Landessozialgericht NRW Urteil, 09. Juni 2016 - L 9 AL 23/14
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 06.12.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Insolvenzgeld streitig.
3Die am 00.00.1963 geborene Klägerin war ab dem 01.10.2010 bei Herrn T als Inhaber des D-Pflegedienstes in E (nachfolgend: Arbeitgeber oder Schuldner) als Fachhauswirtschafterin beschäftigt.
4Über das Vermögen des Arbeitgebers wurde mit Beschluss des Amtsgerichts F am 01.11.2011 ein Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet (Az.: 001 IN 00/11). Der Insolvenzverwalter gab im Rahmen dieses Insolvenzverfahrens die selbstständige Tätigkeit des Schuldners, handelnd unter D-Pflegedienst, aus dem Insolvenzbeschlag nach § 35 Abs. 2 der Insolvenzordnung - (InsO) frei (Schreiben des Insolvenzverwalters vom 08.11.2011). Der Schuldner betrieb den Pflegedienst sodann in reduziertem Umfang weiter.
5Auf ihren Antrag wurde der Klägerin mit Bescheid der Beklagten vom 11.11.2011 Insolvenzgeld für rückständiges Arbeitsentgelt in den Monaten September und Oktober 2011 i.H.v. 1.614,65 EUR bewilligt.
6Einem Arbeitsvertrag vom 15.12.2011 zufolge wurde das zunächst befristete Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem o.a. Arbeitgeber/Schuldner zum 01.01.2012 in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt.
7Am 01.08.2012 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts F wegen Zahlungsunfähigkeit erneut ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers, d.h. die im Rahmen des ersten Insolvenzverfahrens freigegebene Tätigkeit betreffend, eröffnet (Az:.001 IN 73/12). Daraufhin beantragte die Klägerin bei der Beklagten am 27.08.2012 erneut die Bewilligung von Insolvenzgeld. Sie machte geltend, dass Arbeitsentgelte für die Monate Juni und Juli 2012 i.H.v. insgesamt 2.473,21 EUR noch offen seien.
8Mit Bescheid vom 27.08.2012 lehnte die Beklagte die Bewilligung der beantragten Leistung ab. Zur Begründung hieß es, ein erneutes Insolvenzereignis könne nur dann anerkannt werden, wenn die Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers nach dem ersten Insolvenzereignis wiederhergestellt worden sei. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Allein die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit aus der Insolvenzmasse führe nicht zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers. Auch sei das erste Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen und dem insolventen Arbeitgeber eine Restschuldbefreiung bisher nicht erteilt worden.
9Den hiergegen am 12.09.2012 eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, dass die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers nicht festgestellt werden könne. Dieser sei nach Freigabe der selbstständigen Tätigkeit in keiner Weise wieder kreditwürdig geworden. Vielmehr seien bereits ab Januar 2012 wieder Verbindlichkeiten aufgetreten, die nicht bedient worden seien. Auch liege keine Auskunft eines Kreditinstituts vor, dass der Arbeitgeber wieder vollumfänglich kreditwürdig gewesen sei. Ebenso liege auch keine Regelung hinsichtlich der Sanierung des Unternehmens vor. Da somit das Insolvenzereignis vom 01.11.2011 für die Beurteilung eines Anspruchs auf Insolvenzgeld maßgebend bleibe und die Klägerin hierfür bereits Insolvenzgeld erhalten habe, sei ein erneuter Anspruch nicht gegeben.
10Hiergegen hat sich die Klägerin mit der am 22.10.2012 bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhobenen Klage gewandt. Sie hat die fehlende Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers bestritten und darüber hinaus geltend gemacht, dass sie im Vertrauen auf die Zahlungsfähigkeit ihre Arbeitskraft weiterhin angeboten habe. Auch habe sie ihre Gehaltszahlungen bis einschließlich Mai 2012 ordnungsgemäß erhalten. Insbesondere habe sie davon ausgehen müssen, dass nach Freigabe der selbstständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter letztendlich auch die Zahlung ihrer Vergütung sichergestellt gewesen sei. Es könne nicht sein, dass die Nichtwiederherstellung der Zahlungsfähigkeit, soweit sie belegbar sei, zu ihren Lasten gehe. Anderes könne nur dann gelten, wenn sie Kenntnis von den Zahlungsschwierigkeiten des Arbeitgebers gehabt hätte.
11Die Klägerin hat beantragt,
12den Bescheid der Beklagten vom 27.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Insolvenzgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat zur Begründung im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
16Das Sozialgericht hat eine Auskunft des Insolvenzverwalters, RA O, eingeholt. Dieser hat mit Schreiben vom 03.06.2013 mitgeteilt, in dem ersten Insolvenzverfahren (Az.: 001 IN 00/11) seien Forderungen i.H.v. 970.589,29 EUR angemeldet worden. Die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners aus der Insolvenzmasse sei unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. In dem zweiten Insolvenzverfahren, betreffend die freigegebene selbstständige Tätigkeit (Az.: 001 IN 73/12), seien ausweislich einer vorgelegten Abschrift der Insolvenztabelle Forderungen i.H.v. 419.676,62 EUR angemeldet worden. Die Erteilung der Restschuldbefreiung sei in diesem Verfahren nicht beantragt worden. Aufgrund dieses Sachverhalts gehe er nicht davon aus, dass der Schuldner die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt habe.
17Mit Urteil vom 06.12.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:
18Die zulässige Klage sei unbegründet. Die Beklagte habe den Antrag der Klägerin auf Bewilligung eines weiteren Insolvenzgeldes zu Recht abgelehnt. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, die auch der Auffassung des erkennenden Gerichts entspreche, trete ein neues Insolvenzereignis nicht ein, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauere. Im vorliegenden Fall stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Schuldner nach der Insolvenzeröffnung vom 01.11.2011 nicht wieder zahlungsfähig geworden sei. Dies ergebe sich aus der Auskunft des Insolvenzverwalters und der Tatsache, dass der Schuldner bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 01.08.2012 erhebliche weitere Schulden angehäuft habe. Im Übrigen folge die Kammer der Begründung des Widerspruchsbescheides.
19Gegen dieses ihr am 23.12.2013 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 22.01.2014 eingelegten Berufung, die sie wie folgt begründet:
20Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ergebe sich der Anspruch auf Insolvenzgeld für die Monate Juni und Juli 2012 aus § 165 SGB III. Sie könne aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.08.2012 einen erneuten Anspruch auf Insolvenzgeld herleiten. Das frühere Insolvenzverfahren entfalte keine Sperrwirkung. Soweit das Sozialgericht insbesondere auf das Urteil des BSG vom 06.12.2012 - B 11 AL 11/11 R - Bezug nehme, läge dem ein anderer Sachverhalt zugrunde, der auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sei. So habe etwa das Sächsische LSG entschieden, dass die erneute Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ein hinreichendes Insolvenzereignis sei, soweit das an die Auflösung des (ersten) Insolvenzverfahrens anschließende Insolvenzplanverfahren durch den Insolvenzverwalter überwacht und ordnungsgemäß beendet worden sei. Insbesondere habe das Gericht dort den Schutzgedanken im Hinblick auf den sozial schwächeren Arbeitnehmer betont. Dieser sei vorleistungspflichtig und müsse sich darauf verlassen können, dass er für seine Tätigkeit eine Vergütung erhalte. Genau dies sei bei ihr in Ansehung der Freigabe der Tätigkeit des Arbeitgebers der Fall gewesen.
21Die Klägerin beantragt,
22das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 06.12.2013 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 zu verurteilen, ihr Insolvenzgeld für die Monate Juni und Juli 2012 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
23Die Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Die Berufungsbegründung enthalte keine Ausführungen, die nicht schon im überzeugenden Urteil des Sozialgerichts Berücksichtigung gefunden hätten. Aus der Freigabe der selbstständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners könne nicht geschlossen werden, dass der Schuldner die Zahlungsfähigkeit im Allgemeinen wiedererlangt habe. Diesem Vorgehen des Insolvenzverwalters liege lediglich eine Prognoseentscheidung hinsichtlich der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens zu Grunde. Ob tatsächlich eine Zahlungsfähigkeit im Allgemeinen wiedererlangt worden sei, sei anhand der Einzelumstände zu prüfen. Im vorliegenden Fall habe das Sozialgericht zutreffend festgestellt, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Auch komme es nicht darauf an, ob die weiterbeschäftigten Arbeitnehmer die entsprechenden Feststellungen hätten treffen können.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Insolvenzakten des Amtsgerichts F (Az.: 001 IN 00/11 u. 001 IN 73/12) sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
27Entscheidungsgründe:
28Die zulässige, insbesondere statthafte und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Der Bescheid der Beklagten vom 27.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Sie hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von Insolvenzgeld für die Monate Juni und Juli 2012.
29Gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) in der hier anwendbaren, seit dem 01.04.2012 geltenden Fassung haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt u.a. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III). Hier scheitert ein Anspruch der Klägerin daran, dass es sich bei der - erneuten - Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.08.2012 nicht um ein - neues - Insolvenzereignis i.S.d. § 165 Abs. 1 SGB III handelt. Vielmehr entfaltet das frühere Insolvenzereignis - hier die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.11.2011 - gegenüber dem Eintreten eines weiteren Insolvenzereignisses eine Sperrwirkung, welche die Entstehung eines erneuten Anspruchs auf Insolvenzgeld hindert.
30Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, kann ein (neues) Insolvenzereignis nicht eintreten, solange die auf einem früheren Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers noch andauert. Für die Annahme wiedererlangter Zahlungsfähigkeit genügt es nicht, wenn der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit fortführt und die laufenden Verbindlichkeiten, wie insbesondere die Lohnansprüche, befriedigt. Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist vielmehr so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet deshalb nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelnen Zahlungsverpflichtungen wieder nachkommt (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 06.12.2012 - B 11 AL 10/11 R -, juris Rn. 14; BSG, Urt. v. 17.03.2015 - B 11 AL 9/14 R -, juris Rn. 14, jeweils m.w.N.).
31Auf der Grundlage dieser rechtlichen Maßstäbe vermag die erneute Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.08.2012 ein rechtlich beachtliches Insolvenzereignis und damit einen (neuen) Anspruch der Klägerin auf Insolvenzgeld nach § 165 SGB III nicht zu begründen, weil die Zahlungsunfähigkeit ihres früheren Schuldners/Arbeitgebers, auf der die Eröffnung des ersten Insolvenzverfahrens am 01.11.2011 beruhte (Az.: 001 IN 00/11), bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens am 01.08.2012, ebenso wegen Zahlungsunfähigkeit (Az.: 001 IN 73/12), ununterbrochen fortgedauert hat. Aus den aktenkundigen Unterlagen, insbesondere den gutachtlichen Stellungnahmen des Insolvenzverwalters, RA O, vom 30.07.2012 und 28.11.2012 an das Amtsgericht F, geht unzweideutig hervor, dass der Schuldner nach Beginn des ersten Insolvenzverfahrens durchgehend nicht in der Lage war, den Pflegebetrieb wirtschaftlich weiterzuführen (s. S. 3 des Berichts des Insolvenzverwalters gemäß § 156 InsO vom 28.11.2012). So hatte er nach der Freigabe seiner betrieblichen Tätigkeit insbesondere im Entgeltbereich (Ansprüche auf Arbeitsentgelt, Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung) seit Januar 2012 wiederum erhebliche Rückstände aufgebaut und konnte auch sonstige laufende Kosten, etwa bezogen auf das Grundstück L-straße 00 in I, von dem aus der Pflegedienst zuletzt betrieben wurde, nicht bezahlen, weil die erforderlichen Erlöse nicht erzielt werden konnten. Deshalb kam der Insolvenzverwalter schon in seinem Bericht vom 30.07.2012 zu der Einschätzung, dass "zwingend davon auszugehen [ist], dass eine Fortführungsperspektive für den schuldnerischen Betrieb nicht besteht". Dies bestätigte er auch in seinem Bericht vom 28.11.2012, bei dem er die Fortführung "des - erneut - wirtschaftlich gescheiterten Pflegedienstes" als "nicht darstellbar" erachtete. Die hierzu vom Insolvenzverwalter vorgelegten Zahlen, insbesondere des Verhältnisses von Aktiva zu Passiva, bestätigen diese Einschätzung. So standen am Tag der Eröffnung des (erneuten) Insolvenzverfahrens am 01.08.2012 Aktiva im Form eines Vermögens von 220.305,35 EUR Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 614.381,43 EUR gegenüber. Bei Berücksichtigung von Aus- und Absonderungsrechten verblieb danach für die freie Masse lediglich ein Vermögen von 39.309,35 EUR, aus der besagte Verbindlichkeiten von 614.381,43 EUR zu befriedigen waren. Damit konnten laut Einschätzung des Insolvenzverwalters zwar die Kosten des Insolvenzverfahrens aus der Masse gedeckt, jedoch voraussichtlich nicht die sonstigen Masseverbindlichkeiten vollständig bezahlt werden, so dass "vermutlich zeitnah Masseunzulänglichkeiten anzuzeigen sein werden". Da bereits im ersten Insolvenzverfahren Forderungen in Höhe von insgesamt 970.589,29 EUR zur Insolvenztabelle angemeldet wurden und im zweiten, die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit betreffenden Insolvenzverfahren noch einmal Forderungen in Höhe von insgesamt 419.676,62 EUR hinzukamen, der Schuldner ferner eine Restschuldbefreiung nicht beantragt hatte, kam der Insolvenzverwalter in seinem Schreiben an das Sozialgericht vom 03.06.2013 zu der absolut nachvollziehbaren Einschätzung, dass er nicht davon ausgehe, dass der Schuldner die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt habe. Dem folgt der Senat uneingeschränkt. Auch ist das bloße Bestreiten der Klägerin hinsichtlich der fehlenden Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners sowohl prozessual, als auch im Angesicht der eindeutigen Aktenlage materiell-rechtlich irrelevant.
32Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass sich das zweite Insolvenzverfahren (001 IN 73/12) auf eine andere Masse bezog, nämlich auf das nach Eröffnung vom Insolvenzverwalter gemäß § 35 Abs. 2 InsO freigegebene Vermögen des Schuldners aus seiner selbstständigen Tätigkeit. Zwar bewirkt die Erklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 InsO, dass die Einkünfte, die der Insolvenzschuldner von der Erklärung des Verwalters an im Rahmen dieser Tätigkeit erzielt, als Haftungsmasse außerhalb des Insolvenzverfahrens zur Verfügung stehen. In Bezug auf diese Haftungsmasse, an die sich auch Gläubiger aus vor der Insolvenzeröffnung begründeten Dauerschuldverhältnissen wegen der nach Insolvenzeröffnung entstandenen Forderungen halten müssen, ist auch ein gesondertes zweites Insolvenzverfahren zulässig (zum Ganzen BGH, Beschl. v. 09.06.2011 - IX ZB 175/10 -, juris Rn. 7; BGH, Urt. v. 09.02.2012 - IX ZR 75/11 -, juris Rn. 14 ff.), was hier auch praktiziert wurde. Hieraus folgt jedoch auch für die hier streitigen, aus der Fortführung der selbstständigen Tätigkeit resultierenden Ansprüche auf Arbeitsentgelt nicht, dass die Entscheidung in diesem zweiten Insolvenzverfahren unabhängig von der zwischenzeitlichen Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners ein Insolvenzereignis im Sinne von § 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB III darstellt. Der erkennende Senat hat hierzu in seinem Urteil vom 29.01.2015 - L 9 AL 278/13 -, welches die Zahlung von Pflichtversicherungsbeiträgen bei einem Insolvenzereignis gemäß § 208 SGB III a.F. betraf, das Folgende ausgeführt (s. juris Rn. 42 ff.):
33"Das Gesetz geht, wie sich insbesondere aus § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. ergibt, davon aus, dass es für einen Anspruch auf Insolvenzgeld grundsätzlich nur ein Insolvenzereignis gibt. Weitere Insolvenzereignisse können grundsätzlich keine weiteren Ansprüche auf Insolvenzgeld begründen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn sich der Sachverhalt nach Eintritt des Insolvenzereignisses grundlegend geändert hat, wenn also quasi ein neuer Leistungsfall eintritt. Beruht das erste Insolvenzereignis auf der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, kommt ein neuer Insolvenzgeldfall konsequenterweise nur in Betracht, wenn der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit zwischenzeitlich entfallen ist. Anderenfalls verwirklicht sich lediglich der gleiche Leistungsfall ein weiteres Mal. Der Gesetzgeber hat sich aber lediglich für einen sachlich und zeitlich beschränkten Anspruch gegen die Versichertengemeinschaft aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers entschieden. Die Übernahme des an sich vom Arbeitnehmer zu tragenden Risikos der Insolvenz seines Arbeitgebers durch die Versichertengemeinschaft entspricht bei ununterbrochen fortbestehender Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht dem Willen des Gesetzgebers und ist deshalb nicht gerechtfertigt (vgl. insoweit auch Schmidt, in: GK-SGB III, 5. Aufl. 2013, § 165 Rn. 28). Dies ist auch der Hintergrund der [ ...] wiedergegebenen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Insoweit hat das BSG bereits zu den entsprechenden Regelungen des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) Folgendes ausgeführt (Urt. v. 17.12.1975 - 7 RAr 17/75 -, juris Rn. 29 ff.):
34"Das Gesetz über das KauG schützt die Arbeitnehmer vor den Nachteilen, die ihnen aus diesem Verhalten erwachsen, indem es eine Garantie der BA für die Lohnzahlung begründet. Im Interesse der diese Lohngarantie gebenden Versicherung und der sie tragenden Unternehmer kann die Sicherung durch das KauG jedoch nicht zu weit ausgedehnt werden. Aus den §§ 141 a und 141 b AFG ist zu entnehmen, daß die Arbeitnehmer von dem Zeitpunkt an nicht mehr gesichert sein sollen, zu dem durch das Hervortreten der Tatbestände des § 141 b AFG offenbar ist, daß weiteres Zuwarten zwecklos geworden ist. Ist durch das Konkursgericht die Eröffnung des Konkurses abgelehnt worden, so können die Arbeitnehmer grundsätzlich nicht mehr erwarten, für einen weiterhin dem Arbeitgeber gestundeten Lohn durch die Bundesanstalt Ersatz zu erhalten. Wollte man aber entgegen dem Wortlaut der §§ 141 a und 141 b AFG annehmen, daß die verschiedenen Alternativen des § 141 b AFG zueinander in einem Rangverhältnis stehen, so würde der Zeitpunkt ungewiß, bis zu dem die Arbeitnehmer versicherungsrechtlich geschützt vorleisten dürfen. Es würde zudem die Möglichkeit eröffnet, daß der zahlungsunfähige Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zum Schaden der Versicherung zu einem längeren Zuwarten veranlassen könnte, als es nach dem Gesetzeszweck erlaubt sein soll. Wäre z.B. schon der Konkurs mangels Masse abgelehnt (etwa nach Antrag eines Gläubigers), und schuldete der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern erst zwei Monatsgehälter, so könnte er sie noch zu weiterem Bleiben veranlassen mit dem Versprechen, er werde schlimmstenfalls noch genügend Masse zusammenbringen, um einen auf seinen Antrag eröffneten Konkurs zu ermöglichen. Der Gesetzgeber hat diesen Widerstreit der Interessen bereits gesehen und ihn in der Weise lösen wollen, daß nach dem erstmaligen offenbaren Hervortreten der Zahlungsunfähigkeit durch einen der Tatbestände des § 141 b AFG eine Sicherung durch das KauG nicht mehr erfolgen soll. So hat schon die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf darauf hingewiesen, daß es dem zahlungsunfähigen Arbeitgeber nicht ermöglicht werden solle, mit den Arbeitnehmern "weitgehende Stundungsvereinbarungen zu treffen und damit seinen Kreditrahmen zu Lasten der Konkursversicherung zu erweitern" (BR-Drucks. 9/74 S. 10)."
35Ausgehend von diesen Ausführungen besteht kein Zweifel, dass bei fortbestehender Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners ein Insolvenzereignis in Bezug auf das nach § 35 Abs. 2 InsO freigegebene Vermögen Ansprüche nach §§ 183, 208 SGB III a.F. nicht begründen kann. Insoweit kommt es nicht darauf an, welchen Zweck § 35 Abs. 2 InsO verfolgt. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber bei der Regelung der Insolvenzversicherung im Arbeitsförderungsrecht von Anfang an vor Augen hatte, dass u.a. durch Aufrechterhaltung des Betriebs nach einem Insolvenzereignis weitere Arbeitsentgelt- und Beitragsrückstände entstehen können. Er hat sich dennoch bewusst für eine nur beschränkte Sicherung der Ansprüche der Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger aus der Insolvenzversicherung entschieden. Hat sich die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers einmal realisiert, soll die Insolvenzversicherung das Risiko weiterer Entgelt- und Beitragsrückstände nach Fortsetzung des Betriebs gerade nicht mehr abdecken. Dementsprechend hat das BSG Ansprüche aus der Insolvenzversicherung wegen solcher Entgelt- und Beitragsrückstände verneint, die durch die Fortführung des Betriebs durch den Insolvenzverwalter entstanden sind (vgl. BSG, Urt. v. 17.05.1989 - 10 RAr 10/88 -, juris Rn. 13). Für die Fortführung des Betriebes durch den Insolvenzschuldner selbst gemäß § 35 Abs. 2 InsO kann nichts anderes gelten.
36[Auch] kommt es nach dem Gesetz und der Rechtsprechung des BSG nicht darauf an, ob sich das zweite Insolvenzverfahren, wie im Falle einer "Freigabe" nach § 35 Abs. 2 InsO, auf eine andere Haftungsmasse bezieht. Entscheidend ist allein der Leistungsfall der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Das BSG hat für einen Anspruch auf Insolvenzgeld aufgrund eines weiteren Insolvenzereignisses stets auch dann eine zwischenzeitliche Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit verlangt, wenn das Insolvenzverfahren zunächst aufgehoben und nach einiger Zeit ein weiterer Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden ist (vgl. auch hierzu zuletzt BSG, Urt. v. 06.12.2012 - B 11 AL 10/11 R -, juris Rn. 16 f. m.w.N.). Auch in diesen Fällen betreffen die Insolvenzverfahren notwendigerweise unterschiedliche Vermögensmassen und ggf. auch unterschiedliche Gläubiger. Nach § 259 Abs. 1 Satz 2 InsO erlangt der Schuldner mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens das Recht zurück, über die (gesamte) Insolvenzmasse frei zu verfügen. Er kann also beispielsweise sein Unternehmen fortführen und neue Verbindlichkeiten eingehen. An dem anschließend beantragten (zweiten) Insolvenzverfahren sind gerade auch die Neugläubiger beteiligt, die infolge der Fortführung der Geschäftstätigkeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens Ansprüche gegen den Schuldner erworben haben. Die Insolvenzmasse erstreckt sich auch auf das nach Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens hinzuerworbene Schuldnervermögen. Wenn es in diesen Fällen nach der ständigen Rechtsprechung des BSG für einen Anspruch auf Insolvenzgeld aufgrund des zweiten Insolvenzverfahrens darauf ankommt, ob der Arbeitgeber zwischenzeitlich, d.h. insbesondere während der Ausübung der Tätigkeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, seine Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat, kann für den hier vorliegenden Fall eines zweiten Insolvenzverfahrens nach einer Fortführung der Tätigkeit des Arbeitgebers aufgrund einer Erklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 InsO nichts anderes gelten. Warum Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger bei der Fortführung des Geschäfts während eines laufenden Insolvenzverfahrens gemäß § 35 Abs. 2 InsO besser gestellt werden sollen als bei Fortführung des Geschäfts nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 259 Abs. 1 InsO erschließt sich nicht.
37Nichts anderes folgt aus dem Wortlaut des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F., aus dem unzweifelhaft hervor geht, dass sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerade auf das Vermögen des Arbeitgebers und damit auf sein geschäftliches Vermögen erstrecken muss. Dies ist bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer natürlichen Person stets der Fall und wird gerade auch von § 35 Abs. 2 InsO vorausgesetzt. Die Erklärung des Insolvenzverwalters, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können, gemäß § 35 Abs. 2 InsO wirkt ex nunc und ermöglicht das Entstehen einer neuen Haftungsmasse durch solche Einkünfte, die der Schuldner nach der Erklärung des Insolvenzverwalters erzielt, zugunsten derjenigen Neugläubiger, deren Forderungen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen (dazu BGH, Beschl. v. 09.06.2011 - IX ZB 175/10 -, juris Rn. 7; Urt. v. 09.02.2012 - IX ZR 75/11 -, juris Rn. 14 ff.). An der erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das zu diesem Zeitpunkt vorhandene, private und geschäftliche Vermögen des Schuldners ändert sich durch § 35 Abs. 2 InsO nichts. Im Übrigen bleibt nach allgemeiner Ansicht im Rahmen von § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. ein einmal eingetretenes Insolvenzereignis auch bei nachträglicher Änderung der Verhältnisse (z.B. Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses) für die Gewährung von Insolvenzgeld maßgeblich (vgl. Schmidt, in: GK-SGB III, 5. Aufl. 2013, § 165 Rn. 32 m.w.N.)."
