Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Mai 2016 - L 4 R 296/15

ECLI:ECLI:DE:LSGRLP:2016:0518.L4R296.15.0A
bei uns veröffentlicht am18.05.2016

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 10.06.2015 wird zurück gewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

2

Der im Jahr 1979 geborene Kläger ist Tischlermeister und hat im Jahr 2009 10 % am Stammkapital der Beigeladenen zu 1) von 230.700 € in Höhe von 23.070 € erworben. Weitere Gesellschafter sind Herr B. mit einem Anteil von 171.730 €, E. Sch mit einem Anteil von 10.250 €, R. M mit einem Anteil von 10.250 € und V. E mit einem Anteil von 15.400 €.

3

Die Beigeladene zu 1) betreibt nach ihrem Gesellschaftsvertrag vom 02.07.1990 den Betrieb einer Tischlerei für die Herstellung von Möbeln und Einbauteilen für den Innenausbau.

4

Nach § 10 des Gesellschaftsvertrags entscheidet die Gesellschafterversammlung über die von den Gesellschaftern in Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen und Entscheidungen, unter anderem über die Feststellung der Jahresbilanz, der Verwendung des Reingewinns oder -verlustes, Einforderung von Einzahlungen auf die Stammeinlagen, Einziehung bzw. Teilung von Geschäftsanteilen, Bestellung, Abberufung und Entlassung der Geschäftsführer, Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung. Die Gesellschafterversammlung wird durch den oder die Geschäftsführer einberufen. Die Gesellschafterversammlung entscheidet danach mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, soweit nicht das Gesetz eine größere Mehrheit vorschreibt.

5

Mit notariellem Vertrag vom 19.12.2012 änderten die Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag und führten u.a. einen § 3 ein:

6

„Die Beteiligten zu 1) bis 5) schließen folgende Vereinbarung zur Stimmrechtsbindung: Wir üben die uns jeweils zustehenden Stimmrechte als Gesellschafter der vorgenannten GmbH nur abgestimmt, das heißt, nur einstimmig aus. Diese Vereinbarung dient dem Erreichen und Erhalten einer gleichberechtigten Entscheidung im gemeinsamen Unternehmen und ist Ausdruck der gegenseitigen Treuepflichten. Zur Bekräftigung der Ernsthaftigkeit der Stimmbindung und zum Zwecke des Nachweises erfolgt die Stimmbindungsvereinbarung in dieser Form.

7

Diese Vereinbarung ist durch jeden der Beteiligten mit einer Frist von vier Wochen kündbar. Die Kündigung bedarf der Schriftform und hat schriftlich gegenüber den jeweils anderen Beteiligten bzw. deren gesetzlichen Vertreter zu erfolgen.

8

Da die Herren B W und Herr M K die Geschäftsführer der GmbH sind, ist diese Vereinbarung der Gesellschaft hiermit offengelegt und zu beachten.“

9

Mit Vertrag vom 19.12.2012 wurde der Kläger zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Der Gesellschaftsvertrag enthält folgende Regelungen:

10

§ 3 Bezüge

11

Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit eine jährliche Bruttovergütung von derzeit 60.000 €, das in 12 gleichen Raten unter Einbehalt etwaiger gesetzlicher Abzüge zum Ende des Kalendermonats gezahlt wird. Ein Anspruch auf eine gesonderte Vergütung von Mehr-, Sonn- oder Feiertagstätigkeit sowie Gratifikationen besteht nicht. Die Vergütung wird gemäß der wirtschaftlichen Entwicklung bestimmt und mindestens einmal jährlich neu zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft festgelegt.

12

Der Geschäftsführer erhält für die Dauer dieses Vertrages einen angemessenen Dienstwagen zur Verfügung, der auch zu Privatfahrten genutzt werden kann. Betriebs- und Unterhaltskosten trägt die Gesellschaft. Die Versteuerung des geldwerten Vorteils für die private Nutzung trägt der Geschäftsführer.

13

Der Geschäftsführer erhält sämtliche Aufwendungen, die ihm in Ausübung seiner Tätigkeit entstehen, einschließlich Reise- und Bewirtungskosten in nachgewiesener Höhe, ansonsten entsprechend den jeweils geltenden steuerlichen Höchstsätzen ersetzt.

14

Der Geschäftsführer erhält eine betriebliche Altersversorgung in Form einer Direktversicherung.

15

Ferner erhält der Geschäftsführer eine Tantieme in Höhe von 15 % des Jahresüberschusses der Steuerbilanz nach Verrechnung mit dem Verlustvortrag, jedoch vor Abzug der Körperschafts- und Gewerbeertragssteuer sowie dieser und aller anderen Tantiemen (max. ein Drittel der Vergütung gem. Abs. 1). Nachträgliche Änderungen der Bilanz sind zu berücksichtigen, überzahlte Beträge durch den Geschäftsführer zu erstatten. War der Geschäftsführer in einem Geschäftsjahr nur teilweise für die Gesellschaft tätig, erhält der die Tantieme pro rata temporis. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt ist die Gesamthöhe der Tantieme aller Geschäftsführer auf 30 % des Jahresüberschusses s.o. begrenzt.

16

§ 4 Zahlungen bei Krankheit

17

Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit des Geschäftsführers, die durch eine Krankheit oder aus einem anderen von ihm nicht zu vertretenden Grund eintritt, werden die Bezüge gem. § 3 für 6 Wochen zu 100 % weiterbezahlt.

18

§ 5 Urlaub

19

Der Geschäftsführer hat einen Anspruch auf 6 Wochen Urlaub pro Geschäftsjahr. Der Geschäftsführer bestimmt Dauer und Lage seines Urlaubes nach den Interessen und geschäftlichen Erfordernissen der Gesellschaft, wie sie sich ihm darstellen, selbst. Der Geschäftsführer wird seine Urlaubsabsicht rechtzeitig bekanntgeben und die erforderlichen Maßnahmen treffen, um einen ordnungsgemäßen Geschäftsgang sicher zu stellen.

20

Im Februar 2013 beantragte der Kläger die Feststellung seines sozialversicherungspflichtigen Status, insbesondere, dass er seit dem 01.01.2013 nicht der Sozialversicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege.

21

Nach Anhörung des Klägers entschied die Beklagte mit Bescheid vom 13.03.2013, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) ab 01.01.2013 der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. In der Krankenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit, weil das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt des Beschäftigten die maßgebliche Jahresarbeitsentgeltsgrenze voraussichtlich übersteige.

22

Für eine selbständige Tätigkeit spreche, dass der Kläger einzelvertretungsberechtigt sei, hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit keine Weisungen unterliege, eine Tantieme sowie eine Gewinnbeteiligung entsprechend der Gesellschaftsanteile erhalte. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass die Beschlüsse der Beigeladenen zu 1) grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst würden, dass derjenige Gesellschafter somit maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft habe, der mindestens die Hälfte der Geschäftsanteile besitze. Der Kläger sei aber nur mit 10 % an der GmbH beteiligt und damit Minderheitsgesellschafter. Der Kläger könne daher kraft seines Anteils am Stammkapital keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben. Die Stimmrechtsbindungsvereinbarung habe lediglich schuldrechtliche Wirkung. Der Kläger unterliege dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung. Es bestehe ein gesonderter Arbeitsvertrag, der die Mitarbeit in der Gesellschaft regele. Zudem sei noch ein weiterer Geschäftsführer bestellt.

23

Im Widerspruchsverfahren führte der Kläger aus, bei dem Geschäftsführervertrag handele es sich nicht um einen reinen Arbeitsvertrag. Der Kläger könne als Gesellschafter Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft nehmen. Durch den Stimmbindungsvertrag hätten sich zudem die Gesellschafter verpflichtet, die Stimmrechte nur in der vereinbarten Art und Weise auszuüben. Solche Verträge seien gesellschaftsrechtlich wirksam und bindend. Der Kläger habe daher einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Einhaltung der Stimmbindung. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

24

Im hiergegen durchgeführten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Koblenz hat das Sozialgericht den Kläger angehört sowie die Mitgeschäftsführer V, R M, E S und B W vernommen.

25

Mit Urteil vom 10.06.2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass der Kläger seine Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausübe und er dementsprechend der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. In der Gesamtwürdigung aller Umstände sei das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer eine abhängige Beschäftigung ausübe, auch wenn durchaus zahlreiche Kriterien für eine selbständige Tätigkeit sprechen würden. Dafür spreche insbesondere, dass der Kläger Gesellschafter-Geschäftsführer sei und damit über eine Beteiligung an der Gesellschaft und Gewinnchancen aber auch Verlustrisiken habe. Als Minderheitsgesellschafter verfüge er aber nicht über die Rechtsmacht, alleine über die Stimmrechtsbindung erhebliche Rechtsmacht auszuüben. Wie insbesondere der Kläger und der weitere Gesellschafter-Geschäftsführer W in der mündlichen Verhandlung dargelegt hätten, sei der Kläger zu ca. 80 % für die Geschäftsführung der Tischlerei zuständig, der Kläger und Herr W führten die Geschäfte der Beigeladenen zu 1) insoweit unabhängig voneinander, als der Kläger insbesondere den Geschäftsbereich der Tischlerei führe und der Geschäftsführer W die beiden anderen Geschäftsbereiche führe und betreue. Letztlich sei der Kläger in der Geschäftsführung der Tischlerei damit vergleichbar einem Allein-Geschäftsführer. Er bestimme die Geschäfte der Tischlerei, ohne dass die anderen Gesellschafter sich einmischen würden. Der Kläger führe auch seine Tätigkeit frei hinsichtlich Zeit, Ort, und Durchführung der Geschäftsführertätigkeit, was allerdings eine Geschäftsführertätigkeit an sich letztlich immanent sei. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Stimmrechtsbindungsvertrag durchaus dazu führe, dass schuldrechtlich ein Anspruch des Klägers bestehe, die Stimmrechtsbindung zu berücksichtigen.

26

Allerdings würden die Kriterien für eine abhängige Beschäftigung überwiegen. Der Kläger habe mit der Beigeladenen zu 1) einen Geschäftsführervertrag geschlossen, der im Wesentlichen einem Anstellungsvertrag entspreche. Danach beziehe der Kläger monatlich ein Gehalt von 6.000,00 €, habe einen Urlaubsanspruch für die Dauer von sechs Wochen pro Geschäftsjahr und bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge für die Dauer von sechs Wochen. Er sei auch nicht von der Beschränkung des § 181 BGB befreit. Der Kläger solle als Nachfolger des Mehrheitsgesellschafters W aufgebaut werden und habe in diese Tätigkeit erst hineinwachsen müssen. Da er finanziell nicht in der Lage gewesen sei, seinen Gesellschaftsanteil auf 50 % des Stammkapitals aufzustocken, sei der Weg über den Geschäftsführervertrag und die Stimmrechtsbindung gewählt worden. Nach wie vor leite allerdings der Mehrheitsgesellschafter W maßgeblich die Geschicke der gesamten Beigeladenen zu 1). Der Mehrheitsgesellschafter verfüge auch über die Betriebsstätten, während das Betriebsgelände Eigentum einer anderen GmbH sei, deren Mehrheits- bzw. Alleingesellschafter der Zeuge W sei.

27

Ohne den Stimmrechtsbindungsvertrag vom 19.12.2012 stehe außer Frage, dass der Kläger seine Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Dieser Vertrag führe aber nicht zu einer anderen Betrachtungsweise. Der Stimmrechtsbindungsvertrag sei nicht eindeutig und bedürfe der Auslegung. So bestehe nach dem Gesellschaftsvertrag weiterhin die Möglichkeit, die Ausübung der den Gesellschaftern zustehenden Stimmrechte untereinander und aneinander zu bilden um Mehrheitspools zu bilden. Auch könne die Stimmrechtsbindung durch jeden Gesellschafter jeder Zeit mit einer Frist von vier Wochen schriftlich gekündigt werden. Mehr als eine Absichtserklärung könne die Kammer daher in der Regelung der Stimmrechtsbindung nicht sehen. Mit einer solchen guten Absicht sei jedoch keine Rechtsmacht verbunden. In Zeiten, in denen die Gesellschafter nicht zu einem einheitlichen Beschluss gelangten, werde sich die Mehrheit durchsetzen. Da der Kläger nicht über eine Sperrminorität verfüge, werde er somit trotz des Vertrags vom 19.12.2012 Weisungen, die ihm nicht genehm seien, nicht verhindern können.

28

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer-Gesellschafter für die Beigeladene zu 1) nicht versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung sei.

29

Am 28.07.2015 hat der Kläger gegen das ihm am 08.07.2015 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.

30

Der Kläger trägt vor,
eine abhängige Beschäftigung sei auszuschließen. Das Sozialgericht gehe irrtümlich davon aus, dass die Stimmrechtsbindungsvereinbarung uneindeutig und auslegungsbedürftig sei. Die potenziell denkbare Rechtsmacht der Gesellschafterversammlung bzw. des Hauptgesellschafters, die Tätigkeit des Klägers beeinflussen zu können, sei vertraglich gerade ausgeschlossen. Einer solchen Einflussnahme stehe die gegebene Stimmbindungsabrede entgegen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Vereinbarung kündbar sei, jedenfalls, solange diese Stimmrechtsbindungsvereinbarung nicht wirksam gekündigt sei, wie das LSG Rheinland-Pfalz entschieden habe (Urteil vom 12.11.2014, Az.: L 4 R 556/13). Auch das Bundessozialgericht (BSG) stelle auf die Beachtlichkeit bestehender Verträge ab.

31

Der Kläger beantragt,

32

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 10.06.2015 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 13.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2013 sowie des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 10.06.2015 abzuändern und festzustellen, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu1 ) seit dem 01.01.2013 nicht der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege.

33

Die Beklagte beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Die Beklagte trägt vor,
das BSG habe mit seinen aktuellen Entscheidungen vom 29.07.2015 und 19.08.2015 nochmals die Bedeutung der gesellschaftsvertraglichen Rechtsmacht betont.

