Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 23. Sept. 2010 - L 5 KR 91/09

ECLI:ECLI:DE:LSGRLP:2010:0923.L5KR91.09.0A
23.09.2010

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 31.3.2009 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 349,34 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.8.2006 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten beider Instanzen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Umstritten ist ein Anspruch auf Wegegeld für Fahrten der Klägerin als freiberufliche Hebamme im Zusammenhang mit Leistungen für eine bei der Beklagten Versicherte in Höhe von zusätzlichen 349,34 € nebst Zinsen.

2

Die Klägerin betreute als Hebamme im Zeitraum vom 9.1. bis 10.4.2006 die bei der Beklagten krankenversicherte M G (im Folgenden: Versicherte), die 92 km von der Wohnung der Klägerin in … N entfernt in … F wohnte und ihren Sohn F am 17.2.2006 gebar; zeitweise war die Versicherte vor dieser Geburt auch von der Hebamme B K betreut worden. Die Beklagte informierte die Versicherte in einem am 23.1.2006 abgesandten Schreiben darüber, Wegegelder für die Wegstrecke von der Wohnung oder Praxis der Hebamme zur Wohnung der Patientin könnten nur bis zu 20 Kilometer (einfache Wegstrecke) übernommen werden; eine Durchschrift dieses Schreibens erhielten die Klägerin und die Hebamme B K .

3

Die Klägerin rechnete gegenüber der Beklagten ua Wegegeld für den og Zeitraum (19 Fahrten) in Höhe von 1.124,91 € ab (Rechnung vom 25.7.2006). In der Rechnung führte sie ua an: Sie betrachte das Schreiben vom 23.1.2006 als gegenstandslos. Die Beklagte habe ihre vorherige Rechnung ungekürzt beglichen. Es sei unmöglich, einer Wöchnerin drei Wochen vor einer geplanten Hausgeburt allein wegen zu weiter Entfernung des Wohnorts der gewählten Hebamme eine neue Hebamme vorzuschlagen. Die Beklagte zog von dem von der Klägerin geforderten Betrag 907,91 € ab, da sie nur eine Fahrstrecke von bis zu 20 gefahrenen Kilometern je Fahrt (einfache Wegstrecke) berücksichtigen könne.

4

Mit ihrer am 7.5.2007 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht: Ihre Abrechnung sei durch § 4 Abs 3 Satz 2 Hebammen-Gebührenverordnung (HebGV) gedeckt. Bei einer Hausgeburt müsse sich die Versicherte nicht ausnahmslos auf eine in unmittelbarer Nähe wohnende Hebamme verweisen lassen, weil hier ein besonderes Vertrauensverhältnis erforderlich sei. Dies folge auch aus der amtlichen Begründung zu § 4 Abs 3 HebGV. Die Beklagte habe es seinerzeit versäumt, der Versicherten die Adressen in Betracht kommender Hebammen mitzuteilen. Außerdem hätte die Versicherte aus persönlichen Gründen keine andere Hebamme akzeptiert.

5

Das Sozialgericht (SG) hat die Versicherte schriftlich als Zeugin vernommen. Diese hat unter dem 12.3.2009 erklärt: Ihr erstes Kind M sei nach einer abgebrochenen Hausgeburt am 1.8.1999 zur Welt gekommen. Die damalige Hausgeburtshebamme habe sie in den verschiedenen Situationen während der Schwangerschaft enttäuscht; eine Vertrauensbasis habe nicht aufgebaut werden können. M sei am 1.10.2000 an einem "plötzlichen Kindstod" verstorben. Im Zusammenhang mit den Geburten ihrer Töchter L und M 2002 und 2003 sei sie von B K als Hebamme betreut worden. Da diese vor der Geburt ihres Sohnes F nach F verzogen sei, habe sie sich darum bemüht, eine in ihrer Nähe wohnende Hebamme zu finden. Die Suche sei aber erfolglos gewesen, da keine Hebamme richtig zu ihr gepasst habe. B K habe dann die ersten Mutterschaftsvorsorgen übernommen; in Absprache mit dieser habe sie die Klägerin als Vertretungshebamme für die Geburt und das Wochenbett hinzugezogen. Die beiden Hebammen hätten schon öfter zusammengearbeitet, weshalb sie Zutrauen in diese gehabt habe; sie habe die Klägerin auch während der Schwangerschaft mit ihrer Tochter L bereits einmal kontaktiert gehabt. Die Klägerin habe selbst ein Kind verloren, weshalb sie eine optimale Unterstützung für sie, die Versicherte, gewesen sei. Sie, die Versicherte, habe seinerzeit enorme Ängste und Befürchtungen gehabt, weil sie Angst gehabt habe, dass ihr Sohn F ebenso wie ihr verstorbener erster Sohn M mit einer erblichen Muskelerkrankung zur Welt kommen würde. Dies sei für sie eine große psychische Belastung gewesen, zumal sie in relativ kurzer Zeit vier Geburten gehabt habe. Nach der Geburt ihres Sohnes F sei es zu einer verzögerten Rückbildung im Wochenbett und Wochenflussstörungen gekommen. Ihr Sohn F habe kurz nach der Geburt eine Erkältung durchmachen müssen; seine Augen seien verschmiert gewesen; auch ihre beiden Töchter seien seinerzeit krank gewesen.

6

Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht (SG) ein von der Klägerin angenommenes Teilanerkenntnis in Höhe von 558,57 € abgegeben. Zuvor hatte sie mit Schriftsatz vom 5.7.2007 erklärt: Bei Abfassung des Schreibens vom 23.1.2006 sei ihr nicht bekannt gewesen, dass es sich um eine Hausgeburt gehandelt habe. Nach aktuellen Recherchen biete im Umkreis von 20 km vom Wohnort von M G (einfache Wegstrecke) keine Hebamme eine Betreuung für eine Hausgeburt an; im Umkreis von bis zu 40 km fänden sich aber allein in Rheinland-Pfalz sechs Hebammen, die entsprechende Leistungen zur Verfügung stellten.

7

Durch Urteil vom 31.3.2009 hat das SG die über das Teilanerkenntnis hinausgehende Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Abzurechnen sei nach § 4 Abs 2 HebGV grundsätzlich die Wegstrecke zwischen dem Wohnort oder der Praxis der Hebamme und der Stelle der Leistung. Anzusetzen sei die tatsächlich zurückgelegte Strecke (Hinweis auf Landessozialgericht - LSG - Nordrhein-Westfalen 26.6.2008 - L 5 KR 81/06). Nach § 4 Abs 3 Satz 1 HebGV könne die Krankenkasse jedoch die Zahlung des Mehrbetrages ablehnen, wenn der Weg zur tatsächlich gewählten Hebamme mehr als 20 km länger sei als der Weg zur Wohnung oder Praxis der nächstwohnenden Hebamme. Auf die Ausnahmevorschrift des § 4 Abs 3 Satz 2 HebGV könne sich die Klägerin nicht berufen. Ihre Hinzuziehung sei nicht nach der besonderen Lage des Falls gerechtfertigt gewesen. Eine solche Rechtfertigung sei nur gegeben, wenn der Versicherten die Heranziehung einer näher wohnenden Hebamme nicht zumutbar sei und die Toleranzgrenze nicht überschritten werde (Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen aaO). Daran fehle es vorliegend. Das Wirtschaftlichkeitsgebot der §§ 2 Abs 1 Satz 1, 12 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) führe zu einer Einschränkung des Erstattungsbetrages, da die Toleranzgrenze durch die tatsächlich zurückgelegte Strecke wesentlich überschritten sei. Im Internet ließen sich 17 Hebammen im Umkreis von … F ermitteln, wobei bei dreien ausdrücklich "Hausgeburt" angegeben sei. Die Beklagte habe sogar sechs Hebammen allein im Einzugsbereich der Versicherten in Rheinland-Pfalz ermittelt; hinzu seien vier Hebammen mit der "Qualifikation" Hausgeburt in M und Umgebung gekommen. Angesichts dieses Versorgungsangebots sei eine Beschränkung der zu erstattenden Fahrkosten auf die Kosten, die bei einer einfachen Wegstrecke von 40 km entstanden wären, vertretbar und sachgerecht. Ein Zinsanspruch bestehe nicht, da die HebGV eine Verzinsung nicht ausdrücklich vorsehe. Das SG hat die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen.

8

Gegen dieses ihr am 14.4.2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 27.4.2009 eingelegte Berufung der Klägerin. Hinsichtlich des erstinstanzlich anerkannten Betrages von 558,57 € hat die Beklagte außerprozessual gegenüber der Klägerin einen Zinsanspruch zugestanden.

