Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Aug. 2013 - L 1 R 310/11

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2013:0808.L1R310.11.0A
bei uns veröffentlicht am08.08.2013

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 30. August 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben sich auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob zugunsten des Klägers Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz mit den dabei erzielten Entgelten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) festzustellen sind.

2

Der am ... 1946 geborene Kläger ist ausweislich der Urkunde der Ingenieurschule für Elektronik und Informationsverarbeitung "F. E." in G. vom 27. Juli 1973 berechtigt, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Vom 01. September 1973 bis zum 30. Juni 1990 war er als Wartungsingenieur beim VEB D. H. (der bis 1974/75 den Namen VEB M. R. H. trug) tätig. Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung trat er nicht bei. Eine positive Versorgungszusage erhielt er zur Zeit der DDR nicht.

3

Am 27. September 2010 beantragte der Kläger die Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06. Oktober 2010 mit der Begründung ab, die betriebliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sei nicht erfüllt. Dagegen legte der Kläger am 08. November 2010 Widerspruch ein und führte aus, der VEB D. H. sei im Gegensatz zu den übrigen Datenverarbeitungszentren und EDV-Rechenbetrieben für den Binnenhandel und andere Bereiche ein Rechenzentrum, welches ausschließlich für die chemische Industrie, Bauindustrie und Maschinenbauindustrie unter anderem der Industrieregion H.-L. tätig gewesen sei. Neben der Anfertigung von Finanzbuchhaltungen und Planabrechnungen usw. hätten Industriebetriebe dort ebenso technische Projekte, Konstruktionen und andere Produktionsunterlagen rechnergestützt abarbeiten lassen. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2011 wegen nicht erfüllter betrieblicher Voraussetzungen zurück.

4

Dagegen hat der Kläger am 08. Februar 2011 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben und u. a. ausgeführt, es habe sich bei dem VEB D. H. um einen volkseigenen Produktionsbetrieb gehandelt, weil er direkt als Nachauftragnehmer von klassischen Produktionsbetrieben betriebswirtschaftliche Berechnungen, Konstruktionszeichnungen und andere maßgebliche Produktionsunterlagen, die unmittelbar der Produktionsvorbereitung gedient hätten, EDV-gestützt hergestellt habe. Der VEB D. H. habe eine Funktion wie ein Konstruktionsbüro bezüglich der Umsetzung der Konstruktionen und der Projekte auf dem Gebiet der EDV-Technik gehabt. Er habe Forschungs- und Projektentwicklung, Software und diesbezügliche Anpassungen für Industriebetriebe und Baukombinate im Territorium H. hergestellt, die nach den Wirtschaftsbestimmungen der DDR als Warenproduktion anzusehen gewesen und als solche abgerechnet worden seien.

5

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. August 2011 mit der Begründung abgewiesen, der VEB D. H. sei kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen. Sein Hauptzweck sei die Verarbeitung von Daten gewesen, nicht aber die industrielle Herstellung von Sachgütern, die bestenfalls einen Nebenaspekt dargestellt habe. Er sei auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne eines Forschungsinstituts oder eines Konstruktionsbüros gewesen.

6

Gegen den am 02. September 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29. September 2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, nach seiner Kenntnis sei der VEB D. H. gerade in den achtziger Jahren damit befasst gewesen, direkt für Industriebetriebe Software in einer Art und Weise herzustellen, die geeignet gewesen sei, auch an andere Betriebe, insbesondere auch andere Rechenzentren, zu verkaufen. Dies habe insbesondere Software zur Optimierung von betriebswirtschaftlichen und Produktionsprozessen betroffen. Da Datenträger in der DDR im heutigen Sinne nicht oder nur sehr begrenzt zur Verfügung gestanden hätten, sei die Software auf EDV-Bänder verbracht worden. Angesichts des Entwicklungsstandes der Technik in der DDR und der gegebenen Möglichkeiten seien die Vertreter der Kundenbetriebe gekommen und hätten Einsicht in die Software am Rechner im Datenverarbeitungszentrum genommen. Diese Vertreter hätten sodann die Ideen und Gedanken der Software in ihren Betrieben umgesetzt. Eine Verarbeitung in Kundenbetrieben ohne eigene Rechentechnik habe dann im Rechenzentrum stattgefunden. In der Folge sei der VEB D. H. zwar in einem Kombinat eingegliedert gewesen, er sei jedoch selbst ein Arbeitgeber gewesen. Das Festhalten an dem Begriff Sachgüter in der Hinsicht, dass darunter alles zu verstehen sei, außer Software, treffe nicht den Kern dessen, was unter begünstigter Ingenieurtätigkeit zu verstehen sei. Es treffe zwar zu, dass der VEB D. H. Software ausgeliefert habe. Er habe jedoch auch Sachgüter hergestellt, und zwar wiederholt und in Serie, die die Kooperationspartner oder Partnerbetriebe für die eigene Produktion dringend benötigt hätten. Es habe sich dabei um betriebswirtschaftliche Erkenntnisse und Verdichtungen in der Gestalt von Listen und Übersichten gehandelt. Des Weiteren habe es sich um hergestellte Konstruktionszeichnungen und Konstruktionsleistungen gehandelt, die rechnergestützt erbracht worden seien und ebenfalls in Gestalt von ausgedruckten Listen und Blättern hergestellt und ausgeliefert worden seien. Hierzu hat der Kläger sich auf eine von ihm beigefügte Auskunft des Geschäftsführers der D.-V.-GmbH sowie ehemaligen Abteilungsleiters Wartung im Fachbereich Technik des VEB D. H., G. K., vom 27. April 2011 bezogen. Die Güter, die der VEB D. H. hergestellt habe, hätten zwar einen gewissen Anteil an ideellen Leistungen beinhaltet (Rechenleistung), seien wohl aber zum überwiegenden Teil als körperliches Produkt in der Form von Listen und Datenträgern bestellt, hergestellt und geliefert worden. Im Übrigen sei allein die Konzentration auf so genannte industrielle Sachgüter eine Lesart, der man nur folgen könne, wenn man der politisch bestimmten ökonomischen Definition der DDR folgen möge. Bekanntlich hätten die Ökonomen den Auftrag gehabt, die so genannte Arbeiterklasse hervorzuheben und deren Bedeutung überzubetonen. Der Bereich der Vermarktung der Erzeugnisse, von den Ökonomen als Bereich der Zirkulation bezeichnet, habe alle erforderlichen Dienstleistungen enthalten, die für die Konsumtion dieser Produkte von Bedeutung gewesen seien. Dies sei in voller Absicht geschehen, um die Rolle der so genannten Produktion als einzige Art der Wertschöpfung entsprechend zu betonen. Die Überbetonung einer industriellen Sachgüterproduktion sei unrichtig. Unabhängig davon trage die Zurverfügungstellung von EDV-Produkten in der Gestalt elektronischer Daten, was wohl zwischenzeitlich auch als ein Gut anzusehen sei, industriellen Charakter.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß,

8

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 30. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 06. Oktober 2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 01. September 1973 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz mit den entsprechenden Entgelten festzustellen.

9

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

10

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 30. August 2011 zurückzuweisen.

11

Sie meint, das SG habe zutreffend festgestellt, dass es sich bei dem VEB D. H. nicht um einen versorgungsrelevanten Betrieb gehandelt habe. Der Kläger verkenne die vom Bundessozialgericht (BSG) geprägte Definition dessen, was unter einem "Produktionsbegriff der Industrie" nach AAÜG-Maßgabe zu verstehen sei. Beim VEB D. H. habe es sich um einen typischen Dienstleistungsbetrieb gehandelt. In diesem Sinne habe der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 22. September 2011 (L 1 R 364/09) entschieden. Das BSG habe dem extrem weiten Verständnis der Gegenseite davon, was unter industrieller Sachgüterproduktion zu verstehen sei, eine klare Absage erteilt.

12

Der Senat hat dem Kläger die anonymisierte Fassung des von der Beklagten erwähnten Urteils vom 22. September 2011 (L 1 R 364/09) übersandt.

13

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägers vom 03. Juni 2013, Schriftsatz der Beklagten vom 25. April 2013).

14

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf deren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

15

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich beide Beteiligte damit einverstanden erklärt haben.

16

Die gemäß § 143 SGG statthafte und auch in der Form und Frist des § 151 SGG eingelegte Berufung ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 06. Oktober 2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2011 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage deshalb zu Recht abgewiesen.

17

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 11).

18

Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Falle nicht stattgefunden.