38An dieser Rechtsprechung hält der Senat ausdrücklich fest. Auch die rechtlichen Ausführungen der Klägerin im Berufungsverfahren vermögen hieran nichts zu ändern. Es kann insbesondere dahinstehen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld dann neu entstehen kann, wenn zwischen dem ersten und zweiten Insolvenzereignis ein überwachter Insolvenzplan durchgeführt und ordnungsgemäß beendet worden ist und auch das BSG diese Konstellation offengelassen hat. Hieraus kann die Klägerin jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation nichts Günstigeres für sich herleiten. So hat das BSG in seinem Urteil vom 17.03.2015 - B 11 AL 9/14 R -, juris Rn. 17 gerade hervorgehoben, dass die mit Einführung der Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen bezogen auf das Insolvenzgeldrecht nicht die Annahme begründen, aufgrund der Bestätigung des Insolvenzplans und der Beendigung des Insolvenzverfahrens sei eine erneute Inanspruchnahme der Insolvenzgeldsicherung eröffnet. Vielmehr werde für die Dauer der Planüberwachung der Zusammenhang mit dem vorangegangenen Insolvenzverfahren durch die fortbestehenden Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters, der Gläubigerversammlung und durch die Aufsicht des Insolvenzgerichts dokumentiert. Mit diesen Rechtsausführungen bestätigt das BSG letztendlich die Auffassung des erkennenden Senats zur insolvenzgeldrechtlichen Irrelevanz einer Vermögensfreigabe des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 InsO. Denn im Gegensatz zum Insolvenzplanverfahren wird das ursprüngliche Insolvenzverfahren hiermit noch nicht einmal beendet, sondern - wie auch im vorliegenden Fall - fortgesetzt. Ebenso verbleibt es selbstredend bei den Aufgaben und Befugnissen des Insolvenzverwalters, der Gläubigerversammlung und der Aufsicht durch das Insolvenzgericht, hier sogar im insolvenzrechtlichen Regelverfahren. Aus der von der Klägerin (und auch vom BSG im o.a. Urteil) zitierten Entscheidung des SächsLSG (Urt. v. 09.03.2011 - L 1 AL 241/06 -) folgt mithin keinerlei abweichende Beurteilung der Rechtslage für den vorliegenden Fall.
39Auch der von der Klägerin hervorgehobene Schutz gutgläubiger Arbeitnehmer gebietet kein anderes Ergebnis. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil (vom 29.01.2015 - L 9 AL 278/13 -, juris Rn. 50) bereits ausgeführt hat, regelt das Gesetz nämlich den Schutz von Arbeitnehmern, die trotz eines eingetretenen Insolvenzereignisses, z.B. im Rahmen der Fortführung des Betriebes nach § 35 Abs. 2 InsO, weiterarbeiten, abschließend in § 165 Abs. 3 SGB III. Hat danach eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil der Klägerin die Eröffnung des ersten Insolvenzverfahrens im November 2011 bekannt war, als sie ihr Arbeitsverhältnis bei dem Schuldner - sogar unbefristet - fortsetzte.
40Schließlich steht der Auslegung und Anwendung des § 165 Abs. 1 SGB III zum Vorliegen eines erneuten Insolvenzereignisses europäisches Recht nicht entgehen. Denn die einschlägige Richtlinie (RL) 2008/94 präjudiziert diese Frage nicht, sondern enthält lediglich Regelungen zur Zusammenfassung mehrerer formeller Insolvenzereignisse zu einem Gesamtverfahren, ohne diese jedoch anzuordnen. Eine solche gesetzliche Regelung zur Zusammenfassung mehrerer formeller Insolvenzereignisse existiert im nationalen Recht aber gerade nicht. Die europarechtliche Regelung schreibt auch nicht vor, dass und unter welchen Voraussetzungen ein bereits eingetretenes Insolvenzereignis arbeitsförderungsrechtlich abgeschlossen ist, um ein neues Insolvenzereignis annehmen zu können (BSG, Urt. v. 17.03.2015 - B 11 AL 9/14 R -, juris Rn. 19 f. m.w.N.).
41Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
42Der Senat hat die Revision unter Berücksichtigung des gegen sein o.a. Urteil vom 29.01.2015 gegenwärtig noch anhängigen Revisionsverfahrens beim BSG (Az.: B 12 AL 1/15 R) zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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Urteil einreichenLandessozialgericht NRW Urteil, 09. Juni 2016 - L 9 AL 23/14 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).
(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.
(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt
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die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, - 2.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder - 3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
(2) Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Als Arbeitsentgelt für Zeiten, in denen auch während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht (§ 7 Absatz 1a des Vierten Buches), gilt der Betrag, der auf Grund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmt war. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Teil ihres oder seines Arbeitsentgelts nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und wird dieser Entgeltteil in einem Pensionsfonds, in einer Pensionskasse oder in einer Direktversicherung angelegt, gilt die Entgeltumwandlung für die Berechnung des Insolvenzgeldes als nicht vereinbart, soweit der Arbeitgeber keine Beiträge an den Versorgungsträger abgeführt hat.
(3) Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses.
(4) Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.
(5) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse dem Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unverzüglich bekannt zu geben.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 9. März 2011 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
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Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt Insolvenzgeld (Insg) für die Monate März, April und Mai 2003.
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Die Klägerin war bei der E.K. GmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin) als Vertriebsassistentin beschäftigt. Das zuständige Amtsgericht (AG) eröffnete mit Beschluss vom 29.6.2001 mit Wirkung zum 1.7.2001 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin. Die Beklagte bewilligte der Klägerin Insg für die Zeit vom 1.4. bis 30.6.2001.
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Im Insolvenzverfahren legte die Arbeitgeberin einen von der L. Consult GmbH erstellten Insolvenzplan vom 7.11.2001 vor, dem die Gläubiger zustimmten und den das AG mit Beschluss vom 28.11.2001 bestätigte. Ziel des Insolvenzplans war die Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit durch ein neues Unternehmenskonzept. Finanziert werden sollte der Neubeginn insbesondere durch den Verzicht der nachrangigen Gläubiger auf einen Großteil ihrer Forderungen in der Größenordnung von 9 Mio DM (90 % bzw 85 % bei verschiedenen Kleingläubigern). Die Auszahlung der nicht vom Verzicht betroffenen Beträge sollte überwiegend innerhalb eines Monats nach der auf die rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans folgenden Verfahrensaufhebung nach § 258 Insolvenzordnung (InsO) vorgenommen werden. Eine Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans war nicht vorgesehen.
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Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens gemäß § 258 InsO erfolgte zum 31.12.2001, 24 Uhr (Beschluss des AG vom 28.12.2001). In weiteren Verfügungen des Beschlusses des AG vom 28.12.2001 wurde ua bestimmt, dass die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters hinsichtlich bestimmter Anderkonten aufrechterhalten blieb, er weiter zur Einziehung bestimmter Forderungen und insoweit auch zur Befriedigung von Masseverbindlichkeiten berechtigt war, die Verfügungsbefugnis auch hinsichtlich der Ansprüche gegen eine eingeschaltete Factoring-Gesellschaft bestehen blieb und das Amt des Insolvenzverwalters erst mit vollständiger Befriedigung der zum 31.12.2001 bestehenden Massekosten und Masseverbindlichkeiten enden sollte. Die genannten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Insolvenzverwalters wurden erst durch Beschluss des AG vom 30.5.2003 aufgehoben.
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Am 21.5.2003 stellte die Arbeitgeberin erneut Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und führte zur Begründung aus, sie sei bei zwei Monaten Lohnrückstand für 70 Arbeitnehmer zahlungsunfähig; die durch den Insolvenzplan vorgegebenen Zahlungen hätten nicht erbracht werden können. Daraufhin bestellte das AG einen vorläufigen Insolvenzverwalter und beauftragte diesen mit der Erstellung eines Gutachtens. Nach Vorlage des Gutachtens vom 17.6.2003 mit dem Ergebnis, Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit seien zweifelsfrei gegeben, eröffnete das AG durch Beschluss vom 19.6.2003 erneut das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin.
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Den am 28.5.2003 gestellten Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Insg wegen offener Entgeltansprüche für die Monate März, April und Mai 2003 lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Arbeitgeberin habe seit der 2001 eingetretenen Insolvenz ihre Zahlungsfähigkeit nicht wiedererlangt, sodass nur dieses Insolvenzereignis maßgeblich sei (Bescheid vom 4.7.2003; Widerspruchsbescheid vom 8.12.2003).
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Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.1.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Insg für die Zeit vom 1.3. bis 30.5.2003 zu zahlen (Urteil vom 9.3.2011).
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Es hat ua ausgeführt: Der Anspruch ergebe sich aus § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Maßgebend sei das am 19.6.2003 eröffnete Insolvenzverfahren; die frühere Insolvenzeröffnung durch Beschluss vom 29.6.2001 entfalte keine Sperrwirkung. Zwar sei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Fortdauer einer aus Anlass eines früheren Insolvenzereignisses eingetretenen Zahlungsunfähigkeit bei Überwachung der Planerfüllung zu folgen und es sei auch davon auszugehen, dass die Arbeitgeberin seit 2001 zu keinem Zeitpunkt Zahlungsfähigkeit wiedererlangt habe, weil sie insbesondere die im Insolvenzplan vorgesehenen Zahlungen nicht habe leisten können. Gleichwohl sei die erneute Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 19.6.2003 ein hinreichendes Insolvenzereignis. Denn § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III sei unter Beachtung der Richtlinie 80/987 EWG (RL 80/987) idF der Richtlinie 2002/74 EG (RL 2002/74) dahingehend auszulegen, dass ohne Überwachung der Planerfüllung auch ein nachfolgendes "formelles" Insolvenzereignis bei fortbestehender Insolvenz ausreichend sei, einen Anspruch auf Insg auszulösen, wenn durch den nationalen Gesetzgeber nachfolgende Insolvenzverfahren nicht mit dem vorhergehenden zu einem Gesamtverfahren zusammengefasst seien. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte und der Systematik der genannten Richtlinie (RL). Einer Anwendung der RL stehe nicht der Umstand entgegen, dass nach der maßgebenden Fassung die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorschriften spätestens zum 8.10.2005 zu erlassen hätten. Aus den dokumentierten Erwägungen zu den RL 2002/74 folge, dass der Richtliniengeber einerseits die Arten der Insolvenzverfahren habe erweitern, andererseits aber auch dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit habe eröffnen wollen, eine Mehrheit von Verfahren als einheitliches Gesamtverfahren zu behandeln. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass grundsätzlich jedes formell definierte Insolvenzereignis geeignet sei, den Anspruch zu begründen.
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Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III und führt zur Begründung aus: Allein das Unterbleiben einer Anordnung der Überwachung der Planerfüllung berechtige nicht zu der Annahme, es sei eine neue Zahlungsunfähigkeit eingetreten. Obwohl das erste Insolvenzverfahren formell beendet worden sei, müsse auch unter den Umständen des vorliegenden Falls von einem einzigen Insolvenzverfahren ("Gesamtverfahren") ausgegangen werden. Für die Rechtsauffassung der Beklagten spreche auch, dass eine Initiative des Bundesrats, durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt eine gesetzliche Regelung iS der Auffassung des LSG einzuführen, nicht umgesetzt worden sei.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 9.3.2011 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 24.1.2007 zurückzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Wiederherstellung der klageabweisenden erstinstanzlichen Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz
) .
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1. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Insg gemäß § 183 Abs 1 S 1 SGB III wegen des ab März 2003 ausgefallenen Arbeitsentgelts liegen nicht vor.
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Maßgebend ist § 183 Abs 1 S 1 SGB III in der Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001 (BGBl I 3443) erhalten hat und die bis 31.3.2012 unverändert geblieben ist (vgl auch ab 1.4.2012 § 165 SGB III idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854). Danach hat ein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer, der bei Eintritt eines Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat, Anspruch auf Insg. Insolvenzereignis ist nach § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III ua die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers. Durch den Beschluss des AG vom 19.6.2003 ist jedoch kein (neues) Insolvenzereignis eingetreten. Denn die Insolvenzeröffnung durch Beschluss des AG vom 29.6.2001 entfaltet insoweit eine Sperrwirkung, die einem neuen Anspruch entgegensteht.
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Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, an der der Senat festhält, tritt ein neues Insolvenzereignis nicht ein und kann folglich auch Ansprüche auf Insg nicht auslösen, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3; BSGE 100, 282, 284 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 11, jeweils mwN). Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner wieder einzelnen Zahlungsverpflichtungen nachkommt (BSGE aaO).
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Unter Beachtung dieser in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist die Auffassung der Beklagten, die auf dem im Jahre 2001 eingetretenen Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit habe in der Folgezeit fortbestanden, nicht zu beanstanden. Das LSG hat unmissverständlich festgestellt, dass die jedenfalls seit Juni 2001 insolvente Arbeitgeberin der Klägerin auch danach zu keinem Zeitpunkt die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat. Es hat die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation der Arbeitgeberin insbesondere in der Zeit ab 2002 ausführlich dargestellt und im Ergebnis ausgeführt, dass die ursprüngliche Insolvenz aufgrund des fehlgeschlagenen Liquiditätskonzepts bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens noch nicht beendet war und dass die Arbeitgeberin zu keinem Zeitpunkt ausreichende Liquidität erlangt hatte, um ihre fälligen Geldschulden im Allgemeinen dauerhaft erfüllen zu können. Das durchgehende Fehlen von Zahlungsfähigkeit wird auch dadurch offenkundig, dass die Arbeitgeberin von Anfang an nicht in der Lage war, die im Insolvenzplan vorgesehenen Zahlungen zu leisten. Diese den Senat gemäß § 163 SGG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG führen zwingend zur Sperrwirkung des Insolvenzereignisses aus dem Jahre 2001 mit der Folge, dass der Klägerin über das hierfür erhaltene Insg hinaus kein weiterer Anspruch zusteht.
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Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Feststellungen des LSG, wonach das erste Insolvenzverfahren nach Vorlage eines Insolvenzplans und Bestätigung des Plans durch das Insolvenzgericht zum 31.12.2001 aufgehoben wurde und eine Überwachung des Insolvenzplans durch den Insolvenzverwalter nicht vorgesehen war. Insoweit ist zunächst die Rechtsprechung des Senats zu beachten, wonach allein aus der Bestätigung eines Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch nicht folgt, dass der zunächst eingetretene Insolvenzfall beseitigt wäre; denn die nur die Beteiligten des Insolvenzplanverfahrens betreffenden Wirkungen des Insolvenzplans nach Maßgabe des § 255 InsO werden hinfällig, wenn der Schuldner den Plan nicht erfüllt(BSGE 90, 157, 159 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). An dieser Rechtsprechung hält der Senat weiter fest.
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Soweit der Senat darüber hinaus in der Vergangenheit für die Annahme fortdauernder Zahlungsunfähigkeit auf die andauernde Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter abgestellt hat (BSGE 100, 282, 285 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 14), ist hieraus nicht etwa zu folgern, dass immer von der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit auszugehen wäre, wenn der Insolvenzplan nicht überwacht wird. Bei andauernder Planüberwachung wird lediglich besonders deutlich, dass insbesondere im Hinblick auf die fortbestehenden Befugnisse des Insolvenzverwalters von einer Wiedererlangung der Fähigkeit, fällige Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, von vornherein keine Rede sein kann. Der Senat hat deshalb ausdrücklich offengelassen, wie in Fällen fehlender Überwachung zu verfahren ist (BSGE 90, 157, 161 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). Diese Rechtsprechung entwickelt der Senat in dem Sinne weiter, dass auch dann ein einheitlicher Insolvenztatbestand vorliegen kann, wenn keine Überwachung der Planerfüllung stattfindet. Dies ist anhand der Einzelumstände zu prüfen und im Streitfall von den Tatsachengerichten festzustellen. Wird - wie im vorliegenden Fall durch das LSG - eindeutig festgestellt, dass der Schuldner die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebenen Zahlungen überhaupt nicht leisten konnte und auch sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens (mit Ablauf des 31.12.2001) bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens (am 19.6.2003) zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, muss es bei der Sperrwirkung des Insolvenzereignisses bleiben.
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2. Ein Anspruch auf Insg kann auch nicht - wie das LSG zu Recht ausgeführt hat - aus § 183 Abs 2 SGB III hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitnehmer, der in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen hat, Insg auch für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses erhalten. Ein solcher Anspruch kommt unter den gegebenen Umständen nicht in Betracht. Denn der Klägerin war das maßgebliche Insolvenzereignis von 2001 bereits bekannt, da sie hierfür Insg erhalten hatte (vgl BSGE 100, 282, 285 f = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 16; vgl auch zur Vorgängervorschrift des § 141b Abs 4 Arbeitsförderungsgesetz - BSG SozR 3-4100 § 141e Nr 3).
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3. Der Rechtsmeinung des LSG, § 183 SGB III sei "richtlinienkonform" dahingehend auszulegen, dass bei fehlender Planüberwachung auch ein nachfolgendes zweites "formelles" Insolvenzereignis für einen Anspruch auf Insg ausreiche, folgt der Senat nicht.
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Die Ausführungen des LSG, der Umstand, dass von den Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 bis 8.10.2005 zu erlassen seien, stehe einer "sofortigen Anwendung" dieser Richtlinie nicht im Wege, stehen bereits nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Denn hiernach kommt der RL 2002/74 im Fall ihrer Nichtumsetzung unmittelbare Wirkung nur im Zusammenhang mit nach dem 8.10.2005 eingetretenen Insolvenzfällen zu (EuGH, Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105, 1057; Urteil vom 10.3.2011 - C-477/09 - NJW 2011, 1791). Im vorliegenden Fall war jedoch der zweite (unbeachtliche) Insolvenzfall bereits durch Beschluss des AG vom 19.6.2003 eingetreten.
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Unabhängig davon verkennt das LSG bei seiner Auslegung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 den Regelungsgehalt des Art 2 der RL, der insbesondere definiert, wann ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig "gilt". Dem Text des Art 2 Abs 1 in der hier maßgebenden Fassung (jetzt: EGRL 2008/94 vom 22.10.2008) sind aber keine ausdrücklichen Bestimmungen zu der im vorliegenden Fall streitigen Frage zu entnehmen, ob einem Arbeitnehmer, der bereits aus Anlass der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers eine Garantieleistung iS der RL erhalten hat, bei andauernder Zahlungsunfähigkeit durch die zuständige Garantieeinrichtung erneut eine Leistung zu gewähren ist. Soweit aufgrund der Änderungen durch die RL 2002/74 von einem "Gesamtverfahren" sowie in Art 2 Abs 4 davon die Rede ist, dass die Mitgliedstaaten "nicht gehindert sind", den Schutz der Arbeitnehmer auch "auf andere Situationen der Zahlungsunfähigkeit" auszuweiten, erfordert dies jeweils den Erlass entsprechender Rechts- oder Verwaltungsvorschriften durch die Mitgliedstaaten, über die diese frei entscheiden können (vgl Abschnitt 5 der Erwägungen der RL 2002/74 EG und auch Abschnitt 4 der Erwägungen bzw Art 2 Abs 4 der Neufassung der RL durch die RL 2008/94/EG vom 22.10.2008, ABl L 283 vom 28.10.2008, S 36 ff).
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Nicht zu folgen vermag der Senat dem LSG insbesondere, soweit es aus den Materialien zur Änderung der RL 80/987 durch die RL 2002/74 den Schluss zieht, jedes "formell definierte Insolvenzereignis" iS der RL 80/987 sei geeignet, einen Anspruch gegen die Garantieeinrichtung zu begründen. Das LSG verweist hierzu vor allem auf den "Gemeinsamen Standpunkt" des Rates vom 18.2.2002 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 22.5.2002, C 119 E/1), in dessen Abschnitt 5 - wortgleich übernommen in Abschnitt 5 der Erwägungen der RL 2002/74 EG - ausgeführt ist, es sei angebracht, mit dem Begriff der Zahlungsunfähigkeit "auch andere Insolvenzverfahren als Liquidationsverfahren zu erfassen", und die Mitgliedstaaten sollten "vorsehen können, dass für den Fall, dass das Vorliegen einer Insolvenz zu mehreren Insolvenzverfahren führt, die Situation so behandelt wird, als würde es sich um ein einziges Insolvenzverfahren handeln". Aus Sicht des Senats ist nicht nachvollziehbar, inwiefern dies "im Umkehrschluss" bedeuten soll, dass - mangels deutscher gesetzlicher Regelungen, die mehrere Insolvenzverfahren zu einem Gesamtverfahren zusammenfassen - im vorliegenden Fall die "formelle" Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens am 19.6.2003 einen neuen Anspruch auf Insg auslöst. Den Mitgliedstaaten räumen die Erwägungen die Möglichkeit ein, für die Zukunft auch andere Verfahren einzubeziehen und für diesen Fall einschränkend zu bestimmen, wann mehrere Verfahren als "einziges" Verfahren zu behandeln sind. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass ohne ausdrückliche Neuregelung zwei aufeinanderfolgende Insolvenzereignisse nicht als einheitliches Insolvenzereignis behandelt werden dürften, wenn zwischenzeitlich weiterhin Zahlungsunfähigkeit bestanden hat.
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Für die Auffassung des LSG sprechen schließlich auch nicht die angeführten wirtschafts- und sozialpolitischen Erwägungen (S 34 des Urteilsumdrucks), die auch Äußerungen im Schrifttum zugrunde liegen (Frank/Heinrich NZI 2011, 569, 571 ff und NZS 2011, 689, 691). Es mag zwar wünschenswert sein, in Sanierungsfällen über den Schutz des § 183 Abs 2 SGB III hinaus auch Arbeitnehmern, die schon einmal Insg erhalten haben, eine zusätzliche Absicherung zuzubilligen. Unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall die Sanierungsbemühungen offenbar von vornherein zum Scheitern verurteilt waren, kann derartigen Vorstellungen aber nur durch den Gesetzgeber entsprochen werden. Die mit der Einführung von Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen rechtfertigen es nicht, allein aufgrund der Bestätigung des Plans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung zu eröffnen; auch ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit den §§ 183 ff SGB III nicht die Ziele der InsO verfolgt(vgl dazu bereits BSGE 90, 157, 160 f = SozR 4-4300 § 183 Nr 3). Wie die aktuelle Entwicklung zeigt, hat sich der deutsche Gesetzgeber anlässlich der Überarbeitung und Neugestaltung des SGB III im Jahre 2011 insbesondere im Hinblick auf zu erwartende Mehrkosten für die umlagepflichtigen Arbeitgeber und mögliche Wettbewerbsverzerrungen gerade nicht dazu entschlossen, eine gesetzliche Regelung iS der Auffassung des LSG in das SGB III aufzunehmen (vgl Gegenäußerung der Bundesregierung zur - sich explizit auf die vorliegende Entscheidung des LSG beziehenden - Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 17/6853 S 18, zu Nr 2, und S 1 ff, zu Art 1 Nr 7a und Art 2 Nr 18).
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4. Nach alledem steht das einschlägige europäische Recht der Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III iS der Rechtsprechung des BSG(s oben 1.) nicht entgegen. Der Senat ist nicht gehalten, die oben behandelten Fragen zur Auslegung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 dem EuGH gemäß Art 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorzulegen. Denn insoweit liegt bereits hinreichend aussagekräftige Rechtsprechung des EuGH vor. Geklärt ist insbesondere, dass der RL unmittelbare Wirkung nur im Zusammenhang mit nach dem 8.10.2005 eingetretenen Insolvenzfällen zukommt (EuGH, Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105; Urteil vom 10.3.2011 - C-477/09 - NJW 2011, 1791). Nicht ersichtlich ist, dass im vorliegenden Fall durch die Anwendung des § 183 SGB III entsprechend der Auffassung des Senats der allgemeine Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung(vgl EuGH, Urteil vom 12.12.2002 - C-442/00 - SozR 3-6084 Art 2 Nr 3; Urteil vom 7.9.2006 - C-81/05 - SozR 4-6084 Art 3 Nr 3; Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105) verletzt sein könnte. So ist insbesondere die Differenzierung zwischen Personen, die - wie die Klägerin - aus Anlass der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers schon einmal eine Garantieleistung erhalten haben, und Personen, die erstmalig eine solche Leistung beanspruchen (vgl § 183 Abs 2 SGB III aF; jetzt § 165 Abs 3 SGB III), sachlich gerechtfertigt.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt
- 1.
