Landessozialgericht NRW Urteil, 24. Okt. 2014 - L 4 U 398/14

ECLI:ECLI:DE:LSGNRW:2014:1024.L4U398.14.00
bei uns veröffentlicht am24.10.2014

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 11.06.2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.


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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 2 Versicherung kraft Gesetzes


(1) Kraft Gesetzes sind versichert 1. Beschäftigte,2. Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,3. Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnliche

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 6 Freiwillige Versicherung


(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern 1. Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfisch

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 95


Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 3 Versicherung kraft Satzung


(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf1.Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,2.Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 9 Berufskrankheit


(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit

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Tenor 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 1. November 2007 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird n

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Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. September 2011 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 12. Sept. 2012 - B 3 KR 10/12 R

bei uns veröffentlicht am 12.09.2012

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an ein
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Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 03.04.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Der Klägerin werden Verschuldensko

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Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. September 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr 2109 der Anlage (seit 1.7.2009 Anlage 1) zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) und die Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

2

Der Kläger arbeitete von März 1960 bis Oktober 2003 als Zimmerer bei der Firma S. Holzbau GmbH in G. Seit 1998 befand er sich wegen schmerzhafter Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule in ambulanter orthopädischer Behandlung. Der Rentenversicherungsträger bescheinigte ihm im April 2003 eine chronisch-degenerative Hals- und Lendenwirbelsäulenerkrankung.

3

Im Mai 2004 zeigte der Kläger der Beklagten an, dass er seit Jahren unter erheblichen Einschränkungen des Bewegungsapparates leide, und beantragte, seine Erkrankung als BK anzuerkennen. Mit Bescheid vom 2.2.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aufgrund einer BK nach Nr 2108 der Anlage zur BKV (BK 2108) sowie nach Nr 2109 der Anlage zur BKV (BK 2109) ab, weil die Voraussetzungen dieser BKen nicht gegeben seien. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 27.4.2005).

4

Mit der zum SG Gießen erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Das SG hat den Rechtsstreit wegen Feststellung einer BK 2109 von dem Verfahren wegen Feststellung einer BK 2108 abgetrennt und das Verfahren betreffend die BK 2108 zum Ruhen gebracht. Nach arbeitstechnischen und medizinischen Ermittlungen hat das SG mit Urteil vom 6.7.2007 die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, bei dem Kläger eine BK 2109 anzuerkennen und ihm wegen der Folgen der BK Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vH zu zahlen. Der Kläger sei im Rahmen der versicherten Beschäftigung als Zimmerer schädigenden Einwirkungen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) ausgesetzt gewesen. Die Betätigung als Zimmerer habe in besonderer Weise auf die HWS eingewirkt. Der Kläger leide unter Bandscheibenschäden im Bereich der HWS. Diese seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch das Tragen schwerer Lasten auf der Schulter in einer Vielzahl von Arbeitsschichten verursacht worden. Die dadurch verursachte MdE betrage 20 vH. Die Beklagte habe dem Kläger eine entsprechende Rente zu zahlen.

5

Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung zum Hessischen LSG eingelegt. Das LSG hat nach Durchführung weiterer Ermittlungen das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2109 seien nicht erfüllt. Zur Begründung seines Urteils vom 20.9.2011 hat es ausgeführt, während seiner Tätigkeit als Zimmerer sei der Kläger nicht den erforderlichen beruflichen Einwirkungen ausgesetzt gewesen, die zur Anerkennung einer BK 2109 führen könnten. Der BK-Tatbestand erfordere anhand der Materialien und des vom BMAS herausgegebenen Merkblatts zur ärztlichen Begutachtung der BK eine berufliche Exposition im Rahmen einer mindestens zehnjährigen Tätigkeit mit dem Tragen von Lastgewichten von 50 kg und mehr auf der Schulter. Die Lasten müssten in einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten getragen worden sein. Diese Voraussetzung sei nur gegeben, wenn pro Arbeitsschicht mindestens eine Stunde lang Lasten von 50 kg und mehr auf der Schulter getragen worden seien. Das Tragen der Lasten müsse zugleich mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Zwangshaltung des Kopfes einhergehen. Diese Voraussetzungen beruhten auf den bei Aufnahme der BK 2109 in die BKV vorliegenden epidemiologischen Studien, nach denen neben der Schwere der Last auch eine nach vorne und seitwärts erzwungene Kopfbeugehaltung erforderlich sei. Da eine Zwangshaltung im Rahmen der Tätigkeit des Klägers nur für wenige Bewegungsabläufe beim Aufnehmen, Ablegen und Weiterreichen von Lasten auf der Schulter und mit einem ganz untergeordneten Anteil der Arbeitszeit bestanden habe, liege eine BK 2109 nicht vor.

6

Der Kläger hat die vom BSG zugelassene Revision eingelegt und vorgetragen, das Urteil des LSG beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung und Anwendung des § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 2109 der Anlage 1 zur BKV. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2109 verneint. Insoweit habe es angenommen, für das Tragen von Lasten auf der Schulter sei eine gleichzeitig nach vorn und seitwärts erzwungene Kopfhaltung (Zwangshaltung) erforderlich. Diese Anforderung lasse sich dem Wortlaut des BK-Tatbestands nicht entnehmen. Auch soweit das LSG annehme, dass ein HWS-belastend tätiger Versicherter mindestens eine Stunde (netto) pro Arbeitsschicht Lasten von 50 kg und mehr auf der Schulter getragen haben müsse, lasse sich diese Anforderung weder dem Wortlaut des BK-Tatbestands noch dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK 2109 entnehmen.

7

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. September 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. Juli 2007 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Der Kläger hat keine Ansprüche auf Feststellung einer BK 2109, weil er nicht, wie dort vorausgesetzt, regelmäßig schwere Lasten unter Zwangshaltung des Kopfes getragen hat (1.). Deshalb steht ihm auch kein Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente nach § 56 SGB VII zu (2.). Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch (3.).

11

1. Ein Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr 2109 der Anlage 1 zur BKV besteht nicht.

12

a) Nach § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 16 mwN; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14, RdNr 9 mwN; zuletzt BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3).

13

In der Anlage 1 zur BKV ist durch die 2. ÄndVO vom 18.12.1992 (BGBl I 2343) unter Nr 2109 folgende BK eingefügt worden und dort aktuell noch wie folgt bezeichnet: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."

14

Wie das LSG zutreffend aufgezeigt hat, definiert der Tatbestand der BK 2109 die Tatbestandsmerkmale der erforderlichen beruflichen Einwirkungen nicht anhand exakter numerischer Einwirkungsgrößen. Er verwendet stattdessen unbestimmte Rechtsbegriffe wie "langjährig" oder "schwer" (vgl zu dem insoweit vergleichbaren Problem bei BK 2108 schon: BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/08 R - UV-Recht Aktuell 2009, 287). Der Senat hat allerdings klargestellt, dass der Umstand, dass Rechtsbegriffe in einer BK-Definition auslegungsbedürftig und -fähig sind, nicht das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot verletzt (so schon zur BK 2108: BSG vom 23.3.1999 - B 2 U 12/98 R - BSGE 84, 30 = SozR 3-2200 § 551 Nr 12; BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/08 R - UV-Recht Aktuell 2009, 287). Vielmehr ist es Aufgabe der Versicherungsträger und Gerichte unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (vgl zu den Motiven bei der Aufnahme der BK 2109 in die BKV die amtliche Begründung: BR-Drucks 773/92, S 9) sowie anhand der Vorgaben des vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen Merkblatts für die ärztliche Untersuchung zur BK 2109 (BArbBl 3/1993, S 53 - im Folgenden: Merkblatt BK 2109), die für diese BK vorausgesetzten beruflichen Einwirkungen näher zu konkretisieren. Solchen Merkblättern kommt zwar keine rechtliche Verbindlichkeit zu (BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 6/04 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 5), sie sind allerdings als Interpretationshilfe und zur Wiedergabe des bei seiner Herausgabe aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands heranzuziehen (BSG vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - BSGE 93, 149, 154 = SozR 4-5670 Anl 1 Nr 2402 Nr 1 mwN).

15

b) Die unbestimmten Rechtsbegriffe des BK-Tatbestands der BK 2109 sind so zu verstehen, dass eine versicherte Person zur Erfüllung der Voraussetzungen des Tatbestands der BK 2109 den nachfolgend aufgezeigten beruflichen Einwirkungen ausgesetzt gewesen sein muss (vgl zu dem insoweit vergleichbaren Problem bei BK 2108 auch BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/08 R - UV-Recht Aktuell 2009, 287). Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist der Tatbestand der BK 2109 nicht erfüllt (zur Bestimmung des Ausmaßes der beruflichen Einwirkungen bei der BK 2108 vgl auch BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 16 f):

        

1.    

Das Tragen von schweren Lasten auf der Schulter setzt Lastgewichte von 50 kg und mehr voraus (Merkblatt BK 2109, Abschnitt IV Abs 2; Bayerisches LSG vom 13.11.2007 - L 3 U 287/06; Sächsisches LSG vom 30.9.2009 - L 6 U 32/09; LSG Berlin-Brandenburg vom 18.4.2013 - L 3 U 209/10; Mehrtens/Brandenburg, BKV, Stand II/2001, M 2109 Anm 2; Schur/Koch in Lauterbach, UV, Stand 01/2006, § 9 SGB VII Anh IV, 2109 erg Erl Anm 5.b> mwN; aA "40 kg genügen" Becker in Becker et. al., Gesetzliche Unfallversicherung - Kommentar, § 9 - 288 zu BK Nr 2109 Anm 1).

        

2.    

Die Lasten müssen langjährig getragen worden sein. Langjährig bedeutet, dass zehn Berufsjahre als die im Durchschnitt untere Grenze der belastenden Tätigkeit zu fordern ist (so wörtlich das Merkblatt 2109, Abschnitt IV Abs 3). Danach muss die belastende Tätigkeit über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren ausgeübt worden sein (zum Merkmal langjährig auch: Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Anh zu K § 9 Anl zu BKV BK-Nr 2108 - 2110 RdNr 7 mwN; aA "mindestens 10 Jahre" Ricke in Kasseler Kommentar, Stand 10/2011, § 9 SGB VII RdNr 42). Insoweit umschreibt das Merkmal "langjährig" in der Norm nur eine aus Erfahrungswissen gewonnene Dauer der Belastung, die mit "etwa zehn Jahren" angenommen wird (Mehrtens/Brandenburg, BKV, Stand II/2001, M 2109 Anm 2 iVm M 2108 Anm 2.2.2; "in der Regel 10 Jahre" LSG Bremen vom 13.2.1997 - L 2 U 67/96 - HVBG-Info 1997, 1683). Es handelt sich nicht um eine starre Untergrenze. Geringe Unterschreitungen dieses Wertes schließen die Anwendung des BK-Tatbestands daher nicht von vornherein aus; dies gilt besonders in den Fällen, in denen Versicherte Lasten mit noch höherem Gewicht bewegt haben (ähnlich zur BK 2108 schon BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23, 27 f = SozR 4-2700 § 9 Nr 1; BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 22/03 R - Juris RdNr 25; Schur/Koch in Lauterbach, UV, Stand 01/2006, § 9 Anh IV, 2108 erg Erl Anm 6.a> mwN). Wird allerdings eine Belastungsdauer von acht Jahren nicht erreicht, ist die BK 2109 ausgeschlossen (keine konkrete Untergrenze nannte der Senat bisher zur BK 2108, ließ aber sieben Jahre und neun Monate als möglicherweise ausreichende Belastung genügen: BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 22/03 R - Juris RdNr 25; Becker, SGb 2001, 488, 492, der sieben Jahre als Untergrenze vorschlägt). Bei Belastungen mit einer Dauer von weniger als zehn Jahren ist aber die haftungsbegründende Kausalität sorgfältig zu prüfen.

        

3.    

Erforderlich ist eine Regelmäßigkeit des Tragens schwerer Lasten auf der Schulter, wobei das Tragen schwerer Lasten in der ganz überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten ausreicht, ohne dass eine genaue Zeitgrenze pro Arbeitsschicht genannt werden kann (vgl unter 1.d>). Wie bei der Belastungsdauer (Kriterium 2.) können geringere oder fehlende Einwirkungen in einer Arbeitsschicht durch stärkere oder länger dauernde Belastungen in anderen Schichten ausgeglichen werden. Insoweit lässt sich dem BK-Tatbestand, der Begründung des Verordnungsgebers und dem Merkblatt nur das Erfordernis eines regelmäßigen Tragens nicht aber eines arbeitstäglichen Tragens von schweren Lasten auf der Schulter entnehmen (zum Verzicht auf eine Mindesttagesdosis bei BK 2108 auch BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5; Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 08/2012, Anh zu K § 9 Anl zu BKV BK-Nr 2108 - 2110 RdNr 11a).

        

4.    

Das Tragen schwerer Lasten muss mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Zwangshaltung einhergehen (vgl dazu unten 1.c>).

        

5.    

Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein, wie sich dem BK-Tatbestand unmittelbar entnehmen lässt.

16

c) Die soeben unter 1.b) als Nummer 4. bezeichnete Anforderung ergibt sich aus dem Willen des Verordnungsgebers, nur solche Gruppen von Versicherten in den BK-Tatbestand einbeziehen zu wollen, bei denen die außergewöhnliche Belastung der Wirbelsäule durch Heben und Tragen von Lasten mit einer nach vorn und seitwärts erzwungenen Kopfbeugehaltung und gleichzeitiger maximaler Anspannung der Nackenmuskulatur zu einer Hyperlordosierung und auch zu einer Verdrehung der HWS führte (vgl BR-Drucks 773/92, S 8 f). Dies wurde bei Schaffung des BK-Tatbestands zB für die Berufsgruppe der Fleischträger sowie für Träger von Säcken mit entsprechendem Gewicht angenommen. Diese Voraussetzung einer Zwangshaltung erschließt sich auch aus dem Merkblatt BK 2109 (BArbBl 3/1993, S 53), das in Abschnitt I als berufliche Gefahrenquelle "fortgesetztes Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, einhergehend mit einer statischen Belastung der cervikalen Bewegungssegmente und außergewöhnlicher Zwangshaltung der HWS" bezeichnet. An anderer Stelle (Abschnitt IV) ist ausgeführt, für den begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der BK sei neben dem Ausschluss anderer Krankheitsursachen der Nachweis einer langjährigen, außergewöhnlich intensiven mechanischen Belastung der HWS erforderlich.

17

Es entspricht auch der herrschenden Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung, dass die BK 2109 wegen der Einwirkung des Gewichts in Achsrichtung auf die Wirbelsäule einerseits höhere Lastgewichte erfordert als die BK 2108, andererseits das bloße Tragen schwerer Lasten noch nicht zu den hier zu erfassenden Veränderungen der HWS führt. Vielmehr muss das Tragen schwerer Lasten mit einer Zwangshaltung der HWS einhergehen (vgl LSG Berlin-Brandenburg vom 19.1.2012 - L 2 U 134/11; Sächsisches LSG 30.9.2009 - L 6 U 32/09 - Juris RdNr 22; Hessisches LSG vom 12.2.2008 - L 3 U 20/05; LSG Baden-Württemberg vom 22.5.2003 - L 10 U 4524/01; LSG Nordrhein-Westfalen vom 21.1.1997 - L 2 U 231/95 - NZS 1997, 578; aus der Literatur: Zeitschrift für die gesamte Hygiene und ihre Grenzgebiete, 17, 1971, 841; Mehrtens/Brandenburg, BKV, Stand II/2001, M 2109 Anm 2; Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 08/2012, Anh zu K § 9 Anl zu BKV BK-Nr 2108 - 2110 RdNr 13; Schönberger et. al., Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, 495; Schur/Koch in Lauterbach, UV, Stand 01/2006, § 9 SGB VII Anh IV, 2109 erg Erl Anm 5.b>; Becker in Becker et. al., Gesetzliche Unfallversicherung - Kommentar, § 9 - 288 zu BK Nr 2109 Anm 1; HVBG , BK-Report 2/03, Wirbelsäulenerkrankungen, 32 f).

18

d) Der vom LSG entwickelten Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Tatbestands der BK 2109 ist nur insoweit nicht zu folgen, als das Merkmal einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit des Tragens (Kriterium 3 oben unter 1.b > ) schwerer Lasten nur erfüllt werden könne, wenn der Versicherte täglich pro Arbeitsschicht mindestens eine Stunde lang schwere Lasten im Sinne der BK 2109 in Zwangshaltung auf der Schulter getragen habe. Eine solche Mindestbelastungszeit pro Arbeitsschicht lässt sich weder den Materialien noch dem Merkblatt zur BK 2109 noch sonstigen Hinweisen zur Auslegung des Tatbestands der BK 2109 entnehmen.

19

Der Senat verkennt dabei nicht, dass in der Literatur abweichend von der hier vertretenen Auffassung ein einschlägig belastender Anteil des Tragens schwerer Lasten von bis zu 30 vH der Arbeitszeit einer Schicht gefordert wird (vgl Grosser/Seide, Berufsbedingte Erkrankungen der Wirbelsäule in Trauma und Berufskrankheit, 2001, 143; Sächsisches LSG vom 30.9.2009 - L 6 U 32/09 - Juris RdNr 23). Andere Autoren wollen eine geringere Tragezeit pro Arbeitsschicht genügen lassen (Schäfer et. al., Zbl Arbeitsmed 2008, 82; auf die Anzahl von Hüben je Arbeitsschicht stellt ab: Mehrtens/Brandenburg, BKV, Stand II/2001, M 2109 Anm 2). Da aber in den Materialien und dem Merkblatt für die Bestimmung einer konkreten Einwirkungszeit pro Arbeitsschicht keinerlei Anhaltspunkte enthalten sind, ist die Anforderung einer täglichen Mindestarbeitszeit mit dem Tragen schwerer Lasten auf der Schulter nicht begründbar (so auch Schur/Koch in Lauterbach, UV, Stand 01/2006, § 9 SGB VII Anh IV, 2109 erg Erl Anm 5.b>).

20

Erforderlich ist aber eine Regelmäßigkeit des Tragens schwerer Lasten auf der Schulter mit Zwangshaltung, wobei die Einwirkung in der ganz überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten stattfinden muss, auch wenn eine genaue Zeitgrenze pro Arbeitsschicht nicht hergeleitet werden kann.

21

e) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass beim Kläger die Anforderungen an die berufliche Exposition iS der BK 2109 nicht erfüllt sind, weil es an der Voraussetzung des regelmäßigen Tragens schwerer Lasten in Zwangshaltung fehlt (Kriterien Nr 3 und 4 oben unter 1.b>).

22

Der Kläger hat zwar nach den verstreuten, aber noch hinreichend klaren und nachvollziehbaren Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) in einer den Voraussetzungen der BK 2109 entsprechenden Dauer und Häufigkeit schwere Lasten (über 50 kg) auf der Schulter bewegt (vgl insoweit die Kriterien Nr 1 - 3 oben unter 1.b>).

23

Das Tragen der Lasten ging aber nicht regelmäßig, sondern nur in ganz geringem zeitlichen Umfang mit einer außergewöhnlichen Belastung der HWS im Sinne einer Zwangshaltung des Kopfes einher. Das LSG hat insoweit, da Verfahrensrügen insoweit nicht erhoben worden sind, für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass der Kläger nur mit einem sehr untergeordneten Anteil der Arbeitszeit als Zimmerer beim Tragen der schweren Lasten eine Zwangshaltung der HWS einnehmen musste. Dies war aber nicht regelmäßig, sondern allenfalls dann der Fall, wenn der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit Lasten (insbesondere Balken) aufnehmen, ablegen oder weiterreichen musste. An anderer Stelle des Urteils ist festgestellt, dass die Zwangshaltung des Kopfes beim Kläger in Bezug auf die ausgeübte Tätigkeit des Zimmerers "äußerst kurzzeitig" war und keineswegs das Tätigkeitsbild prägte. Ausgehend von diesen Feststellungen (§ 163 SGG) war der Kläger den nach BK 2109 erforderlichen beruflichen Einwirkungen im Sinne eines regelmäßigen Tragens schwerer Lasten bei bestehender Zwangshaltung der HWS nicht in hinreichendem Maße ausgesetzt.

24

Das LSG hat es deshalb im Ergebnis zu Recht abgelehnt, beim Kläger das Vorliegen einer BK 2109 anzuerkennen.

25

2. Da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung einer BK 2109 hat, kann die Beklagte auch nicht verurteilt werden, ihm wegen des Versicherungsfalls "BK 2109" Verletztenrente (§ 56 SGB VII) zu zahlen. Aufgrund der Trennung der Rechtsstreite hat der Senat im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nur zu entscheiden, ob infolge des Versicherungsfalls der BK 2109 ein Anspruch auf Rente besteht.

26

3. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch. Der Senat hat oben (unter 1.d>) im Einzelnen begründet, dass dem Tatbestand der BK 2109 nicht entnommen werden kann, dass der Versicherte täglich pro Arbeitsschicht mindestens eine Stunde lang schwere Lasten getragen haben muss. Da die vom LSG angesetzte Stundengrenze pro Arbeitsschicht mithin nicht maßgeblich ist, kommt es auf die gegen die Feststellungen des LSG zu diesem Punkt erhobene Verfahrensrüge nicht mehr an.

27

Soweit der Kläger daneben eine Sachaufklärungsrüge wegen der Verneinung der medizinischen Voraussetzungen der BK 2109 erhoben hat, ist auch diese Rüge unbeachtlich, weil seine Ansprüche nicht erst an den medizinischen Voraussetzungen scheitern. Lediglich beiläufig ist darauf hinzuweisen, dass Maßstab für die objektive Kausalitätsbeurteilung der neueste anerkannte Stand des Erfahrungswissens ist (vgl hierzu zuletzt auch BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 - RdNr 23 f "in der Regel 100 Feinstaubjahre"). Die medizinische Aussage des LSG, dass für eine Anerkennung der BK 2109 oberhalb der Wirbelsegmente C 5/C 6 bis zu C 2/C 3 degenerative Veränderungen zu fordern sind, könnte sich allerdings auf Abschnitt II des Merkblatts BK 2109 stützen. Dort wird ausgeführt, die vor der Aufnahme der BK 2109 in die BKV erstellten epidemiologischen Studien hätten gezeigt, dass bei bestimmten Personengruppen wie zB Fleischträgern insbesondere oberhalb von C 5/C 6 bis zu C 2/C 3 degenerative Veränderungen beobachtet wurden, die bei der Allgemeinbevölkerung weniger häufig anzutreffen waren (vgl auch LSG Nordrhein-Westfalen vom 25.4.2006 - L 2 KN 32/03 U). Hierzu wurde weder geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich, dass dieses dem Merkblatt zugrunde liegende Erfahrungswissen inzwischen überholt sein könnte.

28

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg für allgemeine Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 655 200 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist eine vom beklagten Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) beschlossene Mindestmenge für die Versorgung mit Kniegelenk-Totalendoprothesen (im Folgenden: Kniegelenk-TEP).

2

1. Dem GBA ist zum 1.1.2004 im Zuge der Neufassung seiner Kompetenzen ua die bis dahin von den Verbänden der Krankenkassen und Krankenhäuser wahrgenommene Aufgabe übertragen worden, die Qualitätssicherung in der stationären Versorgung näher auszugestalten (vgl zuvor § 137 S 4, § 112 Abs 1 SGB V idF des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20.12.1988, BGBl I 2477, und sodann § 137 Abs 1 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 54 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000, BGBl I 1999, 2626, nachfolgend: GKVRefG2000). Seither ist er beauftragt, unter Beteiligung der betroffenen Verbände in Beschlüssen und Richtlinien Maßnahmen der Qualitätssicherung in der stationären Versorgung festzulegen (§ 137 Abs 1 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 104 Buchst a DBuchst aa GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190; sinngemäß ebenso seit der Umgestaltung von § 137 Abs 1 S 1 SGB V durch Art 1 Nr 110 des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378).

3

2. Eine Maßnahme zur Qualitätssicherung in der stationären Versorgung in diesem Sinne ist seit dem 30.4.2002 auch die Steuerung über sog Mindestmengen. Begründet durch das Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (FPG) vom 23.4.2002 (BGBl I 1412) sollen danach Beschlüsse gefasst werden über einen "Katalog planbarer Leistungen ..., bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände" (anfangs: § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V idF von Art 1 Nr 5 Buchst b DBuchst bb FPG, seit dem 1.7.2008 inhaltsgleich fortgeführt durch § 137 Abs 3 Nr 2 SGB V in der Neufassung von § 137 SGB V durch Art 1 Nr 110 des GKV-WSG; im Folgenden jeweils in dieser Neufassung zitiert). In Ergänzung dazu dürfen nach § 137 Abs 3 S 2 SGB V entsprechende Leistungen nicht erbracht werden, wenn die erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen "voraussichtlich nicht erreicht wird". Ausnahmen kann die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde vorsehen, wenn diese Begrenzung "die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte" (§ 137 Abs 3 S 3 SGB V). Leitend hierfür war die Einschätzung, durch verschiedene Studien werde ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Operationen und der Qualität des Behandlungsergebnisses nachgewiesen. Daher sollten Operationen oder Prozeduren gesucht und bestimmt werden, bei denen ein solcher Zusammenhang in besonderem Maße vorliegt (vgl BT-Drucks 14/6893 S 28 und 31).

4

3. Hierauf gestützt haben zunächst die damals noch zuständigen Verbände der Krankenkassen und Krankenhäuser im Dezember 2003 erste Mindestmengen festgesetzt und eine Verfahrensordnung zu deren Weiterentwicklung beschlossen (Vereinbarung gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V - Mindestmengenvereinbarung - zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen, dem Verband der Privaten Krankenversicherung sowie der Deutschen Krankenhausgesellschaft im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer und dem Deutschen Pflegerat vom 3.12.2003 - im Folgenden: MMV 2003 - nebst Anlage 1 - Katalog der Prozeduren und Leistungen in der OPS-301 Version 2004 - und Anlage 2 - Allgemeine Ausnahmetatbestände gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V). Danach waren Mindestmengen bestimmt für fünf Leistungsbereiche, nämlich für Transplantationen von Leber (jährlich 10), Niere (jährlich 20) und Stammzellen (jährlich 12 ± 2) sowie für komplexe Eingriffe an Speiseröhre (jährlich 5 pro Krankenhaus/pro Arzt) und Bauchspeicheldrüse (jährlich 5 pro Krankenhaus/pro Arzt). Als Ausnahmetatbestand war festgelegt, dass beim Aufbau neuer Leistungsbereiche bzw bei personeller Neuausrichtung bereits bestehender Leistungsbereiche Übergangszeiträume von 36 bzw 24 Monaten eingeräumt werden (Ziffern 4 und 5 der Anlage 2 der MMV 2003).

5

Diesen Katalog von Mindestmengen hat der GBA nach dem Übergang der Zuständigkeit auf ihn weiter fortentwickelt und um den Bereich der Kniegelenk-TEP sowie die Versorgung Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm ergänzt; die zunächst ebenfalls geplante Einbeziehung koronarchirurgischer Eingriffe hat er hingegen zwischenzeitlich aufgegeben. Insoweit hat sich der Gang der Beratungen über die Einführung einer Mindestmenge für kniegelenksersetzende Eingriffe wie folgt vollzogen:

6

a) Eingeleitet worden ist die Beschlussfassung auf Antrag des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen und des Arbeiter-Ersatzkassenverbandes vom 7.5.2004 mit Erhebungen über den Stand der Literatur sowie Auskünfte und Stellungnahmen, die der GBA von dritter Seite eingeholt hat. Ausgangspunkt dafür war eine Literaturrecherche, die von der Geschäftsstelle des GBA selbst vorgenommen worden ist und zu einer näheren Auswertung von 10 Publikationen aus dem anglo-amerikanischen Bereich über Versorgungen aus den 1980er und 1990er Jahren in Kliniken mit Kniegelenk-TEP bei Fallzahlen zwischen 15 und 200 pro Jahr geführt hat. Zeitgleich hat der GBA durch das Deutschen Krankenhausinstitut (DKI) die Verteilung der Häufigkeit von Kniegelenk-TEP in Deutschland und die Auswirkungen von entsprechenden Mindestmengenvorgaben auf die stationären Versorgungsstrukturen unter besonderer Berücksichtigung der regionalen Verteilungswirkungen ermitteln lassen. Ebenfalls in diesem zeitlichen Rahmen hat er schließlich bei der von der DKG, den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Bundesärztekammer unter Einbeziehung des Deutschen Pflegerats getragenen Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS) eine Sonderauswertung der dort erhobenen Daten nach der "Richtlinie über Maßnahmen der Qualitätssicherung in Krankenhäusern" vom 15.8.2006 (QSKH-RL, BAnz Nr 178 S 6361 vom 20.9.2006, zuletzt geändert am 20.10.2011, BAnz Nr 19 S 402 vom 2.2.2012) erbeten. Zusätzliche Stellungnahmen haben abgegeben die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie eV sowie die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie eV. Nach Auswertung aller Unterlagen hat der GBA die Festsetzung eines Schwellenwertes für Kniegelenk-TEP für das Jahr 2005 noch zurückgestellt und sie zunächst nur dem Grunde nach in den Mindestmengenkatalog für die stationäre Versorgung einbezogen (Beschluss vom 21.9.2004, BAnz Nr 238 vom 15.12.2004 S 24210).

7

b) In der weiteren Folge sind die Beratungen fortgesetzt worden mit Erörterungen zur Methodik der Festlegung von Schwellenwerten und insbesondere dem dabei zu beachtenden Evidenzgrad (Sitzungen des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 26.10.2004 und 11.2.2005). Parallel sind Gespräche mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) über dessen Beteiligung an der Schwellenwertbestimmung geführt worden (Beschlüsse des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 18.3. und 14.7.2004, Sitzungen der "AG Mindestmengen" vom 29.11.2004 sowie 24.2. und 27.4.2005, Sitzungen des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 15.4., 23.5. und 5.7.2005, Sitzungen und Beschlüsse des GBA § 91 abs 7 sgb v> vom 21.12.2004 sowie 17.5. und 21.6.2005). Im Hinblick darauf fand ein von den Spitzenverbänden der Krankenkassen gestellter Antrag auf vorläufige Festsetzung eines Schwellenwertes von 50 Operationen pro Jahr und Krankenhaus mit der Option der Korrektur nach Vorlage eines Schlussberichts des IQWiG zunächst keine Zustimmung (Sitzung des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 15.4.2005). Stattdessen ist das IQWiG im Juni 2005 formell beauftragt worden, Rechenmodelle für die Indikation Kniegelenk-TEP zu entwickeln und diese zur Ermittlung von Schwellenwerten anzuwenden.

