 12.4.2013 bewilligte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeiträume vom 1.2.2009 bis 26.6.2009 und 27.6.2009 bis 30.11.2009. Die vorläufigen Bewilligungsbescheide vom 20.7.2009 und vom 5.8.2009 haben sich im Klageverfahren auf sonstige Weise iS des § 39 Abs 2 SGB X durch den Erlass des Bescheids vom 8.3.2010, mit denen der Beklagte eine endgültige Bestimmung der Leistungshöhe für den Zeitraum 27.6.2009 bis 30.11.2009 verfügt hat, erledigt; der endgültige Bescheid hat die vorläufigen Bescheide ersetzt (vgl BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 139/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 38 RdNr 13; BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 12; BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 14 AS 13/14 R - für BSGE und SozR 4-4200 § 22 Nr 86 vorgesehen RdNr 16). Ersetzt worden sind auch die die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ablehnenden Entscheidungen des Beklagten vom 1.2.2009 und 8.7.2009 durch den Bewilligungsbescheid vom 8.3.2010. Der Höhe nach sind die von den Klägern begehrten Leistungen durch die betragsmäßige Festlegung in ihrem Antrag in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG für den Zeitraum Februar bis Juni 2009 auf monatlich 847 Euro bzw für den Zeitraum Juli bis November 2009 auf monatlich 508 Euro begrenzt (§ 168 S 1 SGG; vgl BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - für BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43 vorgesehen RdNr 13).

14

Ferner steht die Erstattungsforderung des Beklagten aus dem Bescheid vom 8.3.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.6.2010 gegen die Klägerin in Höhe von 697,08 Euro im Streit. Sie ist durch den Verbindungsbeschluss des SG Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Streitgegenständlich ist hingegen nicht die Erstattungsforderung des Beklagten gegen den Kläger (Bescheid vom 8.3.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.6.2010). Der den Kläger betreffende Erstattungsbescheid ist bereits nicht mehr Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens gewesen. Die Kläger haben ihre Anträge sowohl im erst- als auch im zweitinstanzlichen Verfahren nicht auf den an den Kläger ergangenen Erstattungsbescheid vom 8.3.2010 erstreckt, während sie die Aufhebung des die Klägerin betreffenden Erstattungsbescheids ausdrücklich beantragt haben.

15

2. Ob die angegriffenen Bewilligungsbescheide rechtswidrig sind und die Kläger für den Zeitraum von Februar 2009 bis November 2009 insgesamt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beanspruchen können, vermochte der Senat mangels hinreichender Feststellungen des LSG, insbesondere zum Einkommen der Klägerin und zu den tatsächlichen sowie den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht abschließend zu befinden.

16

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist § 19 SGB II(in der ab dem 1.8.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) iVm § 7 SGB II (in der Fassung vom 23.12.2007 gültig ab 1.1.2008). Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Alg II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, wenn sie die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II erfüllen. Zwar ist aufgrund der Feststellungen des LSG davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 Nr 1, 2 und 4 SGB II im streitigen Zeitraum vorlagen. Ob sie auch hilfebedürftig waren, kann der Senat nach den Feststellungen des LSG jedoch nicht abschließend beurteilen.

17

Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen; ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs 2 SGB II).

18

Unter Berücksichtigung der für den erkennenden Senat bindenden, weil von den Klägern nicht angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist vorliegend von einer Bedarfsgemeinschaft der Kläger auszugehen. Nach § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft eine Person, die als Partner eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen einer solchen Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft kann den Ausführungen des LSG entnommen werden (s zu den Voraussetzungen im Einzelnen: BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 34/12 R - BSGE 111, 250 = SozR 4-4200 § 7 Nr 32, RdNr 20 ff)und ist im Hinblick auf deren subjektive Seite von der Klägerin selbst vorgebracht worden. Hieraus folgt, dass das Einkommen der Klägerin iS des § 9 Abs 2 S 1 SGB II bei der Berechnung der Leistungen an die beiden Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen ist. Dabei ist das erzielte und um die Freibeträge iS des § 11 SGB II(idF, die die Norm mit dem Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006 erhalten hat) iVm § 30 SGB II(idF des Art 1 Nr 4 des Gesetzes zur Neufassung der Freibetragsregelungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige vom 14.8.2005, BGBl I 2407 mWv 1.10.2005) bereinigte Einkommen dem Bedarf der beiden Kläger gegenüberzustellen. Zur abschließenden Beurteilung sowohl der Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens a) als auch des Bedarfs b) mangelt es jedoch an Feststellungen des LSG.

19

a) Nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der dort aufgezählten Leistungen. Hiervon sind die Ausgaben nach § 11 Abs 2 SGB II abzusetzen. Die Berechnung von Einkommen aus Gewerbebetrieben im Besonderen richtet sich nach den auf Grundlage des § 13 Abs 1 Nr 1 SGB II(idF des 7. Gesetzes zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom 8.4.2008, BGBl I 681 mit Wirkung vom 1.1.2008) ergangenen §§ 3 ff Alg II-V(idF der 1. VO zur Änderung der Alg II-V vom 18.12.2008, BGBl I 2780). Danach ist bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum (§ 41 Abs 1 S 4 SGB II) tatsächlich zufließen (§ 3 Abs 1 S 1 und S 2 Alg II-V). Zur Berechnung des Einkommens sind von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11 Abs 2 SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen(§ 3 Abs 2 S 1 Alg II-V).

20

Zur abschließenden Bewertung des unter Beachtung dieser Vorschriften sich ergebenden zu berücksichtigenden Einkommens aus den Gewerbebetrieben der Klägerin mangelt es bereits an Feststellungen des LSG zu den Betriebseinnahmen, gesondert nach den beiden Gewerbebetrieben der Klägerin. In den Entscheidungsgründen wird nur wiedergegeben, welche bereinigten Einnahmen der Beklagte in seinen Bescheiden zugrunde gelegt hat. Es fehlt auch an Feststellungen zu den tatsächlichen Betriebsausgaben für beide Gewerbebetriebe und dem Vorliegen der Voraussetzungen für die Absetzbarkeit dieser Betriebsausgaben nach § 3 Abs 2 und Abs 3 Alg II-V. Danach sollen unter anderem tatsächliche Ausgaben nicht abgesetzt werden, soweit diese ganz oder teilweise vermeidbar sind oder offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezuges der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechen (§ 3 Abs 3 S 1 Alg II-V). Ferner erfolgt keine Absetzung der Ausgaben bei der Berechnung, soweit das Verhältnis der Ausgaben zu den jeweiligen Erträgen in einem auffälligen Missverhältnis steht (§ 3 Abs 3 S 3 Alg II-V). Ebenso wenig ist dem erkennenden Senat auf Grundlage der Feststellungen des LSG eine Abgrenzung der notwendigen Ausgaben nach § 11 Abs 2 SGB II von den abzusetzenden Betriebsausgaben nach § 3 Abs 2 Alg II-V möglich(vgl zur Abgrenzung notwendiger Ausgaben nach § 11 Abs 2 SGB II von Betriebsausgaben sowie zu den Voraussetzungen der Absetzbarkeit von Betriebsausgaben nach der Alg II-V unter Berücksichtigung des Nachranggrundsatzes des § 2 Abs 2 S 1 SGB II - BSG Urteil vom 5.6.2014 - B 4 AS 31/13 R - SozR 4-4225 § 3 Nr 5 RdNr 17, 22). Feststellungen hierzu wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben. Nur für den Fall, dass nach Nachholung der Feststellungen zur Absetzbarkeit der Ausgaben beim Betrieb des Möbelhandels weiterhin von einem Verlust auszugehen ist, stellt sich die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage der Gesamtbetrachtung des ermittelten Einkommens aus mehreren Betrieben im Sinne des sogenannten horizontalen Verlustausgleichs. Dann wird das Berufungsgericht Nachfolgendes zu beachten haben.

21

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass keine Saldierung von Einnahmen und Verlusten aus mehreren Gewerbebetrieben im SGB II erfolgt. § 3 Alg II-V erlaubt nur den Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben, die der Einkommensberechnung zugrunde zu legen sind, innerhalb eines gegenüber dem Monatsprinzip des § 11 SGB II längeren Zeitraums (regelmäßig Bewilligungszeitraum), nicht aber den Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben mehrerer Tätigkeiten, dh nicht den Ausgleich innerhalb einer Einkommensart (horizontaler Verlustausgleich). Dies folgt aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem systematischen Zusammenhang in dem § 3 Alg II-V steht, im Verbund mit dem Sinn und Zweck der Regelungen der § 5 Alg II-V und § 11 SGB II.

22

(aa) Nach dem Wortlaut des § 3 Alg II-V folgt die Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft eigenen, die Binnensystematik des Grundsicherungsrechts beachtenden Regeln. Es ist ausdrücklich keine Orientierung am EStG, das den horizontalen Verlustausgleich kennt, vorgenommen worden. So setzt sich der Wortlaut des § 3 Alg II-V gegenüber der Vorgängervorschrift des § 2a Alg II-V deutlich vom Einkommensteuerrecht ab(vgl § 2a Alg II-V vom 22.8.2005, BGBl I 2499, mWv 1.10.2005 und § 3 Alg II-V idF vom 17.12.2007, BGBl I 2942). Während § 2a Abs 1 S 2 Alg II-V noch regelte, dass sich nach §§ 13 Abs 1 und 2, 15 Abs 1 und 18 Abs 1 EStG bestimme, welche Einnahmen zum Einkommen aus selbstständiger Arbeit im weitesteten Sinne gehören, untersagt § 3 Alg II-V ausdrücklich die Anwendung der Regelungen des Einkommensteuerrechts. § 3 Abs 2 Alg II-V ordnet an, "von den Betriebseinnahmen" den Abzug der im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten "notwendigen Ausgaben" vorzunehmen und zwar "ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften". Abgesehen davon, unterscheidet sich der grundsicherungsrechtliche Einkommensbegriff des § 11 SGB II, den § 3 Alg II-V über § 13 SGB II lediglich ausfüllt, auch insoweit von dem des EStG, als letzteres den Begriff der "Einkünfte" verwendet, während § 11 Abs 1 SGB II von den "Einnahmen" ausgeht. Diese Absetzung vom Einkommensteuerrecht wird durch die Gesetzesmaterialien zu § 11 SGB II bestätigt(vgl BT-Drucks 15/1516 S 53 zu § 11; vgl Begründung zu § 2 des Alg II-Verordnungsentwurfs des BMWA vom 22.9.2004, abrufbar auf www.bmas.de). Dem folgend geht auch § 3 Abs 1 S 1 Alg II-V von den "Betriebseinnahmen" aus und verwendet eben nicht den steuerrechtlichen Begriff der "Einkünfte".

23

Auch aus der Verwendung des Wortes "alle" in § 3 Abs 1 S 2 Alg II-V in Verknüpfung mit den Betriebseinnahmen aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft kann nicht geschlossen werden, dass ein Ausgleich des Verlustes zwischen mehreren Einnahmen derselben Einkommensart im SGB II ermöglicht werden soll. Denn das Wort "alle" hat allein eine zeitliche Ausgleichskomponente. Es bezieht sich nicht auf eine Gesamtheit selbstständiger Tätigkeiten und daraus insgesamt erzielter Einnahmen, sondern auf "alle" Einnahmen "im Bewilligungszeitraum". § 3 Alg II-V regelt damit eine Abweichung vom Monatszuflussprinzip des § 11 SGB II durch Ausdehnung des für die Einkommensberechnung maßgeblichen Einnahmezeitraums und - spiegelbildlich dazu - § 3 Abs 2 Alg II-V die Streckung des Ausgabezeitraums, wie dem Relativsatz in § 3 Abs 1 S 2 Alg II-V zu entnehmen ist. Dies wird in systematischer Hinsicht durch § 3 Abs 1 S 3, Abs 4 und Abs 5 SGB II bestätigt. Regeln § 3 Abs 1 S 3 und Abs 5 Alg II-V in Abweichung von § 3 Abs 1 S 2 SGB II einen kürzeren bzw einen längeren Zeitraum für die der Einkommensberechnung zugrunde zu legende Einnahmen, bedeutet dies im Rückschluss für § 3 Abs 1 S 2 SGB II, dass auch dieser nur in zeitlicher Hinsicht eine Gesamtbetrachtung des Einkommens anzuordnen bezweckt. Damit ist im Wortlaut des § 3 Alg II-V jedoch zugleich eine betriebsbezogene Betrachtung angelegt, die einem horizontalen Verlustausgleich entgegensteht.