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, - 2.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder - 3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
(2) Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Als Arbeitsentgelt für Zeiten, in denen auch während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht (§ 7 Absatz 1a des Vierten Buches), gilt der Betrag, der auf Grund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmt war. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Teil ihres oder seines Arbeitsentgelts nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und wird dieser Entgeltteil in einem Pensionsfonds, in einer Pensionskasse oder in einer Direktversicherung angelegt, gilt die Entgeltumwandlung für die Berechnung des Insolvenzgeldes als nicht vereinbart, soweit der Arbeitgeber keine Beiträge an den Versorgungsträger abgeführt hat.
(3) Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses.
(4) Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.
(5) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse dem Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unverzüglich bekannt zu geben.
Tenor
-
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 9. März 2011 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 wird zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
- 1
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Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Insolvenzgeld (Insg) für die Zeit vom 1.2. bis 24.4.2003.
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Der Kläger war Berufsfußballspieler ("Vertragsamateur") beim Verein für Bewegungsspiele L. eV (VfB L; im Folgenden: Arbeitgeber). Das Amtsgerichts L. (AG) eröffnete erstmals mit Beschluss vom 1.1.2000 über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren, bestätigte den vom damaligen Insolvenzverwalter vorgelegten Insolvenzplan, der den Erhalt des Arbeitgebers gewährleisten sollte und ordnete dessen Überwachung für die Dauer von zwei Jahren an. Mit Beschluss vom 1.12.2000 stellte das AG das Insolvenzverfahren ein und hob am 5.12.2002 die Überwachung wegen Ende der Überwachungszeit auf (Rechtskraftvermerk vom 15.1.2003). Am 9.12.2002 bestätigte der damalige Insolvenzverwalter, dass ihm als einzige fällige, nicht erfüllte Insolvenzforderung eine solche des Herrn M. bekannt sei, er aber keine Bedenken habe, dass die Überwachung durch Zeitablauf per 30.11.2002 ende.
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Am 3.12.2003 bzw 23.12.2003 beantragten der Arbeitgeber und die AOK Sachsen erneut die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Nachdem ein Gutachten die Überschuldung des Arbeitgebers ergeben hatte (Arbeitsentgeltrückstände: 309 818,64 Euro; Beitragsrückstände gegenüber den Einzugsstellen: 367 938,30 Euro), eröffnete das AG mit Beschluss vom 2.2.2004 ein zweites Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers.
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Auf seinen ersten Antrag vom 16.2.2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1.10. bis zum 31.12.1999 Insg in Höhe von 12 016,99 DM (Bescheid vom 8.3.2000). Vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 war der Kläger aufgrund eines befristeten Vertrags vom 16.5.2002 (für die Saison 2002/2003) erneut als Vertragsfußballspieler beim Arbeitgeber beschäftigt. In einem Arbeitsgerichtsprozess einigten sich Arbeitgeber und Kläger darauf, dass das Vertragsverhältnis zum 24.4.2003 geendet habe und ein Vertragsverhältnis zum jetzigen Insolvenzverwalter nicht begründet worden sei. Bereits am 25.2.2004 hatte der Kläger erneut die Gewährung von Insg bei der Beklagten beantragt.
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Mit Bescheid vom 9.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von (erneutem) Insg ab, weil nach dem ersten Insolvenzereignis eine Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers nicht wiederhergestellt worden sei.
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Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.11.2006). Das Landessozialgericht (LSG) hat das erstinstanzliche Urteil sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Insg für die Zeit vom 1.2. bis 24.4.2003 entsprechend der Insg-Bescheinigung des Insolvenzverwalters zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Zwar bestehe ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Insg nicht bereits nach § 183 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), weil der Kläger bereits aufgrund des ersten Insolvenzereignisses Insg erhalten habe, die Vorschrift aber nur den Arbeitnehmer schütze, der in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen habe. Der Anspruch des Klägers bestehe jedoch nach § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III für die bei Eintritt des (neuen) Insolvenzereignisses vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses. Zwar könne ein neues Insolvenzereignis solange nicht eintreten, wie die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauere. Diese ende nicht schon dadurch, dass der Schuldner einzelne Zahlungsverpflichtungen wieder erfülle. Auch die Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch das Insolvenzgericht nach Bestätigung des vom Insolvenzverwalter überwachten Insolvenzplans beseitige den zunächst eingetretenen Insolvenzfall noch nicht mit der Möglichkeit des Entstehens neuer Ansprüche auf Insg. Dies gelte jedenfalls solange, wie die im Insolvenzplan vorgesehene Überwachung der Planerfüllung andauere. Gleichwohl sei die erneute Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 2.2.2004 ein hinreichendes Insolvenzereignis, um einen neuen Anspruch auf Insg zu begründen. Denn § 183 Abs 1 SGB III sei unter Beachtung der Richtlinie des Rats der europäischen Gemeinschaft vom 20.10.1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitglieder über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (EWGRL 80/987, ABl L 283, 23) idF der EGRL 2002/74 dahingehend auszulegen, dass auch ein nachfolgendes zweites "formelles" Insolvenzereignis bei fortbestehender Insolvenz ausreichend sei, einen Anspruch auf Insg auszulösen, wenn durch den nationalen Gesetzgeber nachfolgende Insolvenzverfahren nicht mit dem vorhergehenden zu einem Gesamtverfahren zusammengefasst seien. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte und der Systematik der genannten Richtlinie (RL). Einer Anwendung der RL stehe nicht der Umstand entgegen, dass nach der maßgebenden Fassung die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorschriften spätestens zum 8.10.2005 zu erlassen hätten. Aus den dokumentierten Erwägungen zu der RL 2002/74 folge, dass der Richtliniengeber einerseits die Arten der Insolvenzverfahren habe erweitern, andererseits aber auch dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit habe eröffnen wollen, eine Mehrheit von Verfahren als einheitliches Gesamtverfahren zu behandeln. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass grundsätzlich jedes formell definierte Insolvenzereignis geeignet sei, den Anspruch zu begründen.
- 7
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Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: In seiner bisherigen Rechtsprechung habe das Bundessozialgericht (BSG) zwar nicht die vorliegende Fallgestaltung und Fragestellung erfasst, ob der früher eingetretene Insolvenzfall durch eine zweite Zahlungsunfähigkeit beseitigt werde, wenn im ersten Insolvenzverfahren zwar die Anordnung der Überwachung des Insolvenzplans erfolgt sei, jedoch die Überwachung vor Beginn des Insg-Zeitraums geendet habe. Auch für diesen Fall müsse jedoch von einem einzigen Insolvenzverfahren ("Gesamtverfahren") ausgegangen werden. Für die Rechtsauffassung der Beklagten spreche auch, dass eine Initiative des Bundesrats, durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt eine gesetzliche Regelung iS der Auffassung des LSG einzuführen, nicht umgesetzt worden sei.
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Die Beklagte beantragt
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 9.3.2011 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14.11.2006 zurückzuweisen.
- 9
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 10
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Er hält das vorinstanzliche Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
- 11
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Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Wiederherstellung der klageabweisenden erstinstanzlichen Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz
) .
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1. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Insg gemäß § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III wegen des ab Februar 2003 ausgefallenen Arbeitsentgelts liegen nicht vor.
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Maßgebend ist § 183 Abs 1 S 1 SGB III in der Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001 (BGBl I 3443) erhalten hat und die bis 31.3.2012 unverändert geblieben ist (vgl auch ab 1.4.2012 § 165 SGB III idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854). Danach hat ein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer, der bei Eintritt eines Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat, Anspruch auf Insg. Insolvenzereignis ist nach § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III ua die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers. Durch den Beschluss des AG vom 2.2.2004 ist jedoch kein (neues) Insolvenzereignis eingetreten. Denn die Insolvenzeröffnung durch Beschluss des AG vom 1.1.2000 entfaltet insoweit eine Sperrwirkung, die einem neuen Anspruch entgegensteht.
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Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, an der der Senat festhält, tritt ein neues Insolvenzereignis nicht ein und kann folglich auch Ansprüche auf Insg nicht auslösen, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3; BSGE 100, 282, 284 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 11, jeweils mwN). Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner wieder einzelnen Zahlungsverpflichtungen nachkommt (BSGE aaO).
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Unter Beachtung dieser in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist die Auffassung der Beklagten, die auf dem im Jahre 2000 eingetretenen Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit habe in der Folgezeit fortbestanden, nicht zu beanstanden. Das LSG hat unmissverständlich festgestellt, dass der jedenfalls seit Ende der Spielsaison 1998/1999 insolvente Arbeitgeber des Klägers auch danach zu keinem Zeitpunkt die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat. Es hat die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation des Arbeitgebers insbesondere in der Zeit ab 2000 ausführlich dargestellt und im Ergebnis ausgeführt, dass die ursprüngliche Insolvenz aufgrund des fehlgeschlagenen Sanierungskonzepts zum Erhalt des Arbeitgebers bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens noch nicht beendet war und dass der Arbeitgeber auch zu keinem Zeitpunkt nach der Beendigung des ersten Insolvenzplanverfahrens mit Ablauf des 30.11.2002 bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens am 2.2.2004 in der Lage war, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen dauerhaft zu erfüllen. Das durchgehende Fehlen von Zahlungsfähigkeit wird auch dadurch offenkundig, dass der Arbeitgeber von Mitte 2000 bis Mitte 2002 weitere Jahresfehlbeträge von jeweils rund einer Million Euro erwirtschaftet hat. Diese den Senat gemäß § 163 SGG bindenden, tatsächlichen Feststellungen des LSG führen zwingend zur Sperrwirkung des Insolvenzereignisses aus dem Jahre 2000 mit der Folge, dass dem Kläger über das hierfür erhaltene Insg hinaus kein weiterer Anspruch zusteht.
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Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Feststellungen des LSG, wonach das Insolvenzgericht am 1.12.2000 das Insolvenzverfahren einstellte und die Überwachung wegen Ende der Überwachungszeit am 5.12.2002 aufhob. Insoweit ist die Rechtsprechung des Senats zu beachten, wonach allein aus der Bestätigung eines Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch nicht folgt, dass der zunächst eingetretene Insolvenzfall beseitigt wäre; denn die nur die Beteiligten des Insolvenzplanverfahrens betreffenden Wirkungen des Insolvenzplans nach Maßgabe des § 255 Insolvenzordnung (InsO) werden hinfällig, wenn der Schuldner den Plan nicht erfüllt(BSGE 90, 157, 159 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). An dieser Rechtsprechung hält der Senat weiter fest.
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Soweit der Senat darüber hinaus in der Vergangenheit für die Annahme fortdauernder Zahlungsunfähigkeit auf die andauernde Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter abgestellt hat (BSGE 100, 282, 285 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 14), ist hieraus nicht etwa zu folgern, dass immer von der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit auszugehen wäre, wenn der Insolvenzplan nicht (mehr) überwacht wird. Bei andauernder Planüberwachung wird lediglich besonders deutlich, dass insbesondere im Hinblick auf die fortbestehenden Befugnisse des Insolvenzverwalters von einer Wiedererlangung der Fähigkeit, fällige Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, von vornherein keine Rede sein kann. Der Senat hat deshalb ausdrücklich offengelassen, wie in Fällen fehlender oder später wieder aufgehobener Planüberwachung zu verfahren ist (BSGE 90, 157, 161 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). Diese Rechtsprechung entwickelt der Senat in dem Sinne weiter, dass auch dann ein einheitlicher Insolvenztatbestand vorliegen kann, wenn keine Überwachung der Planerfüllung stattfindet. Dies ist anhand der Einzelumstände zu prüfen und im Streitfall von den Tatsachengerichten festzustellen. Wird - wie im vorliegenden Fall durch das LSG - eindeutig festgestellt, dass der Arbeitgeber bis zur Beendigung der Planüberwachung (per 30.11.2002) und auch danach bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens (am 2.2.2004) zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder erlangt hat, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, muss es bei der Sperrwirkung des Insolvenzereignisses bleiben.
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2. Ein Anspruch auf Insg kann auch nicht - wie das LSG zu Recht ausgeführt hat - aus § 183 Abs 2 SGB III hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitnehmer, der in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen hat, Insg auch für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses erhalten. Ein solcher Anspruch kommt unter den gegebenen Umständen nicht in Betracht. Denn dem Kläger war das maßgebliche Insolvenzereignis von 2000 bereits bekannt, weil er hierfür Insg erhalten hatte (vgl BSGE 100, 282, 285 f = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 16).
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3. Der Rechtsmeinung des LSG, § 183 SGB III sei "richtlinienkonform" dahingehend auszulegen, dass bei fehlender Planüberwachung auch ein nachfolgendes zweites "formelles" Insolvenzereignis für einen Anspruch auf Insg ausreiche, folgt der Senat nicht.
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Die Ausführungen des LSG, der Umstand, dass von den Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 bis 8.10.2005 zu erlassen seien, stehe einer "sofortigen Anwendung" dieser Richtlinie nicht im Wege, stehen bereits nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Denn hiernach kommt der RL 2002/74 im Fall ihrer Nichtumsetzung unmittelbare Wirkung nur im Zusammenhang mit nach dem 8.10.2005 eingetretenen Insolvenzfällen zu (EuGH, Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105; Urteil vom 10.3.2011 - C-477/09 - NJW 2011, 1791). Im vorliegenden Fall war jedoch der zweite (unbeachtliche) Insolvenzfall bereits durch Beschluss des AG vom 2.2.2004 eingetreten.
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Unabhängig davon verkennt das LSG bei seiner Auslegung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 den Regelungsgehalt des Art 2 der RL, der insbesondere definiert, wann ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig "gilt". Dem Text des Art 2 Abs 1 in der hier maßgebenden Fassung (jetzt: RL 2008/94 vom 22.10.2008) sind aber keine ausdrücklichen Bestimmungen zu der im vorliegenden Fall streitigen Frage zu entnehmen, ob einem Arbeitnehmer, der bereits aus Anlass der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers eine Garantieleistung iS der RL erhalten hat, bei andauernder Zahlungsunfähigkeit durch die zuständige Garantieeinrichtung erneut eine Leistung zu gewähren ist. Soweit aufgrund der Änderungen durch die RL 2002/74 von einem "Gesamtverfahren" sowie in Art 2 Abs 4 davon die Rede ist, dass die Mitgliedstaaten "nicht gehindert sind", den Schutz der Arbeitnehmer auch "auf andere Situationen der Zahlungsunfähigkeit" auszuweiten, erfordert dies jeweils den Erlass entsprechender Rechts- oder Verwaltungsvorschriften durch die Mitgliedstaaten, über die diese frei entscheiden können (vgl Abschnitt 5 der Erwägungen der RL 2002/74 und auch Abschnitt 4 der Erwägungen bzw Art 2 Abs 4 der Neufassung der RL durch die RL 2008/94 vom 22.10.2008, ABl L 283 vom 28.10.2008, S 36 ff).
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Nicht zu folgen vermag der Senat dem LSG insbesondere, soweit es aus den Materialien zur Änderung der RL 80/987 durch die RL 2002/74 den Schluss zieht, jedes "formell definierte Insolvenzereignis" iS der RL 80/987 sei geeignet, einen Anspruch gegen die Garantieeinrichtung zu begründen. Das LSG verweist hierzu vor allem auf den "Gemeinsamen Standpunkt" des Rates vom 18.2.2002 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 22.5.2002, C 119 E/1), in dessen Abschnitt 5 - wortgleich übernommen in Abschnitt 5 der Erwägungen der RL 2002/74 EG - ausgeführt ist, es sei angebracht, mit dem Begriff der Zahlungsunfähigkeit "auch andere Insolvenzverfahren als Liquidationsverfahren zu erfassen", und die Mitgliedstaaten sollten "vorsehen können, dass für den Fall, dass das Vorliegen einer Insolvenz zu mehreren Insolvenzverfahren führt, die Situation so behandelt wird, als würde es sich um ein einziges Insolvenzverfahren handeln". Aus Sicht des Senats ist nicht nachvollziehbar, inwiefern dies "im Umkehrschluss" bedeuten soll, dass - mangels deutscher gesetzlicher Regelungen, die mehrere Insolvenzverfahren zu einem Gesamtverfahren zusammenfassen - im vorliegenden Fall die "formelle" Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens am 19.6.2003 einen neuen Anspruch auf Insg auslöst. Den Mitgliedstaaten räumen die Erwägungen die Möglichkeit ein, für die Zukunft auch andere Verfahren einzubeziehen und für diesen Fall einschränkend zu bestimmen, wann mehrere Verfahren als "einziges" Verfahren zu behandeln sind. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass ohne ausdrückliche Neuregelung zwei aufeinanderfolgende Insolvenzereignisse nicht als einheitliches Insolvenzereignis behandelt werden dürften, wenn zwischenzeitlich weiterhin Zahlungsunfähigkeit bestanden hat.
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Für die Auffassung des LSG sprechen schließlich auch nicht die angeführten wirtschafts- und sozialpolitischen Erwägungen (S 34, 35 des Urteilsumdrucks), der auch Äußerungen im Schrifttum zugrunde liegen (Frank/Heinrich NZI 2011, 569, 571 ff und NZS 2011, 689, 691). Es mag zwar wünschenswert sein, in Sanierungsfällen über den Schutz des § 183 Abs 2 SGB III hinaus auch Arbeitnehmern, die schon einmal Insg erhalten haben, eine zusätzliche Absicherung zuzubilligen. Unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall die Sanierungsbemühungen offenbar zum Scheitern verurteilt waren, kann derartigen Vorstellungen aber nur durch den Gesetzgeber entsprochen werden. Die mit der Einführung von Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen rechtfertigen es nicht, allein aufgrund der Bestätigung des Plans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung zu eröffnen; auch ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit den §§ 183 ff SGB III nicht die Ziele der InsO verfolgt(vgl dazu bereits BSGE 90, 157, 160 f = SozR 4-4300 § 183 Nr 3). Wie die aktuelle Entwicklung zeigt, hat sich der deutsche Gesetzgeber anlässlich der Überarbeitung und Neugestaltung des SGB III im Jahre 2011 insbesondere im Hinblick auf zu erwartende Mehrkosten für die umlagepflichtigen Arbeitgeber und mögliche Wettbewerbsverzerrungen gerade nicht dazu entschlossen, eine gesetzliche Regelung iS der Auffassung des LSG in das SGB III aufzunehmen (vgl Gegenäußerung der Bundesregierung zur - sich explizit auf die vorliegende Entscheidung des LSG beziehenden - Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 17/6853 S 18, zu Nr 2, und S 1 ff, zu Art 1 Nr 7a und Art 2 Nr 18).
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4. Nach alledem steht das einschlägige europäische Recht der Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III iS der Rechtsprechung des BSG(s oben 1.) nicht entgegen. Der Senat ist nicht gehalten, die oben behandelten Fragen zur Auslegung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 dem EuGH gemäß Art 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorzulegen. Denn insoweit liegt bereits hinreichend aussagekräftige Rechtsprechung des EuGH vor. Geklärt ist insbesondere, dass der RL unmittelbare Wirkung nur im Zusammenhang mit nach dem 8.10.2005 eingetretenen Insolvenzfällen zukommt (EuGH, Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105; Urteil vom 10.3.2011 - C-477/09 - NJW 2011, 1791). Nicht ersichtlich ist, dass im vorliegenden Fall durch die Anwendung des § 183 SGB III entsprechend der Auffassung des Senats der allgemeine Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung(vgl EuGH, Urteil vom 12.12.2002 - C-442/00 - SozR 3-6084 Art 2 Nr 3; Urteil vom 7.9.2006 - C-81/05 - SozR 4-6084 Art 3 Nr 3; Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105) verletzt sein könnte.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. April 2014 wird zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt Insolvenzgeld (Insg) für die Zeit vom 1.12.2009 bis 28.2.2010.
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Nachdem die B. GmbH (B GmbH), die ein Sägewerk betrieb, am 15.2.2010 bei dem zuständigen Amtsgericht (AG) Arnsberg einen erneuten Insolvenzantrag gestellt hatte, beantragte der Kläger, ein Arbeitnehmer der B GmbH, am 1.3.2010 bei der Beklagten die Zahlung von Insg wegen dieses später eröffneten Insolvenzverfahrens.
- 3
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Über das Vermögen der B GmbH war bereits auf den Insolvenzantrag vom 1.2.2005 durch das zuständige AG ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das AG hob das Verfahren nach Bestätigung des Insolvenzplans durch die Gläubiger am 7.4.2006 wieder auf. Der gestaltende Teil des Insolvenzplans sah vor, dass auf die Forderungen der ungesicherten Gläubiger eine Quote von 10 vH gezahlt wird und die Auszahlung auf der Grundlage des vom Insolvenzverwalter erstellten Verteilungsverzeichnisses zu verschiedenen Fälligkeitsterminen bis Ende 2008 erfolgen werde. Daneben war vorgesehen, dass weitere Zahlungen an die Gläubiger erfolgen sollten, falls sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens bessern und dieses in den Jahren 2007 bis 2010 Gewinne erwirtschaften sollte. Von diesen Gewinnen sollten ggf 50 vH an die Gläubiger ausgeschüttet werden. Die Erfüllung des Insolvenzplans überwachte der Insolvenzverwalter P. (P). Der Kläger hatte wegen dieses Insolvenzereignisses für die Zeit vom 1.11.2004 bis 31.1.2005 Insg erhalten.
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Vor Aufhebung der Überwachung des Insolvenzplans stellte die B GmbH den Insolvenzantrag vom 15.2.2010. Der Kläger kündigte aufgrund der Lohnrückstände aus den Monaten Dezember 2009 sowie Januar und Februar 2010 sein Arbeitsverhältnis zum 28.2.2010. Das AG eröffnete das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B GmbH (Beschluss vom 22.3.2010). Die Beklagte lehnte den Antrag auf Insg ab und verlangte einen hierauf gezahlten Vorschuss zurück (Bescheid vom 26.4.2010; Widerspruchsbescheid vom 4.6.2010).
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Das Klageverfahren ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts
Dortmund vom 13.5.2011; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen Die noch andauernde Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter rechtfertige nicht die Annahme, die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sei beendet und ein neues Insolvenzereignis könne eintreten. Dies gelte auch, wenn das erste Insolvenzverfahren nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans aufgehoben, die im Insolvenzplan festgelegte Quote in den folgenden Jahren gezahlt und der Insolvenzplan lediglich hinsichtlich des sog "Besserungsscheins" nicht erfüllt worden sei.vom 10.4.2014).
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Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), des Sozialstaatsprinzips aus Art 20 Abs 1 Grundgesetz (GG) und der Art 2 Abs 1 und 12a der EG-Richtlinie 2008/94 (RL 2008/94) vom 22.10.2008. Nach der Insolvenzordnung (InsO) bestehe neben der Möglichkeit der Gläubigerbefriedigung durch Liquidation des gesamtschuldnerischen Vermögens auch die Möglichkeit, eine Sanierung nach Maßgabe des mit den Gläubigern abgestimmten Insolvenzplans durchzuführen. Vorliegend sei durch den Beschluss des AG vom 7.4.2006 das erste Insolvenzverfahren aufgehoben worden und damit endgültig beendet gewesen. Ein zweites Insolvenzverfahren könne ab diesem Zeitpunkt eintreten. Die Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter sei lediglich ein nachgelagertes Verfahren. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach das Insolvenzverfahren arbeitsförderungsrechtlich andauere, solange die Planüberwachung angeordnet sei, sei nicht zu folgen. Aus dem Andauern der Planüberwachung könne nicht auf die Fortdauer der Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden. § 183 Abs 1 SGB III sei zudem europarechtskonform so auszulegen, dass ein nachfolgendes Insolvenzereignis ausreiche, um einen weiteren Anspruch auf Insg auszulösen. Auch Art 20 GG gebiete, die Arbeitnehmer zu schützen. Es sei das Ziel dieser Art der Sanierung, die Arbeitsplätze in dem Betrieb zu erhalten. Die Auslegung des § 183 Abs 1 S 1 SGB III durch das LSG habe aber zur Folge, dass gerade das "schwächste Glied in der Kette", nämlich der Arbeitnehmer, mit dessen maßgeblicher Hilfe der Insolvenzplan erfüllt werde, völlig schutzlos bleibe. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber während der Fortführung des Betriebs die Insolvenzumlage zahlen müsse und hier auch gezahlt habe.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Abänderung der Urteile des LSG und des SG sowie des Bescheids der Beklagten vom 26.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.6.2010 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1.12.2009 bis 28.2.2010 Insolvenzgeld zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Entscheidung des LSG sei auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der europarechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz
) .
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 26.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.6.2010 (§ 95 SGG), der nach Begrenzung des Streitgegenstands in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nur noch angegriffen ist, soweit die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 28.2.2010 Insg zu zahlen. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG insoweit zu Recht zurückgewiesen. Die Anfechtungs- und Leistungsklage kann keinen Erfolg haben, weil der Kläger für den streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf Insg hat.