8

c) Nachdem sich im weiteren Verlauf abzeichnete, dass das IQWiG seine Bewertung mutmaßlich nicht vor November 2005 würde abschließen können, hat der GBA im Hinblick auf die nach seiner Verfahrensordnung jeweils spätestens bis zum 31. August eines jeden Jahres zu treffende Entscheidung über die Einführung von Mindestmengen (§ 3 Abs 2 der MMV 2003) am 16.8.2005 beschlossen, einen konkreten Schwellenwert für den Bereich der Kniegelenk-TEP bereits vor der Vorlage des Schlussberichts des IQWiG festzulegen und den Wert nach dessen Erhalt ggf nochmals zu korrigieren. Demgemäß ist der Schwellenwert für Kniegelenk-TEP ab dem 1.1.2006 auf 50 pro Jahr und Krankenhaus bestimmt worden (Beschluss vom 16.8.2005, Anlage 1 Nr 6 der MMV 2003, BAnz Nr 175 vom 15.9.2005 S 13864).

9

d) Die Ergebnisse seiner Studien legte das IQWiG mit Vorbericht vom 17.10.2005 und Ab-schlussbericht vom 5.12.2005 vor: Es habe für die untersuchten Risiken "Unbeweglichkeit" und "Infektion" ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Fallzahl und dem entsprechenden Risiko statistisch nachgewiesen werden können. Die Auswertung unterstütze die Hypothese, dass es bei Knie-TEP einen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität gebe. Jedoch zeige der Zusammenhang zwischen dem primären Qualitätsindikator "Unbeweglichkeit" und der Fallzahl unerwartet einen U-förmigen Verlauf, der das Konzept einer Mindestmengenregelung für dieses Risiko infrage stelle. Eine geeignete Maßnahme zur Verbesserung der Ergebnisqualität scheine hier eher die Definition eines mittleren Leistungsmengenbereichs zu sein, für den indes weitere Untersuchungen notwendig seien. Die Volume-Outcome-Beziehung für den sekundären Qualitätsindikator "Infektion" habe eine sehr flache, mit steigender Fallzahl sehr langsam fallende Risikokurve gezeigt, die die Hypothese unterstütze, dass High-Volume-Krankenhäuser eine bessere Qualität aufwiesen als Low-Volume-Krankenhäuser. Der Erklärungswert der Fallzahlen sei jedoch zu gering gewesen, um aus dieser Beziehung einen klaren eindeutigen Schwellenwert abzuleiten. Eine Assoziation mit einer deutlichen Qualitätsverbesserung habe sich nur für Mindestmengen in höheren Qualitätsbereichen ergeben, was jedoch in Zusammenhang zu den weiteren Qualitätsindikatoren zu sehen sei. Zusammengefasst sei ein wissenschaftlicher Nachweis, dass eine Mindestmengenregelung für Patienten mit Kniegelenk-TEP eine Verbesserung der Ergebnisqualität bewirke, nur über eine kontrollierte Interventionsstudie zu führen (Abschlussbericht S 44 f).

10

e) Nach Veröffentlichung der Berichte des IQWiG hat der GBA mit Beschluss vom 20.12.2005 eine von der DKG im Hinblick auf den Vorbericht des IQWiG beantragte Aussetzung der Mindestmengenfestsetzung für die Kniegelenk-TEP mehrheitlich abgelehnt. Jedoch wurde ein Verfahren für weitere Ausnahmebestimmungen für das Jahr 2006 beschlossen, das es Kliniken mit sehr guter Versorgungsqualität auch unterhalb der Mindestmengen-Schwelle erlaubte, an der Versorgung mit künstlichen Kniegelenken weiter teilzuhaben (Protokoll der Sitzung des GBA vom 20.12.2005). In Einzelfällen ist davon Gebrauch gemacht worden (vgl etwa Beschluss des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" vom 27.9.2006).

11

f) Im weiteren Verlauf hat der GBA die getroffenen Mindestmengen-Festsetzungen in jährlichen Beschlüssen redaktionell der aktuellen Fassung der jeweils maßgeblichen OPS-Klassifikation angepasst und teilweise auch die Fallzahl geändert; im Bereich der Kniegelenk-TEP blieb der Schwellenwert von 50 Operationen pro Jahr und Krankenhaus allerdings unverändert (Beschluss vom 19.12.2006, BAnz Nr 244 vom 29.12.2006 S 7417; Beschluss vom 22.11.2007, BAnz Nr 9 vom 17.1.2008 S 128; Beschluss vom 18.12.2008, BAnz Nr 198 vom 31.12.2008 S 4809; Beschluss vom 17.12.2009, BAnz Nr 198 vom 31.12.2009 S 4582; Beschluss vom 11.11.2010, BAnz Nr 181 vom 30.11.2010 S 3976). Ergänzend hat er eine Studie zu den Auswirkungen der Mindestmengen-Festsetzungen in den verschiedenen Leistungsbereichen in Auftrag gegeben, die im Dezember 2007 vorgelegt worden ist (Geraedts/Ohmann/Blum/Müller, Abschlussbericht zur Begleitforschung zur Einführung von Mindestmengen gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V für den Zeitraum 1.12.2005 bis 30.11.2007).

12

4. Die Klägerin ist Trägerin eines zur Versorgung von gesetzlich Krankenversicherten zugelassenen Krankenhauses mit medizinischem, psychiatrischem und operativem Zentrum mit insgesamt 816 Betten im Jahr 2010. Im Bereich der Chirurgie betreibt sie neben Einrichtungen für weitere Teilbereiche eine Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie und Orthopädie, in der auch kniegelenksersetzende Operationen ausgeführt werden. Damit erreichte sie nach anfänglich geringeren Fallzahlen in den Jahren 2008, 2009 und 2010 Fallzahlen von 29, 40 bzw 50 Eingriffen pro Jahr; im ersten Halbjahr 2011 setzte sie 15 Kniegelenk-TEP ein; bei 50 Operationen im Jahr 2011 hätte sie daraus eigener Angabe zufolge Erlöse von etwa 364 000 Euro erzielen können. 2010 erzielte sie bei einem Umsatz aus Krankenhausleistungen von 91,7 Millionen Euro und einem Gesamtumsatz von 104,9 Millionen Euro einen Jahresüberschuss von 2,8 Millionen Euro (Jahresabschluss der R. Kliniken GmbH zum 31.12.2010, vgl https://www.unternehmensregister.de/ , recherchiert am 13.8. 2012).

13

Im September 2008 hat die Klägerin Klage beim LSG mit dem Ziel erhoben, die Teilnichtigkeit der Mindestmengen-Regelung im Bereich der Kniegelenk-TEP feststellen zu lassen. Sie werde durch sie in unverhältnismäßiger Weise in ihrer ärztlichen Therapiefreiheit eingeschränkt. Die Regelung sei verfassungswidrig. Auch sei von ihr nicht in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht worden. Der Schwellenwert von 50 Operationen im Jahr sei willkürlich und nicht wissenschaftlich belegt.

14

Das LSG hat entschieden, dass die Mindestmengenvereinbarung idF des Beschlusses vom 16.8.2005, zuletzt geändert durch Beschluss vom 11.11.2010, nichtig sei, soweit für Kniegelenk-TEP eine Mindestmenge von 50 pro Krankenhaus festgelegt werde (Urteil vom 17.8.2011): Als verbindliche untergesetzliche Norm sei der angefochtene Beschluss zur Vermeidung nicht hinnehmbarer Rechtsschutzlücken im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG im Wege der Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG überprüfbar. Auch unter Berücksichtigung der gebotenen Zurückhaltung gegenüber der Normsetzungskompetenz des Beklagten habe sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses bei Kniegelenk-TEP iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig sei. Schon verfahrensrechtlich bestünden erhebliche Bedenken, weil der GBA bei der Einführung der Mindestmengen das Ergebnis der IQWiG-Beauftragung nicht abgewartet habe. Jedenfalls lägen für eine in besonderem Maße gegebene Abhängigkeit von Leistungsmenge und Leistungsqualität keine belastbaren wissenschaftlichen Belege vor. Insbesondere habe der Abschlussbericht des IQWiG lediglich die Hypothese bestätigt, dass ein solcher Zusammenhang bestehe. Ein belastbarer, gerichtlich nachprüfbarer wissenschaftlicher Nachweis sei dem IQWiG-Bericht zufolge aber nur über eine kontrollierte Interventionsstudie zu führen.

15

5. Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Feststellungsklage sei unzulässig, weil die Mindestmengenregelung auf weitere Umsetzungsakte entweder über gesonderte Planungsentscheidungen der Landeskrankenhausplanungsbehörde oder im Rahmen der Pflegesatzvereinbarungen nach § 18 KHG angelegt und Rechtsschutz jeweils in diesem Rahmen zu erlangen sei. Unbegründet seien die Bedenken im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf der Beschlussfassung und die Ausführungen zu dem Verhältnis zwischen GBA und IQWiG. Das LSG habe auch den Begriff der planbaren Leistung iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V fehlerhaft ausgelegt und zudem zu Unrecht wissenschaftlich belastbare Belege für eine besondere Kausalität zwischen Leistungsmenge und Leistungsqualität gefordert. Das nach der gesetzlichen Vorschrift erforderliche besondere Maß zwischen Menge und Qualität sei nicht Voraussetzung für die Festlegung der konkreten Mindestmenge, sondern ausschließlich zur Bestimmung des jeweiligen Leistungsbereichs, für den eine Mindestmenge in Betracht zu ziehen sei. Zumindest aber hätte das LSG nicht die Nichtigkeit der Mindestmengenregelung feststellen dürfen; dafür fehle es an einer Rechtsgrundlage.

16

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. August 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision des GBA ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG); ob die angefochtenen Mindestmengenbeschlüsse rechtmäßig sind, lässt sich anhand der Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen.

19

1. Zuständig zur Entscheidung des Rechtsstreits ist der erkennende 3. Senat des BSG als Spruchkörper für das (allgemeine) Leistungserbringerrecht der GKV, nicht aber der für Vertragsarztangelegenheiten gebildete 6. Senat des BSG (§ 10 Abs 1, § 12 Abs 2 S 1, § 31 Abs 1 S 1, § 40 S 1 SGG). Streitigkeiten über die Befugnis zur Erbringung von Krankenhausleistungen nach dem SGB V sind entgegen der Auffassung des LSG auch dann der (allgemeinen) Krankenversicherung als Teil der Sozialversicherung iS von § 10 Abs 1 SGG und nicht dem Vertragsarztrecht iS von § 10 Abs 2 SGG zuzuordnen, wenn sie unmittelbar eine Entscheidung des GBA zum Gegenstand haben.

20

Schon in der Vergangenheit sind der erkennende 3. sowie der 1. Senat des BSG in Abgrenzung zur damaligen Rechtsauffassung des 6. Senats (vgl BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 19 ff; fortgeführt von BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 15 ff) davon ausgegangen, dass eine vertragsarztrechtliche Streitigkeit jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn - wie hier - eine vertragsärztliche Leistungserbringung gar nicht in Rede steht (BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 9 f; vgl auch Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - SozR 4-2500 § 116b Nr 3 RdNr 10 ff). Dies hat nunmehr der Gesetzgeber mit der zum 1.1.2012 in Kraft getretenen Konkretisierung von § 10 Abs 2 SGG durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze(4. SGB IV-ÄndG) vom 22.12.2011 (BGBl I 3057) ausdrücklich bekräftigt. Dem Vertragsarztrecht explizit zugeordnet sind danach Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des GBA nur, soweit diese die vertragsärztliche Versorgung betreffen (§ 10 Abs 2 S 2 Nr 1 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG), auf solche Entscheidungen und Regelungen bezogene Klagen in Aufsichtsangelegenheiten gegenüber dem GBA (§ 10 Abs 2 S 2 Nr 2 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG) sowie weitere im Einzelnen aufgeführte Streitigkeiten, zu denen die hier maßgebliche Regelungsmaterie ebenfalls nicht zählt (§ 10 Abs 2 S 2 Nr 3 SGG idF des 4. SGB IV-ÄndG).

21

Im Umkehrschluss folgt hieraus, dass alle sonstigen leistungserbringungsrechtlichen Streitigkeiten der GKV weiterhin den iS von § 10 Abs 1 SGG für die (allgemeine) Krankenversicherung als Teil der Sozialversicherung zuständigen Spruchkörpern zuzuordnen sind(zu dem Regel-Ausnahme-Verhältnis vgl BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 5; Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - SozR 4-2500 § 116b Nr 3 RdNr 12). Ebenso ist nach den Materialien auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass bei sektorenübergreifenden oder spezifisch den Krankenhausbereich betreffenden Richtlinien und Beschlüssen des GBA von einer Zuordnung zu den Spruchkörpern für die (allgemeine) Krankenversicherung auszugehen ist. Als solche sind in den Materialien ausdrücklich die hier im Streit stehenden Beschlüsse nach § 137 Abs 3 SGB V aufgeführt(vgl BT-Drucks 17/6764 S 26). Diese Interpretation des Gesetzes haben sich zwischenzeitlich die betroffenen Senate des BSG übereinstimmend zu eigen gemacht (vgl SGb 2012, 495 ff), sodass eine Vorlage an den Großen Senat des BSG zu dieser Frage nicht mehr veranlasst ist (vgl hierzu im Weiteren auch Urteil vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - SozR 4-2500 § 116b Nr 3 RdNr 17).

22

2. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Einbeziehung der Kniegelenktotalendoprothetik in die Mindestmengenregelung des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V ab dem 1.1.2006. Erfasst sind damit alle insoweit maßgeblichen Beschlüsse, nämlich zunächst die Aufnahme der Kniegelenk-TEP in den Katalog planbarer Leistungen dem Grunde nach durch Beschluss vom 21.9.2004 (BAnz Nr 238 vom 15.12.2004 S 24210), sodann die Festlegung der Mindestmenge auf jährlich 50 Operationen pro Krankenhaus mit Beschluss vom 16.8.2005 (BAnz Nr 175 vom 15.9.2005 S 13864) sowie desweiteren die wiederholenden Beschlüsse vom 19.12.2006, 22.11.2007, 18.12.2008, 17.12.2009 und 11.11.2010 (BAnz Nr 244 vom 29.12.2006 S 7417; BAnz Nr 9 vom 17.1.2008 S 128; BAnz Nr 198 vom 31.12.2008 S 4809; BAnz Nr 198 vom 31.12.2009 S 4582; BAnz Nr 181 vom 30.11.2010 S 3976). Zu Recht weist der Beklagte zwar darauf hin, dass der Beschluss vom 21.9.2004 unmittelbare Rechtsfolgen für die an der GKV-Versorgung teilnehmenden Krankenhäuser noch nicht gehabt hat. Allerdings tritt die Sperrwirkung des § 137 Abs 3 S 2 SGB V nur ein, sofern die betreffende Leistung - hier die Kniegelenk-TEP - auch dem Grunde nach in den Mindestmengenkatalog nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V aufgenommen worden ist. Dies war Gegenstand bereits des Beschlusses vom 21.9.2004, der durch den Beschluss vom 16.8.2005 auch dem Wortlaut nach lediglich um die Mindestmenge von 50 Operationen jährlich ergänzt worden ist. Dementsprechend versteht der Senat das Klagebegehren dahin, dass über die Mindestmengenbestimmung für Kniegelenk-TEP durch die Beschlüsse vom 21.9.2004 sowie 16.8.2005 in der jeweils zu Jahresbeginn aktualisierten Fassung befunden werden sollte und vom LSG auch entschieden worden ist, zuletzt also in Gestalt des Beschlusses vom 11.11.2010.

23

3. Die mit diesem Rechtsschutzziel erhobene Feststellungsklage unmittelbar gegen den GBA hat das LSG zu Recht als zulässig erachtet; dagegen wendet sich der Beklagte ohne Erfolg.

24

a) Nach ständiger und zwischenzeitlich vom Gesetzgeber ebenfalls aufgegriffener Rechtsprechung des BSG gebietet die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 GG die Anerkennung der Feststellungsklage gegen untergesetzliche Rechtsnormen des GBA, wenn die Normbetroffenen ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können, etwa weil ihnen nicht zuzumuten ist, Vollzugsakte zur Umsetzung der untergesetzlichen Norm abzuwarten oder die Wirkung der Norm ohne anfechtbare Vollzugsakte eintritt (stRspr, vgl zuletzt etwa BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 14; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 22; vgl auch BSG Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 29/10 R - SozR 4-2500 § 92 Nr 13 RdNr 20 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Wie der 6. Senat des BSG bereits eingehend dargelegt hat, leitet das BVerfG aus Art 19 Abs 4 GG ab, dass die Fachgerichte Feststellungsklagen als Rechtsschutzmittel gegen untergesetzliche Rechtsnormen anerkennen müssen (vgl BVerfGE 115, 81, 92 iVm S 95 f = SozR 4-1500 § 55 Nr 3 RdNr 41 iVm 49 ff). Auch ohne eine § 47 VwGO entsprechende Regelung ist danach in der Sozialgerichtsbarkeit gegen untergesetzliche Rechtsnormen des GBA vergleichbarer Rechtsschutz im Wege der Feststellungsklage zu gewähren. Das hat zwischenzeitlich auch der Gesetzgeber bekräftigt, wie insbesondere die durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 (BGBl I 444) eingeführte Regelung des § 29 Abs 4 SGG unter Verzicht auf die Einfügung einer § 47 VwGO entsprechenden Regelung im SGG erweist. Die Zuständigkeitsbestimmung für Klagen ua gegen Richtlinien des GBA nach § 92 SGB V(§ 29 Abs 4 Nr 3 SGG) ist ausdrücklich von der Erwartung getragen, dass nach der Rechtsprechung des BSG Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtssätze weiterhin durch Feststellungsklage zu gewähren und deshalb die Einführung eines allgemeinen Normenkontrollverfahrens wie nach § 47 VwGO für das SGG entbehrlich ist(vgl BT-Drucks 16/7716 S 16). Diese Motivation des Gesetzgebers wird mittelbar dadurch bestätigt, dass das durch Art 4 Nr 4 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) mit Wirkung vom 1.4.2011 eingeführte Normenkontrollverfahren gemäß § 55a SGG ausschließlich Rechtsvorschriften nach oder in Zusammenhang mit § 22a Abs 1 SGB II betrifft.

25

b) Die Mindestmengenbestimmungen des GBA sind untergesetzliche Rechtsnormen in diesem Sinne. Wie die Richtlinien nach § 92 SGB V entfalten sie unmittelbare Bindungswirkung für Versicherte, Krankenkassen sowie Leistungserbringer und sind wie diese dem GBA als Normsetzungsgremium übertragen. Sie ergehen als "Beschluss" (§ 137 Abs 3 S 1 SGB V) und damit wie gemäß § 91 SGB V alle Entscheidungen des GBA in seiner Funktion als rechtsetzende Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung. Als solche nehmen sie neben der partiellen Verbindlichkeitsanordnung nach § 137 Abs 3 S 6 SGB V(bis 30.6.2008: § 137 Abs 2 S 1 SGB V idF Art 1 Nr 54 GKVRefG2000) ebenfalls an der generellen Regelung des § 91 Abs 6 SGB V teil, wonach mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 137b SGB V alle Beschlüsse des GBA für Versicherte und Leistungserbringer verbindlich sind. Auch für Zuständigkeit und Verfahren gelten die Maßgaben des § 91 SGB V genauso wie für Richtlinien nach § 92 SGB V. Zuständig für die Mindestmengenbestimmung ist danach das Beschlussgremium des GBA in seiner Besetzung mit von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der DKG und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen als Trägerorganisationen des GBA benannten sowie unparteiischen Mitgliedern (§ 91 Abs 2 SGB V). Nach Maßgabe der von ihm zu beschließenden Verfahrensordnung (§ 91 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB V)und nach Anhörung der zu beteiligenden Verbände hat dieses Beschlussgremium jeweils mit Mehrheit zu entscheiden (§ 91 Abs 7 SGB V). Diese konkrete Ausgestaltung - die Delegation der Entscheidungsverantwortung auf die gemeinsame Selbstverwaltung von Leistungserbringern und Krankenkassen, die Regeln für die Entscheidungsfindung sowie die Verbindlichkeit für Versicherte und Krankenhäuser - weist die Mindestmengenbeschlüsse des GBA als Gegenstand untergesetzlicher Normgebung aus. Systematisch entspricht dies den in der Rechtsprechung des BSG hierzu aufgestellten Kriterien und wird bekräftigt durch die Entstehungsgeschichte.

26

In systematischer Hinsicht hat das BSG schon in früheren Entscheidungen zu den durch das GMG zum GBA zusammengeführten Bundesausschüssen bei der Qualifizierung von Richtlinien als untergesetzliche Normen wesentlich auf deren allseitige Bindungswirkung für Versicherte und Leistungserbringer und das zugrunde liegende Regelungskonzept abgestellt, die leistungs- und leistungserbringungsrechtlichen Einzelheiten der GKV-Versorgung auf gesetzlicher Grundlage von Gremien der funktionalen Selbstverwaltung konkretisieren zu lassen (zum Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 91 Abs 1 SGB V idF des GRG grundlegend BSGE 78, 70, 78 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 32 f; BSGE 81, 54, 63 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 18 ff; BSGE 81, 73, 80 ff = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 55 ff; BSGE 81, 182, 187 f = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 39; zum Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen nach § 91 Abs 1 SGB V idF des GRG BSGE 81, 207, 210 = SozR 3-2500 § 101 Nr 2 S 10; zum Ausschuss Krankenhaus nach § 137c Abs 2 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 57 des GKVRefG2000 BSGE 90, 289, 291 ff = SozR 4-2500 § 137c Nr 1 RdNr 7 ff). Diese Prinzipien gelten nunmehr genauso für die Richtlinien des GBA (vgl grundlegend BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 28, 58 ff; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 40; ebenso BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 32 - 33). Dies lässt nur den Schluss zu, dass die demselben Verfahren unterstellten Mindestmengenbeschlüsse ebenfalls Normeigenschaft besitzen und nicht als Behördenentscheidung mit Verwaltungsaktcharakter zu qualifizieren sind.

27

Das wird auch durch die Historie der Mindestmengenregelung bekräftigt. Die Zusammenführung der verschiedenen (Bundes-)Ausschüsse zum GBA hatte zum Ziel, eine sektorenübergreifende Rechtsetzungseinrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung zu etablieren (vgl BT-Drucks 15/1525 S 106). Dieser funktionalen Zuordnung entsprach die Mindestmengenregelung bereits in der ursprünglichen Fassung mit der Zuständigkeit der Spitzenverbände der Krankenkassen, des Verbands der privaten Krankenversicherung sowie der DKG und dem Auftrag zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen als normativ wahrzunehmender Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung (vgl § 137 Abs 1 S 1 SGB V idF von Art 1 Nr 5 Buchst b DBuchst bb FPG iVm Abs 2 S 1 idF von Art 1 Nr 54 des GKVRefG2000). Auch das Zustandekommen dieser Vereinbarungen war ungeachtet ihrer Bezeichnung bereits als Beschlussverfahren mit der Möglichkeit der Hinzuziehung unparteiischer Dritter ausgestaltet (vgl § 137 Abs 3 SGB V idF von Art 1 Nr 54 des GKVRefG2000). Insofern hat zwar mit der Übertragung der Zuständigkeit auf den zum 1.1.2004 neu gebildeten GBA die formale Verantwortung für die Umsetzung der Mindestmengenregelung gewechselt; unberührt davon geblieben ist aber der Rechtscharakter als einer von Anfang an durch untergesetzliche Rechtsetzung zu erfüllenden Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung von Krankenkassen und Krankenhäusern.

28

c) Vorrangig wahrzunehmende andere Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Mindestmengenentscheidung stehen der Klägerin nicht offen. Auf sonstige Klagen gegen die Rechtsfolgen untergesetzlicher Rechtsnormen sind die Normbetroffenen nach der Rechtsprechung des BSG nur verwiesen, wenn effektiver Rechtsschutz auch ohne eine Feststellungsklage zu erlangen ist (vgl etwa BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 14; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 22; vgl auch BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 29/10 R - SozR 4-2500 § 92 Nr 13 RdNr 20 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Dass eine solche anderweitige Rechtsschutzmöglichkeit zum Zeitpunkt der Klageerhebung bestanden hätte, ist entgegen der Auffassung des GBA nicht ersichtlich.

29

Mindestmengenbeschlüsse nach § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V sind gemäß § 91 Abs 6, § 137 Abs 3 S 6 SGB V ohne weiteren Vollzugsakt für Versicherte, Krankenhäuser und Krankenkassen unmittelbar verbindlich und stehen daher der Leistungserbringung nach § 137 Abs 3 S 2 SGB V in der Regel ab dem 1. Geltungstag entgegen, wenn die Mindestmenge voraussichtlich nicht erreicht wird. Daran können sich zwar im Gefolge zusätzliche und gesondert angreifbare Rechtsfolgen ergeben, etwa die Versagung der Vergütung einer gleichwohl erbrachten Krankenhausleistung. Eine solche Möglichkeit inzidenten Rechtsschutzes gegen die im Streit stehenden Mindestmengenbeschlüsse ist hier jedoch nicht ersichtlich.

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Das gilt auch, soweit der GBA auf mögliche Rechtsschutzverfahren im Zusammenhang mit den Pflegesatzverhandlungen nach § 18 KHG verweist. Dabei kann offenbleiben, ob in diesem Rahmen für die Klärung der hier im Streit stehenden Frage überhaupt Raum wäre, was die Klägerin in Zweifel zieht. Denn anders als vom Gesetz vorgesehen (§ 18 Abs 3 S 1 KHG)waren diese Verhandlungen - wie regelmäßig auch sonst - in keinem der hier maßgeblichen Leistungszeiträume bereits vor Leistungserbringung abgeschlossen; sie wurden regelmäßig im laufenden Kalenderjahr überhaupt erst aufgenommen. Selbst wenn also in Rahmen der Pflegesatzverhandlung eine inzidente Prüfung der beanstandeten Mindestmengenbestimmung möglich wäre, hätte auf diesem Weg kein ausreichend effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden können. Denn jedenfalls beim vollständigen Ausschluss auch nur mit einzelnen Leistungen aus der GKV-Versorgung ist es einem Leistungserbringer ständiger Rechtsprechung zufolge nicht zuzumuten, seine Teilnahmebefugnis erst nach Leistungserbringung klären zu können und deshalb - von etwaigen daraus resultierenden Verstößen gegen berufsrechtliche Vorgaben oder Obhutspflichten im Verhältnis zu Patienten sowie möglichen sonstigen Folgen ganz abgesehen (vgl zu den Konsequenzen einer Teilnahme an der Krankenhausversorgung ohne Zulassung BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 43 ff) - zumindest das Risiko zu tragen, die gleichwohl erbrachten Leistungen nicht vergütet zu erhalten (vgl etwa BSGE 109, 9 = SozR 4-2500 § 126 Nr 3, RdNr 8; BSGE 103, 78 = SozR 4-3300 § 71 Nr 1, RdNr 9). Dieses unwägbare Risiko rechtfertigt deshalb eine Feststellungsklage unmittelbar gegen den GBA, wenn - wie hier - die Rechtmäßigkeit der Mindestmengenbestimmung dem Grunde nach im Streit steht; ob das auch gilt, wenn ausschließlich um ihre Anwendbarkeit im Einzelfall - etwa wegen schwankender Leistungsmengen in den Vorjahren - gestritten wird, kann hier offenbleiben.

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4. Rechtsgrundlage der Mindestmengenbeschlüsse ist § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V. Danach fasst der GBA für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten auch Beschlüsse über einen Katalog planbarer Leistungen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände. Die in Wahrnehmung dieses Auftrags erlassenen, im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden normativen Beschlüsse sind nach der Rechtsprechung des BSG formell und auch inhaltlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (stRspr, vgl nur BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 - LITT; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26 - Arzneimittelfestbeträge; Schlegel, MedR 2008, 30, 32; Hauck, NZS 2010, 600, 611 f). Uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt deshalb, ob die fragliche Versorgung - hier die Kniegelenk-TEP - zu Recht der Mindestmengenbegrenzung unterworfen worden ist, weil sie eine "planbare Leistung" darstellt, bei der iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V "die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist"; insoweit sind dem GBA Gestaltungsspielräume nicht belassen. Erst bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist er befugt, als Normgeber zu entscheiden. Soweit diese letztere Kompetenz reicht, darf allerdings die sozialgerichtliche Kontrolle ständiger Rechtsprechung des BSG zufolge ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom GBA getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (vgl nur BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 9, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, RdNr 25 - Basistherapeutika bei Neurodermitis; ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 68 - Therapiehinweise). Daran gemessen ist die Annahme des GBA nicht zu beanstanden, dass die Versorgungsqualität bei Kniegelenk-TEP im Sinne der Mindestmengenregelung in besonderem Maße von der Leistungsmenge abhängig und deshalb ein entsprechender Normsetzungsspielraum eröffnet ist; insoweit folgt der erkennende Senat dem LSG nicht. Keine abschließende Entscheidung vermag der Senat dagegen auf Grundlage der Feststellungen des LSG zu treffen, ob der GBA von seinem Gestaltungsspielraum rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat.

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5. Keinen Bedenken unterliegt die Mindestmengenbestimmung, soweit die Klägerin verfassungsrechtliche Einwände gegen die gesetzliche Regelung erhebt.

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a) Nicht zweifelhaft ist zunächst, dass der Gesetzgeber die Beteiligung an der GKV-Versorgung im Rahmen des Verhältnismäßigen an besondere Anforderungen zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit knüpfen darf. Solche Anforderungen verbleiben auf der Ebene der Berufsausübungsregelung und lassen den Status des Leistungserbringers unberührt, sofern sie nur die Abrechenbarkeit bestimmter Leistungen zu Lasten der GKV ausschließen und weder seinen Zugang zu einem Versorgungsbereich überhaupt begrenzen noch ihn im Kernbereich seines Fachgebiets einschränken (BVerfG <2. Kammer des 1. Senats> SozR 4-2500 § 135 Nr 2 RdNr 22). Ungeachtet der vom BVerfG offengelassenen Frage, ob grundsätzlich immer der Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG tangiert ist, sind hierdurch bewirkte Abgrenzungen zwischen Gruppen verschiedener Leistungserbringer mit unterschiedlicher Qualifikation jedenfalls dann zumutbar, wenn sie vom fachlich medizinischen Standpunkt aus sachgerecht sind und der betroffene Leistungserbringer in der auf sein Fachgebiet beschränkten Tätigkeit weiterhin eine ausreichende Lebensgrundlage finden kann (BVerfGE 106, 181, 196 = SozR 3-2500 § 95 Nr 35 S 175 - Gebietsbezeichnung). Von diesem Maßstab ausgehend hat das BVerfG es zB nicht beanstandet, dass Fachärzten für Orthopädie oder für Kardiologie ohne zusätzliche Weiterbildung die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung kernspintomographischer Leistungen an gesetzlich Versicherten versagt worden ist (BVerfG <2. Kammer des 1. Senats> SozR 4-2500 § 135 Nr 2; BVerfG <2. Kammer des 2. Senats> BVerfGK 17, 381 = SozR 4-2500 § 135 Nr 16). Demgemäß begegnen Versorgungsbeschränkungen infolge der Mindestmengenregelung - wenn sie nicht den gesamten Kernbereich eines Fachgebiets betreffen und deshalb an den strengeren Anforderungen der subjektiven Berufswahlregelung zu messen sind - ebenfalls keinen Bedenken, sofern sie entsprechend der mit der Regelung verfolgten Zielsetzung rechtlich erhebliche Qualitätsvorteile erwarten lassen und diese Vorteile durch weniger belastende Vorgaben der Qualitätssicherung nicht ebenso erreichbar erscheinen. Ob dem in der Umsetzung genügt wird, ist keine Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm, sondern ihrer Auslegung und Anwendung im Einzelfall; jedenfalls die Vorschrift selbst unterliegt den von der Klägerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken ersichtlich nicht.