19

Im Ergebnis kommt es nicht darauf an, dass der Senat der Rechtsprechung des BSG nicht folgt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2009 – L 1 R 91/06 –, juris), da auch die dafür vom BSG aufgestellten Voraussetzungen hier nicht vorliegen. Nach der Rechtsprechung des BSG hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. I S. 844, VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech (GBl. I S. 487, 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für

20

Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und

21

die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar

22

in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

23

Nach der Rechtsprechung des BSG müssen diese drei Voraussetzungen, damit das AAÜG überhaupt anwendbar ist, am 30. Juni 1990 vorgelegen haben.

24

Unter Beachtung dieser Voraussetzungen hatte der Kläger am 01. August 1991 (dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG) keinen fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech, da die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt ist. Eine Versorgungsanwartschaft konnte nur bei einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb in der Industrie oder im Bauwesen oder in einem gleichgestellten Betrieb erworben werden (BSG, Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 10/02 R – SozR 3–8570 § 1 Nr. 5, S. 30). Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt haben. Der Betrieb muss auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R – SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 47; Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – juris). Das BSG setzt industriell und serienmäßig wiederkehrend ausdrücklich gleich (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R – juris, Rdnr. 28). Schließlich muss die industrielle Serienproduktion dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Der jetzt für Streitigkeiten nach dem AAÜG zuständige 5. Senat des BSG hält insoweit ausdrücklich an der Rechtsprechung des früheren 4. Senats fest (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 5 RS 3/12 R – juris, Rdnr. 24).

25

Der VEB D. H. war kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens im Sinne der genannten Rechtsprechung des BSG. Der Kläger hat im Berufungsverfahren wiederholt vorgetragen, der VEB D. H. habe Software für Industriebetriebe und andere Betriebe hergestellt. Dabei handelt es sich jedoch ersichtlich nicht um seriell und industriell produzierte Sachgüter. Soweit in diesem Zusammenhang Datenträger (EDV-Bänder, auf Papier ausgedruckte Listen, usw.) hergestellt wurden, handelt es sich lediglich um Mittel zum Zweck. Im Vordergrund stand nicht das Papier oder der sonstige Datenträger, sondern die geistige Leistung der Software-Entwicklung. Im Übrigen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG zum industriellen Produktionsbetrieb (S. 5 und 6 des Gerichtsbescheides) und macht sich diese gemäß § 153 Abs. 2 SGG zu eigen.

26

Überdies verdeutlicht nicht zuletzt der Berufungsvortrag, worum es dem Kläger eigentlich geht: Er stellt den Produktionsbegriff des BSG in Frage. Damit kann er jedoch nicht durchdringen, denn auch der jetzt zuständige 5. Senat des BSG hat immer wieder betont, an dem bisherigen Produktionsbegriff festzuhalten (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 5 RS 3/12 R – Rdnr. 24, juris).

27

Der VEB D. H. war auch kein den Produktionsbetrieben gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB. Betriebe mit dem Hauptzweck der Datenverarbeitung sind in der abschließenden Aufzählung des § 1 Abs. 2 der 2. DB nicht enthalten. Eine über den Wortlaut hinausgehende erweiternde Auslegung der Vorschrift (z.B. im Wege einer Analogie) ist nicht zulässig (BSG, Urteil vom 07. September 2006 – B 4 RA 39/05 R – juris, Rdnr. 16, 20, 29). Insbesondere handelte es sich nicht um ein Forschungsinstitut. Forschungsinstitute im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. DB sind Forschung betreibende selbständige Einrichtungen der Wirtschaft, deren Hauptzeck die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche) Forschung und Entwicklung ist. Dies ergibt sich aus einer Auslegung der Präambel der VO-AVItech. In das Versorgungssystem sollten grundsätzlich nur Personen einbezogen werden, die für die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und der Technik zuständig waren. Zu den durch § 1 Abs. 2 der 2. DB als Forschungsinstitute gleichgestellten Betrieben gehörten demnach vor allem volkseigene (Kombinats-) Betriebe, die nicht Produktionsbetriebe waren, aber deren Aufgabe die Forschung und Entwicklung war (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 4 RA 40/04 R – juris, Rdnr. 19; so jetzt auch der 5. Senat des BSG, vgl. Urteil vom 19. Juli 2011 – B 5 RS 4/10 R – juris, Rdnr. 28). Ein solcher Hauptzweck ist vom Kläger nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Der VEB D. H. war auch kein Konstruktionsbüro im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB. Konstruktionsbüros wurden im "Ökonomischen Lexikon" der DDR (3. Auflage 1979) als Abteilung oder Einrichtung eines Betriebs oder Kombinats beschrieben (siehe Stichwort: Konstruktionsbüro). Danach hätte es sich (jedenfalls zum Zeitpunkt der Ausgabe der 3. Auflage des Lexikons) nur um unselbstständige Teile eines Betriebs oder Kombinats gehandelt, die als solche keine Arbeitgeber und damit keine versorgungsrechtlich gleichgestellten Betriebe im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. DB hätten sein können (BSG, Urteil vom 07. September 2006 – B 4 RA 39/05 R – juris, Rdnr. 26). Abgesehen davon hat der Kläger selbst nicht behauptet, der VEB D. H. sei ein Konstruktionsbüro gewesen. Er hat vielmehr ausgeführt, der Betrieb habe eine Funktion wie ein Konstruktionsbüro bezüglich der Umsetzung der Konstruktionen und der Projekte auf dem Gebiet der EDV-Technik gehabt.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

29

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des BSG ab.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Aug. 2013 - L 1 R 310/11

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Aug. 2013 - L 1 R 310/11

Referenzen - Gesetze

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Aug. 2013 - L 1 R 310/11 zitiert 13 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 124


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. (3) Entscheidungen des Gerichts, d

Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG | § 1 Geltungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Rege

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 157


Das Landessozialgericht prüft den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Es hat auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen.

Einigungsvertrag - EinigVtr | Art 19 Fortgeltung von Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung


Vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der Deutschen Demokratischen Republik bleiben wirksam. Sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen dieses Vertrags unvereinbar sind. Im

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Aug. 2013 - L 1 R 310/11 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Aug. 2013 - L 1 R 310/11 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 20. März 2013 - B 5 RS 3/12 R

bei uns veröffentlicht am 20.03.2013

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2011 aufgehoben.

Bundessozialgericht Urteil, 19. Juli 2011 - B 5 RS 4/10 R

bei uns veröffentlicht am 19.07.2011

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Mai 2010 wird zurückgewiesen, soweit die Klage die Zeit der Tätigkeit beim VEB M. vom 1. Septembe

Referenzen

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Das Landessozialgericht prüft den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Es hat auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten.

(2) Zusatzversorgungssysteme sind die in Anlage 1 genannten Systeme.

(3) Sonderversorgungssysteme sind die in Anlage 2 genannten Systeme.

Vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der Deutschen Demokratischen Republik bleiben wirksam. Sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen dieses Vertrags unvereinbar sind. Im übrigen bleiben die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten unberührt.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten.

(2) Zusatzversorgungssysteme sind die in Anlage 1 genannten Systeme.

(3) Sonderversorgungssysteme sind die in Anlage 2 genannten Systeme.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 3.5.1971 bis zum 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) einschließlich der dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

2

Der 1946 geborene Kläger erwarb an der Universität R. den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" (Urkunde vom 31.3.1971). Ab dem 3.5.1971 arbeitete er bei verschiedenen Volkseigenen Betrieben (VEB), zuletzt vom 1.2. bis 30.6.1990 beim VEB E.

3

Dort wirkte er als "Fachdirektor Ökonomie" wesentlich an der Umstrukturierung des VEB mit. Dieser produzierte im 1. Halbjahr 1990 mit 107 Arbeitnehmern Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten. Gleichzeitig beschäftigte der VEB in den Bereichen der Elektroinstallation 250, der Verwaltung 78, der Projektierung 20 und der Lagerwirtschaft 8 Mitarbeiter. Der Kläger erhielt keine Versorgungszusage, zahlte aber Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung; eine korrigierende Rehabilitierungsentscheidung wurde nicht getroffen.

4

Den Antrag des Klägers, seine Zusatzversorgungsanwartschaften festzustellen und zu überführen, lehnte die Beklagte ab, weil er die sachliche Voraussetzung nicht erfülle. Denn als "Fachdirektor Ökonomie" sei er nicht entsprechend seiner Qualifikation ingenieurtechnisch beschäftigt gewesen (Bescheid vom 12.12.2002; Widerspruchsbescheid vom 9.4.2003).