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Nach § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2742; jetzt § 165 Abs 1 S 1 SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
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Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar ist durch den Beschluss des AG vom 22.3.2010 (wieder) ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der B GmbH eröffnet worden, sodass ein Insolvenzereignis iS der InsO vorliegt. Ein (neues) arbeitsförderungsrechtliches Insolvenzereignis iS des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III ist damit jedoch nicht eingetreten, weil das frühere Insolvenzereignis - hier die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B GmbH am 1.2.2005 - gegenüber dem Eintreten eines weiteren Insolvenzereignisses eine Sperrwirkung entfaltet. Diese hindert die Entstehung (§ 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch
) eines erneuten Anspruchs auf Insg.
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Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein (neues) Insolvenzereignis nicht eintreten, solange die auf einem früheren Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers noch andauert (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 3). Für die Annahme wiedererlangter Zahlungsfähigkeit genügt es nicht, wenn der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit fortführt und die laufenden Verbindlichkeiten, wie insbesondere die Lohnansprüche, befriedigt. Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist vielmehr so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet deshalb nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelnen Zahlungsverpflichtungen wieder nachkommt (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 3; BSGE 100, 282 f RdNr 11 mwN = SozR 4-4300 § 183 Nr 9 S 39). Wird - wie im vorliegenden Fall durch das LSG - für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass der Schuldner zwar die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebene Quote leisten konnte, aber sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, bleibt es bei der Sperrwirkung des ersten Insolvenzereignisses.
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Soweit der Kläger unter Verweis auf die Ausführungen des Zeugen P die Auffassung vertritt, dass aus dessen Aussage andere Schlüsse zu ziehen seien als sie das LSG gezogen hat, kann dies der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Der Senat ist an die Feststellungen des LSG gebunden, soweit gegen diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben worden sind (§ 163 SGG). Solche Rügen hat der Kläger, der schlicht seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt, nicht erhoben.
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Allein die formale Beendigung des Insolvenzverfahrens bei gleichzeitiger Anordnung der Planüberwachung genügt nicht, um eine Wiederherstellung der allgemeinen Zahlungsfähigkeit des Gemeinschuldners zu begründen. Die Gläubiger verzichten bei dieser Art der Abwicklung eines Insolvenzereignisses auf den Großteil ihrer Forderungen nur, um den im Insolvenzplan vereinbarten (geringen) Teil der Forderung zu erhalten. Ihre Gesamtforderung kann aber insolvenzrechtlich wieder aufleben, wenn die Vereinbarungen des Insolvenzplans nicht erfüllt werden (vgl § 255 InsO; dazu BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 3).
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An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Kritik des Klägers an dem fehlenden Schutz der Arbeitnehmer in einem solchen Fall rechtfertigt - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - keine andere Beurteilung. Der Gesetzgeber verfolgt - wie der Senat schon mehrfach entschieden hat - mit den §§ 183 f SGB III nicht die Ziele der InsO, sondern begründet eine Sicherung bestimmter Lohnforderungen im Falle einer Insolvenz des Arbeitsgebers (vgl BSG, Urteil vom 6.12.2012 - B 11 AL 11/11 R - BSGE 112, 235 = SozR 4-4300 § 183 Nr 14, RdNr 25). Die mit Einführung der Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen begründen - bezogen auf das Insg-Recht - nicht die Annahme, aufgrund der Bestätigung des Insolvenzplans und der Beendigung des Insolvenzverfahrens sei eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung eröffnet (BSGE 90, 157 ff = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). Vielmehr wird für die Dauer der Planüberwachung der Zusammenhang mit dem vorangegangenen Insolvenzverfahren durch die fortbestehenden Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters, der Gläubigerversammlung und durch die Aufsicht des Insolvenzgerichts dokumentiert (vgl BSGE 100, 282 ff RdNr 14 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9).
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Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Anspruch auf Insg dann neu entstehen kann, wenn zwischen dem ersten und zweiten Insolvenzereignis ein überwachter Insolvenzplan durchgeführt und ordnungsgemäß beendet worden ist (vgl Sächsisches LSG, Urteil vom 9.3.2011 - L 1 AL 241/06 - NZI 2011, 608 f; SG Karlsruhe, Urteil vom 8.5.2012 - S 16 AL 4404/10). Denn in dem hier zu entscheidenden Fall war die Planüberwachung bei Eintritt des weiteren Insolvenzereignisses gerade nicht ordnungsgemäß beendet (vgl zu der Problematik auch Frank/Heinrich, NZS 2011, 689).
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Die Auslegung und Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III verstößt auch nicht gegen Vorgaben des europäischen Rechts(BSG, Urteil vom 6.12.2012 - B 11 AL 10/11 R - DB 2013, 1916 f). Die Auslegung und Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 SGB III zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein früher eingetretenes Insolvenzereignis beendet ist und ein neues eintreten kann, wird durch das europäische Recht nicht präjudiziert.
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Nach Art 2 Abs 1 der RL 2008/94 gilt ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig, wenn die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaates vorgeschriebenen Gesamtverfahrens beantragt worden ist, das die Insolvenz des Arbeitgebers voraussetzt und den teilweisen oder vollständigen Vermögensbeschlag gegen diesen Arbeitgeber sowie die Bestellung eines Verwalters oder einer Person, die eine ähnliche Funktion ausübt, zur Folge hat, und wenn entweder die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde die Eröffnung des Verfahrens beschlossen oder festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen. Die Richtlinie knüpft also grundsätzlich an ein formelles Insolvenzereignis an und ermöglicht den Mitgliedstaaten nur die Zusammenfassung mehrerer formeller Insolvenzereignisse zu einem Gesamtverfahren, ordnet sie aber nicht an. Eine solche gesetzliche Regelung zur Zusammenfassung mehrerer formeller Insolvenzereignisse existiert im nationalen Recht aber gerade nicht (vgl hierzu BSGE 90, 157, 161 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 7; dazu auch: BR-Drucks 313/11, S 3 f, BT-Drucks 17/6853, S 18). Die europarechtliche Regelung schreibt auch nicht vor, dass und unter welchen Voraussetzungen ein bereits eingetretenes Insolvenzereignis arbeitsförderungsrechtlich abgeschlossen ist, um ein neues Insolvenzereignis annehmen zu können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt
- 1.
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, - 2.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder - 3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
(2) Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Als Arbeitsentgelt für Zeiten, in denen auch während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht (§ 7 Absatz 1a des Vierten Buches), gilt der Betrag, der auf Grund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmt war. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Teil ihres oder seines Arbeitsentgelts nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und wird dieser Entgeltteil in einem Pensionsfonds, in einer Pensionskasse oder in einer Direktversicherung angelegt, gilt die Entgeltumwandlung für die Berechnung des Insolvenzgeldes als nicht vereinbart, soweit der Arbeitgeber keine Beiträge an den Versorgungsträger abgeführt hat.
(3) Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses.
(4) Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.
(5) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse dem Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unverzüglich bekannt zu geben.
(1) Im Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen zu berichten. Er hat darzulegen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen des Schuldners im ganzen oder in Teilen zu erhalten, welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen und welche Auswirkungen jeweils für die Befriedigung der Gläubiger eintreten würden.
(2) Dem Schuldner, dem Gläubigerausschuß, dem Betriebsrat und dem Sprecherausschuß der leitenden Angestellten ist im Berichtstermin Gelegenheit zu geben, zu dem Bericht des Verwalters Stellung zu nehmen. Ist der Schuldner Handels- oder Gewerbetreibender oder Landwirt, so kann auch der zuständigen amtlichen Berufsvertretung der Industrie, des Handels, des Handwerks oder der Landwirtschaft im Termin Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden.
(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).
(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.
(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt
- 1.
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, - 2.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder - 3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
(2) Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Als Arbeitsentgelt für Zeiten, in denen auch während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht (§ 7 Absatz 1a des Vierten Buches), gilt der Betrag, der auf Grund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmt war. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Teil ihres oder seines Arbeitsentgelts nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und wird dieser Entgeltteil in einem Pensionsfonds, in einer Pensionskasse oder in einer Direktversicherung angelegt, gilt die Entgeltumwandlung für die Berechnung des Insolvenzgeldes als nicht vereinbart, soweit der Arbeitgeber keine Beiträge an den Versorgungsträger abgeführt hat.
(3) Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses.
(4) Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.
(5) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse dem Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unverzüglich bekannt zu geben.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11.09.2013 abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt als zuständige Einzugsstelle die Zahlung von Pflichtversicherungsbeiträgen bei Insolvenzereignis gem. § 208 Sozialgesetzbuch Drittes Buch in der bis zum 31.03.2012 gültigen Fassung (SGB III a. F.). Dabei ist zwischen den Beteiligten streitig, ob in einem Insolvenzverfahren über nach § 35 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) freigegebenes Vermögen Gesamtsozialversicherungsbeiträge geltend gemacht werden können, oder ob dies aufgrund einer Sperrwirkung des vorangegangenen Insolvenzereignisses ausgeschlossen ist.
3Der Beigeladene zu 2) betrieb unter der Firma L.-Q. ein Frühstückscafé in der O.straße 00 in T. Die Beigeladene zu 1) war dort seit dem 16.03.2005 geringfügig beschäftigt mit einem monatlichen Gehalt von 400,- Euro und wurde bei der Klägerin als Minijob-Zentrale angemeldet. Auf die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Beigeladenen zu 3) hatte die Beigeladene zu 1) verzichtet. Für die Zeit vom 01.07.2008 bis zum 20.08.2008 erhielt die Beigeladene zu 1) kein Arbeitsentgelt.
4Auf einen Eigenantrag des Beigeladenen zu 2) hin, der u.a. seinen Pflichten zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht nachgekommen war, eröffnete das Amtsgericht C (Az.: 47 IN 00/00) am 21.08.2008 über das Vermögen des Beigeladenen zu 2) das Insolvenzverfahren und bestellte Herrn Rechtsanwalt C. aus N. zum Insolvenzverwalter. Am 25.08.2008 erklärte der Insolvenzverwalter gegenüber dem Beigeladenen zu 2) gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO die Freigabe des Geschäftsbetriebes und zeigte dies gegenüber dem Amtsgericht C an. Der Beigeladene zu 2) betrieb daraufhin sein Unternehmen weiter. Das Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1) wurde ohne Unterbrechung fortgesetzt.
5Auf Antrag der Beigeladenen zu 1) gewährte die Beklagte dieser für die Zeit vom 01.07.2008 bis zum 20.08.2008 Insolvenzgeld. Darüber hinaus zahlte die Beklagte die im Zeitraum vom 21.05.2008 bis zum 20.08.2008 für die Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) angefallenen und rückständig gebliebenen Beiträge in Höhe von 394,45 Euro an die Klägerin (Bescheid vom 19.08.2009).
6In der Folgezeit kam der Beigeladene zu 2) weiterhin seinen Zahlungsverpflichtungen u.a. gegenüber Klägerin nicht nach. Zum 31.12.2010 stellte er seinen Geschäftsbetrieb endgültig ein und beendete das Beschäftigungsverhältnis mit der Beigeladenen zu 1). Den daraufhin von der Klägerin gestellten weiteren Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beigeladenen zu 2) aus der freigegebenen Tätigkeit wies das Amtsgericht C mit Beschluss vom 05.05.2011 (Az.: 47 IN xx/xx) mangels Masse ab.
7In dem ersten Insolvenzverfahren (Az.: 47 IN 00/00) ordnete das Amtsgericht C mit Beschluss vom 10.5.2011 an, dass dem Beigeladenen zu 2) Restschuldbefreiung erteilt wird, wenn er während der sog. Wohlverhaltensperiode die insolvenzrechtlichen Obliegenheiten erfüllt und die Restschuldbefreiung nicht zuvor versagt wird. Mit Beschluss vom 11.07.2011 hob es das Insolvenzverfahren gemäß § 200 InsO auf, da die Schlussverteilung vollzogen sei. Bei der Schlussverteilung hatte sich Insolvenzvermögen von 0,- Euro ergeben.
8Am 17.05.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen nach § 208 SGB III a. F. für die Beigeladene zu 1) für den Zeitraum vom 01.10.2008 bis zum 31.12.2008 in Höhe von 394,80 Euro.
9Mit Bescheid vom 01.06.2011, der der Klägerin am 08.06.2011 bekanntgegeben wurde, lehnte die Beklagte die Zahlung der geltend gemachten Pflichtbeiträge mit der Begründung ab, bereits aufgrund der Insolvenzeröffnung am 21.08.2008 seien rückständige Pflichtbeiträge für die Beigeladene zu 1) entrichtet worden. Dieses Insolvenzverfahren sei noch nicht beendet. Von einer Weiterarbeit/Arbeitsaufnahme der Beigeladenen zu 1) in Unkenntnis des Insolvenzereignisses könne nicht ausgegangen werden. Der 05.05.2011 komme nicht als erneutes Insolvenzereignis in Betracht. Der Bescheid enthielt die Belehrung, dass gegen ihn binnen eines Monats ab Bekanntgabe Klage beim Sozialgericht Hannover erhoben werden kann.
10Am 22.08.2011 hat die in C1. ansässige Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei wegen der unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung noch fristgemäß. In der Sache hat sie gemeint, bei den Insolvenzereignissen aus dem Jahre 2008 einerseits und dem Jahr 2011 andererseits handele es sich um zwei voneinander unabhängige Insolvenzereignisse. Nur für das zweite Insolvenzereignis werde die Zahlung rückständiger Pflichtbeiträge begehrt. Das in dem früheren Insolvenzverfahren freigegebene Vermögen sei streng von dem Vermögen zu trennen, über welches das erste Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Mit der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO erkläre der Insolvenzverwalter, dass er hinsichtlich des freigegebenen Vermögens endgültig und unbedingt auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verzichte. Dieser strengen Trennung entspreche es, dass das freigegebene Vermögen seinerseits wiederum insolvenzfähig sei. Die Sichtweise der Beklagten widerspreche zudem dem Schutzzweck der §§ 183, 208 SGB III a. F. Durch die Zahlung des rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeitrages solle in einem Insolvenzfall weder die Versichertengemeinschaft noch der betroffene Sozialversicherungsträger einen Nachteil erleiden. Dieser Schutz würde nach Ansicht der Beklagten bei Beschäftigungsverhältnissen im Rahmen der freigegebenen selbständigen Tätigkeit niemals eingreifen. Ansprüche auf Insolvenzgeld und Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach §§ 183,208 SGB III a. F. wären durch das frühere Insolvenzverfahren immer gesperrt. Dieses Ergebnis könne nicht gewollt sein, denn der Gesetzgeber habe mit der Regelung des § 35 Abs. 2 InsO dem Schuldner durch die Freigabe der selbständigen Tätigkeit einen "Neustart" ermöglichen wollen.
11Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
12den Bescheid vom 01.06.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 17.05.2011 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 394,80 Euro zu zahlen.
13Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
16Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
17Mit im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung erlassenem Urteil vom 11.09.2013 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 01.06.2011 verurteilt, der Klägerin auf ihren Antrag vom 17.05.2011 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 394,80 Euro zu zahlen; die Berufung hat das SG zugelassen. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen der Argumentation der Klägerin angeschlossen sowie auf die Entscheidung des SG Dortmund vom 31.10.2012, Az.: S 55 AL 686/10, verwiesen.
18Gegen dieses ihr am 17.09.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.10.2013 Berufung eingelegt. Sie meint, das SG habe die einschlägigen Regelungen der Insolvenzgeldsicherung allein aus insolvenzrechtlicher Sicht betrachtet und die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht beachtet. Zunächst habe das SG auch nicht berücksichtigt, dass der wesentliche Zweck des § 35 Abs. 2 InsO darin bestehe, die Insolvenzgläubiger vor masseschädigendem Verhalten zu schützen. Denn wegen Art. 12 Abs. 1 GG könne dem Schuldner die Fortführung einer selbstständigen Tätigkeit ohnehin nicht untersagt werden, so dass § 35 Abs. 2 InsO geschaffen worden sei, damit Verbindlichkeiten, die durch die weitere Tätigkeit des Schuldners entstünden, nicht mehr zu Lasten der Insolvenzmasse gingen. Vor allem verfolge der Gesetzgeber mit den §§ 183 ff. SGB III a.F. nicht die Ziele der InsO, sondern bezwecke die Absicherung bestimmter Lohnforderungen in der Insolvenz des Arbeitgebers. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG trete nach einem Insolvenzereignis ein neues Insolvenzereignis im Sinne von § 183 SGB III a.F. nicht ein, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit fortdauere. Diese Rechtsprechung, die das BSG auch für den Fall eines erneuten Insolvenzereignisses nach Durchführung eines Insolvenzplanes fortgeführt habe, sei auf den hier vorliegenden Fall der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO zu übertragen.
19Die Beklagte beantragt,
20das Urteil des Sozialgerichts Dortmund abzuändern und die Klage abzuweisen.
21Die Klägerin beantragt,
22die Berufung zurückzuweisen.
23Sie meint, Zielsetzungen und Wirkungen einer Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO unterschieden sich maßgeblich von denen eines bestätigten Insolvenzplanes. Bei einer Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO sei nach der Rechtsprechung des BGH die Vermögensmasse aus der freigegebenen Tätigkeit streng von der Vermögensmasse zu trennen, über die das Insolvenzverfahren eröffnet sei. Werde nach einem gescheiterten Insolvenzplan ein neues Insolvenzverfahren eröffnet, erfasse der erneute Insolvenzbeschlag demgegenüber weitgehend die Vermögenswerte und Dauerschuldverhältnisse, die bereits zuvor der gescheiterten Planinsolvenz unterworfen gewesen sei. Eine Sperrwirkung des "ersten" Insolvenzverfahrens sei auch mit dem Schutzzweck der §§ 183, 208 SGB III a.F. nicht vereinbar, da insbesondere Arbeitnehmer auf die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters vertrauen dürften.
24Auf Nachfrage des Senats hat die Beigeladene zu 1) mitgeteilt, dass ihr der Beigeladene zu 2) am oder um den 21.08.2008 herum mitgeteilt habe, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogenen Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe:
27Die kraft Zulassung zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, weil diese zwar zulässig, aber unbegründet ist.
281. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., Abs. 4, 56 SGG gegen den Bescheid vom 01.06.2011 ist zulässig.
29Eines Vorverfahrens bedurfte es nach § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG nicht, weil die Klägerin ein Versicherungsträger ist.
30Die Klage ist auch fristgerecht erhoben worden, obwohl die Monatsfrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht eingehalten wurde. Vielmehr galt gemäß § 66 Abs. 2 SGG für die Erhebung der Klage eine Frist von einem Jahr, weil die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 01.06.2011 den Anforderungen des § 66 Abs. 1 SGG nicht genügte und deshalb unrichtig war. Zu einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung gehört u.a. die zutreffende Angabe des Sitzes der Stelle, bei der der statthafte Rechtsbehelf anzubringen ist. Dementsprechend wäre hier das SG Dortmund zu nennen gewesen, weil die Beklagte keine Privatperson oder juristische Person des Privatrechts ist (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 2 SGG) und die Klägerin ihren Sitz im Gerichtsbezirk des SG Dortmund hat (§ 57 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Beklagte hat jedoch in ihrer Rechtsbehelfsbelehrung unzutreffenderweise angegeben, dass die Klage beim SG Hannover zu erheben sei.
312. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 01.06.2011 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn der Bescheid ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der im Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2010 aufgrund der Insolvenz des Beigeladenen zu 2) rückständig gebliebenen Sozialversicherungsbeiträge für die Beigeladene zu 1) gegen die Beklagte aus der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. (§ 175 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab dem 01.04.2012 geltenden Fassung).
32Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGB III a.F. zahlt die Agentur für Arbeit auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d des Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), der auf Arbeitsentgelte für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden ist. Über diesen Anspruch der Einzugsstelle aus einem gesetzlichen Schuldbeitritt (vgl. BSG, Urt. v. 14.08.1984 - 10 RAr 18/83 -, juris Rn. 12) hat die Agentur für Arbeit durch Verwaltungsakt zu entscheiden, wobei sie nicht an Feststellungen der Einzugsstelle über Versicherungspflicht, Beitragshöhe und Zahlungspflicht gebunden ist (vgl. BSG, Urt. v. 12.12.1984 - 10 RAr 7/83 -, juris Rn. 9). Der Anspruch der Einzugsstelle steht im Zusammenhang mit dem Anspruch des betreffenden Arbeitnehmers auf Insolvenzgeld gemäß § 183 Abs. 1 SGB III a.F. (§ 165 Abs. 1 SGB III n.F.). Es gilt damit nicht nur die Legaldefinition des Insolvenzereignisses im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. Vielmehr müssen die rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge auch auf den nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. maßgeblichen Insolvenzgeldzeitraum entfallen (vgl. BSG, Urt. v. 09.12.1986 - 10 RAr 7/86 -, juris Rn. 12). Der Anspruch bezieht sich mithin auf die Beiträge für solche Arbeitsentgelte, die im Falle eines Rückstandes einen Insolvenzgeldanspruch des betreffenden Arbeitnehmers auslösen können (vgl. Kühl, in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 175 Rn. 4).
33Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzung des § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. für die von der Klägerin geltend gemachten Beitragsrückstände aus dem Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2010 nicht vor. Die Klägerin ist zwar bei der geringfügig beschäftigt gewesenen Beigeladenen zu 1) gemäß § 28i Satz 5 SGB IV die zuständige Einzugsstelle. Bei den geltend gemachten Beitragsrückständen in Höhe von 394,80 Euro, d.h. 131,60 Euro monatlich, die sich aus dem Pauschalbeitrag in Höhe von 13% des Arbeitsentgelts (400,- Euro) für die Krankenversicherung (= 52,- Euro, vgl. § 249b Abs. 1 Satz 1 SGB V) und dem vollen Arbeitgeberbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung (19,9% des Arbeitsentgelts) für die nach Maßgabe von § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB VI in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung nicht versicherungsfreie Beigeladene zu 1) (= 79,60 Euro) zusammensetzen, handelt es sich auch um Gesamtsozialversicherungsbeiträge im Sinne von § 28d SGB IV, weil die entsprechenden, für geringfügig Beschäftigte geltenden Vorschriften der §§ 249b Satz 3 SGB V, 172 Abs. 4 SGB VI u.a. auf § 28d SGB IV verweisen. Die geltend gemachten Beitragsrückstände fallen jedoch nicht in den nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. maßgeblichen Insolvenzgeldzeitraum. Ebenso wenig wie die Beigeladene zu 1) für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2010 Insolvenzgeld beanspruchen könnte, kann die Klägerin für diesen Zeitraum die Zahlung der rückständigen Beiträge für die Beigeladene zu 1) von der Beklagten aus § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. verlangen.
34Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei
351. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt,
36(Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Hat ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch nach § 183 Abs. 2 SGB III a.F. für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses.
37Nach diesen Vorschriften könnte die Beigeladene zu 1) für den Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2010 kein Insolvenzgeld beanspruchen.
38a) Die mit Beschluss des Amtsgerichts C vom 05.05.2011 - 47 IN xx/xx - erfolgte Abweisung des Antrags der Klägerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das aus der seit dem 25.08.2008 fortgeführten Tätigkeit resultierende Vermögen des Beigeladenen zu 2) mangels Masse stellt zwar für sich genommen ein Insolvenzereignis im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III a.F. dar. Aufgrund dieses Insolvenzereignisses erwachsen jedoch keine Ansprüche aus der Insolvenzversicherung gemäß §§ 183, 208 SGB III a.F., weil in Gestalt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beigeladenen zu 2) durch Beschluss des Amtsgerichts C vom 21.08.2008 - 47 IN 00/00 - ein erstes Insolvenzereignis gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. eingetreten ist, das in Bezug auf Ansprüche aufgrund des zweiten Insolvenzereignisses vom 05.05.2011 Sperrwirkung entfaltet.
39aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, tritt ein neues Insolvenzereignis nicht ein und kann folglich auch Ansprüche auf Insolvenzgeld nicht auslösen, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert. Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner wieder einzelnen Zahlungsverpflichtungen nachkommt (zuletzt BSG, Urt. v. 06.12.2012 - B 11 AL 10/11 R -, juris Rn. 14 m.w.N.).
40Nach diesen Grundsätzen vermag des Insolvenzereignis vom 05.05.2011 Ansprüche aus §§ 183, 208 SGB III a.F. nicht zu begründen, weil die Zahlungsunfähigkeit des Beigeladenen zu 2), auf der die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Verfahren des Amtsgerichts C - 47 IN 00/00 - beruht, bis zur Abweisung des Antrags im Verfahren - 47 IN xx/xx - mangels Masse am 05.05.2011 ununterbrochen fortgedauert hat. Der Beigeladene zu 2) war seit dem 21.08.2008 durchgehend nicht in der Lage, seine fälligen Verbindlichkeiten im Allgemeinen zu erfüllen. Auf die im Verfahren 47 IN 00/00 angemeldeten Insolvenzforderungen von über 1,8 Million Euro hat der Beigeladene zu 2) keinerlei Zahlungen leisten können. Er ist darüber hinaus bereits im Jahre 2010 wiederum Sozialversicherungsbeiträge schuldig geblieben. Schließlich waren zuletzt noch nicht einmal ausreichende Mittel vorhanden, um die Kosten des zweiten Insolvenzverfahrens zu decken, so dass dessen Eröffnung mangels Masse abgelehnt wurde.