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b) Das gilt auch, soweit zur Konkretisierung des gesetzlichen Regelungsprogramms der GBA als Normgeber ermächtigt worden ist. Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 mwN - LITT; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18 mwN; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 33). Zu früher kritischen Stimmen hat sich in jüngerer Zeit die Literatur gegenteilig geäußert (vgl Neumann, NZS 2010, 593; Hauck, NZS 2010, 600 mwN). Rechtlich unbedenklich ist im Fall der Mindestmengenregelung auch die von der Klägerin gerügten Weite der Vorschrift. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben beachtend gibt die Regelung im Kontext ihrer systematischen Stellung und ihrer Entstehungsgeschichte dem GBA ein hinreichend dichtes Normprogramm vor, das dem ihm hierdurch übertragenen Konkretisierungsauftrag ausreichend klare Konturen verleiht.

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6. Eine Abhängigkeit der Versorgungsqualität von der Leistungsmenge "in besonderem Maße" besteht bei Krankenhausleistungen von hoher Komplexität, bei denen eine regelmäßige Praxis mit gerade diesen Leistungen einen über andere Instrumente der Qualitätssicherung so nicht zu gewährleistenden Einfluss auf die Güte der Versorgung hat.

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a) Entstehungsgeschichte und Systematik weisen die Mindestmengenregelung als Teil eines Bündels von Vorschriften aus, mit denen der Gesetzgeber die Anforderungen an die Qualitätssicherung im Zuge der steigenden Wettbewerbsorientierung der GKV-Versorgung zunehmend ausgeweitet hat. So ist zunächst die Qualitätssicherung für den stationären Bereich mit dem GKVRefG2000 aus dem Anwendungsbereich der Landesverträge nach § 112 SGB V gelöst und zum Gegenstand einer bundeseinheitlichen untergesetzlichen Rechtsetzung nach § 137 SGB V gemacht worden. Zugleich sind die Krankenhäuser auf ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement und auf Maßnahmen der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung nach Maßgaben verpflichtet worden, die von der gemeinsamen Selbstverwaltung vorzugeben sind (§ 135a Abs 2 und § 137 Abs 1 S 1 und S 3 Nr 1 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Ebenfalls bereits seit dem GKVRefG2000 müssen auf dieser Ebene nähere Bestimmungen getroffen werden ua zur indikationsbezogenen Qualität der diagnostischen und therapeutischen Leistungen im Krankenhaus, insbesondere bei aufwändigen medizintechnischen Leistungen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Mit dem FPG ist dieses Spektrum weiter um die Verpflichtung ergänzt worden, auch Mindestanforderungen an die Struktur- und Ergebnisqualität in der stationären Versorgung festzulegen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF des FPG; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Desgleichen ist den Krankenhäusern aufgegeben worden, regelmäßig Qualitätsberichte zu veröffentlichen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 6 SGB V idF des FPG; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG). Schließlich hat der Gesetzgeber zuletzt mit Wirkung vom 1.7.2008 eine externe Qualitätsberichterstattung eingeführt, für die von den Krankenhäusern im Einzelnen festgelegte Daten zu liefern sind (§ 135a Abs 2 S 2 iVm § 137a SGB V idF von Art 1 Nr 106 Buchst b bzw Art 1 Nr 111 des GKV-WSG; seit dem 1.1.2012: § 299 Abs 1 S 1 iVm § 137a SGB V idF von Art 1 Nr 53 bzw Nr 80a Buchst a DBuchst aa des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22.12.2011, BGBl I 2983).

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b) In diesem Regelungsgeflecht beruht die Einführung der Mindestmengenregelung auf der Einschätzung, dass in verschiedenen Studien ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit durchgeführter Operationen und der Qualität des Behandlungsergebnisses nachgewiesen wird. Deshalb sollten die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung Operationen oder Prozeduren suchen und bestimmen, bei denen ein Zusammenhang zwischen der Zahl der durchgeführten Eingriffe und der Qualität der Leistung in besonderem Maße vorliegt. Die hieraus abzuleitende Mindestanzahl ist - so die Intention des Gesetzgebers - als Voraussetzung für eine qualitativ gute Leistung anzusehen (vgl BT-Drucks 14/6893 S 31). Im Laufe der Beratungen ist dieses zunächst nur als Empfehlung gedachte Instrumentarium (BT-Drucks aaO) einerseits zu einer rechtlich verbindlichen Vorgabe ausgestaltet worden (vgl BT-Drucks 14/7824 S 6 und BT-Drucks 14/7862 S 5), andererseits sind die rechtlichen Folgen wegen befürchteter negativer Auswirkungen auf die Krankenhausplanung und die Aufrechterhaltung der Versorgung in den Ländern (vgl BR-Drucks 3/4/02 S 1 f) auf Initiative des Vermittlungsausschusses (vgl BT-Drucks 14/8362 S 2) dahin abgemildert worden, dass bei einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung Ausnahmen von einer Mindestmengenbestimmung zugelassen werden dürfen (§ 137 Abs 3 S 3 SGB V).

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c) Mit diesem Ansatz muss die Mindestmengenregelung im Gefüge der weiteren Vorschriften zur Qualitätssicherung schon verfassungsrechtlich auf Ausnahmelagen beschränkt bleiben, bei denen die Einflussnahme über die Leistungsmenge Versorgungsvorteile verspricht, die über weniger belastende andere Instrumente der Qualitätssicherung mutmaßlich nicht zu gewinnen sind. Zwar wirkt die Regelung nicht auf die Freiheit der Berufswahl zurück, solange nicht weite Teile der stationären Versorgung von ihr komplett erfasst werden. Auch ist von Verfassungs wegen nichts dagegen zu erinnern, dass das Fallpauschalensystem wirtschaftlich zur Spezialisierung anreizt und daher nicht jede Leistung in jeder Einrichtung in gleicher Weise auskömmlich erbracht werden kann (vgl zu solchen Entwicklungen als mögliche Folge der Umstellung auf das Fallpauschalensystem BT-Drucks 14/6893 S 28); Anspruch auf Finanzierung unwirtschaftlicher Leistungsstrukturen aus den Mitteln der GKV besteht nicht (vgl zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben für vergütungsrechtliche Vorschriften BVerfGE 101, 331, 349 ff, 351). Jenseits dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen Anreize für eine verstärkte Konzentration des Leistungsgeschehens greift eine nur in Grenzen selbst beeinflussbare Mindestmengenvorgabe aber intensiver in die Berufsfreiheit eines Krankenhaues ein als qualitative Anforderungen an die Leistungserbringung, über deren Erfüllung jedenfalls rechtlich jeder Träger autonom selbst entscheiden kann. Solange das angestrebte Qualitätsniveau bei vertretbarem wirtschaftlichen Aufwand durch sonstige Vorgaben der Qualitätssicherung ebenso erreichbar erscheint wie über eine Mindestmengenbestimmung, ist verfassungsrechtlich der Steuerung über das mildere Mittel der verhaltensabhängigen Qualitätsanforderung der Vorzug zu geben. Raum für Mindestmengengrenzen bleibt deshalb jedenfalls aus Gründen der Qualitätssicherung nach Maßgabe von Art 12 Abs 1 GG nur, soweit sie Qualitätsvorteile zu gewährleisten versprechen, die mit vertretbarem Aufwand anderweitig nicht erreichbar erscheinen.

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d) Dasselbe folgt aus der Systematik der Qualitätssicherungsvorschriften, die beginnend mit dem GKVRefG2000 für die stationäre Versorgung eingeführt worden sind. Angefangen von der Kompetenz zur Bestimmung von allgemeinen Anforderungen an die Struktur- und Ergebnisqualität (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF des FPG; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 2 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG)über die Befugnis zur Begründung von Vorgaben zur indikationsbezogenen Qualität diagnostischer und therapeutischer Leistungen (§ 137 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 137 Abs 1 S 1 Nr 2 Halbs 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG)bis zur Ausgestaltung der verpflichtenden einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung (§ 135a Abs 2 S 1 iVm § 137 Abs 1 S 3 Nr 1 SGB V idF des GKVRefG2000; seit dem 1.7.2008: § 135a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V idF von Art 1 Nr 100 des GMG iVm § 137 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V idF von Art 1 Nr 110 des GKV-WSG) sind dem GBA eine Vielzahl von Instrumenten an die Hand gegeben, über die er durch verhaltens- und qualifikationsabhängige Anforderungen auf die Versorgungsqualität im stationären Bereich einwirken kann. Mit der Bündelung sämtlicher dieser Instrumente bei ihm durch das GMG ist insoweit auch funktionell sichergestellt, dass diese unterschiedlichen Ansätze inhaltlich aufeinander abgestimmt werden und jeweils an der Stelle reagiert werden kann, die den angestrebten Erfolg am wirksamsten verspricht. Dazu trägt weiter bei, dass mit der ab dem 1.7.2008 eingeführten externen Qualitätsberichterstattung (§ 135a Abs 2 S 2 iVm § 137a SGB V; seit dem 1.1.2012: § 299 Abs 1 S 1 iVm § 137a SGB V idF von Art 1 Nr 53 bzw Nr 80a Buchst a DBuchst aa des GKV-VStG vom 22.12.2011) zwischenzeitlich auch eine Datengrundlage für entsprechende Maßnahmen aufgebaut wird. Dieses im Laufe der Zeit immer stärker ausdifferenzierte Nebeneinander unterschiedlicher Ansätze zur Qualitätssicherung lässt ebenfalls nur den Schluss zu, dass die Steuerung über Leistungsmengen Anlässen vorbehalten bleiben soll, bei denen sie Vorteile gegenüber anderen Instrumenten der Qualitätssicherung versprechen kann.

40

e) Systematisch kommt der Mindestmengenregelung damit eine Ausnahmestellung in doppelter Hinsicht zu. Auf der einen Seite steht sie zu den sonstigen qualitätssichernden Normen für den stationären Bereich vom Grundsatz her in dem beschriebenen Nachrangverhältnis. Auf der anderen Seite wird sich ein ausreichendes Maß an Erfahrung und Routine vielfach auch ohne gesonderte Steuerung über Mindestmengenvorgaben einstellen. Ein entsprechendes Mindestmaß erfordern schon die berufsrechtlichen Weiterbildungsordnungen als Voraussetzung von Facharztqualifikationen, an die wiederum die Strukturvorgaben in der stationären Versorgung anknüpfen (zutreffend Bohle, GesR 2010, 587). Wo dies nicht ausreicht, wird sich bei dem überwiegenden Teil der Krankenhausleistungen die erforderliche Erfahrung auch ohne rechtliche Regelung schon deshalb ergeben, weil die Leistungen ohnehin in großer Zahl anfallen. Anlass für eine zusätzliche rechtliche Mengensteuerung kann deshalb nach der Regelungssystematik nur bei Versorgungen bestehen, die einerseits vergleichsweise selten anfallen und andererseits wegen ihrer Komplexität, wegen sonstiger fachlicher Anforderungen oder wegen der Folgen bei Diagnose- oder Behandlungsfehlern aus medizinischer Sicht eine regelmäßige Praxis und Übung erfordern, sodass deshalb eine ausdrückliche Regelung angezeigt erscheint.

41

f) Auf diese doppelte Begrenzung der Qualitätssteuerung über Leistungsmengen und nicht auf eine besondere Augenfälligkeit des Zusammenhangs von Menge und Qualität nimmt die Mindestmengenregelung Bezug, soweit sie eine Abhängigkeit von Menge und Qualität "in besonderem Maße" voraussetzt (§ 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V). Ohnehin ist sprachlich unklar, wann im Sinne der angefochtenen Entscheidung eine Kausalität als "besonders" zu qualifizieren ist. Jedenfalls verbietet sich ein rein kausalbezogenes Verständnis schon aus systematischen Gründen. Ob Mindestmengen einen auf andere Weise nicht zu gewinnenden Beitrag zur Qualitätssicherung leisten können, hängt nicht davon ab, wie offen die Kausalität von Menge und Leistungsqualität zu Tage liegt. Entscheidend ist vielmehr, ob ohne Mengensteuerung eine anders nicht aufzufangende Qualitätseinbuße zu besorgen ist. Ein besonderes Maß an Abhängigkeit hat die Leistungsqualität deshalb dann von der Leistungsmenge, wenn sie über die üblichen Vorteile einer jeden ("normalen") Routine und Erfahrung hinausgehend einen auf andere Weise nicht zu erzielenden und der Bedeutung nach wesentlichen ("besonderen") Beitrag für die Qualitätssicherung in der jeweiligen Versorgung bietet.

42

Hierdurch ist die Anwendung der Mindestmengenregelung bereits im Ansatz auf solche Bereiche der stationären Versorgung beschränkt, bei denen sie einen für die Versorgung substantiellen eigenständigen Beitrag zur Verwirklichung des in § 2 Abs 1 S 3 SGB V umschriebenen Versorgungsstandards der GKV gewährleisten kann. Das versteht der Senat - insoweit ebenso wie das LSG - dahin, dass nicht alle Felder der stationären Versorgung einer Qualitätssteuerung über die Leistungsmenge unterworfen sind. Vielmehr sieht er die Anwendung der Regelung auf solche Versorgungsbereiche beschränkt, bei denen vergleichsweise geringe Fallzahlen auf eine hohe medizinische Komplexität mit besonders hohen Anforderungen an die Versorgung und/oder besonders hohen medizinischen Risiken treffen. Nur in solchen Situationen kann die regelmäßige Erfahrung und Routine mit gerade dieser Leistungserbringung neben allen anderen Ansätzen der Qualitätssicherung eine so eigenständige Bedeutung für deren Qualität erlangen, dass sie im Sinne der Mindestmengenregelung als "in besonderem Maße" verantwortlich für die Versorgungsqualität angesehen werden kann. Das deckt sich im Übrigen - ohne dass dies allerdings rechtlich entscheidend wäre - mit dem Verständnis des GBA, der abgesehen von den Mindestmengen bei Kniegelenk-TEP und den ebenfalls beim BSG anhängigen Untergrenzen für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm entsprechende Vorgaben nur noch für fünf weitere Leistungsbereiche getroffen hat, nämlich für Transplantationen von Leber, Niere und Stammzellen sowie für komplexe Eingriffe an Speiseröhre und Bauchspeicheldrüse. Leistungen, die dem gegenüber nach den Fallzahlen oder den Versorgungsanforderungen der Routineversorgung zuzurechnen sind, fallen hingegen schon im Ansatz nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift.

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7. Eröffnet ist der Gestaltungsspielraum des GBA danach durch die Mindestmengenregelung bei medizinischen Leistungen von hoher Komplexität, bei denen die Versorgungsqualität eine Abhängigkeit von der Leistungsmenge aufweist. Ob ein solcher Zusammenhang vorliegt, unterliegt als Ausgangspunkt seiner Entscheidung uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle, wie das LSG unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG zutreffend entschieden hat (vgl BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 26). Das bemisst sich entgegen dessen Auffassung indes nicht nach Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin. Entscheidend ist vielmehr, ob die Studienlage nach wissenschaftlichen Maßstäben einen solchen Zusammenhang wahrscheinlich machen kann:

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a) Das LSG hat von seinem Normverständnis ausgehend darauf abgestellt, ob im Verhältnis zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität eine "besondere Kausalität" nachzuweisen ist, und hat dazu auf Prinzipien der evidenzbasierten Medizin zurückgegriffen. Das überzeugt schon vom Wortsinn nicht: Ein Kausalzusammenhang kann bestehen oder nicht bestehen, nicht aber in gesteigerter Weise vorliegen. Auch ansonsten statuiert die Norm mit der in besonderem Maße vorausgesetzten Abhängigkeit von Leistungsmenge und Versorgungsqualität - wie bereits dargelegt - keine gesteigerten Nachweisanforderungen. Diese Abhängigkeit ist nicht dann "besonders", wenn sie besonders augenfällig zu Tage tritt. Das Tatbestandsmerkmal beschränkt vielmehr den Anwendungsbereich der Mindestmengenregelung auf Versorgungen, bei denen Fallzahluntergrenzen einen auf andere Weise nicht zu erzielenden und der Bedeutung nach wesentlichen ("besonderen") Beitrag zur Qualitätssicherung in der jeweiligen Versorgung bieten können. Das hängt allein davon ab, ob die Qualität der konkret in Rede stehenden Behandlung - hier: Kniegelenk-TEP - mit anderen Instrumenten der Qualitätssicherung mutmaßlich ebenso beeinflusst werden könnte wie - unterstellt, ein solcher Zusammenhang bestünde - mit Erfahrung und Routine. Erforderlich dazu ist eine medizinische Bewertung unterschiedlicher Qualitätssicherungsansätze. Nicht entscheidend ist dagegen, ob der Nachweis der Abhängigkeit von Leistungsmenge und Versorgungsqualität - wie es das LSG gefordert hat - in kontrollierten Studien nach Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin geführt werden konnte.

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b) Dafür besteht im Übrigen auch aus systematischen Gründen kein Anlass. Die methodischen Anforderungen der evidenzbasierten Medizin im Leistungs- und Leistungserbringungsrecht der GKV sind ausgerichtet auf und gerechtfertigt durch die materiellen Anforderungen des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs 1 SGB V, das grundsätzlich eine Versorgung nur mit Leistungen zulässt, die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bieten. Jedenfalls neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (§ 135 Abs 1 SGB V; vgl aber nunmehr auch etwa § 137c SGB V) dürfen deshalb von Leistungserbringern nur erbracht und von Versicherten nur beansprucht werden, wenn ihr Erfolg in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (vgl etwa BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7 mwN - Immucothel; BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E, jeweils mwN). Verbleiben gemessen an diesen Anforderungen - in der Regel auf der höchsten Evidenzstufe - Zweifel, so geht dies zum Schutz der Patienten vor Gesundheitsrisiken und im Interesse der Versichertengemeinschaft zu Lasten der nicht hinreichend belegten Methode (stRspr, grundlegend BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7 mwN - Immucothel; BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E, jeweils mwN).

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Solche Gründe für gesteigerte Evidenzanforderungen bestehen bei der Mindestmengenregelung nicht. Sie bezweckt für einen engen Bereich medizinischer Leistungen Versorgungsvorteile, soweit die Konzentration der Leistungserbringung auf Einrichtungen mit größerer Erfahrung und Routine auf gerade diesen Feldern ein höheres Maß an Behandlungsqualität erwarten lassen kann. Die Annahme, dass der Gesetzgeber den Versicherten einen solchen Zugewinn an Versorgungssicherheit erst nach dem Abschluss vergleichender Studien der grundsätzlich höchstmöglichen Evidenzstufe zukommen lassen wollte, liegt fern. Vorgaben der Qualitätssicherung dürfen im Patienteninteresse typischerweise auf Risikoabschätzungen gestützt werden, wenn nach sachverständiger Einschätzung begründeter Anlass für die Annahme bestehen kann, dass ansonsten die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse mögliche Versorgungssicherheit (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) gefährdet ist. Das gilt insbesondere, wenn - wie mutmaßlich auch hier (vgl Geraedts, GesR 2012, 263, 264; Wenning, Aktuelle Entwicklungen im Krankenhausrecht 2011, 93, 107; ebenso die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie eV vom 16.7.2004, S 7) - vergleichende Studien mit unterschiedlichen Qualitätssicherungsansätzen praktisch oder aus ethischen Gründen schon im Ansatz undurchführbar sind. Andernfalls würden den Patienten möglicherweise dauerhaft Versorgungsstandards vorenthalten, die - jeweils nach dem Stand der aktuellen Erkenntnis - mit Wahrscheinlichkeit geeignet sind, zu einer relevanten Reduzierung von Versorgungsrisiken beizutragen. Deshalb sind in der Regel ausreichend begründete Maßnahmen der Qualitätssicherung im Patienteninteresse auch dann hinzunehmen, wenn ihre Vorteile nicht durch vergleichende Studien nach Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin belegt sind. Dass davon die Mindestmengenregelung - zumal angesichts der voraussetzungsgemäß besonderen gesundheitlichen Risiken im Anwendungsbereich der Versorgungen mit hoher medizinischer Komplexität - ausnahmsweise ausgenommen sein sollte, ist augenscheinlich nicht anzunehmen.

47

c) Anders als vom LSG angenommen sind mithin die Nachweisanforderungen der Mindestmengenregelung dann erfüllt, wenn es sich um eine hochkomplexe Leistungserbringung handelt und nach dem Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit die Erwartung berechtigt ist, dass die Güte der Leistungserbringung auch von der Erfahrung und Routine mit der jeweiligen Versorgung beeinflusst ist. Allerdings muss dies mit wissenschaftlichen Belegen untermauert sein. Insofern hat das LSG im Ausgangspunkt zutreffend darauf abgestellt, dass bloß allgemeine Überlegungen oder Expertenmeinungen eine Mindestmengenbestimmung nicht stützen können. Dem steht bereits entgegen, dass sich der Gesetzgeber bei Einführung der Mindestmengenregelung ausdrücklich auf die Studienlage zur Abhängigkeit von Leistungsmenge und Versorgungsqualität gestützt und die Selbstverwaltungspartner deshalb als verpflichtet angesehen hat, entsprechende Leistungen "zu suchen und zu bestimmen" (vgl BT-Drucks 14/6893 S 31); dem kann nur durch Auswertung von qualifizierten Studien Rechnung getragen werden. Demzufolge ist der Gestaltungsspielraum des GBA bei einer Studienlage eröffnet, die nach wissenschaftlichen Maßstäben einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität wahrscheinlich macht. Dies ist der Fall, wenn mehr für als gegen einen solchen Ursachenzusammenhang spricht; allein dessen Möglichkeit genügt dagegen nicht (vgl zum Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit stellv BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 20).

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d) Dem steht anders als vom LSG erwogen auch nicht entgegen, dass der GBA den Verfahrensbeteiligten vor seiner Mindestmengenentscheidung nach der insoweit maßgeblichen Verfahrensordnung eine Zusammenfassung des aktuellen Wissensstandes als "evidenzbasiertes Verfahren" zur Verfügung zu stellen hat (vgl § 3 Abs 2 Nr 1 der MMV vom 20.12.2005, BAnz Nr 43 vom 2.3.2006 S 1373). Durch eine solche Bezeichnung können die dargelegten Nachweisanforderungen nicht beeinflusst werden. Ungeachtet dessen liegt aber auch die Annahme fern, dass die Verfahrensordnung des GBA die gesetzlichen Vorgaben für die Mindestmengenbestimmung korrigieren könnte und dieser deshalb Maßgaben zu befolgen hätte, die über die gesetzlichen Voraussetzungen hinausgehen. Das wäre im Übrigen auch schwerlich von den Kompetenzen gedeckt, die dem GBA vom Gesetzgeber eingeräumt sind.

49

8. Hieran gemessen hat der GBA die tatbestandlichen Voraussetzungen der streitigen Mindestmengenbestimmung zutreffend als gegeben angesehen. Die Kniegelenkendoprothetik stellt eine planbare Versorgung von hoher Komplexität dar, bei der entgegen der Auffassung des LSG ein Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität hinreichend wahrscheinlich ist.

50

a) Wie bereits das LSG kann auch der erkennende Senat offenlassen, wo im Sinne der Mindestmengenregelung im Einzelnen die Grenze zwischen "planbaren" und "nicht planbaren" Leistungen verläuft. Ersichtlich ist mit dieser erst im weiteren Gang der Beratungen hinzugefügten Einschränkung ein Ausgleich dafür bezweckt, dass die Mindestmengen anders als ursprünglich vorgesehen nicht lediglich als Empfehlung, sondern als rechtsverbindliche Leistungsuntergrenze ausgestaltet worden sind (vgl BT-Drucks 14/6893 S 3 sowie BT-Drucks 14/7824 S 6). Offenkundig sollen damit unvorhersehbare Leistungen aus dem Anwendungsbereich der Regelung ausgeschieden sein. Um eine solche Leistung handelt es sich jedenfalls bei der Kniegelenk-TEP nicht. Schon wegen der Schwere des Eingriffs und der nicht unbeträchtlichen Risiken geht ihr regelmäßig eine Entscheidungsphase voraus, die es ausschließt, sie als im Sinne der Mindestmengenregelung als "ungeplant" anzusehen.

51

b) Obwohl die Knietotalendoprothetik mit jährlich zunehmenden Fallzahlen - zuletzt im Jahre 2011 etwa 158 000 künstliche Kniegelenke und damit Rang 18 unter den häufigsten Operationen in Deutschland (Gesundheitsberichterstattung des Bundes , http://www.gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/dboowasys921.xwdevkit/xwd_init?gbe.isgbetol/ xs_start_neu/&p_aid=i&p_aid=79618056&nummer=666&p_sprache=D&p_indsp=-&p_aid= 64337088, recherchiert am 5.12.2012) - zwischenzeitlich eine Standardversorgung bei degenerativen Kniegelenkerkrankungen bildet, ist sie im Hinblick auf die operativen Anforderungen und die Folgen bei Komplikationen den hochkomplexen Versorgungen zuzurechnen, bei denen eine Abhängigkeit der Versorgungsqualität von der Leistungsmenge als "besonders" anzusehen und deshalb die Einbeziehung in das Mindestmengenprogramm nach der Intention des Gesetzgebers gerechtfertigt ist.

52

aa) Bedingt durch die komplexen biomechanischen Verhältnisse am Kniegelenk sind schon die operativen Anforderungen der Kniegelenk-TEP hoch (vgl dazu etwa Lüring/Bäthis/Tingart/Perlick/Grifka, DÄ 2005, A 2320 ff, 2324; Heller/Matziolis/König/Taylor/Hinterwimmer/ Graichen/Hege/Bergmann/Perka/Duda, Der Orthopäde 2007, 628 ff; Briard/Witoolkollachit/Lin, Der Orthopäde 2007, 635 ff; jeweils mwN). Dies drückt sich auch in anhaltenden fachwissenschaftlichen Kontroversen zu Vor- und Nachteilen einzelner Operationstechniken aus (vgl etwa zum minimalinvasiven Eingriff und zur navigierten Kniegelenk-TEP Pietsch/Djahani/Hofmann, Der Orthopäde 2007, 1120 ff; Lüring/Tingart/Beckmann/Perlick/Grifka, Der Orthopäde 2007, 1143 ff; Kappe/Flören/Bieger/Reichel, Der Orthopäde 2011, 726 ff, 727; Bertsch/Holz/Konrad/ Vakili/Oberst, Der Orthopäde 2007, 739 ff; jeweils mwN). Besonderes Augenmerk und interdisziplinäre Anstrengungen verlangt auch die Infektionsprophylaxe (vgl etwa Wodtke/Löhr, Der Orthopäde 2008, 257 ff). Verfahren der computerbasierten Unterstützung bei der Implantatpositionierung sind mit hohen Kosten verbunden und kommen nicht überall zum Einsatz (vgl Lüring ua, ebenda A 2320 ff). Übersicht verlangt auch die Beurteilung der Implantate mit ihren Eigenschaften im Allgemeinen und für die Versorgung im Einzelfall. Besondere Anforderungen stellen sich schließlich bei der anteilsmäßig zunehmenden Versorgung jüngerer Patienten, nicht zuletzt wegen des noch immer zeitlich begrenzten Bestands künstlicher Kniegelenke (vgl Eichinger/Forst/Kindervater, Der Orthopäde 2007, 311 ff). Obwohl nicht nur in diesem Zusammenhang die korrekte Indikationsstellung als wichtiges qualitätssicherndes Merkmal angesehen wird, gelten die daraus sich ergebenden Anforderungen als nicht durchweg erfüllt; bei älteren Patienten und in Kliniken mit höheren Fallzahlen wird die Qualität der Indikationsstellung vielmehr als besser erachtet (vgl Schräder/Boy/Schleiz/Dienst/Reinert/ Sänger/Schauwecker/Siebert/Scharf, Der Orthopäde 2008, 1016 ff, 1025; erstmals für das Jahr 2009 wird über eine angemessene Indikationsstellung bei 90 % der Versorgungen berichtet, vgl Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH - AQUA - Qualitätsreport 2009, S 120). Auf Schwierigkeiten bei der Versorgung selbst deuten schließlich jüngste Erhebungen hin, nach denen die Revisionslast für Knieprothesen in Deutschland höher als in der Schweiz und den USA ist (vgl Ewerbeck, Der Orthopäde 2011, 205; Falbrede/Widmer/Kurtz/Schneidmüller/Dudda/Röder, Der Orthopäde 2011, 793 ff, 794).

53

bb) Gesteigert sind die daraus sich ergebenden Anforderungen zusätzlich im Hinblick auf die zT gravierenden Folgen bei Komplikationen, die erhebliche und nachhaltige Einschränkungen der Lebensqualität der betroffenen Patienten und darüber hinaus beträchtlichen wirtschaftlichen Auswirkungen für die GKV wie für die gesamte Volkswirtschaft und andere soziale Sicherungssysteme mit sich bringen können. In 1 % bis zu 3 % der versorgten Fälle treten nach medizinischer Einschätzung Kniegelenkinfektionen als Operationsfolge ein, die in Einzelfällen Knieversteifungen und Amputationen nach sich ziehen können und jedenfalls erheblich belastende, komplizierte, langwierige und deshalb auch kostenaufwändige Nachversorgungen erforderlich machen (vgl Friesecke/Wodtke, Der Orthopäde 2006, 937 mwN). Weichteildefekte und Instabilität bilden weitere schwierig zu beherrschende und die Patienten erheblich belastende Komplikationen, die in beträchtlichem Umfang Revisionseingriffe nach sich ziehen (vgl etwa Perka/Tohtz/ Matziolis, Der Orthopäde 2006, 136 ff; Kovacs/Zimmermann/Juhnke/Taskov/Papadopulos/Biemer, Der Orthopäde 2006, 162 ff; Graichen/Strauch/Katzhammer/Zichner/von Eisenhart-Rothe, Der Orthopäde 2007, 650 ff; Schnabel/Borelli, DÄ 2011, A 2598 f). Auch sonst fällt die Rate unzufriedener Patienten mit bis zu 23 % nicht gering aus, wenn sie auch teilweise durch unrealistische - und darin von den Behandlern offenbar nicht korrigierte - Erwartungen vor allem bei jüngeren Patienten mitbedingt sein mag (vgl Perka ua, ebenda S 136; Graichen ua, ebenda S 650; jeweils mwN).