5

Das SG hat dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist gewährt und die Klage abgewiesen (Urteil des SG Halle vom 24.3.2005). Die Berufung ist erfolglos geblieben (Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 15.12.2011): Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 8 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 S 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) vom 25.7.1991 (BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024). Denn er falle nicht in den Geltungsbereich des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG, weil er der AVItech weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung angehört habe. Ihm sei weder eine Versorgung zugesagt worden noch liege eine Rehabilitierungsentscheidung oder der rechtsstaatswidrige Entzug einer Versorgungsanwartschaft vor. Die Rechtsprechung des BSG, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem auch im Wege der Unterstellung erfolgen könne, lehne der Senat ab. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieur die persönliche und als "Fachdirektor Ökonomie" auch die sachliche Voraussetzung. Zum 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Fraglich sei schon, ob es am Stichtag überhaupt noch VEB gegeben habe, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet gewesen seien. Denn es sei zweifelhaft, ob es im Juni 1990 eine Planwirtschaft iS des Art 9 Abs 3 der Verfassung der DDR überhaupt noch gegeben habe. Ungeachtet dessen sei der VEB E. kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen, weil der Schwerpunkt der Betriebstätigkeit nicht in der Produktion (Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten), sondern im Bereich der Elektroinstallation gelegen habe. Denn die Zahl der Beschäftigten in der Elektroinstallation (250) übersteige die Zahl der in der Produktion eingesetzten Mitarbeiter (107) deutlich. Soweit der Senat in dem Verfahren L 1 R 105/08 von nur zehn Mitarbeitern im Bereich der Elektroinstallation ausgegangen sei, könne daran nicht mehr festgehalten werden. Bei der Elektroinstallation würden keine neuen Produkte seriell hergestellt, sondern - ggf seriell hergestellte - Sachgüter verarbeitet, indem zB Leuchten und Kabel angebracht bzw verlegt würden. Insofern könnten Installation und Montage, die den Produktionsbegriff erfüllten, keinesfalls gleichgesetzt werden. Der Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit des VEB sei nicht anhand des Gewinns zu beurteilen, der in den einzelnen Bereichen erzielt worden sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sich schon anhand der Verteilung der Arbeitskräfte der Schwerpunkt des Betriebes - wie hier - deutlich herauskristallisiere. Denn auf den Aufwand lasse sich nicht zuletzt durch den jeweiligen Mitarbeitereinsatz schließen. Hingegen sei der Gewinn oder die Bilanz als Gradmesser für den betrieblichen Schwerpunkt problematisch, weil dessen Ermittlung von den systembedingten Vorgaben abhänge und häufig nicht den tatsächlichen Aufwand und Umsatz bzw Ertrag abbilde. So sei in der DDR nach den Bestimmungen der Rechnungsführung und Statistik (RuSt) bilanziert worden. Die durch die RuSt ermittelten Zahlen hätten der Leitung und Planung der Volkswirtschaft der DDR (§ 2 Abs 1 und 2 der Verordnung über Rechnungsführung und Statistik vom 11.7.1985, GBl DDR I 261) und damit einem anderen Zweck gedient als eine handelsrechtliche Bilanz. Das System der RuSt habe den Erfordernissen einer zentralgeleiteten Wirtschaft entsprochen, ein einheitliches Rechnungswesen in der gesamten Volkswirtschaft zu schaffen, das nicht nur die einzelnen Betriebe und Kombinate erfasse, sondern zugleich eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung darstelle. Eine Rechnungslegung nach den Grundsätzen der RuSt sei erforderlich gewesen, um ablesen zu können, ob ein Betrieb seine Planvorgaben erreicht habe.

6

Mit der Revision, die das LSG zugelassen hat, rügt der Kläger insbesondere die Verletzung materiellen Rechts: Soweit das LSG den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit allein anhand der Mitarbeiterzahl pro Abteilung bestimme, verkenne es, dass es nach der Rechtsprechung des BSG allein auf die Anteile an Aufwand und Umsatz bzw Ertrag ankomme. Der VEB E. habe schwerpunktmäßig Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten produziert. Im Bereich der Elektroinstallation seien nur 10 Mitarbeiter im Außeneinsatz tätig gewesen. Die anderen hätten beispielsweise in industrieller Art und Weise Schaltschrankbau betrieben, und zwar weitestgehend aufgrund gleich gerichteter Anforderungen. Außerdem hätten sie bei der Vorinstallation für Gleich- und Wechselrichter, die im Straßenbahnbau und bei der Montage von Zügen eingesetzt worden seien, vorgefertigte Bauteile im Wege der industriellen Massenproduktion zum fertigen Produkt verbaut. Ferner seien Installationseinrichtungen für den Einsatz in Industrieanlagen vorgefertigt worden, wobei eine ausschließlich spezifische Montage für besondere Anforderungen nur im Ausnahmefall erfolgt sei. Derartige Installationsarbeiten erfüllten - ebenso wie Montagetätigkeiten - den Produktionsbegriff. Entgegen der Ansicht des LSG hätten am 30.6.1990 auch noch der DDR-Planwirtschaft zuzuordnende VEB existiert. Jede andere Auslegung führe die verfassungsgerichtlich bestätigte Rechtsprechung des BSG zur Überführung fiktiver Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen ad absurdum.

7

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

        

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. März 2005 und das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 3. Mai 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Die betriebliche Voraussetzung sei nicht erfüllt. Der VEB E. sei kein Produktionsdurchführungsbetrieb gewesen, dem eine industrielle Massenproduktion von Sachgütern in Gestalt von Antennen, Heizkörpern, Plastschweißgeräten und Leuchten das Gepräge gegeben habe. Denn der überwiegende Teil der Beschäftigten sei nicht in der Sachgüterproduktion, sondern mit der Installation von Elektroanlagen beschäftigt gewesen. Elektroinstallationsarbeiten seien immer den individuellen Gegebenheiten und Vorgaben der Kunden anzupassen, weil Leitungen und Verteiler verlegt und Elemente miteinander verbunden werden müssten, was nicht seriell erfolgen könne. Damit unterscheide sich diese Art der Installation auch von der (seriellen) Industriemontage, bei der massenhaft Einzelteile zu einem grundsätzlich gleichen, nur in Details unterschiedlichen neuen industriellen Sachgut in hohen Stückzahlen zusammengesetzt würden.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG), weil weitere Tatsachenfeststellungen erforderlich sind.

11

Die Klage war zulässig. Das LSG hat zu Recht festgestellt, dass das SG verbindlich Wiedereinsetzung (§ 67 Abs 1 und 4 S 2 SGG) in die versäumte Klagefrist (§ 87 Abs 1 S 1 iVm Abs 2 SGG) gewährt hat.

12

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. AAÜG-ÄndG zum 3.8.2001 (vgl hierzu Senatsurteil vom 14.12.2011 - B 5 R 2/10 R - SozR 4-8570 § 7 Nr 3) - alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

13

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung - Rentenüberleitungsgesetz - vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anlage 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (S 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (S 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

14

Auf Grund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "auf Grund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß S 2 aaO innehat.

15

Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

16

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 S 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

17

Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "auf Grund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die weiterhin geäußerten Bedenken des LSG geben keinen Anlass zur nochmaligen Prüfung (s dazu bereits Senatsurteil vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris).

18

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl DDR 844) und die 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl DDR 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

19

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ am Stichtag 30.6.1990 vorliegen müssen,

        

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

        

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

        

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

20

Der Kläger erfüllt die persönliche Voraussetzung, weil er nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) berechtigt ist, den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen. Ob der Kläger auch die sachliche (nachfolgend a) und die betriebliche Voraussetzung (nachfolgend b) erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden.

21

a) Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG (Urteil vom 23.8.2007 - B 4 RS 2/07 R - Juris RdNr 18; s auch Urteil vom 31.3.2004 - B 4 RA 31/03 R - Juris RdNr 19 f) und des erkennenden Senats (Urteile vom 9.10.2012 - B 5 RS 9/11 R - Juris RdNr 19 und vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris RdNr 24) erfüllen Ingenieure die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nur dann, wenn der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit entsprechend ihrem Berufsbild im produktionsbezogenen ingenieurtechnischen Bereich lag und damit die Aufgabenerfüllung geprägt hat. Lag der Schwerpunkt dagegen in anderen Bereichen, zB im wirtschaftlichen bzw kaufmännischen Bereich, waren die Ingenieure nicht schwerpunktmäßig, dh überwiegend, entsprechend ihrem Berufsbild, sondern vielmehr berufsfremd eingesetzt. Nach der ständigen Rechtsprechung bedeutet "berufsfremd" die Ausübung einer Tätigkeit, die nicht schwerpunktmäßig durch die durchlaufene Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägt ist (Senatsurteile aaO).