36

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

37

Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen und den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

38

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet, da er ab dem 01.01.2013 der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

39

Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger mit Schreiben vom 12.07.2010 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

40

Entscheidend ist demnach das Bestehen einer „Beschäftigung“. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in der ab 01.01.1999 geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (BSG, Urteil vom 28. September 2011, B 12 KR 17/09 R m.w.N.). Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (vgl. Urteil des Senats vom 12.11.2014, Az.: L 4 R 556/13 m.w.N.).

41

Auf dieser Grundlage ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis zu dieser steht, wenn er als Geschäftsführer tätig wird. Dies ist grundsätzlich neben seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung möglich. Allerdings schließt ein rechtlich maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschafter aufgrund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2006, Az.: B 12 KR 30/04 – juris). Eine derartige Stellung liegt regelmäßig dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Anteil von mindestens 50 % des Stammkapitals innehat, was hier beim Kläger nicht der Fall ist. Aber auch wenn die Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers an einer GmbH für deren Beherrschung nicht ausreicht, also insbesondere dann, wenn die jeweiligen Kapitalanteile der Gesellschafter-Geschäftsführer unter 50 % liegen, kann sich aus den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages ergeben, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer mit seinem Anteil alle ihm nicht genehmen Entscheidungen verhindern kann.

42

Zur Überzeugung des Senats, der sich der Rechtsprechung des BSG anschließt, beurteilt sich die Frage, ob Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw. Gesellschaftsvertragsrechtslage (überhaupt) für die Entscheidung über den sozialversicherungsrechtlichen Status bedeutsam sind, und - falls ja - mit welchem Indizcharakter und welcher Gewichtung im Rahmen der insoweit zu treffenden Abwägung aller Umstände, allein im vorliegend thematisch einschlägigen - sozialversicherungsrechtlichen - Kontext des § 7 Abs. 1 SGB IV.

43

Im vorliegenden Fall spricht für eine Selbständigkeit, dass der Kläger seinen Geschäftsbereich selbständig und alleine führt, über seinen Gesellschaftsanteil ein Unternehmerrisiko trägt, und keinen Weisungen unterliegt. Durch die im Gesellschaftsvertrag vereinbare Stimmrechtsbindung verfügt der Kläger zudem über eine gewisse Sperrminorität, mit der er ihm unliebsame Beschlüsse verhindern kann.

44

Allerdings kann nach § 3 Satz 2 des Vertrages diese Vereinbarung mit einer vierwöchigen Kündigungsfrist aufgekündigt werden. Die Stimmrechtsbindung als Schutz des Klägers vor einem Überstimmtwerden, stand damit von vorne herein unter dem Vorbehalt der jederzeitigen Kündigung. Dass eine solche Kündigung des Veto-Rechts in der hier streitigen Zeit tatsächlich nicht erklärt wurde, ist ohne Bedeutung. Bei einem Konfliktfall zwischen den Gesellschaftern wäre nämlich jedenfalls allein die den jeweils anderen Gesellschaftern aufgrund des Kündigungsrechts zustehende Rechtsmacht zum Tragen gekommen, so dass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen wieder eine Weisungsunterworfenheit des Klägers unter die Beigeladene zu 1. bestand. Eine solche Situation ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände aber nicht hinnehmbar (BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 10/14 R –, SozR 4, Rn. 31). Schon die (bloße) Möglichkeit einer Zerrüttung unter den Gesellschaftern bzw. eines Zerwürfnisses mit den sich daraus potenziell ergebenden gesellschaftsrechtlichen Folgen (= Entfallen der Stimmbindung der übrigen Gesellschafter infolge Kündigung des Stimmbindungsvertrages) ist bei einer Statusentscheidung, wie sie hier zu überprüfen ist, wegen des Erfordernisses der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände stets zu berücksichtige (BSG, a.a.O.)

45

Dass die Stimmbindung im Gesellschaftsvertrag vereinbart wurde, führt zu keinem anderen Ergebnis. Anders als bei schuldrechtlich und einfachrechtlichen Vereinbarungen können im Gesellschaftsvertrag selbst vereinbarte Minderheitenrechte für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Gesamtbildes ihrer Tätigkeit verlässlich bedeutsam sein, soweit daraus eine Selbstständigkeit hergeleitet wird, da diese Regelungen notariell beglaubigt werden müssen, im Handelsregister einzutragen sind und jedenfalls gegen eine Sperrminorität von 25,1 % nicht einfach wieder geändert werden können von Fall zu Fall (BSG, Urteil vom 11.11.2015, Az.: B 12 KR 10/14 R –, juris). Dies unterscheidet sich von denjenigen Fällen, in denen dem Minderheitsgesellschafter außerhalb des Gesellschaftsvertrags eine stärkere Stellung durch eine Stimmrechtsbindung eingeräumt wird. Denn bei einem Konfliktfall zwischen den Gesellschaftern wäre dann allein die dem jeweils Mehrheitsgesellschafter aufgrund seines Widerrufsrechts zustehende Rechtsmacht zum Tragen gekommen, so dass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit durch eine solche Stimmrechtsbindung nicht ausgeschlossen ist. Soweit dem Urteil des Senats vom 12.11.2014 etwas anderes zu entnehmen ist, hält der Senat hieran nicht fest und schließt sich der neueren Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 11.11.2015, Az: B 12 KR 13/14 R -juris) an.

46

Da die Kündigungsmöglichkeit hier aber ebenfalls in den Vertrag aufgenommen wurde, wäre für die Ausübung des Kündigungsrechts keine Änderung des Gesellschaftsvertrags mit den dafür erforderlichen qualifizierten Mehrheiten (§ 53 Abs. 2 GmbHG) von 3/4 der Stimmen erforderlich. Denn eine Satzungsänderung ist jede Änderung des Wortlauts der Satzung (vgl. Priester in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 53 GmbHG, Rn. 18), nicht aber die Ausübung eines gesellschaftsvertraglichen Rechts. Im vorliegenden Fall kann es daher keinen Unterschied machen, ob die Stimmrechtsbindung innerhalb oder getrennt vom Gesellschaftsvertrag vereinbart wurde.

47

Die Berufung ist daher zurück zu weisen.

48

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

49

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG sind nicht erkennbar.

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Tenor 1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 27.11.2013 wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Beklagte.

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Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 27.11.2013 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.000 Euro festsetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung.

2

Der Kläger war bis 31.12.2009 bei der Beigeladenen zu 1) als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer versicherungspflichtig beschäftigt. Mit Vertrag vom 30.12.2009 wurde der Kläger als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) bestellt. Der Vertrag enthält in § 3 Abs. 1 die Bestimmung, wonach der Kläger ein festes Monatsgehalt von 11.000,00 EUR bezieht. Mit Gesellschaftervertrag vom 19.05.2010 erwarb der Kläger vom Stammkapital der Gesellschaft (52.000,00 EUR) einen Anteil in Höhe von 13.100,00 EUR (25,2 % des Stammkapitals) und zahlte hierfür einen Kaufpreis von 430.000,00 EUR.

3

Im Mai 2010 beantragte der Kläger die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status und teilte im Anhörungsverfahren mit, auch wenn er mit 25,2 % nur eine Minderheitsbeteiligung innehabe, könne er jedoch Beschlüsse, die eine ¾-Mehrheit erforderten, in jedem Fall verhindern. Aus dem Umstand, dass er nicht über die absolute Stimmenmehrheit verfüge, könne nicht geschlossen werden, dass er keinen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen könne. Auch wenn die Gesellschaft über drei Geschäftsführer verfüge, bestehe keine Einschränkung hinsichtlich der Vertretungsbefugnis; es gebe keine zustimmungspflichtigen Geschäfte, die seine Geschäftsführungsbefugnis einschränken würden. Zudem habe er mit dem Erwerb des Unternehmensanteils in Höhe von 430.000,00 EUR ein erhebliches unternehmerisches Risiko übernommen.

4

Mit Bescheid vom 10.02.2011 entschied die Beklagte, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.01.2010 der Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege, da sie im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt würde. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer spreche, dass er wegen seines Anteils von 25,2 % am Stammkapital keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen könne. Es bestehe ein gesonderter Arbeitsvertrag, der die Mitarbeit in der Gesellschaft regele. Dieser enthalte typische arbeitsvertragliche Regelungen zum Urlaubsanspruch und über die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes bei Arbeitsunfähigkeit. Dem Kläger werde eine monatliche Vergütung in Höhe von 11.000,00 EUR und damit ein übliches Arbeitsentgelt gezahlt. Der Kläger sei nicht der alleinige Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1). Für eine selbstständige Tätigkeit spreche hingegen, dass der Kläger alleinvertretungsberechtigt sei, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sei und keinen Weisungen bezüglich Arbeitszeit, -ort und Ausführung der Tätigkeit unterliege. Der Kläger könne aufgrund von mangelnden Vetorechten bzw. Sperrminoritäten keine Entscheidungen verhindern. Dass er Stammkapitalanteile für einen Betrag von 430.000,00 EUR erworben habe, sei kein Merkmal für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage der Kläger kein, eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnendes Unternehmerrisiko. Er sei aufgrund der vom Geschäftserfolg abhängigen Dividenden indirekt am Gewinn der Gesellschaft beteiligt, müsse eine Kürzung bzw. den Wegfall der Bezüge bei schlechter Geschäftslage aber nicht befürchten. In der Gesamtwürdigung würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Alleine aus der weisungsfreien Ausführung der Tätigkeit könne nicht auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden.

5

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2011 zurück.

6

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Trier hat der Kläger ausgeführt, keiner der Gesellschafter verfüge über eine Mehrheit, alleine Beschlüsse fassen zu können. Die beteiligten Gesellschafter seien sich von Anfang an einig gewesen und hätten vereinbart, die erforderlichen Entscheidungen nur gemeinsam, gleichberechtigt und einstimmig zu fassen. Der Kläger hat eine entsprechende Stimmrechtsvereinbarung mit Vertrag vom 10.01.2012 zu den Akten gereicht.

7

Mit Gerichtsbescheid vom 27.11.2013 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger nicht der Versicherungspflicht und Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung unterliege. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger unterliege aufgrund seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.10.2010 nicht der Versicherungs- und Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung. Er sei darin nicht abhängig, sondern selbstständig tätig. Nach dem Vertragsverhältnis, wie es sich aus Gesellschaftsvertrag, Stimmbindungsvereinbarung und Geschäftsführervertrag ergebe, beständen keine Zweifel daran, dass der Kläger weisungsfrei über seine Arbeitsleistung verfügen und bestimmen könne und dies auch getan habe. Er habe zudem maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Diese Rechtsmacht folge nicht unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag, da der Kläger kraft seines Anteils und Stammkapitals nur einen Anteil von 25,2 % habe. Da die Beschlüsse der Beigeladenen zu 1) grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst werden könnten, genüge alleine diese Minderheitsbeteiligung nicht, um die für die Gesellschaft richtungsgebenden Entscheidungen zu beeinflussen. Dem Kläger habe aufgrund des Gesellschaftsvertrags auch kein Vetorecht bzw. eine Sperrminorität zugestanden. Nur Gesellschafterbeschlüsse, durch die der Gesellschaftsvertrag geändert oder die Gesellschaft aufgelöst würden, hätten der Einstimmigkeit bedurft. Alle anderen Beschlüsse könnten nur mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Allerdings sei die Gesellschafterversammlung nur beschlussfähig, wenn 51 % aller Stimmen anwesend oder vertreten seien, so dass der Kläger zusammen mit einem der beiden anderen Gesellschafter, die je 31,15 % am Stammkapital innehätten, bei Abwesenheit der anderen Gesellschafter ein relevantes Mitentscheidungsrecht besitze.

8

Seine Rechtsmacht folge aber ungeachtet dessen aus der zwischen allen Gesellschaftern geschlossenen Stimmbindungsvereinbarung. Diese habe von Anfang an bestanden und sei zusätzlich am 10.01.2012 schriftlich dokumentiert worden. Eine solche Stimmbindungsvereinbarung sei zulässig und wirksam. Dadurch hätten sich die Gesellschafter gegenüber ihren Mitgesellschaftern verpflichtet, ihr Stimmrecht in einer vertraglich festgelegten Art und Weise, nämlich einvernehmlich, auszuüben. Zwar sei grundsätzlich, worauf die Beklagte hinweise, trotz der Stimmbindungsvereinbarung eine Stimmabgabe entgegen dieser schuldrechtlichen Verpflichtung möglich und dann sowohl die ablehnende Stimme als auch ein daraufhin gefasster Beschluss gültig. Eine Ausnahme davon bestehe allerdings, wenn sich sämtliche Gesellschafter im Rahmen einer satzungsergänzenden Nebenvereinbarung einer Stimmbindung unterworfen hätten, da im Falle einer einvernehmlichen Regelung unter allen Gesellschaftern die Regelung zumindest so lange zugleich als eine solche der Gesellschaft zu behandeln sei, als Gesellschafter nur die aus der Abrede Verpflichteten seien. Dies treffe im vorliegenden Fall zu und habe zur Folge, dass die Mitwirkung des Klägers bei allen Beschlüssen der Gesellschaft unabdingbar sei und seine Rechtsstellung daher sogar über diejenige hinausgehe, die einem Mitgesellschafter aufgrund einer Sperrminorität eingeräumt sei. Unter Berücksichtigung der Befreiung nach § 181 BGB und dem erheblichen Unternehmensrisiko des Klägers bestehe kein Zweifel daran, dass der Kläger selbstständig sei, so dass eine Versicherungs- und Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung nicht bestehe.

9

Am 20.12.2013 hat die Beklagte gegen den ihr am 03.12.2013 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt.