41bb) Ein anderes Ergebnis folgt entgegen der Auffassung des SG und der Klägerin auch nicht daraus, dass sich das Insolvenzverfahren 47 IN xx/xx auf eine andere Masse bezog, nämlich auf das nach Eröffnung des vom Insolvenzverwalter gemäß § 35 Abs. 2 InsO quasi freigegebene Vermögen des Beigeladenen zu 2) aus seiner selbstständigen Tätigkeit. Zwar bewirkt die Erklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 InsO, dass die Einkünfte, die der Insolvenzschuldner von der Erklärung des Verwalters an im Rahmen dieser Tätigkeit erzielt, als Haftungsmasse außerhalb des Insolvenzverfahrens zur Verfügung stehen. In Bezug auf diese Haftungsmasse, an die sich auch Gläubiger aus vor der Insolvenzeröffnung begründeten Dauerschuldverhältnissen wegen der nach Insolvenzeröffnung entstandenen Forderungen halten müssen, ist auch ein gesondertes zweites Insolvenzverfahren zulässig (zum Ganzen BGH, Beschl. v. 09.06.2011 - IX ZB 175/10 -, juris Rn. 7; Urt. v. 09.02.2012 - IX ZR 75/11 -, juris Rn. 14 ff.), was hier auch praktiziert wurde. Hieraus folgt jedoch auch für die hier streitigen, aus der Fortführung der selbstständigen Tätigkeit resultierenden Ansprüche auf Arbeitsentgelt und Beiträge nicht, dass die Entscheidung in diesem zweiten Insolvenzverfahren unabhängig von der zwischenzeitlichen Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners ein Insolvenzereignis im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB III a.F. (§ 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB III n.F.), das einen Anspruch auf Insolvenzgeld und Beitragszahlung gemäß § 208 Abs. 1 Satz1 SGB III a.F. begründen kann, darstellt. Der insoweit vom SG Dortmund vertretenen Auffassung (Urt. v. 31.10.2012 - S 55 AL 686/10 -, juris Rn. 16 ff.) folgt der Senat nicht (wie hier SG Braunschweig, Urt. v. 27.08.2013 - S 9 AL 35/12 -, juris Rn. 33).
42Das Gesetz geht, wie sich insbesondere aus § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. ergibt, davon aus, dass es für einen Anspruch auf Insolvenzgeld grundsätzlich nur ein Insolvenzereignis gibt. Weitere Insolvenzereignisse können grundsätzlich keine weiteren Ansprüche auf Insolvenzgeld begründen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn sich der Sachverhalt nach Eintritt des Insolvenzereignisses grundlegend geändert hat, wenn also quasi ein neuer Leistungsfall eintritt. Beruht das erste Insolvenzereignis auf der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, kommt ein neuer Insolvenzgeldfall konsequenterweise nur in Betracht, wenn der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit zwischenzeitlich entfallen ist. Anderenfalls verwirklicht sich lediglich der gleiche Leistungsfall ein weiteres Mal. Der Gesetzgeber hat sich aber lediglich für einen sachlich und zeitlich beschränkten Anspruch gegen die Versichertengemeinschaft aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers entschieden. Die Übernahme des an sich vom Arbeitnehmer zu tragenden Risikos der Insolvenz seines Arbeitgebers durch die Versichertengemeinschaft entspricht bei ununterbrochen fortbestehender Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht dem Willen des Gesetzgebers und ist deshalb nicht gerechtfertigt (vgl. insoweit auch Schmidt, in: GK-SGB III, 5. Aufl. 2013, § 165 Rn. 28).
43Dies ist auch der Hintergrund der unter aa) wiedergegebenen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Insoweit hat das BSG bereits zu den entsprechenden Regelungen des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) Folgendes ausgeführt (Urt. v. 17.12.1975 - 7 RAr 17/75 -, juris Rn. 29 ff.):
44"Kommt ein Unternehmer derart in geldliche Schwierigkeiten, daß er nicht mehr ausreichend flüssig ist, und muß er daher zum vereinbarten Zeitpunkt der Lohnzahlung (gewöhnlich am Monats- oder Wochenende) den Arbeitslohn schuldig bleiben, so entsteht eine Interessenlage, bei der der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer gemeinsam eine möglichst lange Sicherung der Lohnforderungen durch die Bundesanstalt wünschen müssen, während das Gesetz diesen Zeitraum begrenzen muß, um die die Konkursausfallversicherung tragenden Unternehmer nicht übermäßig zu belasten. Der in Zahlungsschwierigkeiten geratene Arbeitgeber wird nämlich in aller Regel noch versuchen, seinen Betrieb aufrecht zu erhalten und zu diesem Zweck neue Mittel zu erlangen. Je länger seine Arbeitnehmer auch ohne Lohnzahlung ihm die Treue halten, umso länger hat er diese Chance und umso höher ist der Kredit, den er von ihnen erhält, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem er gewöhnlich von einer Bank keinen Kredit mehr erhalten wird. Die Arbeitnehmer sind einerseits darauf angewiesen, ihren Lohn umgehend zu beziehen, werden aber auch den Verlust ihres Arbeitsplatzes fürchten und daher geneigt sein, eine gewisse Zeit stillzuhalten in der Hoffnung, daß der Unternehmer seine Liquidität wiedergewinnen würde.
45Das Gesetz über das KauG schützt die Arbeitnehmer vor den Nachteilen, die ihnen aus diesem Verhalten erwachsen, indem es eine Garantie der BA für die Lohnzahlung begründet. Im Interesse der diese Lohngarantie gebenden Versicherung und der sie tragenden Unternehmer kann die Sicherung durch das KauG jedoch nicht zu weit ausgedehnt werden. Aus den §§ 141 a und 141 b AFG ist zu entnehmen, daß die Arbeitnehmer von dem Zeitpunkt an nicht mehr gesichert sein sollen, zu dem durch das Hervortreten der Tatbestände des § 141 b AFG offenbar ist, daß weiteres Zuwarten zwecklos geworden ist. Ist durch das Konkursgericht die Eröffnung des Konkurses abgelehnt worden, so können die Arbeitnehmer grundsätzlich nicht mehr erwarten, für einen weiterhin dem Arbeitgeber gestundeten Lohn durch die Bundesanstalt Ersatz zu erhalten. Wollte man aber entgegen dem Wortlaut der §§ 141 a und 141 b AFG annehmen, daß die verschiedenen Alternativen des § 141 b AFG zueinander in einem Rangverhältnis stehen, so würde der Zeitpunkt ungewiß, bis zu dem die Arbeitnehmer versicherungsrechtlich geschützt vorleisten dürfen. Es würde zudem die Möglichkeit eröffnet, daß der zahlungsunfähige Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zum Schaden der Versicherung zu einem längeren Zuwarten veranlassen könnte, als es nach dem Gesetzeszweck erlaubt sein soll. Wäre z.B. schon der Konkurs mangels Masse abgelehnt (etwa nach Antrag eines Gläubigers), und schuldete der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern erst zwei Monatsgehälter, so könnte er sie noch zu weiterem Bleiben veranlassen mit dem Versprechen, er werde schlimmstenfalls noch genügend Masse zusammenbringen, um einen auf seinen Antrag eröffneten Konkurs zu ermöglichen.
46Der Gesetzgeber hat diesen Widerstreit der Interessen bereits gesehen und ihn in der Weise lösen wollen, daß nach dem erstmaligen offenbaren Hervortreten der Zahlungsunfähigkeit durch einen der Tatbestände des § 141 b AFG eine Sicherung durch das KauG nicht mehr erfolgen soll. So hat schon die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf darauf hingewiesen, daß es dem zahlungsunfähigen Arbeitgeber nicht ermöglicht werden solle, mit den Arbeitnehmern "weitgehende Stundungsvereinbarungen zu treffen und damit seinen Kreditrahmen zu Lasten der Konkursversicherung zu erweitern" (BR-Drucks. 9/74 S. 10)."
47Ausgehend von diesen Ausführungen besteht kein Zweifel, dass bei fortbestehender Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners ein Insolvenzereignis in Bezug auf das nach § 35 Abs. 2 InsO freigegebene Vermögen Ansprüche nach §§ 183, 208 SGB III a.F. nicht begründen kann. Insoweit kommt es nicht darauf an, welchen Zweck § 35 Abs. 2 InsO verfolgt. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber bei der Regelung der Insolvenzversicherung im Arbeitsförderungsrecht von Anfang an vor Augen hatte, dass u.a. durch Aufrechterhaltung des Betriebs nach einem Insolvenzereignis weitere Arbeitsentgelt- und Beitragsrückstände entstehen können. Er hat sich dennoch bewusst für eine nur beschränkte Sicherung der Ansprüche der Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger aus der Insolvenzversicherung entschieden. Hat sich die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers einmal realisiert, soll die Insolvenzversicherung das Risiko weiterer Entgelt- und Beitragsrückstände nach Fortsetzung des Betriebs gerade nicht mehr abdecken. Dementsprechend hat das BSG Ansprüche aus der Insolvenzversicherung wegen solcher Entgelt- und Beitragsrückstände verneint, die durch die Fortführung des Betriebs durch den Insolvenzverwalter entstanden sind (vgl. BSG, Urt. v. 17.05.1989 - 10 RAr 10/88 -, juris Rn. 13). Für die Fortführung des Betriebes durch den Insolvenzschuldner selbst gemäß § 35 Abs. 2 InsO kann nichts anderes gelten.
48Entgegen der Auffassung des SG Dortmund (a.a.O., Rn. 17 a.E.) und der Klägerin kommt es nach dem Gesetz und der Rechtsprechung des BSG auch nicht darauf an, ob sich das zweite Insolvenzverfahren, wie im Falle einer "Freigabe" nach § 35 Abs. 2 InsO, auf eine andere Haftungsmasse bezieht. Entscheidend ist allein der Leistungsfall der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Das BSG hat für einen Anspruch auf Insolvenzgeld aufgrund eines weiteren Insolvenzereignisses stets auch dann eine zwischenzeitliche Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit verlangt, wenn das Insolvenzverfahren zunächst aufgehoben und nach einiger Zeit ein weiterer Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden ist (vgl. auch hierzu zuletzt BSG, Urt. v. 06.12.2012 - B 11 AL 10/11 R -, juris Rn. 16 f. m.w.N.). Auch in diesen Fällen betreffen die Insolvenzverfahren notwendigerweise unterschiedliche Vermögensmassen und ggf. auch unterschiedliche Gläubiger. Nach § 259 Abs. 1 Satz 2 InsO erlangt der Schuldner mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens das Recht zurück, über die (gesamte) Insolvenzmasse frei zu verfügen. Er kann also beispielsweise sein Unternehmen fortführen und neue Verbindlichkeiten eingehen. An dem anschließend beantragten (zweiten) Insolvenzverfahren sind gerade auch die Neugläubiger beteiligt, die infolge der Fortführung der Geschäftstätigkeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens Ansprüche gegen den Schuldner erworben haben. Die Insolvenzmasse erstreckt sich auch auf das nach Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens hinzuerworbene Schuldnervermögen. Wenn es in diesen Fällen nach der ständigen Rechtsprechung des BSG für einen Anspruch auf Insolvenzgeld aufgrund des zweiten Insolvenzverfahrens darauf ankommt, ob der Arbeitgeber zwischenzeitlich, d.h. insbesondere während der Ausübung der Tätigkeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, seine Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat, kann für den hier vorliegenden Fall eines zweiten Insolvenzverfahrens nach einer Fortführung der Tätigkeit des Arbeitgebers aufgrund einer Erklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 InsO nichts anderes gelten. Warum Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger bei der Fortführung des Geschäfts während eines laufenden Insolvenzverfahrens gemäß § 35 Abs. 2 InsO besser gestellt werden sollen als bei Fortführung des Geschäfts nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 259 Abs. 1 InsO erschließt sich nicht.
49Nichts anderes folgt aus dem Wortlaut des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F., aus dem unzweifelhaft hervor geht, dass sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerade auf das Vermögen des Arbeitgebers und damit auf sein geschäftliches Vermögen erstrecken muss. Dies ist bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer natürlichen Person stets der Fall und wird gerade auch von § 35 Abs. 2 InsO vorausgesetzt. Die Erklärung des Insolvenzverwalters, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können, gemäß § 35 Abs. 2 InsO wirkt ex nunc und ermöglicht das Entstehen einer neuen Haftungsmasse durch solche Einkünfte, die der Schuldner nach der Erklärung des Insolvenzverwalters erzielt, zugunsten derjenigen Neugläubiger, deren Forderungen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen (dazu BGH, Beschl. v. 09.06.2011 - IX ZB 175/10 -, juris Rn. 7; Urt. v. 09.02.2012 - IX ZR 75/11 -, juris Rn. 14 ff.). An der erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das zu diesem Zeitpunkt vorhandene, private und geschäftliche Vermögen des Schuldners ändert sich durch § 35 Abs. 2 InsO nichts. Im Übrigen bleibt nach allgemeiner Ansicht im Rahmen von § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. ein einmal eingetretenes Insolvenzereignis auch bei nachträglicher Änderung der Verhältnisse (z.B. Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses) für die Gewährung von Insolvenzgeld maßgeblich (vgl. Schmidt, in: GK-SGB III, 5. Aufl. 2013, § 165 Rn. 32 m.w.N.).
50Auch der Schutz gutgläubiger Arbeitnehmer gebietet keine andere Auslegung (a.A. SG Dortmund, a.a.O., Rn. 20). Das Gesetz regelt nämlich den Schutz von Arbeitnehmern, die trotz eines eingetretenen Insolvenzereignisses, z.B. im Rahmen der Fortführung des Betriebes nach § 35 Abs. 2 InsO, weiterarbeiten, abschließend in § 183 Abs. 2 SGB III a.F. bzw. § 165 Abs. 3 SGB III n.F. (dazu sogleich).
51b) Der streitgegenständliche Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2010 ist auch nicht gemäß § 183 Abs. 2 SGB III a.F. als maßgeblicher Insolvenzgeldzeitraum anzusehen, so dass auch dahinstehen kann, ob § 183 Abs. 2 SGB III a.F. bzw. § 165 Abs. 3 SGB III n.F. im Rahmen von § 208 Abs. 1 SGB III a.F. bzw. § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB III n.F. überhaupt anwendbar ist (bejahend z.B. Kühl, in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 175 Rn. 4; verneinend z.B. E. Schneider, in: jurisPK-SGB III, § 175 Rn. 22). Nach ihren eigenen Einlassungen im Berufungsverfahren, an denen zu zweifeln der Senat keinen Anlass sieht, war der Beigeladenen zu 1) die Eröffnung des Insolvenzverfahren im August 2008 bekannt, als sie ihr Arbeitsverhältnis bei dem Beigeladenen zu 2) fortsetzte. Für eine Verschiebung des Insolvenzgeldzeitraumes nach § 183 Abs. 2 SGB III a.F. ist daher kein Raum.
523. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es ist billig, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie keine Anträge gestellt haben.
534. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
(1) Die Agentur für Arbeit kann die Durchführung einer Maßnahme nach § 176 Absatz 2 prüfen und deren Erfolg beobachten. Sie kann insbesondere
- 1.
von dem Träger der Maßnahme sowie den Teilnehmenden Auskunft über den Verlauf der Maßnahme und den Eingliederungserfolg verlangen und - 2.
die Einhaltung der Voraussetzungen für die Zulassung des Trägers und der Maßnahme prüfen, indem sie Einsicht in alle die Maßnahme betreffenden Unterlagen des Trägers nimmt.
(2) Die Agentur für Arbeit ist berechtigt, zum Zweck nach Absatz 1 Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume des Trägers während der Geschäfts- oder Unterrichtszeit zu betreten. Wird die Maßnahme bei einem Dritten durchgeführt, ist die Agentur für Arbeit berechtigt, die Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume des Dritten während dieser Zeit zu betreten. Stellt die Agentur für Arbeit bei der Prüfung der Maßnahme hinreichende Anhaltspunkte für Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften fest, soll sie die zuständige Kontrollbehörde für den Datenschutz hiervon unterrichten.
(3) Die Agentur für Arbeit kann vom Träger die Beseitigung festgestellter Mängel innerhalb einer angemessenen Frist verlangen. Die Agentur für Arbeit kann die Geltung des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins oder des Bildungsgutscheins für einen Träger ausschließen und die Entscheidung über die Förderung aufheben, wenn
- 1.
der Träger dem Verlangen nach Satz 1 nicht nachkommt, - 2.
die Agentur für Arbeit schwerwiegende und kurzfristig nicht zu behebende Mängel festgestellt hat, - 3.
die in Absatz 1 genannten Auskünfte nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erteilt werden oder - 4.
die Prüfungen oder das Betreten der Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume durch die Agentur für Arbeit nicht geduldet werden.
(4) Die Agentur für Arbeit teilt der fachkundigen Stelle und der Akkreditierungsstelle die nach den Absätzen 1 bis 3 gewonnenen Erkenntnisse mit.
(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).
(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.
(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.
(1) Die Agentur für Arbeit kann die Durchführung einer Maßnahme nach § 176 Absatz 2 prüfen und deren Erfolg beobachten. Sie kann insbesondere
- 1.
von dem Träger der Maßnahme sowie den Teilnehmenden Auskunft über den Verlauf der Maßnahme und den Eingliederungserfolg verlangen und - 2.
die Einhaltung der Voraussetzungen für die Zulassung des Trägers und der Maßnahme prüfen, indem sie Einsicht in alle die Maßnahme betreffenden Unterlagen des Trägers nimmt.
(2) Die Agentur für Arbeit ist berechtigt, zum Zweck nach Absatz 1 Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume des Trägers während der Geschäfts- oder Unterrichtszeit zu betreten. Wird die Maßnahme bei einem Dritten durchgeführt, ist die Agentur für Arbeit berechtigt, die Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume des Dritten während dieser Zeit zu betreten. Stellt die Agentur für Arbeit bei der Prüfung der Maßnahme hinreichende Anhaltspunkte für Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften fest, soll sie die zuständige Kontrollbehörde für den Datenschutz hiervon unterrichten.
(3) Die Agentur für Arbeit kann vom Träger die Beseitigung festgestellter Mängel innerhalb einer angemessenen Frist verlangen. Die Agentur für Arbeit kann die Geltung des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins oder des Bildungsgutscheins für einen Träger ausschließen und die Entscheidung über die Förderung aufheben, wenn
- 1.
der Träger dem Verlangen nach Satz 1 nicht nachkommt, - 2.
die Agentur für Arbeit schwerwiegende und kurzfristig nicht zu behebende Mängel festgestellt hat, - 3.
die in Absatz 1 genannten Auskünfte nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erteilt werden oder - 4.
die Prüfungen oder das Betreten der Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume durch die Agentur für Arbeit nicht geduldet werden.
(4) Die Agentur für Arbeit teilt der fachkundigen Stelle und der Akkreditierungsstelle die nach den Absätzen 1 bis 3 gewonnenen Erkenntnisse mit.
(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).
(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.
(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.
Tenor
-
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 9. März 2011 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 wird zurückgewiesen.
-
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
- 1
-
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Insolvenzgeld (Insg) für die Zeit vom 1.2. bis 24.4.2003.
- 2
-
Der Kläger war Berufsfußballspieler ("Vertragsamateur") beim Verein für Bewegungsspiele L. eV (VfB L; im Folgenden: Arbeitgeber). Das Amtsgerichts L. (AG) eröffnete erstmals mit Beschluss vom 1.1.2000 über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren, bestätigte den vom damaligen Insolvenzverwalter vorgelegten Insolvenzplan, der den Erhalt des Arbeitgebers gewährleisten sollte und ordnete dessen Überwachung für die Dauer von zwei Jahren an. Mit Beschluss vom 1.12.2000 stellte das AG das Insolvenzverfahren ein und hob am 5.12.2002 die Überwachung wegen Ende der Überwachungszeit auf (Rechtskraftvermerk vom 15.1.2003). Am 9.12.2002 bestätigte der damalige Insolvenzverwalter, dass ihm als einzige fällige, nicht erfüllte Insolvenzforderung eine solche des Herrn M. bekannt sei, er aber keine Bedenken habe, dass die Überwachung durch Zeitablauf per 30.11.2002 ende.
- 3
-
Am 3.12.2003 bzw 23.12.2003 beantragten der Arbeitgeber und die AOK Sachsen erneut die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Nachdem ein Gutachten die Überschuldung des Arbeitgebers ergeben hatte (Arbeitsentgeltrückstände: 309 818,64 Euro; Beitragsrückstände gegenüber den Einzugsstellen: 367 938,30 Euro), eröffnete das AG mit Beschluss vom 2.2.2004 ein zweites Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers.
- 4
-
Auf seinen ersten Antrag vom 16.2.2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1.10. bis zum 31.12.1999 Insg in Höhe von 12 016,99 DM (Bescheid vom 8.3.2000). Vom 1.7.2002 bis zum 30.6.2003 war der Kläger aufgrund eines befristeten Vertrags vom 16.5.2002 (für die Saison 2002/2003) erneut als Vertragsfußballspieler beim Arbeitgeber beschäftigt. In einem Arbeitsgerichtsprozess einigten sich Arbeitgeber und Kläger darauf, dass das Vertragsverhältnis zum 24.4.2003 geendet habe und ein Vertragsverhältnis zum jetzigen Insolvenzverwalter nicht begründet worden sei. Bereits am 25.2.2004 hatte der Kläger erneut die Gewährung von Insg bei der Beklagten beantragt.
- 5
-
Mit Bescheid vom 9.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von (erneutem) Insg ab, weil nach dem ersten Insolvenzereignis eine Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers nicht wiederhergestellt worden sei.
- 6
-
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.11.2006). Das Landessozialgericht (LSG) hat das erstinstanzliche Urteil sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Insg für die Zeit vom 1.2. bis 24.4.2003 entsprechend der Insg-Bescheinigung des Insolvenzverwalters zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Zwar bestehe ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Insg nicht bereits nach § 183 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), weil der Kläger bereits aufgrund des ersten Insolvenzereignisses Insg erhalten habe, die Vorschrift aber nur den Arbeitnehmer schütze, der in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen habe. Der Anspruch des Klägers bestehe jedoch nach § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III für die bei Eintritt des (neuen) Insolvenzereignisses vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses. Zwar könne ein neues Insolvenzereignis solange nicht eintreten, wie die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauere. Diese ende nicht schon dadurch, dass der Schuldner einzelne Zahlungsverpflichtungen wieder erfülle. Auch die Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch das Insolvenzgericht nach Bestätigung des vom Insolvenzverwalter überwachten Insolvenzplans beseitige den zunächst eingetretenen Insolvenzfall noch nicht mit der Möglichkeit des Entstehens neuer Ansprüche auf Insg. Dies gelte jedenfalls solange, wie die im Insolvenzplan vorgesehene Überwachung der Planerfüllung andauere. Gleichwohl sei die erneute Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 2.2.2004 ein hinreichendes Insolvenzereignis, um einen neuen Anspruch auf Insg zu begründen. Denn § 183 Abs 1 SGB III sei unter Beachtung der Richtlinie des Rats der europäischen Gemeinschaft vom 20.10.1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitglieder über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (EWGRL 80/987, ABl L 283, 23) idF der EGRL 2002/74 dahingehend auszulegen, dass auch ein nachfolgendes zweites "formelles" Insolvenzereignis bei fortbestehender Insolvenz ausreichend sei, einen Anspruch auf Insg auszulösen, wenn durch den nationalen Gesetzgeber nachfolgende Insolvenzverfahren nicht mit dem vorhergehenden zu einem Gesamtverfahren zusammengefasst seien. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte und der Systematik der genannten Richtlinie (RL). Einer Anwendung der RL stehe nicht der Umstand entgegen, dass nach der maßgebenden Fassung die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorschriften spätestens zum 8.10.2005 zu erlassen hätten. Aus den dokumentierten Erwägungen zu der RL 2002/74 folge, dass der Richtliniengeber einerseits die Arten der Insolvenzverfahren habe erweitern, andererseits aber auch dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit habe eröffnen wollen, eine Mehrheit von Verfahren als einheitliches Gesamtverfahren zu behandeln. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass grundsätzlich jedes formell definierte Insolvenzereignis geeignet sei, den Anspruch zu begründen.