24

(bb) Dies wird durch die Verordnungshistorie untermauert. Der Verordnungsgeber der bis 30.9.2005 geltenden Fassung der Alg II-V vom 20.10.2004 wollte durch das Abstellen auf Einnahmen anstelle der einkommensteuerrechtlichen Einkünfte die einkommensteuerrechtlichen Besonderheiten, wie zB den Verlustausgleich, gerade ausschließen (Begründung des BMWA zur Alg II-V in der Anlage zur Kabinettvorlage vom 22.9.2004, abrufbar auf der Internetseite des BMAS - www.bmas.de). Dies ist im Zuge der Verschiebung der Regelungen zum Umgang mit Einkommen aus selbstständiger Arbeit im weitesten Sinne aus § 2a in § 3 Alg II-V zum 1.1.2008 nochmals verdeutlicht worden (BGBl I 2007, 2942). In der Verordnungsbegründung heißt es dazu, die Erfahrungen in der praktischen Anwendung des bisherigen § 2a Alg II-V hätten gezeigt, dass durch die Berücksichtigung aller steuerlich möglichen Absetzungen vom Einkommen das zu berücksichtigende Arbeitseinkommen bis dahin vielfach geringer gewesen sei, als das tatsächlich (für den Lebensunterhalt) zur Verfügung stehende Einkommen(nicht amtliche Verordnungsbegründung abgedruckt in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, S 1276). Die weiteren Änderungen der Alg II-V im Hinblick auf die Berücksichtigung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb sowie Land- und Forstwirtschaft erfolgten dann im Wesentlichen im Hinblick auf die zeitliche Dimension der Berücksichtigung der Berechnungsgrundlagen. Für die Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit stellte der Verordnungsgeber mWv 1.1.2005 vom Monatsprinzip auf das Kalenderjahr um (§ 2a Alg II-V, eingefügt durch Art 1 Nr 3 Verordnung vom 22.8.2005, BGBl I 2499 mWv 1.10.2005 idF vom 22.8.2005). Mit dem zum 1.1.2008 eingefügten § 3 Alg II-V wurde sodann der maßgebliche Zeitraum für die Einkommensberechnung auf den Bewilligungszeitraum festgelegt. Der Verordnungsgeber wollte insoweit dem Umstand Rechnung tragen, dass die Einnahmen bei vielen selbstständigen und freiberuflichen Tätigkeiten in verschiedenen Monaten in unterschiedlicher Höhe zufließen (Begründung des BMAS zum Entwurf einer Ersten Verordnung zur Änderung der Alg II-V, abrufbar auf der Internetseite des BMAS - www.bmas.de) und mit dem im Vergleich zum Monatsprinzip längeren Zeitraum den Betroffenen die Möglichkeit geben, Einnahmen und Ausgaben für die Tätigkeit innerhalb des Bewilligungszeitraums miteinander auszugleichen (Begründung der Bundesregierung zu § 3 Abs 1 der Neufassung der Alg II-V vom 17.12.2007, abgedruckt bei Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, S 1276).

25

(cc) Auch aus systematischen Gründen kann nach § 3 Alg II-V ein horizontaler Verlustausgleich nicht als zulässig angesehen werden. Denn ein solcher in § 3 Alg II-V verorteter horizontaler Verlustausgleich wäre auf die Einkommensart aus selbstständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb und Land- sowie Forstwirtschaft beschränkt, ohne dass sich aus der Alg II-V oder dem SGB II eine derartige Privilegierung dieser Einkommensart gegenüber dem Einkommen, etwa aus abhängiger Beschäftigung, erschließen ließe.

26

Ebenso wenig kann ein Gebot des horizontalen Verlustausgleichs, wie es die Kläger erkennen, aus § 5 Alg II-V abgeleitet werden. Danach sind Ausgaben höchstens bis zur Höhe der Einnahmen aus derselben Einkunftsart abzuziehen (S 1) und Einkommen nicht um Ausgaben einer anderen Einkommensart zu vermindern (S 2). Zwar verbietet § 5 Alg II-V damit dem Wortlaut nach den horizontalen Verlustausgleich nicht. Von diesem ausdrücklichen Regelungsinhalt im Sinne eines Verbots erfasst wird allein der vertikale Verlustausgleich, dh der Ausgleich zwischen verschiedenen Einkommensarten (vgl Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 11 RdNr 49).

27

Nach seinem Wortlaut differenziert § 5 S 1 Alg II-V nicht zwischen mehreren Einkommen aus mehreren Tätigkeiten einer Einkommensart(vgl auch Mecke in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 13 RdNr 61) und nur einem Einkommen aus einer Einkommensart. Die Vorschrift begrenzt nur die Höhe des Abzugs der Ausgaben von den Einnahmen aus derselben Einkunftsart. Allein aus der Verwendung des dem Einkommensteuerrecht entlehnten Begriffs "derselben Einkunftsart" kann kein Gebot des horizontalen Verlustausgleichs gefolgert werden (vgl § 2 EStG, wonach Einkunftsarten ua Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie Einkünfte aus selbstständiger Arbeit sind; vgl Mues in Estelmann, SGB II, 41. EL Juni 2014, § 11b RdNr 13; vgl zur Heranziehung des Steuerrechts zur Abgrenzung der Einkunftsarten voneinander Mecke in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 13 RdNr 54; BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 1/13 R - BSGE 114, 136 = SozR 4-4200 § 11 Nr 64 RdNr 20). Dies ergibt sich schon daraus, dass der Begriff der "Einkünfte" ansonsten weder im SGB II noch in der Alg II-V benutzt wird (§ 11 SGB II verwendet die Begriffe "Einkommen" bzw "Einnahmen", § 1 Alg II-V verwendet den Begriff "Einkommensart"). Das Einkommensteuerrecht soll - wie dargelegt - bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit gerade nicht zur Anwendung kommen.

28

Auch die Verwendung des Wortes "Einkommensart" in § 5 S 2 Alg II-V rechtfertigt nicht die Annahme der Zulässigkeit des horizontalen Verlustausgleichs. Hiermit wird keine bestimmte selbstständige Tätigkeit oder ein bestimmter Gewerbebetrieb bezeichnet, sondern nur die allgemeine Kategorie der Tätigkeiten nach der gesamten Alg II-V, wie etwa nichtselbstständige Arbeit und selbstständige Arbeit (vgl den Verweis in § 1 Nr 11 Alg II-V auf die Kategorien der Tätigkeiten nach §§ 2, 3 und 4 Alg II-V). Dass mit dem Begriff der "Einkommensart" nicht Einkommen aus einer bestimmten Tätigkeit gemeint ist, wird zudem durch die Verordnungsbegründung zu § 5 Alg II-V bestätigt, in dem der Verordnungsgeber dort davon ausgeht, dass zwei selbstständige Tätigkeiten innerhalb einer Einkommensart ausgeübt werden können("Die Regelung gilt daher auch für den Ausgleich von Verlusten in einer Einkommensart, wenn zum Beispiel zwei selbständige Tätigkeiten betrieben werden.", vgl Verordnungsbegründung zu § 5 Alg II-V zur Neufassung der Alg II-V vom 17.12.2007, abgedruckt in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, S 1279).

29

(dd) Aus dem fehlenden ausdrücklichen Verbot des horizontalen Verlustausgleichs im SGB II und in der Alg II-V kann entgegen der Auffassung der Kläger nicht im Wege des Umkehrschlusses aus § 5 Alg II-V (eingefügt zum 1.1.2008) auf dessen Zulässigkeit geschlossen werden (aA Mecke in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 13 RdNr 61, 74, wonach sich zwingend aus dem Umkehrschluss des § 5 Alg II-V die Zulässigkeit des horizontalen Verlustausgleichs ergebe). Voraussetzung des Umkehrschlusses ist, dass die Beschränkung der Rechtsfolge gerade auf den geregelten Tatbestand ersichtlich vom Gesetzgeber gewollt ist oder nach der Teleologie des Gesetzes geboten ist (vgl hierzu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl 1991, S 390). Ist die gesetzliche Regelung hingegen nicht in dem Sinne zu verstehen, die Rechtsfolge solle nur in den von ihr bezeichneten Fällen eintreten, ist der Umkehrschluss nicht zulässig. So liegt der Fall hier, wie Verordnungshistorie im Verbund mit teleologischen Aspekten zeigen.

30

Aus den Verordnungsmaterialien ergibt sich, dass der Verordnungsgeber mit der Einfügung des § 5 Alg II-V zum 1.1.2008 nicht nur den Ausschluss des vertikalen Verlustausgleichs (klarstellend) regeln wollte. Er hat ausgeführt, mit § 5 werde der Ausgleich von Verlusten zwischen einzelnen Einkommensarten für die Berechnung des in der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu berücksichtigenden Einkommens ausgeschlossen. Ausgaben seien damit nur bei der jeweiligen Einkunftsart abzusetzen. Denn Leistungen zum Lebensunterhalt dürften nur erbracht werden, soweit Hilfebedürftigkeit vorliege. Daher seien alle zur Verfügung stehenden Einnahmen vorrangig für den Lebensunterhalt einzusetzen. Daraus ergebe sich bereits, dass diese Einnahmen dann nicht mehr für den Verlustausgleich zur Verfügung stehen könnten. Die Regelung gelte daher auch für den Ausgleich von Verlusten in einer Einkommensart, wenn zum Beispiel zwei selbstständige Tätigkeiten betrieben würden (Verordnungsbegründung zu § 5 Alg II-V zur Neufassung der Alg II-V vom 17.12.2007, abgedruckt in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, S 1278). Diese Intension des Verordnungsgebers hat im Wortlaut des § 5 Alg II-V zwar keinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden. Gleichwohl sprechen die Anwendungsgeschichte der Regeln zur Berücksichtigung von Einkommen aus mehreren Einkommensquellen sowie Sinn und Zweck des Verbots des vertikalen Verlustausgleichs bei Tätigkeiten aus verschiedenen Einkommensarten sowie systematische Gesichtspunkte für diesen vom Verordnungsgeber intendierten Ausschluss auch des horizontalen Verlustausgleichs bei mehreren Einkommen innerhalb einer Einkommensart.