9

Die Klägerin trägt vor: Das SG habe seiner Entscheidung ungeprüft die Behauptungen der Beklagten über das Ergebnis einer Internetrecherche zugrunde gelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG habe keine Internetadresse mit einem Eintrag von 17 Hebammen im Umkreis von F gefunden werden können. Es werde bestritten, dass in näherer Umgebung des Wohnorts eine relevante Anzahl von Hausgeburtshebammen tätig gewesen sei. Hinzu komme, dass der Versicherten nicht jede Hausgeburtshebamme zumutbar gewesen sei. Da das SG nicht einmal ansatzweise versucht habe, Namen und Adressen von in Betracht kommenden Hebammen zu benennen, könne sie keine Stellung dazu nehmen, ob diese Hebammen willens und in der Lage gewesen wären, für die Versicherte Hausgeburtshilfe zu leisten. Die weitere Betreuung der Versicherten durch sie, die Klägerin, im Zeitraum ab Januar 2006 sei wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses zu ihr gerechtfertigt gewesen. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass sie die Versicherte bei der hier streitgegenständlichen Geburt bereits ab dem 29.9.2005 betreut und ihre Leistungen bis zum 19.12.2005 mit Rechnung vom 31.12.2005 geltend gemacht habe, die von der Beklagten in vollem Umfang beglichen worden sei. Sie sei deshalb davon ausgegangen, dass auch die weiteren Rechnungen ohne Beanstandung der Wegstrecke beglichen würden. Sie habe die Versicherte bereits bei einer vorhergehenden Geburt betreut, und zwar an zwei oder drei Terminen, bei denen es insbesondere um die Traumaverarbeitung wegen des verlorenen Kindes der Versicherten gegangen sei. Seinerzeit habe die Versicherte noch in näherer Entfernung zu ihrer Praxis gewohnt (ca 50 km).

10

Die Klägerin hat dem Senat die Rechnung vom 31.12.2005 vorgelegt.

11

Die Klägerin beantragt,

12

das Urteil des SG Koblenz vom 31.3.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr weitere 349,34 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 25.8.2006 zu zahlen.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Berufung zurückzuweisen.

15

Sie trägt vor: Aus einer von ihr am 4.7.2007 durchgeführten Internetrecherche gehe hervor, dass in ausreichendem Umfang Hebammen im näheren Umkreis der Wohnung der Versicherten zur Verfügung gestanden hätten. Eine erneute Internetrecherche habe ergeben, dass die Internetfunktionen bei der Hebammensuche geändert worden seien. Es sei nun nicht mehr möglich, sich sämtliche, eine Hausgeburt anbietenden Hebammen aus Rheinland-Pfalz auflisten zu lassen; die Suche müsse vielmehr zusätzlich auf den Ort, die Postleitzahl oder die Sprache eingegrenzt werden. Sie, die Beklagte, sehe sich nicht in der Beweislast dafür, dass die Angaben im Internet bezüglich der Hausgeburten auf der Homepage des Hebammenverbandes zutreffend gewesen seien. Die Beklagte hat Fotokopien der Ausdrucke ihrer Internetrecherche vom 4.7.2007 vorgelegt.

16

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

17

Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf weiteres Wegegeld in Höhe von 349,34 € nebst Zinsen; das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben.

18

Nach § 134 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der hier maßgeblichen, bis zum 7.11.2006 gültigen Fassung sind Leistungen der freiberuflich tätigen Hebammen, soweit sie von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sind, nach der von dem zuständigen Bundesminister erlassenen Rechtsverordnung zu vergüten. Nach § 4 Abs 1 Satz 1 HebGV vom 28.10.1996 (BGBl I 1662) in der vorliegend maßgebenden Fassung vom 7.10.1997 (BGBl I 2397) erhält die Hebamme für jeden Besuch aus Anlass einer abrechnungsfähigen Leistung Wegegeld. Ausgehend davon steht der Klägerin Wegegeld für die von ihr geltend gemachten 19 Fahrten zu; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.

19

Der Höhe nach richtet sich das Wegegeld nach § 4 Abs 2 und Abs 3 HebGV. Abzurechnen ist nach § 4 Abs 2 HebGV grundsätzlich die Wegstrecke zwischen Wohnort oder Praxis der Hebamme und der Stelle der Leistung. Davon bestimmt Abs 3 eine Ausnahme: Hat eine andere als die nächstwohnende Hebamme Hilfe geleistet, so kann die Krankenkasse die Zahlung des dadurch entstandenen Mehrbetrags an Wegegeld ablehnen, wenn der Weg von der Stelle der Leistung zur Wohnung oder Praxis der anderen Hebamme mehr als 20 Kilometer länger ist als zur Wohnung oder Praxis der nächstwohnenden Hebamme (Satz 1). Dies gilt nicht, wenn das Wegegeld anfällt, weil mehrere Hebammen die Dienstleistungen in einem Krankenhaus nach einem vereinbarten Einsatzplan ausführen oder wenn die Zuziehung der anderen Hebamme nach der besonderen Lage des Falles aus anderen Gründen gerechtfertigt war (Satz 2).

20

Vorliegend sind die Voraussetzungen des § 4 Abs 3 Satz 2 HebGV erfüllt. Denn die Zuziehung der Klägerin als Hebamme war nach der besonderen Lage des Falls gerechtfertigt. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "nach der besonderen Lage des Falls" hat sich an der Zweckbestimmung der Vorschrift zu orientieren. In der amtlichen Begründung zu § 4 HebGV (zitiert nach der in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Kopie) heißt es hierzu: "Nach der besonderen Lage des Falles ist die Zuziehung einer weiter entfernt wohnenden Hebamme insbesondere bei einer geplanten Hausgeburt einschließlich Vor- und Nachsorge gerechtfertigt, solange nur verhältnismäßig wenige Hebammen Hausgeburten durchführen." Auch Anfang 2006 boten wenige Hebammen Hilfe bei Hausgeburten an. Nach den Internetfeststellungen der Beklagten führte nur ein geringer Teil der Hebammen Hausgeburtshilfe durch. Die Beklagte konnte innerhalb einer Entfernung bis zu 30 km von der Wohnung der Versicherten keine einzige in Betracht kommende Hebamme feststellen.

21

Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "nach der besonderen Lage des Falls" ist das Wirtschaftlichkeitsgebot (§§ 2 Abs 1 Satz 1, 12 Abs 1 SGB V) zwar als wesentlicher Abwägungsgesichtspunkt zu berücksichtigen, aber nicht im Sinne einer strikten Grenzziehung allein danach, was für die Krankenkasse mit den geringsten Aufwendungen verbunden ist. Vielmehr sind für das Tatbestandsmerkmal "nach der besonderen Lage des Falls" alle Umstände des Einzelfalls maßgebend, insbesondere auch ein bereits bestehendes besonderes Vertrauensverhältnis zu der Hebamme (vgl LSG Nordrhein-Westfalen 26.6.2008 - L 5 KR 81/06 juris Rn 33).

22

Die Abwägung aller rechtlich relevanten Gesichtspunkte führt im vorliegenden Fall dazu, dass die Heranziehung der Klägerin als Hebamme für die Versicherte nach der besonderen Lage des Falls gerechtfertigt war. Zwischen der Klägerin und der Versicherten hatte sich im hier maßgebenden Zeitraum ab Januar 2006 bereits ein besonderes Vertrauensverhältnis ausgebildet, wie die Klägerin bei ihrer Anhörung durch den Senat nachvollziehbar geschildert hat. Die Klägerin hatte die Versicherte schon im Zusammenhang mit einer früheren Geburt, wenn auch nur kurzfristig, betreut. Entscheidend kommt hinzu, dass sie die Versicherte gerade während der Schwangerschaft mit ihrem Sohn F seit Ende September 2005 betreut hatte (Beratung am 29.9.2005 und zusätzlich sechs Besuche bei der Versicherten), wie auch aus der von der Klägerin vorgelegten Rechnung vom Dezember 2005 - die Beklagte hat diese vor der weiteren Betreuung ab Januar 2006 beglichen - hervorgeht. Der Versicherten war es bei dieser Sachlage in Anbetracht der bei ihr vorliegenden besonderen Umstände nicht zumutbar, sich während der laufenden Schwangerschaft relativ kurz vor dem bevorstehenden Geburtstermin anstelle der Klägerin eine näherwohnende Hebamme zu suchen. In diesem Zusammenhang kommt der damaligen psychischen Belastung der Versicherten, die innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit zum vierten Mal schwanger war und während dieser Schwangerschaft wegen des Todes ihres Sohnes M im Kindesalter unter erheblichen Ängsten litt, deretwegen die Klägerin bereits im Rahmen einer früheren Geburt eine Traumabewältigung durchgeführt hatte, ausschlaggebende Bedeutung zu. In Anbetracht dieser außergewöhnlichen Umstände hielt sich die Verlängerung der Wegstrecke zwischen der Wohnung/Praxis der Klägerin und der Wohnung der Versicherten (Entfernung 92 km) gegenüber der Wegstrecke, welche die nächstwohnende Hebamme hätte zurücklegen müssen (Entfernung 30,37 km), noch innerhalb dessen, was auch in Ansehung des grundsätzlich zu beachtenden Wirtschaftlichkeitsgebots durch die besondere Lage des Falls gerechtfertigt war (zu einer ähnlichen Fallgestaltung vgl LSG Nordhein-Westfalen aaO: dort Wegstrecke 58 km im Verhältnis zur Wegstrecke zur nächst erreichbaren Hebamme von 5,2 km).