- 7
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Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: In seiner bisherigen Rechtsprechung habe das Bundessozialgericht (BSG) zwar nicht die vorliegende Fallgestaltung und Fragestellung erfasst, ob der früher eingetretene Insolvenzfall durch eine zweite Zahlungsunfähigkeit beseitigt werde, wenn im ersten Insolvenzverfahren zwar die Anordnung der Überwachung des Insolvenzplans erfolgt sei, jedoch die Überwachung vor Beginn des Insg-Zeitraums geendet habe. Auch für diesen Fall müsse jedoch von einem einzigen Insolvenzverfahren ("Gesamtverfahren") ausgegangen werden. Für die Rechtsauffassung der Beklagten spreche auch, dass eine Initiative des Bundesrats, durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt eine gesetzliche Regelung iS der Auffassung des LSG einzuführen, nicht umgesetzt worden sei.
- 8
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Die Beklagte beantragt
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 9.3.2011 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14.11.2006 zurückzuweisen.
- 9
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 10
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Er hält das vorinstanzliche Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
- 11
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Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Wiederherstellung der klageabweisenden erstinstanzlichen Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz
) .
- 12
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1. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Insg gemäß § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III wegen des ab Februar 2003 ausgefallenen Arbeitsentgelts liegen nicht vor.
- 13
-
Maßgebend ist § 183 Abs 1 S 1 SGB III in der Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001 (BGBl I 3443) erhalten hat und die bis 31.3.2012 unverändert geblieben ist (vgl auch ab 1.4.2012 § 165 SGB III idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854). Danach hat ein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer, der bei Eintritt eines Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat, Anspruch auf Insg. Insolvenzereignis ist nach § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III ua die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers. Durch den Beschluss des AG vom 2.2.2004 ist jedoch kein (neues) Insolvenzereignis eingetreten. Denn die Insolvenzeröffnung durch Beschluss des AG vom 1.1.2000 entfaltet insoweit eine Sperrwirkung, die einem neuen Anspruch entgegensteht.
- 14
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Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, an der der Senat festhält, tritt ein neues Insolvenzereignis nicht ein und kann folglich auch Ansprüche auf Insg nicht auslösen, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3; BSGE 100, 282, 284 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 11, jeweils mwN). Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner wieder einzelnen Zahlungsverpflichtungen nachkommt (BSGE aaO).
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Unter Beachtung dieser in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist die Auffassung der Beklagten, die auf dem im Jahre 2000 eingetretenen Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit habe in der Folgezeit fortbestanden, nicht zu beanstanden. Das LSG hat unmissverständlich festgestellt, dass der jedenfalls seit Ende der Spielsaison 1998/1999 insolvente Arbeitgeber des Klägers auch danach zu keinem Zeitpunkt die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat. Es hat die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation des Arbeitgebers insbesondere in der Zeit ab 2000 ausführlich dargestellt und im Ergebnis ausgeführt, dass die ursprüngliche Insolvenz aufgrund des fehlgeschlagenen Sanierungskonzepts zum Erhalt des Arbeitgebers bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens noch nicht beendet war und dass der Arbeitgeber auch zu keinem Zeitpunkt nach der Beendigung des ersten Insolvenzplanverfahrens mit Ablauf des 30.11.2002 bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens am 2.2.2004 in der Lage war, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen dauerhaft zu erfüllen. Das durchgehende Fehlen von Zahlungsfähigkeit wird auch dadurch offenkundig, dass der Arbeitgeber von Mitte 2000 bis Mitte 2002 weitere Jahresfehlbeträge von jeweils rund einer Million Euro erwirtschaftet hat. Diese den Senat gemäß § 163 SGG bindenden, tatsächlichen Feststellungen des LSG führen zwingend zur Sperrwirkung des Insolvenzereignisses aus dem Jahre 2000 mit der Folge, dass dem Kläger über das hierfür erhaltene Insg hinaus kein weiterer Anspruch zusteht.
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Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Feststellungen des LSG, wonach das Insolvenzgericht am 1.12.2000 das Insolvenzverfahren einstellte und die Überwachung wegen Ende der Überwachungszeit am 5.12.2002 aufhob. Insoweit ist die Rechtsprechung des Senats zu beachten, wonach allein aus der Bestätigung eines Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch nicht folgt, dass der zunächst eingetretene Insolvenzfall beseitigt wäre; denn die nur die Beteiligten des Insolvenzplanverfahrens betreffenden Wirkungen des Insolvenzplans nach Maßgabe des § 255 Insolvenzordnung (InsO) werden hinfällig, wenn der Schuldner den Plan nicht erfüllt(BSGE 90, 157, 159 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). An dieser Rechtsprechung hält der Senat weiter fest.
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Soweit der Senat darüber hinaus in der Vergangenheit für die Annahme fortdauernder Zahlungsunfähigkeit auf die andauernde Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter abgestellt hat (BSGE 100, 282, 285 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 14), ist hieraus nicht etwa zu folgern, dass immer von der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit auszugehen wäre, wenn der Insolvenzplan nicht (mehr) überwacht wird. Bei andauernder Planüberwachung wird lediglich besonders deutlich, dass insbesondere im Hinblick auf die fortbestehenden Befugnisse des Insolvenzverwalters von einer Wiedererlangung der Fähigkeit, fällige Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, von vornherein keine Rede sein kann. Der Senat hat deshalb ausdrücklich offengelassen, wie in Fällen fehlender oder später wieder aufgehobener Planüberwachung zu verfahren ist (BSGE 90, 157, 161 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). Diese Rechtsprechung entwickelt der Senat in dem Sinne weiter, dass auch dann ein einheitlicher Insolvenztatbestand vorliegen kann, wenn keine Überwachung der Planerfüllung stattfindet. Dies ist anhand der Einzelumstände zu prüfen und im Streitfall von den Tatsachengerichten festzustellen. Wird - wie im vorliegenden Fall durch das LSG - eindeutig festgestellt, dass der Arbeitgeber bis zur Beendigung der Planüberwachung (per 30.11.2002) und auch danach bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens (am 2.2.2004) zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder erlangt hat, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, muss es bei der Sperrwirkung des Insolvenzereignisses bleiben.
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2. Ein Anspruch auf Insg kann auch nicht - wie das LSG zu Recht ausgeführt hat - aus § 183 Abs 2 SGB III hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitnehmer, der in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen hat, Insg auch für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses erhalten. Ein solcher Anspruch kommt unter den gegebenen Umständen nicht in Betracht. Denn dem Kläger war das maßgebliche Insolvenzereignis von 2000 bereits bekannt, weil er hierfür Insg erhalten hatte (vgl BSGE 100, 282, 285 f = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 16).
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3. Der Rechtsmeinung des LSG, § 183 SGB III sei "richtlinienkonform" dahingehend auszulegen, dass bei fehlender Planüberwachung auch ein nachfolgendes zweites "formelles" Insolvenzereignis für einen Anspruch auf Insg ausreiche, folgt der Senat nicht.
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Die Ausführungen des LSG, der Umstand, dass von den Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 bis 8.10.2005 zu erlassen seien, stehe einer "sofortigen Anwendung" dieser Richtlinie nicht im Wege, stehen bereits nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Denn hiernach kommt der RL 2002/74 im Fall ihrer Nichtumsetzung unmittelbare Wirkung nur im Zusammenhang mit nach dem 8.10.2005 eingetretenen Insolvenzfällen zu (EuGH, Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105; Urteil vom 10.3.2011 - C-477/09 - NJW 2011, 1791). Im vorliegenden Fall war jedoch der zweite (unbeachtliche) Insolvenzfall bereits durch Beschluss des AG vom 2.2.2004 eingetreten.
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Unabhängig davon verkennt das LSG bei seiner Auslegung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 den Regelungsgehalt des Art 2 der RL, der insbesondere definiert, wann ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig "gilt". Dem Text des Art 2 Abs 1 in der hier maßgebenden Fassung (jetzt: RL 2008/94 vom 22.10.2008) sind aber keine ausdrücklichen Bestimmungen zu der im vorliegenden Fall streitigen Frage zu entnehmen, ob einem Arbeitnehmer, der bereits aus Anlass der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers eine Garantieleistung iS der RL erhalten hat, bei andauernder Zahlungsunfähigkeit durch die zuständige Garantieeinrichtung erneut eine Leistung zu gewähren ist. Soweit aufgrund der Änderungen durch die RL 2002/74 von einem "Gesamtverfahren" sowie in Art 2 Abs 4 davon die Rede ist, dass die Mitgliedstaaten "nicht gehindert sind", den Schutz der Arbeitnehmer auch "auf andere Situationen der Zahlungsunfähigkeit" auszuweiten, erfordert dies jeweils den Erlass entsprechender Rechts- oder Verwaltungsvorschriften durch die Mitgliedstaaten, über die diese frei entscheiden können (vgl Abschnitt 5 der Erwägungen der RL 2002/74 und auch Abschnitt 4 der Erwägungen bzw Art 2 Abs 4 der Neufassung der RL durch die RL 2008/94 vom 22.10.2008, ABl L 283 vom 28.10.2008, S 36 ff).
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Nicht zu folgen vermag der Senat dem LSG insbesondere, soweit es aus den Materialien zur Änderung der RL 80/987 durch die RL 2002/74 den Schluss zieht, jedes "formell definierte Insolvenzereignis" iS der RL 80/987 sei geeignet, einen Anspruch gegen die Garantieeinrichtung zu begründen. Das LSG verweist hierzu vor allem auf den "Gemeinsamen Standpunkt" des Rates vom 18.2.2002 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 22.5.2002, C 119 E/1), in dessen Abschnitt 5 - wortgleich übernommen in Abschnitt 5 der Erwägungen der RL 2002/74 EG - ausgeführt ist, es sei angebracht, mit dem Begriff der Zahlungsunfähigkeit "auch andere Insolvenzverfahren als Liquidationsverfahren zu erfassen", und die Mitgliedstaaten sollten "vorsehen können, dass für den Fall, dass das Vorliegen einer Insolvenz zu mehreren Insolvenzverfahren führt, die Situation so behandelt wird, als würde es sich um ein einziges Insolvenzverfahren handeln". Aus Sicht des Senats ist nicht nachvollziehbar, inwiefern dies "im Umkehrschluss" bedeuten soll, dass - mangels deutscher gesetzlicher Regelungen, die mehrere Insolvenzverfahren zu einem Gesamtverfahren zusammenfassen - im vorliegenden Fall die "formelle" Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens am 19.6.2003 einen neuen Anspruch auf Insg auslöst. Den Mitgliedstaaten räumen die Erwägungen die Möglichkeit ein, für die Zukunft auch andere Verfahren einzubeziehen und für diesen Fall einschränkend zu bestimmen, wann mehrere Verfahren als "einziges" Verfahren zu behandeln sind. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass ohne ausdrückliche Neuregelung zwei aufeinanderfolgende Insolvenzereignisse nicht als einheitliches Insolvenzereignis behandelt werden dürften, wenn zwischenzeitlich weiterhin Zahlungsunfähigkeit bestanden hat.
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Für die Auffassung des LSG sprechen schließlich auch nicht die angeführten wirtschafts- und sozialpolitischen Erwägungen (S 34, 35 des Urteilsumdrucks), der auch Äußerungen im Schrifttum zugrunde liegen (Frank/Heinrich NZI 2011, 569, 571 ff und NZS 2011, 689, 691). Es mag zwar wünschenswert sein, in Sanierungsfällen über den Schutz des § 183 Abs 2 SGB III hinaus auch Arbeitnehmern, die schon einmal Insg erhalten haben, eine zusätzliche Absicherung zuzubilligen. Unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall die Sanierungsbemühungen offenbar zum Scheitern verurteilt waren, kann derartigen Vorstellungen aber nur durch den Gesetzgeber entsprochen werden. Die mit der Einführung von Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen rechtfertigen es nicht, allein aufgrund der Bestätigung des Plans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung zu eröffnen; auch ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit den §§ 183 ff SGB III nicht die Ziele der InsO verfolgt(vgl dazu bereits BSGE 90, 157, 160 f = SozR 4-4300 § 183 Nr 3). Wie die aktuelle Entwicklung zeigt, hat sich der deutsche Gesetzgeber anlässlich der Überarbeitung und Neugestaltung des SGB III im Jahre 2011 insbesondere im Hinblick auf zu erwartende Mehrkosten für die umlagepflichtigen Arbeitgeber und mögliche Wettbewerbsverzerrungen gerade nicht dazu entschlossen, eine gesetzliche Regelung iS der Auffassung des LSG in das SGB III aufzunehmen (vgl Gegenäußerung der Bundesregierung zur - sich explizit auf die vorliegende Entscheidung des LSG beziehenden - Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 17/6853 S 18, zu Nr 2, und S 1 ff, zu Art 1 Nr 7a und Art 2 Nr 18).
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4. Nach alledem steht das einschlägige europäische Recht der Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III iS der Rechtsprechung des BSG(s oben 1.) nicht entgegen. Der Senat ist nicht gehalten, die oben behandelten Fragen zur Auslegung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 dem EuGH gemäß Art 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorzulegen. Denn insoweit liegt bereits hinreichend aussagekräftige Rechtsprechung des EuGH vor. Geklärt ist insbesondere, dass der RL unmittelbare Wirkung nur im Zusammenhang mit nach dem 8.10.2005 eingetretenen Insolvenzfällen zukommt (EuGH, Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105; Urteil vom 10.3.2011 - C-477/09 - NJW 2011, 1791). Nicht ersichtlich ist, dass im vorliegenden Fall durch die Anwendung des § 183 SGB III entsprechend der Auffassung des Senats der allgemeine Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung(vgl EuGH, Urteil vom 12.12.2002 - C-442/00 - SozR 3-6084 Art 2 Nr 3; Urteil vom 7.9.2006 - C-81/05 - SozR 4-6084 Art 3 Nr 3; Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105) verletzt sein könnte.
(1) Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlöschen die Ämter des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Der Schuldner erhält das Recht zurück, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen.
(2) Die Vorschriften über die Überwachung der Planerfüllung bleiben unberührt.
(3) Einen anhängigen Rechtsstreit, der die Insolvenzanfechtung zum Gegenstand hat, kann der Verwalter auch nach der Aufhebung des Verfahrens fortführen, wenn dies im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen ist. In diesem Fall wird der Rechtsstreit für Rechnung des Schuldners geführt, wenn im Plan keine abweichende Regelung getroffen wird.
(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).
(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.
(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.
(1) Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlöschen die Ämter des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Der Schuldner erhält das Recht zurück, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen.
(2) Die Vorschriften über die Überwachung der Planerfüllung bleiben unberührt.
(3) Einen anhängigen Rechtsstreit, der die Insolvenzanfechtung zum Gegenstand hat, kann der Verwalter auch nach der Aufhebung des Verfahrens fortführen, wenn dies im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen ist. In diesem Fall wird der Rechtsstreit für Rechnung des Schuldners geführt, wenn im Plan keine abweichende Regelung getroffen wird.
(1) Die Agentur für Arbeit kann die Durchführung einer Maßnahme nach § 176 Absatz 2 prüfen und deren Erfolg beobachten. Sie kann insbesondere
- 1.
von dem Träger der Maßnahme sowie den Teilnehmenden Auskunft über den Verlauf der Maßnahme und den Eingliederungserfolg verlangen und - 2.
die Einhaltung der Voraussetzungen für die Zulassung des Trägers und der Maßnahme prüfen, indem sie Einsicht in alle die Maßnahme betreffenden Unterlagen des Trägers nimmt.
(2) Die Agentur für Arbeit ist berechtigt, zum Zweck nach Absatz 1 Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume des Trägers während der Geschäfts- oder Unterrichtszeit zu betreten. Wird die Maßnahme bei einem Dritten durchgeführt, ist die Agentur für Arbeit berechtigt, die Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume des Dritten während dieser Zeit zu betreten. Stellt die Agentur für Arbeit bei der Prüfung der Maßnahme hinreichende Anhaltspunkte für Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften fest, soll sie die zuständige Kontrollbehörde für den Datenschutz hiervon unterrichten.
(3) Die Agentur für Arbeit kann vom Träger die Beseitigung festgestellter Mängel innerhalb einer angemessenen Frist verlangen. Die Agentur für Arbeit kann die Geltung des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins oder des Bildungsgutscheins für einen Träger ausschließen und die Entscheidung über die Förderung aufheben, wenn
- 1.
der Träger dem Verlangen nach Satz 1 nicht nachkommt, - 2.
die Agentur für Arbeit schwerwiegende und kurzfristig nicht zu behebende Mängel festgestellt hat, - 3.
die in Absatz 1 genannten Auskünfte nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erteilt werden oder - 4.
die Prüfungen oder das Betreten der Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume durch die Agentur für Arbeit nicht geduldet werden.
(4) Die Agentur für Arbeit teilt der fachkundigen Stelle und der Akkreditierungsstelle die nach den Absätzen 1 bis 3 gewonnenen Erkenntnisse mit.
(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).
(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.
(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.
(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).
(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.
(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.
(1) Die Agentur für Arbeit kann die Durchführung einer Maßnahme nach § 176 Absatz 2 prüfen und deren Erfolg beobachten. Sie kann insbesondere
- 1.
von dem Träger der Maßnahme sowie den Teilnehmenden Auskunft über den Verlauf der Maßnahme und den Eingliederungserfolg verlangen und - 2.
die Einhaltung der Voraussetzungen für die Zulassung des Trägers und der Maßnahme prüfen, indem sie Einsicht in alle die Maßnahme betreffenden Unterlagen des Trägers nimmt.
(2) Die Agentur für Arbeit ist berechtigt, zum Zweck nach Absatz 1 Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume des Trägers während der Geschäfts- oder Unterrichtszeit zu betreten. Wird die Maßnahme bei einem Dritten durchgeführt, ist die Agentur für Arbeit berechtigt, die Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume des Dritten während dieser Zeit zu betreten. Stellt die Agentur für Arbeit bei der Prüfung der Maßnahme hinreichende Anhaltspunkte für Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften fest, soll sie die zuständige Kontrollbehörde für den Datenschutz hiervon unterrichten.
(3) Die Agentur für Arbeit kann vom Träger die Beseitigung festgestellter Mängel innerhalb einer angemessenen Frist verlangen. Die Agentur für Arbeit kann die Geltung des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins oder des Bildungsgutscheins für einen Träger ausschließen und die Entscheidung über die Förderung aufheben, wenn
- 1.
der Träger dem Verlangen nach Satz 1 nicht nachkommt, - 2.
die Agentur für Arbeit schwerwiegende und kurzfristig nicht zu behebende Mängel festgestellt hat, - 3.
die in Absatz 1 genannten Auskünfte nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erteilt werden oder - 4.
die Prüfungen oder das Betreten der Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume durch die Agentur für Arbeit nicht geduldet werden.
(4) Die Agentur für Arbeit teilt der fachkundigen Stelle und der Akkreditierungsstelle die nach den Absätzen 1 bis 3 gewonnenen Erkenntnisse mit.
Tenor
-
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. April 2014 wird zurückgewiesen.
-
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger begehrt Insolvenzgeld (Insg) für die Zeit vom 1.12.2009 bis 28.2.2010.
- 2
-
Nachdem die B. GmbH (B GmbH), die ein Sägewerk betrieb, am 15.2.2010 bei dem zuständigen Amtsgericht (AG) Arnsberg einen erneuten Insolvenzantrag gestellt hatte, beantragte der Kläger, ein Arbeitnehmer der B GmbH, am 1.3.2010 bei der Beklagten die Zahlung von Insg wegen dieses später eröffneten Insolvenzverfahrens.
- 3
-
Über das Vermögen der B GmbH war bereits auf den Insolvenzantrag vom 1.2.2005 durch das zuständige AG ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das AG hob das Verfahren nach Bestätigung des Insolvenzplans durch die Gläubiger am 7.4.2006 wieder auf. Der gestaltende Teil des Insolvenzplans sah vor, dass auf die Forderungen der ungesicherten Gläubiger eine Quote von 10 vH gezahlt wird und die Auszahlung auf der Grundlage des vom Insolvenzverwalter erstellten Verteilungsverzeichnisses zu verschiedenen Fälligkeitsterminen bis Ende 2008 erfolgen werde. Daneben war vorgesehen, dass weitere Zahlungen an die Gläubiger erfolgen sollten, falls sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens bessern und dieses in den Jahren 2007 bis 2010 Gewinne erwirtschaften sollte. Von diesen Gewinnen sollten ggf 50 vH an die Gläubiger ausgeschüttet werden. Die Erfüllung des Insolvenzplans überwachte der Insolvenzverwalter P. (P). Der Kläger hatte wegen dieses Insolvenzereignisses für die Zeit vom 1.11.2004 bis 31.1.2005 Insg erhalten.
- 4
-
Vor Aufhebung der Überwachung des Insolvenzplans stellte die B GmbH den Insolvenzantrag vom 15.2.2010. Der Kläger kündigte aufgrund der Lohnrückstände aus den Monaten Dezember 2009 sowie Januar und Februar 2010 sein Arbeitsverhältnis zum 28.2.2010. Das AG eröffnete das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B GmbH (Beschluss vom 22.3.2010). Die Beklagte lehnte den Antrag auf Insg ab und verlangte einen hierauf gezahlten Vorschuss zurück (Bescheid vom 26.4.2010; Widerspruchsbescheid vom 4.6.2010).
- 5
-
Das Klageverfahren ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts
Dortmund vom 13.5.2011; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen Die noch andauernde Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter rechtfertige nicht die Annahme, die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sei beendet und ein neues Insolvenzereignis könne eintreten. Dies gelte auch, wenn das erste Insolvenzverfahren nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans aufgehoben, die im Insolvenzplan festgelegte Quote in den folgenden Jahren gezahlt und der Insolvenzplan lediglich hinsichtlich des sog "Besserungsscheins" nicht erfüllt worden sei.vom 10.4.2014).
- 6
-
Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), des Sozialstaatsprinzips aus Art 20 Abs 1 Grundgesetz (GG) und der Art 2 Abs 1 und 12a der EG-Richtlinie 2008/94 (RL 2008/94) vom 22.10.2008. Nach der Insolvenzordnung (InsO) bestehe neben der Möglichkeit der Gläubigerbefriedigung durch Liquidation des gesamtschuldnerischen Vermögens auch die Möglichkeit, eine Sanierung nach Maßgabe des mit den Gläubigern abgestimmten Insolvenzplans durchzuführen. Vorliegend sei durch den Beschluss des AG vom 7.4.2006 das erste Insolvenzverfahren aufgehoben worden und damit endgültig beendet gewesen. Ein zweites Insolvenzverfahren könne ab diesem Zeitpunkt eintreten. Die Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter sei lediglich ein nachgelagertes Verfahren. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach das Insolvenzverfahren arbeitsförderungsrechtlich andauere, solange die Planüberwachung angeordnet sei, sei nicht zu folgen. Aus dem Andauern der Planüberwachung könne nicht auf die Fortdauer der Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden. § 183 Abs 1 SGB III sei zudem europarechtskonform so auszulegen, dass ein nachfolgendes Insolvenzereignis ausreiche, um einen weiteren Anspruch auf Insg auszulösen. Auch Art 20 GG gebiete, die Arbeitnehmer zu schützen. Es sei das Ziel dieser Art der Sanierung, die Arbeitsplätze in dem Betrieb zu erhalten. Die Auslegung des § 183 Abs 1 S 1 SGB III durch das LSG habe aber zur Folge, dass gerade das "schwächste Glied in der Kette", nämlich der Arbeitnehmer, mit dessen maßgeblicher Hilfe der Insolvenzplan erfüllt werde, völlig schutzlos bleibe. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber während der Fortführung des Betriebs die Insolvenzumlage zahlen müsse und hier auch gezahlt habe.
- 7
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Abänderung der Urteile des LSG und des SG sowie des Bescheids der Beklagten vom 26.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.6.2010 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1.12.2009 bis 28.2.2010 Insolvenzgeld zu zahlen.
- 8
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 9
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Die Entscheidung des LSG sei auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der europarechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz
) .
- 11
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 26.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.6.2010 (§ 95 SGG), der nach Begrenzung des Streitgegenstands in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nur noch angegriffen ist, soweit die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 28.2.2010 Insg zu zahlen. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG insoweit zu Recht zurückgewiesen. Die Anfechtungs- und Leistungsklage kann keinen Erfolg haben, weil der Kläger für den streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf Insg hat.
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Nach § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2742; jetzt § 165 Abs 1 S 1 SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
- 13
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Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar ist durch den Beschluss des AG vom 22.3.2010 (wieder) ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der B GmbH eröffnet worden, sodass ein Insolvenzereignis iS der InsO vorliegt. Ein (neues) arbeitsförderungsrechtliches Insolvenzereignis iS des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III ist damit jedoch nicht eingetreten, weil das frühere Insolvenzereignis - hier die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B GmbH am 1.2.2005 - gegenüber dem Eintreten eines weiteren Insolvenzereignisses eine Sperrwirkung entfaltet. Diese hindert die Entstehung (§ 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch
) eines erneuten Anspruchs auf Insg.