54

cc) Dass schließlich nicht zuletzt die Ärzteschaft selbst die Komplexität und Risiken der Knieendototalprothetik keinesfalls unterschätzt, hat sich jüngst beispielhaft an der zumindest auch von ihr maßgeblich betriebenen Gründung eines nationalen Endoprothesenregisters erwiesen. Initiiert durch die DGOOC ist unter Beteiligung des AOK-Bundesverbands, des Verbands der Ersatzkassen eV, des Bundesverbands Medizintechnologie eV und des BQS als gemeinnützige Gesellschaft die Endoprothesenregister Deutschland EPRD gGmbH gegründet worden, die auf freiwilliger Basis Referenzdaten zur Versorgungsqualität, Patientensicherheit und Wirksamkeit von Endoprothesen sammeln soll (vgl Deutsches Endoprothesenregister, Registerprotokoll S 2 f, http://www.eprd.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/eprd_registerprotokoll_1_0.pdf, recherchiert am 3.12.2012). Dieser Schritt wird als notwendig angesehen, weil derzeit verlässliche Daten über die Ursachen der mit den steigenden Fallzahlen bei Primärimplantaten zunehmenden Zahl von Wechseloperationen nicht verfügbar sind. Hierdurch soll es zudem ermöglicht werden, die aktuell erreichte Qualität in der Endoprothetik flächendeckend darzustellen (ebenda S 3). Auch dies erweist anschaulich die herausgehobene Komplexität der Knieendototalprothetik, die nach der mit der Regelung verfolgten gesetzgeberischen Intention ihre Einbeziehung in das Mindestmengenregime jedenfalls dem Grunde nach rechtfertigt.

55

c) Insoweit macht schließlich die Studienlage zur Kniegelenk-TEP, die das BSG als generelle Tatsache ohne die Beschränkung des § 163 SGG selbst zu bewerten vermag(stRspr, vgl BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26 f; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 18; BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, RdNr 19; BSG SozR 4-3851 § 60 Nr 4 RdNr 30 f), einen Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität hinreichend wahrscheinlich. Nach den Studien von IQWiG und BQS spricht zur Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung der Literatur und der vom GBA eingeholten Stellungnahmen mehr für als gegen einen solchen Zusammenhang.

56

aa) Das gilt entgegen der Auffassung des LSG in besonderem Maße zunächst für die Studie des IQWiG. Zwar konnte mit dieser Untersuchung von gut 90 000 bzw 110 000 Versorgungen mit Kniegelenk-TEP aus den Jahren 2003 und 2004 entgegen der mit dem Auftrag verbundenen Erwartungen kein klarer Mindestmengen-Schwellenwert abgeleitet werden (IQWiG, Entwicklung und Anwendung von Modellen zur Berechnung von Schwellenwerten bei Mindestmengen für die Knie-Totalendoprothese, Abschlussbericht vom 5.12.2005 S 44). Jedoch zeigten sich sowohl bei dem Risikofaktor "Unbeweglichkeit" (keine ausreichende postoperative Beweglichkeit) als auch dem Risikofaktor "Infektion" (postoperative Wundinfektion) Zusammenhänge zwischen Fallzahl und Qualität, die ein entsprechendes Abhängigkeitsverhältnis wahrscheinlich machen. Demgemäß fand sich beim Qualitätsmerkmal Beweglichkeit eine U-förmige Beziehung von Leistungsmenge und Komplikationen, nach der das Risiko einer unzureichenden postoperativen Beweglichkeit in Einrichtungen mit mittleren Fallzahlen (zwischen 50 bis 600) geringer war als bei Kliniken mit sehr geringen (bis unter 50) oder sehr hohen (über 600) Fallzahlen (ebenda S 21 ff, S 29 ff). Ebenso zeigte sich beim Risikofaktor Infektion ein wenn auch nicht so ausgeprägter und nur sehr langsam ansteigender Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität (ebenda S 31 ff, S 29 ff); mit einer relevanten Qualitätsverbesserung in diesem Punkt wurde erst bei Fallzahlen von über 400 Versorgungen/Jahr gerechnet (ebenda S 42). Zusammenfassend gelangte das IQWiG jedoch dazu, dass für die untersuchten Risiken ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Fallzahl und dem entsprechenden Risiko statistisch nachzuweisen ist (ebenda S 44). Das unterstütze "die Hypothese, dass es bei der Knie-TEP einen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität" gibt (ebenda S 45). Zu einem vergleichbaren Ergebnis war zuvor bereits die BQS im Rahmen der vom GBA in Auftrag gegebenen Sonderauswertung für die Jahre 2002 und 2003 bei gut 71 000 Fällen gelangt. Auch sie fand signifikante Unterschiede zwischen Krankenhäusern mit unterschiedlichen Fallzahlen, nämlich für die Qualitätsindikatoren postoperative Beweglichkeit, postoperative Wundinfektion, Reintervention wegen Komplikation sowie Letalität (BQS, Sonderauswertung Knie-Totalendoprothese: Untersuchung auf Abhängigkeit von Fallzahl und Qualität der Leistung vom 9.8.2004, S 13 ff).

57

bb) Unterstützung findet dieses Ergebnis auch im Schrifttum. Schon die von der Geschäftsstelle des GBA ausgewertete Literatur für den anglo-amerikanischen Bereich über Versorgungen aus den 1980er und 1990er Jahren legt nahe, dass im Bereich der Knietotalendoprothetik ein Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität besteht (Beschlussvorlage "Ergebnisse der AG Mindestmengen" - Beratungen des Antrages "Knie TEP" vom 20.8.2004 S 7 f). Ähnlich wird die Studienlage auch von anderen Autoren bewertet (vgl etwa Schräder/Grouven/Bender, Der Orthopäde 2007, 570, 573; wenn auch verhaltener, aber im Sinne einer Tendenz zur Ergebnisverbesserung ebenfalls Geraedts/de Cruppé/Blum/Ohmann, DÄ 2008, 890, 895). Zuletzt fand ebenso das IQWiG im Rahmen einer vom GBA beauftragten Auswertung von Studien über die Auswirkungen von Mindestmengengrenzen bei drei deutschen Studien statistisch signifikante Ergebnisse bezüglich der Zielgröße Morbidität bei der Kniegelenk-TEP (IQWiG, Rapid Report V11-01 Version 1.0, Evidenz zu Auswirkungen der Mindestmengenregelung nach § 116b SGB V, Stand 29.5.2012, S 86 f, S 120 f). Darauf hat ebenso die DGOOC in ihrer Stellungnahme im Rahmen der Anhörung durch den GBA verwiesen (ebenda S 4 ff).

58

cc) Unbeachtlich ist der hierdurch wahrscheinlich gemachte Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität entgegen der Auffassung des LSG auch nicht deshalb, weil das IQWiG den von ihm ausgewerteten Daten selbst keine ausreichende Evidenz für eine "automatische" Qualitätsverbesserung beigemessen hat und es daraus auch keinen klaren Schwellenwert für eine Mindestmenge für die Kniegelenk-TEP ableiten konnte (IQWiG-Abschlussbericht, S 44). Ein "wissenschaftlicher Nachweis" ist - wie bereits dargelegt und anders als vom IQWiG angenommen (ebenda S 45) - eben keine Voraussetzung der Mindestmengenbestimmung. Nach dem hier maßgebenden Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit darf der GBA von einer Abhängigkeit der Versorgungsqualität von der Leistungsmenge vielmehr dann ausgehen, wenn mehr für als gegen diesen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (stRspr, vgl etwa BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 20). Bedenken von solchem Gewicht gegen die vom IQWiG erhobenen und auch im Schrifttum nicht grundsätzlich angezweifelten Feststellungen kann der Senat indes auch unter Berücksichtigung der vom IQWiG angeführten Einwände gegen die Datenlage (ebenda S 43) nicht erkennen.

59

dd) Das gilt ebenso für den Umstand, dass die Studienlage eine klare Ableitung von Mindestmengen-Schwellenwerten nicht erlaubt. Dies besagt nicht, dass der vom Gesetz vorausgesetzte Zusammenhang zwischen Fallzahlen und Versorgungsqualität grundsätzlich nicht besteht. Darin drückt sich vielmehr nur aus, dass verschiedene Qualitätsparameter - wie etwa die Vermeidung postoperativer Infektionen - in unterschiedlichem Maße von steigenden Fallzahlen profitieren oder - wie die Einschränkung der Beweglichkeit - ab einem oberen Fallzahlvolumen auch negativ beeinflusst sein können. Dass ein solcher Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit gegeben ist, ist deshalb aber nicht in Zweifel zu ziehen. Daraus folgt im Gegenteil, dass die Bestimmung von Mindestmengen nicht allein Gegenstand wissenschaftlicher Ableitung sein kann. Besteht bei unterschiedlichen Qualitätsparametern mit Wahrscheinlichkeit eine jeweils anders geartete Beziehung zur Leistungsmenge, wie hier vom IQWiG angenommen, dann ist die Schwellenwertbestimmung eine Aufgabe der medizinischen Bewertung unterschiedlicher Risiken und möglicher Zielkonflikte bei unterschiedlichen Qualitätsmaßnahmen. Das aber ist keine Frage der Tatbestandsvoraussetzungen des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V. Vielmehr obliegt es später dem GBA, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen und entsprechende Wertungen vorzunehmen, soweit die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen seines Gestaltungsspielraums eröffnet sind.

60

9. Die hierbei zu beachtenden verfahrensrechtlichen Anforderungen sind entgegen der Bedenken des LSG gewahrt.

61

a) Wie auch das LSG nicht in Zweifel zieht, hat der GBA die im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Betroffenenpartizipation durch Gesetz und seiner eigenen Verfahrensvorgaben (vgl § 3 MMV 2003) ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte gewahrt. Dadurch wird sichergestellt, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl dazu BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 34). Der dargestellte Ablauf der Beratungen, die Beteiligung sowohl der BQS als auch des IQWiG, die Diskussion der Auswirkungen unterschiedlicher Mindestmengen-Schwellenwerte für die Versorgung sowie die Einholung von Stellungnahmen bei betroffenen Fachverbänden belegen anschaulich sein formal korrektes Vorgehen.

62

b) Dies gilt entgegen der Bedenken des LSG auch im Hinblick darauf, dass zum Zeitpunkt der Mindestmengenentscheidung vom 16.8.2005 der Abschlussbericht des IQWiG vom 5.12.2005 noch nicht vorgelegen hat. Dabei kann offenbleiben, wie es verfahrensrechtlich zu bewerten wäre, wenn der GBA den Abschlussbericht des IQWiG im Rahmen seiner Entscheidungsfindung vollständig unberücksichtigt gelassen hätte. Dies war jedoch entgegen der Auffassung des LSG nicht der Fall: Die Beschlussfassung vom 16.8.2005 war dadurch bestimmt, dass die Entscheidung über die Einführung einer Mindestmenge nach der insoweit maßgeblichen Verfahrensordnung der MMV 2003 bis zum 31. August eines jeden Jahres zu treffen war. Sie wurde deshalb auch mit dem Vorbehalt versehen, sie im Lichte der Ergebnisse des IQWiG neu zu bewerten. Gelegenheit dazu bestand im Rahmen der Sitzung vom 20.12.2005, in der die DKG den Antrag eingebracht hatte, den Mindestmengenbeschluss vom 16.8.2005 auszusetzen. Dies ist mehrheitlich vom GBA abgelehnt worden. Der Senat geht davon aus, dass in diesem Zusammenhang die Ergebnisse des IQWiG in ausreichendem Umfang gesichtet und bewertet worden sind, sodass sie zu diesem Zeitpunkt nachträglich in die Entscheidungsfindung einbezogen worden sind.

63

c) Verfahrensrechtlich bedurfte es dazu entgegen der Auffassung des LSG auch keiner gesonderten Begründung. Wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat, besteht für den Normgeber grundsätzlich keine Begründungspflicht (stRspr, vgl nur BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 44; BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 29). Etwas anderes gilt hier nicht deshalb, weil der GBA - wie das LSG meint - eine Stellungnahme des IQWiG iS von § 139b Abs 4 S 2 SGB V unberücksichtigt gelassen hat. Dabei kann offenbleiben, ob hierdurch eine formelle Begründungspflicht begründet wird, wie es das LSG aus einer Entscheidung des 1. Senats des BSG abgeleitet hat (Verweis auf BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 82). Denn der GBA ist nicht im Sinne dieser Vorschrift von einer Empfehlung des IQWiG abgewichen. Er konnte dessen Untersuchung vielmehr - wie bereits - dargelegt in rechtlich nicht zu beanstandender Weise entnehmen, dass im Bereich der Knieendoprothetik mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität besteht. Dass das IQWiG weitergehende Studien als Voraussetzung für eine konkrete Mindestmengenregelung für erforderlich gehalten hat, war im Hinblick auf die Frage eines möglichen Begründungszwangs unbeachtlich.

64

10. Mangels näherer Tatsachenfeststellungen ist dem Senat in der Sache indes eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Insbesondere ist nicht ausreichend zu beurteilen, von welchen Annahmen und Erwägungen der GBA sich bei der Festlegung der im Streit stehenden Mindestmenge hat leiten lassen, warum er andere Gestaltungsmöglichkeiten außer Betracht gelassen hat und ob er demgemäß von seinem Entscheidungsspielraum sachgerecht Gebrauch gemacht hat. Feststellungen hierzu hat das LSG nachzuholen; der GBA hat dabei im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflichten mitzuwirken und seine Mindestmengenentscheidung ggf auch nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen nachzubessern.

65

a) Ist dem GBA die Kompetenz zur Normgebung - wie hier - tatbestandlich eröffnet, beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in der Sache darauf, ob die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (vgl BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 9, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, RdNr 25 - Basistherapeutika bei Neurodermitis; ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 67 - Therapiehinweise). Nach diesem Maßstab stehen dem GBA bei Bestimmung des konkreten Mindestmengenschwellenwerts Spielräume zu. Nachvollziehbar ist von Seiten des IQWiG im Vorfeld seiner Gutachtenserstellung darauf hingewiesen worden, dass bei Mengen-Qualitäts-Beziehungen eher mit kontinuierlichen Entwicklungen als mit abrupten Sprüngen zu rechnen ist (vgl Tischvorlage von PD Dr. Bender für die Sitzung des Unterausschusses "Sonstige stationäre Qualitätssicherung" des GBA vom 11.2.2005, S 1). Bei solchen kontinuierlichen Verläufen, wie sie das IQWiG auch hier vorgefunden hat, werden an den Grenzen möglicher Mindestmengen - wenn überhaupt - allenfalls geringe Qualitätsunterschiede bestehen, hier also etwa bei Krankenhäusern mit 49 Kniegelenk-TEP einerseits und 50 solcher Operationen andererseits. Das stünde einer Regelung indes nicht grundsätzlich entgegen. Typisierungen und Generalisierungen sind vielmehr mit einer Normgebung vielfach verbunden und auch von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden; Härten im Einzelfall könnten dabei hinzunehmen sein. Anders als es bei Beauftragung des IQWiG möglicherweise der Vorstellung des GBA entsprach, besteht die Befugnis zur Bestimmung von konkreten Mindestmengen deshalb nicht nur dann, wenn sich bei Mengen-Qualitäts-Beziehungen klare Schwellenwerte mit jeweils deutlich unterschiedlichen Qualitätsstufen zeigen ("treppenförmiger Verlauf"). Im Rahmen seines Gestaltungspielraums darf der GBA vielmehr auch beim Fehlen von eindeutigen Schwellenwerten typisierend Mindestmengen festsetzen; die jeweilige Grenzziehung bedarf dann indes einer nachvollziehbaren Begründung.

66

b) Im Rahmen der Feststellung von konkreten Mindestmengen-Schwellenwerten wird sodann zu ermitteln sein, welche Auswirkungen diese für die Versorgungssituation mit Kniegelenk-TEP im Allgemeinen haben; zudem ist zu prüfen, wie die zu erwartenden Versorgungsvorteile bei unterschiedlichen Mindestmengen in medizinischer Hinsicht zu bewerten sind und ob anzunehmen ist, dass diese Vorteile durch andere Instrumente der Qualitätssicherung voraussichtlich bei zumutbarem Aufwand mutmaßlich nicht zu erreichen sind. Mit Blick auf größere Divergenzen bei den infrage kommenden Schwellenwerten - wenn es etwa um 20 oder aber um 50 Operationen pro Jahr geht - wird ein höherer Schwellenwert im Allgemeinen nur zu rechtfertigen sein, wenn dem auch entsprechende Vorteile für die Versorgung gegenüber stehen. Im vorliegenden Fall dürfte deshalb zu ermitteln sein, welche statistischen Versorgungsvorteile eine höhere Mindestmenge bringt, worauf sich dies stützt und inwieweit dem medizinische Relevanz zukommt. Ist danach ein solcher Vorteil plausibel und wahrscheinlich, liegt es allerdings im Normsetzungsermessen des GBA, dies medizinisch zu bewerten. Den Gerichten ist es dagegen verwehrt, insoweit ihre eigene Einschätzung an die Stelle des GBA zu setzen, wie etwa hier das LSG in Bezug auf die Relevanz der vom GBA erwarteten Reduzierung des Infektionsrisikos bei einer Mindestmenge von 50 zu verstehen sein könnte.

67

c) Zu beachten ist weiterhin die Auswahl der "richtigen" Qualitätsparameter, die der Folgenabschätzung zu Grunde gelegt werden sollen. Der GBA hat hier mit den Kriterien "Unbeweglichkeit" und "Infektion" zwei wesentliche Parameter für die Bemessung der Versorgungsqualität bei der Kniegelenk-TEP gewählt, andere hingegen nicht berücksichtigt. Jedoch zeigt sich schon an den hierzu gefundenen Ergebnissen, dass unter verschiedenen Qualitätsparametern Zielkonflikte bestehen können, die eine divergierende Mengenbetrachtung veranlassen könnten. Deshalb werden sich sowohl die vorbereitenden Untersuchungen als auch die Mindestmengenbestimmung selbst grundsätzlich regelmäßig an der Gesamtheit aller Parameter zu orientieren haben, die aus sachverständiger medizinischer Sicht als klinisch erhebliche Qualitätszeichen anzusehen sind (vgl beispielhaft Geraedts/Ohmann/Blum/Müller, Abschlussbericht zur Begleitforschung zur Einführung von Mindestmengen gemäß § 137 Abs 1 S 3 Nr 3 SGB V für den Zeitraum 1.12.2005 - 30.11.2007, Dezember 2007, S 67 f mit Anlage 19, zur Kniegelenk-TEP S 14). Das schließt nicht aus, dass unter den in Betracht kommenden Prüfkriterien eine Auswahl getroffen wird. Diese wird regelmäßig aber nur dann der rechtlichen Überprüfung standhalten können, wenn nachvollziehbar angenommen werden kann, dass die Bandbreite der möglichen Qualitätsparameter durch die getroffene Auswahl angemessen repräsentiert wird.

68

d) Ungeachtet einer konkreten Mindestmengenbestimmung besteht bei kontinuierlichen Verläufen darüber hinaus besonderer Anlass, über die Einführung von Ausnahmetatbeständen iS von § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V zu befinden. Diese dem GBA ausdrücklich eingeräumte Kompetenz zielt offenkundig darauf, typisierungsbedingte Härten der Mindestmengenregelung abzumildern. Deshalb kann es nahe liegen, bei Erfüllung vom GBA im Einzelnen festzulegender Qualitätsanforderungen auch Einrichtungen in einem zu bestimmenden Korridor unterhalb der festgesetzten Mindestmenge die Teilnahme an der betroffenen Versorgung zu ermöglichen. Dies könnte auch etwaigen Fehlanreizen entgegen wirken, Fallzahlen im Hinblick auf die Mindestmengenregelung möglichst auszuweiten. So ist zB zu erwägen, ob nicht solche Ausnahmeregelungen, die in der Vergangenheit bereits erfolgreich vom GBA praktiziert worden sind (vgl die Zulassung von Krankenhäusern mit "guter Qualität" - BAnz Nr 204 vom 27.10.2005 S 15659), auch in Zukunft - zumindest ergänzend - als Qualitätsmarker herangezogen werden können, um eine strikte Mindestmengenbegrenzung zu vermeiden oder ihre Folgen für einzelne Krankenhäuser abzumildern.

69

e) Schließlich wird zu bedenken sein, ob eine gemäß den vorstehenden Ausführungen ermittelte Mindestmenge einrichtungs- oder arztbezogen anzuwenden ist. Die Vorschrift des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB V selbst lässt beides zu. Die Entscheidung zwischen diesen Alternativen liegt weitgehend im pflichtgemäßen Gestaltungsermessen des GBA.

70

11. Die weitere Aufklärung der offenen Fragen vom Revisionsgericht nachzuholen, erscheint untunlich (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Deshalb wird im wiedereröffneten Verfahren das LSG - durch einen für die allgemeine Krankenversicherung zuständigen Senat - in eigener Verantwortung zu prüfen haben, ob die Entscheidung des GBA auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage beruht und den aufgezeigten rechtlichen Maßstäben gerecht wird. Sollte das LSG dabei wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass die im Streit stehende Mindestmengenbestimmung rechtswidrig ist, wird es zu beachten haben, dass die von ihm behauptete Normverwerfungskompetenz im sozialgerichtlichen Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs von § 55a SGG nicht besteht. Es erscheint auch kaum wahrscheinlich, dass eine im Verhältnis zwischen Leistungserbringer und GBA getroffene gerichtliche Feststellung von den übrigen GKV-Beteiligten nicht berücksichtigt wird. Die vom LSG insoweit geäußerte Befürchtung ist unbegründet, wie auch der Aussetzungsbeschluss des GBA vom 15.9.2011 (BAnz Nr 157 vom 18.10.2011 S 3637) zeigt.

71

12. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

72

13. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 GKG. Ausgehend von dem von der Klägerin angegebenen Umsatz von 364 000 Euro bei 50 Kniegelenk-TEP pro Jahr bemisst der Senat ihr wirtschaftliches Interesse an ihrem Rechtsschutzziel, solche Operationen in dem bis dahin geübten Umfang auch unterhalb der Mindestmengenschwelle von 50 Operationen im Jahr durchführen zu dürfen. Bei nur 30 solcher Operationen wie zuletzt im Jahr der mündlichen Verhandlung vor dem LSG folgt daraus auf drei Jahre bemessen der Betrag von 655 200 Euro (= 364 000 : 50 x 30 x 3).

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit sowie die Gewährung von Leistungen.

Der 1967 geborene Kläger absolvierte von Oktober 1984 bis Mai 1986 eine Ausbildung zum Betonbauer und arbeitete anschließend in diesem Beruf bis 31.05.2006 mit einer Unterbrechung durch den Wehrdienst (Juni 1989 bis August 1990).

Am 14.09.1999 wurde beim Kläger durch eine CT ein Bandscheibenprolaps L5/S1 festgestellt, der im Rahmen eines stationären Aufenthalts im Klinikum A-Stadt vom 05.10.1999 bis 14.10.1999 operativ mittels mikroneurochirurgischer Sequesterentfernung und Bandscheibenfachausräumung im Segment L5/S1 und erweiterter intralaminärer Fensterung versorgt wurde. Am 04.09.2000 erfolgte eine Re-Nukleotomie L5/S1 mit Nervenwurzeldekompression S1. Im Rahmen eines stationären Aufenthalts im Klinikum A-Stadt vom 10.06.2003 bis 19.06.2003 erfolgte sodann eine operative Revision mittels Re-Nukleotomie und Radikulodekompression bzw. Radikulyse mit erweiterter interlaminärer Fensterung am 13.06.2003.

Aufgrund einer Anzeige der AOK vom 08.08.2003 über den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren zur Prüfung der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV (BK 2108) ein und holte eine Stellungnahme des Chirurgen Dr. E. vom 21.01.2008 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass ein wesentlicher Ursachenzusammenhang der Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers mit der beruflichen Hebe- und Tragebelastung nicht wahrscheinlich sei. Dies bestätigte der staatliche Gewerbearzt Dr. H ...

Mit Bescheid vom 18.03.2008 (Widerspruchsbescheid vom 25.11.2008) lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung von Leistungen mit der Begründung ab, dass eine BK 2108 beim Kläger nicht vorliege.

Am 11.12.2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Das SG hat den Kläger am 13.08.2009 durch den Orthopäden Dr. W. gerichtsärztlich untersuchen lassen. In seinem Gutachten vom 20.08.2009 ist Dr. W. zu dem Ergebnis gekommen, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers wesentlich durch die berufliche Hebe- und Tragebelastung verursacht worden und mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 50 v. H. zu bewerten sei.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02.10.2009 unter Vorlage einer Stellungnahme des Chirurgen Dr. M. vom 28.09.2009 die Auffassung aufrecht erhalten, dass die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers nicht wesentlich durch die berufliche Hebe- und Tragebelastung verursacht worden sei.

Mit Urteil vom 29.07.2010 hat das SG unter Abänderung des Bescheides vom 18.03.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2008 festgestellt, dass die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung ist, und die Beklagte verurteilt, Verletztengeld entsprechend den gesetzlichen Vorschriften sowie Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 40 v. H. ab Beendigung des Anspruchs auf Verletztengeld zu gewähren, und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Keines der sogenannten Zusatzkriterien für das Vorliegen einer Konstellation B2 der „Konsensempfehlungen“ (Prolaps an mehreren Bandscheiben oder bei monosegmentaler Betroffenheit Nachweis einer black disc in mindestens zwei angrenzenden Segmenten; besonders intensive Belastung; besonderes Gefährdungspotential durch Belastungsspitzen) sei erfüllt. Es müsse daher von einer Konstellation B3 ausgegangen werden. Die Beklagte hat zudem eine Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 29.11.2010 vorgelegt, wonach beim Kläger eine Gesamtdosis von 16 MNh nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell errechnet worden.

Der Senat hat ein Gutachten des Prof. Dr. B. vom 21.08.2012 mit Zusatzgutachten des Neurologen Dr. K. vom 21.11.2011 und des Radiologen Dr. B. vom 21.02.2012 eingeholt. Der Neurologe Dr. K. hat die neurologischen Ausfälle mit einer MdE von 50 v. H. und eine depressive Störung, die er durch ein chronisches Schmerzsyndrom hervorgerufen sieht, mit einer MdE von 40 v. H. eingeschätzt, woraus er eine Gesamt-MdE auf seinem Fachgebiet von 70 v. H. schließt. Nach Prof. Dr. B. liege beim Kläger ein monosegmentaler Bandscheibenschaden mit Diagnose eines Bandscheibenprolaps L5/S1 am 14.09.1999 vor. Es bestehe eine plausible zeitliche Korrelation zwischen beruflicher Einwirkung und Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung. Wesentliche außerberuflich bedingte konkurrierende Ursachenfaktoren lägen nicht vor. Hinweise auf eine Begleitspondylose ergäben sich nicht. Das Zusatzkriterium „Black disc in zwei angrenzenden Segmenten“ sei nicht erfüllt. Hinsichtlich der besonders intensiven Belastung sei noch eine Überarbeitung der Stellungnahme des Präventionsdienstes erforderlich. Hohe Belastungsspitzen seien nicht erkennbar.

In einer weiteren Stellungnahme vom 22.02.2013 hat der Präventionsdienst der Beklagten nach weiteren Ermittlungen (u. a. Befragung von Zeugen) eine Gesamtdosis von 13,7 MNh (bis 1999) bzw. 20 MNh (bis 2006) errechnet und ausgeführt, eine besonders intensive Belastung sei nicht erkennbar. Diese Stellungnahme hat der Präventionsdienst am 03.06.2013 ergänzt.

Der Senat hat die damaligen Arbeitskollegen des Klägers A. (M) und D. (F) als Zeugen in der nichtöffentlichen Sitzung vom 08.01.2014 durch den Berichterstatter angehört.