31

Bereits vor Einfügung des § 5 Alg II-V zum 1.1.2008 wurde ein Verbot des vertikalen Verlustausgleichs im SGB II in Literatur und Rechtsprechung aus dem ausschließlich auf die tatsächlichen Bruttoeinnahmen abstellenden Einkommensbegriff des § 11 Abs 1 S 1 SGB II und dem Anknüpfen des Gesetzgebers an die sozialhilferechtlichen Regelungen gefolgert(vgl Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 11 RdNr 55 mwN; Mues in Estelmann, SGB II, 41. EL Juni 2014, § 11b RdNr 12; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 19.3.2008 - L 20 B 223/07 ER - Juris RdNr 8; Sächsisches LSG Urteil vom 24.11.2011 - L 3 AS 190/08 - Juris RdNr 44 mwN zu Rspr und Lit; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 26.2.2014 - L 18 AS 2232/11 - Juris RdNr 26; zum Verlustausgleich nach GSiG VG Aachen Urteil vom 26.7.2005 - 6 K 2882/03 - Juris RdNr 24). Mit dem Ausschluss des vertikalen Verlustausgleichs wird dem Nachranggrundsatz bei der Einkommensanrechnung Rechnung getragen. Einkommen soll vorrangig zur Deckung des Lebensunterhalts eingesetzt werden. Insoweit gilt es auch weiterhin zu verhindern, dass mit öffentlichen Mitteln eine Einkommensart erhalten wird, in der die Verluste überwiegen; die unwirtschaftliche Tätigkeit ist vielmehr zu beenden. Wird die verlustreiche Tätigkeit aus einer Einkommensart gleichwohl fortgeführt, soll sie nicht mittelbar über einen Abzug des Verlusts von den Einnahmen aus einer anderen Einkommensart finanziert werden. Diese Überlegungen können zwanglos auf den horizontalen Verlustausgleich übertragen werden. Die Beendigung einer verlustbringenden Tätigkeit wird auch von demjenigen erwartet, der innerhalb derselben Einkommensart mehrere Tätigkeiten ausübt.

32

Der im Einkommensbegriff des § 11 SGB II konkretisierte Nachranggrundsatz des § 2 Abs 2 SGB II rechtfertigt diese Erwartung an die hilfebedürftige Person. Sie soll ihr vorhandenes Einkommen zunächst zur Bedarfsdeckung verwenden, bevor bestehende Verpflichtungen erfüllt werden. Der Hilfesuchende muss sein Einkommen auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage für sich einsetzen, wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen (BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14/7b AS 10/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25 f). Es gilt der unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität staatlicher Fürsorge aufgestellte Grundsatz, dass die Lebensunterhaltssicherung durch eigene Mittel grundsätzlich der Schuldentilgung vorgeht (s nur BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 19; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2 - RdNr 18; BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 1/13 R - BSGE 114, 136 = SozR 4-4200 § 11 Nr 64, RdNr 31; BSG Urteil vom 24.4.2015 - B 4 AS 22/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 71 RdNr 23). Wird eine Verbindlichkeit mit zugeflossenem Einkommen erfüllt, handelt es sich um eine bloße Verwendung des Einkommens, die an der Berücksichtigung als Einkommen nichts ändert (BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 10/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 70 RdNr 32 f). Aus dem Grundsatz der Subsidiarität folgt, dass Verluste aus Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht auf die öffentliche Hand abgewälzt werden dürfen (vgl für die Arbeitslosenhilfe: BSG Urteil vom 12.6.1992 - 11 RAr 75/91 - SozR 3-4100 § 138 Nr 7 S 42). Auch für Selbstständige, die zwar insoweit durch die Einkommensberechnungsvorschrift des § 3 Alg II-V privilegiert sind, als aktuelle Zahlungsverpflichtungen von den Einnahmen über den gesamten Bewilligungszeitraum hinweg abgesetzt werden können, soweit sie für die Führung des Gewerbes notwendig sind, gilt der Grundsatz, dass im Bewilligungszeitraum tatsächlich zur Verfügung stehendes Einkommen zur Bedarfsdeckung heranzuziehen ist(BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 1/13 R - BSGE 114, 136 = SozR 4-4200 § 11 Nr 64, RdNr 23, 31).

33

b) (aa) Die betriebsbezogene Einkommensermittlung nach § 3 Alg II-V und die Auslegung des § 5 Alg II-V in dem Sinne, dass die Vorschrift ebenfalls den horizontalen Verlustausgleich nicht erlaubt, geht auch nicht über die Ermächtigungsnorm des § 13 SGB II hinaus, der wiederum den Anforderungen des Art 80 GG genügt(vgl zur Vereinbarkeit von § 13 SGB II mit Verfassungsrecht: BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 31; BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 1/13 R - BSGE 114, 136 = SozR 4-4200 § 11 Nr 64, RdNr 34). Nach § 13 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende(vom 20.7.2006, BGBl I 1706 mWv 1.8.2006), wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen ohne Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welche weiteren Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind und wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist. Wie soeben dargelegt, bestimmen §§ 3 und 5 Alg II-V in Ausfüllung des § 11 SGB II Regeln zur Berechnung des Einkommens.

34

(bb) Auch (weiteres) höherrangiges Recht verlangt keine Zulassung des horizontalen Verlustausgleichs. Wie das BSG bereits zu § 138 AFG ausgeführt hat, verletzt der Ausschluss des Verlustausgleichs nicht Art 12 GG, weil der verlustreiche Betrieb fortgeführt werden darf und andererseits aus Art 12 Abs 1 GG kein Anspruch hergeleitet werden kann, im Wege des Verlustausgleichs einkommensabhängige Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen und damit das Risiko der individuellen Gestaltung der Erwerbsverhältnisse auf die öffentliche Hand abzuwälzen(vgl zum Ausschluss des Verlustausgleichs im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach § 138 AFG idF vom 1.8.1979: BSG Urteil vom 12.6.1992 - 11 RAr 75/91 - SozR 3-4100 § 138 Nr 7 S 42 mwN).

35

(cc) Eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Lage der hilfebedürftigen Personen im Sinne eines Verlustausgleichs ist im SGB II auch nicht entsprechend der für das SGB XII geltenden Härtefallregelung zuzulassen (so wohl Mues in Estelmann, SGB II, 41. EL Juni 2014, § 11b RdNr 13; anders für die Rechtslage vor Einfügung des § 5 Alg II-V: Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 11 RdNr 55, mwN; Hessisches LSG Beschluss vom 24.4.2007 - L 9 AS 284/06 ER - Juris RdNr 31; Sächsisches LSG Beschluss vom 15.9.2005 - L 3 B 44/05 AS ER - Juris RdNr 36 f; analoge Anwendung offen gelassen: SG Dresden Urteil vom 14.2.2014 - S 21 AS 6348/10 - Juris RdNr 59). Nach § 10 S 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII(zuvor BSHGDV § 76 idF vom 1.1.1963, BGBl I 1962, 692) ist ein Verlustausgleich zwischen einzelnen Einkunftsarten nicht vorzunehmen. In Härtefällen kann jedoch die gesamtwirtschaftliche Lage des Beziehers des Einkommens berücksichtigt werden. Im Unterschied zum SGB XII sieht das SGB II jedoch in §§ 16 ff ausdrücklich Leistungen zur Eingliederung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen vor, die eine selbstständige, hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen oder ausüben, wenn zu erwarten ist, dass die selbstständige Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig ist und die Hilfebedürftigkeit durch die selbstständige Tätigkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums dauerhaft überwunden oder verringert wird. Vorübergehende wirtschaftliche Engpässe können im Grundsicherungsrecht mithin durch Leistungen ausgeglichen werden, soweit dies im soeben dargelegten Sinne systemgerecht ist.

36

c) Zur Beurteilung der Hilfebedürftigkeit der Kläger fehlen jedoch nicht nur Feststellungen auf der Einkommensseite. Das LSG wird auch auf der Bedarfsseite weitere Feststellungen zu treffen haben; dies betrifft insbesondere die Unterkunftsbedarfe. Nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung) werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Das LSG hat bisher keine Feststellungen zu den tatsächlichen Aufwendungen der Kläger getroffen. Es hat seiner Berechnung einen Betrag für Unterkunft und Heizung zugrunde gelegt (488,40 Euro), wie er sich aus dem Bescheid des Beklagten vom 8.3.2010 ergibt. Ob es sich insoweit um die tatsächlichen Aufwendungen handelt, bleibt offen. Selbst wenn es sich bei den sodann festgestellten tatsächlichen Aufwendungen der Kläger nicht um solche in angemessener Höhe iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II handeln sollte, käme eine Absenkung im Sinne der Anerkennung eines niedrigeren Bedarfs nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 22 Abs 1 S 3 SGB II gegeben wären. Auch hierzu, ebenso wie zur Höhe der Aufwendungen für die Warmwasserbereitung, fehlt es an Feststellungen des LSG.

37

3. Ob der gegenüber der Klägerin ergangene Erstattungsbescheid vom 8.3.2010 rechtmäßig ist, vermag der Senat angesichts der vorangegangenen Ausführungen ebenfalls nicht abschließend zu entscheiden.

38

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 17. Februar 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Unterkunftskosten nach dem SGB II für Dezember 2009.

2

Die laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beziehenden Kläger zu 1 bis 3 wohnten bis zum 31.10.2008 in einer Wohnung im O weg in K Am 1.11.2008 zogen sie ohne vorherige Zustimmung des Beklagten in ihre derzeitige Wohnung im Ö weg um. Für den Zeitraum vom 1.7.2009 bis 31.12.2009 bewilligte der Beklagte SGB II-Leistungen in Höhe von 1212 Euro monatlich (Bescheid vom 12.6.2009). Hierin enthalten war nur ein von dem Beklagten für Kosten der Unterkunft als angemessen angesehener Betrag in Höhe von 485 Euro (je Kläger 161,66 Euro), nicht die tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 600 Euro monatlich.

3

Aus einer für den Zeitraum 1.1.2008 bis 31.12.2008 erstellten Betriebskostenabrechnung des früheren Vermieters vom 2.10.2009, dem Beklagten zugegangen am 6.10.2009, ergab sich ein Guthaben in Höhe von 1006,78 Euro. Der Vermieter informierte den Beklagten am 16.10.2009 darüber, dass der Betrag aufgrund diverser Mietschulden nicht ausgezahlt werde. Dem Kläger zu 2 teilte er mit, wegen "aufgelaufener, noch ausstehender Mietrückstände" werde das Guthaben in voller Höhe "verrechnet" (Schreiben vom 11.11.2009).

4

Der Beklagte errechnete ein Betriebskostenguthaben der Kläger für den Teilzeitraum vom 1.1.2008 bis 31.10.2008 in Höhe von 838,99 Euro; hiervon entfielen nach seiner Ansicht 785,40 Euro auf die aktuelle Bedarfsgemeinschaft, weil zeitweise auch mehr Personen im Haushalt gelebt hätten. Dies berücksichtigend bewilligte der Beklagte den Klägern für Dezember 2009 lediglich die Regelleistungen in Höhe von 727 Euro, weil hinsichtlich der Kosten der Unterkunft das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung in Höhe von 485 Euro bedarfsmindernd anzurechnen sei (Bescheid vom 23.11.2009). Gleichzeitig hob er mit weiteren Bescheiden vom 23.11.2009 die Leistungsbewilligungen ab 1.12.2009 teilweise in Höhe von 161,66 Euro bei dem Kläger zu 2, gegenüber der Klägerin zu 1 in Höhe von 161,68 Euro und hinsichtlich der Klägerin zu 3 in Höhe von 161,66 Euro (Gesamthöhe von 485 Euro) gemäß § 22 Abs 1 S 4 SGB II auf. Das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung sei im Dezember 2009 in Höhe eines Betrages von 485 Euro und im Januar 2010 in Höhe von 300,40 Euro bedarfsmindernd auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung anzurechnen, weil nicht nur faktische Rückzahlungen, sondern bereits Guthaben die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstandenen Aufwendungen des Leistungsberechtigen minderten (Bescheide vom 23.11.2009; Widerspruchsbescheid vom 2.2.2010).