22

Für die Prüfung der sachlichen Voraussetzung ist demnach von der erworbenen Berufsbezeichnung iS der 2. DB auszugehen und zu ermitteln, welches Berufsbild dieser unter Berücksichtigung der Ausbildung und der im späteren Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen zu Grunde liegt. Im Anschluss hieran ist festzustellen, welche Tätigkeit der Versicherte konkret ausgeübt hat und zu fragen, ob diese im Schwerpunkt dem der Berufsbezeichnung zu Grunde liegenden Berufsbild entspricht. Dies ist zu bejahen, wenn die ausgeübte Tätigkeit überwiegend durch die in der Ausbildung zu einem Beruf iS des § 1 Abs 1 der 2. DB gewonnenen Kenntnisse und Fertigkeiten und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägt ist (Senatsurteile vom 9.10.2012 - B 5 RS 9/11 R - Juris RdNr 20 und vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris RdNr 25; BSG Urteil vom 18.10.2007 - B 4 RS 17/07 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 14 RdNr 44 mwN).

23

Es fehlen hier bereits Feststellungen des LSG zum Berufsbild des "Diplom-Ingenieurs" und zur Tätigkeit, die der Kläger am Stichtag konkret ausgeübt hat. Feststellungen zum Berufsbild und der verrichteten Tätigkeit sind stets auf der Grundlage von Ermittlungen zu treffen, die die individuelle Situation des jeweiligen Anspruchstellers aufklären. Zur Feststellung des Berufsbilds des Klägers ist daher insbesondere dessen absolvierte Ausbildung im Einzelnen zu ermitteln; um das Anforderungsprofil der Tätigkeit festzustellen, die er am Stichtag ausgeübt hat, sind vor allem der einschlägige Funktionsplan heranzuziehen, soweit er noch vorhanden ist, und die dort aufgelisteten Aufgaben zu konkretisieren sowie die Aussagen des Klägers und etwaiger Zeugen auszuwerten. Die bisherigen Ausführungen des LSG erschöpfen sich darin, "dass der Kläger während seiner Beschäftigung beim VEB E. nach seinen glaubhaften Schilderungen im Berufungsverfahren nicht berufsfremd eingesetzt war". Dabei versäumt es das Berufungsgericht jedoch, das Ergebnis seiner Subsumtion unter den Rechtsbegriff "berufsfremd" mit konkreten Tatsachenangaben zu untermauern, die es ermöglichen könnten, den vorangegangenen Subsumtionsschluss (Syllogismus) nachzuvollziehen und zu überprüfen. Im Ansatz zutreffend weist das LSG darauf hin, dass "nicht die Funktionsbezeichnung entscheidend ist, sondern der tatsächliche Tätigkeitsinhalt". Es hätte jedoch - ausgehend von einer detaillierten Stellenbeschreibung - möglichst genau darstellen müssen, welche (Haupt-)Aufgaben, fachlichen Anforderungen und konkreten Verrichtungen mit der Tätigkeit des "Fachdirektors Ökonomie" tatsächlich verbunden waren und im Urteil nachvollziehbar angeben müssen, welche Tatumstände der Kläger im Berufungsverfahren geschildert hat, warum es ihn für glaubwürdig und seine Aussagen für glaubhaft hält (zu den Begriffen der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit vgl BGH Urteil vom 13.3.1991 - IV ZR 74/90 - NJW 1991, 3284). Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG daher im Rahmen der sachlichen Voraussetzung prüfen müssen, ob die am Stichtag tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als "Fachdirektor Ökonomie" mit ihrem Anforderungsprofil dem Berufsbild des Diplom-Ingenieurs schwerpunktmäßig entsprach.

24

b) Ferner lässt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG nicht beurteilen, ob der VEB E. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gibt. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23)fest, was er zuletzt in mehreren am 19.7.2011, 28.9.2011, 9.5.2012 und 9.10.2012 verkündeten Urteilen (ua BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 24; B 5 RS 8/10 R - Juris RdNr 19; B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 21; B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 23) nochmals betont hat.

25

Für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzung ist unerheblich, ob es am Stichtag 30.6.1990 noch VEB gegeben hat, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren (dazu und zum Folgenden: Senatsurteil vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 24). Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-AVItech iVm der 2. DB erfüllt ist, bestimmt sich nach der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung allein danach, ob der Kläger am 30.6.1990 - abgesehen von den gleichgestellten Betrieben - in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen ist, dh einem VEB, dem die industrielle Fertigung das Gepräge gegeben hat. Hingegen ist entgegen der Auffassung des LSG nicht auch konstitutiv auf seine organisatorische Zuordnung abgestellt worden (so schon Hinweis im Senatsurteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 28). Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl BSG Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11). Hat aber die Frage der organisatorischen Zuordnung keine konstitutive Bedeutung, ist unerheblich, ob es am Stichtag noch einen industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft gegeben hat. Vielmehr ist allein die Rechtsform des Betriebs als VEB sowie seine tatsächliche Produktionsweise entscheidungsrelevant (Senatsurteil vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 24).

26

Ob der VEB E. nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Das LSG bestimmt den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit nach der (Kopf-)Zahl der Mitarbeiter in den Tätigkeitsbereichen "Produktion" und "Elektroinstallation". Damit hat es einen einheitlichen und grundsätzlich geeigneten Maßstab für die Beurteilung der Frage gewählt, ob der VEB E. sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, wobei allerdings einschränkend zu bemerken ist, dass von der bloßen Kopfzahl der Beschäftigten nicht stets automatisch auf ein entsprechendes Arbeitsvolumen und einen entsprechenden Anteil an der Wertschöpfung geschlossen werden darf. Den Feststellungen des LSG lässt sich jedoch - was gleichzeitig unabdingbar erforderlich ist - insbesondere nicht entnehmen, womit konkret der Bereich "Elektroinstallation" (250 Mitarbeiter) befasst war, obwohl es unter anderem wegen der Frage, "ob auch die Installation (wie die Montage) den Produktionsbegriff erfüllen kann", die Revision zugelassen hat. Es unterlegt dem Begriff der "Elektroinstallation" ohne jeden Fallbezug bestenfalls aus sich heraus eine Bedeutung, wenn es ausführt: "Bei der Installation werden keine neuen Produkte seriell hergestellt, sondern es werden - ggf seriell hergestellte - Sachgüter verarbeitet, in dem zB Leuchten und Kabel angebracht bzw verlegt werden". Stattdessen hätte das Berufungsgericht konkret ermitteln und feststellen müssen, welche Aufgaben beim VEB E. im Bereich der "Elektroinstallation" genau anfielen, welche Komponenten wo (innerhalb des VEB oder außerhalb beim Kunden?) verarbeitet ("installiert", "angebracht", "verlegt" oder eingebaut) wurden und ob es sich dabei um eher handwerklich geprägte Individualarbeiten oder industriell geprägte Serienfertigung (ggf unter entsprechendem Maschineneinsatz) handelte. Soweit im Rahmen der Elektroinstallation - ggf seriell hergestellte - Komponenten (wie zB Leuchten und Kabel) angebracht, verlegt oder miteinander verbunden wurden, wird das LSG die Fertigungsart ermitteln und feststellen müssen, ob diese Aggregate mehr oder weniger schematisch nach einem im vorhinein festgelegten Plan standardisiert (zB in Fertigungsstraßen) oder nach bestimmten Kundenwünschen individuell verarbeitet wurden. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R - Juris RdNr 18) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion (vgl Senatsurteile vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 31 und vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/11 R - Juris RdNr 24).

27

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 3.5.1971 bis zum 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) einschließlich der dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

2

Der 1946 geborene Kläger erwarb an der Universität R. den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" (Urkunde vom 31.3.1971). Ab dem 3.5.1971 arbeitete er bei verschiedenen Volkseigenen Betrieben (VEB), zuletzt vom 1.2. bis 30.6.1990 beim VEB E.

3

Dort wirkte er als "Fachdirektor Ökonomie" wesentlich an der Umstrukturierung des VEB mit. Dieser produzierte im 1. Halbjahr 1990 mit 107 Arbeitnehmern Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten. Gleichzeitig beschäftigte der VEB in den Bereichen der Elektroinstallation 250, der Verwaltung 78, der Projektierung 20 und der Lagerwirtschaft 8 Mitarbeiter. Der Kläger erhielt keine Versorgungszusage, zahlte aber Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung; eine korrigierende Rehabilitierungsentscheidung wurde nicht getroffen.