Der Kläger hat am 12.02.2014 Anschlussberufung erhoben.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 29.07.2010 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 18.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2008 abzuweisen sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 29.07.2010 sowie den Bescheid vom 18.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Verletztengeld entsprechend den gesetzlichen Vorschriften sowie Verletztenrente nach einer MdE von mehr als 40 v. H. zu gewähren und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise 1. eine ergänzende Begutachtung durch Prof. Dr. B. gemäß Schriftsatz vom 11.04.2014, Seite 4, 2. eine psychiatrische Begutachtung (§ 106 SGG) zur zeitlichen Entwicklung der BK-bedingten psychiatrischen Beeinträchtigung und zur diesbezüglichen MdE-Bewertung durchzuführen, 3. eine erneute Feststellung durch einen nicht von der Beklagten abhängigen Dienst zu veranlassen, die die vorliegende Präventionsdienstfeststellung ersetzt, ferner hilfsweise die Revision zuzulassen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakte sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Gründe

1. Die fristgerecht erhobene und auch ansonsten zulässige Berufung (§§ 141, 142, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung einer BK Nr. 2108. Die Klage war als Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Streitgegenstand ist allein die Anerkennung einer BK 2108. In dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 18.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2008 ist die Anerkennung einer BK 2108 abgelehnt, ein Anspruch auf Verletztengeld oder Verletztenrente ist jedoch nicht geprüft worden, auch wenn die Beklagte im Entscheidungssatz des Bescheides „die Gewährung von Leistungen“ abgelehnt hat. Verwaltungsakte sind unter entsprechender Anwendung der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen auszulegen. Maßgeblich ist der objektive Sinngehalt der Erklärung, d. h. wie der Empfänger die Erklärung bei verständiger Würdigung objektiv verstehen musste (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 31 Rdnr. 25 f.). Der Kläger musste den Bescheid vom 18.03.2008 so verstehen, dass darin eine verbindliche Regelung in Bezug auf das Nichtvorliegen einer BK 2108 getroffen werden sollte und nicht über eine konkrete Leistungspflicht der Beklagten. Denn insofern enthalten die angegriffenen Verwaltungsakte - abgesehen von deren lapidaren Hinweis auf die Ablehnung von Leistungen - keine Ausführungen. Soweit das SG in Ziffer II. des angefochtenen Urteils dennoch die Beklagte zur Leistung von Verletztengeld und Verletztenrente verurteilt hat, konnte das Urteil insofern schon wegen der Unzulässigkeit der Klage keinen Bestand haben. Unzulässig war die Klage insofern, weil - wie ausgeführt - bezüglich einer Leistungsbewilligung keine Verwaltungsentscheidung vorliegt. Im Übrigen lägen aber auch, wie sich aus dem Folgenden ergibt, die Leistungsvoraussetzungen nicht vor. Auch im Übrigen hat das Urteil keinen Bestand, weil kein Versicherungsfall gegeben ist. Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung“, „Einwirkungen“ und „Krankheit“ müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 27.06.2006, B 2 U 20/04 R und vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R). Um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zu bejahen, muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, das ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden und nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (BSG, Urteil vom 08.08.2001, B 9 U 23/01 R juris Rn. 4 m. w. N.). Was die hinreichende Wahrscheinlichkeit betrifft, sind die diesbezüglichen Anforderungen grundsätzlich höher als diejenigen an die sogenannte überwiegende Wahrscheinlichkeit (Glaubhaftmachung im Sinne eines Beweismaßes; BSG, Urteil vom 08.08.2001, B 9 U 23/01 R juris Rn. 4 f. m. w. N.; zum BVG BSG, Urteil vom 14.12.2006, B 4 R 29/06 R juris Rn. 116). In Abgrenzung zu der hier maßgeblichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit wird unter überwiegender Wahrscheinlichkeit (Glaubhaftmachung) die gute Möglichkeit verstanden, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei gewisse Zweifel bestehen bleiben können; das Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Der sogenannte Vollbeweis ist auf der anderen Seite erst erfüllt, wenn eine Tatsache in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung, die bei an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben ist, zu begründen (vgl. BSG, Urteil vom 29.03.1963, 2 RU 75/61; vom 22.09.1977, 10 RV 15/77; vom 01.08.1978, 7 RAr 37/77; vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R; vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 128 Rn. 3b m. w. N.). Von Nr. 2108 der Anlage I zur BKV werden „bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können“, erfasst. Nach dem Tatbestand der BK 2108 muss also der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK 2108 nicht vor (vgl. BSG, Urteile vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R sowie vom 18.11.2008, B 2 U 14/07 R und B 2 U 14/08 R).

a. Der Anspruch des Klägers scheitert hier nicht daran, dass die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen, d. h. die im Sinne der BK 2108 erforderlichen Einwirkungen durch langjähriges schweres Heben und Tragen bzw. Arbeit in Rumpfbeugehaltung, nicht gegeben wären. Zur Bestimmung des Ausmaßes der erforderlichen Einwirkungen bei der BK 2108 ist nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 18.03.2003, B 2 U 13/02 R = BSGE 91, 23) auf der Basis der Deutschen Wirbelsäulenstudie auf das Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) abzustellen (vgl. dazu die grundlegende Veröffentlichung von Jäger u. a., ASUMed 1999, 101 ff, 112 ff). Dieses Modell stellt grundsätzlich eine geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Text der BK 2108 mit den unbestimmten Rechtsbegriffen „langjähriges“ Heben und Tragen „schwerer“ Lasten oder „langjährige“ Tätigkeit in „extremer Rumpfbeugehaltung“ nur ungenau umschriebenen Einwirkungen dar (BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 1/02 R). Jedoch müssen die vom MDD vorgegebenen Orientierungswerte im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse modifiziert werden (BSG, Urteil vom 30.10.07, B 2 U 4/06 R). Welches Maß an belastenden Einwirkungen mindestens erforderlich ist, um eine BK - ggf. unter Einbeziehung weiterer Kriterien - anzuerkennen oder umgekehrt, wo die Mindestgrenze liegt, bis zu der ein rechtlich relevanter Ursachenzusammenhang ohne weitere Prüfung ausgeschlossen werden kann, ist danach unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu entscheiden (BSG, Urteile vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R und vom 27.06.2006, B 2 U 20/04 R). Bezüglich der BK 2108 bedarf das MDD im Hinblick auf die an seinen wissenschaftlichen Grundlagen und seinem Berechnungsmodus geäußerte Kritik der weiteren Überprüfung. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse deuten nämlich darauf hin, dass auch unterhalb der Orientierungswerte nach dem MDD liegende Werte ein erhöhtes Risiko für Bandscheibenerkrankungen auslösen können. Auf eine Mindesttagesdosis ist daher entsprechend dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie zu verzichten. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der Lendenwirbelsäule ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist zudem auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 x 10 6 Nh bei Männern herabzusetzen (vgl. dazu BSG vom 30.10.2007 a. a. O. m. w. N.). Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben scheitert die Feststellung einer BK Nr. 2108 vorliegend nicht bereits an den arbeitstechnischen Voraussetzungen. Der 1967 geborene Kläger hat folgende Tätigkeiten ausgeübt, in denen er rückenbelastend tätig gewesen ist: Ab 9/1983 hat er das Berufsgrundschuljahr absolviert. Danach war er von 01.09.1984 bis 31.05.1986 in Lehre als Betonbauer und arbeitete ab dem 15.07.1986 in diesem Beruf. Wehrdienst leistete er vom 05.06.1989 bis 31.08.1990, um anschließend wieder als Betonbauer auf Baustellen weiter zu arbeiten. Zwischen Juni 2000 und 10.07.2001 war der Kläger wegen eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig erkrankt und wurde danach im Fertigteilwerk eingesetzt. Ab Juni 2006 war er (wegen Arbeitsunfähigkeit) nicht mehr rückenbelastend tätig. Am 11.10.1999 (Arbeitsunfähigkeit 13.09.1999 bis 09.02.2000) wurde eine erste Wirbelsäulenoperation wegen eines Bandscheibenprolaps L5/S1 durchgeführt, am 04.09.2000 (Arbeitsunfähigkeit 10.05.2000 bis 02.02.2001) eine zweite und am 13.06.2003 eine dritte Wirbelsäulenoperation (Arbeitsunfähigkeit 10.06.2003 bis 27.10.2004).

Der Präventionsdienst der Beklagten hat beim Kläger auf der Grundlage der eigenen Erhebungen und der Angaben des Klägers für den Zeitraum von 1984 bis 1999 eine Gesamtdosis von 13,7 x 10 6 Nh (MNh) und für den Zeitraum 1984 bis 2006 in Höhe von 20 MNh errechnet. Dieser Wert liegt über der nach dem MDD mit den oben genannten Modifikationen anzusetzenden Gesamtbelastungsdosis. Da die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, geht der vom Kläger insoweit gestellte Hilfsantrag ins Leere.

b. Der Anspruch scheitert jedoch an den arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für eine BK 2108. In der medizinischen Wissenschaft ist anerkannt, dass Bandscheibenschäden und Bandscheibenvorfälle insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie. Da diese Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, genauso wie in solchen, die wie der Kläger auch schwere körperliche Arbeiten geleistet haben, kann allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des MDD die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhanges nicht begründen (vgl. Merkblatt zu der BK 2108, BArbBl. 2006, Heft 10 S. 30 ff.). Im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Beurteilung des Ursachenzusammenhanges bei der BK 2108 bedarf es weiterer Kriterien für die Beurteilung der beruflichen Verursachung. Diese dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS sind in den sogenannten Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung niedergelegt (vgl. Trauma und Berufskrankheit Heft 3/2005, Springer Medizin Verlag, S. 211 ff). Der vom Senat eingesetzte Sachverständige Prof. Dr. C. der an der Erarbeitung der Konsensempfehlungen beteiligt war, hat keinen neueren, von den Konsensempfehlungen abweichenden Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule aufgezeigt. Ein neuerer Stand der medizinischen Wissenschaft ist auch sonst nicht ersichtlich. Die sog. Konsensempfehlungen stellen also den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von Lendenwirbelsäulenerkrankungen durch körperliche berufliche Belastungen dar. (vgl. dazu auch Bayer. LSG, Urteil vom 31.01.2013, L 17 U 244/06; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.05.2010, L 3 U 19/06; BSG, Urteil vom 27.10.2009, B 2 U 16/08 R). Beim Kläger liegt die Konstellation „B 3“ der in den Konsensempfehlungen definierten Befundkonstellationen vor. Die allein zu Bejahen der medizinischen Voraussetzungen der BK 2108 führende Konstellation „B 2“ liegt nicht vor, da die danach zusätzlich zu der (monosegmentalen) bandscheibenbedingten Erkrankung notwendigen Zusatzkriterien nicht vorliegen. Bei der Konstellation „B 2“ muss mindestens eines der folgenden Kriterien zusätzlich erfüllt sein, um einen Zusammenhang hinreichend wahrscheinlich zu machen: Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben - bei monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 „black disc“ im Magnetresonanztomogramm in mindestens 2 angrenzenden Segmenten oder besonders intensive Belastung (Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren) oder besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen (Anhaltspunkt: Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4 1/2 kN; Männer ab 6 kN)). Für die Einstufung der bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne eines belastungskonformen Schadensbildes als berufsbedingt ist entscheidend auf den Befund im Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit abzustellen (vgl. Konsensempfehlungen, a. a. O., 1.2 Bildgebende Befunde). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze sind die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen der BK 2108 vorliegend nicht erfüllt. Das Vorliegen einer durch die berufliche Tätigkeit verursachten bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS im Sinne der BK 2108 ist nicht nachgewiesen. Zwar ergibt sich insbesondere aus dem Gutachten Prof. Dr. B. vom 21.08.2012 mit radiologischem Zusatzgutachten Dr. B. vom 21.02.2012 zur vollen Überzeugung des Senats, dass beim Kläger zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorlag. Diese bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft allerdings nur das Segment L5/S1. Zu diesem Segment war erstmals in einer Computertomographie vom 14.09.1999 ein altersuntypischer Bandscheibenprolaps diagnostiziert wurde, der zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr als frisch einzustufen war. Nach den Befunden aus dem Jahr 2006 (CT vom 02.06.2006 und vom 13.08.2006) ergaben sich keine wesentlichen Veränderungen gegenüber den Vorbefunden, insbesondere lag also eine Chondrose im Segment L5/S1 (drittgradig) vor, die schon am 09.06.2000 (damals als erstgradig) beschrieben wurde. Eine Begleitspondylose an der LWS war nicht gegeben. Dies belegen die Ausführungen des Radiologen Dr. B., denen sich Prof. Dr. B. angeschlossen hat. Damit lag zum maßgeblichen Zeitpunkt ein Befund vor, der die Einordnung in die Konstellation „B 2“ oder „B 3“ möglich macht. Ein für die Einstufung in „B 2“ notwendiges sogenanntes Zusatzkriterium ist nicht gegeben. Das bei monosegmentaler Betroffenheit in Betracht kommende radiologische Zusatzkriterium „black disc in zwei angrenzenden Segmenten“ war zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht mit dem erforderlichen Überzeugungsgrad (Vollbeweis) gegeben. Maßgeblicher Zeitpunkt ist, wie ausgeführt, der Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeiten im Jahre 2006. Für diesen Zeitpunkt hat der radiologische Sachverständige Dr. B. das Vorliegen einer black disc in nachvollziehbarer und überzeugender Weise ausgeschlossen. Dr. B. hat hierzu ausgeführt, dass lediglich im Bereich L5/S1 eine chondrotisch veränderte Bandscheibe mit Signaländerung vorliegt, nicht aber in den angrenzenden Segmenten. Der zu fordernde Überzeugungsgrad ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des vom SG gehörten Sachverständigen Dr. W ... Zum einen benennt Dr. W. die von ihm in den MRT-Aufnahmen aus dem Jahr 2007 in den Bandscheibenzwischenräumen L 4/5 und L 2/3 gesehenen Veränderungen selbst nicht als black disc, zum anderen beziehen sich die Ausführungen des Dr. W. auf das Jahr 2007. Zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger seine belastende Tätigkeit aber bereits seit längerem nicht mehr ausgeübt. Auch die alternativ bestehenden Zusatzkriterien der Konstellation „B 2“ sind nicht erfüllt. Ein besonderes hohes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen ist nicht zur vollen Überzeugung des Senats nachgewiesen. Die Konsensempfehlungen bejahen dieses Zusatzkriterium bei Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes (für Männer 6,0 kNH) durch hohe Belastungsspitzen. Das besondere Gefährdungspotential ist als zusätzliches Kriterium der Fallgruppe „B 2“ auch nach der Modifikation des Mainz-Dortmunder-Dosismodells durch das bereits in Bezug genommene Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R, noch anzuwenden, soweit die in dem Kriterium genannten Mindestwerte erreicht oder überschritten werden (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt vom 17.08.2011, L 6 U 76/08). Dies ist beim Kläger zur Überzeugung des Senats nicht der Fall. Diesbezügliche Zweifel, die die Annahme hoher Belastungsspitzen im Sinne des genannten Zusatzkriteriums ausschließen, ergeben sich aus den nachvollziehbaren Feststellungen des Präventionsdienstes. Da der Kläger den Richtwert für die Lebensdosis nach den oben getroffenen Feststellungen des Senats nicht in weniger als zehn Jahren erreicht hat, liegt auch keine „besonders intensive Belastung“ vor. Der Senat stützt sich bei dieser Beurteilung auf die Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten (vgl. insbesondere die Stellungnahmen vom 22.03.2013 und 03.06.2013), an deren Richtigkeit keine vernünftigen Zweifel bestehen. Der Präventionsdienst hat seinen Berechnungen zur Überzeugung des Senats vielmehr auch insofern zutreffende Annahmen zugrunde gelegt. Der Präventionsdienst hat die einzelnen beruflichen Tätigkeiten des Klägers jahrgangsweise bewertet und ist dabei ausgehend vom Berufsgrundschuljahr (Teildosis 0,1 MNh) über die Lehrjahre (01.09.1984 bis 31.07.1987; Teildosis 3 MNh), die Tätigkeit als Stahlbetonbauer auf Baustellen (01.08.1987 bis 09.07.2000; Teildosis 11 MNh) und die Jahre im Fertigteilwerk (10.07.2000 bis 31.05.2006; Teildosis 5,90 MNH) zu einer nachvollziehbaren Gesamtbelastung gelangt. Soweit der Kläger im Zusammenhang mit den Ermittlungen des Präventionsdienstes gerügt hat (Schriftsatz vom 04.04.2013), der Senat hätte die Zeugen selbst befragen müssen, hat diese Befragung durch den Berichterstatter am 08.01.2014 stattgefunden. Die Zeugen haben die vom Präventionsdienst zugrunde gelegten Annahmen bestätigt. Durch die Angaben des M steht insbesondere fest, dass der Kläger die gleichen Arbeitszeiten wie alle anderen Mitarbeiter im Fertigteilwerk hatte, wobei zwar bei Bedarf auch länger gearbeitet wurde, etwa, um ein Werkstück fertig zustellen, dass aber Arbeitszeiten wenn möglich ausgeglichen wurden, wozu auch ein Arbeitszeitkonto eingerichtet war. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Präventionsdienst seinen Berechnungen die üblichen Arbeitszeiten zugrunde gelegt hat. Die vom Kläger behaupteten übermäßigen Überstunden wurden von M gerade nicht bestätigt. Auch wenn dem Kläger, wie von ihm behauptet, nach seinem gesundheitsbedingten Ausscheiden noch ein Überstundenkontingent ausgezahlt wurde, deutet nichts darauf hin, dass (allein) der Kläger regelmäßig Mehrstunden leisten musste. Vielmehr ist dies Ausdruck des Arbeitszeitkontos, das beim Kläger wegen seines krankheitsbedingten Ausscheidens und seiner zuvor schon aufgetretenen krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht mehr auf andere Weise ausgeglichen werden konnte. Der Präventionsdienst hat die Arbeitsunfähigkeitszeiten ausweislich der mit der Stellungnahme vom 22.02.2013 vorgelegten Berechnungsbögen auch korrekt berücksichtigt, wie ein Vergleich mit der Aufstellung der AOK vom 19.09.2007 ergibt. Der entsprechende pauschalisierend erhobene Einwand des Klägers greift daher nicht durch. Auch die übrigen vom Klägervertreter im Schriftsatz vom 04.04.2013 gegen die Berechnung des Präventionsdienstes vorgebrachten Einwendungen erweisen sich als nicht stichhaltig. Insbesondere hat der Präventionsdienst berücksichtigt, dass der Kläger über weite Teile seiner Beschäftigungszeiten auf Grossbaustellen und im Industriebau tätig war, wie in der ergänzenden Stellungnahme vom 03.06.2013 nochmals bestätigt wurde. Der Zeitpunkt des Wechsels in das Betonteilwerk wurde vom Präventionsdienst nach den Angaben des Klägers angenommen. Die Einwendungen zum Format der verwendeten Steine, zu den Schaufel- und Tragearbeiten, zu den Schubkarrentransporten und dem Gewicht von Fliesen wurden vom Präventionsdienst in seiner ergänzenden Stellungnahme unter Benennung der Fundstellen in den Berechnungsbögen entkräftet; dieser hat entgegen der Annahme des Klägers insbesondere die Einzeltätigkeiten bei der Berechnung berücksichtigt. Soweit der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 31.07.2013 weitere, angeblich von dem Präventionsdienst nicht berücksichtigte Arbeiten vorgetragen hat, sind diese nicht nachvollziehbar. Der Umfang der vom Kläger aufgeführten Tätigkeiten entspricht offensichtlich nicht dem tatsächlich geleisteten Zeitaufwand. So werden etwa die Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (Beugung des Oberkörpers um mehr als 90°) mit 3 Stunden täglich (Einschalen von Fundamenten), weiteren 3 Stunden täglich (Schalung von Wänden), weiteren 2,5 Stunden täglich (Schalen von Decken), weiteren 3 x 3 Stunden für das Betonieren von Decken mit Kran und Betonpumpe angegeben. Demgegenüber hat der Präventionsdienst diese Arbeiten berücksichtigt (vgl. S. 15 ff. der Berechnungsbögen), zeitlich nachvollziehbar gewichtet und auf dieser Grundlage die Belastung zutreffend errechnet. Der Senat stellt daher auf der Grundlage der Berechnungen des Präventionsdienstes fest, dass der Kläger mit einer Lebensdosis von insgesamt 20 MNh belastet wurde und damit den MDD-Richtwert für die Lebensdosis von 25 MNh nicht erreicht hat, schon gar nicht in weniger als 10 Jahren, so dass keine besonders intensive Belastung im Sinne der Konsensempfehlungen vorliegt. Diese sind vom Wortlaut her eindeutig und lassen es auch nicht zu, einen halbierten Bezugswert statt dem in den Konsensempfehlungen bezeichneten Bezugswert von 25 MNh zugrunde zu legen, wie dies Prof. Dr. B. befürwortet. Der Gutachter überträgt nämlich unreflektiert die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Bestimmung des Ausmaßes der erforderlichen Einwirkungen bei der BK 2108 (vgl. dazu oben 1a) auf das bezeichnete Zusatzkriterium, wenn er darlegt, dass es sich auch bei diesem Zusatzkriterium nur um einen Orientierungswert handelt. Der Grund für die Halbierung der im MDD vorgeschlagenen Orientierungswerte für die Gesamtbelastungsdosis bestand darin, dass es eines Sicherheitsabschlags bedarf, wenn die Gesamtbelastungsdosis als Ausschlusskriterium für das Vorliegen einer BK 2108 verwendet werden soll. Aus der deutschen Wirbelsäulenstudie haben sich nämlich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bandscheibenbedingte Erkrankungen der Wirbelsäule auch bei der Unterschreitung der im MDD vorgeschlagenen Orientierungswerte beruflich verursacht sein können. Bei dem Zusatzkriterium für die Konstellation B2 handelt es sich jedoch nicht um ein Ausschlusskriterium, sondern um eines von mehreren Elementen zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs. Da ihm keine Ausschlussfunktion zukommt, ist es nicht sachgerecht, Sicherheitsabschläge in einer Höhe anzusetzen, die die Aussagekraft des Zusatzkriteriums völlig aufhebt. Hierdurch wären die Konsensempfehlungen insgesamt infrage gestellt, ohne dass die deutsche Wirbelsäulenstudie hierfür belastbare Anhaltspunkte geliefert hätte. Dass sich ein Konsens dahingehend gebildet hätte, bei monosegmentalen Schadensbildern von Zusatzkriterien abzusehen, ist weder aus der deutschen Wirbelsäulenstudie noch aus sonst von Prof. Dr. B. oder den anderen Gutachtern in Bezug genommenen Quellen ersichtlich. Deshalb verbleibt es dabei, dass nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft bei der Konstellation „B 3“ mehr gegen als für einen Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und bandscheibenbedingter Erkrankung der Wirbelsäule spricht. Im Übrigen erreicht der Kläger auch den hälftigen Wert von 12,5 MNh nicht in einem Zeitraum von weniger als 10 Jahren. In dem maßgeblichen Zeitraum vor 1999, also vor Auftreten des Bandscheibenvorfalls L5/S1, war der Kläger nicht ansatzweise einer besonders intensiven Belastung ausgesetzt. In diesem Belastungszeitraum von 15 Jahren war der Kläger nämlich insgesamt nur einer Belastung von 13,7 MNh ausgesetzt. Dies gilt aber auch, wie sich der Senat aufgrund der Berechnungen des Präventionsdienstes überzeugt hat, für jeden anderen 10-Jahreszeitraum zwischen 1984 und 2006. Die Jahresdosis betrug nämlich im Einzelnen 218,0 kNh (1984), 654,0 kNh (jeweils 1985 und 1986), 393,9 kNh (1987), 33,5 kNh (1988), 14,2 kNh (1989), 11,2 kNh (1990), 33,5 kNh (jeweils 1991 bis 1998), 27,3 kNh (1999), 1320,7 kNh (2001), 1452,0 kNh (2002), 807,6 kNh (2003), 257,9 kNh (2004), 1452,0 kNh (2005) und 600,7 kNh (2006). Da auch keine besonders intensive Belastung im Sinne der Konsensempfehlungen beim Kläger vorliegt, spricht daher bei dem gegebenen monosegmentalen Befund ohne weitere Zusatzkriterien deutlich mehr gegen als für einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung und der Wirbelsäulenerkrankung, so dass die Voraussetzungen einer BK 2108 nicht erfüllt sind. Das stattgebende Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 29.07.2010 war daher aufzuheben und die gegen den Bescheid vom 18.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2008 gerichtete Klage insgesamt abzuweisen.

2. Die unselbstständige Anschlussberufung des Klägers war schon deshalb zurückzuweisen, weil, wie oben ausgeführt, ein möglicher Verletztenrentenanspruch des Klägers nicht streitgegenständlich ist. Eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer (höheren) Verletztenrente scheidet schon deshalb aus. Im Übrigen ist ein Rentenanspruch auch nicht gegeben, weil keine BK 2108 gegeben ist.

3. Den vom Kläger gestellten Beweisanträgen musste der Senat nicht nachkommen. Für die Frage, ob eine beantragte Beweiserhebung vorzunehmen ist, kommt es darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten ist, den Sachverhalt zu den von dem betreffenden Beweisantrag erfassten Punkten weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (st. Rspr., vgl. z. B. BSG, Urteil vom 31.07.1975, 5 BJ 28/75; BSG, Urteil vom 06.11.2011, B 9 V 12/11 B). Soweit der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen, insbesondere bevor es eine Beweislastentscheidung trifft. Einen Beweisantrag darf es nur dann ablehnen, wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn diese Tatsache als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl. BSG, Beschluss vom 06.02.2007, B 8 KN 16/05 B).

Der Sachverhalt ist umfassend aufgeklärt. Einer ergänzenden Stellungnahme des Gutachters B. zu dem vom Kläger aufgezeigten Beweisthema (Frage des Vorliegens einer besonders intensiven Belastung) bedurfte es nicht. Für die Beantwortung der Frage, welcher Belastung ein Kläger während seines Arbeitslebens ausgesetzt war, bedarf es keiner medizinischen Fachkenntnis. Vielmehr ist die Belastung durch das Gericht, gegebenenfalls nach Einholung von Auskünften sachkundiger Stellen festzustellen. Vorliegend hat der Senat diese Feststellung auf der Grundlage der Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten getroffen. Der Präventionsdienst (früher „technischer Aufsichtsdienst der Berufsgenossenschaften“) ist eine sachkundige Stelle, derer sich das Gericht bedienen kann, um sich die zur Beantwortung technischer Fragen notwendige Sachkunde zu verschaffen (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 25/03 R). Die Belastung des Klägers im Sinne des Mainz-Dortmunder Dosismodells hat der Präventionsdienst umfassend und nachvollziehbar dargestellt. Der Senat hat keine Zweifel, dass die Berechnungen auf der Grundlage der tatsächlichen Belastung des Klägers erfolgt und auch im Übrigen richtig sind. Auch unter Berücksichtigung der verschiedenen Einwendungsschreiben der Klägerseite ist nicht ersichtlich, dass wesentliche Belastungen in den Berechnungen nicht berücksichtigt worden sind. Der Präventionsdienst hat vielmehr die durch seine Ermittlungen zu Tage getretenen Umstände korrekt umgesetzt. Die Ermittlungen des Präventionsdienstes wurden, wie bereits ausgeführt, auch durch die Ermittlungen des Senats bestätigt. Es bestand daher keine Veranlassung, eine erneute Feststellung der Belastung des Klägers durch einen Dritten durchführen zu lassen.

Einer psychiatrischen Untersuchung des Klägers bedurfte es nicht. Da eine BK nicht festzustellen war, stellt sich die Frage nach dem Umfang einer BK-bedingten psychischen Beeinträchtigung nicht.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass Klage und Berufung keinen Erfolg hatten. Revisionszulassungsgründe (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht gegeben. Insbesondere kommt es auf die Frage, die zur Zulassung der Revision im Verfahren L 17 U 244/06 (Az. des BSG: B 2 U 6/13 R) geführt hat, vorliegend nicht entscheidungserheblich an, da beim Kläger, wie ausgeführt, eine besonders intensive Belastung im Sinne der Konstellation „B 2“ auch unter Berücksichtigung des hälftigen Wertes von 12,5 MNh nicht vorgelegen hat.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 15. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Dem Kläger wird aus den Gerichtskosten ein Betrag in Höhe von 225,00 € auferlegt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob beim Kläger eine Berufskrankheit (BK) der Ziffer 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung – BKV – (im Folgenden: BK 2108) besteht.

2

Der 1959 geborene Kläger absolvierte erfolgreich in den Jahren 1976 bis 1978 eine Lehre als Maschinenbauer. Von 1979 bis 1985 war er als Schweißer und sodann von 1985 bis 1986 als Schlosser beschäftigt. Von 1986 bis 1994 war der Kläger zunächst bei der D. R., sodann bei der D. B. als Maschinist, Anschläger, Kran- und Lokführer tätig. Von 1994 bis 1999 war er als Stahlbauschlosser und Schweißer für eine Hallenbaufirma beschäftigt. Danach arbeitete der Kläger ab dem Jahr 2000 als Schweißer. Seit Juni 2001 war er auf einer Werft als Schweißer beschäftigt bis zum Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ab dem 26. Mai 2004. Seitdem ruht das Arbeitsverhältnis.

3

Am 28. Juni 2004 erstatte die Betriebskrankenkasse D. die Anzeige einer BK bei der Beklagten. Der Kläger sei seit dem 26. Mai 2004 wegen der Diagnosen Radikulopathie sowie zervikozephales Syndrom arbeitsunfähig.

4

Die Beklagte holte vom Kläger die Erhebungsbögen vom 11. Juni 2004 und 20. Juli 2004 ein. Hierin gab der Kläger an, er führe seine Rückenbeschwerden auf die jahrelange schwere körperliche Arbeit und das Schweißen in Zwangspositionen zurück. Er habe teilweise Lasten über 50 Kilogramm gehoben und getragen, dies ca. drei bis acht Stunden pro Arbeitsschicht und auch länger als 10 Jahre. Als Schweißer habe er in Zwangspositionen (Überkopf, kniend) ca. fünf bis sechs Stunden pro Arbeitsschicht gearbeitet. Darüber hinaus habe er während seiner Tätigkeit beim Hallenbau Rad- oder Kettenlader gefahren und bei der B. Gabelstapler.

5

Die Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis über den Kläger von der Krankenkasse bei und holte einen Befundbericht des Facharztes für Nervenheilkunde Dr. Z. ein. Des Weiteren holte sie eine Auskunft der H. AG für die Zeit der dortigen Beschäftigung des Klägers ab dem 1. Juni 2001 ein. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten befragte den Kläger über seine beruflichen Tätigkeiten im Zuständigkeitsbereich der Beklagten und berechnete die dabei aufgetretenen Wirbelsäulenbelastungen nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD-Modell). Er gelangte zu dem Ergebnis, dass Belastungen im Sinne einer BK 2109 und BK 2110 in keinem der Tätigkeitszeiträume aufgetreten seien. Hinsichtlich der BK 2108 seien durch Hebe- und Tragevorgänge maximale Tagesdosen von 4800 Newtonstunden aufgetreten, der Richtwert pro Schicht von 5500 Newtonstunden für Männer sei damit nicht erreicht worden (Stellungnahme des Dipl.-Ing. W. vom 1. November 2004).

6

Mit Bescheid vom 6. Januar 2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 2109 wegen fehlender arbeitstechnischer Voraussetzungen ab. Der hiergegen vom Kläger am 25. Januar 2005 eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 1. April 2005).

7

Das nachfolgende Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Rostock – S 3 U 40/05 – endete durch einen Vergleich der Gestalt, dass der Kläger die Klage zurücknahm und die Beklagte sich verpflichtete, das Vorliegen einer BK 2108 und BK 2110 zu prüfen.

8

Mit Bescheid vom 15. Februar 2006 lehnte es die Beklagte ab, beim Kläger eine BK 2108 oder BK 2110 anzuerkennen. Zur Begründung führte sie aus, die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Nach den Ermittlungen des TAD sei der Kläger einer Tagesbelastungsdosis von maximal 4800 Nh (Newtonstunden) ausgesetzt gewesen. Da dieser Wert unter der geforderten Dosis von 5500 Nh liege, sei eine Berechnung der Gesamtbelastungsdosis nicht erforderlich. Die Tätigkeit sei als nicht gefährdend im Sinne der BK 2108 anzusehen. Von einer Gefährdung im Sinne der BK 2110 könne ebenfalls nicht ausgegangen werden, da nicht wenigstens für 10 Jahre eine Tätigkeit ausgeübt worden sei, bei der es zu einer Schwingungsbelastung gekommen sein könne, was Grundvoraussetzung für die Prüfung einer BK 2110 sei. Da die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne der BK 2108 und BK 2110 nicht erfüllt seien, sei es unerheblich, ob die medizinischen Voraussetzungen vorlägen.