23

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 69 Satz 3 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) in Verbindung mit §§ 286, 288 BGB (zur Anwendbarkeit dieser Vorschriften im Verhältnis von Leistungserbringern zu gesetzlichen Krankenkassen BSG 3.8.2006 - B 3 KR 7/06 R; BSG 19.4.2007 - B 3 KR 10/06 R; vgl zum Anspruch von Hebammen auf Prozesszinsen BSG 23.3.2006 - B 3 KR 6/05 R Rn 17; LSG Nordrhein-Westfalen aaO). Die Beklagte befand sich bezüglich der ausstehenden Rechnungsbeträge spätestens seit dem 25.8.2006 im Verzug, denn nach § 5 Abs 4 HebGV hatte die Krankenkasse die Rechnung innerhalb von drei Wochen nach Rechnungseingang (hier: am 26.7.2006) zu begleichen. Die Verzinsung erfolgt gemäß § 288 Abs 2 BGB in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, da der Anspruch auf Wegekosten einen Annex zum Entgeltanspruch der Klägerin darstellt.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

25

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 286 Verzug des Schuldners


#BJNR001950896BJNE027902377 (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Z

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 69 Anwendungsbereich


(1) Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 134 Vereinbarung zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und den Herstellern digitaler Gesundheitsanwendungen über Vergütungsbeträge; Verordnungsermächtigung


(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbart mit den Herstellern digitaler Gesundheitsanwendungen mit Wirkung für alle Krankenkassen Vergütungsbeträge für digitale Gesundheitsanwendungen. Die Vergütungsbeträge gelten nach dem ersten Jahr

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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 21. Mai 2008 - L 5 KR 81/06

bei uns veröffentlicht am 21.05.2008

Tenor Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. August 2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2004 aufgehoben. Die Beklagte

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Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. August 2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2004 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Kosten für die Positronen-Emissions-Tomographie in Höhe von 896,15 EUR zu erstatten.

Sie hat dem Kläger die ihm zur Rechtsverfolgung entstandenen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für eine Positronen-Emissions-Tomographie (PET).

2

Der 1955 geborene Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Bei ihm besteht ein onkozytäres Schilddrüsenkarzinom. Dieses war im Januar 2002 operativ behandelt worden. In der Folgezeit stiegen die Tumormarker an, ohne dass mit der Jod-Ganzkörperszintigraphie oder durch die übliche Stufendiagnostik mittels Sonographie, Thoraxröntgenologie, Computertomographie des Thorax und des Schädels, Skelettszintigraphie oder Technetium-99m-Isonitrile-Ganzkörperszintigraphie auffällige Befunde erhoben werden konnten. Auf Veranlassung des behandelnden Arztes Priv. Doz. Dr. S. vom W. Klinikum H. stellte sich der Kläger daraufhin nach Rückfragen bei den Universitätskliniken Wa. und H. am 7. April 2004 in der Universitätsklinik U. zur Durchführung einer PET vor. Nach Aussage von Priv. Doz. Dr. S. wurde dort die PET bei größtmöglicher Erfahrung am kostengünstigsten angeboten. Zuvor setzte der Kläger sich mit der Beklagten wegen der Kostenübernahme in Verbindung, deren Mitarbeiterin ihm die mündliche Auskunft erteilte, die Kostenübernahme werde abgelehnt werden, er müsse gegen die Entscheidung dann Widerspruch einlegen. Durch die Untersuchung wurden ein Lokalrezidiv an der Lendenwirbelsäule und eine Lymphknotenmetastase nachgewiesen, die in der Universitätsklinik H. operativ entfernt wurden. Die Kosten für die Untersuchung beliefen sich ausweislich der Rechnung des Universitätsklinikums U. vom 22. Juni 2004 auf 896,15 EUR. Am 8. Juli 2004 stellte der Kläger bei der Beklagten einen entsprechenden Kostenübernahmeantrag. Den ablehnenden Bescheid vom 20. Juli 2004 begründete die Beklagte damit, dass die PET nach den Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien) nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre. Seinen Widerspruch vom 5. August 2004 stützte der Kläger auf eine Stellungnahme von Priv. Doz. Dr. S. vom 2. August 2004, der darauf hinwies, dass die PET die einzige Untersuchungsmethode zu Erkennung des Lokalrezidivs und der Lymphknotenmetastase gewesen sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2004 zurück, in dem sie ergänzend ausführte, dass die PET zwar im Rahmen stationärer vertragsärztlicher Behandlungsmaßnahmen durchgeführt werden könne, jedoch erfolge die Abrechnung im Rahmen der allgemeinen Pflegesätze und unterliege daher anderen rechtlichen Beurteilungskriterien.

3

Gegen die Entscheidung hat der Kläger am 23. September 2004 beim Sozialgericht Itzehoe Klage erhoben und sich auf die Rechtsprechung zum Systemversagen des Leistungsrechts bezogen. Danach seien auch die Kosten einer nicht zugelassenen Behandlungsmethode von der Krankenkasse zu übernehmen, wenn diese allgemein anerkannt sei und eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen Wirkungszusammenhang zur Krankheit bestehe. Dem Bundesausschuss habe nur ein eingeschränktes Diagnosespektrum bei seiner ablehnenden Beschlussfassung über die PET zugrunde gelegen. Seine Erkrankung sei davon nicht erfasst. Die Untersuchung sei außerdem unaufschiebbar gewesen. Dr. S. habe sie als lebensnotwendig bezeichnet, und es habe Eilbedürftigkeit bestanden.

4

Die Beklagte hat sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen und ergänzend ausgeführt, es fehle an dem für eine Kostenerstattung erforderlichen Leistungsantrag. Gründe für eine Unaufschiebbarkeit der Leistung seien nicht zu erkennen.

5

Das Sozialgericht hat Behandlungs- und Befundunterlagen von dem praktischen Arzt Dr. R. und von Priv. Doz. Dr. S. eingeholt. Mit Urteil vom 16. August 2006 hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung seien nicht erfüllt. Der Kläger habe das hierfür erforderliche Verfahren nicht eingehalten. Er habe nicht zunächst einen Leistungsantrag bei der Beklagten gestellt und deren Entscheidung abgewartet. Die Voraussetzungen für einen Eilfall oder für eine Unzumutbarkeit lägen nicht vor. Unabhängig davon bestehe kein Leistungsanspruch, da der Gemeinsame Bundesausschuss die PET in der BUB-Richtlinie als in der vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassene Untersuchungs- und Behandlungsmethode eingestuft habe. Diese Entscheidung sei für die Verwaltung und die Gerichte bindend. Für die Behandlung des Klägers habe es eine medizinische Standardtherapie im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung gegeben.

6

Gegen die seinen Prozessbevollmächtigten am 5. September 2006 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, die am 27. September 2006 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Er schildert die Kontakte mit der Mitarbeiterin der Beklagten vor Durchführung der Untersuchung. Im Übrigen stützt er sich auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der in bestimmten Fällen auch ohne eine Zulassung der Behandlungsmethode ein Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse bestehe. Ohne die PET wären die Metastasen im Rückenwirbel nicht gefunden worden.

7

Der Kläger beantragt,

8

das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. August 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten der Positronen-Emissions-Tomographie in Höhe von 896,15 EUR zu erstatten.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Berufung zurückzuweisen.

11

Sie bezieht sich weiterhin auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor, der Kläger erwähne erst im Berufungsverfahren das vermeintliche Telefonat. Dies müsse weitergehend ermittelt werden.

12

Der Senat hat Beweis erhoben und die Mitarbeiterin der Beklagten M. als Zeugin vernommen. Ihm haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Verfahrensakte vorgelegen. Zur Ergänzung der Einzelheiten wird darauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die ablehnenden Bescheide der Beklagten bestätigt. Diese sind fehlerhaft, denn der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Kostenerstattung.

14

Das Recht der sozialen Krankenversicherung ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) vom Grundsatz des Sachleistungsprinzips geprägt. Das bedeutet, dass die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen erhalten, soweit im SGB nichts Abweichendes geregelt ist. Als entsprechende abweichende Regelung, die Grundlage für eine Kostenerstattung ist, greift § 13 Abs. 3 SGB V ein. Danach erhalten Versicherte die Kosten erstattet, die ihnen für eine selbstbeschaffte Leistung dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder dass sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die ärztlichen Voraussetzungen der ersten Fallalternative, einer unaufschiebbare Leistung, liegen nicht vor. Eine Unaufschiebbarkeit in diesem Sinne besteht bei Notfällen im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, wenn die Behandlung durch einen Vertragsarzt nicht möglich oder nicht zumutbar ist (BSG, Urteil vom 20. Oktober 1972, 3 RK 93/71, BSGE 35, 10 zu § 368d Abs. 1 Satz 2 RVO) oder in anderen vergleichbaren dringlichen Bedarfslagen, die keinen Aufschub dulden (BSG, Urteil vom 18. Mai 1978, 3 RK 11/77, BSGE 46, 179). Ein derartiger Notfall liegt hier nicht vor. Er würde voraussetzen, dass es dem Kläger nicht möglich gewesen wäre, den regulären Beschaffungsweg einzuhalten. Wie unten ausgeführt wird, hat er ausreichend Zeit gehabt, sich mit der Beklagten in Verbindung zu setzen, sodass diese Regelung hier ausscheidet.