4

Den Antrag des Klägers, seine Zusatzversorgungsanwartschaften festzustellen und zu überführen, lehnte die Beklagte ab, weil er die sachliche Voraussetzung nicht erfülle. Denn als "Fachdirektor Ökonomie" sei er nicht entsprechend seiner Qualifikation ingenieurtechnisch beschäftigt gewesen (Bescheid vom 12.12.2002; Widerspruchsbescheid vom 9.4.2003).

5

Das SG hat dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist gewährt und die Klage abgewiesen (Urteil des SG Halle vom 24.3.2005). Die Berufung ist erfolglos geblieben (Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 15.12.2011): Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 8 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 S 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) vom 25.7.1991 (BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024). Denn er falle nicht in den Geltungsbereich des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG, weil er der AVItech weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung angehört habe. Ihm sei weder eine Versorgung zugesagt worden noch liege eine Rehabilitierungsentscheidung oder der rechtsstaatswidrige Entzug einer Versorgungsanwartschaft vor. Die Rechtsprechung des BSG, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem auch im Wege der Unterstellung erfolgen könne, lehne der Senat ab. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieur die persönliche und als "Fachdirektor Ökonomie" auch die sachliche Voraussetzung. Zum 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Fraglich sei schon, ob es am Stichtag überhaupt noch VEB gegeben habe, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet gewesen seien. Denn es sei zweifelhaft, ob es im Juni 1990 eine Planwirtschaft iS des Art 9 Abs 3 der Verfassung der DDR überhaupt noch gegeben habe. Ungeachtet dessen sei der VEB E. kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen, weil der Schwerpunkt der Betriebstätigkeit nicht in der Produktion (Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten), sondern im Bereich der Elektroinstallation gelegen habe. Denn die Zahl der Beschäftigten in der Elektroinstallation (250) übersteige die Zahl der in der Produktion eingesetzten Mitarbeiter (107) deutlich. Soweit der Senat in dem Verfahren L 1 R 105/08 von nur zehn Mitarbeitern im Bereich der Elektroinstallation ausgegangen sei, könne daran nicht mehr festgehalten werden. Bei der Elektroinstallation würden keine neuen Produkte seriell hergestellt, sondern - ggf seriell hergestellte - Sachgüter verarbeitet, indem zB Leuchten und Kabel angebracht bzw verlegt würden. Insofern könnten Installation und Montage, die den Produktionsbegriff erfüllten, keinesfalls gleichgesetzt werden. Der Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit des VEB sei nicht anhand des Gewinns zu beurteilen, der in den einzelnen Bereichen erzielt worden sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sich schon anhand der Verteilung der Arbeitskräfte der Schwerpunkt des Betriebes - wie hier - deutlich herauskristallisiere. Denn auf den Aufwand lasse sich nicht zuletzt durch den jeweiligen Mitarbeitereinsatz schließen. Hingegen sei der Gewinn oder die Bilanz als Gradmesser für den betrieblichen Schwerpunkt problematisch, weil dessen Ermittlung von den systembedingten Vorgaben abhänge und häufig nicht den tatsächlichen Aufwand und Umsatz bzw Ertrag abbilde. So sei in der DDR nach den Bestimmungen der Rechnungsführung und Statistik (RuSt) bilanziert worden. Die durch die RuSt ermittelten Zahlen hätten der Leitung und Planung der Volkswirtschaft der DDR (§ 2 Abs 1 und 2 der Verordnung über Rechnungsführung und Statistik vom 11.7.1985, GBl DDR I 261) und damit einem anderen Zweck gedient als eine handelsrechtliche Bilanz. Das System der RuSt habe den Erfordernissen einer zentralgeleiteten Wirtschaft entsprochen, ein einheitliches Rechnungswesen in der gesamten Volkswirtschaft zu schaffen, das nicht nur die einzelnen Betriebe und Kombinate erfasse, sondern zugleich eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung darstelle. Eine Rechnungslegung nach den Grundsätzen der RuSt sei erforderlich gewesen, um ablesen zu können, ob ein Betrieb seine Planvorgaben erreicht habe.

6

Mit der Revision, die das LSG zugelassen hat, rügt der Kläger insbesondere die Verletzung materiellen Rechts: Soweit das LSG den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit allein anhand der Mitarbeiterzahl pro Abteilung bestimme, verkenne es, dass es nach der Rechtsprechung des BSG allein auf die Anteile an Aufwand und Umsatz bzw Ertrag ankomme. Der VEB E. habe schwerpunktmäßig Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten produziert. Im Bereich der Elektroinstallation seien nur 10 Mitarbeiter im Außeneinsatz tätig gewesen. Die anderen hätten beispielsweise in industrieller Art und Weise Schaltschrankbau betrieben, und zwar weitestgehend aufgrund gleich gerichteter Anforderungen. Außerdem hätten sie bei der Vorinstallation für Gleich- und Wechselrichter, die im Straßenbahnbau und bei der Montage von Zügen eingesetzt worden seien, vorgefertigte Bauteile im Wege der industriellen Massenproduktion zum fertigen Produkt verbaut. Ferner seien Installationseinrichtungen für den Einsatz in Industrieanlagen vorgefertigt worden, wobei eine ausschließlich spezifische Montage für besondere Anforderungen nur im Ausnahmefall erfolgt sei. Derartige Installationsarbeiten erfüllten - ebenso wie Montagetätigkeiten - den Produktionsbegriff. Entgegen der Ansicht des LSG hätten am 30.6.1990 auch noch der DDR-Planwirtschaft zuzuordnende VEB existiert. Jede andere Auslegung führe die verfassungsgerichtlich bestätigte Rechtsprechung des BSG zur Überführung fiktiver Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen ad absurdum.

7

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

        

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. März 2005 und das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 3. Mai 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Die betriebliche Voraussetzung sei nicht erfüllt. Der VEB E. sei kein Produktionsdurchführungsbetrieb gewesen, dem eine industrielle Massenproduktion von Sachgütern in Gestalt von Antennen, Heizkörpern, Plastschweißgeräten und Leuchten das Gepräge gegeben habe. Denn der überwiegende Teil der Beschäftigten sei nicht in der Sachgüterproduktion, sondern mit der Installation von Elektroanlagen beschäftigt gewesen. Elektroinstallationsarbeiten seien immer den individuellen Gegebenheiten und Vorgaben der Kunden anzupassen, weil Leitungen und Verteiler verlegt und Elemente miteinander verbunden werden müssten, was nicht seriell erfolgen könne. Damit unterscheide sich diese Art der Installation auch von der (seriellen) Industriemontage, bei der massenhaft Einzelteile zu einem grundsätzlich gleichen, nur in Details unterschiedlichen neuen industriellen Sachgut in hohen Stückzahlen zusammengesetzt würden.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG), weil weitere Tatsachenfeststellungen erforderlich sind.

11

Die Klage war zulässig. Das LSG hat zu Recht festgestellt, dass das SG verbindlich Wiedereinsetzung (§ 67 Abs 1 und 4 S 2 SGG) in die versäumte Klagefrist (§ 87 Abs 1 S 1 iVm Abs 2 SGG) gewährt hat.

12

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. AAÜG-ÄndG zum 3.8.2001 (vgl hierzu Senatsurteil vom 14.12.2011 - B 5 R 2/10 R - SozR 4-8570 § 7 Nr 3) - alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

13

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung - Rentenüberleitungsgesetz - vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anlage 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (S 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (S 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

14

Auf Grund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "auf Grund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß S 2 aaO innehat.

15

Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

16

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 S 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

17

Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "auf Grund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die weiterhin geäußerten Bedenken des LSG geben keinen Anlass zur nochmaligen Prüfung (s dazu bereits Senatsurteil vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris).

18

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl DDR 844) und die 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl DDR 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

19

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ am Stichtag 30.6.1990 vorliegen müssen,

        

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

        

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

        

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

20

Der Kläger erfüllt die persönliche Voraussetzung, weil er nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) berechtigt ist, den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen. Ob der Kläger auch die sachliche (nachfolgend a) und die betriebliche Voraussetzung (nachfolgend b) erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden.