9

Hiergegen legte der Kläger am 13. März 2006 Widerspruch mit der Begründung ein, dass bei ihm jedenfalls eine BK 2108 anzuerkennen sei. Es sei zumindest seit 1986 bis einschließlich Mai 2004 in unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen tätig gewesen, die in ihrer Tätigkeitscharakteristik die Wirbelsäule besonders belastet hätten. Er habe besonders schwere metallische Gegenstände heben und tragen müssen. Zur Bekräftigung seines Vortrages fügte der Kläger eine Bestätigung des Oberschichtmeisters V. vom 6. Oktober 2005 bei, der bauleitender Meister und Schichtmeister während der Tätigkeit des Klägers in der Zeit von 1986 bis 1994 gewesen sei. Des Weiteren überreichte der Kläger eine Arbeitsplatzbeschreibung der Firma A. GmbH vom 28. Oktober 2005 für die dortige Beschäftigungszeit von 1994 bis 1999.

10

Die Beklagte wandte sich an die E., um die berufliche Belastung des Klägers für die Zeit von 1986 bis 1994 feststellen zu lassen. Der TAD der E. führte durch den Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) G. in seinem Schreiben vom 27. Juli 2006 zusammenfassend aus, dass eine arbeitsbedingte überdurchschnittliche Belastung der Bandscheiben im Sinne des Merkblattes zur BK 2108 nicht vorgelegen habe. Auch hinsichtlich der geltend gemachten BK 2110 seien Ganzkörpervibrationen und das Bewegen von Fahrzeugen im ausreichenden Umfang nicht festzustellen.

11

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2006 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers zurück. Sie führte aus, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2110 und BK 2108 nicht erfüllt seien und bezog sich hierbei auf die vorliegenden Stellungnahmen des TAD.

12

Der Kläger hat am 16. November 2006 Klage beim SG Rostock erhoben. Er hat vorgetragen, dass er die arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitigen Berufskrankheiten erfülle. In der Zeit von 1986 bis 1994 sei er mit Tätigkeiten konfrontiert gewesen, die eine vertikale Lastwirkung auf seinen Körper bis 100 Kilogramm erzeugt hätten. Konkret habe er Betonschwellen mit einem Gewicht von 250 Kilogramm einseitig anheben müssen. Darüber hinaus habe er Gleisschienen bewegen und umkanten müssen. Unter Berücksichtigung der Schienenlängen von 15 bis 25 Meter und einem Gewicht je laufenden Meter von 65 Kilogramm seien erheblich höhere Belastungen durch ihn zu bewegen gewesen, als von der Beklagten berücksichtigt. Er sei weiterhin bei der Verladung von Weichen, Schienen und Schwellen eingesetzt gewesen und habe mit drei weiteren Personen ein Gewicht von 280 Kilogramm von bis zu 50 Metern über unwegsames Gelände transportiert. In der Zeit von 1994 bis 1999 sei er als Stahlbauschlosser und Schweißer beschäftigt gewesen. In dieser Zeit habe er Stahlplatten mit einem Gewicht bis 50 Kilogramm vom Lastwagen teilweise per Hand mit einem weiteren Arbeitnehmer abladen und zu den fertig zu stellenden Fundamenten tragen müssen. Er habe des Weiteren Kanthölzer mit einem Gewicht bis ca. 60 Kilogramm ebenfalls mit einem weiteren Arbeitnehmer per Hand verlegen müssen, ebenso verzinkte Profile mit einem Gewicht bis ca. 50 Kilogramm. Insoweit halte er die Belastungsberechnungen nach dem MDD-Modell für fehlerhaft. Dort sei von einer Zeit je Hebe- und Tragevorgang pro Arbeitsschicht von lediglich 2,5 Sekunden ausgegangen worden. Diese Werte kämen nicht annähernd der Realität nahe. So habe beispielsweise das Abladen der Schalplatten allein mindestens 20 Sekunden gedauert. Schließlich sei sein geringes Körpergewicht von 65 Kilogramm zu berücksichtigen. In medizinischer Hinsicht macht der Kläger geltend, dass gemäß den Kernspintomogrammbefunden vom 11. September 2004 und 6. Januar 2006 sowohl in HWS-Segment C4/5 als auch im LWS-Segment L4/5 Bandscheibenvorwölbungen (Protrusionen) nachgewiesen würden.

13

Der Kläger hat beantragt,

14

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Februar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2006 zur Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit 2108 und 2110 durch Zahlung einer Verletztenrente zu verurteilen.

15

Die Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Sie verweist darauf, dass sich aus der Klagebegründung keine Hinweise auf eine Belastung im Sinne einer BK 2110 ergäben. Es habe nirgendwo eine vertikale Schwingungsbelastung bestanden.

18

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens des Dr. V.. In seinem auf einer ambulanten und röntgenologischen Untersuchung des Klägers vom 10. März 2008 basierenden Gutachten vom 13. März 2008 hat dieser Sachverständige zusammenfassend ausgeführt, anamnestisch habe der Kläger angegeben, 1991 einen Verkehrsunfall mit Schleudertrauma der HWS erlitten zu haben mit nachfolgend langandauernden Beschwerden, die teilweise bis zum jetzigen Zeitpunkt andauerten. Die angefertigten Röntgenaufnahmen vom 10. März 2008 hat Dr. V. hinsichtlich der HWS dahingehend befundet, dass sich der Zwischenwirbelraum C4/5, C5/6 und C6/7 leicht höhengemindert zeige. Die übrigen Zwischenwirbelräume seien normal weit. Es bestehe eine geringe ventrale Spondylophytenbildung bei C4 bis C5. Das Röntgenbild bezüglich der LWS (Ap-Aufnahme) habe einen leicht höhengeminderten Zwischenwirbelraum L4/5 und L5/S1 gezeigt. Die übrigen Zwischenwirbelräume seien normal weit. Es bestünden keine reaktiven Veränderungen. Die Befundung des seitlichen Röntgenbildes habe eine leichte Höhenminderung des Zwischenwirbelraums L4/5 und eine deutliche Höhenminderung bei L5/S1 ergeben, eine leichte Sklerosierung von Grund- und Deckplatte bei L5/S1, eine ventrale Spondylophytenbildung der Deckplatte L3 und L4, sonst hätten keine Strukturauffälligkeiten bestanden.

19

Die beschriebenen röntgenmorphologischen Strukturveränderungen im Bereich der unteren HWS und unteren LWS entsprächen dem altersphysiologischen Normalbefund.

20

Er stelle beim Kläger folgende Diagnosen:

21
1. Rezidivierende Nackenbeschwerden seit 2004 mit phasenweiser Schmerzausstrahlung in den rechten Arm und Funktionseinschränkungen im Bereich der Halswirbelsäule (Cervicalsyndrom bei Chondrose C5/C6, C6/C7).
22
2. Rezidivierende Kreuzschmerzen belastungsabhängig mit Schmerzausstrahlung in beide Oberschenkel (Lumboischialgiesyndrom bei Osteochondrose und Spondylose der unteren Lendenwirbelsäule).
23

Bei der aktuellen klinischen Untersuchung hätten sich nur geringe Funktionseinschränkungen der LWS ohne wesentliche nachweisbare Entfaltungsstörung, ohne segmentale Funktionseinschränkungen mit geringen paravertebralen Muskelverspannungen gezeigt. Typische radikuläre Ausfallerscheinungen hätten im Bereich der LWS nicht festgestellt werden können. Im Bereich der HWS hätten sich in allen Bewegungsrichtungen schmerzhafte Funktionseinschränkungen sowohl bei Rotation, Seitneige als auch bei Ante- und Retroflexion gezeigt. Eine segmental zuzuordnende Entfaltungsstörung, ein segmentaler Klopfschmerz oder eine segmentale Muskelverspannung habe hier nicht eingegrenzt werden können. Radikuläre Ausfälle von Seiten der HWS hätten nicht nachgewiesen werden können. Die vorliegende Röntgenaufnahme vom 3. Mai 2004 aus dem Beginn der Erkrankung zeige einen altersphysiologischen Normalbefund der HWS mit nur minimaler Höhenminderung in zwei Zwischenwirbelräumen, die im seitlichen Strahlengang kaum reproduzierbar gewesen seien. Die aktuelle Röntgenuntersuchung zeige ebenfalls einen altersphysiologischen Normalbefund von HWS, BWS und LWS mit nur minimaler Höhenminderung der Zwischenwirbelräume der unteren HWS und unteren LWS, wie dieses bei einem 48-jährigen Patienten erwartungsgemäß sei. Wesentliche reaktive Veränderungen seien in allen drei Wirbelsäulenbereichen nicht nachweisbar gewesen.

24

Das typische Krankheitsbild einer BK 2108 oder BK 2110 habe beim Kläger nicht festgestellt werden können. Es habe weder im Bereich der HWS noch im Bereich der LWS eine segmentale Entfaltungsstörung oder ein typischer Segmentbefund festgestellt werden können. Die Beschwerden im Bereich der HWS erstreckten sich global auf die gesamte HWS, ohne dass sich ein belastungskonformes Schadensbild feststellen lasse. Im Bereich der LWS hätten ebenfalls keine wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt werden können. Die starken Funktionseinschränkungen und Beschwerden im Bereich der HWS könnten mitbedingt sein durch eine Traumatisierung durch Halswirbelsäulenbeschleunigungsverletzung beim Verkehrsunfall 1991. Außerdem bringe der Kläger selbst den Beginn der Beschwerden mit einer Kälteexposition (Zug gekriegt) und einer manualtherapeutischen Einflussnahme in Zusammenhang. Der klinische Befund und der Krankheitsverlauf seien für eine beruflich bedingte Verursachung nicht als typisch anzusehen.

25

Es hätten anhand der aktuellen medizinischen Untersuchung weder klinische Befunde, noch röntgenmorphologische Befunde nachgewiesen werden können, die typisch seien für eine berufsbedingte Wirbelsäulenerkrankung durch berufliche Hebe- und Tragetätigkeiten, Arbeiten in extremer Rumpfvorbeuge oder Ganzkörpervibrationen. Es sprächen insgesamt mehr und gewichtigere Gründe dagegen, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung und der Erkrankung mit dem Grade der Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne. Entsprechend der Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung (vgl. Trauma und Berufskrankheit 2005, Seite 211 ff.) könnten nach der Stadieneinteilung radiologischer Wirbelsäulenbefunde keine Sklerose, keine pathologische Chondrose, keine Spondylose, keine Retrospondylose und keine Spondylarthrose nachgewiesen werden. Insofern bestehe entsprechend der Konsensempfehlungen der typische radiologische Befund einer beruflich bedingten Wirbelsäulenerkrankung nicht. Entsprechend der Konsensempfehlung werde ein klinischer Befund mit segmentaler Entfaltungsstörung, segmentalem Muskelhartspann und segmentaler Schmerzhaftigkeit ggf. radikulären Ausfällen erwartet. Diese typischen Segmentbefunde ließen sich weder im Bereich der LWS noch im Bereich der HWS entsprechend eines belastungskonformen Schadensbildes nachweisen. Damit sei das typische Schadensbild einer beruflich bedingten Wirbelsäulenerkrankung nicht nachweisbar.

26

Nachdem der Kläger die Kernspintomographiebefunde vom 11. September 2004 und 6. Januar 2006 überreicht hatte, hat das SG die ergänzende Stellungnahme des Dr. V. vom 2. Dezember 2008 herbeigeführt. Hierin hat er ausgeführt, dass allein der Nachweis von degenerativen Bandscheibenveränderungen und Magnetresonanztomographien der HWS und LWS kein hinreichendes Kriterium für eine Anerkennung einer beruflich bedingten bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne der BK 2108 oder 2110 sei. Hierzu bedürfe es nicht nur des bildgebenden Befundes einer Bandscheibendegeneration, sondern entsprechender klinischer Symptome, hier speziell eines entsprechenden Segmentbefundes und möglicherweise radikulärer Ausfälle, die sich auf das Segment beziehen ließen. Darüber hinaus sei das Gesamtbild der Degenerationen im Bereich der Wirbelsäule zu betrachten und entsprechend der Konsensusempfehlungen einzuordnen. Gegen das typische Krankheitsbild einer BK 2108 oder 2110 spreche vorliegend, dass der Kläger zwar über ständige Schmerzen im Bereich der HWS mit schmerzhaft bedingten Funktionseinschränkungen klage, es habe aber weder im Bereich der HWS, noch im Bereich der LWS eine segmentale Entfaltungsstörung oder ein typischer Segmentbefund festgestellt werden können. Radikuläre Ausfälle hätten ebenfalls nicht objektiviert werden können. Ein belastungskonformes Schadensbild sei nicht nachweisbar. Im Bereich der LWS hätten sich keine wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen gezeigt. Sowohl die angefertigten Röntgenaufnahmen als auch die vorgelegten MRT-Befunde zeigten hinsichtlich HWS und LWS keine röntgenmorphologischen Strukturpathologien, die über das alterphysiologische Maß hinausgingen. Es seien lediglich initiale Degenerationen an einzelnen Bandscheiben der HWS und LWS erkennbar, die allerdings das altersphysiologisch zu erwartende Maß nicht überschritten. Ein eindeutiger Bandscheibenvorfall habe durch die befundenden Radiologen weder im Bereich der HWS noch im Bereich der LWS nachgewiesen werden können. Es decke sich auch mit dem von ihm erhobenen klinischen Befund, wonach nichts auf einen Bandscheibenvorfall mit nervenkomprimierender Wirkung hinweise. Er halte weiterhin an seiner Beurteilung in seinem Gutachten fest.

27

Durch Urteil vom 15. Mai 2009 hat das SG Rostock die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Gesundheitsstörungen an der LWS des Klägers erfüllten die Voraussetzungen einer BK nicht. Gemäß § 9 Abs. 1 SGB VII stellten Gesundheitsstörungen nur dann eine BK dar, wenn und soweit sie in der BKV als solche bezeichnet seien. Nach den Nummern 2108 und 2110 der BKV seien bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS nur dann als BK zu entschädigen, wenn sie durch langjährige und schwere Hebe- und Tragearbeiten, Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung oder durch Ganzkörpervibrationen hervorgerufen worden seien. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Es sei ohne Belang, ob die Einwände des Klägers gegen die Bewertung der arbeitstechnischen Voraussetzungen zutreffend seien, denn der medizinische Sachverständige habe nach Auswertung der beigezogenen Befundunterlagen und der Untersuchung des Klägers mitgeteilt, dass sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem LWS-Befund und den versicherten beruflichen Tätigkeiten nicht wahrscheinlich machen lasse. Er habe die sog. „Konsensusempfehlungen“ als Beurteilungsgrundlage herangezogen, in denen der derzeitige medizinische Wissensstand zu Beurteilung von BKen der Wirbelsäule zusammengefasst sei. Erforderlich sei die Abgrenzung zwischen beruflichen und anlagebedingten Veränderungen der LWS, da letztere im Ausmaß einer Volkskrankheit auch in Bevölkerungskreisen aufträten, die nicht beruflich durch Hebe- und Tragearbeiten oder extremen Rumpfbeugehaltungen belastet seien. Ferner träten die Veränderungen in beiden Fällen insbesondere in dem LWS-Segment L4/5 auf, das auch beim Kläger betroffen sei.

28

Grundvoraussetzung für die Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhanges seien nach den Empfehlungen neben einer ausreichenden beruflichen Exposition nach Maßgabe des MDD-Modells eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS in der Ausprägung eines altersuntypischen Befundes, ein belastungskonformes Schadensbild hinsichtlich der Lokalisation des Schadens und des Degenerationszustandes der gesamten Wirbelsäule und das Vorhandensein einer sog. Begleitspondylose, d. h. es müssten altersuntypische Umbauvorgänge (belastungsadaptive Reaktionen) an den nicht von dem Bandscheibenschaden betroffenen Wirbelsäulensegmenten bestehen. Dr. V. habe erläutert, dass diese Kriterien nicht erfüllt seien. Die in der Kernspintomographie im Januar 2006 dargestellte Bandscheibenvorwölbung stelle lediglich eine beginnende Bandscheibendegeneration dar, die unter Berücksichtigung des Alters des Klägers noch einen altersphysiologischen Normalbefund darstelle. Die Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes sei nur gering und insbesondere liege kein Bandscheibenvorfall vor. Darüber hinaus zeige die LWS des Klägers keine Begleitspondylose. Der Sachverständige habe röntgenologisch weder eine Sklerose noch eine Spondylose, Retrospondylose, und auch keine Spondylarthrose festgestellt. Eine segmentale Entfaltungsstörung und radikuläre Ausfälle hätten ebenfalls nicht bestanden. Das Schadensbild habe er deshalb als nicht belastungskonform und ohne altersvorauseilende Wirbelkörperveränderungen beschrieben. Ferner habe er mitgeteilt, dass im Vordergrund der Wirbelsäulensymptomatik des Klägers Funktionseinschränkungen und Beschwerden der HWS stünden, die nach seiner Einschätzung wesentlich durch den 1991 erlittenen Verkehrsunfall mitbedingt worden seien. Hierfür spreche, dass sich an der HWS röntgenologisch ebenfalls ein altersphysiologischer Normalbefund dargestellt habe. Vor dem Hintergrund des alterstypischen und nicht belastungskonformen Schadensbildes der Wirbelsäule des Klägers komme seinem Einwand, sein geringes Körpergewicht müsse bei der Bewertung der beruflichen Belastungen mitbewertet werden, keine Bedeutung zu.

29

Gegen das ihm am 11. September 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Oktober 2009 (Montag) Berufung eingelegt. Durch das jahrelange Heben schwerer Lasten, insbesondere das Heben und Tragen von Betonschwellen bis zu 100 Kilogramm während seiner Tätigkeit im Gleisbau sowie den Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, insbesondere seiner Tätigkeit im U-Boot-Bau bei den H. AG, seien bei ihm infolge beruflicher Belastungen bandscheibenbedingte Veränderungen der LWS entstanden, die als BK anzuerkennen seien. Bei ihm lägen entgegen der Einschätzung im Gutachten des Dr. V. auch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der streitigen BKen vor. Dr. V. beschreibe in seinem Gutachten die deutliche Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes L5/S1. Bei ihm bestünden Randzackenbildungen (Spondylophyten) im Bereich der Lendenwirbelkörper L3 bis S1. Eine deutliche Höhenminderung der Zwischenwirbelräume nebst Spondylophytenbildung stelle keinen altersentsprechenden typischen Befund dar. Dr. V. beschreibe in seinem Gutachten radiologisch Spondylophytenbildungen der Wirbelkörper L3 und L4, somit im nicht von der Chondrose betroffenen Wirbelsäulensegment. Hierbei handele es sich um eine sog. Begleitspondylose und ebenfalls keinen typischen altersentsprechenden degenerativen Befund. Auch der entsprechende klinische Befund sei gegeben. Bei der körperlichen Untersuchung durch Dr. V. seien Verspannungen der paravertebralen Muskulatur mit eingeschränkter Beweglichkeit in der Seitneige und ischialgiform in beide Oberschenkel ausstrahlende Schmerzen festgestellt worden.

30

Im Gutachten des Dr. V. sei das typische Schadensbild einer BK 2108 nicht erkannt worden. Er beschreibe zwar eine deutliche Höhenminderung im Segment L5/S1, bewerte diesen Befund aber als alterstypisch. Nach der einschlägigen Literatur liege ein altersuntypischer Befund bei Personen unter 50 Jahren vor, wenn eine Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes um mehr als 1/5 bis 1/3 des Normalbefundes vorliege. Mit den Worten „deutlich höhengemindert“ beschreibe Dr. V. unabhängig von der unterlassenen Messung der Zwischenwirbelraumhöhe einen altersuntypischen Befund. Ob eine Sklerose (zunehmende Verknöcherung der Wirbelkörperabschlussplatten) altersuntypisch sei, ergebe sich ebenfalls aus der Schwere des Befundes in Abhängigkeit zum Lebensalter des Untersuchten. Bei unter 45-jährigen liege ein altersuntypischer Befund vor bei mehr als zwei Millimeter hineinziehenden Sklerosierungen in die Spongiosa im Bereich der LWS. Der Kläger sei zum Untersuchungszeitpunkt 48 Jahre alt gewesen. Grund- und Deckplatte des am stärksten betroffenen Wirbelsegments L5/S1 hätten sich auf dem aktuellen Röntgenbild sklerosiert gezeigt. Auch dieser Befund sei hinweisend für eine berufsbedingte Überbeanspruchung der LWS durch schweres Heben und Tragen.

31

Die Differenzierung einer belastungsbedingten Spondylose ergebe sich in gleicher Weise. Bei den unter 50-jährigen sei eine Randzackenbildung von bereits drei bis fünf Millimeter im Bereich der LWS altersuntypisch. Im Bereich des Segmentes L3/L4 sei beim Kläger eine deutliche ventrale Spondylophytenbildung nachgewiesen, so dass auch diesbezüglich kein alterstypischer Befund vorliege. Das Gutachten des Dr. V. entspreche daher nicht den Anforderungen für die Beurteilung berufsbedingt entstandener bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS.

32

Der Kläger beantragt,

33

das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 15. Mai 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2006 aufzuheben und festzustellen, dass seine Gesundheitsstörung im Bereich seiner Lendenwirbelsäule eine Berufskrankheit nach der Ziffer 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung darstellt.

34

Die Beklagte beantragt,

35

die Berufung zurückzuweisen.

36

Sie ist weiter der Meinung, dass sowohl die arbeitstechnischen als auch die medizinischen Voraussetzungen für die Entstehung einer BK 2108 nicht vorliegen. Allein das von der Klägerseite genannte Bild einer Höhenminderung der Bandscheibenzwischenräume sei nicht das, worauf es ankomme. Es sei auf eine Gesamtschau abzustellen. Unter Zugrundelegung der Konsensempfehlungen liege kein Schadensbild vor, wie es bestehen müsste, um zur Anerkennung einer BK 2108 zu führen. Insoweit verweise sie auf das Gutachten des Dr. V..

37

Der Senat hat die ergänzende Stellungnahme des Dr. V. vom 29. März 2010 herbeigeführt. Unter Hinweis auf die Konsensempfehlungen hat Dr. V. ausgeführt, beim Kläger habe schon der klinische Untersuchungsbefund einer BK 2108 nicht in typischer Weise festgestellt werden können. Es habe sich nur eine geringe Funktionseinschränkung der LWS ohne wesentliche nachweisbare Entfaltungsstörung, ohne segmentale Funktionseinschränkung, ohne typische radikuläre Ausfälle gezeigt. Zum Zeitpunkt der Untersuchung sei der Kläger 48 Jahre alt gewesen. Die Röntgenaufnahmen der LWS hätten einen geraden Verlauf gezeigt, die Wirbelkörper seien glatt begrenzt und normal strukturiert gewesen. Der Zwischenwirbelraum bei L4/5 und L5/S1 sei leicht höhengemindert, die übrigen Zwischenwirbelräume normal weit gewesen. Es habe im seitlichen Strahlengang eine leichte Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes L4/L5 und eine etwas deutlichere Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes L5/S1 bei leichter Sklerosierung von Grund- und Deckplatte bei L5/S1 bestanden. Eine ventrale Spondylophytenbildung habe sich im Bereich der Deckplatte des dritten und vierten Lendewirbelkörpers (LWK) gezeigt, die Facettengelenke seien regelrecht abgebildet gewesen. Es habe sich mithin eine leichte Höhenminderung der beiden untersten Zwischenwirbelräume der LWS und nur minimale ventrale Spondylophytenbildungen am dritten und vierten LWK gezeigt. Um die mit dem Buchstaben B beginnenden Konstellationen herauszuarbeiten, bedürfe es einer bandscheibenbedingten Erkrankung bei L5/S1 und L4/5, was im vorliegenden Fall möglicherweise gegeben sein könnte, zweitens bedürfe es einer Ausprägung des Bandscheibenschadens in Form einer Chondrose Grad II oder höher. Eine Chondrose Grad II bedeute eine mittige Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes von einem Drittel bis um die Hälfte, was im vorliegenden Fall nicht nachzuweisen gewesen sei.

38

Unter einer Begleitspondylose sei eine Spondylose mit Spondylophytenbildung von mehr als zwei Millimeter Ausbreitung in mindestens zwei angrenzenden Wirbelsäulensegmenten zu verstehen. Im vorliegenden Fall seien die Spondylophyten allerdings deutlich geringer ausgeprägt, so dass nicht von einer Spndylose Grad I oder Grad II gesprochen werden könne im Sinne einer Begleitspondylose in den angrenzenden Segmenten. Insofern sei eine Konstellation B1 nicht feststellbar. Ebenso komme die Befundkonstellation B2 nicht zur Anwendung, da nur in einem angrenzenden Segment im MRT-Befund eine leichte Absenkung des Flüssigkeitssignals nachweisbar gewesen sei, nicht jedoch in zwei angrenzenden Segmenten, wie dieses zu erwarten wäre. Somit bliebe lediglich die Befundkonstellation B3, wo kein Konsens bestanden habe.

39

Die Konstellationen B4 und B5 kämen nicht in Frage, da die Kriterien für die Konstellation B2 nicht erfüllt seien. Gleiches treffe auf die Konstellation B6 zu. Die Konstellation B7 komme ebenfalls nicht zur Anwendung, da die Voraussetzungen für die Konstellation B1 nicht erfüllt seien, ebenso die Konstellation B8. Konstellation B9 komme nicht in Frage, da keine Begleitspondylose nachweisbar sei. Konstellation B10 komme ebenfalls nicht zur Anwendung.

40

Die mit C beginnenden Konstellationen kämen nicht in Frage, da diese im Wesentlichen beinhalteten, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung nicht die unteren LWS-Segmente betreffe und die Ausprägung des Bandscheibenschadens eine Chondrose Grad II oder höher beinhalte. Bezüglich der D-Konstellation komme die Konstellation D1 nicht in Frage, da eine Begleitspondylose in zwei benachbarten Segmenten nicht nachweisbar sei. Die Konstellation D2 könnte möglicherweise in Frage kommen, da bei der Konstellation D2 der Bandscheibenschaden im Wesentlichen einer Protrusion entspreche, eine Begleitspondylose nicht nachweisbar sei. Hier sei von der Konsensusgruppe eingeschätzt worden, dass ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich sei. Bezüglich der E-Konstellation werde davon ausgegangen, dass die Ausprägung des Bandscheibenschadens eine Chondrose Grad I darstelle, was im vorliegenden Fall kaum grenzwertig erfüllt sei. Bei vorhandener Begleitspondylose sei die Einschätzung nach dem Lebensalter zu diskutieren. Da aber eine Begleitspondylose im Sinne der Definition an zwei benachbarten Segmenten nicht nachweisbar sei, komme die Konstellation E1 nicht in Frage. Dementsprechend komme lediglich die Konstellation E2 in Frage, Ausprägung des Bandscheibenschadens Chondrose Grad I, Begleitspondylose nein. Hier sei von der Konsensusgruppe die Einschätzung vertreten, dass ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich sei.

41

Im Fall des Klägers lasse sich auf der Grundlage der klinischen und röntgenologischen Befunde das typische Schadensbild für eine anerkennungsfähige Befundkonstellation nach den Konsensusempfehlungen nicht nachweisen. Denn im vorliegenden Fall liege eine Chondrose nur grenzwertig I. Grades in zwei Segmenten der LWS vor, eine Begleitspondylose mit entsprechender Ausprägung an zwei benachbarten Segmenten sei nicht nachweisbar und nach den vorliegenden Befundberichten seien die MR-morphologischen Kriterien ebenfalls nicht erfüllt.

42

Hiergegen hat die Bevollmächtigte des Klägers eingewandt, ihrer Ansicht nach sei die Konstellation B2 erfüllt. Dr. V. habe ausgeführt, es bedürfe einer bandscheibenbedingten Erkrankung bei L5/S1 und L4/5 in einer Ausprägung des Bandscheibenschadens in Form einer Chondrose Grad II oder höher. Eine Chondrose Grad II bedeute eine mittige Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes von ein Drittel bis um die Hälfte, was im vorliegenden Fall nicht nachzuweisen gewesen sei (siehe gutachterliche Stellungnahme vom 29. März 2010, Seite 3 unten). Eine Chondrose Grad II werde tatsächlich für Personen von 50 Jahren und älter als altersuntypisch bewertet. Für Personen „unter“ 50 Jahren, wie beim Kläger zum Zeitpunkt der Begutachtung, werde bereits eine Höhenminderung von 1/5 bis 1/3, also eine Chondrose Grad I an mehreren Bandscheiben als altersuntypischer Befund im Sinne einer BK gewertet. Da beim Kläger zwei benachbarte Segmente betroffen seien, nämlich L4/5 und L5/S1 liege keine monosegmentale Chondrose vor. Darüber hinaus werde die Konstellation B 2 auch angenommen, wenn besonders intensive Belastungen entsprechend Ziffer 2 oder 3 vorlägen. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger ebenfalls. Der Kläger habe sich zum Begutachtungszeitpunkt im 48. Lebensjahr befunden. Zum Untersuchungszeitpunkt habe röntgenologisch eine Chondrose I. Grades in zwei Segmenten der LWS bestanden (L4/5 und L5/S1) wobei der Befund im Segment L5/S1 als deutliche Höhenminderung gewertet worden sei. Damit sei die Konstellation B2 erfüllt. Desgleichen auch die Konstellation B4, da beim Kläger Bandscheibenschäden an der HWS in den Segmenten C4/5, C5/6 und C6/7 in geringerer Ausprägung vorlägen.

43

Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, der Kläger erfülle die Zusatzkriterien der Konstellation B2 nicht, da die arbeitstechnischen Voraussetzungen insoweit nicht gegeben seien. Auch die medizinischen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Nach den Konsensempfehlungen erforderten die mit dem Buchstaben „B“ beginnende Konstellationen hinsichtlich der Lokalisation, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung das Segment L5/S1 und/oder L4/5 betreffe, und dass es sich hinsichtlich der Ausprägung des Bandscheibenschadens um eine Chondrose Grad II oder höher und/oder um einen Vorfall handele. Es liege nach der medizinischen Einschätzung im Gutachten des Dr. V. beim Kläger in den Segmenten L4/5 und L5/S1 weder ein Bandscheibenvorfall noch eine Chondrose Grad II vor. Soweit der Kläger darauf hinweise, dass bei ihm in den Segmenten L5/S1 und L4/5 eine Chondrose Grad I bestehe, werde auf die Ausführungen im Gutachten des Dr. V. hingewiesen, wonach sich eine Chondrose nur „grenzwertig“ I. Grades in zwei Segmenten finde, d. h., eine „richtige“ Chondrose Grad I bestehe beim Kläger gerade nicht.

44

Hierzu hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers ergänzend vorgetragen, der Kläger erfülle die arbeitstechnischen Voraussetzungen hinsichtlich der zwei Zusatzkriterien der Konstellation B2. Er sei wiederholt Spitzenbelastungen ausgesetzt gewesen, da er tatsächlich wiederholt Gewichte mit 100 Kilogramm und mehr gehoben und getragen habe. Die Beklagte und der Sachverständige berücksichtigten nicht, dass für Personen unter 50 Jahren nach den Konsensempfehlungen (Ziffer 1.2) bereits eine Chrondrose Grad I ein altersuntypischer Befund sei. Die Behauptung des Dr. V., dass beim Kläger angeblich von einem altersphysiologischen Normalzustand auszugehen sei, widerspreche offensichtlich den Konsensempfehlungen. Im Übrigen werde nochmals darauf hingewiesen, dass Dr. V. fehlerhaft die Messung der normierten Bandscheibenraumhöhen unterlassen habe.