5

Das SG hat die Bescheide vom 23.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.2.2010 aufgehoben (Urteil vom 17.2.2011). Den Klägern stünden auch für Dezember 2009 die Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in der festgesetzten Höhe zu, weil keine wesentliche Änderung in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen eingetreten sei. § 22 Abs 1 S 4 SGB II könne nur angewandt werden, wenn dem Hilfebedürftigen eine Rückzahlung oder ein Guthaben zufließe, über das er tatsächlich verfügen könne. Nach dem Wortlaut der Norm sei zwar davon auszugehen, dass eine faktische "Rückzahlung" an den Berechtigten nicht erforderlich sei. Ausreichend sei vielmehr ein positiver Saldo, dh eine Forderung, die gegenüber einem anderen geltend gemacht werden könne, bzw allein eine schriftliche Fixierung bzw Eintragung des Guthabens. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift komme eine Minderung jedoch nur in Betracht, wenn dem Hilfebedürftigen tatsächlich Mittel zur Verfügung stünden, mit denen er seinen Lebensunterhalt bestreiten könne, weil ansonsten eine Bedarfsunterdeckung bestehe. Gerade weil den Klägern die Disposition über das Guthaben entzogen gewesen sei, liege keine Schuldentilgung vor. Die Kläger hätten nicht über das Guthaben verfügen können und auch keinen Einfluss auf die Entscheidung des Vermieters gehabt, das Guthaben mit bestehenden Schulden zu verrechnen.

6

Mit seiner Sprungrevision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 S 4 SGB II. Die Vorschrift sei auch anzuwenden, wenn die Gutschrift aus einem Betriebskostenguthaben dem Leistungsempfänger tatsächlich nicht zur Verfügung stehe. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, weil das Wort "Gutschrift" keine Zahlung beinhalte, sondern allein die schriftliche Fixierung bzw Eintragung eines Guthabens als bestehenden Anspruch eines Anderen beinhalte. Der Umstand, dass die Gutschrift als Einkommen des Leistungsberechtigten angesehen werde und nach § 22 Abs 1 S 4 SGB II nur einer besonderen Anrechnungsform auf die Leistung unterliege, spreche ebenfalls dafür, dass auch die Rückerstattung, die zur Schuldentilgung verwandt werde, seinen Leistungsanspruch mindere. Der Sicherungsauftrag des SGB II beinhalte nicht, dass der Leistungsberechtigte in jedem Leistungsmonat auch den vollen Leistungsbetrag zu erhalten habe; vielmehr müssten Leistungsempfänger private Schulden aus der Regelleistung finanzieren. Allerdings ergebe sich - entgegen den Berechnungen in den Bescheiden vom 23.11.2009 - im November ein Minderungsbetrag in Höhe von 485 Euro und - im streitgegenständlichen Monat Dezember 2009 - nur ein solcher in Höhe von 300,40 Euro, weshalb die Bewilligung nur in dieser Höhe aufzuheben sei.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 17. Februar 2011 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

9

Die Kläger machen geltend, das Guthaben dürfe nicht angerechnet werden, weil es nicht zugeflossen sei. Sie hätten auch kein Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der Verwendung des Guthabens gehabt. Im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum sei ihr Bedarf gleich geblieben.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des SG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Ob und in welcher Höhe der Beklagte die Kosten der Unterkunft der Kläger im Dezember 2009 aufheben durfte, kann nicht abschließend entschieden werden. Hierzu fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) des SG, die es dem Senat ermöglichen würden, Grund und Höhe der Aufhebungsentscheidung zu überprüfen.

11

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG gehen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) mit Wirkung vom 1.1.2011 als Rechtsnachfolgerin kraft Gesetzes an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (vgl § 76 Abs 3 S 1 SGB II) getreten sind. Dieser kraft Gesetzes eingetretene Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen nicht, weil der Gesetzgeber sich bei der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraum bewegt(BSG SozR 4-4200 § 37 Nr 5).

12

2. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Sprungrevision bestehen nicht. Nachdem der Beklagte - nach Zustellung des Urteils am 28.2.2011 bzw 4.3.2011 - am 9.3.2011 die Zulassung der Sprungrevision beantragt und die Kläger mit Schriftsatz vom 24.3.2011, welcher am selben Tag zur Gerichtsakte gelangte, der beantragten Zulassung der Sprungrevision zugestimmt hatten, hat das SG diese zugelassen (Beschluss vom 29.3.2011). Eine nach Zustellung des vollständigen Urteils abgegebene Erklärung ist regelmäßig als Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision zu werten (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 161 RdNr 4 mwN). Das BSG ist an die Zulassung durch das SG gebunden (§ 161 Abs 2 S 2 SGG).

13

3. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 23.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.2.2010, mit denen er die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Monat Dezember 2009 teilweise aufgehoben hat. Die Kläger haben die Bescheide zu Recht mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) angegriffen.

14

Mit ihren in der Vorinstanz gestellten Anträgen, die Bescheide vom 23.11.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 2.2.2010 aufzuheben, haben die Kläger den Streitstoff ausdrücklich auf die Aufhebung der mit Bescheid vom 12.6.2009 (auch) für Dezember 2009 bereits bewilligten Kosten für Unterkunft durch den Beklagten in einer Gesamthöhe von 485 Euro beschränkt. Der Höhe nach ist die Prüfung im Revisionsverfahren darauf begrenzt, ob der Beklagte berechtigt war, diese Leistungen aufzuheben. An der Möglichkeit eines isolierten Rechtsstreits allein über die Kosten der Unterkunft und Heizung hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für das laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert (zur Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung: BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18; BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, juris RdNr 11). Das SG wird allerdings zu berücksichtigen haben, dass der Beklagte im Revisionsverfahren anerkannt hat, dass die mit Bescheid vom 12.6.2009 bewilligten Unterkunftskosten (ohnehin) nur in Höhe von 300,40 Euro aufzuheben sind und insofern ein Teilanerkenntnis vorliegt (Schriftsatz vom 6.7.2011; vgl zum Vorrang des normativen Anrechnungszeitraums vor dem sonst geltenden Zuflussprinzip nach § 22 Abs 1 S 4 SGB II: Urteil des Senats vom 22.3.2012 - B 4 AS 139/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 55, RdNr 15 ff).

15

4. Die materielle Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 23.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.2.2010 beurteilt sich nach § 40 SGB II iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, hier also der Bescheid vom 12.6.2007, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Wegen § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 S 1 SGB III ist diese Rechtsfolge zwingend. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der Änderung durch das Betriebskostenguthaben und dessen Berücksichtigung sind hier auch weitere, den Grund und die Höhe der bewilligten Unterkunftskosten beeinflussende Berechnungsfaktoren einzubeziehen (siehe hierzu unter 8). Auch insofern sind noch weitere Feststellungen des SG erforderlich.

16

5. Das in der Betriebskostenabrechnung vom 2.10.2009 ausgewiesene Guthaben ist grundsätzlich als Einkommen iS von § 11 Abs 1 SGB II iVm mit der Sonderregelung des § 22 Abs 1 S 4 SGB II und nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II ist nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen, was er bereits vor Antragstellung hatte. Dabei ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung grundsätzlich nicht ihr Schicksal von Bedeutung, sondern es ist allein die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert maßgebend. Auch für Rückerstattungen von Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen ist nicht von dieser Maßgeblichkeit des tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen und Vermögen abzuweichen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 139/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 55, RdNr 16 mwN; BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5, RdNr 37; s aber BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 42, RdNr 12 zur Stromkostenerstattung und BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 16, RdNr 17 für den Ausnahmefall, dass mit bereits erlangten Einkünften Vermögen angespart wurde).

17

Nach der Sonderregelung zur Einkommensanrechnung von Rückzahlungen und Guthaben des § 22 Abs 1 S 4 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706; nunmehr - in geringfügig veränderter Fassung des § 22 Abs 3 SGB II idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011) mindern Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder Gutschrift entstandenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift. Mit der unklaren Formulierung "mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung" wird zum Ausdruck gebracht, dass eine unmittelbare Anrechnung der Guthaben auf die Kosten der Unterkunft und Heizung und ohne Berücksichtigung der Absetzbeträge des § 11 Abs 2 SGB II, nicht jedoch eine abweichende individuelle Bedarfsfestsetzung bei den Kosten der Unterkunft und Heizung des Folgemonats, erfolgen soll. § 22 Abs 1 S 4 SGB II ist eine Sonderregelung zur Anrechnung von Einkommen iS des § 11 SGB II, die eingeführt wurde, um den mit der Einkommensberücksichtigung nach § 11 SGB II häufig einhergehenden Abzug der Versicherungspauschale zu vermeiden und zugleich die Anrechnung des Guthabens dem kommunalen Träger zugute kommen zu lassen(BT-Drucks 16/1696 S 26). § 22 Abs 1 S 4 SGB II verändert für Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten der Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, lediglich die in § 19 S 3 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) bestimmte Reihenfolge der Berücksichtigung von Einkommen und modifiziert den Zeitpunkt der Anrechnung in Bezug auf die Zuflusstheorie und - durch die ausdrückliche gesetzliche Zuordnung zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung - die Regelungen des § 11 Abs 2 SGB II(vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 139/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 55, RdNr 17 ff; s auch Urteil des Senats vom 16.5.2012 - B 4 AS 159/11 R).

18

Es handelt sich hier um ein Guthaben, das dem Bedarf für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 S 4 SGB II zuzuordnen ist. § 22 Abs 1 S 4 SGB II ist auch nicht einschränkend dahin auszulegen, dass ein Guthaben nur dann (im Folgemonat) zu berücksichtigen ist, wenn es sich (aufgrund mietvertraglicher Vereinbarungen oÄ) im Monat der Gutschrift oder später tatsächlich auf die Kosten der Unterkunft und Heizung ausgewirkt hat(so LSG Hamburg Urteil vom 16.7.2009 - L 5 AS 81/08 - NZS 2010, 230, juris RdNr 26). Zwar könnte hierfür die Fassung des Gesetzes sprechen ("mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung" anstelle "sind als Einkommen bei der Höhe der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen"). Eine derart weitgehende Ankoppelung der Berücksichtigung des Betriebskostenguthabens als Einkommen an Vereinbarungen und ein tatsächliches Handeln des Vermieters und/oder des Leistungsberechtigten ist mit dieser Regelung jedoch nicht verbunden. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber insoweit vom Einkommensbegriff des § 11 SGB II abweichen und Einkommen nur dann berücksichtigen wollte, wenn der Vermieter oder der Leistungsberechtigte dieses Guthaben auch für einen bestimmten Zweck tatsächlich verwenden.

19

Der Anwendung des § 22 Abs 1 S 4 SGB II steht auch nicht entgegen, dass das Betriebskostenguthaben aus einem früheren Mietverhältnis stammt. Eine in diesem Sinne einschränkende Auslegung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 22 Abs 1 S 4 SGB II nicht. Insofern gilt der allgemeine Grundsatz, dass während der Hilfebedürftigkeit zugeflossenes Einkommen zur Bedarfsdeckung heranzuziehen ist und bei der Anrechnung von Einkommen regelmäßig auf den Zeitraum des Erzielens von Einkommen in Geld oder Geldeswert und nicht auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem es "erwirtschaftet" wurde (BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, jeweils RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 17, RdNr 23 ff). Über die in der Literatur diskutierte Frage, ob das Guthaben von vornherein nur teilweise berücksichtigt werden kann, weil die Ansparung aus einer Zeit stammt, in welcher der Leistungsträger nicht die tatsächlichen, sondern nur die aus seiner Sicht angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen hat (vgl hierzu zB Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl 2011, § 22 RdNr 116), musste der Senat nicht entscheiden, weil der Beklagte - nach Aktenlage - im Jahre 2008 die Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe übernommen hat.