21

a) Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG (Urteil vom 23.8.2007 - B 4 RS 2/07 R - Juris RdNr 18; s auch Urteil vom 31.3.2004 - B 4 RA 31/03 R - Juris RdNr 19 f) und des erkennenden Senats (Urteile vom 9.10.2012 - B 5 RS 9/11 R - Juris RdNr 19 und vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris RdNr 24) erfüllen Ingenieure die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nur dann, wenn der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit entsprechend ihrem Berufsbild im produktionsbezogenen ingenieurtechnischen Bereich lag und damit die Aufgabenerfüllung geprägt hat. Lag der Schwerpunkt dagegen in anderen Bereichen, zB im wirtschaftlichen bzw kaufmännischen Bereich, waren die Ingenieure nicht schwerpunktmäßig, dh überwiegend, entsprechend ihrem Berufsbild, sondern vielmehr berufsfremd eingesetzt. Nach der ständigen Rechtsprechung bedeutet "berufsfremd" die Ausübung einer Tätigkeit, die nicht schwerpunktmäßig durch die durchlaufene Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägt ist (Senatsurteile aaO).

22

Für die Prüfung der sachlichen Voraussetzung ist demnach von der erworbenen Berufsbezeichnung iS der 2. DB auszugehen und zu ermitteln, welches Berufsbild dieser unter Berücksichtigung der Ausbildung und der im späteren Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen zu Grunde liegt. Im Anschluss hieran ist festzustellen, welche Tätigkeit der Versicherte konkret ausgeübt hat und zu fragen, ob diese im Schwerpunkt dem der Berufsbezeichnung zu Grunde liegenden Berufsbild entspricht. Dies ist zu bejahen, wenn die ausgeübte Tätigkeit überwiegend durch die in der Ausbildung zu einem Beruf iS des § 1 Abs 1 der 2. DB gewonnenen Kenntnisse und Fertigkeiten und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägt ist (Senatsurteile vom 9.10.2012 - B 5 RS 9/11 R - Juris RdNr 20 und vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris RdNr 25; BSG Urteil vom 18.10.2007 - B 4 RS 17/07 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 14 RdNr 44 mwN).

23

Es fehlen hier bereits Feststellungen des LSG zum Berufsbild des "Diplom-Ingenieurs" und zur Tätigkeit, die der Kläger am Stichtag konkret ausgeübt hat. Feststellungen zum Berufsbild und der verrichteten Tätigkeit sind stets auf der Grundlage von Ermittlungen zu treffen, die die individuelle Situation des jeweiligen Anspruchstellers aufklären. Zur Feststellung des Berufsbilds des Klägers ist daher insbesondere dessen absolvierte Ausbildung im Einzelnen zu ermitteln; um das Anforderungsprofil der Tätigkeit festzustellen, die er am Stichtag ausgeübt hat, sind vor allem der einschlägige Funktionsplan heranzuziehen, soweit er noch vorhanden ist, und die dort aufgelisteten Aufgaben zu konkretisieren sowie die Aussagen des Klägers und etwaiger Zeugen auszuwerten. Die bisherigen Ausführungen des LSG erschöpfen sich darin, "dass der Kläger während seiner Beschäftigung beim VEB E. nach seinen glaubhaften Schilderungen im Berufungsverfahren nicht berufsfremd eingesetzt war". Dabei versäumt es das Berufungsgericht jedoch, das Ergebnis seiner Subsumtion unter den Rechtsbegriff "berufsfremd" mit konkreten Tatsachenangaben zu untermauern, die es ermöglichen könnten, den vorangegangenen Subsumtionsschluss (Syllogismus) nachzuvollziehen und zu überprüfen. Im Ansatz zutreffend weist das LSG darauf hin, dass "nicht die Funktionsbezeichnung entscheidend ist, sondern der tatsächliche Tätigkeitsinhalt". Es hätte jedoch - ausgehend von einer detaillierten Stellenbeschreibung - möglichst genau darstellen müssen, welche (Haupt-)Aufgaben, fachlichen Anforderungen und konkreten Verrichtungen mit der Tätigkeit des "Fachdirektors Ökonomie" tatsächlich verbunden waren und im Urteil nachvollziehbar angeben müssen, welche Tatumstände der Kläger im Berufungsverfahren geschildert hat, warum es ihn für glaubwürdig und seine Aussagen für glaubhaft hält (zu den Begriffen der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit vgl BGH Urteil vom 13.3.1991 - IV ZR 74/90 - NJW 1991, 3284). Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG daher im Rahmen der sachlichen Voraussetzung prüfen müssen, ob die am Stichtag tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als "Fachdirektor Ökonomie" mit ihrem Anforderungsprofil dem Berufsbild des Diplom-Ingenieurs schwerpunktmäßig entsprach.

24

b) Ferner lässt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG nicht beurteilen, ob der VEB E. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gibt. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23)fest, was er zuletzt in mehreren am 19.7.2011, 28.9.2011, 9.5.2012 und 9.10.2012 verkündeten Urteilen (ua BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 24; B 5 RS 8/10 R - Juris RdNr 19; B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 21; B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 23) nochmals betont hat.

25

Für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzung ist unerheblich, ob es am Stichtag 30.6.1990 noch VEB gegeben hat, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren (dazu und zum Folgenden: Senatsurteil vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 24). Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-AVItech iVm der 2. DB erfüllt ist, bestimmt sich nach der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung allein danach, ob der Kläger am 30.6.1990 - abgesehen von den gleichgestellten Betrieben - in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen ist, dh einem VEB, dem die industrielle Fertigung das Gepräge gegeben hat. Hingegen ist entgegen der Auffassung des LSG nicht auch konstitutiv auf seine organisatorische Zuordnung abgestellt worden (so schon Hinweis im Senatsurteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 28). Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl BSG Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11). Hat aber die Frage der organisatorischen Zuordnung keine konstitutive Bedeutung, ist unerheblich, ob es am Stichtag noch einen industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft gegeben hat. Vielmehr ist allein die Rechtsform des Betriebs als VEB sowie seine tatsächliche Produktionsweise entscheidungsrelevant (Senatsurteil vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 24).

26

Ob der VEB E. nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Das LSG bestimmt den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit nach der (Kopf-)Zahl der Mitarbeiter in den Tätigkeitsbereichen "Produktion" und "Elektroinstallation". Damit hat es einen einheitlichen und grundsätzlich geeigneten Maßstab für die Beurteilung der Frage gewählt, ob der VEB E. sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, wobei allerdings einschränkend zu bemerken ist, dass von der bloßen Kopfzahl der Beschäftigten nicht stets automatisch auf ein entsprechendes Arbeitsvolumen und einen entsprechenden Anteil an der Wertschöpfung geschlossen werden darf. Den Feststellungen des LSG lässt sich jedoch - was gleichzeitig unabdingbar erforderlich ist - insbesondere nicht entnehmen, womit konkret der Bereich "Elektroinstallation" (250 Mitarbeiter) befasst war, obwohl es unter anderem wegen der Frage, "ob auch die Installation (wie die Montage) den Produktionsbegriff erfüllen kann", die Revision zugelassen hat. Es unterlegt dem Begriff der "Elektroinstallation" ohne jeden Fallbezug bestenfalls aus sich heraus eine Bedeutung, wenn es ausführt: "Bei der Installation werden keine neuen Produkte seriell hergestellt, sondern es werden - ggf seriell hergestellte - Sachgüter verarbeitet, in dem zB Leuchten und Kabel angebracht bzw verlegt werden". Stattdessen hätte das Berufungsgericht konkret ermitteln und feststellen müssen, welche Aufgaben beim VEB E. im Bereich der "Elektroinstallation" genau anfielen, welche Komponenten wo (innerhalb des VEB oder außerhalb beim Kunden?) verarbeitet ("installiert", "angebracht", "verlegt" oder eingebaut) wurden und ob es sich dabei um eher handwerklich geprägte Individualarbeiten oder industriell geprägte Serienfertigung (ggf unter entsprechendem Maschineneinsatz) handelte. Soweit im Rahmen der Elektroinstallation - ggf seriell hergestellte - Komponenten (wie zB Leuchten und Kabel) angebracht, verlegt oder miteinander verbunden wurden, wird das LSG die Fertigungsart ermitteln und feststellen müssen, ob diese Aggregate mehr oder weniger schematisch nach einem im vorhinein festgelegten Plan standardisiert (zB in Fertigungsstraßen) oder nach bestimmten Kundenwünschen individuell verarbeitet wurden. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R - Juris RdNr 18) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion (vgl Senatsurteile vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 31 und vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/11 R - Juris RdNr 24).