10

Die Beklagte trägt vor,

11

nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), seien Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, die keinen maßgebenden Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft hätten, als Arbeitnehmer im Sinne der Sozialversicherung zu qualifizieren. Nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages habe der Kläger weder über eine erforderliche Mehrheit der Stimmen noch über eine umfassende Sperrminorität und somit nicht über die Rechtsmacht verfügt, maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft zu nehmen. Die Vereinbarung vom 10.01.2012 über die Stimmbindung sei schriftlich mit einer Frist von zwei Monaten zum Monatsende kündbar und lasse das Recht zu einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund unberührt. Wie das BSG ausdrücklich bestätigt habe, sei die bloße Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich, so lange es nicht wirksam abbedungen sei. Die tatsächlichen Verhältnisse würden im Zweifel den Ausschlag geben, allerdings nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Eine bloße "Schönwetter-Selbstständigkeit" scheide aus. Es könnten auch anderweitige Gesellschafterbeschlüsse rechtlich wirksam gefasst werden. Eine Vereinbarung zur Stimmrechtsvereinbarung, sofern sie im Widerspruch zum Gesellschaftsvertrag stehe, sei nicht anders zu bewerten als eine vom Gesellschaftsvertrag abweichende praktische Handhabung. In beiden Fällen bleibe die im Gesellschaftsvertrag verankerte Rechtsmacht unangetastet. Der außerhalb des Gesellschaftsvertrags geschlossene Stimmbindungsvertrag habe generell nur schuldrechtliche Wirkung zwischen den Parteien und bewirke bei einer abredewidrig abgegebenen Stimme keinen Mangel des Gesellschafterbeschlusses.

12

Im Übrigen erhalte der Kläger nach dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag einen vom Gewinn und Verlust der Gesellschaft unabhängiges monatliches Festgehalt sowie einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen. Auch dies spreche für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses.

13

Der Beklagte beantragt,

14

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 27.11.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Der Kläger trägt vor,

18

auch nach der Rechtsprechung des BSG sei das Vertragsverhältnis Grundlage der Beurteilung, wie es im Rahmen des tatsächlich Zulässigen vollzogen werde. Grundlage bildeten die getroffenen Vereinbarungen und die sich daraus ergebende Rechtsmacht. Dazu zähle auch die Stimmrechtsbindung, die wirksam und verbindlich geschlossen sei. Die Entscheidung des BSG vom 29.08.2012 belege, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich sei, so lange es nicht wirksam abbedungen worden sei. Die getroffene Vereinbarung aller Gesellschafter, ihre Stimmrechte nur abgestimmt, somit einstimmig auszuüben, bewirke, dass eine Beschlussfassung ohne die Zustimmung des Klägers ausgeschlossen sei. Nach allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Auffassung seien die Rechte aus einer solchen Vereinbarung klage- und vollstreckungsweise durchsetzbar. Selbst die Möglichkeit der Verhinderung einer anredewidrigen Stimmabgaben im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzes sei anerkannt. Deshalb sei damit eine Rechtsmacht verbunden, welche die Beklagte ignoriere. Die Stimmbindung aller Gesellschafter entfalte auch körperschaftsrechtliche Wirkung, wobei sowohl der Bundesgerichtshof (BGH) als auch die von der Beklagten hierzu zitierte Kommentarliteratur anderer Auffassung als die Beklagte seien.

19

Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen und den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet, da das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben hat.

21

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form-und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft, damit zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Denn das Sozialgericht hat im Gerichtsbescheid vom 27.11.2013 zu Recht die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Der Kläger unterliegt aufgrund seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.01.2010 nicht der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung.

22

Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger mit Schreiben vom 12.07.2010 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

23

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen im streitgegenständlichen Zeitraum in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 1 Satz. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)), wobei im vorliegenden Fall keine Versicherungspflicht in der Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung besteht, und von der Beklagten auch nicht festgestellt ist.

24

Entscheidend ist demnach das Bestehen einer "Beschäftigung". Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in der ab 01.01.1999 geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (BSG, Urteil vom 28. September 2011, B 12 KR 17/09 R mwN).

25

Auf dieser Grundlage ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis zu dieser steht, wenn er als Geschäftsführer tätig wird. Dies ist grundsätzlich neben seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung möglich. Allerdings schließt ein rechtlich maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2006, Az.: B 12 KR 30/04 – juris). Eine derartige Stellung liegt regelmäßig dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Anteil von mindestens 50 % des Stammkapitals inne hat, was hier beim Kläger nicht der Fall ist.

26

Aber auch dort, wo die Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers an einer GmbH für deren Beherrschung nicht ausreicht, insbesondere dann, wenn die jeweiligen Kapitalanteile der Gesellschafter-Geschäftsführer unter 50 % liegen, kann sich aus den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages ergeben, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer mit seinem Anteil alle ihm nicht genehmen Entscheidungen verhindern kann, etwa, wenn sein Anteil mehr als ein Drittel beträgt und für Entscheidungen der Gesellschafterversammlung eine Zweidrittelmehrheit vorgeschrieben ist. Im vorliegenden Fall beträgt der Gesellschaftsanteil des Klägers zwar weniger als 1/3, nämlich nur 25,2 %. Dennoch ist eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Geschäftsführers zu verneinen, wenn er nach der Gestaltung seiner vertraglichen Beziehungen zur GmbH bzw. der tatsächlichen Durchführung des Vertrages hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei ist. Die gesellschaftsrechtliche Abhängigkeit kann durch den tatsächlich eingeräumten Einfluss aufgehoben werden (vgl. BSG, Urteil vom 08.08.1990, Az.: 11 RAr 77/89 – juris).

27

Im vorliegenden Fall könnten zwar einzelne Elemente des Geschäftsführervertrages für eine abhängige Beschäftigung sprechen, etwa das Festgehalt, dessen Fortzahlung im Krankheitsfall und der vereinbarte Urlaubsanspruch. Dennoch überwiegen die Elemente, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen. Dies hat das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid eingehend dargelegt. Der Senat nimmt hierauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

28

Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren bietet zu einer anderen Betrachtungsweise keine Veranlassung. Denn die vom Kläger mit seinen Mitgesellschaftern getroffene Stimmrechtsbindungsvereinbarung vom 10.01.2012, die für die davor liegende Zeit formlos vereinbart war, führt faktisch zu einem Einstimmigkeitsprinzip in der Gesellschafterversammlung, so dass dem Kläger auch dort gegen seinen Willen keine Weisungen erteilt werden können. Aufgrund der Stimmrechtsbindungsvereinbarung bestand unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben im Rahmen des Zumutbaren für die übrigen Gesellschafter der Beigeladenen zu 1) das Verbot, dem Kläger die durch Vertrag gewährten Vorteile (Sperrminorität) wieder zu entziehen oder wesentlich zu schmälern, und die Pflicht, alles zu unterlassen, was den Vertragszweck gefährden oder vereiteln könnte (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 16. September 1999 – 1 U 137/98 –, juris). Deshalb sind solche Verträge nicht nur wirksam, sondern im Rahmen des § 894 ZPO auch vollstreckbar (BGH, NJW 1967, 1963 ff; Reuter in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Rdn. 37 m.w.N.) und entgegen der Ansicht der Beklagten u.U. auch gesellschaftsrechtlich bindend, wenn sie -wie hier- von allen Gesellschaftern gemeinsam geschlossen sind, so dass ein der Abrede entgegenstehende Gesellschafterbeschluss u.U. anfechtbar sein kann (vgl. BGH, NJW 1983, 1910; Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Auflage 2013, Rdn. 118 mwN). Solche Vereinbarungen können daher sogar bei Fremdgeschäftsführern, je nach Fallgestaltung, maßgeblich für die Einstufung als Selbständige sein (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.11.2012, Az.: L 1 KR 355/12 B ER –, juris; a.A. für eine nur mündliche Stimmrechtsbindungsvereinbarung LSG Hamburg, Urteil vom 07.08.2013, Az.: L 2 R 31/10 –, juris), erst Recht bei Gesellschafter-Geschäftsführern.

29

Wie das BSG in der von der Beklagten vorlegten Entscheidung vom 29.08.2012 (SozR 4-2700 § 7 Nr. 17) entschieden hat, ist maßgeblich für die wertende Zuord-nung einer Tätigkeit zum Typus der Beschäftigung das Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen wird. Tatsächlich vollzogen wird vom Kläger und seinen Mitgesellschaftern in der Beteiligten zu 1) der Gesellschaftsvertrag in seiner Ausgestaltung aufgrund der Stimmrechtsbindungsvereinbarung nach dem Einstimmigkeitsprinzip, so dass dies für eine selbständige Tätigkeit spricht, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat. Durch das vom Kläger eingebrachte Eigenkapital in beträchtlicher Höhe trägt der Kläger auch am Erfolg der Gesellschaft ein relevantes Unternehmerrisiko, was seinen Urlaubsanspruch und sein erfolgsunabhängiges Monatseinkommen in seiner Bedeutung relativiert.

30

Dies mag anders sein, falls seitens eines oder mehrerer Gesellschafter die Stimmrechtsbindungsvereinbarung gekündigt wird. Da dies bislang aber nicht geschehen ist, ist von den tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum auszugehen. Danach unterlag und unterliegt der Kläger hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung keinem Weisungsrecht eines Arbeitgebers, ist also nicht abhängig beschäftigt.

31

Nach alledem war ist Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

32

Die Kostenentscheidung stützt sich § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

33

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG sind nicht erkennbar.

34

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.

(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.

(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.

(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.

(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.

(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.

(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.

(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte

1.
zustimmt und
2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellt den Zeitpunkt fest, der als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis gilt. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist.

(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.

(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.


Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 27.11.2013 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.000 Euro festsetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung.

2

Der Kläger war bis 31.12.2009 bei der Beigeladenen zu 1) als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer versicherungspflichtig beschäftigt. Mit Vertrag vom 30.12.2009 wurde der Kläger als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) bestellt. Der Vertrag enthält in § 3 Abs. 1 die Bestimmung, wonach der Kläger ein festes Monatsgehalt von 11.000,00 EUR bezieht. Mit Gesellschaftervertrag vom 19.05.2010 erwarb der Kläger vom Stammkapital der Gesellschaft (52.000,00 EUR) einen Anteil in Höhe von 13.100,00 EUR (25,2 % des Stammkapitals) und zahlte hierfür einen Kaufpreis von 430.000,00 EUR.

3

Im Mai 2010 beantragte der Kläger die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status und teilte im Anhörungsverfahren mit, auch wenn er mit 25,2 % nur eine Minderheitsbeteiligung innehabe, könne er jedoch Beschlüsse, die eine ¾-Mehrheit erforderten, in jedem Fall verhindern. Aus dem Umstand, dass er nicht über die absolute Stimmenmehrheit verfüge, könne nicht geschlossen werden, dass er keinen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen könne. Auch wenn die Gesellschaft über drei Geschäftsführer verfüge, bestehe keine Einschränkung hinsichtlich der Vertretungsbefugnis; es gebe keine zustimmungspflichtigen Geschäfte, die seine Geschäftsführungsbefugnis einschränken würden. Zudem habe er mit dem Erwerb des Unternehmensanteils in Höhe von 430.000,00 EUR ein erhebliches unternehmerisches Risiko übernommen.

4

Mit Bescheid vom 10.02.2011 entschied die Beklagte, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.01.2010 der Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege, da sie im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt würde. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer spreche, dass er wegen seines Anteils von 25,2 % am Stammkapital keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen könne. Es bestehe ein gesonderter Arbeitsvertrag, der die Mitarbeit in der Gesellschaft regele. Dieser enthalte typische arbeitsvertragliche Regelungen zum Urlaubsanspruch und über die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes bei Arbeitsunfähigkeit. Dem Kläger werde eine monatliche Vergütung in Höhe von 11.000,00 EUR und damit ein übliches Arbeitsentgelt gezahlt. Der Kläger sei nicht der alleinige Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1). Für eine selbstständige Tätigkeit spreche hingegen, dass der Kläger alleinvertretungsberechtigt sei, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sei und keinen Weisungen bezüglich Arbeitszeit, -ort und Ausführung der Tätigkeit unterliege. Der Kläger könne aufgrund von mangelnden Vetorechten bzw. Sperrminoritäten keine Entscheidungen verhindern. Dass er Stammkapitalanteile für einen Betrag von 430.000,00 EUR erworben habe, sei kein Merkmal für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage der Kläger kein, eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnendes Unternehmerrisiko. Er sei aufgrund der vom Geschäftserfolg abhängigen Dividenden indirekt am Gewinn der Gesellschaft beteiligt, müsse eine Kürzung bzw. den Wegfall der Bezüge bei schlechter Geschäftslage aber nicht befürchten. In der Gesamtwürdigung würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Alleine aus der weisungsfreien Ausführung der Tätigkeit könne nicht auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden.

5

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2011 zurück.

6

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Trier hat der Kläger ausgeführt, keiner der Gesellschafter verfüge über eine Mehrheit, alleine Beschlüsse fassen zu können. Die beteiligten Gesellschafter seien sich von Anfang an einig gewesen und hätten vereinbart, die erforderlichen Entscheidungen nur gemeinsam, gleichberechtigt und einstimmig zu fassen. Der Kläger hat eine entsprechende Stimmrechtsvereinbarung mit Vertrag vom 10.01.2012 zu den Akten gereicht.

7

Mit Gerichtsbescheid vom 27.11.2013 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger nicht der Versicherungspflicht und Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung unterliege. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger unterliege aufgrund seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.10.2010 nicht der Versicherungs- und Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung. Er sei darin nicht abhängig, sondern selbstständig tätig. Nach dem Vertragsverhältnis, wie es sich aus Gesellschaftsvertrag, Stimmbindungsvereinbarung und Geschäftsführervertrag ergebe, beständen keine Zweifel daran, dass der Kläger weisungsfrei über seine Arbeitsleistung verfügen und bestimmen könne und dies auch getan habe. Er habe zudem maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Diese Rechtsmacht folge nicht unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag, da der Kläger kraft seines Anteils und Stammkapitals nur einen Anteil von 25,2 % habe. Da die Beschlüsse der Beigeladenen zu 1) grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst werden könnten, genüge alleine diese Minderheitsbeteiligung nicht, um die für die Gesellschaft richtungsgebenden Entscheidungen zu beeinflussen. Dem Kläger habe aufgrund des Gesellschaftsvertrags auch kein Vetorecht bzw. eine Sperrminorität zugestanden. Nur Gesellschafterbeschlüsse, durch die der Gesellschaftsvertrag geändert oder die Gesellschaft aufgelöst würden, hätten der Einstimmigkeit bedurft. Alle anderen Beschlüsse könnten nur mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Allerdings sei die Gesellschafterversammlung nur beschlussfähig, wenn 51 % aller Stimmen anwesend oder vertreten seien, so dass der Kläger zusammen mit einem der beiden anderen Gesellschafter, die je 31,15 % am Stammkapital innehätten, bei Abwesenheit der anderen Gesellschafter ein relevantes Mitentscheidungsrecht besitze.

