Landessozialgericht NRW Beschluss, 12. Feb. 2014 - L 6 AS 2174/13 B
Gericht
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 14.10.2013 wird als unzulässig verworfen Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Gründe:
2I.
3Die Kläger begehren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ihre am 04.07.2013 beim Sozialgericht Aachen erhobene Klage. Streitig ist im Rahmen einer Überprüfung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Zahlung weiterer 552,00 EUR für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.12.2011 (Bescheid vom 09.04.2013; Widerspruchsbescheid vom 29.05.2013). Den mit Klageerhebung gestellten PKH-Antrag hat das Sozialgericht durch Beschluss vom 14.10.2013 mit der Begründung abgelehnt, die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg. Dem am 19.10.2013 zugestellten Beschluss war eine Rechtsmittelbelehrung mit dem Inhalt beigefügt, dass die Beschwerde binnen Monatsfrist zulässig sei.
4Mit ihrer Beschwerde vom 18.11.2013 beanstanden die Kläger, das Sozialgericht habe zu Unrecht die Erfolgsaussicht der Klage verneint, denn der angefochtene Bescheid sei sowohl formell wie materiell rechtswidrig. Sie meinen, Ihnen stehe ein Betrag von 12 x 46 EUR = 552 EUR zu, die der Beklagte zu Unrecht nicht als Kosten der Unterkunft gezahlt habe.
5Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Leistungsakten des Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen. Sie lagen der Beratung und Entscheidung zugrunde.
6II.
7Die Beschwerde der Kläger ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht statthaft ist. Dies folgt aus § 172 Abs. 3 Nr. 2 lit. b Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Fassung des Art. 7 Nr. 11 lit. b des Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze - BUK-NOG - vom 19.10.2013 (BGBl I 2013, 3836). Danach ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Ohne Zulassung des Rechtsmittels wäre hier eine Berufung unstatthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes unter 750,00 EUR liegt (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG) und keine wiederkehrenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (§ 144 Abs. 1 S. 2 SGG).
8Die erst nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses und während der laufenden Rechtsmittelfrist am 25.10.2013 in Kraft getretene (Neu-)Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 li. b SGG (vgl. Art 17 BUK-NOG) findet Anwendung auch auf die am 18.11.2013 eingelegte Beschwerde der Kläger.
9Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, ein bisher nach Verfahrensrecht statthaftes Rechtsmittel abzuschaffen oder den Zugang zu einem an sich eröffneten Rechtsmittel von neuen einschränkenden Voraussetzungen abhängig zu machen (vgl. BVerfG 07.07.1992 - 2 BvR 1631/90, juris Rn. 36). Ohne eine einschlägige Übergangsregelung ist dann neues Verfahrensrecht aber auch auf begonnene, noch nicht abgeschlossene Verfahren anzuwenden. Dieser Verfahrensgrundsatz im Range einer gewohnheitsrechtlichen Regel gilt dann nicht, soweit es sich um Prozesshandlungen unter Geltung des bisherigen Rechts und abschließend entstandene Prozesslagen handelt, in die aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtsmittelsicherheit nicht nachträglich verändernd eingegriffen werden darf, oder soweit sich aus dem Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift oder aus dem Zusammenhang mit anderen Grundsätzen des Prozessrechts etwas Abweichendes ergibt (BVerwG Beschluss vom 31.08.2011 - 6 B 35/11 m.w.N.; BVerfG Beschluss vom 07.07.1992 - 2 BvR 1631/90, juris Rn. 36; BSG Urteil vom 19.03.1998 - B 7a AL 44/97 R -).
10Da die Kläger vor Inkrafttreten der Neuregelung nicht das nach altem Recht noch zulässige Rechtsmittel eingelegt hatten, hatten sie noch keine in diesem Sinne schutzwürdige Verfahrens-/Rechtsposition erlangt (vgl. etwa LSG Hamburg Beschluss vom 31.03 2009 - L 5 B 187/08 PKH AL - juris, mwN). Die Änderung des § 172 SGG bietet auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Einschränkung der Beschwerdemöglichkeiten nur mit einer zeitlichen Verzögerung eintreten solle. Im Gegenteil: Für die zeitlich unmittelbare Geltung des neuen Prozessrechts spricht der sog. Konvergenzgedanke. Der Gesetzgeber war der Auffassung, dass das Beschwerderecht gegen die PKH-Ablehnung nicht weiter gehen müsse als die Berufungsmöglichkeit in der Hauptsache selbst. Die Beschwerdemöglichkeiten sind in diesem Sinne der Zulassungsberufung nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 144 Abs. 1 SGG in der seit dem 01.04.2008 anzuwendenden Fassung des SGGArbGGÄndG angeglichen worden (BT-Drucks. 17/12297 vom 06.02.2013, S. 40). Dann ist aber auch das Fehlen einer Übergangsregelung ersichtlich Programm, denn nur so konnte die beabsichtigte entlastende Wirkung der zweiten Instanz möglichst zeitnah wirksam werden (vgl. auch dazu Bienert, info also 2013 , 14 f.).
11Die Zulässigkeit lässt sich nicht aus der Rechtsmittelbelehrung in dem am 19.10.2013 zugestellten Beschlusses ableiten. Sie gab lediglich Auskunft über die im Zeitpunkt der Entscheidung, nicht über die bei Einlegung des Rechtsmittels maßgebliche Rechtslage.
12Der Senat sieht sich mit seiner Entscheidung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung auch des BSG. Soweit dieses im Zusammenhang mit der Anhebung der sog Berufungssumme zum 01.04.2008 von 600 EUR auf 750 EUR in § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG für die Anwendbarkeit neuen Verfahrensrechts nicht den Zeitpunkt des Rechtsmittels, sondern den der Entscheidung für maßgeblich erklärt hat, hat es entscheidend darauf abgestellt, dass dem erstinstanzlichen Gericht ansonsten verwehrt worden wäre, über die Zulassung der Berufung zu entscheiden (s. BSG Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 17/09 R). Anders als die Berufung sieht das Gesetz bei der Beschwerde weder die Zulassungsbeschränkung noch die Möglichkeit einer späteren Zulassung vor.
13Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
14Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
- 1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder - 2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.
(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen
- 1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte, - 2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn - a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, - b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder - c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
- 3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193, - 4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.
(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
- 1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder - 2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.