27

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Mai 2010 wird zurückgewiesen, soweit die Klage die Zeit der Tätigkeit beim VEB M. vom 1. September 1966 bis 15. Juni 1968 betrifft.

Im Übrigen wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Mai 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 1.9.1966 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der im 1940 geborene Kläger ist Maschinen-Ingenieur (Urkunde der Hochschule für Hydromelioration Moskau vom 27.7.1966).

3

Er war vom 1.9.1966 als Maschinenassistent und vom 1.12.1967 bis 15.6.1968 als Ingenieur für neue Technik beim VEB M. beschäftigt. Vom 15.6.1968 bis 30.6.1990 war der Kläger beim VEB I. tätig, zunächst als Konstruktionsingenieur, ab 1.3.1976 als Leiter der Arbeitsgruppe Internationale Zusammenarbeit (IZ), ab 1.10.1981 als Leiter IZ, ab Mai 1983 nach eigenen Angaben als Spezialprojektant sowie ab 1.5.1988 als Spezialprojektant für F/E und Projektierung. Danach arbeitete er bei der T GmbH

4

Mit Bescheid vom 25.5.2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung der Zeit vom 1.9.1966 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem ab. Der Kläger habe weder eine positive Versorgungszusage zu Zeiten der DDR erhalten noch habe er am 30.6.1990 eine versorgungsrechtlich relevante Beschäftigung ausgeübt. Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 10.9.2004; Urteil des SG Frankfurt/Oder vom 7.7.2005).

5

Mit Urteil vom 12.5.2010 hat das LSG Berlin-Brandenburg die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger unterfalle nicht dem Anwendungsbereich des § 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (AAÜG) vom 25.7.1991 (BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024). Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Der Kläger sei weder am 30.6.1990 noch in der Zeit vom 1.9.1966 bis zu diesem Tag Inhaber einer fiktiven Versorgungsanwartschaft im Sinne der vom BSG vorgenommenen erweiternden Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG gewesen. Zwar erfülle der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er sei am Stichtag und in der geltend gemachten Zeit zuvor berechtigt gewesen, den Titel eines Ingenieurs zu führen. Auch habe er am 30.6.1990 und während der Zeit vom 1.9.1966 bis zu diesem Tag eine seinem Titel entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Der Kläger erfülle jedoch nicht die betriebliche Voraussetzung.

6

Am 30.6.1990 und während der Zeit vom 15.6.1968 bis 30.6.1990 sei er beim VEB I. beschäftigt gewesen. Dieser Betrieb sei kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen. Nach dem Vortrag des Klägers seien dort neue Anlagen und Maschinen jeweils nur in Nullserie hergestellt worden. Eine industrielle (serienmäßig wiederkehrende) Fertigung von Sachgütern habe damit nicht stattgefunden. Der VEB I. sei auch kein gleichgestellter Betrieb iS des § 1 Abs 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487) zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844). Bei dem VEB habe es sich nach seinem Betriebszweck nicht um ein Konstruktionsbüro oder einen Projektierungsbetrieb gehandelt. Möglicherweise sei der Betrieb ein Rationalisierungsbetrieb oder ein Forschungsinstitut gewesen. Dies könne aber dahinstehen. Ein Rationalisierungsbetrieb rechne schlechthin nicht zu den gleichgestellten Einrichtungen und ein Forschungsinstitut nur unter bestimmten Voraussetzungen, die hier nicht erfüllt seien. Nach dem Beschluss des BSG vom 5.5.2009 (B 13 RS 1/09 B) sei durch das Urteil des BSG vom 26.10.2004 (B 4 RA 40/04 R - SozR 4-8570 § 5 Nr 5) geklärt, dass ein Forschungsinstitut, dessen zweck- und betriebsbezogene wissenschaftliche Forschung und Entwicklung sich weder auf die Bereiche der Industrie oder des Bauwesens noch auf die in § 1 Abs 2 2. DB zur VO-AVItech aufgezählten Bereiche/Kategorien bezogen habe, nicht zu den gleichgestellten Betrieben im Sinne der Bestimmung gehöre. Diese einschränkende Auslegung möge zwar nicht mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Urteil des BSG vom 26.10.2004 (aaO) hervorgehen. Den dortigen Ausführungen sei aber zu entnehmen, dass nicht jegliche betriebsbezogene Forschung und somit jegliches Forschungsinstitut in den Anwendungsbereich der Vorschrift falle. Eine solch einschränkende Auslegung erweise sich zudem als sachgerecht. Wenn vom Geltungsbereich der 2. DB nur volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens erfasst würden, fehle eine schlüssige und nachvollziehbare Begründung dafür, weshalb Forschungsinstitute, die mit anderen Aufgaben betraut seien, einzubeziehen sein sollten. Um einen Wertungswiderspruch innerhalb der 2. DB zu vermeiden, erscheine eine einschränkende Auslegung des Begriffs Forschungsinstitut im dargelegten Sinn geboten.

7

Ebenso wenig habe der Kläger in der Zeit vom 1.9.1966 bis 15.6.1968 in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einer gleichgestellten Einrichtung gearbeitet. In dieser Zeit sei der Kläger beim VEB M. beschäftigt gewesen. Aufgabe dieses Betriebes sei es gewesen, als bauausführender Betrieb Be- und Entwässerungssysteme für einzelne Auftraggeber herzustellen bzw zu verändern. Es sei angesichts der unterschiedlichen landschaftlichen Bedingungen nicht ersichtlich, dass dies als serienmäßig wiederkehrende Fertigung oder als Massenproduktion erfolgt sein könnte.

8

Gegen das ihm am 21.6.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1.7.2010 die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung der §§ 1, 5 und 8 AAÜG. Er sei zum Stichtag 30.6.1990 Inhaber einer fiktiven Versorgungsanwartschaft im Sinne der vom BSG vorgenommenen erweiternden Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG gewesen. Nach den Feststellungen des LSG erfülle er die persönliche und sachliche Voraussetzung. Darüber hinaus sei in seinem Fall auch die betriebliche Voraussetzung gegeben. Das Berufungsgericht habe in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass der VEB I. durch folgende Hauptrichtungen geprägt worden sei:

        

a) Einflussnahme auf die Durchführung und Mitbestimmung des wissenschaftlich-technischen Höchststandes der Vorbereitung, des Baus, der Technologie sowie der Entwicklung von Ausrüstungen moderner Be- und Entwässerungsanlagen und des landwirtschaftlichen Straßenbaus,

        

b) Vorbereitung, Durchführung, Erprobung entsprechender Produktionsexperimente und Experimentalbauten,

        

c) Einflussnahme auf die Forschung und Entwicklung durch Ausarbeitung von Aufgabenstellungen und Forderungsprogrammen für neue, moderne Meliorationsverfahren und -technologien,

        

d) Erarbeitung von dem wissenschaftlich-technischen Höchststand entsprechenden Vorschriften (Angebots- und Wiederverwendungsprojekte, Standards, Arbeitsblätter, Angebote, Modellprojekte, Rechenprogramme ua) für Be- und Entwässerung, landwirtschaftlichen Straßenbau, Binnenfischerei,

        

e) Unterstützung und Beratung der sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe, der Räte der Bezirke und Kreise, der Meliorationsbetriebe und Meliorationsgenossenschaften bei der Vorbereitung und Durchführung moderner Meliorationsanlagen sowie direkte Zusammenarbeit bei der Überleitung von Best- und Beispiellösungen,

        

f) Übernahme der Funktion als Arbeitsorgan des Erzeugnisgruppenverbandes Meliorationen und der Verantwortung als Erzeugnisgruppenleitbetrieb Projektierung.

9

Unter Zugrundelegung dieser betrieblichen Ausrichtung sei der VEB I. als Forschungsinstitut iS des § 1 Abs 2 2. DB zur VO-AVItech zu qualifizieren. Das LSG habe zu Unrecht den Begriff des Forschungsinstituts im Sinne der Vorschrift als auf die Bereiche Industrie und Bauwesen beschränkt angesehen, um einen Wertungswiderspruch innerhalb der 2. DB zu vermeiden. Das Berufungsgericht habe damit gegen Art 20 Abs 3 GG verstoßen. Nach der Rechtsprechung des BSG sei bei der Prüfung, ob bezogen auf die bundesrechtlich verstandenen Regelungen der Versorgungssysteme am Stichtag 30.6.1990 eine materiell-rechtliche Anspruchs- oder Anwartschaftsposition bestanden habe, unerheblich, ob die abstrakt-generellen Regelungen der Versorgungsordnungen damals willkürlich gewesen seien. Ein solcher - ggf willkürlicher - Wertungswiderspruch sei aus bundesrechtlicher Sicht hinzunehmen. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung habe unter Verkennung des versorgungsrechtlichen Sprachverständnisses den Geltungsbereich der Versorgungsordnung missachtet und damit die Voraussetzungen von § 1 Abs 1 AAÜG verkannt. Die vom LSG vertretene Auslegung ergebe sich auch nicht aus sonstigen Regelungen des Binnenrechts der DDR und sei ebenso wenig unter Berücksichtigung der Entscheidungen des BSG vom 26.10.2004 (aaO) bzw vom 5.5.2009 (aaO) gerechtfertigt.