8

Seine Rechtsmacht folge aber ungeachtet dessen aus der zwischen allen Gesellschaftern geschlossenen Stimmbindungsvereinbarung. Diese habe von Anfang an bestanden und sei zusätzlich am 10.01.2012 schriftlich dokumentiert worden. Eine solche Stimmbindungsvereinbarung sei zulässig und wirksam. Dadurch hätten sich die Gesellschafter gegenüber ihren Mitgesellschaftern verpflichtet, ihr Stimmrecht in einer vertraglich festgelegten Art und Weise, nämlich einvernehmlich, auszuüben. Zwar sei grundsätzlich, worauf die Beklagte hinweise, trotz der Stimmbindungsvereinbarung eine Stimmabgabe entgegen dieser schuldrechtlichen Verpflichtung möglich und dann sowohl die ablehnende Stimme als auch ein daraufhin gefasster Beschluss gültig. Eine Ausnahme davon bestehe allerdings, wenn sich sämtliche Gesellschafter im Rahmen einer satzungsergänzenden Nebenvereinbarung einer Stimmbindung unterworfen hätten, da im Falle einer einvernehmlichen Regelung unter allen Gesellschaftern die Regelung zumindest so lange zugleich als eine solche der Gesellschaft zu behandeln sei, als Gesellschafter nur die aus der Abrede Verpflichteten seien. Dies treffe im vorliegenden Fall zu und habe zur Folge, dass die Mitwirkung des Klägers bei allen Beschlüssen der Gesellschaft unabdingbar sei und seine Rechtsstellung daher sogar über diejenige hinausgehe, die einem Mitgesellschafter aufgrund einer Sperrminorität eingeräumt sei. Unter Berücksichtigung der Befreiung nach § 181 BGB und dem erheblichen Unternehmensrisiko des Klägers bestehe kein Zweifel daran, dass der Kläger selbstständig sei, so dass eine Versicherungs- und Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung nicht bestehe.

9

Am 20.12.2013 hat die Beklagte gegen den ihr am 03.12.2013 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt.

10

Die Beklagte trägt vor,

11

nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), seien Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, die keinen maßgebenden Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft hätten, als Arbeitnehmer im Sinne der Sozialversicherung zu qualifizieren. Nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages habe der Kläger weder über eine erforderliche Mehrheit der Stimmen noch über eine umfassende Sperrminorität und somit nicht über die Rechtsmacht verfügt, maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft zu nehmen. Die Vereinbarung vom 10.01.2012 über die Stimmbindung sei schriftlich mit einer Frist von zwei Monaten zum Monatsende kündbar und lasse das Recht zu einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund unberührt. Wie das BSG ausdrücklich bestätigt habe, sei die bloße Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich, so lange es nicht wirksam abbedungen sei. Die tatsächlichen Verhältnisse würden im Zweifel den Ausschlag geben, allerdings nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Eine bloße "Schönwetter-Selbstständigkeit" scheide aus. Es könnten auch anderweitige Gesellschafterbeschlüsse rechtlich wirksam gefasst werden. Eine Vereinbarung zur Stimmrechtsvereinbarung, sofern sie im Widerspruch zum Gesellschaftsvertrag stehe, sei nicht anders zu bewerten als eine vom Gesellschaftsvertrag abweichende praktische Handhabung. In beiden Fällen bleibe die im Gesellschaftsvertrag verankerte Rechtsmacht unangetastet. Der außerhalb des Gesellschaftsvertrags geschlossene Stimmbindungsvertrag habe generell nur schuldrechtliche Wirkung zwischen den Parteien und bewirke bei einer abredewidrig abgegebenen Stimme keinen Mangel des Gesellschafterbeschlusses.

12

Im Übrigen erhalte der Kläger nach dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag einen vom Gewinn und Verlust der Gesellschaft unabhängiges monatliches Festgehalt sowie einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen. Auch dies spreche für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses.

13

Der Beklagte beantragt,

14

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Trier vom 27.11.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Der Kläger trägt vor,

18

auch nach der Rechtsprechung des BSG sei das Vertragsverhältnis Grundlage der Beurteilung, wie es im Rahmen des tatsächlich Zulässigen vollzogen werde. Grundlage bildeten die getroffenen Vereinbarungen und die sich daraus ergebende Rechtsmacht. Dazu zähle auch die Stimmrechtsbindung, die wirksam und verbindlich geschlossen sei. Die Entscheidung des BSG vom 29.08.2012 belege, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich sei, so lange es nicht wirksam abbedungen worden sei. Die getroffene Vereinbarung aller Gesellschafter, ihre Stimmrechte nur abgestimmt, somit einstimmig auszuüben, bewirke, dass eine Beschlussfassung ohne die Zustimmung des Klägers ausgeschlossen sei. Nach allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Auffassung seien die Rechte aus einer solchen Vereinbarung klage- und vollstreckungsweise durchsetzbar. Selbst die Möglichkeit der Verhinderung einer anredewidrigen Stimmabgaben im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzes sei anerkannt. Deshalb sei damit eine Rechtsmacht verbunden, welche die Beklagte ignoriere. Die Stimmbindung aller Gesellschafter entfalte auch körperschaftsrechtliche Wirkung, wobei sowohl der Bundesgerichtshof (BGH) als auch die von der Beklagten hierzu zitierte Kommentarliteratur anderer Auffassung als die Beklagte seien.

19

Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen und den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet, da das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben hat.

21

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form-und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft, damit zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Denn das Sozialgericht hat im Gerichtsbescheid vom 27.11.2013 zu Recht die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Der Kläger unterliegt aufgrund seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.01.2010 nicht der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung.

22

Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger mit Schreiben vom 12.07.2010 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

23

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen im streitgegenständlichen Zeitraum in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 1 Satz. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)), wobei im vorliegenden Fall keine Versicherungspflicht in der Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung besteht, und von der Beklagten auch nicht festgestellt ist.

24

Entscheidend ist demnach das Bestehen einer "Beschäftigung". Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in der ab 01.01.1999 geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (BSG, Urteil vom 28. September 2011, B 12 KR 17/09 R mwN).

25

Auf dieser Grundlage ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis zu dieser steht, wenn er als Geschäftsführer tätig wird. Dies ist grundsätzlich neben seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung möglich. Allerdings schließt ein rechtlich maßgeblicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund der Gesellschafterstellung ein Beschäftigungsverhältnis in diesem Sinne aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2006, Az.: B 12 KR 30/04 – juris). Eine derartige Stellung liegt regelmäßig dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Anteil von mindestens 50 % des Stammkapitals inne hat, was hier beim Kläger nicht der Fall ist.

26

Aber auch dort, wo die Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers an einer GmbH für deren Beherrschung nicht ausreicht, insbesondere dann, wenn die jeweiligen Kapitalanteile der Gesellschafter-Geschäftsführer unter 50 % liegen, kann sich aus den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages ergeben, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer mit seinem Anteil alle ihm nicht genehmen Entscheidungen verhindern kann, etwa, wenn sein Anteil mehr als ein Drittel beträgt und für Entscheidungen der Gesellschafterversammlung eine Zweidrittelmehrheit vorgeschrieben ist. Im vorliegenden Fall beträgt der Gesellschaftsanteil des Klägers zwar weniger als 1/3, nämlich nur 25,2 %. Dennoch ist eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Geschäftsführers zu verneinen, wenn er nach der Gestaltung seiner vertraglichen Beziehungen zur GmbH bzw. der tatsächlichen Durchführung des Vertrages hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei ist. Die gesellschaftsrechtliche Abhängigkeit kann durch den tatsächlich eingeräumten Einfluss aufgehoben werden (vgl. BSG, Urteil vom 08.08.1990, Az.: 11 RAr 77/89 – juris).

27

Im vorliegenden Fall könnten zwar einzelne Elemente des Geschäftsführervertrages für eine abhängige Beschäftigung sprechen, etwa das Festgehalt, dessen Fortzahlung im Krankheitsfall und der vereinbarte Urlaubsanspruch. Dennoch überwiegen die Elemente, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen. Dies hat das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid eingehend dargelegt. Der Senat nimmt hierauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

28

Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren bietet zu einer anderen Betrachtungsweise keine Veranlassung. Denn die vom Kläger mit seinen Mitgesellschaftern getroffene Stimmrechtsbindungsvereinbarung vom 10.01.2012, die für die davor liegende Zeit formlos vereinbart war, führt faktisch zu einem Einstimmigkeitsprinzip in der Gesellschafterversammlung, so dass dem Kläger auch dort gegen seinen Willen keine Weisungen erteilt werden können. Aufgrund der Stimmrechtsbindungsvereinbarung bestand unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben im Rahmen des Zumutbaren für die übrigen Gesellschafter der Beigeladenen zu 1) das Verbot, dem Kläger die durch Vertrag gewährten Vorteile (Sperrminorität) wieder zu entziehen oder wesentlich zu schmälern, und die Pflicht, alles zu unterlassen, was den Vertragszweck gefährden oder vereiteln könnte (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 16. September 1999 – 1 U 137/98 –, juris). Deshalb sind solche Verträge nicht nur wirksam, sondern im Rahmen des § 894 ZPO auch vollstreckbar (BGH, NJW 1967, 1963 ff; Reuter in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Rdn. 37 m.w.N.) und entgegen der Ansicht der Beklagten u.U. auch gesellschaftsrechtlich bindend, wenn sie -wie hier- von allen Gesellschaftern gemeinsam geschlossen sind, so dass ein der Abrede entgegenstehende Gesellschafterbeschluss u.U. anfechtbar sein kann (vgl. BGH, NJW 1983, 1910; Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Auflage 2013, Rdn. 118 mwN). Solche Vereinbarungen können daher sogar bei Fremdgeschäftsführern, je nach Fallgestaltung, maßgeblich für die Einstufung als Selbständige sein (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.11.2012, Az.: L 1 KR 355/12 B ER –, juris; a.A. für eine nur mündliche Stimmrechtsbindungsvereinbarung LSG Hamburg, Urteil vom 07.08.2013, Az.: L 2 R 31/10 –, juris), erst Recht bei Gesellschafter-Geschäftsführern.

29

Wie das BSG in der von der Beklagten vorlegten Entscheidung vom 29.08.2012 (SozR 4-2700 § 7 Nr. 17) entschieden hat, ist maßgeblich für die wertende Zuord-nung einer Tätigkeit zum Typus der Beschäftigung das Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen wird. Tatsächlich vollzogen wird vom Kläger und seinen Mitgesellschaftern in der Beteiligten zu 1) der Gesellschaftsvertrag in seiner Ausgestaltung aufgrund der Stimmrechtsbindungsvereinbarung nach dem Einstimmigkeitsprinzip, so dass dies für eine selbständige Tätigkeit spricht, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat. Durch das vom Kläger eingebrachte Eigenkapital in beträchtlicher Höhe trägt der Kläger auch am Erfolg der Gesellschaft ein relevantes Unternehmerrisiko, was seinen Urlaubsanspruch und sein erfolgsunabhängiges Monatseinkommen in seiner Bedeutung relativiert.

30

Dies mag anders sein, falls seitens eines oder mehrerer Gesellschafter die Stimmrechtsbindungsvereinbarung gekündigt wird. Da dies bislang aber nicht geschehen ist, ist von den tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum auszugehen. Danach unterlag und unterliegt der Kläger hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung keinem Weisungsrecht eines Arbeitgebers, ist also nicht abhängig beschäftigt.

31

Nach alledem war ist Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

32

Die Kostenentscheidung stützt sich § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

33

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG sind nicht erkennbar.

34

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. Mai 2014 und des Sozialgerichts Gießen vom 4. Juni 2013 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen Beschäftigung versicherungspflichtig ist.

2

Die Beigeladene zu 1. betreibt in der Rechtsform einer GmbH eine Unternehmensberatung. Am Stammkapital in Höhe von 100 000 Euro war der Kläger mit 30 000 Euro, sein Mitgesellschafter B mit 70 000 Euro beteiligt. Im Gesellschaftsvertrag vom 11.9.2006 wurden keine Regelungen zur Abstimmung in der Gesellschafterversammlung getroffen. Sowohl der Kläger als auch sein Mitgesellschafter waren als alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Am 16.1.2007 schlossen der Kläger und die Beigeladene zu 1. einen "Geschäftsführer-Anstellungsvertrag", den für die GmbH beide Gesellschafter unterzeichneten. Danach erhielt der Kläger für seine Tätigkeit eine jährliche, feste Vergütung, die in gleichen monatlichen Teilbeträgen am Ende eines Monats an ihn ausgezahlt wurde. Zusätzlich wurde eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsteilbetrages gezahlt. Wegen der Gründungssituation verzichtete der Kläger bis 1.3.2007 auf sein Monatsgehalt. Darüber hinaus gewährte er der Beigeladenen zu 1. eine Stundung des Gehalts, bis diese einen Umsatz von ca 500 000 Euro erzielte (längstens jedoch bis 31.12.2007). Der gestundete Betrag wurde sodann in voller Höhe mit dem Gehalt des Folgemonats fällig und mit 5 % pa verzinst. Der Kläger hatte einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen und einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von einem Jahr. Die Beigeladene zu 1. konnte den Vertrag bei Vorliegen eines wichtigen Grundes außerordentlich fristlos kündigen.

3

Die Beteiligten trafen darüber hinaus eine schriftliche Vereinbarung ua folgenden Inhalts:

        

§ 2 Geschäftsführerbefugnis
[…]

        

(3) Der Geschäftsführer hat ein Veto-Recht bei der Bestimmung weiterer Geschäftsführer als die beiden Geschäftsführer-Gesellschafter.