20

6. Der Senat kann aber nicht abschließend beurteilen, ob - wie das SG und die Kläger meinen - das Betriebskostenguthaben nach Maßgabe des § 11 Abs 1 SGB II iVm § 22 Abs 1 S 4 SGB II deshalb nicht zu berücksichtigen ist, weil der Betrag den Klägern nicht direkt zugewandt, sondern von dem früheren Vermieter "wegen aufgelaufener, noch ausstehender Mietrückstände verrechnet" worden ist.

21

Auch insofern handelt es sich - nach den allgemeinen Grundsätzen zum Begriff und zur Berücksichtigung von Einkommen - grundsätzlich um zugeflossenes Einkommen iS von § 11 Abs 1 SGB II. Zwar enthält § 11 Abs 1 S 1 SGB II keine weitergehende Definition dessen, was als Einkommen gilt. Eine Betriebskostenrückzahlung, die dem Hilfebedürftigen nicht ausgezahlt wird, sondern mit aufgelaufenen oder künftigen Mietforderungen des Vermieters von diesem verrechnet wird, bewirkt aber bei ihm einen "wertmäßigen Zuwachs", weil sie wegen der damit ggf verbundenen Schuldbefreiung oder Verringerung anderweitiger Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit oder Zukunft einen bestimmten, in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert besitzt (s BSGE 74, 287 = SozR 3-1300 § 48 Nr 33, S 68 f zur Aufrechnung mit Arbeitsentgeltansprüchen; vgl BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2 zu gepfändeten Einkommensteilen; zu einem von der Vermieterin verrechneten Betriebs- und Heizkostenguthaben mit zukünftigen Mietzahlungen: BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 139/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 55, RdNr 16).

22

Handelt es sich demnach um grundsätzlich zu berücksichtigendes Einkommen, wird das SG noch zu prüfen haben, ob die Kläger das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 - auch wenn es (zunächst) an einer "tatsächlichen Verfügungsgewalt" fehlte - auch aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder nicht ohne Weiteres realisieren konnten. Nur wenn dies festgestellt worden ist, standen den Klägern bereite Mittel zur Bedarfsdeckung nicht zur Verfügung und muss - in gleicher Weise wie bei gepfändeten Teilen des Alg II - die mögliche Folge einer Tilgung von Mietschulden aus der Vergangenheit durch Rückzahlungen aus Betriebskostenabrechnungen hingenommen werden (vgl zur Pfändung BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2 mwN; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 RdNr 100 f; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 11 RdNr 41). Diese Prüfung ist erforderlich, obwohl das Betriebskostenguthaben mit Kosten der Unterkunft und Heizung "verrechnet" worden ist. Zwar sind Aufwendungen der Kosten der Unterkunft und Heizung von dem SGB II-Träger zu übernehmen, wenn sie auf einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung beruhen und tatsächlich gezahlt werden (BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16 zum Staffelmietvertrag; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 47, RdNr 14). Der hier von dem Vermieter vorgenommenen Einbehaltung des Betriebskostenguthabens liegt jedoch keine Vereinbarung zwischen den Klägern und ihrem Vermieter zugrunde, sondern sie ist als Aufrechnungserklärung iS des § 388 BGB die bloße Ausübung eines Gestaltungsrechts des Vermieters. Die ungeprüfte Akzeptanz des allein tatsächlichen Vermieterhandelns käme - so der Beklagte zu Recht - der im SGB II grundsätzlich nicht möglichen "freiwilligen" Schuldentilgung gleich. Insofern haben die beiden für die Grundsicherung nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG bereits in anderem Zusammenhang darauf verwiesen, dass bei der Abgrenzung der als Zuschuss übernahmefähigen Aufwendungen nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II von den Schulden iS von § 22 Abs 5 SGB II ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II danach zu unterscheiden ist, ob es sich um einen tatsächlich eingetretenen, bisher noch nicht von dem SGB II-Träger gedeckten Bedarf handelt oder nicht(zur Übernahme einer Heizkostennachforderung des Vermieters nach § 22 Abs 1 SGB II: BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 38, RdNr 17; BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - RdNr 15, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Regelung des § 22 Abs 5 SGB II verdeutlicht, dass - auch im Bereich der Unterkunftskosten - Schulden nur dann und auch nur als Darlehen übernommen werden sollen, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist.

23

7. Bei den vor diesem Hintergrund noch erforderlichen Feststellungen zur Realisierbarkeit des Einkommens aus der Betriebskostenabrechnung des ehemaligen Vermieters wird zu berücksichtigen sein, dass eine Aufrechnungserklärung nach § 388 BGB ein Erlöschen der Forderung des Klägers aus der Betriebskostenabrechnung bewirken kann(§ 389 BGB). Ihre Wirksamkeit setzt jedoch ua die hinreichende Bestimmtheit auch der Gegen- bzw Passivforderung, dh hier der vom Vermieter behaupteten Mietrückstände (vgl allgemein zB Grüneberg in Palandt, BGB, 67. Aufl 2008, § 388 RdNr 1; Wenzel in Münchner Kommentar, BGB, 5. Aufl 2007, § 366 BGB RdNr 2, 10; BGH Urteil vom 6.11.1990 - XI ZR 262/89 - NJW-RR 1991, 169 f; BGH Urteil vom 17.9.2001 - II ZR 275/99 - NJW 2001, 3781 f; vgl zu Verrechnungsregelungen in Mietverträgen zB BGH Urteil vom 20.6.1984 - VIII ZR 337/82 - NJW 1984, 2404 ff) sowie deren Fälligkeit (vgl zB BSGE 74, 287 = SozR 3-1300 § 48 Nr 33 S 67) voraus.

24

Allerdings dürfen an die Realisierungsmöglichkeiten zur Auszahlung des Guthabens keine überhöhten Anforderungen gestellt werden, ein Zusammenwirken von Vermieter und Leistungsberechtigten zum Ausgleich von Mietschulden ist aber zu vermeiden. Ggf hat der SGB II-Träger den Leistungsberechtigten bei der Verfolgung berechtigter Ansprüche gegenüber dem ehemaligen Vermieter zu unterstützen (vgl hierzu Urteil des 14. Senats vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 53, RdNr 16 ff). Besteht kein (zivilrechtlicher) Anspruch des Klägers gegen den früheren Vermieter auf Auszahlung des Guthabens an ihn oder ist dieser nicht ohne weiteres zu realisieren, kann der Bewilligungsbescheid vom 12.6.2009 nicht aus diesem Grund aufgehoben werden. Entgegen der Ansicht des Beklagten rechtfertigt § 22 Abs 1 S 4 SGB II und das mögliche Ergebnis einer Schuldentilgung dann keine - die Grundsätze der Berücksichtigung von Einkommen und den Bedarfsdeckungsgrundsatz außer Acht lassende - Kürzung der existenznotwendigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.

25

8. Kommt das SG zu einer Berücksichtigung des Betriebskostenguthabens als Einkommen, wird es ggf auch die - von seinem rechtlichen Standpunkt nachvollziehbar - bisher unterlassenen Feststellungen zum Anteil des in dem Guthaben enthaltenen Betrags für Haushaltsenergie nachzuholen haben, die nicht zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung zählen (§ 22 Abs 1 S 4, 2. Halbs SGB II).

26

Wesentlich iS des § 48 Abs 1 SGB X sind weiter nur Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt - hier den Bescheid vom 12.6.2009 nicht hätte erlassen dürfen (vgl zB BSG SozR 1300 § 48 Nr 22, S 50; vgl auch BSGE 102, 295 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr 24, RdNr 10; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 38, RdNr 15). Grundsätzlich sind daher bei der Prüfung, ob bzw inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dazu führt, dass der bindende Ursprungsbescheid - hier also der Bescheid vom 12.6.2009 - in der festgesetzten Höhe zu Lasten des Leistungsberechtigten aufgehoben werden durfte, neben der Berücksichtigung des Betriebskostenguthabens auch die weiteren, den Grund und die Höhe beeinflussenden Berechnungsfaktoren der bereits bewilligten Leistungen - unter Berücksichtigung des § 44 SGB X - einzubeziehen, soweit Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit dargetan oder ersichtlich sind(vgl auch BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 23; vgl Steinwedel in Kasseler Komm § 48 SGB X RdNr 28). Insofern wird das SG auch zu beachten haben, dass der Beklagte im Aufhebungsmonat Dezember 2009 nicht die tatsächlichen Unterkunftskosten, sondern nur deutlich geringere, von ihm als angemessen angesehenen Kosten der Unterkunft übernommen und seine damalige Praxis nach eigenen Angaben im Verhandlungstermin vor dem Senat zwischenzeitlich geändert hat.

27

Das SG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. November 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 3.10.2007.

2

Die 1951 und 1952 geborenen Kläger sind verheiratet und leben zusammen mit ihrem volljährigen Sohn in einem insgesamt 126 qm großen Eigenheim. Die Kläger haben angegeben, sich gegenüber der Bausparkasse verpflichtet zu haben, freiwerdende Beträge aus einer von ihnen gehaltenen Lebensversicherung bei der B (im Weiteren LV 1) zur Tilgung der auf diesem Haus ruhenden Restschuld zu verwenden. Die LV 1 hatte am 1.12.2003 einen Rückkaufswert, einschließlich Überschussanteilen, von 36 835,44 Euro, am 1.12.2005 von 41 523,87 Euro und am 1.1.2007 von 44 194,32 Euro. Bis 1.2.2005 hatten die Kläger 18 460,55 Euro an Beiträgen für diese Versicherung aufgewandt. Ferner hatten die Kläger eine zweite Lebensversicherung bei dem D (im Weiteren LV 2) abgeschlossen, deren Rückkaufswert am 31.12.2004 1133,50 Euro betrug. Dem standen bis Juni 2006 eingezahlte Beiträge in Höhe von 2811,71 Euro gegenüber.

3

Der Kläger bezog zunächst Alhi und die Klägerin war selbstständig erwerbstätig. Im Dezember 2004 stellte der Kläger einen Antrag auf Alg II für die Klägerin und sich. Dies lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 18.2.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.6.2005 mit der Begründung ab, die Kläger seien nicht hilfebedürftig, denn sie verfügten über verwertbares Vermögen, das die Freibetragsgrenzen überschreite. Am 4.10.2007 stellten die Kläger erneut einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, den der Beklagte durch Bescheid vom 26.3.2008 ebenfalls abschlägig beschied. Diesbezüglich ist ein weiteres Klageverfahren bei dem SG Dortmund anhängig. Bis zum 3.10.2007 erhielten die Kläger ein Darlehen von ihrem Freund A. in Höhe von 7500 Euro und Geldzahlungen von ihrem Sohn in Höhe von rund 3000 Euro, die sie nach ihrem eigenen Vortrag durch Abtretungen der LV1 gesichert haben. Ferner bedienten sie sich aus einem Überziehungskredit bei ihrer Hausbank. Zur Sicherung der Forderungen der Bausparkasse wegen der Finanzierung des Hauses haben sie die LV 1 in Höhe eines Betrags von höchstens 11 992,81 Euro abgetreten.