10

Der Kläger beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Mai 2010 und des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 7. Juli 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2004 und den Widerspruchsbescheid vom 10. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 1. September 1966 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr 1 zum AAÜG und die hierin erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

11

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist teilweise im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) und teilweise unbegründet.

14

A. Soweit der Kläger begehrt, die Beschäftigungszeit vom 15.6.1968 bis 30.6.1990 beim VEB I. als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech (nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte) festzustellen, kann der Senat eine Entscheidung in der Sache nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

15

Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG)dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekanntzugeben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

16

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung - Rentenüberleitungsgesetz - vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anlage 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

17

Auf Grund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "auf Grund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO innehat.

18

I. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

19

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

20

II. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "auf Grund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt.

21

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die VO-AVItech und die 2. DB, soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

22

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen,

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

23

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Maschinen-Ingenieur" zu führen und ist am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.

24

Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden.

25

Zwar steht nach den auch insoweit bindenden Feststellungen des LSG fest, dass der VEB I. kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, die ihr Gepräge durch die Massenproduktion erhalten haben. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23) fest. Die in der Literatur teilweise erhobenen Bedenken (vgl hierzu Schmidt, Die Rentenversicherung 2011, S 141 ff) gegen den hier vertretenen Begriff des Produktionsbetriebes teilt der erkennende Senat nicht (vgl hierzu im Einzelnen Senatsurteil vom heutigen Tag - B 5 RS 7/10 R). Den Anforderungen an einen Produktionsbetrieb im dargelegten Sinne genügt der genannte VEB nicht. Nach den Feststellungen des LSG wurden in diesem neue Anlagen und Maschinen nur in Nullserie hergestellt.

26

Offen bleibt indessen, ob es sich bei dem VEB I. um ein nach § 1 Abs 2 2. DB gleichgestelltes Forschungsinstitut handelt.

27

Nach dieser Bestimmung werden den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellt: Wissenschaftliche Institute; Forschungsinstitute; Versuchsstationen; Laboratorien; Konstruktionsbüros; technische Hochschulen; technische Schulen; Bauakademie und Bauschulen; Bergakademie und Bergbauschulen; Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens; Maschinen-Ausleih-Stationen und volkseigene Güter, Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie); Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen und Ministerien. Ausweislich dieses Wortlauts kompensiert die in § 1 Abs 2 2. DB angeordnete "Rechtsfolge" das Fehlen der Merkmale "Betrieb", "volkseigen" und "Produktion", sodass sich der Anwendungsbereich der Vorschrift generell von vornherein außerhalb des Grundtatbestands der VO-AVItech bewegt. Unter anderem die angeordnete Gleichstellung wissenschaftlicher Institute, bestimmter (Hoch-)Schulen und Ministerien, bei denen es sich weder um Betriebe handelt noch notwendig ein auch nur lockerer Zusammenhang mit der industriellen Produktion von Sachgütern besteht, verdeutlicht dies nachdrücklich. Hiervon ausgehend besteht auch im Blick auf den Gesamt-Kontext der AVItech kein Anlass, bei einzelnen Institutionen als Voraussetzung ihrer Gleichstellung zusätzlich einen Bezug gerade zum Bereich der industriellen Produktion zu fordern.

28

Dies gilt auch für die vorliegend infrage stehenden "Forschungsinstitute". Hierbei handelt es sich, wie der 4. Senat des BSG bereits entschieden hat (Urteil vom 26.10.2004 - B 4 RA 40/04 R - SozR 4-8570 § 5 Nr 5 RdNr 19), um selbstständige Einrichtungen der Wirtschaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche) Forschung und Entwicklung ist. Eine Bindung dieses Zweck- bzw Betriebsbezugs an diejenigen Begrenzungen, die sich für den grundsätzlichen Anwendungsbereich der VO-AVItech aus dem Produktionsbegriff ergeben, ist nach dem oben Gesagten nicht erforderlich. Ein solches Verständnis unterstreicht auch die Präambel dieser Verordnung, die die "wissenschaftliche Forschungsarbeit" gerade als eigenständigen Teil des - hier in einem umfassenden Sinne verstandenen - Produktionsprozesses neben der Produktion im engeren Sinne, dh der Produktionsdurchführung, aufführt (so auch der 4. Senat aaO). Die vom LSG befürwortete einschränkende Auslegung der Norm rechtfertigt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung eines Wertungswiderspruchs innerhalb der 2. DB. Der Teil der Versorgungsordnungen, der am 3.10.1990 zu sekundärem Bundesrecht geworden ist, ist vielmehr unter strikter Beachtung seines Wortlauts anzuwenden, wobei es unerheblich ist, ob die abstrakt-generellen Regelungen ursprünglich willkürlich waren. Jedem Versuch, entgegen der Grundentscheidung des Gesetzgebers eine Korrektur vorzunehmen, steht die Gesetzesbindung der Rechtsprechung (Art 20 Abs 3 GG) entgegen (BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17, RdNr 22).

29

Soweit der 13. Senat des BSG im Beschluss vom 5.5.2009 (B 13 RS 1/09 B) unter Berufung auf die Rechtsprechung des 4. Senats eine spezifisch auf die Bereiche der Industrie und des Bauwesens gerichtete Forschungstätigkeit von Forschungsinstituten iS von § 1 Abs 2 2. DB fordert, hält der erkennende Senat, der mittlerweile allein für Streitigkeiten nach dem AAÜG zuständig ist, hieran nicht fest. Zudem handelt es sich bei allein auf die Statthaftigkeit der Revision bezogenen Beschlüssen ohnehin nicht um Rechtsprechung zum materiellen Recht.

30

Ob der VEB I. ein Forschungsinstitut im dargelegten Sinne ist, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Nach diesen oblag dem VEB I. die Entwicklung und Bauausführung von neuen Be- und Entwässerungssystemen und landwirtschaftlichen Wirtschaftswegen. Ob der Hauptzweck des VEB auf die planmäßige und zielgerichtete Suche nach neuen Erkenntnissen auf dem Gebiet der Melioration gerichtet war, hat das LSG - von seinem Standpunkt aus konsequent - offen gelassen. Das Berufungsgericht wird nunmehr insbesondere zu ermitteln haben, ob anwendungsbezogene Forschung dem VEB I. des Gepräge gegeben hat.

31

B. Hinsichtlich seiner Beschäftigung in der Zeit vom 1.9.1966 bis 15.6.1968 beim VEB M. scheitert ein Anspruch des Klägers auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech unabhängig von der Anwendbarkeit des AAÜG bereits daran, dass es sich bei diesem Betrieb nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht um einen Produktionsbetrieb im Sinne der AVItech handelt.

32

Gemäß § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG gelten als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen der Versorgungsberechtigte eine (entgeltliche) Beschäftigung oder Tätigkeit (zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 1.7.1990) ausgeübt hat, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen war, das in der Anlage 1 und 2 zum AAÜG aufgelistet ist (BSG SozR 4-8570 § 5 Nr 1 RdNr 29). Ob die Tatbestandsvoraussetzungen für diese Gleichstellung mit rentenrechtlichen Pflichtbeitragszeiten erfüllt sind, hängt damit davon ab, ob der Betroffene eine "Beschäftigung" ausgeübt hat, die "entgeltlich" war und ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst war (BSG aaO; vgl zur Qualität der Versorgungsregelungen als bloße generelle Anknüpfungstatsachen im Rahmen von § 5 AAÜG: BSG SozR 4-8570 § 5 Nr 10 RdNr 20). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der VEB M. als bauausführender Betrieb Be- und Entwässerungssysteme für einzelne Auftraggeber herzustellen bzw zu verändern, ohne dass Anhaltspunkte dafür bestanden haben, dass dies als serienmäßig wiederkehrende Fertigung oder als Massenproduktion erfolgt ist.

33

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.