        

(4) Der Geschäftsführer ist wegen seiner fachlichen Kompetenz für die weitere Entwicklung und den Bestand der Gesellschaft von enormer Bedeutung und erhält daher ein Veto-Recht bei grundsätzlichen Entscheidungen, die die Geschäfte der GmbH, insbesondere Änderungen und Geschäftserweiterungen betreffen.

4

Auf den Antrag des Klägers stellte die Beklagte (Deutsche Rentenversicherung Bund) mit Bescheid vom 28.4.2011 fest, dass der Kläger seine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1. im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung seit 1.3.2007 bestehe. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 18.10.2011; Berichtigungsbescheid vom 12.6.2012).

5

Das SG hat die vorgenannten Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger seit 1.3.2007 nicht versicherungspflichtig in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sei (Urteil vom 4.6.2013).

6

Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Kläger sei als Selbstständiger für die Beigeladene zu 1. tätig. Er könne als Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen und Beschlüsse der Gesellschafterversammlung abwenden und die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich beeinflussen. Zwar habe sein Mitgesellschafter aufgrund seiner höheren Einlage die Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung. Der Kläger verfüge jedoch über ein Veto-Recht bei weiteren Geschäftsführerbestellungen und bei grundsätzlichen Entscheidungen, die die Geschäfte der GmbH, insbesondere Änderungen und Geschäftserweiterungen betreffen. Dieses Veto-Recht komme einem Stimmbindungsvertrag gleich und erstrecke sich auf alle wichtigen Entscheidungen der Gesellschaft. Der Kläger sei zudem als Geschäftsführer in seiner Vertretungsbefugnis nicht beschränkt und handele deshalb im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb weisungsfrei (Urteil vom 15.5.2014).

7

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 SGB IV. Der Kläger sei für die Beigeladene zu 1. in abhängiger Beschäftigung tätig gewesen. Die Auffassung des LSG, wonach er alle ihm nicht genehmen Beschlüsse und Weisungen habe abwenden können, stehe nicht im Einklang mit höchstrichterlicher Rechtsprechung. Das Veto-Recht sei ebenso wie eine außerhalb des Gesellschaftsvertrages geschlossene, jederzeit kündbare Stimmbindungsvereinbarung grundsätzlich nicht geeignet, eine sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebende, nicht wirksam abbedungene Rechtsmacht zu negieren. Die Stimmrechtsvereinbarung greife nicht in Konfliktsituationen, insbesondere nicht im Fall der Abberufung des Minderheitsgesellschafters als Geschäftsführer. Schuldrechtlich vereinbart sei ein Veto-Recht nicht gegen sämtliche Entscheidungen der Gesellschafterversammlung, sondern lediglich gegen solche, die die geschäftliche Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. beträfen. Insbesondere sei die Abberufung von Geschäftsführern vom Veto-Recht nicht erfasst.

8

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. Mai 2014 und des Sozialgerichts Gießen vom 4. Juni 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten (Deutsche Rentenversicherung Bund) ist begründet.

12

Zu Unrecht hat das LSG das Bestehen der Rentenversicherungspflicht des Klägers sowie die Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen Beschäftigung in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - eine GmbH - verneint. Die der Klage stattgebenden gegenteiligen Urteile der Vorinstanzen waren aufzuheben und die Klage abzuweisen, weil die angefochtenen Bescheide revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sind.

13

1. Auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls - ausgehend von den vom LSG für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - ist für die Zeit vom 1.3.2007 bis 15.5.2014 (= Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG) ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. anzunehmen mit der Folge, dass der Kläger versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung war.

14

Das LSG ist in seinem Urteil zwar zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung von - zu Versicherungspflicht führender - Beschäftigung und nicht versicherungspflichtiger selbstständiger Tätigkeit aufgestellten Grundsätzen ausgegangen. Danach enthält der zwischen der Beigeladenen zu 1. und dem Kläger geschlossene Anstellungsvertrag Regelungen, wie sie für ein Arbeitsverhältnis typisch sind (dazu a). Eine davon abweichende Beurteilung der Tätigkeit als versicherungspflichtige Beschäftigung ergibt sich insbesondere nicht schon daraus, dass der Kläger der Beigeladenen zu 1. im ersten Jahr seiner Tätigkeit (ab dem 1.3.2007) das ihm geschuldete Monatsgehalt stundete und es dieser als Darlehen gewährte (dazu b). Dem LSG kann allerdings im Weiteren nicht darin gefolgt werden, dass die im Falle des Klägers für eine selbstständige Tätigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts sprechenden Indizien aus sonstigen Gründen überwögen; seine Annahme, der Kläger habe als Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen und Beschlüsse der Gesellschafterversammlung abwenden und die Geschicke der Gesellschaft deshalb maßgeblich beeinflussen können, trägt nicht, weil der Kläger lediglich über ein ihm in seinem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag eingeräumtes Veto-Recht verfügte und deshalb keine vergleichbare Stellung innehatte, wie sie derjenigen eines mit einer gesellschaftsvertraglichen Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführers entspricht (dazu c).

15

a) In dem hier streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 SGB III). Allgemeiner gesetzlicher Ausgangspunkt für die Beurteilung des Vorliegens einer Beschäftigung ist § 7 Abs 1 S 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs 1 S 2 SGB IV).

16

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 14; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN).

17

Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).

18

Nach diesen allgemeinen rechtlichen Maßstäben sprechen die äußeren Umstände hier für eine abhängige Beschäftigung. Ausgehend von den Feststellungen des LSG enthält der Anstellungsvertrag vom 16.1.2007 zahlreiche Elemente, wie sie für ein Arbeitsverhältnis typisch und für das Gesamtbild einer Beschäftigung wesentlich mitbestimmend sind. Der Kläger erhielt danach für seine Tätigkeit eine jährliche, feste Vergütung, die in gleichen monatlichen Teilbeträgen am Ende eines Monats an ihn ausgezahlt wurde. Zusätzlich wurde eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsteilbetrages gezahlt. Auch hatte der Kläger einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen und einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von einem Jahr. Damit liegen typische Elemente eines Arbeitsverhältnisses iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV vor. Dass der Kläger vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit war, spricht - wie das BSG bezogen auf Geschäftsführer wiederholt entschieden hat(vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 27 mwN) - nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.

19

b) Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger im ersten Jahr seiner Tätigkeit das ihm ab dem 1.3.2007 geschuldete Monatsgehalt der Beigeladenen zu 1. stundete und es ihr als Darlehen gewährte. Aufgrund dieser Umstände ist nicht schon die Annahme gerechtfertigt, dass der Kläger ein Unternehmerrisiko trug, das bei der Beurteilung des Gesamtbildes seiner Tätigkeit in seinem Sinne entscheidend ins Gewicht fiele.

20

Zwar ist nach der Rechtsprechung des Senats (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - Juris RdNr 24; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, dass eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann hinreichendes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 28.9.2011, aaO).

21

Die Stundung bzw Darlehensgewährung des Klägers begründet kein solches mit seiner vorliegend zu beurteilenden Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. verbundenes Unternehmerrisiko. Der Senat hat bereits in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass auch Darlehen des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber nicht gänzlich ungewöhnlich, sondern vor allem dann anzutreffen sind, wenn der Arbeitnehmer zur Überwindung wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Arbeitgebers beitragen will (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 60; zu einem - im Ergebnis ebenfalls nicht zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit führenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen vgl auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f). So verhielt es sich auch hier. Der Beigeladenen zu 1. sollte ausgehend von den Feststellungen des LSG nämlich "wegen der Gründungssituation" Liquidität verschafft werden. Auch sollte das Darlehen nur befristet gewährt werden, solange bis ein Umsatz von ca 500 000 Euro erzielt wurde, längstens bis 31.12.2007. Danach sollte der gestundete Betrag in voller Höhe mit dem Gehalt des Folgemonats fällig sein und mit 5 % pa verzinst werden. Die Darlehensgewährung war damit gerade nicht fester Bestandteil des Vertragsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1., sondern diente der Beigeladenen zu 1. als Unterstützung lediglich in der Anfangsphase der Geschäftstätigkeit (anders für den für Arbeitsverträge untypischen Fall, dass ein Darlehen nicht auf den Fall der Not oder wirtschaftlicher Schwierigkeiten der GmbH beschränkt, sondern fester Bestandteil des Vertragsverhältnisses ist BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 60). Unmittelbar im Anschluss daran erhielt der Kläger auch wieder sein monatliches festes Gehalt als Gegenleistung für den Einsatz seiner Arbeitskraft.

22

c) Entgegen der Ansicht des LSG lässt sich die Selbstständigkeit des Klägers in seiner streitigen Tätigkeit schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt bejahen, dass es ihm jederzeit möglich gewesen wäre, ihm nicht genehme Weisungen durch die Gesellschafterversammlung abzuwenden. Derartige Befugnisse ergaben sich weder aus seiner Stellung als Mitgesellschafter der Beigeladenen zu 1. allgemein (dazu im Folgenden aa) noch aus dem ihm in seinem Anstellungsvertrag als Geschäftsführer eingeräumten Veto-Recht (dazu bb).

23

aa) Der Kläger verfügte als Minderheitsgesellschafter der Beigeladenen zu 1. in der Gesellschafterversammlung nicht über eine vergleichbare Stellung, wie sie ein - mit einer im Gesellschaftsvertrag begründeten - Sperrminorität ausgestatteten Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer innehat.

24

Ist ein GmbH-Geschäftsführer - wie hier der Kläger - zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Hinzu kommen die Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung. Entscheidend für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ist dabei, ob die rechtliche Möglichkeit besteht, als beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN; zuletzt BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 25).

25

Der Kläger verfügte als Gesellschafter der Beigeladenen zu 1. nur über einen Anteil am Stammkapital von 30 % und damit angesichts seines 70 % der Anteile haltenden Mitgesellschafter B nicht über die Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung. Da der Gesellschaftsvertrag keine Regelungen zur Abstimmung in der Gesellschafterversammlung enthielt, galt § 47 Abs 1 iVm Abs 2 GmbHG, wonach die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen durch Beschlussfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen erfolgten. Zugleich gaben die Regelungen des Gesellschaftsvertrags keine Einstimmigkeit für Gesellschafterbeschlüsse vor, die dem Kläger als Minderheitsgesellschafter eine Sperrminorität vermittelt hätte.

26

bb) Dass dem Kläger darüber hinaus in seinem Anstellungsvertrag mit der Beigeladenen zu 1. ein Veto-Recht bei der Bestimmung weiterer Geschäftsführer als die beiden Geschäftsführer-Gesellschafter und bei grundsätzlichen Entscheidungen, die die Geschäfte der GmbH, insbesondere Änderungen und Geschäftserweiterungen betreffen, eingeräumt wurde, rechtfertigt keine Gleichstellung mit einem mit Sperrminorität ausgestatteten Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer im Sinne der unter aa) dargestellten allgemeinen Grundsätze.

27

Es kann insoweit dahinstehen, ob dieses Veto-Recht des Klägers im Verhältnis zum Mitgesellschafter B. wirksam vereinbart wurde und - bejahendenfalls - ob das Veto-Recht inhaltlich umfassend ausgestaltet war (dazu <1>). Denn das dem Kläger nur schuldrechtlich als Bestandteil des Anstellungsvertrags eingeräumte Veto-Recht teilte das rechtliche Schicksal des Anstellungsvertrags und war insoweit nicht "kündigungsfest" im Sinne uneingeschränkt damit verbundener Einflussmöglichkeiten (dazu <2>). Die Frage, ob Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw Gesellschaftsvertragsrechtslage (überhaupt) für die Entscheidung über den sozialversicherungsrechtlichen Status bedeutsam sind, und - falls ja - mit welchem Indizcharakter und welcher Gewichtung im Rahmen der insoweit zu treffenden Abwägung aller Umstände, beurteilt sich im Übrigen ohne strikte "Parallelwertung" allein im vorliegend thematisch einschlägigen - sozialversicherungsrechtlichen - Kontext des § 7 Abs 1 SGB IV(dazu näher <3>).

28

<1> Ob dem Kläger ein Veto-Recht für Abstimmungen in Gesellschafterversammlungen überhaupt wirksam eingeräumt wurde, muss der Senat nicht entscheiden. Zwar können solche Vereinbarungen der Gesellschafter grundsätzlich auch außerhalb des - nach § 2 Abs 1 GmbHG notarieller Beurkundung unterliegenden - Gesellschaftsvertrags schriftlich getroffen und das Stimmrecht eines Mehrheitsgesellschafters formlos, dh ohne notarielle Beurkundung eingeschränkt werden<1> Ob dem Kläger ein Veto-Recht für Abstimmungen in Gesellschafterversammlungen überhaupt wirksam eingeräumt wurde, muss der Senat nicht entscheiden. Zwar können solche Vereinbarungen der Gesellschafter grundsätzlich auch außerhalb des - nach § 2 Abs 1 GmbHG notarieller Beurkundung unterliegenden - Gesellschaftsvertrags schriftlich getroffen und das Stimmrecht eines Mehrheitsgesellschafters formlos, dh ohne notarielle Beurkundung eingeschränkt werden( zur Zulässigkeit vgl zB BGH Urteil vom 27.10.1986 - II ZR 240/85 - NJW 1987, 1890 sowie vom 7.2.1983 - II ZR 25/82 - ZIP 1983, 432; vgl auch Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl 2015, § 3 RdNr 58, § 47 RdNr 38 jeweils mwN ). Allerdings muss eine solche wirksame schuldrechtliche Beschränkung des Stimmrechts regelmäßig durch eine Vereinbarung des Begünstigten mit dem Stimmrechtsinhaber erfolgen (vgl Schmidt in Scholz, GmbHG, 9. Aufl 2002, § 47 RdNr 36 und 38; Roth, aaO, § 47 RdNr 38); der insoweit durch die zusätzlichen Befugnisse des Klägers betroffene Mitgesellschafter B (= Stimmrechtsinhaber) war indessen nicht Vertragspartner des Klägers, vielmehr war das Veto-Recht des Klägers Bestandteil des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. als seiner Arbeitgeberin geschlossenen Anstellungsvertrages. Darauf, ob durch die Vereinbarung der Stimmrechtsbindung im Anstellungsvertrag gleichwohl eine wirksame Verpflichtung auch des betroffenen Mitgesellschafters B zustande kam, muss - aus noch unter (2) und (3) darzustellenden Gründen - indessen nicht näher eingegangen werden (vgl ebenso offenlassend für ähnliche Konstellationen BGH Urteil vom 7.2.1983 - II ZR 25/82 - Juris RdNr 8; sowie vom 27.10.1986 - II ZR 240/85 - Juris RdNr 15; zur dabei gebotenen Differenzierung zwischen Anstellungsvertrag und Gesellschaftsvertrag vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 15). Gleichermaßen kann - ginge man hier von der Wirksamkeit der Stimmrechtsvereinbarung allgemein aus - offenbleiben, ob dem Kläger das Veto-Recht des Klägers umfassend oder nur eingeschränkt auf einzelne Beschlussinhalte der Gesellschafterversammlung erteilt wurde (zum Nichtausreichen einer nur auf einzelne Gegenstände beschränkten Rechtsmacht zur Verhinderung von Weisungen der Gesellschafterversammlung für die Annahme selbstständiger Tätigkeit vgl bereits BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 8 Leitsatz und S 16).