15

Jedoch liegen die Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V vor, da die Beklagte den Anspruch des Klägers zu Unrecht abgelehnt hat. Bereits der Wortlaut der Regelung („dadurch“) macht deutlich, dass zwischen der Leistungsablehnung und den entstandenen Kosten ein Ursachenzusammenhang bestehen muss. Nach ständiger Rechtsprechung setzt ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 3, 2. Alternative SGB V voraus, dass der Versicherte die Krankenkasse einschaltet und deren Entscheidung abwartet, bevor er sich die Leistung besorgt. Denn die Regelung stellt in dem Leistungssystem des SGB V einen Ausnahmefall dar und gibt einen Anspruch des Versicherten auf Kostenerstattung nur dann, wenn sich das Leistungssystem der Krankenversicherung im Einzelfall als mangelhaft erwiesen hat (BSG, Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 5/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das ergibt sich aus der Stellungnahme der Zeugin M. vom 18. Januar 2007, deren Inhalt sie in ihrer Vernehmung durch den Senat bestätigt hat. Danach hat sich der Kläger vor Durchführung der PET mit der Zeugin wegen der Kostenübernahme in Verbindung gesetzt. Die Beklagte hat intern eruiert, ob die Untersuchungsmaßnahme eine Kassenleistung sei, und dies gegenüber dem Kläger verneint. Dies bedeutete die Ablehnung der Kostenübernahme. Die Zeugin hat den Kläger darüber hinaus über den Rechtsweg und in dem Zusammenhang über das Widerspruchsverfahren informiert. Die Anfrage des Klägers beinhaltete den Antrag auf die Leistung. Dieser muss nicht formgebunden, insbesondere nicht schriftlich eingehen. Auch die Ablehnung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V muss nicht in schriftlicher Form erfolgen. Nach § 33 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) kann ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden; ein mündlicher Verwaltungsakt ist nur im Falle eines berechtigten Interesses und auf unverzügliches Verlangen schriftlich zu bestätigen. Auch die mündliche Ablehnung der Kostenübernahme stellt daher einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X dar. Der Kläger hat somit den erforderlichen Verwaltungsweg für die Kostenübernahme eingehalten.

16

Die Leistungsablehnung durch die Beklagte erfolgte zu Unrecht. Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V gegenüber dem Krankenversicherer einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach Satz 2 Nr. 1 insbesondere die ärztliche Behandlung. Allerdings besteht dieser Krankenbehandlungsanspruch der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht in unbegrenztem Maße. Vielmehr durchzieht das Leistungssystem ein so genanntes gesetzliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Nach § 135 Abs. 2 Satz 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in den entsprechenden Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V im Rahmen eines festgelegten Verfahrens Empfehlungen über die Ausgestaltung der Methode abgegeben hat. Um eine derartige neue Untersuchungsmethode handelt es sich bei der PET. Eine Untersuchungsmethode ist in diesem Sinne immer dann neu, wenn die Methode (noch) nicht in das Regelungssystem der vertragsärztlichen Abrechnung aufgenommen ist; dies ist hier nicht der Fall, da der einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) hierüber keine Abrechnungsziffer enthält. Die in diesem Fall erforderliche positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V liegt nicht vor. Damit zählt die PET grundsätzlich nicht zum Leistungsinhalt der GKV. Diese Grundsätze, die für die Behandlungs- und Untersuchungsmethoden aufgestellt worden sind, gelten gleichermaßen für eine Therapie mit Rezepturarzneimitteln (BSG, Urteil vom 27. März 2007, B 1 KR 30/06 R, SGb 2007, § 287).

17

Verfassungsrechtliche Grundsätze, insbesondere aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG können aber in Ausnahmefällen dazu zwingen, dass die Kosten auch derartiger, grundsätzlich vom Leistungskatalog der GKV ausgeschlossener Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Arzneimittel gleichwohl zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherer zu übernehmen sind. Die Versicherten haben in den Fällen einen entsprechenden Kostenerstattungsanspruch gegenüber den Krankenversicherern, wenn sie sich die Leistungen selber beschaffen müssen (BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 1 KR 24/06 R, NJW 2007, Seite 1385). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) Leitlinien aufgestellt, in welchen Fällen derartige Leistungsausweitungen des grundsätzlich begrenzten Leistungskatalogs der GKV vorzunehmen sind. Dies ist der Fall, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

18

- Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor.

19

- Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung.

20

- Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine „auf Indizien gestützte“, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

21

Diese Voraussetzungen sind im Fall der PET für den Kläger erfüllt. Hierzu trifft der Senat folgende Feststellungen:

22

Die bei dem Kläger vorliegende Erkrankung ist zumindest eine lebensbedrohliche Erkrankung. Der Kläger leidet an einem onkozytären Schilddrüsenkarzinom, wegen dessen er bereits vor der PET operativ behandelt worden war. Es liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erwägung, dass ein derartiges Karzinom ohne eine adäquate Behandlung einen infausten Verlauf nimmt. Der Kläger bedurfte dringend einer entsprechenden Therapie.

23

Für diese Krankheit stand eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass es hier nicht um eine Behandlung der Erkrankung, sondern um die Diagnostik geht. Grund für die Durchführung der PET war die Lokalisierung weiterer Rezidive und Metastasen. Bei dem Kläger war dies auf andere Weise als durch die PET nicht möglich. Dies ergibt sich aus den Arztunterlagen von Privatdozent Dr. S. vom W. Klinikum H.. Dieser hat in seinen Arztbriefen mehrfach darauf hingewiesen, dass die Tumormarker anstiegen, ohne dass der medizinische Grund hierfür erkannt werden konnte. Das bedeutet, dass zwar ersichtlich war, dass die Erkrankung rezidivierte und Metastasen bildete, es konnte aber nicht festgestellt werden, wo sich diese befanden. Hintergrund war die Tatsache, dass die Metastasen bei der Jod-Ganzkörperszintigraphie nicht angereichert wurden und deshalb durch diese Methode nicht nachzuweisen waren. Es wurden mehrere Kontrolluntersuchungen mit Ultraschall, Technetium-99m-Isonitrile-Szintigraphie, Computertomographie an Hals und Thorax sowie Knochenszintigraphie durchgeführt, ohne dass ein auffälliger Befund erhoben werden konnte. Dies hat Dr. S. in seinem Befundbericht vom 20. März 2006 geschildert.

24

Auch nach Rücksprachen mit den Universitätskliniken Wa. und H. konnten Alternativen für die Diagnostik nicht benannt werden.

25

Die PET ist zwar nicht nur als neue Untersuchungsmethode nicht anerkannt. Vielmehr hat der Gemeinsame Bundesausschuss mit Beschluss vom 26. Februar 2002 positiv entschieden, dass sie kein Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist (Nr. 39 der Anlage B zu den BUB-Richtlinien). Allerdings orientierte sich diese Beschlussfassung nicht daran, dass die Methode nicht erfolgversprechend sei; vielmehr führte der Ausschuss in seiner Begründung aus, dass andere, herkömmliche und kostengünstigere Methoden vorhanden seien, denen gegenüber die PET kein aussagekräftigeres Untersuchungsmittel darstelle. Der Ausschuss führte hierzu aus, die PET beinhalte keinen additiven oder substitutiven Nutzen gegenüber herkömmlichen Methoden. Diese für den Regelfall anzunehmenden Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da – wie Privatdozent Dr. S. dies geschildert hat und wie er in dieser Annahme durch die Auffassungen der Universitätskliniken in H. und Wa. bestätigt wurde – eine Untersuchungsalternative hier nicht bestand.