45

In ihrem Schriftsatz vom 13. Januar 2014 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers ergänzend vorgetragen, die Fallkonstellation B2 der Konsensempfehlungen liege beim Kläger vor. Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren bestünden nicht. Eine Begleitspondylose sei vom Sachverständigen Dr. V. ausgeschlossen worden, der in seiner Stellungnahme vom 29. März 2010 ausgeführt habe, dass im Bereich der LWS des Klägers nicht von einer Spondylose Grad I oder Grad II gesprochen werden könne im Sinne einer Begleitspondylose in den angrenzenden Segmenten. Der Sachverständige habe schließlich wörtlich ausgeführt „um die mit dem Buchstaben B beginnenden Konstellationen herauszuarbeiten, bedürfe es einer bandscheibenbedingten Erkrankung bei L5/S1 und L4/5, was im vorliegenden Fall möglicherweise gegeben sein könnte.“ Die Konstellation B2 sei von Dr. V. lediglich deshalb nicht angenommen worden, weil nach seiner Auffassung im MRT-Befund lediglich in einem angrenzenden Segment eine leichte Absenkung des Flüssigkeitssignals im Sinne einer sog. „black disc“ vorliege. Soweit der Sachverständige einen solchen Befund in zwei angrenzenden Segmenten fordere, sei diese Forderung, dass neben der Betroffenheit von zwei Bandscheiben zusätzlich in zwei angrenzenden Segmenten eine sog. black disc vorliegen müsse, von der Forschungsgruppe zur BK 2108 ausdrücklich verneint worden. Insoweit weise der Kläger auf den Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben „Machbarkeitsstudie für die Untersuchung begutachtungsrelevanter Fragen zur Beurteilung der BK 2108 mit Hilfe der Daten der Deutschen Wirbelsäulenstudie“ (DWS-Machbarkeitsstudie) hin. Im vorliegenden Fall sei zur Anerkennung einer BK 2108 ausreichend, dass bei ihm eine bisegmentale Chondrose in den Segmenten L5/S1 und L4/5 diagnostiziert worden sei. Da er zum Untersuchungszeitpunkt 47 Jahre alt gewesen sei und es sich um eine Chondrose I. Grades in den beiden genannten Segmenten handele, seien die Voraussetzungen der Konstellation B2 erfüllt, da diese nicht ausdrücklich verlange, dass in den betroffenen Segmenten eine Chondrose mindestens Grad II vorliegen müsse, sondern eine „altersuntypische“ Chondrose (dies sei bei einem unter 50-jährigen bei einem Chondrose Grad I der Fall).

46

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten (S 3 U 104/06 – L 5 U 45/09) sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

47

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

48

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, wie es das SG Rostock in seinem angefochtenen Urteil vom 15. Mai 2009 mit zutreffenden Gründen ausgeführt hat. Beim Kläger besteht keine Berufskrankheit der Ziffer 2108, was allein Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Gründe im angefochtenen Urteil des SG Rostock und macht diese – nach Überprüfung – zum Gegenstand seiner eigenen Rechtsfindung (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).

49

Der Senat schließt sich, ebenso wie bereits das SG, den zutreffenden Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen Dr. V. vom 13. März 2008 und seinen ergänzenden Stellungnahmen an, weil er dessen Beurteilung für schlüssig und überzeugend hält und sich Dr. V. bei seiner Begutachtung insbesondere an den „Konsensempfehlungen“ orientiert hat, die den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Stand der Beurteilung berufsbedingt entstandener bandscheibenbedingter Erkrankungen der Wirbelsäule wiedergeben (vgl. Urteil des BSG vom 27. Oktober 2009 – B 2 U 16/08 R -). Danach bestehen beim Kläger schon die medizinischen Vorraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2108 nicht. Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhanges sind (vgl. Konsensempfehlungen in Trauma und Berufskrankheit 2005, Seite 211, 216) eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, wobei der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch sein muss und eine ausreichende berufliche Belastung, wobei diese eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufweisen muss. Nach den Konsensempfehlungen erfordern die mit dem Buchstaben „B“ beginnenden Konstellationen hinsichtlich der Lokalisation, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung das Bandscheibenfach L5/S1 und/oder L4/L5 betrifft und dass es sich bei der Ausprägung des Bandscheibenschadens um eine Chondrose Grad II oder höher und/oder einen Vorfall handeln muss (vgl. Konsensempfehlungen, Seite 217).

50

Eine Konstellation Typ B1 nach den Konsensempfehlungen liegt beim Kläger nicht vor. Danach ist ein Zusammenhang wahrscheinlich, wenn wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren nicht erkennbar sind und eine Begleitspondylose besteht. Darüber hinaus müssen die für die „B“ – Konstellationen (vor die Klammer gezogenen) erforderlichen Voraussetzungen hinsichtlich Lokalisation und Ausprägung des Bandscheibenschadens ebenfalls erfüllt sein. Die Voraussetzung hinsichtlich der Lokalisation, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung das Segment L5/S1 und/oder L4/L5 betrifft, ist beim Kläger gegeben. Aus dem MRT-Befund der LWS vom 06. Januar 2006 ergibt sich, dass beim Kläger im Bereich des Segmentes L4/L5 eine Bandscheibenprotrusion besteht, jedoch kein Prolaps. Weiter hat der Sachverständige Dr. V. in seinem Gutachten festgestellt, dass im Bereich der beiden unteren Bandscheibensegmente L4/L5 und L5/S1 beim Kläger eine (grenzwertige) Chondrose Grad I vorliegt. Die Ausprägung des Bandscheibenschadens reicht hinsichtlich der B-Konstellationen damit aber nicht aus, weil eine Chondrose Grad II oder höher und/oder ein (Bandscheiben-) Vorfall gefordert wird, was beim Kläger nicht der Fall ist, da dieser lediglich eine Bandscheibenprotrusion im Bereich L4/L5 und (nur) eine Chondrose Grad I in den letzten beiden unteren LWS-Segmenten aufweist. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, worauf die Prozessbevollmächtigte des Klägers wiederholt hingewiesen hat, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. V. noch keine 50 Jahre alt war und dass eine Chondrose Grad I in einem solchen Fall einen altersuntypischen Befund darstellt. Darüber hinaus liegt das zusätzliche Erfordernis der Konstellation B1 nicht vor, wonach das Vorliegen einer Begleitspondylose erforderlich ist.

51

Als Begleitspondylose wird nach den Konsensempfehlungen (siehe Seite 216) definiert eine Spondylose in/im nicht von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en) sowie in/im von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segment(en), die nachgewiesenermaßen vor dem Eintritt der bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne einer Chondrose oder eines Vorfalles aufgetreten ist. Um eine positive Indizwirkung für eine berufbedingte Verursachung zu haben, muss die Begleitspondylose über das Altersmaß hinausgehen und mindestens zwei Segmente betreffen (vgl. Konsensempfehlungen, aaO, Seite 216, 217). Eine entsprechende Begleitspondylose, wie sie in den Konsensempfehlungen definiert wird, besteht beim Kläger aber grade nicht. Dies ergibt sich aus der ergänzende Stellungnahme des Dr. V. vom 29. März 2010. Danach bestehen nur minimale ventrale Spondylophytenbildungen am 3. und 4. LWK des Klägers. Weiter weist Dr. V. darauf hin, dass unter einer Begleitspondylose eine Spondylose mit Spondylophytenbildungen von mehr als zwei Millimeter Ausbreitung in mindestens zwei angrenzenden Wirbelsäulensegmenten zu verstehen ist. Im vorliegenden Fall sind die Spondylophyten deutlich geringer ausgeprägt, so dass nicht von einer Spondylose Grad I oder Grad II gesprochen werden kann im Sinne einer Begleitspondylose in den angrenzenden Segmenten. Bejaht man ein Betroffensein der unteren beiden LWS-Segmente erreichen die Spondylosen im Bereich der Segmente L3 und L4 kein Ausmaß von mehr als zwei Millimetern und sind damit als nicht über das Altersmaß hinausgehend zu bewerten.

52

Eine Konstellation Typ B2 liegt beim Kläger ebenfalls nicht vor. Die Konstellation B2 erfordert, dass wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren nicht erkennbar sind und dass keine Begleitspondylose besteht. Diese beiden Voraussetzungen sind erfüllt, da nach den vorstehenden Ausführungen eine Begleitspondylose in der erforderlichen Ausprägung im Bereich der LWS des Klägers nicht besteht und wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren im Gutachten des Dr. V. nicht benannt werden. Erforderlich für den Konstellationstyp B2 ist – ebenfalls wie für den bereits genannten Konstellationstyp B1 –, dass die Voraussetzungen für Lokalisation und Ausprägung des Bandscheibenschadens ebenfalls erfüllt sind. Wie bereits ausgeführt, besteht im Segment L4/L5 beim Kläger lediglich eine Bandscheibenprotrusion, nicht jedoch ein Bandscheibenvorfall (Prolaps). Auch eine Chondrose Grad II ist in keinem der beiden unteren LWS-Segmente des Klägers gegeben. Beim Kläger besteht nach den Ausführungen des Dr. V. (nur grenzwertig) eine Chondrose Grad I im Segment L4/L5 und L5/S1. Dass damit eine nicht ausreichende Ausprägung des Bandscheibenschadens in den beiden unteren LWS-Segmenten des Klägers im Hinblick auf die Konstellationen mit der Bezeichnung „B“ besteht, ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers, die promovierte Medizinerin ist, im Termin zur mündlichen Verhandlung vom Senat nachhaltig verdeutlicht worden.

53

Darüber hinaus liegen auch die weiteren in den Konsensempfehlungen beschriebenen Konstellationen beim Kläger nach den Ausführungen des Dr. V. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29. März 2010 nicht vor bzw. konnte von der Expertengruppe, die die Konsensempfehlungen erarbeitet hat, kein Konsens erzielt werden. Der Senat schließt sich auch insoweit den Ausführungen des Dr. V. in seiner Stellungnahme von 29. März 2010 an. Eine BK 2108 konnte beim Kläger daher mangels Erfüllung der medizinischen Voraussetzungen nicht festgestellt werden.

54

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

55

Die Entscheidung über die Auferlegung von Gerichtskosten in Höhe von 225,00 € beruht auf § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 184 Abs. 2 SGG. Hiernach können einem Beteiligten Kosten (ohne nähere Begründung zweitinstanzlich 225,00 €) auferlegt werden, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter (§ 192 Abs. 1 Satz 2 SGG). Vorliegend ist eine derartige Aussichtslosigkeit des Begehrens des Klägers der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Termin der mündlichen Verhandlung vom 19. März 2014 dargelegt worden, wobei auch auf die möglichen Kostenfolgen des § 192 SGG hingewiesen wurde.

56

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil Gründe hierfür nicht ersichtlich sind (§ 160 Abs. 2 SGG).

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 1. November 2007 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger eine Berufskrankheit (BK) der Ziffer 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) – im Folgenden: BK 2108 – besteht.

2

Der 1958 geborene Kläger ist gelernter Elektroinstallateur. Von Februar 1978 bis März 1990 war der Kläger als Elektroinstallateur, Betriebselektriker, Elektriker/Fahrer in einer Tiefbau-Firma und zuletzt erneut als Elektroinstallateur tätig. Hierbei war er nach eigenen Angaben keinen erheblichen Hebe- und Tragebelastungen, Belastungen durch extreme Rumpfbeugehaltungen oder durch Ganzkörperschwingungen im Sitzen ausgesetzt. Ab August 1990 war der Kläger als Kabelmonteur, zuletzt als Spezialkabelmonteur nach Angaben des Klägers bis zum 31. März 2003 bei den Hamburgischen Elektrizitätswerken AG (HEW) beschäftigt.

3

Nachdem der Kläger vom 22. Oktober 2001 bis 19. Mai 2002 wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden arbeitsunfähig krank geschrieben worden war, meldete die Krankenkasse des Klägers, die E., mit Schreiben vom 12. Juni 2002 vorsorglich Erstattungsansprüche bei der Beklagten mit der Begründung an, nach Angaben des Klägers habe er sich bei der Arbeit einen doppelten Bandscheibenvorfall zugezogen. In der beigefügten Stellungnahme der praktischen Ärztin A. vom 7. Juni 2002 hieß es, dass es sich bei der Erkrankung um eine BK oder deren Folgen handeln könnte.

4

Im Fragebogen vom 22. Juli 2002 gab der Kläger u. a. an, dass sich ein Bandscheibenvorfall während der Arbeitszeit ereignet habe, der nicht als Arbeitsunfall anerkannt worden sei. Rückenbeschwerden habe er im Jahre 1990 im Bereich der Lendenwirbelsäule gehabt. Nunmehr liege ein Dauerschmerz mit belastungsabhängiger Zunahme vor.

5

Die E. teilte der Beklagten im Schreiben vom 14. August 2002 mit, der Kläger sei wegen Ischialgie bzw. Kreuzschmerz einige Tage im November 1999 und Mai 2001 arbeitsunfähig gewesen, zuletzt länger andauernd vom 22. Oktober 2001 bis 19. Mai 2002.

6

Der Orthopäde Dr. W. teilte im Bericht vom 23. August 2002 mit, den Kläger erstmalig wegen Wirbelsäulenbeschwerden am 15. November 2001 behandelt zu haben. Er habe die Diagnose eines Prolapses im Bereich des Segmentes L 4/5 und L5/S1 gestellt. Eine radikuläre Symptomatik bestehe nicht.

7

Die praktische Ärztin A. teilte der Beklagten im August 2002 mit, den Kläger am 4. März 1991 wegen eines LWS-Syndroms behandelt zu haben.

8

Die Beklagte zog einen Computertomografiebefund der LWS des Klägers vom 11. Dezember 1992 bei, in welchem über eine leichte Prolabierung der Bandscheibe L5/S1 mit möglicher Wurzelreizung bei unauffälligen Bandscheiben in den beiden oberen Bandscheiben berichtet wurde.

9

Der Orthopäde Dr. M. teilte im September 2002 mit, den Kläger erstmals am 19. Juli 1999 wegen Wirbelsäulenbeschwerden (Blockierung lumbosakraler Übergang) behandelt zu haben. Die Röntgenaufnahme der LWS von 1992 habe eine lumbale Steilstellung gezeigt und sei im Übrigen ohne Befund gewesen.

10

Im MRT-Befund des Radiologen Dr. H. vom 5. November 2001 hieß es, der Kläger gebe klinisch seit gut acht Jahren rezidivierende Lumboischialgien an, welche sich akut am 22. Oktober 2001 verschlechtert hätten. Bei der Untersuchung habe sich eine hochgradige Steilstellung der LWS mit multisegmentaler Osteochondrose gezeigt. Es sei ein kleiner subligamentärer Sequester in L2/3 feststellbar, des Weiteren ein mediolateraler kleiner Prolaps in L4/5 mit Kontakt zum L5-Abgang rechts. Des Weiteren bestehe ein breiter mediolateraler Prolaps in L5/S1 ohne Nervenwurzelkontakt.

11

In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme führte der Facharzt für Chirurgie Dr. T. vom 10. Februar 2003 zusammengefasst aus, die Exposition im Zeitraum 1990 bis zur ersten Behandlung im März 1991 sei viel zu kurz für die Entstehung einer BK 2108. Ein Vorerkrankungsverzeichnis (der BKK – HEW) für die Jahre 1990 bis 1999 liege nicht vor. Die Röntgenbilder zeigten eine leichte aber deutliche rechtskonvexe Skoliose bei Beckenschiefstand. Degenerative Veränderungen wiesen die Segmente L4/5 und L5/S1 mit vorhandenen Bandscheibenprotrusionen auf. Zudem bestehe eine deutliche Bandscheibenprotrusion des Segmentes L2/L3. Es bestehe eine vollständig aufgehobene physiologische Lendenlordose. Es sei auch eine Fehlstellung der Brustwirbelsäule (BWS) zu erkennen. Bei dem Kläger bestehe mit Wahrscheinlichkeit eine anlagebedingte Fehlstellung des Achsenorgans. Die sehr frühzeitig dokumentierte Beschwerdesymptomatik im Bereich der LWS nach Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit, die eventuell eine Exposition im Sinne einer BK 2108 erkennen lasse, schließe ein durch berufliche Einwirkung induziertes Bandscheibenleiden aus.

12

Die Beklagte ließ durch ihren technischen Aufsichtsbeamten (TAB) J. den Bericht vom 17. April 2003 erstellen. Diesen wertete Dipl.-Ing. Ho. in ihrem Schreiben vom 3. Juli 2003 dahingehend aus, dass die Gesamtbelastungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) für den Zeitraum vom 1. August 1990 bis 30. April 2003 18,155 MNh betrage. Dieser Wert liege unter dem Richtwert zur Mindestexposition von 25 MNh für Männer, so dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 2108 nicht erfüllt seien.

13

Mit Bescheid vom 29. August 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 2108 ab, da die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

14

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, dass seine berufliche Belastung unvollständig ermittelt worden sei. Nach weiteren Ermittlungen seitens der Beklagten ging diese von einer Gesamtbelastungsdosis von zunächst 18,347 MNh (Bericht der Dipl.-Ing. Ho. vom 11. November 2003) und sodann von einer Gesamtbelastungsdosis von 24,3 MNh aus (Bericht der Dipl.-Ing. Ho. vom 25. März 2004) und bejahte das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen.

15

Die Beklagte führte sodann das Gutachten des Orthopäden P. vom 7. Juni 2004 herbei. Anamnestisch gab der Kläger an, erstmals im Jahr 1990 unter Rückenschmerzen gelitten zu haben, als er angefangen habe, bei den HEW zu arbeiten. Er habe dies als Anpassungsreaktion an die körperlich schwere Arbeit empfunden. Bereits 1992 sei ein Computertomogramm angefertigt worden, welches die degenerativen Bandscheibenveränderungen gezeigt habe. Im Jahr 2001 sei der Kläger wegen Rückenschmerzen zusammengebrochen und sei stationär behandelt worden. 2002 sei einer Kur durchgeführt worden. Eine operative Behandlung sei nicht diskutiert worden, derzeit findet keine Behandlung statt.

16

Bei der körperlichen Untersuchung habe sich ein linksseitiger Beckenschiefstand gefunden, der durch Brettchenunterlage von 1,5 cm ausgleichbar gewesen sei. Es bestehe eine flachbogige Skoliose der LWS. Es liege eine Beinlängendifferenz zu Gunsten rechts von 1 cm vor. Röntgenologisch bestehe eine rechtskonvexe Skoliose der LWS ohne wesentliche Wirbelkörpertorsion. Mit Ausnahme von Vorderkantenausziehungen im Segment L1/2 und feinsten Vorderkantenwulstungen bei L5 seien keine spondylotischen Veränderungen im Bereich der oberen LWS und im Bereich der unteren BWS erkennbar, insgesamt somit keine belastungsadaptiven Reaktionen. Im MRT vom 5. November 2001 finde sich in der Deckplatte L 3 ein Schmorlsches Knötchen. Auch in den Bodenplatten von TH 11 und TH 12 fänden sich Veränderungen, die an Schmorlsche Knötchen denken ließen.

17

Beim Kläger seien folgende Diagnosen zu stellen:

18

- Pseudoradiculäres lumboischialgieformes Reizsyndrom bei Fehlstatik,
- Hypermobilität,
- Zustand nach Morbus Scheuermann,
- Bein-Becken-Fehlstatik und beginnende degenerative Bandscheibenveränderungen.

19

Zusammenfassend führte der Gutachter aus, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung im engeren Sinne, d. h. mit Radikulärsymptomatik, beim Kläger nicht vorliege. In den Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 2001 seien signifikante Höhenminderungen der Bandscheiben nicht erkennbar. Die degenerativen Veränderungen erreichten bei Weitem nicht das Ausmaß, das in diesem Lebensalter üblicherweise zu erwarten sei. Auch seien sog. belastungsadaptive Reaktionen nicht vorhanden. Degenerative Bandscheibenveränderungen befänden sich in den Segmenten L4/5 und L5/S1, aber ohne signifikante Nervenwurzelirritationen. Bereits im Jahr 1992 sei ein kleiner Bandscheibenvorfall bei L5/S1 nachgewiesen worden, somit zu einem Zeitpunkt, als die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 2108 gar nicht hätten gegeben gewesen sein können. Hieraus sei zu folgern, dass sich aus körpereigener Ursache eine Bandscheibendegeneration an mehreren Segmenten der LWS entwickelt habe.

20

Als konkurrierende Ursachen für die Bandscheibendegeneration kämen beim Kläger eine deutliche Fehlstatik des Beckens und der LWS in Betracht. Durch diese Fehlstatik könne es zu einer Fehlbelastung der Zwischenwirbelräume kommen. Weiter ergäben sich Hinweise auf eine durchgemachte Scheuermannsche Krankheit. Insgesamt sei der Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung und den geklagten Beschwerden nicht wahrscheinlich.

21

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK 2108 lägen nicht vor. Es liege ein altersgemäßer Degenerationsbefund im Bereich der LWS des Klägers vor. Die Fehlstatik des Beckens und der LWS sowie die Scheuermannsche Erkrankung seien ursächlich für die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers.

22

Der Kläger hat am 16. August 2004 Klage beim Sozialgericht (SG) Neubrandenburg erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dem Gutachten des Herrn P. könne nicht gefolgt werden. Er sei, als er 1990 die maßgebliche Tätigkeit begonnen habe, gesund gewesen und habe keine Rückenprobleme gehabt. Diese hätten sich während seiner beruflichen Tätigkeit bei den HEW derart verstärkt, dass er 2003 die Tätigkeit habe aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen. Unzutreffend sei, dass angenommen werde, er habe im Jugendalter eine Scheuermannsche Erkrankung durchgemacht. Hierfür seien in anderen ärztlichen Berichten keinerlei Anhaltspunkte enthalten. Auch zu einer Hypermobilität oder einer Beckenfehlstatik befänden sich in weiteren ärztlichen Berichten keine Hinweise. Der Kläger hat einen Bericht über die MRT der LWS vom 20. Oktober 2004 zu den Gerichtsakten gereicht.

23

Der Kläger hat beantragt,

24

den Bescheid der Beklagten vom 29. August 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2004 aufzuheben und festzustellen, dass er an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK 2108 leidet.

25

Die Beklagte hat beantragt,

26

die Klage abzuweisen.

27

Das SG hat Beweis erhoben nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens des Dr. R.. In seinem Gutachten vom 25. Februar 2005 hat dieser Sachverständige folgende Diagnosen beim Kläger gestellt:

28

- Chronisch rezidivierendes pseudoradikuläres lumboischialgieformes Schmerzsyndrom links bei radiologischen Hinweiszeichen auf abgelaufenen Morbus Scheuermann und MRT-gesicherten (Befund 20. Oktober 2004) kleinen NPP LWK 5/SWK 1 medial.

29

Zusammenfassend hat dieser Sachverständige ausgeführt, durch die rechtskonvexe Ausbiegung der BWS/LWS bei Beckentiefstand links von 1,0 cm komme es zu einer statischen Dysbalance der Wirbelsäule. Die Belastbarkeit und Beweglichkeit der LWS sei schmerzhaft reduziert, Anhaltszeichen auf ein Radikulärsyndrom hätten sich derzeit nicht ergeben. Radiologisch seien Hinweiszeichen auf einen abgelaufenen Morbus Scheuermann vorhanden. Im MRT vom Oktober 2004 habe ein kleiner Bandscheibenvorfall L5/S1 medial ohne Nervenwurzelkompression nachgewiesen werden können. Bandscheibenvorfälle bei L2/3 und L4/5 (CT-Nachweis November 2001) hätten aktuell nicht mehr bestanden. Für einen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und den festgestellten Gesundheitsstörungen spreche der Aspekt der Langjährigkeit der beruflichen Tätigkeit von 1990 bis 2003 als Kabelmonteur. Für einen Zusammenhang spreche zudem die Höhe des Bandscheibenvorfalles bei L5/S1 und damit im Bereich der höchsten anzunehmenden Belastung.

30

Gegen einen Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit spreche der frühe Beschwerdebeginn, welcher bereits im März 1991 (acht Monate nach Arbeitsaufnahme) zu einer ersten ärztlichen Vorstellung geführt habe. Schon 1992 sei ein leichter Bandscheibenvorfall L5/S1 im CT nachgewiesen worden (zwei Jahre und fünf Monate nach Beginn der belastenden Tätigkeit). Bei einem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit sei ein von cranial nach caudal zunehmendes Verschleißbild (Osteochondrose und Spondylose) der LWS zu erwarten. Beim Kläger habe sich dagegen der Hauptbefund der Osteochondrose im Segment L1/2 gezeigt, wohingegen in den Segmenten L4/5 und L5/S1, die der größten Belastung ausgesetzt seien, kaum radiologische Verschleißumformungen der Bandscheibe bzw. der Wirbelkörper festzustellen gewesen seien. Zusammenfassend seien die aktuellen Verschleißumformungen der LWS altersüblich. Zudem fänden sich radiologische Veränderungen, welche auf einen abgelaufenen Morbus Scheuermann hindeuteten. Das erwartbare belastungskonforme Schadensbild im Bereich der LWS mit einem von unten nach oben abnehmenden Verschleißbild finde sich im Bereich der LWS des Klägers nicht, da die radiologischen Hauptveränderungen sich im Segment L1/2 fänden. Es fehlten deutliche belastungsadaptive Umbauten der unteren lumbalen Segmente. Ein ausreichender Kausalzusammenhang zwischen der angeschuldigten Tätigkeit und dem Wirbelsäulenleiden könne nicht hergestellt werden. Eine BK 2108 liege nicht vor. Die MdE nach den allgemeinen Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung werde auf 30 v. H. geschätzt. Mit den Ausführungen im Gutachten des Herrn P. bestehe im Wesentlichen Übereinstimmungen. Den festgestellten Ausschlusskriterien für das Vorliegen der BK 2108 könne er sich anschließen. Die radiologischen Befunde von 2001 und 2005 seien vergleichbar.

31

Gegen dieses Gutachten hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, die Ausführungen des Gutachters zu der Scheuermannschen Erkrankung des Klägers seien nicht korrekt. Der Radiologe Dr. W. habe keinen eindeutigen Nachweis von sog. Schmorlschen Knötchen im Sinne einer Scheuermannschen Erkrankung bei Beurteilung der Röntgenbilder der LWS feststellen können. Der Prozessbevollmächtigte hat den Bericht des Dr. W. vom 7. April 2005 sowie einen weiteren Bericht des Radiologen Dr. L. vom 25. August 2005 zu den Akten gereicht worin es heißt, gegenüber der Voruntersuchung von November 2001 sei der subligamentäre Prolaps im Segment L2/3 vollständig resorbiert. Es verblieben zirkuläre Protrusionen der Segmente L2/3, L4/5 und L5/S1. Der mediale Prolaps im Segment L4/5 sei deutlich rückgebildet, der minimal ausgedehnte in L5/S1 unverändert. Keine Spinalstenose. Der Befund passe zu einer mittelgradig fortgeschrittenen Degeneration nach chronischer Überlastung.

32

Das SG hat ein weiteres Vorerkrankungsverzeichnis über den Kläger beigezogen. Aus diesem ergeben sich Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers wegen eines LWS-Syndroms, eine akute Lumbalgie bzw. einer Lumboischialgie für den Monat März 1991, Dezember 1992, September 1995, Juni 1997 sowie November 1999.

33

Auf Veranlassung des SG hat Dr. R. seine ergänzende Stellungnahme vom 17. Juli 2005 abgegeben. In Auswertung der weiteren medizinischen Unterlagen hat er ausgeführt, dass mit dem CT-Befund vom 7. April 2005 der Verdacht auf eine abgelaufene Scheuermannsche Erkrankung als widerlegt betrachtet werden könne. Es bleibe aber nach wie vor bei der Feststellung eines frühzeitigen Beschwerdebeginns (bereits 1991/1992). Die Beckenschiefstellung habe weder berufliche Ursachen, noch sei sie kürzlich eingetreten. Als Auslöser seien eine rechtskonvexe Fehlstellung (Skoliose) der LWS/BWS und die aufgehobene lumbale Lordose anzusehen. Diese ursächlichen Veränderungen seien radiologisch belegbar (CT-Befund vom 7. April 2005). Andere Ursachen für eine Beckenfehlstatik seien beim Kläger auszuschließen. Bei der beruflichen Tätigkeit des Klägers wäre ein von cranial (oben, kopfwärts) nach caudal (unten fußwärts) hin zunehmendes Verschleißbild zu erwarten. Hierfür seien biomechanische Ursachen anzuführen. Die unteren Bandscheibensegmente (L5/S1 und L4/5) seien die am stärksten belastenden Wirbelsäulenabschnitte. Diese verstärkten degenerativen Veränderungen der beiden unteren LWS-Segmente fehlten beim Kläger völlig. Verschleißumbauten zeigten sich belastungsfern im Segment L2/L3. Die Röntgenauswertung habe kein typisches belastungsadaptives Bild gezeigt. Er bleibe bei seiner Beurteilung, dass die medizinischen Voraussetzungen einer BK 2108 nicht erfüllt seien.

34

Das SG hat den Befundbericht der praktischen Ärztin A. vom 19. Juni 2006 eingeholt, dem diese Ärztin Berichte der Radiologen Dr. Wa. und Dr. L. beigefügt hat.

35

Das SG hat das im Rentenverfahren des Klägers erstellte Gutachten des Dr. P./Dr. Wo. vom 2. März 2006 beigezogen.

36

Durch Urteil vom 1. November 2007 hat das SG Neubrandenburg die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung einer BK 2108. Während sowohl die arbeitstechnischen Voraussetzungen als auch das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung voll bewiesen sein müssten, gelte für den Bereich der Kausalität (ursächlicher Zusammenhang) der Beweismaßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Es müssten deutlich mehr Argumente für als gegen einen Zusammenhang sprechen. Es könne dahinstehen, ob der röntgenologische Verschleißbefund, wie für eine Anerkennung als BK zu fordern sei, das angesichts des Lebensalters des Klägers ohnehin zu erwartende Bild deutlich übersteige, ob mithin ein dem Altersmaß deutlich voraus eilender Verschleißbefund vorliege. Dies werde sowohl vom gerichtlichen Sachverständigen Dr. R. als auch vom Gutachter der Beklagten, Herrn Dr. Pe., verneint, während es im orthopädischen Gutachten für die BfA heiße, dass die degenerativen Veränderungen der LWS leicht oberhalb der Altersnorm lägen.