29

<2> Eines Eingehens auf die unter <1> angesprochenen Fragen bedarf es deshalb nicht, weil ein Veto-Recht in der Gesellschafterversammlung, das dem Minderheitsgesellschafter - wie hier dem Kläger - außerhalb des Gesellschaftsvertrages nur schuldrechtlich eingeräumt wurde und zumindest außerordentlich kündbar ist, auch im Falle gesellschaftsrechtlicher Unbedenklichkeit nicht geeignet ist, bei einem Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer den sozialversicherungsrechtlichen Status als nicht versicherungspflichtiger Selbstständiger zu begründen. Das Veto-Recht des Klägers teilt als Inhalt des Anstellungsvertrages nämlich das rechtliche Schicksal dieses Vertrages. Nach Kündigung des Anstellungsvertrages entfällt daher zugleich auch das Veto-Recht und die damit verbundene, allein in diesem (einfach-schriftlichen) Vertrag eingeräumte Einflussmöglichkeit des Klägers als Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung. Das Veto-Recht war als Teil des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages - jedenfalls aus wichtigem Grund - durch den Mitgesellschafter kündbar, ohne dass der Kläger dies hätte verhindern können <2> Eines Eingehens auf die unter <1> angesprochenen Fragen bedarf es deshalb nicht, weil ein Veto-Recht in der Gesellschafterversammlung, das dem Minderheitsgesellschafter - wie hier dem Kläger - außerhalb des Gesellschaftsvertrages nur schuldrechtlich eingeräumt wurde und zumindest außerordentlich kündbar ist, auch im Falle gesellschaftsrechtlicher Unbedenklichkeit nicht geeignet ist, bei einem Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer den sozialversicherungsrechtlichen Status als nicht versicherungspflichtiger Selbstständiger zu begründen. Das Veto-Recht des Klägers teilt als Inhalt des Anstellungsvertrages nämlich das rechtliche Schicksal dieses Vertrages. Nach Kündigung des Anstellungsvertrages entfällt daher zugleich auch das Veto-Recht und die damit verbundene, allein in diesem (einfach-schriftlichen) Vertrag eingeräumte Einflussmöglichkeit des Klägers als Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung. Das Veto-Recht war als Teil des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages - jedenfalls aus wichtigem Grund - durch den Mitgesellschafter kündbar, ohne dass der Kläger dies hätte verhindern können (im Ergebnis - allgemein - ebenso: BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 81 sowie BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 26). Der Anstellungsvertrag des Klägers war vorliegend von der Beigeladenen zu 1. aus wichtigem Grund schon nach § 626 BGB kündbar(zu den Voraussetzungen dafür vgl BGH Urteil vom 28.10.2002 - II ZR 353/00 - Juris RdNr 7 ff). Zugunsten der Beigeladenen zu 1. war ein solches außerordentliches Kündigungsrecht hier indessen sogar in § 8 Abs 2 des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages ausdrücklich vorgesehen. Die Bestellung eines Geschäftsführers kann darüber hinaus aus wichtigem Grund nach § 38 Abs 2 GmbHG widerrufen werden(zur rechtlich unabhängig voneinander möglichen Beendigung von Organ- und Anstellungsverhältnis nach den jeweils dafür geltenden Vorschriften vgl BGH Urteil vom 28.10.2002 - II ZR 146/02 - Juris RdNr 9; zur dabei zudem ausgeschlossenen Mitwirkung des betroffenen Gesellschafter-Geschäftsführers an der Beschlussfassung über Abberufung als Geschäftsführer bzw über die Kündigung seines Anstellungsverhältnisses vgl BGH Urteil vom 21.4.1969 - II ZR 200/67 - Juris RdNr 25; BGHZ 86, 177 f; BGH Urteil vom 27.10.1986 - II ZR 74/85 - Juris RdNr 10).

30

<3> Die vorstehend dargestellten gesellschaftsrechtlichen Ausführungen zur Beendigungsmöglichkeit von einem Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer außerhalb des Gesellschaftsvertrages eingeräumten Rechten haben im Fall des Klägers gleichermaßen Auswirkungen auf die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status.<3> Die vorstehend dargestellten gesellschaftsrechtlichen Ausführungen zur Beendigungsmöglichkeit von einem Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer außerhalb des Gesellschaftsvertrages eingeräumten Rechten haben im Fall des Klägers gleichermaßen Auswirkungen auf die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status.

31

Ob Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw Gesellschaftsvertragsrechtslage (überhaupt) für die Statusentscheidung bedeutsam sind, und - falls ja - mit welchem Indizcharakter und welcher Gewichtung im Rahmen der insoweit zu treffenden Abwägung aller Umstände, beurteilt sich ohne strikte "Parallelwertung" allein im vorliegend thematisch einschlägigen - sozialversicherungsrechtlichen - Kontext des § 7 Abs 1 SGB IV. Dass eine Kündigung des Veto-Rechts in der streitigen Zeit tatsächlich nicht erklärt wurde, ist deshalb ohne Bedeutung. Bei einem Konfliktfall zwischen den Gesellschaftern wäre nämlich jedenfalls allein die dem jeweils anderen Gesellschafter aufgrund des Kündigungsrechts zustehende Rechtsmacht zum Tragen gekommen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen wieder eine Weisungsunterworfenheit des Klägers unter die Beigeladene zu 1. bestand. Eine solche Situation ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände aber nicht hinnehmbar. So hat der Senat bereits in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht bzw fehlender Versicherungspflicht wegen Selbstständigkeit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (so schon für Familien-Unternehmen zuletzt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29-30; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32; BSG SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16; aus der früheren Rspr: BSG SozR Nr 6 zu § 168 RVO; BSG SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; BSG SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103). Gerade dieses Postulat der Vorhersehbarkeit ist es, das das Recht der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung prägt und von Wertungen des - an ganz anderen praktischen Bedürfnissen ausgerichteten - Gesellschaftsrechts unterscheidet (vgl dazu ausführlich BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

32

Vor diesem Hintergrund ist sozialversicherungsrechtlich bedeutsam, dass im Gesellschaftsvertrag eingeräumte Minderheitenrechte eine ganz andere Stellung des Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers vermitteln als im vorliegenden Fall. Die Anforderungen an die Aufhebung gesellschaftsvertraglicher Regelungen sind nämlich ungleich höher als bei einer bloßen "einfachen" Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund: Der Beschluss über eine Änderung des Gesellschaftsvertrages muss nach § 53 Abs 2 GmbHG notariell beurkundet werden und bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen. Wer als Minderheitsgesellschafter über eine solche ihm im Gesellschaftsvertrag eingeräumte Sperrminorität verfügt, kann sich deshalb im Konfliktfall gegen eine Entziehung seiner Sperrminorität wehren und diese nicht - insbesondere nicht anlassbezogen - allein schon durch die Ausübung eines fremden Kündigungsrechts wieder verlieren. Hinzu kommt, dass der Gesellschaftsvertrag und spätere Änderungen zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden sind (§§ 8, 54 GmbHG). Nur im Gesellschaftsvertrag selbst vereinbarte Minderheitenrechte können deshalb für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Gesamtbildes ihrer Tätigkeit verlässlich bedeutsam sein, soweit daraus eine Selbstständigkeit hergeleitet werden soll (zu den dabei sozialversicherungsrechtlich maßgebenden Erwägungen vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32 mwN).

33

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Juni 2014 geändert.

Auf die Berufung der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Mai 2013 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung betrifft. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Der Klägerin sind für alle Rechtszüge 3/4 ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten, und zwar für das Klageverfahren von der Beklagten und für das Berufungs- und Revisionsverfahren von der Beigeladenen zu 2.

Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob die Klägerin wegen Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) versicherungspflichtig ist.

2

Die Klägerin ist seit 1984 bei der beigeladenen GmbH (Beigeladene zu 1.) - einem Unternehmen mit ca 60 Mitarbeitern und vier Filialen, dessen Geschäftsgegenstand die Veranstaltung und Vermittlung von Reisen ist - als gelernte Reiseverkehrskauffrau tätig. Nachdem zunächst der Ehemann der Klägerin Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. war, hielt sie aufgrund eines notariell beurkundeten "Schenkungs- und Übertragungsvertrag(es) GmbH-Anteil" vom 18.12.2008 40 % der Gesellschaftsanteile; ihr Ehemann, der zugleich alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist, hielt seither 60 % der Anteile. Nach dem ebenfalls in dieser Form geschlossenen Gesellschaftsvertrag vom selben Tag hat der Ehemann der Klägerin für die Dauer seiner Eigenschaft als GmbH-Gesellschafter das unentziehbare (Sonder-)Recht, Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. zu sein (§ 14 Ziff 5 Gesellschaftsvertrag). Beschlüsse der GmbH werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst; Beschlüsse über die Auflösung der Gesellschaft sowie die Änderung des Unternehmensgegenstandes sind einstimmig zu fassen (§ 15 Ziff 5). In dem später - am 5.1.2009 - abgeschlossenen Anstellungsvertrag, der das "bestehende Arbeitsverhältnis" der Klägerin vertraglich fixieren soll, wird der Klägerin die Aufgabe einer alleinvertretungsberechtigten, mit Prokura ausgestatteten "leitenden Angestellten" in den Tätigkeitsbereichen "Leitung Finanzbuchhaltung und Personalbuchhaltung, Leitung Finanzen im Allgemeinen, Vertretung der Geschäftsführung" übertragen. Im Anstellungsvertrag sind ua eine Mindestarbeitszeit von 50 Wochenstunden, eine monatliche Vergütung von 5000 Euro, 30 Tage Jahresurlaub sowie sechs Wochen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vereinbart.

3

Am 30.12.2008 schlossen die Klägerin und ihr Ehemann einen (einfach-)schriftlichen "Stimmbindungsvertrag zwischen dem Ehepaar R.". Dieser hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"Vorbemerkung …

3.    

Frau G. R. soll aus erbrechtlicher Sicht mindestens 50 % der Geschäftsanteile an der Gesellschaft halten, eine entsprechende Übertragung war im Dezember 2008 aus erbschaftsteuerlicher Sicht jedoch nicht sinnvoll. Gesellschaftsrechtlich soll Frau R. jedoch bereits heute so gestellt werden, als ob sie bereits mit mindestens 50 % an der Gesellschaft beteiligt wäre.

…       

        

§ 1

Einheitliche Stimmabgabe

Die Parteien werden ab sofort bei sämtlichen Gesellschafterbeschlüssen der Gesellschaft übereinstimmend mit "Ja" oder mit "Nein" stimmen oder sich übereinstimmend der Stimme enthalten.

§ 2 Pflichten Festlegung des Abstimmungsverhaltens

1.    

Bei jedem - insbesondere auch bei einem gesellschaftsvertragsändernden - Gesellschafterbeschluss hat Frau R. bei der Stimmabgabe die Stimmführerschaft. Herr R. ist verpflichtet, gemäß dem Abstimmungsverhalten von Frau R. die ihm aus den von ihm mittelbar oder unmittelbar gehaltenen Gesellschaftsanteilen zustehenden Stimmen abzugeben.

2.    

Herr R. bevollmächtigt darüber hinaus Frau R., die ihm aus den von ihm mittelbar oder unmittelbar gehaltenen Gesellschaftsanteilen zustehenden Stimmrechte bei jedem - insbesondere auch bei einem gesellschaftsvertragsändernden - Gesellschafterbeschluss in seinem Namen und für ihn verbindlich auszuüben.

§ 3 Dauer

1.    

Der Vertrag läuft auf unbestimmte Zeit und endet automatisch, sobald Frau R. mit mindestens 50 % Geschäftsanteilen mittelbar oder unmittelbar an der Gesellschaft beteiligt ist; die ordentliche Kündigung ist ausgeschlossen. Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt hiervon unberührt.

…"    

        
4

Mit Bescheiden vom 17.3.2009 stellte die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle - nach Abstimmung mit dem regionalen Rentenversicherungsträger - gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. (GmbH) fest, dass die Klägerin in ihrer für die GmbH ausgeübten Tätigkeit ab 18.12.2008 wegen Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung der Versicherungspflicht unterliege; sie könne aufgrund ihrer Kapitalbeteiligung von nur 40 % keinen wesentlichen Einfluss auf die Entscheidungen der GmbH ausüben. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2009 zurück.

5

Das SG hat der von der Klägerin erhobenen Klage stattgegeben, die vorgenannten Bescheide aufgehoben und in Bezug auf die Klägerin festgestellt, "dass keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht" (Urteil vom 29.5.2013).