26

Darüber hinaus lag auch eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf einen Erkenntnisgewinn vor. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Untersuchungs- nicht aber um eine Heilungsmethode gehandelt hat. Bei Untersuchungsmethoden ist die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen besonders deutlich zu belegen, da bei der Untersuchung der erzielte Erfolg präzise nachvollzogen werden kann. Der Fall des Klägers zeigt dies. Erst durch die PET konnten das Lokalrezidiv an der Lendenwirbelsäule und die Metastase an den Lymphknoten erkannt werden, die sich durch die herkömmliche Diagnostik nicht darstellen ließen. Bei der Heilbehandlung kann regelmäßig der Ursachenzusammenhang zwischen einer nicht zugelassenen Behandlungsmethode und einem gleichwohl eingetretenen Behandlungserfolg regelmäßig nicht mit einer derartigen Eindeutigkeit festgestellt werden. Allerdings rechtfertigt das nachträglich im Einzelfall eingetretene Ergebnis nicht ohne Weiteres die Annahme der vom BVerfG aufgestellten dritten Voraussetzung. Vielmehr muss die nicht ganz fernliegende Erfolgsaussicht unabhängig vom Fallbezug allgemein anzunehmen sein. Dies ist hier jedoch der Fall, wie sich aus dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 26. Februar 2002 ergibt. Denn in dem Ergebnis der Überprüfung zum Nutzen, zur Notwendigkeit und zur Wirtschaftlichkeit des Ausschlusses ist ausdrücklich ausgeführt, dass die Methode sich grundsätzlich als ein vielversprechendes Verfahren darstelle. Diese Feststellung stützt sich auf randomisierte Studien, die der Ausschuss eingesehen hatte (Siebelink und andere, 2001), im Rahmen derer die PET mit anderen Methoden verglichen wurde. Das Ergebnis der Studie führte zwar zu der Einschätzung, dass die PET diesen anderen Vergleichsmethoden nicht überlegen sei. In diesem Zusammenhang geht es aber nicht um eine Überlegenheit der PET gegenüber den anderen, im Rahmen der GKV anerkannten Methoden, sondern um „die nicht ganz fernliegende Aussicht auf Erfolg“. Ein derartiger Wirkungsgrad ist in der Begründung des Gemeinsamen Bundesausschusses jedoch dargelegt. Angesichts der Begründung des Ausschusses, im Rahmen derer die Studien einbezogen wurden, sieht der Senat keinerlei Veranlassung, seinerseits im Wege der Begutachtung die Tatsachen aufzuklären und die Ergebnisse derartiger Studien einzuholen. Das Verfahren und das materielle Anspruchskonzept des § 135 SGB V mit dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bringt es mit sich, dass der Senat auf die Prüfungsergebnisse des Ausschusses zurückgreifen kann.

27

Die Voraussetzungen, die das BVerfG für die Anwendung nicht zugelassener Untersuchungsmethoden im Rahmen der GKV zugelassen hat, sind damit erfüllt. Dem steht nicht der ablehnende Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 26. Februar 2002 entgegen. Allerdings hindert ein negativer Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses nach dem Urteil des BSG vom 7. November 2006 (B 1 KR 24/06 R, a. a. O.) die Anwendbarkeit einer zwar grundgesetzlich gestützten, im Leistungssystem des SGB V aber nicht vorgesehenen Untersuchungsmethode. Dieser Gesichtspunkt führt hier jedoch nicht zu einem Ausschluss des Verfahrens. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss lediglich eine eingeschränkte Beschlussfassung getroffen hat. Die Entscheidung orientierte sich an der Untersuchungssubstanz 18-F-Fluordeoxyglucose, die allein als Untersuchungssubstanz für die PET arzneimittelrechtlich zugelassen ist. Die Zulassung des Medikaments seinerseits beschränkt sich auf fünf Indikationen:

28

1. Erkennung von vitalem Myokardgewebe bei Patienten mit coronarer Herzerkrankung und eingeschränkter regionaler oder globaler linksventrikulärer Punktion.

29

2. Lokalisation epileptogener Zonen für die chirurgische Behandlung der Epilepsie.

30

3. Rezidiverkennung von Gliomen bei hohem Malignitätsgrad (III und IV).

31

4. Beurteilung der Dignität peripherer Lungenrundherde bei Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko und wenn eine Diagnosestellung mittels einer invasiven Methodik nicht möglich ist (z.B. transthorakale Punktion).

32

5. Erkennung von Adenokarzinomen des Pankreas.

33

Keine dieser Indikationen ist hier einschlägig. Wie oben ausgeführt, ist unter den vom BVerfG genannten Voraussetzungen eine erweiterte Anwendbarkeit nicht nur von Untersuchungsmethoden, sondern auch von Arzneimitteln zulässig (BSG, Urteil vom 27. März 2007, B 1 KR 30/06 R). Das heißt, dass unter den erweiterten Voraussetzungen auch Arzneimittel, die bei der Untersuchung zur Anwendung kommen müssen, außerhalb des regulären Leistungskatalogs der GKV angewandt werden können. Zu der Indikation, die bei dem Kläger besteht, hat der Gemeinsame Bundesausschuss folglich keine Entscheidung getroffen, sodass hier keine einen Leistungsanspruch ausschließende Aufnahme in den Negativ-Katalog der BUB-Richtlinien vorliegt. Auch dieser Gesichtspunkt hindert die Kostenübernahme daher nicht.

34

Insgesamt kommt der Senat somit zu der Überzeugung, dass die erweiternden Voraussetzungen für eine Kostenübernahme der Untersuchungsmethode im Rahmen der GKV vorliegen, sodass der Anspruch des Klägers begründet ist.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

36

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor, da der Senat die Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu Grunde gelegt hat.


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbart mit den Herstellern digitaler Gesundheitsanwendungen mit Wirkung für alle Krankenkassen Vergütungsbeträge für digitale Gesundheitsanwendungen. Die Vergütungsbeträge gelten nach dem ersten Jahr nach Aufnahme der jeweiligen digitalen Gesundheitsanwendung in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e unabhängig davon, ob die Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e Absatz 3 dauerhaft oder nach § 139e Absatz 4 zur Erprobung erfolgt. Gegenstand der Vereinbarungen sollen auch erfolgsabhängige Preisbestandteile sein. Die Hersteller übermitteln dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen

1.
die Nachweise nach § 139e Absatz 2 und die Ergebnisse einer Erprobung nach § 139e Absatz 4 sowie
2.
die Angaben zur Höhe des tatsächlichen Vergütungsbetrags bei Abgabe an Selbstzahler und in anderen europäischen Ländern.
Die Verhandlungen und deren Vorbereitung einschließlich der Beratungsunterlagen und Niederschriften zur Vereinbarung des Vergütungsbetrags sind vertraulich. Eine Vereinbarung nach diesem Absatz kann von einer Vertragspartei frühestens nach einem Jahr gekündigt werden. Die bisherige Vereinbarung gilt bis zum Wirksamwerden einer neuen Vereinbarung fort.

(2) Kommt eine Vereinbarung nach Absatz 1 nicht innerhalb von neun Monaten nach Aufnahme der jeweiligen digitalen Gesundheitsanwendung in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e zustande, setzt die Schiedsstelle nach Absatz 3 innerhalb von drei Monaten die Vergütungsbeträge fest. Wenn durch eine Verzögerung des Schiedsverfahrens die Festlegung der Vergütungsbeträge durch die Schiedsstelle nicht innerhalb von drei Monaten erfolgt, ist von der Schiedsstelle ein Ausgleich der Differenz zwischen dem Abgabepreis nach Absatz 5 und dem festgesetzten Vergütungsbetrag für den Zeitraum nach Ablauf der drei Monate nach Satz 1 bis zur Festsetzung des Vergütungsbetrags vorzusehen. Die Schiedsstelle entscheidet unter freier Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und berücksichtigt dabei die Besonderheiten des jeweiligen Anwendungsgebietes. Die Schiedsstelle gibt dem Verband der Privaten Krankenversicherung vor ihrer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend. Klagen gegen Entscheidungen der Schiedsstelle haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Frühestens ein Jahr nach Festsetzung der Vergütungsbeträge durch die Schiedsstelle können die Vertragsparteien eine neue Vereinbarung über die Vergütungsbeträge nach Absatz 1 schließen. Der Schiedsspruch gilt bis zum Wirksamwerden einer neuen Vereinbarung fort.

(2a) Wird eine digitale Gesundheitsanwendung nach Abschluss der Erprobung gemäß § 139e Absatz 4 Satz 6 in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen aufgenommen, erfolgt die Festsetzung des Vergütungsbetrags für die aufgenommene digitale Gesundheitsanwendung durch die Schiedsstelle abweichend von Absatz 2 Satz 1 innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des dritten auf die Entscheidung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 139e Absatz 4 Satz 6 folgenden Monats, wenn eine Vereinbarung nach Absatz 1 in dieser Zeit nicht zustande gekommen ist.