4

Mit ihrer Klage gegen die Ablehnung der Leistungsgewährung sind die Kläger vor dem SG Dortmund erfolglos gewesen (Urteil vom 12.4.2010). Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 24.11.2011). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte zutreffend davon ausgegangen sei, die Kläger seien im streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig gewesen. Sie verfügten über verwertbares Vermögen in der Gestalt der LV 1. Dieses übersteige die Vermögensfreibeträge des § 12 SGB II, selbst wenn man die Verpflichtung der Kläger gegenüber der Bausparkasse im Hinblick auf die Finanzierung der Restschuld für das Haus in Abzug bringe. Es handele sich bei der LV 1 nicht um gefördertes Altersvorsorgevermögen und ein Verwertungsausschluss nach § 165 Abs 3 VVG sei nicht vereinbart worden. Soweit für den Bezug der Alhi eine Erklärung gegenüber der BA, die Lebensversicherung werde nur zur Altersvorsorge verwendet, genügt habe, um sie von der Berücksichtigung bei der Prüfung der Bedürftigkeit auszunehmen, genüge dies nach der Einfügung des § 165 Abs 3 VVG den Anforderungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht mehr. Die Rechtsprechung des BSG zur AlhiV 2002 beruhe darauf, dass es dort an einer Härteklausel gemangelt habe, die sich im SGB II nunmehr in § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB II finde. Die LV 1 sei zwar unzweifelhaft von den Klägern zur Alterssicherung gedacht gewesen. Deren Verwertung stelle jedoch gleichwohl keine besondere Härte iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB II dar, denn die Kläger hätten mit 811,56 (Kläger zu 1) und 298,77 Euro (Klägerin zu 2) eine Altersrente deutlich über dem Grundsicherungsniveau zu erwarten. Zudem verfügten sie über ein belastungsfreies Eigenheim und könnten Mieteinnahmen aus der Vermietung der Erdgeschosswohnung erwarten. Die Verwertung der LV 1 sei anders als die der LV 2 auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Bei der LV 1 sei die Verwertung ohne Verlust möglich. Die Darlehen und der Überziehungskredit seien auch nicht von dem Rückkaufswert der LV 1 in Abzug zu bringen, denn hierbei handele es sich um Schulden, die nicht unmittelbar auf der LV 1 lasteten. Eine wiederholte Berücksichtigung des Vermögensgegenstandes, solange er nicht verwertet sei, sei rechtlich nicht zu beanstanden.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügen die Kläger eine Verletzung von § 7 Abs 1 iVm § 9 Abs 1 und § 12 SGB II sowie § 165 Abs 3 VVG. Es sei den Klägern nicht zuzumuten die LV 1 zu verwerten, denn es handele sich insoweit um ihre Alterssicherung. Eine Verwertung stelle eine besondere Härte dar. Sie unterfalle nur deswegen der Verwertung, weil sie kurz vor dem Erreichen der Grenze von 60 Jahren zur Auszahlung gelange. Wäre der Lebensversicherungsvertrag nur wenige Monate später abgeschlossen worden, wäre er ohne Weiteres als Altersvorsorge anerkannt worden. Die Problematik der "Nichtverlängerbarkeit" von "Altversicherungsverträgen" sei bei der Schaffung des § 165 Abs 3 VVG offensichtlich unberücksichtigt geblieben, sodass eine Regelungslücke gegeben und eine analoge Anwendung der Vorschrift gerechtfertigt sei. So müsse sich der Kläger privatrechtlich verpflichten können, den Betrag aus der LV 1 nicht vor Vollendung des 60. bzw 65. Lebensjahres zu verwerten und diese rechtsverbindliche Regelung gegenüber dem Beklagten nachzuweisen. Mit der LV 1 habe der Lebensstandard gesichert werden sollen, sodass ein Zurückfallen auf die während des Erwerbslebens erworbenen Renteneinkünfte und der zu erwartende weitere Bezug von steuerfinanzierten Transferleistungen eine unzumutbare Härte darstelle. Die Erzielung von zukünftigen Mieteinnahmen sei spekulativ und als Argument gegen eine besondere Härte nicht geeignet.

6

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. November 2011 und des Sozialgerichts Dortmund vom 12. April 2010 sowie den Bescheid vom 18. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern ab dem 1. Januar 2005 bis zum 3. Oktober 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend und führt ergänzend aus, dass eine nachträgliche Versicherung der Kläger, die LV 1 nur zur Alterssicherung zu verwenden, nicht ausreiche, um für den streitigen Zeitraum einen Verwertungsschutz zu gewähren. Den Klägern habe das Vermögen der LV 1 tatsächlich zur Abtretung und Beleihung zur Verfügung gestanden. Allein die Tatsache, dass Vermögen zur Alterssicherung eingesetzt werden solle, reiche nicht aus, um eine besondere Härte iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB II annehmen zu können. Insoweit komme es nur auf Umstände an, die nicht schon als Freistellungstatbestände ausdrücklich im Gesetz geregelt seien.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet.

10

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.1.2005 bis 3.10.2007. Sie waren im streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II iVm § 9 Abs 1 SGB II. Sie verfügten über verwertbares Vermögen in Gestalt der LV 1.

11

(1.) Streitgegenstand sind der Bescheid vom 18.2.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.6.2005, mit denen der Beklagte die Gewährung von Alg II ab dem 1.1.2005 abgelehnt hat. Der streitige Zeitraum ist hier bis zum 3.10.2007 begrenzt. Grundsätzlich gilt zwar bei einer Entscheidung, mit der die Verwaltung Leistungen für die Zukunft vollständig abgelehnt hat, dass sich der streitige Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erstreckt (s nur SozR 4-4200 § 12 Nr 4 RdNr 14). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Verwaltung zwischenzeitlich eine weitere Entscheidung trifft. Das ist hier der Fall. Die Kläger haben am 4.10.2007 einen erneuten Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gestellt, den der Beklagte durch Bescheid vom 26.3.2008 ebenfalls abschlägig beschieden hat. Der neue Bescheid wird nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in Grundsicherungsangelegenheiten nicht nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens(stRspr seit BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 30). Die Bedeutung des neuen Bescheides für das anhängige Verfahren erschöpft sich darin, dass sich der Ausgangsbescheid für die von dem Folgebescheid und dem Zeitraum, der von dem ihm zugrunde liegenden Antrag erfasst wird - hier ab dem 4.10.2007 - erledigt hat (vgl BSG vom 25.6.2008 - B 11b AS 45/06 R RdNr 27; s auch: BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R, SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 8).

12

(2.) Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)erfüllten die Kläger die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 Nr 1, 2 und 4 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954). Sie waren jedoch - wie das LSG zutreffend erkannt hat - nicht hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II iVm § 9 Abs 1 SGB II(ebenfalls idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954). Nach § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Kläger konnten hier ihren Lebensunterhalt durch Vermögen aus der LV 1 sichern.

13

(3.) Sie verfügten über verwertbares Vermögen, das nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)zum 1.12.2003 einen Verkehrswert iS von § 12 Abs 4 S 1 SGB II iVm § 5 Alg II-V(in der hier bis zum Ablauf des streitigen Zeitraums unverändert anzuwendenden Fassung vom 20.10.2004, BGBl I 2622) von 36 835,44 Euro, am 1.12.2005 von 41 523,87 Euro und am 1.1.2007 von 44 194,32 Euro hatte. Im Gegensatz zur Auffassung der Kläger ist zur Bestimmung dessen, was als Verkehrswert der Lebensversicherung anzusehen ist, auch nicht nur deren reiner Rückkaufswert zu berücksichtigen. Der Verkehrswert von Vermögen ergibt sich vielmehr daraus, was am Markt für den Gegenstand erzielt werden kann (Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 04/2012, § 12 SGB II, RdNr 112). Das ist hier der Rückkaufswert der Versicherung zuzüglich der Überschussbeteiligung. Hierbei handelt es sich um denjenigen Wert, der dem Versicherungsnehmer tatsächlich als Geldbetrag bei der Verwertung der Versicherung "zufließt", der also für den Vermögensgegenstand "Versicherung" erlangt werden kann. Insoweit schließt sich der erkennende Senat der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG an (BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R RdNr 43; vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 66/06 R, BSGE 99, 77 = SozR 4-4200 § 12 Nr 5, RdNr 20, 22). Hiervon in Abzug zu bringen sind lediglich die mit der Verwertung in Zusammenhang stehenden Kosten (vgl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand IX/2008, § 12 RdNr 296; s auch BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R RdNr 43). Dass derartige Kosten im vorliegenden Fall angefallen wären, ist vom LSG nicht festgestellt und auch nicht erkennbar.

14

(4.) Der so bestimmte Verkehrswert der Lebensversicherung der Kläger überschritt die Freibetragsgrenzen nach § 12 Abs 2 Nr 1 und 4 SGB II in den unterschiedlichen im streitigen Zeitraum geltenden Fassungen um fast das Doppelte und war damit oberhalb dieser Grenzen grundsätzlich zumutbar verwertbares Vermögen zur Sicherung seines Lebensunterhalts(vgl hierzu BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 66/06 R, BSGE 99, 77 = SozR 4-4200 § 12 Nr 5, RdNr 18 zur Berücksichtigung nur des die Angemessenheitsgrenze überschreitenden Wertes eines Pkw als zumutbar verwertbares Vermögen).

15

Die Vermögensfreibeträge der Kläger waren nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Drittes Buches Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom 19.11.2004 (BGBl I 2902) mit Wirkung vom 1.1.2005 mit je 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners zu ermitteln und betrugen mindestens jeweils 4100 Euro, maximal für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils 13 000 Euro. Für die 1952 geborene Klägerin betrug der Vermögensfreibetrag damit am 1.1.2005 10 400 Euro und für den 1951 geborenen Kläger 10 600 Euro, zusammen 21 000 Euro. Hinzu kommt ein Freibetrag nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II(ebenfalls idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.11.2004, BGBl I 2902, mit Wirkung vom 1.1.2005), der während des gesamten streitigen Zeitraumes mit 750 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen unverändert geblieben ist. Hieraus ergibt sich vom 1.1.2005 bis zur Rechtsänderung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (Fortentwicklungsgesetz, BGBl I 1706) am 1.8.2006 ein Gesamtvermögensfreibetrag von 22 500 Euro. Durch das Fortentwicklungsgesetz ist der Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB II auf 150 Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, maximal 9750 Euro pro Person(§ 12 Abs 2 S 2 SGB II) gesenkt worden. Damit ergibt sich für den Zeitraum vom 1.8.2006 bis 3.10.2007 ein Vermögensgrundfreibetrag von 7950 Euro für den Kläger und 7800 Euro für die Klägerin, zuzüglich des Ansparbetrags von je 750 Euro, insgesamt 17 250 Euro.

16

(5.) Die Lebensversicherung des Klägers ist auch nicht mit dem diese Freibeträge überschießenden Anteil (vgl zur Kumulation der Freistellungen nach § 12 Abs 2 und Abs 3 SGB II: BSG Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 66/06 R, BSGE 99, 77 = SozR 4-4200 § 12 Nr 5; s auch Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 12 RdNr 36) in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens oder diesem gleichzustellenden Vermögen vor der Verwertung geschützt iS des § 12 Abs 2 Nr 2 SGB II.

17

Nach § 12 Abs 2 Nr 2 SGB II sind vom Vermögen abzusetzen Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge, soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwertet. Altersvorsorgevermögen in diesem Sinne ist in jedem Fall solches, das nach § 10a oder dem XI. Abschnitt des EStG gefördert wird. Erforderlich ist insoweit nach der Rechtsprechung des BSG (BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 20) zumindest, dass der Sicherung ein nach § 5 AVmG(vom 26.6.2001, BGBl I 1310, 1322) durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zertifizierter Altersvorsorgevertrag zugrunde liegt. Das ist hier nicht der Fall.