- 14
-
Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein (neues) Insolvenzereignis nicht eintreten, solange die auf einem früheren Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers noch andauert (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 3). Für die Annahme wiedererlangter Zahlungsfähigkeit genügt es nicht, wenn der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit fortführt und die laufenden Verbindlichkeiten, wie insbesondere die Lohnansprüche, befriedigt. Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist vielmehr so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet deshalb nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelnen Zahlungsverpflichtungen wieder nachkommt (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 3; BSGE 100, 282 f RdNr 11 mwN = SozR 4-4300 § 183 Nr 9 S 39). Wird - wie im vorliegenden Fall durch das LSG - für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass der Schuldner zwar die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebene Quote leisten konnte, aber sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, bleibt es bei der Sperrwirkung des ersten Insolvenzereignisses.
- 15
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Soweit der Kläger unter Verweis auf die Ausführungen des Zeugen P die Auffassung vertritt, dass aus dessen Aussage andere Schlüsse zu ziehen seien als sie das LSG gezogen hat, kann dies der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Der Senat ist an die Feststellungen des LSG gebunden, soweit gegen diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben worden sind (§ 163 SGG). Solche Rügen hat der Kläger, der schlicht seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt, nicht erhoben.
- 16
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Allein die formale Beendigung des Insolvenzverfahrens bei gleichzeitiger Anordnung der Planüberwachung genügt nicht, um eine Wiederherstellung der allgemeinen Zahlungsfähigkeit des Gemeinschuldners zu begründen. Die Gläubiger verzichten bei dieser Art der Abwicklung eines Insolvenzereignisses auf den Großteil ihrer Forderungen nur, um den im Insolvenzplan vereinbarten (geringen) Teil der Forderung zu erhalten. Ihre Gesamtforderung kann aber insolvenzrechtlich wieder aufleben, wenn die Vereinbarungen des Insolvenzplans nicht erfüllt werden (vgl § 255 InsO; dazu BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 3).
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An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Kritik des Klägers an dem fehlenden Schutz der Arbeitnehmer in einem solchen Fall rechtfertigt - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - keine andere Beurteilung. Der Gesetzgeber verfolgt - wie der Senat schon mehrfach entschieden hat - mit den §§ 183 f SGB III nicht die Ziele der InsO, sondern begründet eine Sicherung bestimmter Lohnforderungen im Falle einer Insolvenz des Arbeitsgebers (vgl BSG, Urteil vom 6.12.2012 - B 11 AL 11/11 R - BSGE 112, 235 = SozR 4-4300 § 183 Nr 14, RdNr 25). Die mit Einführung der Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen begründen - bezogen auf das Insg-Recht - nicht die Annahme, aufgrund der Bestätigung des Insolvenzplans und der Beendigung des Insolvenzverfahrens sei eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung eröffnet (BSGE 90, 157 ff = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). Vielmehr wird für die Dauer der Planüberwachung der Zusammenhang mit dem vorangegangenen Insolvenzverfahren durch die fortbestehenden Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters, der Gläubigerversammlung und durch die Aufsicht des Insolvenzgerichts dokumentiert (vgl BSGE 100, 282 ff RdNr 14 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9).
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Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Anspruch auf Insg dann neu entstehen kann, wenn zwischen dem ersten und zweiten Insolvenzereignis ein überwachter Insolvenzplan durchgeführt und ordnungsgemäß beendet worden ist (vgl Sächsisches LSG, Urteil vom 9.3.2011 - L 1 AL 241/06 - NZI 2011, 608 f; SG Karlsruhe, Urteil vom 8.5.2012 - S 16 AL 4404/10). Denn in dem hier zu entscheidenden Fall war die Planüberwachung bei Eintritt des weiteren Insolvenzereignisses gerade nicht ordnungsgemäß beendet (vgl zu der Problematik auch Frank/Heinrich, NZS 2011, 689).
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Die Auslegung und Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III verstößt auch nicht gegen Vorgaben des europäischen Rechts(BSG, Urteil vom 6.12.2012 - B 11 AL 10/11 R - DB 2013, 1916 f). Die Auslegung und Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 SGB III zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein früher eingetretenes Insolvenzereignis beendet ist und ein neues eintreten kann, wird durch das europäische Recht nicht präjudiziert.
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Nach Art 2 Abs 1 der RL 2008/94 gilt ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig, wenn die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaates vorgeschriebenen Gesamtverfahrens beantragt worden ist, das die Insolvenz des Arbeitgebers voraussetzt und den teilweisen oder vollständigen Vermögensbeschlag gegen diesen Arbeitgeber sowie die Bestellung eines Verwalters oder einer Person, die eine ähnliche Funktion ausübt, zur Folge hat, und wenn entweder die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde die Eröffnung des Verfahrens beschlossen oder festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen. Die Richtlinie knüpft also grundsätzlich an ein formelles Insolvenzereignis an und ermöglicht den Mitgliedstaaten nur die Zusammenfassung mehrerer formeller Insolvenzereignisse zu einem Gesamtverfahren, ordnet sie aber nicht an. Eine solche gesetzliche Regelung zur Zusammenfassung mehrerer formeller Insolvenzereignisse existiert im nationalen Recht aber gerade nicht (vgl hierzu BSGE 90, 157, 161 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 7; dazu auch: BR-Drucks 313/11, S 3 f, BT-Drucks 17/6853, S 18). Die europarechtliche Regelung schreibt auch nicht vor, dass und unter welchen Voraussetzungen ein bereits eingetretenes Insolvenzereignis arbeitsförderungsrechtlich abgeschlossen ist, um ein neues Insolvenzereignis annehmen zu können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).
(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.
(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11.09.2013 abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt als zuständige Einzugsstelle die Zahlung von Pflichtversicherungsbeiträgen bei Insolvenzereignis gem. § 208 Sozialgesetzbuch Drittes Buch in der bis zum 31.03.2012 gültigen Fassung (SGB III a. F.). Dabei ist zwischen den Beteiligten streitig, ob in einem Insolvenzverfahren über nach § 35 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) freigegebenes Vermögen Gesamtsozialversicherungsbeiträge geltend gemacht werden können, oder ob dies aufgrund einer Sperrwirkung des vorangegangenen Insolvenzereignisses ausgeschlossen ist.
3Der Beigeladene zu 2) betrieb unter der Firma L.-Q. ein Frühstückscafé in der O.straße 00 in T. Die Beigeladene zu 1) war dort seit dem 16.03.2005 geringfügig beschäftigt mit einem monatlichen Gehalt von 400,- Euro und wurde bei der Klägerin als Minijob-Zentrale angemeldet. Auf die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Beigeladenen zu 3) hatte die Beigeladene zu 1) verzichtet. Für die Zeit vom 01.07.2008 bis zum 20.08.2008 erhielt die Beigeladene zu 1) kein Arbeitsentgelt.
4Auf einen Eigenantrag des Beigeladenen zu 2) hin, der u.a. seinen Pflichten zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht nachgekommen war, eröffnete das Amtsgericht C (Az.: 47 IN 00/00) am 21.08.2008 über das Vermögen des Beigeladenen zu 2) das Insolvenzverfahren und bestellte Herrn Rechtsanwalt C. aus N. zum Insolvenzverwalter. Am 25.08.2008 erklärte der Insolvenzverwalter gegenüber dem Beigeladenen zu 2) gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO die Freigabe des Geschäftsbetriebes und zeigte dies gegenüber dem Amtsgericht C an. Der Beigeladene zu 2) betrieb daraufhin sein Unternehmen weiter. Das Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1) wurde ohne Unterbrechung fortgesetzt.
5Auf Antrag der Beigeladenen zu 1) gewährte die Beklagte dieser für die Zeit vom 01.07.2008 bis zum 20.08.2008 Insolvenzgeld. Darüber hinaus zahlte die Beklagte die im Zeitraum vom 21.05.2008 bis zum 20.08.2008 für die Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) angefallenen und rückständig gebliebenen Beiträge in Höhe von 394,45 Euro an die Klägerin (Bescheid vom 19.08.2009).
6In der Folgezeit kam der Beigeladene zu 2) weiterhin seinen Zahlungsverpflichtungen u.a. gegenüber Klägerin nicht nach. Zum 31.12.2010 stellte er seinen Geschäftsbetrieb endgültig ein und beendete das Beschäftigungsverhältnis mit der Beigeladenen zu 1). Den daraufhin von der Klägerin gestellten weiteren Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beigeladenen zu 2) aus der freigegebenen Tätigkeit wies das Amtsgericht C mit Beschluss vom 05.05.2011 (Az.: 47 IN xx/xx) mangels Masse ab.
7In dem ersten Insolvenzverfahren (Az.: 47 IN 00/00) ordnete das Amtsgericht C mit Beschluss vom 10.5.2011 an, dass dem Beigeladenen zu 2) Restschuldbefreiung erteilt wird, wenn er während der sog. Wohlverhaltensperiode die insolvenzrechtlichen Obliegenheiten erfüllt und die Restschuldbefreiung nicht zuvor versagt wird. Mit Beschluss vom 11.07.2011 hob es das Insolvenzverfahren gemäß § 200 InsO auf, da die Schlussverteilung vollzogen sei. Bei der Schlussverteilung hatte sich Insolvenzvermögen von 0,- Euro ergeben.
8Am 17.05.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen nach § 208 SGB III a. F. für die Beigeladene zu 1) für den Zeitraum vom 01.10.2008 bis zum 31.12.2008 in Höhe von 394,80 Euro.
9Mit Bescheid vom 01.06.2011, der der Klägerin am 08.06.2011 bekanntgegeben wurde, lehnte die Beklagte die Zahlung der geltend gemachten Pflichtbeiträge mit der Begründung ab, bereits aufgrund der Insolvenzeröffnung am 21.08.2008 seien rückständige Pflichtbeiträge für die Beigeladene zu 1) entrichtet worden. Dieses Insolvenzverfahren sei noch nicht beendet. Von einer Weiterarbeit/Arbeitsaufnahme der Beigeladenen zu 1) in Unkenntnis des Insolvenzereignisses könne nicht ausgegangen werden. Der 05.05.2011 komme nicht als erneutes Insolvenzereignis in Betracht. Der Bescheid enthielt die Belehrung, dass gegen ihn binnen eines Monats ab Bekanntgabe Klage beim Sozialgericht Hannover erhoben werden kann.
10Am 22.08.2011 hat die in C1. ansässige Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei wegen der unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung noch fristgemäß. In der Sache hat sie gemeint, bei den Insolvenzereignissen aus dem Jahre 2008 einerseits und dem Jahr 2011 andererseits handele es sich um zwei voneinander unabhängige Insolvenzereignisse. Nur für das zweite Insolvenzereignis werde die Zahlung rückständiger Pflichtbeiträge begehrt. Das in dem früheren Insolvenzverfahren freigegebene Vermögen sei streng von dem Vermögen zu trennen, über welches das erste Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Mit der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO erkläre der Insolvenzverwalter, dass er hinsichtlich des freigegebenen Vermögens endgültig und unbedingt auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verzichte. Dieser strengen Trennung entspreche es, dass das freigegebene Vermögen seinerseits wiederum insolvenzfähig sei. Die Sichtweise der Beklagten widerspreche zudem dem Schutzzweck der §§ 183, 208 SGB III a. F. Durch die Zahlung des rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeitrages solle in einem Insolvenzfall weder die Versichertengemeinschaft noch der betroffene Sozialversicherungsträger einen Nachteil erleiden. Dieser Schutz würde nach Ansicht der Beklagten bei Beschäftigungsverhältnissen im Rahmen der freigegebenen selbständigen Tätigkeit niemals eingreifen. Ansprüche auf Insolvenzgeld und Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach §§ 183,208 SGB III a. F. wären durch das frühere Insolvenzverfahren immer gesperrt. Dieses Ergebnis könne nicht gewollt sein, denn der Gesetzgeber habe mit der Regelung des § 35 Abs. 2 InsO dem Schuldner durch die Freigabe der selbständigen Tätigkeit einen "Neustart" ermöglichen wollen.
11Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
12den Bescheid vom 01.06.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin auf ihren Antrag vom 17.05.2011 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 394,80 Euro zu zahlen.
13Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
16Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
17Mit im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung erlassenem Urteil vom 11.09.2013 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 01.06.2011 verurteilt, der Klägerin auf ihren Antrag vom 17.05.2011 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 394,80 Euro zu zahlen; die Berufung hat das SG zugelassen. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen der Argumentation der Klägerin angeschlossen sowie auf die Entscheidung des SG Dortmund vom 31.10.2012, Az.: S 55 AL 686/10, verwiesen.
18Gegen dieses ihr am 17.09.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.10.2013 Berufung eingelegt. Sie meint, das SG habe die einschlägigen Regelungen der Insolvenzgeldsicherung allein aus insolvenzrechtlicher Sicht betrachtet und die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht beachtet. Zunächst habe das SG auch nicht berücksichtigt, dass der wesentliche Zweck des § 35 Abs. 2 InsO darin bestehe, die Insolvenzgläubiger vor masseschädigendem Verhalten zu schützen. Denn wegen Art. 12 Abs. 1 GG könne dem Schuldner die Fortführung einer selbstständigen Tätigkeit ohnehin nicht untersagt werden, so dass § 35 Abs. 2 InsO geschaffen worden sei, damit Verbindlichkeiten, die durch die weitere Tätigkeit des Schuldners entstünden, nicht mehr zu Lasten der Insolvenzmasse gingen. Vor allem verfolge der Gesetzgeber mit den §§ 183 ff. SGB III a.F. nicht die Ziele der InsO, sondern bezwecke die Absicherung bestimmter Lohnforderungen in der Insolvenz des Arbeitgebers. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG trete nach einem Insolvenzereignis ein neues Insolvenzereignis im Sinne von § 183 SGB III a.F. nicht ein, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit fortdauere. Diese Rechtsprechung, die das BSG auch für den Fall eines erneuten Insolvenzereignisses nach Durchführung eines Insolvenzplanes fortgeführt habe, sei auf den hier vorliegenden Fall der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO zu übertragen.
19Die Beklagte beantragt,
20das Urteil des Sozialgerichts Dortmund abzuändern und die Klage abzuweisen.
21Die Klägerin beantragt,
22die Berufung zurückzuweisen.
23Sie meint, Zielsetzungen und Wirkungen einer Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO unterschieden sich maßgeblich von denen eines bestätigten Insolvenzplanes. Bei einer Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO sei nach der Rechtsprechung des BGH die Vermögensmasse aus der freigegebenen Tätigkeit streng von der Vermögensmasse zu trennen, über die das Insolvenzverfahren eröffnet sei. Werde nach einem gescheiterten Insolvenzplan ein neues Insolvenzverfahren eröffnet, erfasse der erneute Insolvenzbeschlag demgegenüber weitgehend die Vermögenswerte und Dauerschuldverhältnisse, die bereits zuvor der gescheiterten Planinsolvenz unterworfen gewesen sei. Eine Sperrwirkung des "ersten" Insolvenzverfahrens sei auch mit dem Schutzzweck der §§ 183, 208 SGB III a.F. nicht vereinbar, da insbesondere Arbeitnehmer auf die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters vertrauen dürften.
24Auf Nachfrage des Senats hat die Beigeladene zu 1) mitgeteilt, dass ihr der Beigeladene zu 2) am oder um den 21.08.2008 herum mitgeteilt habe, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogenen Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe:
27Die kraft Zulassung zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, weil diese zwar zulässig, aber unbegründet ist.
281. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., Abs. 4, 56 SGG gegen den Bescheid vom 01.06.2011 ist zulässig.
29Eines Vorverfahrens bedurfte es nach § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG nicht, weil die Klägerin ein Versicherungsträger ist.
30Die Klage ist auch fristgerecht erhoben worden, obwohl die Monatsfrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht eingehalten wurde. Vielmehr galt gemäß § 66 Abs. 2 SGG für die Erhebung der Klage eine Frist von einem Jahr, weil die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 01.06.2011 den Anforderungen des § 66 Abs. 1 SGG nicht genügte und deshalb unrichtig war. Zu einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung gehört u.a. die zutreffende Angabe des Sitzes der Stelle, bei der der statthafte Rechtsbehelf anzubringen ist. Dementsprechend wäre hier das SG Dortmund zu nennen gewesen, weil die Beklagte keine Privatperson oder juristische Person des Privatrechts ist (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 2 SGG) und die Klägerin ihren Sitz im Gerichtsbezirk des SG Dortmund hat (§ 57 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Beklagte hat jedoch in ihrer Rechtsbehelfsbelehrung unzutreffenderweise angegeben, dass die Klage beim SG Hannover zu erheben sei.
312. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 01.06.2011 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn der Bescheid ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der im Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2010 aufgrund der Insolvenz des Beigeladenen zu 2) rückständig gebliebenen Sozialversicherungsbeiträge für die Beigeladene zu 1) gegen die Beklagte aus der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. (§ 175 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab dem 01.04.2012 geltenden Fassung).
32Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGB III a.F. zahlt die Agentur für Arbeit auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d des Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), der auf Arbeitsentgelte für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden ist. Über diesen Anspruch der Einzugsstelle aus einem gesetzlichen Schuldbeitritt (vgl. BSG, Urt. v. 14.08.1984 - 10 RAr 18/83 -, juris Rn. 12) hat die Agentur für Arbeit durch Verwaltungsakt zu entscheiden, wobei sie nicht an Feststellungen der Einzugsstelle über Versicherungspflicht, Beitragshöhe und Zahlungspflicht gebunden ist (vgl. BSG, Urt. v. 12.12.1984 - 10 RAr 7/83 -, juris Rn. 9). Der Anspruch der Einzugsstelle steht im Zusammenhang mit dem Anspruch des betreffenden Arbeitnehmers auf Insolvenzgeld gemäß § 183 Abs. 1 SGB III a.F. (§ 165 Abs. 1 SGB III n.F.). Es gilt damit nicht nur die Legaldefinition des Insolvenzereignisses im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. Vielmehr müssen die rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge auch auf den nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. maßgeblichen Insolvenzgeldzeitraum entfallen (vgl. BSG, Urt. v. 09.12.1986 - 10 RAr 7/86 -, juris Rn. 12). Der Anspruch bezieht sich mithin auf die Beiträge für solche Arbeitsentgelte, die im Falle eines Rückstandes einen Insolvenzgeldanspruch des betreffenden Arbeitnehmers auslösen können (vgl. Kühl, in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 175 Rn. 4).
33Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzung des § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. für die von der Klägerin geltend gemachten Beitragsrückstände aus dem Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2010 nicht vor. Die Klägerin ist zwar bei der geringfügig beschäftigt gewesenen Beigeladenen zu 1) gemäß § 28i Satz 5 SGB IV die zuständige Einzugsstelle. Bei den geltend gemachten Beitragsrückständen in Höhe von 394,80 Euro, d.h. 131,60 Euro monatlich, die sich aus dem Pauschalbeitrag in Höhe von 13% des Arbeitsentgelts (400,- Euro) für die Krankenversicherung (= 52,- Euro, vgl. § 249b Abs. 1 Satz 1 SGB V) und dem vollen Arbeitgeberbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung (19,9% des Arbeitsentgelts) für die nach Maßgabe von § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB VI in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung nicht versicherungsfreie Beigeladene zu 1) (= 79,60 Euro) zusammensetzen, handelt es sich auch um Gesamtsozialversicherungsbeiträge im Sinne von § 28d SGB IV, weil die entsprechenden, für geringfügig Beschäftigte geltenden Vorschriften der §§ 249b Satz 3 SGB V, 172 Abs. 4 SGB VI u.a. auf § 28d SGB IV verweisen. Die geltend gemachten Beitragsrückstände fallen jedoch nicht in den nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. maßgeblichen Insolvenzgeldzeitraum. Ebenso wenig wie die Beigeladene zu 1) für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2010 Insolvenzgeld beanspruchen könnte, kann die Klägerin für diesen Zeitraum die Zahlung der rückständigen Beiträge für die Beigeladene zu 1) von der Beklagten aus § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. verlangen.
34Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei
351. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt,
36(Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Hat ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch nach § 183 Abs. 2 SGB III a.F. für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses.
37Nach diesen Vorschriften könnte die Beigeladene zu 1) für den Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2010 kein Insolvenzgeld beanspruchen.
38a) Die mit Beschluss des Amtsgerichts C vom 05.05.2011 - 47 IN xx/xx - erfolgte Abweisung des Antrags der Klägerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das aus der seit dem 25.08.2008 fortgeführten Tätigkeit resultierende Vermögen des Beigeladenen zu 2) mangels Masse stellt zwar für sich genommen ein Insolvenzereignis im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III a.F. dar. Aufgrund dieses Insolvenzereignisses erwachsen jedoch keine Ansprüche aus der Insolvenzversicherung gemäß §§ 183, 208 SGB III a.F., weil in Gestalt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beigeladenen zu 2) durch Beschluss des Amtsgerichts C vom 21.08.2008 - 47 IN 00/00 - ein erstes Insolvenzereignis gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. eingetreten ist, das in Bezug auf Ansprüche aufgrund des zweiten Insolvenzereignisses vom 05.05.2011 Sperrwirkung entfaltet.
39aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, tritt ein neues Insolvenzereignis nicht ein und kann folglich auch Ansprüche auf Insolvenzgeld nicht auslösen, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert. Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner wieder einzelnen Zahlungsverpflichtungen nachkommt (zuletzt BSG, Urt. v. 06.12.2012 - B 11 AL 10/11 R -, juris Rn. 14 m.w.N.).
40Nach diesen Grundsätzen vermag des Insolvenzereignis vom 05.05.2011 Ansprüche aus §§ 183, 208 SGB III a.F. nicht zu begründen, weil die Zahlungsunfähigkeit des Beigeladenen zu 2), auf der die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Verfahren des Amtsgerichts C - 47 IN 00/00 - beruht, bis zur Abweisung des Antrags im Verfahren - 47 IN xx/xx - mangels Masse am 05.05.2011 ununterbrochen fortgedauert hat. Der Beigeladene zu 2) war seit dem 21.08.2008 durchgehend nicht in der Lage, seine fälligen Verbindlichkeiten im Allgemeinen zu erfüllen. Auf die im Verfahren 47 IN 00/00 angemeldeten Insolvenzforderungen von über 1,8 Million Euro hat der Beigeladene zu 2) keinerlei Zahlungen leisten können. Er ist darüber hinaus bereits im Jahre 2010 wiederum Sozialversicherungsbeiträge schuldig geblieben. Schließlich waren zuletzt noch nicht einmal ausreichende Mittel vorhanden, um die Kosten des zweiten Insolvenzverfahrens zu decken, so dass dessen Eröffnung mangels Masse abgelehnt wurde.
41bb) Ein anderes Ergebnis folgt entgegen der Auffassung des SG und der Klägerin auch nicht daraus, dass sich das Insolvenzverfahren 47 IN xx/xx auf eine andere Masse bezog, nämlich auf das nach Eröffnung des vom Insolvenzverwalter gemäß § 35 Abs. 2 InsO quasi freigegebene Vermögen des Beigeladenen zu 2) aus seiner selbstständigen Tätigkeit. Zwar bewirkt die Erklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 InsO, dass die Einkünfte, die der Insolvenzschuldner von der Erklärung des Verwalters an im Rahmen dieser Tätigkeit erzielt, als Haftungsmasse außerhalb des Insolvenzverfahrens zur Verfügung stehen. In Bezug auf diese Haftungsmasse, an die sich auch Gläubiger aus vor der Insolvenzeröffnung begründeten Dauerschuldverhältnissen wegen der nach Insolvenzeröffnung entstandenen Forderungen halten müssen, ist auch ein gesondertes zweites Insolvenzverfahren zulässig (zum Ganzen BGH, Beschl. v. 09.06.2011 - IX ZB 175/10 -, juris Rn. 7; Urt. v. 09.02.2012 - IX ZR 75/11 -, juris Rn. 14 ff.), was hier auch praktiziert wurde. Hieraus folgt jedoch auch für die hier streitigen, aus der Fortführung der selbstständigen Tätigkeit resultierenden Ansprüche auf Arbeitsentgelt und Beiträge nicht, dass die Entscheidung in diesem zweiten Insolvenzverfahren unabhängig von der zwischenzeitlichen Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners ein Insolvenzereignis im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB III a.F. (§ 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB III n.F.), das einen Anspruch auf Insolvenzgeld und Beitragszahlung gemäß § 208 Abs. 1 Satz1 SGB III a.F. begründen kann, darstellt. Der insoweit vom SG Dortmund vertretenen Auffassung (Urt. v. 31.10.2012 - S 55 AL 686/10 -, juris Rn. 16 ff.) folgt der Senat nicht (wie hier SG Braunschweig, Urt. v. 27.08.2013 - S 9 AL 35/12 -, juris Rn. 33).