(3) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hersteller von digitalen Gesundheitsanwendungen auf Bundesebene bilden eine gemeinsame Schiedsstelle. Sie besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern sowie aus jeweils zwei Vertretern der Krankenkassen und der Hersteller digitaler Gesundheitsanwendungen. Für die unparteiischen Mitglieder sind Stellvertreter zu benennen. Über den Vorsitzenden und die zwei weiteren unparteiischen Mitglieder sowie deren Stellvertreter sollen sich die Verbände nach Satz 1 einigen. Kommt eine Einigung nicht zustande, erfolgt eine Bestellung des unparteiischen Vorsitzenden, der weiteren unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter durch das Bundesministerium für Gesundheit, nachdem es den Vertragsparteien eine Frist zur Einigung gesetzt hat und diese Frist abgelaufen ist. Die Mitglieder der Schiedsstelle führen ihr Amt als Ehrenamt. Sie sind an Weisungen nicht gebunden. Jedes Mitglied hat eine Stimme. Die Entscheidungen werden mit der Mehrheit der Stimmen der Mitglieder getroffen. Ergibt sich keine Mehrheit, gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Das Bundesministerium für Gesundheit kann an der Beratung und Beschlussfassung der Schiedsstelle teilnehmen. Die Patientenorganisationen nach § 140f können beratend an den Sitzungen der Schiedsstelle teilnehmen. Die Schiedsstelle gibt sich eine Geschäftsordnung. Über die Geschäftsordnung entscheiden die unparteiischen Mitglieder im Benehmen mit den Verbänden nach Satz 1. Die Geschäftsordnung bedarf der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Aufsicht über die Geschäftsführung der Schiedsstelle führt das Bundesministerium für Gesundheit. Das Nähere regelt die Rechtsverordnung nach § 139e Absatz 9 Nummer 7.

(4) Die Verbände nach Absatz 3 Satz 1 treffen eine Rahmenvereinbarung über die Maßstäbe für die Vereinbarungen der Vergütungsbeträge. Bei der Rahmenvereinbarung über die Maßstäbe ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit der Nachweis positiver Versorgungseffekte nach § 139e Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 erbracht ist. Kommt eine Rahmenvereinbarung nicht zustande, setzen die unparteiischen Mitglieder der Schiedsstelle nach Absatz 3 die Rahmenvereinbarung im Benehmen mit den Verbänden auf Antrag einer Vertragspartei nach Absatz 3 Satz 1 fest. Kommt eine Rahmenvereinbarung nicht innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit gesetzten Frist zustande, gilt Satz 3 entsprechend. Absatz 2 Satz 4, 6, 7 und 9 gilt mit der Maßgabe, dass die unparteiischen Mitglieder Festsetzungen zu der Rahmenvereinbarung innerhalb von drei Monaten treffen, entsprechend.

(5) Bis zur Festlegung der Vergütungsbeträge nach Absatz 1 gelten die tatsächlichen Preise der Hersteller von digitalen Gesundheitsanwendungen. In der Rahmenvereinbarung nach Absatz 4 ist das Nähere zu der Ermittlung der tatsächlichen Preise der Hersteller zu regeln. In der Rahmenvereinbarung nach Absatz 4 kann auch Folgendes festgelegt werden:

1.
Schwellenwerte für Vergütungsbeträge, unterhalb derer eine dauerhafte Vergütung ohne Vereinbarung nach Absatz 1 erfolgt, und
2.
Höchstbeträge für die vorübergehende Vergütung nach Satz 1 für Gruppen vergleichbarer digitaler Gesundheitsanwendungen, auch in Abhängigkeit vom Umfang der Leistungsinanspruchnahme durch Versicherte.
Höchstbeträge nach Satz 3 Nummer 2 müssen für Gruppen vergleichbarer digitaler Gesundheitsanwendungen auch in Abhängigkeit davon festgelegt werden, ob und inwieweit der Nachweis positiver Versorgungseffekte nach § 139e Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 bereits erbracht ist. Die nach Satz 3 Nummer 2 für den Fall der vorläufigen Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen zur Erprobung nach § 139e Absatz 4 zu vereinbarenden Höchstpreise müssen dabei geringer sein als bei einer unmittelbaren dauerhaften Aufnahme nach § 139e Absatz 2 und 3. Werden in der Rahmenvereinbarung nach Absatz 4 für eine Gruppe vergleichbarer digitaler Gesundheitsanwendungen keine Höchstbeträge nach Satz 3 Nummer 2 festgelegt, kann das Bundesministerium für Gesundheit den Verbänden nach Absatz 3 Satz 1 eine Frist von drei Monaten zur Festlegung von Höchstbeträgen nach Satz 3 Nummer 2 für diese Gruppe vergleichbarer digitaler Gesundheitsanwendungen setzen. Kommt eine Festlegung von Höchstbeträgen nach Satz 6 nicht in der vom Bundesministerium für Gesundheit gesetzten Frist zustande, gilt Absatz 4 Satz 3 entsprechend.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. August 2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2004 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Kosten für die Positronen-Emissions-Tomographie in Höhe von 896,15 EUR zu erstatten.

Sie hat dem Kläger die ihm zur Rechtsverfolgung entstandenen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für eine Positronen-Emissions-Tomographie (PET).

2

Der 1955 geborene Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Bei ihm besteht ein onkozytäres Schilddrüsenkarzinom. Dieses war im Januar 2002 operativ behandelt worden. In der Folgezeit stiegen die Tumormarker an, ohne dass mit der Jod-Ganzkörperszintigraphie oder durch die übliche Stufendiagnostik mittels Sonographie, Thoraxröntgenologie, Computertomographie des Thorax und des Schädels, Skelettszintigraphie oder Technetium-99m-Isonitrile-Ganzkörperszintigraphie auffällige Befunde erhoben werden konnten. Auf Veranlassung des behandelnden Arztes Priv. Doz. Dr. S. vom W. Klinikum H. stellte sich der Kläger daraufhin nach Rückfragen bei den Universitätskliniken Wa. und H. am 7. April 2004 in der Universitätsklinik U. zur Durchführung einer PET vor. Nach Aussage von Priv. Doz. Dr. S. wurde dort die PET bei größtmöglicher Erfahrung am kostengünstigsten angeboten. Zuvor setzte der Kläger sich mit der Beklagten wegen der Kostenübernahme in Verbindung, deren Mitarbeiterin ihm die mündliche Auskunft erteilte, die Kostenübernahme werde abgelehnt werden, er müsse gegen die Entscheidung dann Widerspruch einlegen. Durch die Untersuchung wurden ein Lokalrezidiv an der Lendenwirbelsäule und eine Lymphknotenmetastase nachgewiesen, die in der Universitätsklinik H. operativ entfernt wurden. Die Kosten für die Untersuchung beliefen sich ausweislich der Rechnung des Universitätsklinikums U. vom 22. Juni 2004 auf 896,15 EUR. Am 8. Juli 2004 stellte der Kläger bei der Beklagten einen entsprechenden Kostenübernahmeantrag. Den ablehnenden Bescheid vom 20. Juli 2004 begründete die Beklagte damit, dass die PET nach den Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien) nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre. Seinen Widerspruch vom 5. August 2004 stützte der Kläger auf eine Stellungnahme von Priv. Doz. Dr. S. vom 2. August 2004, der darauf hinwies, dass die PET die einzige Untersuchungsmethode zu Erkennung des Lokalrezidivs und der Lymphknotenmetastase gewesen sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2004 zurück, in dem sie ergänzend ausführte, dass die PET zwar im Rahmen stationärer vertragsärztlicher Behandlungsmaßnahmen durchgeführt werden könne, jedoch erfolge die Abrechnung im Rahmen der allgemeinen Pflegesätze und unterliege daher anderen rechtlichen Beurteilungskriterien.

3

Gegen die Entscheidung hat der Kläger am 23. September 2004 beim Sozialgericht Itzehoe Klage erhoben und sich auf die Rechtsprechung zum Systemversagen des Leistungsrechts bezogen. Danach seien auch die Kosten einer nicht zugelassenen Behandlungsmethode von der Krankenkasse zu übernehmen, wenn diese allgemein anerkannt sei und eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen Wirkungszusammenhang zur Krankheit bestehe. Dem Bundesausschuss habe nur ein eingeschränktes Diagnosespektrum bei seiner ablehnenden Beschlussfassung über die PET zugrunde gelegen. Seine Erkrankung sei davon nicht erfasst. Die Untersuchung sei außerdem unaufschiebbar gewesen. Dr. S. habe sie als lebensnotwendig bezeichnet, und es habe Eilbedürftigkeit bestanden.

4

Die Beklagte hat sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen und ergänzend ausgeführt, es fehle an dem für eine Kostenerstattung erforderlichen Leistungsantrag. Gründe für eine Unaufschiebbarkeit der Leistung seien nicht zu erkennen.

5

Das Sozialgericht hat Behandlungs- und Befundunterlagen von dem praktischen Arzt Dr. R. und von Priv. Doz. Dr. S. eingeholt. Mit Urteil vom 16. August 2006 hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung seien nicht erfüllt. Der Kläger habe das hierfür erforderliche Verfahren nicht eingehalten. Er habe nicht zunächst einen Leistungsantrag bei der Beklagten gestellt und deren Entscheidung abgewartet. Die Voraussetzungen für einen Eilfall oder für eine Unzumutbarkeit lägen nicht vor. Unabhängig davon bestehe kein Leistungsanspruch, da der Gemeinsame Bundesausschuss die PET in der BUB-Richtlinie als in der vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassene Untersuchungs- und Behandlungsmethode eingestuft habe. Diese Entscheidung sei für die Verwaltung und die Gerichte bindend. Für die Behandlung des Klägers habe es eine medizinische Standardtherapie im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung gegeben.