6

Das LSG hat die nur vom beigeladenen Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2.) eingelegte Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, es werde festgestellt, "dass die Klägerin in ihrer bei der Beigeladenen zu 1. ausgeübten Tätigkeit als mitarbeitende Gesellschafterin und Prokuristin seit dem 30.12.2008 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt". Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte, die als Einzugsstelle entscheidungszuständig gewesen sei, habe die Tätigkeit der Klägerin als mitarbeitende Gesellschafterin und Prokuristin ab 30.12.2008 zu Unrecht als Beschäftigung gewertet. Zwar lägen auch Indizien für eine Beschäftigung vor, wie die Vereinbarungen im Anstellungsvertrag zeigten. Jedoch überwögen die für eine Selbstständigkeit der Klägerin sprechenden Gesichtspunkte. Wegen der Stimmbindungsvereinbarung verfüge sie über die "statusrelevante" Rechtsmacht, die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich zu beeinflussen und ihr nicht genehme Weisungen zu verhindern. Außerdem trage sie ein Unternehmerrisiko, weil sie wegen der Stimmbindungsvereinbarung Einfluss auf die Gewinnverteilung habe. Stimmbindungsvereinbarungen seien grundsätzlich rechtlich zulässig, insbesondere durch das GmbHG nicht verboten und unterlägen keinen besonderen Formvorschriften. Letzteres gelte, auch wenn es - wie hier - infolge der Stimmbindungsvereinbarung zu einer grundlegenden Verschiebung der gesellschaftsvertraglichen Rechtsmacht komme. Vereinbarungswidrig zustande gekommene Gesellschafterbeschlüsse seien mangelhaft und anfechtbar, wenn sich alle Gesellschafter der Bindung unterworfen hätten. Aufgrund ihrer Stimmführerschaft könne die Klägerin so nicht nur Weisungen an sich verhindern, sondern auch ihrem Ehemann Weisungen erteilen. Die hier bestehende Rechtsmacht gehe weit über die Einflussmöglichkeiten hinaus, die ein durch Gesellschafterbeschluss erklärter Weisungsverzicht oder eine widerrufliche Stimmbindungsvollmacht begründeten (Urteil vom 11.6.2014).

7

Mit ihrer Revision rügt die Beigeladene zu 2. eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Mitarbeitende Gesellschafter einer GmbH ohne Geschäftsführerfunktion, die über eine Kapitalbeteiligung von weniger als 50 % und nicht über eine Sperrminorität verfügten, seien nach der Rechtsprechung des BSG regelmäßig beschäftigt, weil sie nicht über die Rechtsmacht verfügten, Weisungen an sich zu verhindern. So liege der Fall auch hier, wie die die Klägerin betreffenden Teile des Gesellschaftsvertrages und des Anstellungsvertrages zeigten. Der außerhalb des Gesellschaftsvertrages geschlossene Stimmbindungsvertrag könne hieran nichts ändern, weil er die im Gesellschaftsvertrag festgelegten Rechtsmachtverhältnisse nicht verschieben könne. Die Klägerin sei wegen gesellschaftsrechtlicher Vorgaben nicht im Stande, unter Hinweis auf den Stimmbindungsvertrag den Entzug ihrer Prokura zu verhindern. Der Stimmbindungsvertrag bewirke allenfalls eine "Schönwetter-Selbstständigkeit", die für die vorausschauende sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht maßgebend sei. Der Stimmbindungsvertrag könne nachträglich geändert bzw gekündigt werden. Rechtsprechung des BGH stehe einer solchen Sichtweise nicht entgegen, stütze diese vielmehr.

8

Die Beigeladene zu 2. beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Juni 2014 und des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Mai 2013 aufzuheben, soweit es die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung betrifft, und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Stimmrechtsvereinbarung sei bei der Statusbeurteilung zu berücksichtigen.

11

Die Beklagte und die Beigeladene zu 3. teilen die Rechtsauffassung der Beigeladenen zu 2.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Beigeladenen zu 2. (= Deutsche Rentenversicherung Bund) ist begründet.

13

Zu Unrecht hat das LSG das Bestehen von Rentenversicherungspflicht der Klägerin wegen Beschäftigung in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - eine GmbH - in der noch streitigen Zeit ab 30.12.2008 verneint. Das Urteil des LSG war deshalb zu ändern; auf die Berufung der Beigeladenen zu 2. musste das dem Begehren der Klägerin entsprechende erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen werden, soweit es die Feststellung der Versicherungspflicht der Klägerin in der GRV betrifft.

14

1. Im vorliegenden Rechtsstreit zu überprüfen sind die angefochtenen Bescheide der Beklagten nur noch insoweit, als sie die Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1. in der Zeit ab 30.12.2008 - dem Geltungsbeginn des zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann abgeschlossenen Stimmbindungsvertrages - betreffen. Für den Zeitraum vom 18.12. bis 29.12.2008 hat die Klägerin ihre Klage im Revisionsverfahren zurückgenommen. Zu befinden ist auch nur noch über die Versicherungspflicht der Klägerin in der GRV, nachdem die Beigeladene zu 2. als für diesen Versicherungszweig sachlich zuständiger Versicherungsträger ihre Revision insoweit beschränkt hat. Im Übrigen - hinsichtlich der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung - ist das Berufungsurteil rechtskräftig geworden (vgl § 141 Abs 1 SGG).

15

2. Die Klägerin war in ihrer für die Beigeladene zu 1. ausgeübten - vom LSG so festgestellten (§ 163 SGG)- Tätigkeit als mit Prokura ausgestattete "leitende Angestellte" in den Tätigkeitsbereichen "Leitung Finanzbuchhaltung und Personalbuchhaltung, Leitung Finanzen im Allgemeinen, Vertretung der Geschäftsführung" ab 30.12.2008 in der GRV versicherungspflichtig beschäftigt. Die beklagte Krankenkasse war als Einzugsstelle sachlich dafür zuständig, im Verwaltungsverfahren die Versicherungspflicht auch insoweit durch Bescheid festzustellen, weil ein zwingend zur alleinigen Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2. führender Sachverhalt nach § 7a Abs 1 S 2 SGB IV nicht vorlag und dies auch im Rechtsstreit nicht gerügt wird.

16

Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung von - zu Versicherungspflicht führender - Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (dazu a). Es hat jedoch die in dem "Stimmbindungsvertrag zwischen dem Ehepaar R." getroffenen Vereinbarungen hinsichtlich ihrer indiziellen Bedeutung bei seiner Gesamtabwägung rechtlich nicht zutreffend eingeordnet (dazu b).

17

a) Im streitigen Zeitraum ab 30.12.2008 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Rentenversicherungspflicht (§ 1 S 1 Nr 1 SGB VI). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs 1 S 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert fortgeltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs 1 S 2 SGB IV).

18

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 15 mwN und BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 R 14/10 R - Juris RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17 mwN; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 14; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff; BSG Urteil vom 31.3.2015 - B 12 KR 17/13 R - Juris RdNr 15). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn Gesellschafter einer GmbH - wie hier - durch familiäre Beziehungen verbunden sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 30 ff mwN).

19

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das LSG als Zwischenergebnis zunächst ohne Rechtsfehler angenommen, dass im Hinblick auf die zu Grunde liegenden vertraglichen Abreden insbesondere im Gesellschaftsvertrag vom 18.12.2008 und im Anstellungsvertrag vom 5.1.2009 - den von der Klägerin und ihrem Ehemann abgeschlossenen Stimmbindungsvertrag vom 30.12.2008 bei der Betrachtung (noch) ausgeklammert - "von einer abhängigen Beschäftigung (der Klägerin) auszugehen" ist. Die Feststellungen des LSG zum Inhalt und zur tatsächlichen Umsetzung des Anstellungs-, des Gesellschafts- und auch des Schenkungs- und Übertragungsvertrages, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), rechtfertigen, was revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, den Schluss des Berufungsgerichts, die Klägerin habe als mit Prokura ausgestattete "leitende Angestellte" ohne Geschäftsführerstellung bei einer Beteiligung an den Geschäftsanteilen der beigeladenen GmbH lediglich als Minderheitsgesellschafterin Weisungen ihres geschäftsführenden Ehemannes nicht verhindern können.

20

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der Anstellungsvertrag, der deren Vertragsverhältnis zur beigeladenen GmbH bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem Inhalt - ua regelmäßiges monatliches Entgelt, wöchentliche Mindestarbeitszeit, Urlaubsansprüche, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - mit seinen typischen Arbeitnehmerrechten und -pflichten ein "Arbeitsverhältnis" iS des § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Gegenstand. Diese rechtliche Bewertung des Berufungsgerichts stellt auch die Klägerin selbst nicht infrage, wenn sie im Revisionsverfahren explizit ausführt, mit ihr als Gesellschafter-Prokuristin sei ein "Arbeitsvertrag" geschlossen worden.

21

Der Klägerin stand nicht etwa als Mitgesellschafterin der beigeladenen GmbH, die sie im streitigen Zeitraum vom 30.12.2008 bis 11.6.2014 (= Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG) war, ein maßgebender Einfluss auf die interne Willensbildung ihrer Arbeitgeberin zu, der es ihr (der Klägerin) erlauben würde, Einzelweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit zu verhindern. Nach dem Gesellschaftsvertrag und dem Schenkungs- und Übertragungsvertrag - beide vom 18.12.2008 - verfügte sie nämlich lediglich über 40 % der Geschäftsanteile der GmbH, während ihr Ehemann 60 % der Anteile hielt. Dieser bekleidete außerdem die unentziehbare (§ 14 Ziff 5 Gesellschaftsvertrag) - organschaftlich begründete - Stellung eines (Allein-)Geschäftsführers. Ein GmbH-Gesellschafter, der in der Gesellschaft angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, besitzt bei einer solchen Minderheitsbeteiligung am Stammkapital nicht die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen. Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist das Weisungsrecht gegenüber den Angestellten der GmbH vielmehr Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung (stRspr, vgl zB BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 12 KR 9/14 R - Juris RdNr 28 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - Juris RdNr 23; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975). Einschränkungen in den genannten Verträgen, etwa dahingehend, dass die Gesellschafterversammlung Weisungsrechte gegenüber der Klägerin allgemein oder im Einzelfall an sich gezogen oder sich vorbehalten hätte (vgl dazu exemplarisch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 58),hat das LSG nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

22

b) An der Eigenschaft der Klägerin als Beschäftigte der Beigeladenen zu 1. iS von § 7 Abs 1 SGB IV ändert sich - entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung - auch nichts dadurch, dass sie als Gesellschafterin mit ihrem Ehemann in dessen Funktion als Gesellschafter der Beigeladenen zu 1. einen "Stimmbindungsvertrag zwischen dem Ehepaar R." vom 30.12.2008 abschloss. Mit dieser Vereinbarung wurde der Klägerin im Innenverhältnis zur beigeladenen GmbH keine Rechtsmacht eingeräumt, die es ihr gestattet hätte, Weisungen des Geschäftsführers zu verhindern, die ihr als "leitende Angestellte" nicht genehm waren. Entsprechend trug die Klägerin auch kein Unternehmerrisiko, soweit sie dieses auf den Stimmbindungsvertrag und einen hiermit verbundenen beherrschenden Einfluss auf die von der Gesellschafterversammlung vorzunehmende (§ 15 Ziff 1 Buchst b Gesellschaftsvertrag) Gewinnverteilung zurückführt. Einzig auf diese Gesichtspunkte hat aber das LSG die nach seiner Gesamtschau gewonnene Überzeugung von der Selbstständigkeit der Klägerin zu Unrecht entscheidend gestützt.

23

Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw Gesellschaftsvertragsrechtslage, wie sie hier durch den schuldrechtlichen Stimmbindungsvertrag erfolgen sollten, sind im Rahmen der nach § 7 Abs 1 SGB IV zu treffenden Abwägungsentscheidung - entgegen der vom LSG vertretenen Meinung - nicht (einfach) uneingeschränkt und voraussetzungslos zugrunde zu legen; sie präjudizieren den oben beschriebenen erforderlichen Abwägungsvorgang nicht, dh prägen ihn nicht zwingend vor, sondern kommen in ihrer Bedeutung über eine bloße Indizfunktion, wie sie jedes relevante Merkmal hat, nicht hinaus (dazu aa). Hiervon ausgehend hatten die für die Klägerin aus dem "Stimmbindungsvertrag zwischen dem Ehepaar R." folgenden (schuldrechtlichen) Rechte keine - im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Gesamtabwägung entscheidende - Indizfunktion für das Vorliegen selbstständiger Tätigkeit (dazu bb). Die zu beurteilende Stimmbindungsvereinbarung verschaffte der Klägerin bereits deshalb nicht die von ihr behauptete Rechtsmacht, Einzelweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit zu verhindern, weil die Vereinbarung von ihrem Ehemann aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte (dazu cc).