18

Wie das BSG bereits ausgeführt hat, erfolgt im Gegensatz zur üblichen Kapitallebensversicherung die staatliche Förderung der Sicherungsformen des § 12 Abs 2 Nr 2 SGB II nur dann, wenn sie grundsätzlich zertifiziert sind und ihre Zweckbestimmung zur Altersvorsorge öffentlich überwacht wird(BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 20). Dadurch wird sichergestellt, dass die Versicherung auch tatsächlich der Altersvorsorge dient und nicht, wie bei "einfachen" Kapitallebensversicherungen möglich, das "angesparte" Kapital jederzeit zur Deckung eines auftretenden Bedarfs herangezogen werden kann. Demselben Ziel dient auch das in § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II geregelte Verbot der vorzeitigen Verwertung.

19

(6.) Auf einen Verwertungsschutz in Höhe der in § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.11.2004, BGBl I 2902) festgelegten Beträge können sich die Kläger jedoch auch nicht berufen. Danach sind vom Vermögen abzusetzen geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jeweils 13 000 Euro bzw seit dem 1.8.2006 je vollendetem Lebensjahr 250 Euro, höchstens jeweils 16 250 Euro nicht übersteigt (Änderung zum 1.8.2006 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706). Die Kläger haben nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)keinen entsprechenden Verwertungsausschluss iS des § 165 Abs 3 VVG(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954 bzw idF des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2.12.2006, BGBl I 2742 mit Wirkung vom 12.12.2006) vertraglich vereinbart.

20

Die Kläger haben auch keinen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als ob sie bei der Beantragung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einen Verwertungsausschluss vereinbart gehabt hätten. Eine nachträgliche Herstellung des Verwertungsausschlusses für abgelaufene Zeiträume ist nicht möglich (s SozR 4-1200 § 14 Nr 10, RdNr 12). Ohne den vereinbarten Verwertungsausschluss konnten sie während des streitgegenständlichen Zeitraumes frei über das Kapital der Versicherung verfügen. Auch der Einwand, sie hätten keinen Verwertungsausschluss vereinbaren können, weil der Versicherer dies abgelehnt und sie bereits die maximale Laufzeit für die Versicherung vereinbart hätten, vermag hieran nichts zu ändern.

21

Ebenso wenig können die Kläger den Zustand eines nach § 165 Abs 3 VVG vereinbarten Verwertungsausschlusses durch eine rückwirkende schriftliche Erklärung gegenüber dem Beklagten, das Kapital aus der Lebensversicherung vor dem Eintritt ins Rentenalter nicht verwerten zu wollen, bewirken. Ein Rückgriff auf die durch Richterrecht geschaffene Rechtslage zum Recht der Arbeitslosenhilfe scheidet seit dem Inkrafttreten des SGB II aus.

22

Der 7. Senat des BSG hat im Hinblick auf die Änderungen der AlhiV 2002 gegenüber der vorherigen Fassung der AlhiV 1974 (vom 7.8.1974, BGBl I 1929, bzw vom 18.6.1999, BGBl I 1433), insbesondere wegen des Verzichts auf eine allgemeine Zumutbarkeitsprüfung in der AlhiV 2002 im Sinne einer allgemeinen Härteklausel, festgestellt, dass der Verordnungsgeber durch dieses Regelungskonzept die vom BSG in seiner Entscheidung vom 27.5.2003 (BSGE 91, 94 = SozR 4-4220 § 6 Nr 1) aufgezeigten Grenzen seines Handlungsspielraums im Rahmen des § 193 Abs 2 SGB III unterschritten habe. Die Verordnung lasse insgesamt keine Prüfung der Umstände des Einzelfalls in besonderen Ausnahmefällen mehr zu (Billigkeits- oder Härtefallprüfung). Mit Blick auf die Regelungen des SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954), durch das beim Schonvermögen für erwerbsfähige Hilfebedürftige mit § 12 Abs 2 Nr 1 und Nr 3 iVm § 12 Abs 3 Nr 6 SGB II günstigere Regelungen gegenüber der AlhiV geschaffen worden seien, hat er es für zwingend befunden, auch im Rahmen der AlhiV die Anrechenbarkeit von Vermögen bei der Gewährung von Alhi unter Härtegesichtspunkten zu prüfen(BSGE 94, 121 = SozR 4-4300 § 193 Nr 3, RdNr 13). Auf dieser Grundlage basiert das Handeln der BA, die offensichtlich für Altfälle, also für solche der Bewilligung von Alhi nach dem 1.1.2005 für die Zeit vor dem 1.1.2005, an Stelle des mit dem Versicherer erst ab dem 1.1.2005 zu vereinbarenden Verwertungsausschlusses nach § 165 Abs 3 VVG, eine entsprechende Erklärung sich gegenüber hat ausreichen lassen, um das an sich verwertbare Vermögen zu verschonen. Ein rechtliches Bedürfnis dies auch auf die Rechtslage nach dem SGB II zu übertragen besteht nicht. Eine planwidrige Lücke, wie sie die Kläger annehmen, weil in bestimmten "Altfällen" die Vereinbarung eines Verwertungsausschluss nicht mehr vertraglich vereinbart werden könne, vermag der Senat nicht zu erkennen.

23

Der 7. Senat des BSG hat, wie oben bereits dargelegt, eine Verknüpfung zwischen der Regelung des Verwertungsausschlusses nach § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II und der Härtefallregelung des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II hergestellt. Diese Verknüpfung, die ihre Bestätigung im Gesetzestext, in der Gesetzesbegründung und systematischen Erwägungen findet, zeigt, dass die möglicherweise vorhandene Lücke im "Verwertungsschutz", weil die Voraussetzungen des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II nicht erfüllt sind, über die besondere Härte nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II geschlossen werden kann. Im Gesetzestext kommt zwar ein Stufenverhältnis zwischen § 12 Abs 2 SGB II und § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB II zum Ausdruck. Nach § 12 Abs 2 SGB II wird das Vermögen nur in Höhe von dort festgelegten Absetzbeträgen geschützt, während § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II das Vermögen bei Vorliegen eines besonderen Härtefalls vollständig von der Berücksichtigung bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausnimmt. Der Wortlaut des § 12 SGB II verbietet es jedoch nicht, einen Verwertungsschutz nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II auch dann anzunehmen, wenn die Schutzmechanismen durch Absetzungen nach § 12 Abs 2 SGB II nicht greifen. Dies folgt auch aus der Begründung des Gesetzes. Sowohl die Regelung des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II, als auch die des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II haben beide erst auf Empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit Eingang in den Gesetzentwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt gefunden. Sie folgen beide letztlich der gleichen Idee und ergänzen einander, wie die Begründung des Ausschusses zeigt. Zu § 12 Abs 2 Nr 5 SGB II wird in der Empfehlung ausgeführt, die Ergänzung solle vermeiden helfen, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige Vermögen, das sie für ihre Altersvorsorge bestimmt hätten, vorher zur Bestreitung ihres Lebensbedarfs einsetzen müssten(BT-Drucks 15/1749, S 31). Dass gerade der Verbrauch von der Altersvorsorge dienendem Vermögen vor dem Eintritt in den Ruhestand zugleich als ein Härtefall angesehen worden ist und eben dann, wenn die anderen "Schutzmechanismen" für dieses Vermögen nicht mehr greifen, es über den "besonderen Härtefall" trotzdem noch vor der Verwertung geschützt werden können soll, zeigen die Ausführungen zu § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II. Dort heißt es, ein derartiger Härtefall könne zB vorliegen, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsse, obwohl seine Rentenversicherung Lücken wegen selbständiger Tätigkeit aufweise (BT-Drucks 15/1749, S 32). Systematisch schließt damit § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II also auch eine Lücke im Vermögensschutz, wenn ein Verwertungsausschluss nach § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II aus welchem Grund auch immer nicht vereinbart worden ist. Einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Vorschrift über den vertraglich vereinbarten Verwertungsausschluss nach § 165 Abs 3 VVG, der in Ergänzung zu § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II auf die Empfehlung des Vermittlungsausschusses als Art 35c in das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt aufgenommen worden ist(s BT-Drucks 15/2259 vom 16.12.2003), bedarf es daher, anders als bei der AlhiV 2002, nicht.

24

(7.) Auch eine Verschonung der Lebensversicherung aus Gründen des § 12 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB II kommt nicht in Betracht. Nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB II sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige oder sein Partner von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist. Die Kläger unterfallen nicht dem Personenkreis derjenigen, die eine Privilegierung ihres Vermögens nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB II in Anspruch nehmen können. Sie sind nicht nach §§ 6, 231(231a) SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit gewesen (vgl zum Verhältnis zur Versicherungsfreiheit von Selbstständigen ausführlich: BSGE 100, 196 = SozR 4-4200 § 12 Nr 8, RdNr 22 ff).

25

(8.) Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II sind ebenfalls nicht erfüllt. Danach sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen Sachen oder Rechte, soweit ihre Verwertung für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Bei dem Begriff der besonderen Härte handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R, RdNr 45; vom 8.2.2007 - B 7a AL 34/06 R, SozR 4-5765 § 9 Nr 1 RdNr 13 mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 4; vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R RdNr 45) richtet es sich nach den Umständen des Einzelfalls, ob von einer besonderen Härte iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II auszugehen ist. Maßgebend sind dabei nur außergewöhnliche Umstände, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen (§ 12 Abs 3 S 1 SGB II) und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs 2 SGB II erfasst werden(BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R RdNr 45). § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II setzt daher voraus, dass die Umstände dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte(BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R RdNr 45; vom selben Tag - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 32).

26

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das LSG im vorliegenden Fall zu Recht das Vorliegen einer besonderen Härte ausgeschlossen. Eine Privilegierung der Lebensversicherung kommt nur dann in Betracht, wenn der Hilfebedürftige das Vermögen nach Eintritt in den Ruhestand zur Bestreitung des Lebensunterhalts für sich verwenden will und eine der Bestimmung entsprechende Vermögensdisposition getroffen hat (BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33). Das LSG hat insoweit zwar für den erkennenden Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass die Lebensversicherung als Vorsorge für das Alter bestimmt war. Allerdings weist das Berufungsgericht zu Recht darauf hin, dass die vorzeitige Verwertung der Lebensversicherung allein keine besondere Härte darstellt. Dies gilt angesichts des oben dargelegten Verhältnisses von § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II und § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB II auch für die Begründung der Kläger, sie hätten allein wegen eines "Altvertrages" keinen Verwertungsausschluss vereinbaren können und nur weil es an dem vertraglich vereinbarten Verwertungsausschluss mangele, müssten sie nun die LV 1 zur Lebensunterhaltssicherung einsetzen, anstatt sie erst bei Eintritt in den Ruhestand zu dessen Finanzierung nutzen zu können. Wenn der fehlende Verwertungsausschluss dazu führt, dass kein Schutz des Altersvorsorgevermögens in Höhe der Absetzungen nach § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II erfolgt, kann das Vermögen gleichwohl vor der Verwertung geschützt sein, wenn eine besondere Härte vorliegt. Der mangelnde Verwertungsausschluss an sich ist jedoch keine besondere Härte; die Annahme einer besonderen Härte erfordert immer auch besondere Umstände, die hinzutreten müssen. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.