6

Gegen die seinen Prozessbevollmächtigten am 5. September 2006 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, die am 27. September 2006 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Er schildert die Kontakte mit der Mitarbeiterin der Beklagten vor Durchführung der Untersuchung. Im Übrigen stützt er sich auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der in bestimmten Fällen auch ohne eine Zulassung der Behandlungsmethode ein Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse bestehe. Ohne die PET wären die Metastasen im Rückenwirbel nicht gefunden worden.

7

Der Kläger beantragt,

8

das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. August 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten der Positronen-Emissions-Tomographie in Höhe von 896,15 EUR zu erstatten.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Berufung zurückzuweisen.

11

Sie bezieht sich weiterhin auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor, der Kläger erwähne erst im Berufungsverfahren das vermeintliche Telefonat. Dies müsse weitergehend ermittelt werden.

12

Der Senat hat Beweis erhoben und die Mitarbeiterin der Beklagten M. als Zeugin vernommen. Ihm haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Verfahrensakte vorgelegen. Zur Ergänzung der Einzelheiten wird darauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die ablehnenden Bescheide der Beklagten bestätigt. Diese sind fehlerhaft, denn der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Kostenerstattung.

14

Das Recht der sozialen Krankenversicherung ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) vom Grundsatz des Sachleistungsprinzips geprägt. Das bedeutet, dass die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen erhalten, soweit im SGB nichts Abweichendes geregelt ist. Als entsprechende abweichende Regelung, die Grundlage für eine Kostenerstattung ist, greift § 13 Abs. 3 SGB V ein. Danach erhalten Versicherte die Kosten erstattet, die ihnen für eine selbstbeschaffte Leistung dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder dass sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die ärztlichen Voraussetzungen der ersten Fallalternative, einer unaufschiebbare Leistung, liegen nicht vor. Eine Unaufschiebbarkeit in diesem Sinne besteht bei Notfällen im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, wenn die Behandlung durch einen Vertragsarzt nicht möglich oder nicht zumutbar ist (BSG, Urteil vom 20. Oktober 1972, 3 RK 93/71, BSGE 35, 10 zu § 368d Abs. 1 Satz 2 RVO) oder in anderen vergleichbaren dringlichen Bedarfslagen, die keinen Aufschub dulden (BSG, Urteil vom 18. Mai 1978, 3 RK 11/77, BSGE 46, 179). Ein derartiger Notfall liegt hier nicht vor. Er würde voraussetzen, dass es dem Kläger nicht möglich gewesen wäre, den regulären Beschaffungsweg einzuhalten. Wie unten ausgeführt wird, hat er ausreichend Zeit gehabt, sich mit der Beklagten in Verbindung zu setzen, sodass diese Regelung hier ausscheidet.

15

Jedoch liegen die Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V vor, da die Beklagte den Anspruch des Klägers zu Unrecht abgelehnt hat. Bereits der Wortlaut der Regelung („dadurch“) macht deutlich, dass zwischen der Leistungsablehnung und den entstandenen Kosten ein Ursachenzusammenhang bestehen muss. Nach ständiger Rechtsprechung setzt ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 3, 2. Alternative SGB V voraus, dass der Versicherte die Krankenkasse einschaltet und deren Entscheidung abwartet, bevor er sich die Leistung besorgt. Denn die Regelung stellt in dem Leistungssystem des SGB V einen Ausnahmefall dar und gibt einen Anspruch des Versicherten auf Kostenerstattung nur dann, wenn sich das Leistungssystem der Krankenversicherung im Einzelfall als mangelhaft erwiesen hat (BSG, Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 5/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das ergibt sich aus der Stellungnahme der Zeugin M. vom 18. Januar 2007, deren Inhalt sie in ihrer Vernehmung durch den Senat bestätigt hat. Danach hat sich der Kläger vor Durchführung der PET mit der Zeugin wegen der Kostenübernahme in Verbindung gesetzt. Die Beklagte hat intern eruiert, ob die Untersuchungsmaßnahme eine Kassenleistung sei, und dies gegenüber dem Kläger verneint. Dies bedeutete die Ablehnung der Kostenübernahme. Die Zeugin hat den Kläger darüber hinaus über den Rechtsweg und in dem Zusammenhang über das Widerspruchsverfahren informiert. Die Anfrage des Klägers beinhaltete den Antrag auf die Leistung. Dieser muss nicht formgebunden, insbesondere nicht schriftlich eingehen. Auch die Ablehnung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V muss nicht in schriftlicher Form erfolgen. Nach § 33 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) kann ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden; ein mündlicher Verwaltungsakt ist nur im Falle eines berechtigten Interesses und auf unverzügliches Verlangen schriftlich zu bestätigen. Auch die mündliche Ablehnung der Kostenübernahme stellt daher einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X dar. Der Kläger hat somit den erforderlichen Verwaltungsweg für die Kostenübernahme eingehalten.

16

Die Leistungsablehnung durch die Beklagte erfolgte zu Unrecht. Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V gegenüber dem Krankenversicherer einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten und Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach Satz 2 Nr. 1 insbesondere die ärztliche Behandlung. Allerdings besteht dieser Krankenbehandlungsanspruch der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht in unbegrenztem Maße. Vielmehr durchzieht das Leistungssystem ein so genanntes gesetzliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Nach § 135 Abs. 2 Satz 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in den entsprechenden Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V im Rahmen eines festgelegten Verfahrens Empfehlungen über die Ausgestaltung der Methode abgegeben hat. Um eine derartige neue Untersuchungsmethode handelt es sich bei der PET. Eine Untersuchungsmethode ist in diesem Sinne immer dann neu, wenn die Methode (noch) nicht in das Regelungssystem der vertragsärztlichen Abrechnung aufgenommen ist; dies ist hier nicht der Fall, da der einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) hierüber keine Abrechnungsziffer enthält. Die in diesem Fall erforderliche positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V liegt nicht vor. Damit zählt die PET grundsätzlich nicht zum Leistungsinhalt der GKV. Diese Grundsätze, die für die Behandlungs- und Untersuchungsmethoden aufgestellt worden sind, gelten gleichermaßen für eine Therapie mit Rezepturarzneimitteln (BSG, Urteil vom 27. März 2007, B 1 KR 30/06 R, SGb 2007, § 287).

17

Verfassungsrechtliche Grundsätze, insbesondere aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG können aber in Ausnahmefällen dazu zwingen, dass die Kosten auch derartiger, grundsätzlich vom Leistungskatalog der GKV ausgeschlossener Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Arzneimittel gleichwohl zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherer zu übernehmen sind. Die Versicherten haben in den Fällen einen entsprechenden Kostenerstattungsanspruch gegenüber den Krankenversicherern, wenn sie sich die Leistungen selber beschaffen müssen (BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 1 KR 24/06 R, NJW 2007, Seite 1385). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) Leitlinien aufgestellt, in welchen Fällen derartige Leistungsausweitungen des grundsätzlich begrenzten Leistungskatalogs der GKV vorzunehmen sind. Dies ist der Fall, wenn drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

18

- Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor.

19

- Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung.

20

- Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine „auf Indizien gestützte“, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

21

Diese Voraussetzungen sind im Fall der PET für den Kläger erfüllt. Hierzu trifft der Senat folgende Feststellungen:

22

Die bei dem Kläger vorliegende Erkrankung ist zumindest eine lebensbedrohliche Erkrankung. Der Kläger leidet an einem onkozytären Schilddrüsenkarzinom, wegen dessen er bereits vor der PET operativ behandelt worden war. Es liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erwägung, dass ein derartiges Karzinom ohne eine adäquate Behandlung einen infausten Verlauf nimmt. Der Kläger bedurfte dringend einer entsprechenden Therapie.

23

Für diese Krankheit stand eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass es hier nicht um eine Behandlung der Erkrankung, sondern um die Diagnostik geht. Grund für die Durchführung der PET war die Lokalisierung weiterer Rezidive und Metastasen. Bei dem Kläger war dies auf andere Weise als durch die PET nicht möglich. Dies ergibt sich aus den Arztunterlagen von Privatdozent Dr. S. vom W. Klinikum H.. Dieser hat in seinen Arztbriefen mehrfach darauf hingewiesen, dass die Tumormarker anstiegen, ohne dass der medizinische Grund hierfür erkannt werden konnte. Das bedeutet, dass zwar ersichtlich war, dass die Erkrankung rezidivierte und Metastasen bildete, es konnte aber nicht festgestellt werden, wo sich diese befanden. Hintergrund war die Tatsache, dass die Metastasen bei der Jod-Ganzkörperszintigraphie nicht angereichert wurden und deshalb durch diese Methode nicht nachzuweisen waren. Es wurden mehrere Kontrolluntersuchungen mit Ultraschall, Technetium-99m-Isonitrile-Szintigraphie, Computertomographie an Hals und Thorax sowie Knochenszintigraphie durchgeführt, ohne dass ein auffälliger Befund erhoben werden konnte. Dies hat Dr. S. in seinem Befundbericht vom 20. März 2006 geschildert.