24

aa) Wie das BSG bereits in der Vergangenheit ausgeführt hat, sind insbesondere bei Statusentscheidungen (im engeren Sinne) gesellschaftsrechtliche Wertungen und Gestaltungen für die sozialversicherungsrechtliche Abwägungsentscheidung nach § 7 Abs 1 SGB IV nicht strikt zu übernehmen. Eine uneingeschränkte Parallelität sozialversicherungsrechtlich - bzw arbeitsrechtlich - und im Gesellschaftsrecht relevanter Beziehungen liegt insofern von vornherein nicht vor (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 21, 26, auch RdNr 30). Zwar fordert das Gebot der Wahrung der Einheit der Rechtsordnung durchaus die Schaffung von Kohärenz, in seiner schwächeren Erscheinungsform jedenfalls die Herstellung von Konsistenz und (inhaltlicher) Widerspruchsfreiheit (von Teilbereichen) der Gesamtrechtsordnung. Jedoch ist es unabdingbar, den Sonderrechtsbereich, an dessen Begrifflichkeiten, Strukturmerkmale und konstruktive (dogmatische) Eigenheiten in concreto angeknüpft werden soll - hier an das Gesellschaftsrecht -, daraufhin zu untersuchen, an welchen praktischen Bedürfnissen die dortigen Regelungen ausgerichtet sind, und ob für deren Übernahme in das andere Rechtsgebiet - hier das Versicherungsrecht der Sozialversicherung - tragfähige Gemeinsamkeiten oder Überschneidungen in den grundsätzlichen Wertungen bestehen (vgl hierzu im Einzelnen Bernsdorff, Der Betrieb 2014, 1551 f). Wie es sozialversicherungsrechtlich zu würdigen ist, wenn eine bestimmte vertragliche Ausgestaltung bereits auf der Grundlage des Gesellschaftsrechts unzulässig ist, braucht der Senat in diesem Verfahren nicht zu entscheiden; indessen ist - in der umgekehrten Konstellation - nicht all dasjenige, was sich gesellschaftsrechtlich im Rahmen des auf diesem Rechtsgebiet Zulässigen bewegt, auch hinsichtlich mittelbarer sozialversicherungsrechtlicher Folgewirkungen ohne Weiteres hinzunehmen und nahtlos zu übertragen. Im Hinblick hierauf begnügt sich das BSG in seiner Rechtsprechung zu Statusfragen bei Sachverhalten mit gesellschaftsrechtlichem Bezug seit jeher gerade nicht allein mit dem Blick auf die einem Gesellschafter gesellschaftsvertraglich eingeräumte Stellung, sondern orientiert sich hierfür primär an den vom (Sozial-)Gesetzgeber in § 7 Abs 1 SGB IV genannten - richterrechtlich näher ausgeformten - Abgrenzungskriterien(zu Beispielen aus der Rechtsprechung des Senats vgl Bernsdorff, Der Betrieb 2014, 1551, 1552 ff). Ob also Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw Gesellschaftsvertragsrechtslage (überhaupt) für die Abwägungsentscheidung bedeutsam sind, und - falls ja - mit welchem Indizcharakter und welcher Gewichtung, beurteilt sich damit ohne strikte "Parallelwertung" allein im vorliegend thematisch einschlägigen - sozialversicherungs-rechtlichen - Kontext des § 7 Abs 1 SGB IV.

25

bb) Hiervon ausgehend kommt den für die Klägerin aus dem "Stimmbindungsvertrag zwischen dem Ehepaar R." folgenden (schuldrechtlichen) Rechten keine - im Rahmen der sozialversicherungsrechtlich gebotenen Gesamtabwägung von vornherein den Ausschlag gebende, dh entscheidende - Indizfunktion für das Vorliegen selbstständiger Tätigkeit zu. Eine unterschiedliche Bewertung von Stimmrechtsvereinbarungen im Gesellschaftsrecht einerseits und im Sozialversicherungsrecht andererseits ist nämlich durch die verschiedenen Sachstrukturen der jeweiligen Rechtsbereiche gerechtfertigt (vgl zu diesem Gesichtspunkt Bernsdorff, Der Betrieb 2014, 1551, 1555). Mit Recht weist die Beigeladene zu 2. darauf hin, dass die außerhalb des Gesellschaftsvertrages von beiden Gesellschaftern getroffene Stimmbindungsvereinbarung nicht geeignet ist, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden "Rechtsmachtverhältnisse" mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu "verschieben", weil der Stimmbindungsvertrag von jedem Gesellschafter und damit auch von dem Ehemann der Klägerin aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte (vgl zu diesem Gesichtspunkt allgemein schon BSG Beschluss vom 31.3.2014 - B 12 R 53/13 B; wie hier, jedoch unter Hinweis auf eine in solchen Fällen vermutete "Mangelfreiheit" des Gesellschafterbeschlusses LSG Hamburg Urteil vom 7.8.2013 - L 2 R 31/10 - Juris RdNr 28; aA Sächsisches LSG Urteil vom 4.3.2014 - L 1 KR 9/11 - Juris RdNr 44 f); die rechtliche "Machtposition" der Klägerin reichte damit, sozialversicherungsrechtlich betrachtet, nicht so weit, dass sie sich aus der Weisungsabhängigkeit lösen konnte, oder dass sie sogar ihrerseits - wie das LSG meint - dem geschäftsführenden Ehemann trotz der ihm gesellschaftsvertraglich eingeräumten Rechte Weisungen hätte erteilen können.

26

Vorstehendes gilt auch ungeachtet der in der "Vorbemerkung" zum Stimmbindungsvertrag vom 30.12.2008 bekundeten Absicht der Vertragspartner, die Klägerin "aus erbrechtlicher Sicht" gesellschaftsrechtlich so stellen zu wollen, als sei sie "bereits mit mindestens 50 % an der Gesellschaft beteiligt" (obwohl sie eine solche Stellung gesellschaftsvertraglich gerade nicht erhalten sollte). Auch dass Kündigungsrechte in der vorliegend zu beurteilenden Zeit tatsächlich nicht ausgeübt wurden, ist im sozialversicherungsrechtlichen Kontext ohne Bedeutung. Bei einem Konfliktfall zwischen beiden Gesellschaftern der GmbH käme nämlich - durchsetzbar - allein die dem Ehemann der Klägerin aufgrund seines vertraglichen Kündigungsrechts zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit der Klägerin unter die GmbH als Arbeitgeberin bestünde. Eine solche Situation ist indessen mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht hinnehmbar.

27

Schon in der Vergangenheit hat der 12. Senat des BSG wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten - der Versicherten und der Versicherungsträger - liegt, die Frage der Versicherungspflicht bzw fehlender Versicherungspflicht wegen Selbstständigkeit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten der Sozialversicherungsträger und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (so schon für Familien-Unternehmen zuletzt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29-30; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32; BSG SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16; aus der früheren Rspr: BSG SozR Nr 6 zu § 168 RVO; BSG SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; BSG SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103). Gerade dieses Postulat der Vorhersehbarkeit ist es, das das Recht der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung prägt und von Wertungen des - an ganz anderen praktischen Bedürfnissen ausgerichteten - Gesellschaftsrechts unterscheidet. Daran ist auch für die vorliegende rechtliche Konstellation festzuhalten.

28

cc) Ist die von beiden Gesellschaftern getroffene Stimmbindungsvereinbarung nach ihrem Wortlaut (§ 3 Ziff 1 S 2 Stimmbindungsvertrag), der insoweit zwingenden gesetzlichen Vorgaben folgt, aber (auch) durch den Ehemann der Klägerin aus wichtigem Grund kündbar, so kann der Senat andere, im Hinblick auf den vorliegenden Stimmbindungsvertrag von den Beteiligten aufgeworfene und kontrovers diskutierte Fragen offenlassen.

29

Dahinstehen kann etwa, ob Stimmbindungsverträge zwischen Gesellschaftern, die zivil- bzw gesellschaftsrechtlich grundsätzlich rechtlich zulässig sind (ganz hM; BGHZ 48, 163, 166; BGH NJW 1983, 1910, 1911; BGH NJW 1987, 890, 891; BGHZ 179, 13, 18 f = NJW 2009, 669, 670; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl 2013, § 47 RdNr 113, mwN aus dem Schrifttum), auch dann - wie das LSG meint - ohne Einhaltung der für die Änderung von Gesellschaftsverträgen vorgesehenen notariellen Form möglich und wirksam sind, wenn einem Minderheitsgesellschafter dadurch ein "beherrschender Einfluss gleich einem Alleingesellschafter" eingeräumt wird, oder ob solche Vereinbarungen - wie die Beigeladene zu 2. vertritt - schon gesellschaftsrechtlich nicht zugelassen sind, weil sie "Unterwerfungscharakter" haben, da dadurch unzulässigerweise das Stimmrecht als Kernbestandteil der mitgliedschaftlichen Gesellschafterrechte isoliert übertragen werden würde und hiermit eine Umgehung des Verbots der Stimmrechtsabspaltung im Raum stünde. Nicht entscheiden muss der Senat gleichermaßen, ob Stimmrechtsvereinbarungen eine vom Gesellschaftsvertrag "generell abweichende, stets abgestimmte" Ausübung des Stimmrechts enthalten dürfen. Der Senat kann schließlich ebenso offenlassen, ob eine Stimmabgabe, die einem von allen Gesellschaftern abgeschlossenen Stimmbindungsvertrag widerspricht, den Gesellschafterbeschluss mangelhaft und damit anfechtbar erscheinen oder dessen Wirksamkeit - entgegen dieser vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung - wegen seiner bloß schuldrechtlichen Bedeutung unberührt lässt (zu den in Rechtsprechung und Literatur heftig umstrittenen Voraussetzungen der ausnahmsweise in Betracht kommenden Unwirksamkeit von Stimmbindungsvereinbarungen und den Konsequenzen vertragswidriger Stimmabgabe vgl exemplarisch Römermann in Michalski, GmbHG, 2. Aufl 2010, § 47 RdNr 474, 492 ff, 524 ff mwN).

30

Eines Eingehens auf die vorstehend dargestellten Fragen bedarf es vorliegend nicht, weil hier schon andere gesellschaftsrechtliche bzw gesellschaftsvertragsrechtliche Gründe einer sozialversicherungsrechtlichen Relevanz der getroffenen Abreden entgegenstehen.

31

Die Klägerin als Gesellschafterin und ihr Ehemann in seiner Funktion als Gesellschafter legten sich in dem "Stimmbindungsvertrag zwischen dem Ehepaar R." vom 30.12.2008 wechselseitig im Voraus für jeden Beschlussgegenstand darauf fest, in der Gesellschafterversammlung ihre Stimmen mit übereinstimmendem Inhalt abzugeben (§ 1 Stimmbindungsvertrag). Mit dem Ziel, der Klägerin auf diese Weise trotz Anteilminorität einen (mittelbar) beherrschenden Einfluss auf die beigeladene GmbH zu verschaffen, wurde ihr die Stimmführerschaft bei der Stimmabgabe eingeräumt (§ 2 Ziff 1). Die Stimmbindungsvereinbarung war außerdem auf Dauer und damit für eine unbestimmte Vielzahl von Abstimmungen vorgesehen (§ 3 Ziff 1 S 1). Nach der Rechtsprechung des BGH führen solche außerhalb des Gesellschaftsvertrages auf Dauer eingegangenen schuldrechtlichen Abstimmungsverpflichtungen unter wechselseitiger Beteiligung aller Gesellschafter an der Stimmbindungsvereinbarung regelmäßig zu einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff BGB), weil mit der koordinierten Ausübung der Stimmrechte ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird (vgl BGHZ 126, 226, 234 = NJW 1994, 2536, 2537 f - "Schutzgemeinschaftsvertrag I"; BGHZ 179, 13, 19 = NJW 2009, 669, 670 - "Schutzgemeinschaftsvertrag II"; Drescher in MüKoGmbHG, 1. Aufl 2012, § 47 RdNr 234 mwN; Römermann in Michalski, aaO, § 47 RdNr 479 f mwN; vgl auch Schröer in MüKoAktG, 2. Aufl 2004, § 136 RdNr 57 mwN). Infolgedessen müssen Stimmbindungsverträge stets die Vorgaben des § 723 BGB beachten(vgl BGHZ 126, 226, 229 ff = NJW 1994, 2536 f; BGHZ 179, 13, 25 = NJW 2009, 669, 672). Sind Stimmbindungsverträge auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, sind sie indessen gesellschaftsrechtlich ohnehin jederzeit ordentlich kündbar (§ 723 Abs 1 S 1 BGB). Ist hingegen eine fixe Zeitdauer vereinbart worden, kann der Stimmbindungsvertrag vor Zeitablauf jedenfalls aus wichtigem Grund gekündigt werden (§ 723 Abs 1 S 2 BGB). Die Ausübung des Kündigungsrechts ist dabei zwar an die Einhaltung bestimmter Modalitäten geknüpft (§ 723 Abs 2 BGB), jedoch könnten die genannten Kündigungsrechte vertraglich nicht abbedungen werden (§ 723 Abs 3 BGB). Soweit der Klägerin und ihrem Ehemann in dem Stimmbindungsvertrag daher jedenfalls ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund eingeräumt war (§ 3 Ziff 1 S 2), entsprach dieses der zwingenden, aus dem BGB folgenden Rechtslage. Das Kündigungsrecht gehörte zu den unentziehbaren Rechten (vgl Schröer, aaO, § 136 RdNr 57), sodass sein Fehlen sogar zur Unwirksamkeit der Stimmbindungsvereinbarung insgesamt geführt hätte. Der außerordentlichen Kündigung ("aus wichtigem Grund") liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass ein Dauerschuldverhältnis mit sofortiger Wirkung gelöst werden kann, wenn einem der Beteiligten - aus welchem Grund auch immer - das Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann. Solches ist etwa anzunehmen, wenn einer der beteiligten Gesellschafter eine ihm nach dem Stimmbindungsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt hat (vgl zu in der Person eines Gesellschafters liegenden wichtigen Kündigungsgründen stellvertretend Soergel/Hadding/Kießling, BGB, Bd 11/1 2011, § 723 RdNr 38 ff) oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird (§ 723 Abs 1 S 2 Nr 1 BGB). Schon die (bloße) Möglichkeit einer Zerrüttung unter den Gesellschaftern bzw eines Zerwürfnisses mit den sich daraus potenziell ergebenden gesellschaftsrechtlichen Folgen (= Entfallen der Stimmbindung des Ehemannes der Klägerin und der Stimmführerschaft der Klägerin infolge Kündigung des Stimmbindungsvertrages) ist bei einer Statusentscheidung, wie sie hier zu überprüfen ist, wegen des bereits genannten Erfordernisses der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände stets zu berücksichtigen.

32

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.

(1) Eine Abänderung des Gesellschaftsvertrags kann nur durch Beschluss der Gesellschafter erfolgen.

(2) Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von drei Vierteilen der abgegebenen Stimmen. Der Gesellschaftsvertrag kann noch andere Erfordernisse aufstellen.

(3) Der Beschluss muss notariell beurkundet werden. Erfolgt die Beschlussfassung einstimmig, so ist § 2 Absatz 3 Satz 1, 3 und 4 entsprechend anzuwenden.

(4) Eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Leistungen kann nur mit Zustimmung sämtlicher beteiligter Gesellschafter beschlossen werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.