27

Besondere Umstände, wie oben dargelegt, hat das LSG nicht feststellt. So war der Kläger zum Zeitpunkt der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II erst 54 Jahre, die Klägerin 53 Jahre alt. Sie standen also noch nicht kurz vor dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und waren noch nicht ohne Chance auf weiteren Aufbau einer Alterssicherung durch Erwerbstätigkeit. Soweit die Kläger in ihrem Vorbringen auf Lücken im Versicherungsverlauf der gesetzlichen Rentenversicherung hinweisen, machen sie keine atypische Erwerbsbiographie geltend. Wegen solcher Lücken wird der Versicherte auf die Rentenversicherungspflicht während des Leistungsbezugs bei Arbeitslosigkeit und den durch die gesetzlich vorgesehenen Freibeträge garantierten Mindestschutz verwiesen. Selbst wenn man die selbstständige Erwerbstätigkeit der Klägerin in die Betrachtungen einbezieht, so sollte die LV 1 nach dem Vortrag der Kläger der gemeinsamen Alterssicherung dienen. Insoweit ist auch auf das gemeinsam erreichbare Rentenniveau abzustellen. Dieses hat das LSG zutreffend und von den Klägern nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen, als nicht so niedrig festgestellt, dass allein hieraus eine besondere Härte resultieren könnte. Sie werden nach derzeitigen Berechnungen gemeinsam eine Rente von 1110,33 Euro erhalten. Dieser Betrag liegt ohne Einbeziehung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung deutlich über der Regelleistung nach SGB II und SGB XII. Unterkunftskosten werden bei den Klägern nur in geringem Umfang anfallen, da das LSG - ebenfalls nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen - festgestellt hat, das selbstbewohnte Haus werde bei Eintritt ins Rentenalter nahezu belastungsfrei sein. Daher kommt es im Rahmen der Prüfung der besonderen Härte nicht mehr darauf an, ob die Kläger aus der Vermietung der Erdgeschosswohnung weitere Einkünfte werden erzielen können.

28

(9.) Die Verwertung der Lebensversicherung ist für die Kläger auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 1. Alt SGB II. Zwar fehlt es an hinreichenden Feststellungen des LSG zum Substanz- und Verkehrswert der Lebensversicherung der Kläger zu Beginn des hier streitigen Zeitraumes. Aus den vom LSG benannten Daten kann jedoch mit hinreichender Sicherheit geschlossen werden, dass weder zum Zeitpunkt der Antragstellung, noch im Entscheidungszeitpunkt das Tatbestandsmerkmal der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit erfüllt war.

29

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG liegt eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit dann vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht. Umgekehrt ist offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung nicht gegeben, wenn das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht (zur Alhi: BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 7). Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Verwertung ist auf das ökonomische Kalkül eines rational handelnden Marktteilnehmers abzustellen (SozR 4-1200 § 14 Nr 10 RdNr 18; BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 35; vom selben Tag - B 14 AS 27/07 R RdNr 42 und B 14/7b AS 56/06 R RdNr 37; BSGE 100, 196 = SozR 4-4200 § 12 Nr 8, RdNr 34 ff; vom 30.8.2010 - B 4 AS 70/09 R RdNr 19). Es ist mithin zu ermitteln, welchen Verkehrswert der Vermögensgegenstand gegenwärtig auf dem Markt hat. Dieser gegenwärtige Verkaufspreis ist dem Substanzwert gegenüber zu stellen. Der Substanzwert ergibt sich bei einem Lebensversicherungsvertrag aus den eingezahlten Beiträgen und der Verkehrswert - wie bereits dargelegt - aus dem Rückkaufswert der Versicherung, einschließlich der Überschussanteile (SozR 4-1200 § 14 Nr 10 RdNr 18; BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 35; vom selben Tag - B 14 AS 27/07 R, RdNr 42 und B 14/7b AS 56/06 R, RdNr 37; BSGE 100, 196 = SozR 4-4200 § 12 Nr 8, RdNr 34 ff; vom 30.8.2010 - B 4 AS 70/09 R RdNr 19). Welche Verlustgrenze im Einzelnen zur offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit führt, kann hier dahinstehen. Der Rückkaufswert der LV 1, einschließlich Überschussanteil lag nach den bindenden Feststellungen des LSG deutlich über den eingezahlten Beiträgen. Das LSG hat festgestellt, dass am 1.2.2005 18 460,55 Euro an Beiträgen in diese Versicherung von den Klägern eingezahlt worden waren. Dem stand am 14.4.2005 ein Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung von 41 523,87 Euro gegenüber. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das LSG keine weiteren Feststellungen zu dem späteren Verhältnis von eingezahlten Beiträgen und Verkehrswert der Versicherung getroffen hat, denn angesichts dessen, dass der Verkehrswert der Versicherung zu Beginn des hier streitigen Zeitraumes mehr als doppelt so hoch war wie die eingezahlten Beiträge, ist davon auszugehen, dass auch im Oktober 2007 der Verkehrswert die Summe der eingezahlten Beiträge weiterhin überschritten hat.

30

(10.) Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das LSG seine Prüfung bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit auf die LV 1 beschränkt hat. Das Berufungsgericht hat die LV 2 wegen offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit der Verwertung insoweit zutreffend außer Betracht gelassen. Auch konnte das LSG angesichts des die Freibeträge nach § 12 Abs 2 Nr 1 und 4 SGB II deutlich überschreitenden Verkehrswertes der LV 1 von einer Einbeziehung des Hausgrundstücks der Kläger in die Betrachtungen absehen, selbst wenn die Wohnfläche mit 126 qm für zwei Personen als unangemessen angesehen werden könnte(vgl BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 17; BSGE 98, 243 = SozR 4-4200 § 12 Nr 4, RdNr 25 f)und bei nicht erfolgter baulicher und rechtlicher Abtrennung eines Teils des Wohneigentums nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats das gesamte Objekt als unangemessen bewertet und verwertet werden müsste (vgl BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 99/11 R, SozR 4-4200 § 12 Nr 18 RdNr 26 ff). Ferner hat das LSG zwar nicht in Erwägung gezogen, ob der von A. und dem Sohn zur Verfügung gestellte Geldbetrag als dauerhaft bei den Klägern verbleibende Zuwendung zu bewerten ist und damit als Einkommen bei der Berechnung des Alg II zu berücksichtigen gewesen wäre. Gleiches gilt für die nach Antragstellung nachgezahlte Arbeitslosenhilfe und die Frage, ob diese als Einkommen einer Bewilligung von Alg II entgegengestanden hätte. Feststellungen hierzu sowie zur Verwertbarkeit des Hausgrundstücks bedurfte es jedoch auch nicht, denn trotz der von den Klägern benannten Belastungen der LV 1 bleibt dieses Vermögen der Kläger, das bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts zu berücksichtigen war.

31

Grundsätzlich gilt, Vermögen iS von § 12 SGB II sind nicht die Bilanz aus aktiven und passiven Vermögenswerten, sondern die vorhandenen aktiven Vermögenswerte(vgl zuletzt BSG vom 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R, RdNr 22 ff; s auch BSG BSGE 87, 143 = SozR 3-4220 § 6 Nr 8 und zu § 88 BSHG: BVerwG Buchholz 436.0 zu § 88 BSHG Nr 22). Dies folgt aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge, welche erst eingreifen soll, wenn der Hilfebedürftige ihm zur Verfügung stehende Mittel verbraucht hat. Die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei der Feststellung der vorhandenen Vermögenswerte nach § 12 SGB II ist allenfalls geboten, wenn eine Verbindlichkeit unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand (zB eine auf ein Grundstück eingetragene Hypothek) lastet, da der Vermögensgegenstand in diesem Fall nicht ohne Abzüge veräußert werden kann(vgl BSG vom 15.4.2008 - B 14 AS 27/07 R, RdNr 44). Dies ist hier, wie das LSG zutreffend befunden hat, im Hinblick auf die Lasten durch Abtretung wegen der Forderungen des Sohnes und A. nicht der Fall.

32

Die Schulden der Kläger bei ihrem Sohn und A. sowie der Bank wegen des Überziehungskredits lasten nicht auf der Lebensversicherung. Nach den bindenden Feststellungen des LSG konnten die Kläger frei über die LV 1 verfügen und haben sich später auch einen Teil der Versicherungssumme auszahlen lassen. Zutreffend hat das LSG die Forderungen von A., dem Sohn und der Hausbank daher als private Schulden, deren Tilgung hinter der Existenzsicherung zurückzutreten hat, angesehen.

33

Soweit es die Abtretung der Ansprüche aus der LV 1 an die Bausparkasse zur Sicherung des Darlehens zur Finanzierung des Hauses der Kläger betrifft, mangelt es zwar an Feststellungen des LSG, ob der Versicherer von der Abtretung in Kenntnis gesetzt worden ist und die Kläger über die LV 1 in Höhe von höchstens 11 992,81 Euro nicht mehr verfügen konnten. Da jedoch selbst bei dem niedrigsten vom LSG festgestellten Rückkaufswert der LV 1 einschließlich einer Überschussbeteiligung von insgesamt 36 835,44 Euro ein die Freibeträge der Kläger - wie unter 4. festgestellt - überschreitendes Vermögen verbleibt und die Kläger selbst unter Berücksichtigung dieser für sie günstigsten Annahme keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hatten, bedurfte es deswegen keiner Zurückverweisung an das LSG.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind vorbehaltlich des Satzes 2 als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind

1.
angemessener Hausrat; für die Beurteilung der Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs von Bürgergeld maßgebend,
2.
ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person; die Angemessenheit wird vermutet, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt,
3.
für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge; zudem andere Formen der Altersvorsorge, wenn sie nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördert werden,
4.
weitere Vermögensgegenstände, die unabhängig von der Anlageform als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnet werden; hierbei ist für jedes angefangene Jahr einer hauptberuflich selbständigen Tätigkeit, in dem keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung, an eine öffentlich-rechtliche Versicherungseinrichtung oder an eine Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe entrichtet wurden, höchstens der Betrag nicht zu berücksichtigen, der sich ergibt, wenn der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltende Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung nach § 158 des Sechsten Buches mit dem zuletzt festgestellten endgültigen Durchschnittsentgelt gemäß Anlage 1 des Sechsten Buches multipliziert und anschließend auf den nächsten durch 500 teilbaren Betrag aufgerundet wird,
5.
ein selbst genutztes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern; bewohnen mehr als vier Personen das Hausgrundstück beziehungsweise die Eigentumswohnung, erhöht sich die maßgebende Wohnfläche um jeweils 20 Quadratmeter für jede weitere Person; höhere Wohnflächen sind anzuerkennen, sofern die Berücksichtigung als Vermögen eine besondere Härte bedeuten würde,
6.
Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung von angemessener Größe bestimmt ist, und das Hausgrundstück oder die Eigentumswohnung Menschen mit Behinderungen oder pflegebedürftigen Menschen zu Wohnzwecken dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde sowie
7.
Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung für die betroffene Person eine besondere Härte bedeuten würde.

(2) Von dem zu berücksichtigenden Vermögen ist für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag in Höhe von 15 000 Euro abzusetzen. Übersteigt das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den Betrag nach Satz 1, sind nicht ausgeschöpfte Freibeträge der anderen Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen.

(3) Für die Berücksichtigung von Vermögen gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit wird Vermögen nur berücksichtigt, wenn es erheblich ist. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind.

(4) Vermögen ist im Sinne von Absatz 3 Satz 2 erheblich, wenn es in der Summe 40 000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 15 000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person übersteigt; Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Bei der Berechnung des erheblichen Vermögens ist ein selbst genutztes Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung abweichend von Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 nicht zu berücksichtigen. Es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Liegt erhebliches Vermögen vor, sind während der Karenzzeit Beträge nach Satz 1 an Stelle der Freibeträge nach Absatz 2 abzusetzen. Der Erklärung ist eine Selbstauskunft beizufügen; Nachweise zum vorhandenen Vermögen sind nur auf Aufforderung des Jobcenters vorzulegen.

(5) Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs.

(6) Ist Bürgergeld unter Berücksichtigung des Einkommens nur für einen Monat zu erbringen, gilt keine Karenzzeit. Es wird vermutet, dass kein zu berücksichtigendes Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Absatz 4 Satz 4 gilt entsprechend.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.