24

Auch nach Rücksprachen mit den Universitätskliniken Wa. und H. konnten Alternativen für die Diagnostik nicht benannt werden.

25

Die PET ist zwar nicht nur als neue Untersuchungsmethode nicht anerkannt. Vielmehr hat der Gemeinsame Bundesausschuss mit Beschluss vom 26. Februar 2002 positiv entschieden, dass sie kein Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist (Nr. 39 der Anlage B zu den BUB-Richtlinien). Allerdings orientierte sich diese Beschlussfassung nicht daran, dass die Methode nicht erfolgversprechend sei; vielmehr führte der Ausschuss in seiner Begründung aus, dass andere, herkömmliche und kostengünstigere Methoden vorhanden seien, denen gegenüber die PET kein aussagekräftigeres Untersuchungsmittel darstelle. Der Ausschuss führte hierzu aus, die PET beinhalte keinen additiven oder substitutiven Nutzen gegenüber herkömmlichen Methoden. Diese für den Regelfall anzunehmenden Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da – wie Privatdozent Dr. S. dies geschildert hat und wie er in dieser Annahme durch die Auffassungen der Universitätskliniken in H. und Wa. bestätigt wurde – eine Untersuchungsalternative hier nicht bestand.

26

Darüber hinaus lag auch eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf einen Erkenntnisgewinn vor. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Untersuchungs- nicht aber um eine Heilungsmethode gehandelt hat. Bei Untersuchungsmethoden ist die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen besonders deutlich zu belegen, da bei der Untersuchung der erzielte Erfolg präzise nachvollzogen werden kann. Der Fall des Klägers zeigt dies. Erst durch die PET konnten das Lokalrezidiv an der Lendenwirbelsäule und die Metastase an den Lymphknoten erkannt werden, die sich durch die herkömmliche Diagnostik nicht darstellen ließen. Bei der Heilbehandlung kann regelmäßig der Ursachenzusammenhang zwischen einer nicht zugelassenen Behandlungsmethode und einem gleichwohl eingetretenen Behandlungserfolg regelmäßig nicht mit einer derartigen Eindeutigkeit festgestellt werden. Allerdings rechtfertigt das nachträglich im Einzelfall eingetretene Ergebnis nicht ohne Weiteres die Annahme der vom BVerfG aufgestellten dritten Voraussetzung. Vielmehr muss die nicht ganz fernliegende Erfolgsaussicht unabhängig vom Fallbezug allgemein anzunehmen sein. Dies ist hier jedoch der Fall, wie sich aus dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 26. Februar 2002 ergibt. Denn in dem Ergebnis der Überprüfung zum Nutzen, zur Notwendigkeit und zur Wirtschaftlichkeit des Ausschlusses ist ausdrücklich ausgeführt, dass die Methode sich grundsätzlich als ein vielversprechendes Verfahren darstelle. Diese Feststellung stützt sich auf randomisierte Studien, die der Ausschuss eingesehen hatte (Siebelink und andere, 2001), im Rahmen derer die PET mit anderen Methoden verglichen wurde. Das Ergebnis der Studie führte zwar zu der Einschätzung, dass die PET diesen anderen Vergleichsmethoden nicht überlegen sei. In diesem Zusammenhang geht es aber nicht um eine Überlegenheit der PET gegenüber den anderen, im Rahmen der GKV anerkannten Methoden, sondern um „die nicht ganz fernliegende Aussicht auf Erfolg“. Ein derartiger Wirkungsgrad ist in der Begründung des Gemeinsamen Bundesausschusses jedoch dargelegt. Angesichts der Begründung des Ausschusses, im Rahmen derer die Studien einbezogen wurden, sieht der Senat keinerlei Veranlassung, seinerseits im Wege der Begutachtung die Tatsachen aufzuklären und die Ergebnisse derartiger Studien einzuholen. Das Verfahren und das materielle Anspruchskonzept des § 135 SGB V mit dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bringt es mit sich, dass der Senat auf die Prüfungsergebnisse des Ausschusses zurückgreifen kann.

27

Die Voraussetzungen, die das BVerfG für die Anwendung nicht zugelassener Untersuchungsmethoden im Rahmen der GKV zugelassen hat, sind damit erfüllt. Dem steht nicht der ablehnende Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 26. Februar 2002 entgegen. Allerdings hindert ein negativer Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses nach dem Urteil des BSG vom 7. November 2006 (B 1 KR 24/06 R, a. a. O.) die Anwendbarkeit einer zwar grundgesetzlich gestützten, im Leistungssystem des SGB V aber nicht vorgesehenen Untersuchungsmethode. Dieser Gesichtspunkt führt hier jedoch nicht zu einem Ausschluss des Verfahrens. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss lediglich eine eingeschränkte Beschlussfassung getroffen hat. Die Entscheidung orientierte sich an der Untersuchungssubstanz 18-F-Fluordeoxyglucose, die allein als Untersuchungssubstanz für die PET arzneimittelrechtlich zugelassen ist. Die Zulassung des Medikaments seinerseits beschränkt sich auf fünf Indikationen:

28

1. Erkennung von vitalem Myokardgewebe bei Patienten mit coronarer Herzerkrankung und eingeschränkter regionaler oder globaler linksventrikulärer Punktion.

29

2. Lokalisation epileptogener Zonen für die chirurgische Behandlung der Epilepsie.

30

3. Rezidiverkennung von Gliomen bei hohem Malignitätsgrad (III und IV).

31

4. Beurteilung der Dignität peripherer Lungenrundherde bei Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko und wenn eine Diagnosestellung mittels einer invasiven Methodik nicht möglich ist (z.B. transthorakale Punktion).

32

5. Erkennung von Adenokarzinomen des Pankreas.

33

Keine dieser Indikationen ist hier einschlägig. Wie oben ausgeführt, ist unter den vom BVerfG genannten Voraussetzungen eine erweiterte Anwendbarkeit nicht nur von Untersuchungsmethoden, sondern auch von Arzneimitteln zulässig (BSG, Urteil vom 27. März 2007, B 1 KR 30/06 R). Das heißt, dass unter den erweiterten Voraussetzungen auch Arzneimittel, die bei der Untersuchung zur Anwendung kommen müssen, außerhalb des regulären Leistungskatalogs der GKV angewandt werden können. Zu der Indikation, die bei dem Kläger besteht, hat der Gemeinsame Bundesausschuss folglich keine Entscheidung getroffen, sodass hier keine einen Leistungsanspruch ausschließende Aufnahme in den Negativ-Katalog der BUB-Richtlinien vorliegt. Auch dieser Gesichtspunkt hindert die Kostenübernahme daher nicht.

34

Insgesamt kommt der Senat somit zu der Überzeugung, dass die erweiternden Voraussetzungen für eine Kostenübernahme der Untersuchungsmethode im Rahmen der GKV vorliegen, sodass der Anspruch des Klägers begründet ist.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

36

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor, da der Senat die Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu Grunde gelegt hat.


(1) Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94. Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden werden abschließend in diesem Kapitel, in den §§ 63, 64 und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Für die Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 gelten im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind.

(2) Die §§ 1 bis 3 Absatz 1, die §§ 19 bis 21, 32 bis 34a, 48 bis 81 Absatz 2 Nummer 1, 2 Buchstabe a und Nummer 6 bis 11, Absatz 3 Nummer 1 und 2 sowie die §§ 81a bis 95 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gelten für die in Absatz 1 genannten Rechtsbeziehungen entsprechend. Satz 1 gilt nicht für Verträge und sonstige Vereinbarungen von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern oder deren Verbänden, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind. Satz 1 gilt auch nicht für Beschlüsse, Empfehlungen, Richtlinien oder sonstige Entscheidungen der Krankenkassen oder deren Verbände, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind, sowie für Beschlüsse, Richtlinien und sonstige Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, zu denen er gesetzlich verpflichtet ist.

(3) Auf öffentliche Aufträge nach diesem Buch sind die Vorschriften des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden.

(4) Bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach den §§ 63 und 140a über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014, die im Rahmen einer heilberuflichen Tätigkeit erbracht werden, kann der öffentliche Auftraggeber abweichend von § 119 Absatz 1 und § 130 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie von § 14 Absatz 1 bis 3 der Vergabeverordnung andere Verfahren vorsehen, die die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung gewährleisten. Ein Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb und ohne vorherige Veröffentlichung nach § 66 der Vergabeverordnung darf der öffentliche Auftraggeber nur in den Fällen des § 14 Absatz 4 und 6 der Vergabeverordnung vorsehen. Von den Vorgaben der §§ 15 bis 36 und 42 bis 65 der Vergabeverordnung, mit Ausnahme der §§ 53, 58, 60 und 63, kann abgewichen werden. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 17. April 2019 über die Anwendung dieses Absatzes durch seine Mitglieder.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.