42Das Gesetz geht, wie sich insbesondere aus § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. ergibt, davon aus, dass es für einen Anspruch auf Insolvenzgeld grundsätzlich nur ein Insolvenzereignis gibt. Weitere Insolvenzereignisse können grundsätzlich keine weiteren Ansprüche auf Insolvenzgeld begründen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn sich der Sachverhalt nach Eintritt des Insolvenzereignisses grundlegend geändert hat, wenn also quasi ein neuer Leistungsfall eintritt. Beruht das erste Insolvenzereignis auf der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, kommt ein neuer Insolvenzgeldfall konsequenterweise nur in Betracht, wenn der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit zwischenzeitlich entfallen ist. Anderenfalls verwirklicht sich lediglich der gleiche Leistungsfall ein weiteres Mal. Der Gesetzgeber hat sich aber lediglich für einen sachlich und zeitlich beschränkten Anspruch gegen die Versichertengemeinschaft aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers entschieden. Die Übernahme des an sich vom Arbeitnehmer zu tragenden Risikos der Insolvenz seines Arbeitgebers durch die Versichertengemeinschaft entspricht bei ununterbrochen fortbestehender Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht dem Willen des Gesetzgebers und ist deshalb nicht gerechtfertigt (vgl. insoweit auch Schmidt, in: GK-SGB III, 5. Aufl. 2013, § 165 Rn. 28).
43Dies ist auch der Hintergrund der unter aa) wiedergegebenen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Insoweit hat das BSG bereits zu den entsprechenden Regelungen des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) Folgendes ausgeführt (Urt. v. 17.12.1975 - 7 RAr 17/75 -, juris Rn. 29 ff.):
44"Kommt ein Unternehmer derart in geldliche Schwierigkeiten, daß er nicht mehr ausreichend flüssig ist, und muß er daher zum vereinbarten Zeitpunkt der Lohnzahlung (gewöhnlich am Monats- oder Wochenende) den Arbeitslohn schuldig bleiben, so entsteht eine Interessenlage, bei der der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer gemeinsam eine möglichst lange Sicherung der Lohnforderungen durch die Bundesanstalt wünschen müssen, während das Gesetz diesen Zeitraum begrenzen muß, um die die Konkursausfallversicherung tragenden Unternehmer nicht übermäßig zu belasten. Der in Zahlungsschwierigkeiten geratene Arbeitgeber wird nämlich in aller Regel noch versuchen, seinen Betrieb aufrecht zu erhalten und zu diesem Zweck neue Mittel zu erlangen. Je länger seine Arbeitnehmer auch ohne Lohnzahlung ihm die Treue halten, umso länger hat er diese Chance und umso höher ist der Kredit, den er von ihnen erhält, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem er gewöhnlich von einer Bank keinen Kredit mehr erhalten wird. Die Arbeitnehmer sind einerseits darauf angewiesen, ihren Lohn umgehend zu beziehen, werden aber auch den Verlust ihres Arbeitsplatzes fürchten und daher geneigt sein, eine gewisse Zeit stillzuhalten in der Hoffnung, daß der Unternehmer seine Liquidität wiedergewinnen würde.
45Das Gesetz über das KauG schützt die Arbeitnehmer vor den Nachteilen, die ihnen aus diesem Verhalten erwachsen, indem es eine Garantie der BA für die Lohnzahlung begründet. Im Interesse der diese Lohngarantie gebenden Versicherung und der sie tragenden Unternehmer kann die Sicherung durch das KauG jedoch nicht zu weit ausgedehnt werden. Aus den §§ 141 a und 141 b AFG ist zu entnehmen, daß die Arbeitnehmer von dem Zeitpunkt an nicht mehr gesichert sein sollen, zu dem durch das Hervortreten der Tatbestände des § 141 b AFG offenbar ist, daß weiteres Zuwarten zwecklos geworden ist. Ist durch das Konkursgericht die Eröffnung des Konkurses abgelehnt worden, so können die Arbeitnehmer grundsätzlich nicht mehr erwarten, für einen weiterhin dem Arbeitgeber gestundeten Lohn durch die Bundesanstalt Ersatz zu erhalten. Wollte man aber entgegen dem Wortlaut der §§ 141 a und 141 b AFG annehmen, daß die verschiedenen Alternativen des § 141 b AFG zueinander in einem Rangverhältnis stehen, so würde der Zeitpunkt ungewiß, bis zu dem die Arbeitnehmer versicherungsrechtlich geschützt vorleisten dürfen. Es würde zudem die Möglichkeit eröffnet, daß der zahlungsunfähige Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zum Schaden der Versicherung zu einem längeren Zuwarten veranlassen könnte, als es nach dem Gesetzeszweck erlaubt sein soll. Wäre z.B. schon der Konkurs mangels Masse abgelehnt (etwa nach Antrag eines Gläubigers), und schuldete der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern erst zwei Monatsgehälter, so könnte er sie noch zu weiterem Bleiben veranlassen mit dem Versprechen, er werde schlimmstenfalls noch genügend Masse zusammenbringen, um einen auf seinen Antrag eröffneten Konkurs zu ermöglichen.
46Der Gesetzgeber hat diesen Widerstreit der Interessen bereits gesehen und ihn in der Weise lösen wollen, daß nach dem erstmaligen offenbaren Hervortreten der Zahlungsunfähigkeit durch einen der Tatbestände des § 141 b AFG eine Sicherung durch das KauG nicht mehr erfolgen soll. So hat schon die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf darauf hingewiesen, daß es dem zahlungsunfähigen Arbeitgeber nicht ermöglicht werden solle, mit den Arbeitnehmern "weitgehende Stundungsvereinbarungen zu treffen und damit seinen Kreditrahmen zu Lasten der Konkursversicherung zu erweitern" (BR-Drucks. 9/74 S. 10)."
47Ausgehend von diesen Ausführungen besteht kein Zweifel, dass bei fortbestehender Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners ein Insolvenzereignis in Bezug auf das nach § 35 Abs. 2 InsO freigegebene Vermögen Ansprüche nach §§ 183, 208 SGB III a.F. nicht begründen kann. Insoweit kommt es nicht darauf an, welchen Zweck § 35 Abs. 2 InsO verfolgt. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber bei der Regelung der Insolvenzversicherung im Arbeitsförderungsrecht von Anfang an vor Augen hatte, dass u.a. durch Aufrechterhaltung des Betriebs nach einem Insolvenzereignis weitere Arbeitsentgelt- und Beitragsrückstände entstehen können. Er hat sich dennoch bewusst für eine nur beschränkte Sicherung der Ansprüche der Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger aus der Insolvenzversicherung entschieden. Hat sich die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers einmal realisiert, soll die Insolvenzversicherung das Risiko weiterer Entgelt- und Beitragsrückstände nach Fortsetzung des Betriebs gerade nicht mehr abdecken. Dementsprechend hat das BSG Ansprüche aus der Insolvenzversicherung wegen solcher Entgelt- und Beitragsrückstände verneint, die durch die Fortführung des Betriebs durch den Insolvenzverwalter entstanden sind (vgl. BSG, Urt. v. 17.05.1989 - 10 RAr 10/88 -, juris Rn. 13). Für die Fortführung des Betriebes durch den Insolvenzschuldner selbst gemäß § 35 Abs. 2 InsO kann nichts anderes gelten.
48Entgegen der Auffassung des SG Dortmund (a.a.O., Rn. 17 a.E.) und der Klägerin kommt es nach dem Gesetz und der Rechtsprechung des BSG auch nicht darauf an, ob sich das zweite Insolvenzverfahren, wie im Falle einer "Freigabe" nach § 35 Abs. 2 InsO, auf eine andere Haftungsmasse bezieht. Entscheidend ist allein der Leistungsfall der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Das BSG hat für einen Anspruch auf Insolvenzgeld aufgrund eines weiteren Insolvenzereignisses stets auch dann eine zwischenzeitliche Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit verlangt, wenn das Insolvenzverfahren zunächst aufgehoben und nach einiger Zeit ein weiterer Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden ist (vgl. auch hierzu zuletzt BSG, Urt. v. 06.12.2012 - B 11 AL 10/11 R -, juris Rn. 16 f. m.w.N.). Auch in diesen Fällen betreffen die Insolvenzverfahren notwendigerweise unterschiedliche Vermögensmassen und ggf. auch unterschiedliche Gläubiger. Nach § 259 Abs. 1 Satz 2 InsO erlangt der Schuldner mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens das Recht zurück, über die (gesamte) Insolvenzmasse frei zu verfügen. Er kann also beispielsweise sein Unternehmen fortführen und neue Verbindlichkeiten eingehen. An dem anschließend beantragten (zweiten) Insolvenzverfahren sind gerade auch die Neugläubiger beteiligt, die infolge der Fortführung der Geschäftstätigkeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens Ansprüche gegen den Schuldner erworben haben. Die Insolvenzmasse erstreckt sich auch auf das nach Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens hinzuerworbene Schuldnervermögen. Wenn es in diesen Fällen nach der ständigen Rechtsprechung des BSG für einen Anspruch auf Insolvenzgeld aufgrund des zweiten Insolvenzverfahrens darauf ankommt, ob der Arbeitgeber zwischenzeitlich, d.h. insbesondere während der Ausübung der Tätigkeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens, seine Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat, kann für den hier vorliegenden Fall eines zweiten Insolvenzverfahrens nach einer Fortführung der Tätigkeit des Arbeitgebers aufgrund einer Erklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 InsO nichts anderes gelten. Warum Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger bei der Fortführung des Geschäfts während eines laufenden Insolvenzverfahrens gemäß § 35 Abs. 2 InsO besser gestellt werden sollen als bei Fortführung des Geschäfts nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 259 Abs. 1 InsO erschließt sich nicht.
49Nichts anderes folgt aus dem Wortlaut des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F., aus dem unzweifelhaft hervor geht, dass sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerade auf das Vermögen des Arbeitgebers und damit auf sein geschäftliches Vermögen erstrecken muss. Dies ist bei der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer natürlichen Person stets der Fall und wird gerade auch von § 35 Abs. 2 InsO vorausgesetzt. Die Erklärung des Insolvenzverwalters, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können, gemäß § 35 Abs. 2 InsO wirkt ex nunc und ermöglicht das Entstehen einer neuen Haftungsmasse durch solche Einkünfte, die der Schuldner nach der Erklärung des Insolvenzverwalters erzielt, zugunsten derjenigen Neugläubiger, deren Forderungen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen (dazu BGH, Beschl. v. 09.06.2011 - IX ZB 175/10 -, juris Rn. 7; Urt. v. 09.02.2012 - IX ZR 75/11 -, juris Rn. 14 ff.). An der erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das zu diesem Zeitpunkt vorhandene, private und geschäftliche Vermögen des Schuldners ändert sich durch § 35 Abs. 2 InsO nichts. Im Übrigen bleibt nach allgemeiner Ansicht im Rahmen von § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. ein einmal eingetretenes Insolvenzereignis auch bei nachträglicher Änderung der Verhältnisse (z.B. Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses) für die Gewährung von Insolvenzgeld maßgeblich (vgl. Schmidt, in: GK-SGB III, 5. Aufl. 2013, § 165 Rn. 32 m.w.N.).
50Auch der Schutz gutgläubiger Arbeitnehmer gebietet keine andere Auslegung (a.A. SG Dortmund, a.a.O., Rn. 20). Das Gesetz regelt nämlich den Schutz von Arbeitnehmern, die trotz eines eingetretenen Insolvenzereignisses, z.B. im Rahmen der Fortführung des Betriebes nach § 35 Abs. 2 InsO, weiterarbeiten, abschließend in § 183 Abs. 2 SGB III a.F. bzw. § 165 Abs. 3 SGB III n.F. (dazu sogleich).
51b) Der streitgegenständliche Zeitraum vom 01.10.2010 bis zum 31.12.2010 ist auch nicht gemäß § 183 Abs. 2 SGB III a.F. als maßgeblicher Insolvenzgeldzeitraum anzusehen, so dass auch dahinstehen kann, ob § 183 Abs. 2 SGB III a.F. bzw. § 165 Abs. 3 SGB III n.F. im Rahmen von § 208 Abs. 1 SGB III a.F. bzw. § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB III n.F. überhaupt anwendbar ist (bejahend z.B. Kühl, in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 175 Rn. 4; verneinend z.B. E. Schneider, in: jurisPK-SGB III, § 175 Rn. 22). Nach ihren eigenen Einlassungen im Berufungsverfahren, an denen zu zweifeln der Senat keinen Anlass sieht, war der Beigeladenen zu 1) die Eröffnung des Insolvenzverfahren im August 2008 bekannt, als sie ihr Arbeitsverhältnis bei dem Beigeladenen zu 2) fortsetzte. Für eine Verschiebung des Insolvenzgeldzeitraumes nach § 183 Abs. 2 SGB III a.F. ist daher kein Raum.
523. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es ist billig, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie keine Anträge gestellt haben.
534. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).
(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.
(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.
(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt
- 1.
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, - 2.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder - 3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
(2) Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Als Arbeitsentgelt für Zeiten, in denen auch während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht (§ 7 Absatz 1a des Vierten Buches), gilt der Betrag, der auf Grund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmt war. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Teil ihres oder seines Arbeitsentgelts nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und wird dieser Entgeltteil in einem Pensionsfonds, in einer Pensionskasse oder in einer Direktversicherung angelegt, gilt die Entgeltumwandlung für die Berechnung des Insolvenzgeldes als nicht vereinbart, soweit der Arbeitgeber keine Beiträge an den Versorgungsträger abgeführt hat.
(3) Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses.
(4) Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.
(5) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse dem Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unverzüglich bekannt zu geben.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. April 2014 wird zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt Insolvenzgeld (Insg) für die Zeit vom 1.12.2009 bis 28.2.2010.
- 2
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Nachdem die B. GmbH (B GmbH), die ein Sägewerk betrieb, am 15.2.2010 bei dem zuständigen Amtsgericht (AG) Arnsberg einen erneuten Insolvenzantrag gestellt hatte, beantragte der Kläger, ein Arbeitnehmer der B GmbH, am 1.3.2010 bei der Beklagten die Zahlung von Insg wegen dieses später eröffneten Insolvenzverfahrens.
- 3
-
Über das Vermögen der B GmbH war bereits auf den Insolvenzantrag vom 1.2.2005 durch das zuständige AG ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das AG hob das Verfahren nach Bestätigung des Insolvenzplans durch die Gläubiger am 7.4.2006 wieder auf. Der gestaltende Teil des Insolvenzplans sah vor, dass auf die Forderungen der ungesicherten Gläubiger eine Quote von 10 vH gezahlt wird und die Auszahlung auf der Grundlage des vom Insolvenzverwalter erstellten Verteilungsverzeichnisses zu verschiedenen Fälligkeitsterminen bis Ende 2008 erfolgen werde. Daneben war vorgesehen, dass weitere Zahlungen an die Gläubiger erfolgen sollten, falls sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens bessern und dieses in den Jahren 2007 bis 2010 Gewinne erwirtschaften sollte. Von diesen Gewinnen sollten ggf 50 vH an die Gläubiger ausgeschüttet werden. Die Erfüllung des Insolvenzplans überwachte der Insolvenzverwalter P. (P). Der Kläger hatte wegen dieses Insolvenzereignisses für die Zeit vom 1.11.2004 bis 31.1.2005 Insg erhalten.
- 4
-
Vor Aufhebung der Überwachung des Insolvenzplans stellte die B GmbH den Insolvenzantrag vom 15.2.2010. Der Kläger kündigte aufgrund der Lohnrückstände aus den Monaten Dezember 2009 sowie Januar und Februar 2010 sein Arbeitsverhältnis zum 28.2.2010. Das AG eröffnete das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B GmbH (Beschluss vom 22.3.2010). Die Beklagte lehnte den Antrag auf Insg ab und verlangte einen hierauf gezahlten Vorschuss zurück (Bescheid vom 26.4.2010; Widerspruchsbescheid vom 4.6.2010).
- 5
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Das Klageverfahren ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts
Dortmund vom 13.5.2011; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen Die noch andauernde Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter rechtfertige nicht die Annahme, die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sei beendet und ein neues Insolvenzereignis könne eintreten. Dies gelte auch, wenn das erste Insolvenzverfahren nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans aufgehoben, die im Insolvenzplan festgelegte Quote in den folgenden Jahren gezahlt und der Insolvenzplan lediglich hinsichtlich des sog "Besserungsscheins" nicht erfüllt worden sei.vom 10.4.2014).
- 6
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Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), des Sozialstaatsprinzips aus Art 20 Abs 1 Grundgesetz (GG) und der Art 2 Abs 1 und 12a der EG-Richtlinie 2008/94 (RL 2008/94) vom 22.10.2008. Nach der Insolvenzordnung (InsO) bestehe neben der Möglichkeit der Gläubigerbefriedigung durch Liquidation des gesamtschuldnerischen Vermögens auch die Möglichkeit, eine Sanierung nach Maßgabe des mit den Gläubigern abgestimmten Insolvenzplans durchzuführen. Vorliegend sei durch den Beschluss des AG vom 7.4.2006 das erste Insolvenzverfahren aufgehoben worden und damit endgültig beendet gewesen. Ein zweites Insolvenzverfahren könne ab diesem Zeitpunkt eintreten. Die Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter sei lediglich ein nachgelagertes Verfahren. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach das Insolvenzverfahren arbeitsförderungsrechtlich andauere, solange die Planüberwachung angeordnet sei, sei nicht zu folgen. Aus dem Andauern der Planüberwachung könne nicht auf die Fortdauer der Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden. § 183 Abs 1 SGB III sei zudem europarechtskonform so auszulegen, dass ein nachfolgendes Insolvenzereignis ausreiche, um einen weiteren Anspruch auf Insg auszulösen. Auch Art 20 GG gebiete, die Arbeitnehmer zu schützen. Es sei das Ziel dieser Art der Sanierung, die Arbeitsplätze in dem Betrieb zu erhalten. Die Auslegung des § 183 Abs 1 S 1 SGB III durch das LSG habe aber zur Folge, dass gerade das "schwächste Glied in der Kette", nämlich der Arbeitnehmer, mit dessen maßgeblicher Hilfe der Insolvenzplan erfüllt werde, völlig schutzlos bleibe. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber während der Fortführung des Betriebs die Insolvenzumlage zahlen müsse und hier auch gezahlt habe.
- 7
-
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Abänderung der Urteile des LSG und des SG sowie des Bescheids der Beklagten vom 26.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.6.2010 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1.12.2009 bis 28.2.2010 Insolvenzgeld zu zahlen.
- 8
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
- 9
-
Die Entscheidung des LSG sei auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der europarechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden.
Entscheidungsgründe
- 10
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Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz
) .
- 11
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 26.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.6.2010 (§ 95 SGG), der nach Begrenzung des Streitgegenstands in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nur noch angegriffen ist, soweit die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 28.2.2010 Insg zu zahlen. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG insoweit zu Recht zurückgewiesen. Die Anfechtungs- und Leistungsklage kann keinen Erfolg haben, weil der Kläger für den streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf Insg hat.
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Nach § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2742; jetzt § 165 Abs 1 S 1 SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
- 13
-
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar ist durch den Beschluss des AG vom 22.3.2010 (wieder) ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der B GmbH eröffnet worden, sodass ein Insolvenzereignis iS der InsO vorliegt. Ein (neues) arbeitsförderungsrechtliches Insolvenzereignis iS des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III ist damit jedoch nicht eingetreten, weil das frühere Insolvenzereignis - hier die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B GmbH am 1.2.2005 - gegenüber dem Eintreten eines weiteren Insolvenzereignisses eine Sperrwirkung entfaltet. Diese hindert die Entstehung (§ 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch
) eines erneuten Anspruchs auf Insg.
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Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein (neues) Insolvenzereignis nicht eintreten, solange die auf einem früheren Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers noch andauert (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 3). Für die Annahme wiedererlangter Zahlungsfähigkeit genügt es nicht, wenn der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit fortführt und die laufenden Verbindlichkeiten, wie insbesondere die Lohnansprüche, befriedigt. Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist vielmehr so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet deshalb nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelnen Zahlungsverpflichtungen wieder nachkommt (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 3; BSGE 100, 282 f RdNr 11 mwN = SozR 4-4300 § 183 Nr 9 S 39). Wird - wie im vorliegenden Fall durch das LSG - für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass der Schuldner zwar die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebene Quote leisten konnte, aber sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, bleibt es bei der Sperrwirkung des ersten Insolvenzereignisses.
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Soweit der Kläger unter Verweis auf die Ausführungen des Zeugen P die Auffassung vertritt, dass aus dessen Aussage andere Schlüsse zu ziehen seien als sie das LSG gezogen hat, kann dies der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Der Senat ist an die Feststellungen des LSG gebunden, soweit gegen diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben worden sind (§ 163 SGG). Solche Rügen hat der Kläger, der schlicht seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt, nicht erhoben.
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Allein die formale Beendigung des Insolvenzverfahrens bei gleichzeitiger Anordnung der Planüberwachung genügt nicht, um eine Wiederherstellung der allgemeinen Zahlungsfähigkeit des Gemeinschuldners zu begründen. Die Gläubiger verzichten bei dieser Art der Abwicklung eines Insolvenzereignisses auf den Großteil ihrer Forderungen nur, um den im Insolvenzplan vereinbarten (geringen) Teil der Forderung zu erhalten. Ihre Gesamtforderung kann aber insolvenzrechtlich wieder aufleben, wenn die Vereinbarungen des Insolvenzplans nicht erfüllt werden (vgl § 255 InsO; dazu BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 3).
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An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Kritik des Klägers an dem fehlenden Schutz der Arbeitnehmer in einem solchen Fall rechtfertigt - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - keine andere Beurteilung. Der Gesetzgeber verfolgt - wie der Senat schon mehrfach entschieden hat - mit den §§ 183 f SGB III nicht die Ziele der InsO, sondern begründet eine Sicherung bestimmter Lohnforderungen im Falle einer Insolvenz des Arbeitsgebers (vgl BSG, Urteil vom 6.12.2012 - B 11 AL 11/11 R - BSGE 112, 235 = SozR 4-4300 § 183 Nr 14, RdNr 25). Die mit Einführung der Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen begründen - bezogen auf das Insg-Recht - nicht die Annahme, aufgrund der Bestätigung des Insolvenzplans und der Beendigung des Insolvenzverfahrens sei eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung eröffnet (BSGE 90, 157 ff = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). Vielmehr wird für die Dauer der Planüberwachung der Zusammenhang mit dem vorangegangenen Insolvenzverfahren durch die fortbestehenden Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters, der Gläubigerversammlung und durch die Aufsicht des Insolvenzgerichts dokumentiert (vgl BSGE 100, 282 ff RdNr 14 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9).
- 18
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Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Anspruch auf Insg dann neu entstehen kann, wenn zwischen dem ersten und zweiten Insolvenzereignis ein überwachter Insolvenzplan durchgeführt und ordnungsgemäß beendet worden ist (vgl Sächsisches LSG, Urteil vom 9.3.2011 - L 1 AL 241/06 - NZI 2011, 608 f; SG Karlsruhe, Urteil vom 8.5.2012 - S 16 AL 4404/10). Denn in dem hier zu entscheidenden Fall war die Planüberwachung bei Eintritt des weiteren Insolvenzereignisses gerade nicht ordnungsgemäß beendet (vgl zu der Problematik auch Frank/Heinrich, NZS 2011, 689).
- 19
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Die Auslegung und Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III verstößt auch nicht gegen Vorgaben des europäischen Rechts(BSG, Urteil vom 6.12.2012 - B 11 AL 10/11 R - DB 2013, 1916 f). Die Auslegung und Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 SGB III zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein früher eingetretenes Insolvenzereignis beendet ist und ein neues eintreten kann, wird durch das europäische Recht nicht präjudiziert.
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Nach Art 2 Abs 1 der RL 2008/94 gilt ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig, wenn die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaates vorgeschriebenen Gesamtverfahrens beantragt worden ist, das die Insolvenz des Arbeitgebers voraussetzt und den teilweisen oder vollständigen Vermögensbeschlag gegen diesen Arbeitgeber sowie die Bestellung eines Verwalters oder einer Person, die eine ähnliche Funktion ausübt, zur Folge hat, und wenn entweder die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde die Eröffnung des Verfahrens beschlossen oder festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen. Die Richtlinie knüpft also grundsätzlich an ein formelles Insolvenzereignis an und ermöglicht den Mitgliedstaaten nur die Zusammenfassung mehrerer formeller Insolvenzereignisse zu einem Gesamtverfahren, ordnet sie aber nicht an. Eine solche gesetzliche Regelung zur Zusammenfassung mehrerer formeller Insolvenzereignisse existiert im nationalen Recht aber gerade nicht (vgl hierzu BSGE 90, 157, 161 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 7; dazu auch: BR-Drucks 313/11, S 3 f, BT-Drucks 17/6853, S 18). Die europarechtliche Regelung schreibt auch nicht vor, dass und unter welchen Voraussetzungen ein bereits eingetretenes Insolvenzereignis arbeitsförderungsrechtlich abgeschlossen ist, um ein neues Insolvenzereignis annehmen zu können.
- 21
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.