37

Ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung und dem Schadensbild der LWS lasse sich aber deshalb nicht feststellen, weil es bereits im Januar 1992 nach weniger als 2jähriger Belastung zu eindeutigen Bandscheibenschäden im Sinne eines, wenn auch leichten, Bandscheibenvorfalles gekommen sei. Hiervon gehe das Gericht aufgrund des vorliegenden schriftlichen CT-Befundes aus dem Jahr 1992 zur vollen Überzeugung aus. Ein derartiger Befund, der mit den wesentlich später erhobenen Befunden im Segment L5/S1 von seiner Ausprägung her durchaus vergleichbar sei, spreche eindeutig für eine anlagebedingte und gegen eine beruflich bedingte Bandscheibenschädigung, da seinerzeit die Gesamtdosis der einwirkenden Druckbelastung mit Sicherheit noch nicht ausgereicht habe, um eine berufliche Verursachung annehmen zu können. Auch habe seinerzeit eindeutig das Kriterium der Langjährigkeit nicht vorgelegen, wie es durch die Definition der BK selbst verlangt werde.

38

Komme es nach nur sehr kurzfristiger Einwirkung zu derartigen Bandscheibenvorfällen, sei es aus Sicht des Gerichts überzeugend, wenn sämtliche mit der Zusammenhangsbeurteilung befassten Ärzte, so der Beratungsarzt Dr. Th., der Gutacher Dr. Pe. und letztlich der gerichtliche Sachverständige Dr. R. gerade auf diesen Umstand des frühen, bildgebend gesicherten Bandscheibenvorfalls und des ebenso frühen Beschwerdebeginns verwiesen und ganz wesentlich vor diesem Hintergrund die Annahme eines wahrscheinlichen Zusammenhangs dieser Beschwerden mit der beruflichen Belastung verneinten. Auch die Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung in Trauma und Berufskrankheit, Seite 211 bis 252 verlangten in diesem Zusammenhang, dass die berufliche Belastung „eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufweisen“ müsse. Es sei aber nicht ersichtlich, weshalb der Bandscheibenvorfall aus dem Jahre 1992 schicksalhaft, die späteren Bandscheibenvorfälle hingegen beruflich bedingt sein sollten.

39

Gegen das am 19. Januar 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. Februar 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, es gebe keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, welcher Mindestzeitraum für das Auftreten bandscheibenbedingter Schäden seit dem Eintritt beruflicher Belastungen zu fordern sei. Es sei davon auszugehen, dass sich dieser Zeitraum mit zunehmender Belastungsintensität verkürze. Schon im Dezember 1992, nachdem er Gewichte über 100 Kilogramm zusammen mit einem Arbeitskollegen gehoben gehabt habe, habe er sich bei sechs Tagen Arbeitsunfähigkeit in ärztliche Behandlung wegen Rückenschmerzen begeben müssen. Ein CT vom 11. Dezember 1992 habe auf diesem Tätigkeitshintergrund eine Prolabierung bei L5/S1 ergeben. Anlagebedingte Ursachen träten bei diesem zeitlichen Zusammenhang zurück. Er weise darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R) die Richtwerte des MDD für die Gesamtbelastungsdosis zu halbieren seien, ferner, dass wegen der außerordentlich schweren Belastungsintensität ein früherer Erkrankungsbeginn nicht gegen den ursächlichen Zusammenhang spreche. Wesentliche konkurrierende Ursachen neben einer beruflichen Verursachung der Gesundheitsstörungen an seiner LWS bestünden nicht.

40

Der Kläger beantragt,

41

das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 1. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. August 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der gesundheitlichen Folgen einer Berufskrankheit der Ziffer 2108 der Anlage zu Berufskrankheitenverordnung eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. ab dem 1. April 2003 zu gewähren.

42

Die Beklagte beantragt,

43

die Berufung zurückzuweisen.

44

Sie ist weiter der Auffassung, dass das medizinische Bild nicht den Anforderungen einer BK 2108 entspreche. Die Auswertungen der Röntgenaufnahmen der LWS des Klägers hätten kein typisches belastungsadaptives Bild (Verschleißzunahme von cranial nach kaudal) gezeigt. Da bereits die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, könne dahinstehen, ob ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen der kurzzeitigen beruflichen Belastung und dem Schadensbild an der LWS bestehe.

45

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Gutachtens des Dr. D. vom 19. Januar 2009. Auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung des Klägers vom 13. Januar 2009 und der Auswertung bildgebenden Materials hat Dr. D. zusammenfassend ausgeführt, klinisch handele es sich überwiegend um ein chronisch pseudoradikuläres Lumbalsyndrom mit haltungs- und belastungsabhängiger Schmerzverstärkung sowie lumbaler Belastungsinsuffizienz. Radiologisch liege dokumentiert ab 1992 bis zuletzt 2006 eine zunehmende bandscheibenbedingte Verschleißveränderung der Segmente L4/5 und L5/S1 im Sinne einer Spondylose in deutlicherer Ausprägung ab 2003 vor als auch eine vorlaufende Spondylchondrose L1/2. Weiterhin bestehe eine radiologisch gesicherte und klinisch zu beschreibende Wirbelsäulenfehlstatik im Rahmen einer leichten rechtskonvexen LWS-Skoliose. Hieraus resultiere ein Schultertiefstand rechts sowie Beckentiefstand linksseitig mit relativer Beinlängendifferenz. Hierbei handele es sich um funktionelle Auswirkungen der Wirbelsäulenfehlstatik und nicht um eine eigentliche Becken-Bein-Asymmetrie.

46

Weiter bestehe seit 2001 eine rezidivierende Lumboischialgie in unterschiedlicher Seitenausprägung. Entsprechend des wechselnden klinischen Verlaufes seien die MRT-Befunde nicht durchgängig in der Darstellung von Bandscheibenvorfällen. In der vorletzten MRT-Untersuchung vom 4. Dezember 2007 sei noch ein semizirkulärer Bandscheibenprolaps älteren Datums L5/S1 beschrieben bei ausgeprägter rechtsseitig deutlicher erosiver Osteochondrose. Bei L4/5 habe nur ein flacher medialer Bandscheibenvorfall bestanden. Weiterhin sei bei L2/3 ein flacher semizirkulärer Bandscheibenvorfall festgestellt worden. Es zeige sich somit eine multisegmentale Bandscheibendegeneration. Es werde darauf hingewiesen, dass keine Operationsindikation aufgrund einer vordergründigen Nervenwurzelkompressionsymptomatik mit eindeutiger sensomotorischer Klinik bestanden habe. Aktuell bestehe keine Nervenwurzelreiz- oder –kompressionssymptomatik im Rahmen einer bandscheibenbedingten Bedrängung der unteren LWS. Das Erkrankungsbild der LWS sei als pseudoradikulär einzuschätzen.

47

Radiologisch zeige sich ein Zustand nach Scheuermannscher Erkrankung der BWS, die Segmente BWK6 bis BWK9 betreffend. Eine klinische Symptomatik im Sinne einer schmerzhaften Belastungsstörung der mittleren BWS bestehe nicht.

48

Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien aufgrund der Nachermittlung als gegeben anzusehen. Prinzipiell sei das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung mit Nachweis von mehreren in unterschiedlicher Ausprägung vorliegenden Bandscheibenvorfällen der Segmente L2/3, L4/5 und L5/S1 als gegeben anzusehen. Spätestens ab 11/2001 mit Behandlungsbeginn des Orthopäden Dr. Th. sei die chronisch rezidivierende Lumboischialgie der unteren LWS-Segmente nachgewiesen. Somit sei zunächst zu bewerten, dass ein positiver Zusammenhang zwischen festgestellter beruflicher Belastung im Sinne einer BK 2108 und dem Auftreten des Beschwerdebildes im unteren LWS-Bereich in Korrelation mit radiologischen und MRT-Befunden bestehe.

49

Eine konkurrierende Verursachung durch den radiologisch festgestellten Morbus Scheuermann im Sinne einer juvenilen Aufbaustörung der Grund- und Deckplatten im Bereich der BWS bei BWK6 bis BWK9 bestehe nicht, da eine statische Auswirkung der Scheuermannschen Erkrankung betreffend wenige Wirbelkörper der mittleren BWS nicht gegeben sei und insbesondere keine spezifische Betroffenheit der LWS durch diese Erkrankung bestehe. Weiter bestehe eine geringe Lumbalskoliose deutlich unter 10 Grad nach Cobb. Hier sei eine fehlstatische Auswirkung auch der sekundären degenerativen Bandscheibenveränderungen nicht anzunehmen.

50

Auch die Wirbelsäulenfehlstatik im Sinne eines Flachrückens mit abgeflachter BWS-Kyphose und Lendenlordose stelle keinen spezifischen Hinweis auf eine Auswirkung bzgl. einer eigentlichen konkurrierenden Verursachung zur BK 2108 dar.

51

Nach den Konsensempfehlungen sei ein Beckenschiefstand erst ab Beinverkürzung von mehr als 3 cm als konkurrierende Verursachung zu sehen. Diese Beinlängendifferenz die sich, wenn überhaupt, links in der Größenordnung von etwa 1 cm bewege, liege im vorliegenden Fall nicht vor. Die leicht asymmetrischen Facettengelenke der lumbosacralen Übergangsregion seien nicht als schwerwiegende Fehlstatik und Asymmetrie der lumbosacralen Übergangsregion zu werten. Die geringe Bogenschlussstörung S1 spiele keine funktionelle Rolle in Bewertung des Ursachenzusammenhanges. In der Gesamtbewertung sei festzustellen, dass in Betrachtung der konkurrierenden Verursachungen keine schwerwiegende Erkrankung der Wirbelsäule festzustellen sei, die eine überwiegende oder alleinige Verursachung der im Weiteren zu diskutierenden bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS darstellten. Gemäß den arbeitstechnischen Ermittlungen sei eine ausreichende Belastungsexposition erst im Verlauf von 13 Berufsjahren (1990 bis 2003) erreicht worden. Entsprechend der Annahme einer berufsbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäulenbandscheiben wäre zu erwarten, dass es erst im Verlauf von mehreren Berufsjahren zum Ende der Belastungsexposition zur Ausbildung des bandscheibenbedingten Erkrankungsbildes gekommen wäre, wenn hier eine ursächliche Verknüpfung gegeben sein sollte. Die stelle sich anhand der gut dokumentierten Befunde anders dar. Im Vorerkrankungsverzeichnis sei bereits im März 1991 ein Lendenwirbelsäulensyndrom vermerkt, im weiteren dann im Dezember 1992 ein akutes Lumbalsyndrom, in deren Rahmen bereits in der CT-Untersuchung eine Bandscheibenprotusion L5/S1 als ersten Hinweis auf das sich abzeichnende bandscheibenbedingte Erkrankungsbild gesichert worden sei sowie dann 1995 auch eine Krankschreibung bereits unter der Diagnose der Lumboischialgie links erfolgt sei. Hier werde deutlich, dass sich ein langjähriger Erkrankungsverlauf ab dem Zeitraum 1991 in regelmäßiger Wiederholung in den Folgejahren entwickelt habe. Die im CT vom Dezember 1992 festgestellte leichte Prolabierung der Bandscheibe L5/S1 habe dann letztlich in einem multisegmentalen Bandscheibenschaden im November 2001 mit Sicherung des Bandscheibenprolapses L5/S1 als auch L4/5, gesichert durch das MRT, gemündet. Hieraus werde deutlich, dass nicht erst im Jahre 2001 das Vollbild der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS in erstmaliger Ausprägung nach langjähriger beruflicher Belastung aufgetreten sei, sondern sich vielmehr ein kontinuierlicher Erkrankungsverlauf ab 1991 nachweisen lasse. Hierin sei gerade kein Beweis für eine berufsbedingte Verursachung des bandscheibenbedingten Erkrankungsbildes im Sinne der BK 2108 zu sehen, da dann das Beschwerdeauftreten auch in der klinischen typischen Ausprägung erst nach mehreren Berufsjahren zu erwarten gewesen wäre.

52

Da der Kläger die Berufstätigkeit Anfang 2003 aufgegeben habe, sei zur Berechnung der normierten Bandscheibenraumhöhe die Röntgenaufnahme der LWS vom 15. September 2003 zur Berechnung herangezogen worden. Die normierte relative Bandscheibenraumhöhe betrage für L1/2 100 %, L2/3 99 %, L3/4 100 %, L4/5 95 %, L5/S1 92 %. Hieraus ergebe sich ein Chondrosegrad für alle Bandscheibensegmente L1/L2 bis L5/S1 von 0. Eine altersuntypische Ausprägung sei nicht festzustellen, da zumindest ein Chondrosegrad I mit Höhenminderung von mehr als 1/5 bis 1/3 der betroffenen Bandscheibensegmente zu erwarten wäre.

53

In Bewertung der belastungsadaptiven Spondylose seien bei einem Eintrittsalter von unter 50 Jahren typische Ausprägungen von mehr als drei bis fünf Millimeter zu erwarten. Hier sei lediglich für das Segment L1/2 eine entsprechende Spondylose bereits ab 2001 nachweisbar. Da insbesondere in den Jahren bis 2003 die unteren LWS-Segmente jedoch vollständig frei von solch einer Begleitspondylose seien und hier lediglich ein unisegmentaler Befall in der oberen LWS bestehe, sei eine belastungsinduzierte Verursachung nicht wahrscheinlich zu machen. Die im Verlauf 2003 bis 2006 sich entwickelnde Spondylose der Segmente L4/L5, L5/S1 seien nicht als beruflich bedingte belastungsadaptive Vorgänge zu bewerten, da zu diesem Zeitpunkt bereits die Berufsbelastung aufgegeben worden sei und es sich hier um typische sekundäre Verschleißveränderungen im Rahmen des zunehmenden bandscheibenbedingten Erkrankungsbildes dieser beiden Segmente handele. In Bewertung der im relevanten Bewertungszeitraum angefertigten MRT-Untersuchungen 11/2001 und 10/2004 sei festzustellen, dass sich eine Black-Disk-Darstellung in der T2-Gewichtung nur für das Segment L4/5 und L5/S1 nachweisen lasse.

54

Bezüglich der Prolapsausbildung ergäben sich differente Beschreibungen je nach Untersuchungszeitraum. Ein relevanter Prolaps von mehr als 5 Millimeter sei in der MRT-Untersuchung 3/2008 für das Segment L4/L5 beschrieben. In 08/2005 sei hier noch eine maximale Ausprägung von 3 Millimeter beschrieben. Demgegenüber habe sich eine relevante Prolapsbeschreibung L5/S1 in 11/2001 gezeigt. Über den Zeitverlauf sei zumindest für die Segmente L4/L5 und L5/S1 von einem relevanten Bandscheibenvorfall auszugehen.

55

Entsprechend der Konsensempfehlungen sei darauf hinzuweisen, dass in der Konstellationsbeurteilung eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung in Bezug auf die berufliche Belastungsexposition nicht gegeben sei. Es fehle bereits ein Hauptbestandteil der positiven Bewertung.

56

Die Lokalisation der unteren beiden Bandscheibensegmente L4/5 und L5/S1 sei bezüglich des Chondrosegrades als nicht gegeben anzusehen, da hier nicht einmal Grad I erreicht werde, jedoch Grad II gefordert werde. Die Konstellation nach Typ B1 komme nicht infrage, da eine Begleitspondylose in geforderter Ausprägung nicht bestehe.

57

Die Voraussetzungen für die Konstellation B2 seien nicht erfüllt. Eine Chondrose bzw. Black-Disk im MRT in mindestens zwei angrenzenden Segmenten sei nicht nachweisbar. Eine besonders intensive berufliche Belastung sei nicht gegeben, da der Richtwert in der Lebensdosis erst grenzwertig nach 13 Jahren erreicht worden sei. Bei Einsichtnahme in die TAD-Ermittlungsergebnisse bezüglich der Druckkraftverteilung sei nicht ersichtlich, dass hier regelmäßig außergewöhnliche Belastungsspitzen mit hierdurch bedingtem Erreichen der Hälfte der MDD-Tagesbelastungsdosis bestanden hätten.

58

Die weiteren Bedingungen unter Konstellation B3 bis B10 seien im vorliegenden Fall nicht relevant. Damit könne eine Wahrscheinlichkeit des Zusammenhanges der beruflichen Belastung und des Erkrankungsbildes der LWS nicht hergestellt werden, eine BK 2108 bestehe nicht. Der Unterlassungszwang sei gegeben. Mit der Beurteilung des Dr. R. bestehe vollständige Übereinstimmung.

59

Hierzu hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers u. a. eingewandt, die Zusatzkriterien der Konstellation B2 der Konsensempfehlungen seien nicht hinreichend ermittelt worden. Der Kläger sei u. a. bei Schaufeltätigkeiten Belastungsspitzen ausgesetzt gewesen.

60

Die Beklagte hat daraufhin die Stellungnahme der Dipl. Ing. H. vom 22. April 2009 abgereicht. Danach beträgt die Gesamtbelastungsdosis unter Einbeziehung der Schaufelvorgänge 29,6 MNh. Hohe Belastungsspitzen träten nicht auf. Allerdings werde die Belastungsdosis von 25 MNh (Richtwert nach dem MDD) bereits nach 10,31 Jahren erreicht. In der Beurteilungskonstellation B2 werde als Kriterium weniger als 10 Jahre genannt. Da die retrospektive Erhebung von Belastungswerten immer Ungenauigkeiten beinhalte, werde vorliegend davon ausgegangen, dass eine besonders intensive Belastung im Sinne der Konsensempfehlung vorliege.

61

Daraufhin ist Dr. D. vom Senat um eine ergänzende Stellungnahme gebeten worden. In seinem Schreiben vom 22. Juni 2009 hat Dr. D. ausgeführt, nach der neueren Stellungnahme des TAD vom 22. April 2009 wäre nach dem Konstellationstyp B2 der Konsensempfehlungen festzustellen, dass das geforderte eine Zusatzkriterium zumindest grenzwertig erreicht worden sei. Hieraus wäre abzuleiten, dass die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhanges gegeben sei. In der medizinischen Begutachtung müssten alle dafür und dagegen sprechenden Befunde bewertet werden und hierzu gäben letztlich auch die Bewertungskriterien der Konsensempfehlungen nur einen, wenn auch gewichtigen Hinweis. In seinem Gutachten habe er eine komplexe Darstellung vorgenommen. Hierbei sei das isolierte Herausgreifen einzelner Bewertungskriterien nicht sinnvoll, da gerade in der Zusammenschau der dargestellten Befunde deutlich werde, dass zum einen weiterhin der dokumentierte Erkrankungsverlauf mit frühzeitigem Nachweis der einsetzenden bandscheibenbedingten Erkrankung der unteren LWS bereits in den 90er Jahren, also in den ersten Berufsjahren einen Hinweis darauf gebe, dass es sich um eine von der beruflichen Belastung unabhängige verminderte konstitutionelle Belastungsfähigkeit der unteren LWS gehandelt habe. Hierbei spielten insbesondere die dargestellten konstitutionellen Voraussetzungen im Sinne der Wirbelsäulenfehlstatik eine entscheidende Rolle. Im Hinblick darauf, dass die medizinischen Befunde bezüglich der Bewertung der typischen Ausprägung eines bandscheibenbedingten Erkrankungsbildes durch berufliche Verursachung (Chondrosegrad, Begleitspondylose, fortschreitende generalisierte Bandscheibendegeneration) im MRT nicht vorlägen bzw. nur grenzwertig in der Beurteilung zu bejahen seien, ergebe sich die Einschätzung, dass ein überzeugender Vollbeweis der typischen Ausprägung des berufsbedingten bandscheibenbedingten Erkrankungsbildes der unteren LWS nicht zu erbringen sei. Dieses Bild reihe sich zwanglos in die TAD-Nachermittlung vom 22. April 2009 ein, in der wiederum nur grenzwertig ein positives Kriterium erreicht werde. Er bleibe in der Gesamtschau dabei, dass die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhanges der beruflichen Belastung mit der dargestellten bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS nicht bejaht werden könne.

62

An diesem Schreiben des Dr. D. hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Kritik geübt. Nach den Konsensempfehlungen zu B2 sei der Zusammenhang zwingend als wahrscheinlich zu beurteilen, wenn eines der darin genannten drei Kriterien erfüllt sei. Dies sei der Fall, da auch die Beklagte von einer besonders intensiven Belastung ausgehe. Im Übrigen habe die Beklagte die Arbeiten des Klägers beim Aushub der Montagegruben nicht berücksichtigt. Eine weitere Nachberechnung würde dazu führen, dass der erforderliche Wert für eine besonders intensive Belastung noch unter 10 Jahren liegen würde. Die Ausführungen des Dr. D. zur Wirbelsäulenfehlstatik seien nicht haltbar. Auch die Aussage, dass die Konstellation nach Typ B1 nicht in Frage komme, da eine Begleitspondylose in geforderter Ausprägung nicht bestehe, sei falsch. Da im Segment L1/2 eine entsprechende Spondylose nachweisbar vorhanden sei, hätte die Konstellation B1 bejaht werden müssen. Insoweit werde der Bericht des Radiologen Dr. S. vom 23. April 2010 bezüglich der Befundung der Aufnahme der LWS des Klägers vom 22. Oktober 2001 abgereicht, der die Aussage des Dr. D. widerlege, dass die unteren Etagen der LWS völlig frei von einer Spondylose seien.

63

Zu den Einwänden des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. P. vom 3. September 2010 überreicht. Hierin heißt es, soweit sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers dagegen wende, dass Dr. D. die vorgenommene Gesamtabwägung „außerhalb der Konsensempfehlungen“ vorgenommen habe und sich damit in Gegensatz zu der herrschenden wissenschaftlichen Auffassung, die in den Konsensempfehlungen ihren Niederschlag gefunden habe, setze, könne diesen Ausführungen nicht zugestimmt werden. Das geforderte schematische Vorgehen unter ausschließlicher Hinzuziehung bzw. Würdigung der sog. „Fallkonstellationen“ werde zweifelsfrei den Anforderungskriterien an eine Zusammenhangsbegutachtung nicht gerecht. Bereits begrifflich werde anhand der Konsensempfehlungen erkennbar, dass es sich hierbei um (empfohlene) Beurteilungskriterien handele, die als ergänzendes Werkzeug bei der außerordentlich schwierigen Aufgabenstellung an den Gutachter diene. Nach Auswertung der Akten werde das Gutachten des Dr. D. als zutreffend und umfassend eingeschätzt. Darüber hinaus werde darauf hingewiesen, dass 1992 bereits computertomographisch der Vollbeweis eines sehr kleinen Bandscheibenvorfalles im Segment L5/S1 gelungen sei. Zu diesem Zeitpunkt hätten die sog. belastungsadaptiven Veränderungen im Bereich der Segmente der LWS nicht nachgewiesen werden können. Radiologisch habe sich zu diesem Zeitpunkt ein vollkommen altersentsprechender Befund offenbart, der Zeichen einer überdurchschnittlichen Belastung nicht erkennen lasse. Zu diesem frühen Zeitpunkt, der sich zeitlich mit Beginn der angeschuldigten Tätigkeit decke, seien neurologische Symptome nicht dokumentiert. Es sei wiederholt der Nachweis weiterer struktureller Veränderungen ausschließlich der Bandscheiben der LWS gelungen, ohne den gleichzeitigen Nachweis belastungsadaptiver Veränderungen der Wirbelkörpersegmente und ohne den gleichzeitigen Nachweis einer Nervenwurzelkompression zu führen. Zu keinem Zeitpunkt des Erkrankungsverlaufes bis in das Jahr 2009 sei ein radiologischer Segment-Befund erhoben worden, der mit den bildtechnischen Befunden übereingestimmt habe. Als Voraussetzung für das Bestehen einer bandscheibenbedingten Erkrankung forderten die Konsensempfehlungen (Seite 212) als klinisches Kriterium nicht nur eine morphologische Veränderung von Bandscheibengewebe im bildgebenden Verfahren, sondern zusätzlich eine zum betroffenen Wirbelkörpersegment zuzuordnende neurologische Störung. Dies bedeute, dass neben einem nachweisbaren Bandscheibenschaden eine hierzu korrelierende klinische Symptomatik zwingend vorhanden sein müsse. Bei einer bandscheibenbedingten Erkrankung seien grundsätzlich zwei klinische Krankheitsbilder zu unterscheiden, nämlich das lokale Lumbalsyndrom und das lumbale Wurzelsyndrom. Anhand der Gutachten und der bildtechnischen Befunde, insbesondere anhand des Gutachtens des Dr. D. sei feststellbar, dass weder ein lokales Lumbalsyndrom noch ein lumbales Wurzelsyndrom beim Kläger nachweisbar sei. Hiermit erübrigten sich faktisch sämtliche weitere Diskussionen über möglicherweise anwendbare „Fallkonstellationen“.

64

Es sei darauf hingewiesen, dass entsprechend der Konsensempfehlungen der kernspintomographisch nachweisbare Bandscheibenvorfall definiert werde als Vorwölbung von Bandscheibengewebe um mindestens 5 mm über die Verbindungslinie der dorsalen Begrenzung der Wirbelkörperkante hinaus (Grad 2). Erst dann handele es sich um einen altersuntypischen Befund. Dieses Kriterium werde in keiner bildtechnischen Untersuchung erfüllt. Eine altersuntypische Höhenminderung einer oder mehrerer Bandscheiben der LWS sei nicht nachweisbar. Eine Entfaltungsstörung der LWS sei in keiner der gutachterlichen Untersuchung nachgewiesen worden. Damit scheide die Diagnose eines lokalen Lumbalsyndroms aus.

65

Ein lumbales Wurzelsyndrom setze voraus, dass Zeichen der Reizung bzw. Schädigung der entsprechenden Nervenwurzel vorlägen. Anhand sämtlicher Gutachten könnten eindeutige Zeichen einer Nervenwurzelreizung nicht erbracht werden. Ein eindeutiger neurologischer Segmentbefund, der sich einem, in den bildtechnischen Untersuchungen dokumentierten Bandscheibenschaden eindeutig hätte zuordnen lassen, habe somit zu keinem Zeitpunkt bestanden. Weder ein lumbales Wurzelsyndrom noch ein lokales Lumbalsyndroms habe sich beim Kläger im Vollbeweis sichern lassen.

66

Beim Kläger lasse sich lediglich ein sog. Schmerzsyndrom sichern, welches als chronisch unspezifisch und in Übereinstimmung zu sämtlichen Gutachtern als pseudoradikulär einzustufen sei.

67

Der Senat hat Beweis erhoben nach § 109 SGG durch Einholung eines Gutachtens des Prof. Dr. E. vom 22. Dezember 2011 unter Einschluss eines neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachtens des Dr. F. vom 25. September 2011 sowie eines radiologischen Zusatzgutachtens des Dr. T. vom 10. Oktober 2011.

68

In seinem Gutachten vom 25. September 2011 ist Dr. F. zusammenfassend zu der Beurteilung gelangt, dass der Kläger an einer degenerativen Erkrankung der LWS mit leichtgradiger sensibler Radikulopathie und einer Funktionsstörung des Nervus cutaneus lateralis rechts leide. Letztere stehe nicht in einem Zusammenhang mit der degenerativen LWS-Erkrankung. In psychiatrischer Hinsicht liege eine Anpassungsstörung mit Schlafstörung und anamnestisch missbräuchlichen oder zeitweilig abhängigem Alkoholkonsum vor, aktuell bestehe glaubhaft Abstinenz. Die neurologischen Ausfälle beträfen eine Hypaesthesie im Dermatom S1 rechts, im Versorgungsgebiet des N. cutaneus femoris lateralis rechts, am linken Bein möglicherweise im Dermaton L5. Aktuell liege ein leichtes chronisches Schmerzsyndrom infolge der LWS-Erkrankung vor, die Kriterien einer depressiven Störung würden derzeit nicht erfüllt. Die MdE werde aufgrund der neurologischen Funktionsausfälle mit 10 v. H. angenommen, die Anpassungsstörung werde mit 20 v. H. eingeschätzt.

69

In seinem Gutachten vom 10. Oktober 2011, welches auf einer röntgenologischen Untersuchung des Klägers vom 23. September 2011 basiert, hat Dr. T. zusammenfassend ausgeführt, an der LWS des Klägers bestehe eine zweitgradige altersuntypische Chrondrose bei L5/S1. An BWS und HWS fände sich kein Nachweis von Chrondrosen. Es bestehe ein drittgradiger Prolapsbefund L2/3, jedoch ohne Wurzelbedrängung, der sich im weiteren Verlauf bis auf eine diskrete erstgradige, nicht alteruntypische Protrusion vollständig rückgebildet habe. Auf den letzten angefertigten MRT’s finde sich eine erstgradige, nicht altersuntypische Protrusion auch L4/5. Auch im Segment L5/S1 sei nur bis Grad IIa-Grenzprolapsbefund nachweisbar ohne Wurzelbedrängung. Es bestehe zwischenzeitlich eine zweitgradige, zuletzt erstgradige, nicht altersuntypische vermehrte grund- und deckplattennahe Sklerosierung L1/2. Zuletzt jedoch zweitgradige, altersuntypisches Sklerose L5/S1. Es habe sich eine zweitgradige altersuntypische Spondylarthrose L5/S1 gefunden. Die genannten Bandscheibenschäden, auch der drittgradige Prolapsbefund mit Sequester L2/3 hätten nicht zu einer Bedrängung von nervalen Strukturen geführt. Der Nachweis einer „black disc“ sei bei L4/5 sowie L5/S1 gelungen. Es habe kein Nachweis einer Begleitspondylose geführt werden können. Es bestehe kein Anhalt für prädiskotische Deformitäten, wie Spondylolisthesis, Spondylose, asymmetrischer Übergangswirbel, Beckenschiefstand, lumbaler Morbus Scheuermann oder Skoliose. Die degenerativen Veränderungen an HWS und BWS seien im Vergleich zur LWS schwächer ausgebildet.

70

In seinem Gutachten vom 22. Dezember 2011 hat Prof. Dr. E. ausgeführt, beim Kläger fänden sich folgende Gesundheitsstörungen seiner Wirbelsäule:

71

a) Altersuntypische Spondylose Grad III im Segment L1/2 (Erstdiagnose-ED: 22.10.2001).

b) Altersuntypische Spondylarthrose Grad I im Segment L5/S1 (ED: 25.10.2001) und Grad II (ED: 23.09.2011).

c) Altersuntypischer Prolaps-Grenzbefund in den Segmenten L4/L5 und L5/S1 (ED: 25.10.2001).

d) Altersuntypischer Bandscheibenprolaps L2/L3 (ED: 5.11.2001).

e) Altersuntypische Chondrose Grad I im Segment L5/S1 (ED: 15.09.2003) und Grad II. (ED: 23.09.2011)

f) Altersuntypische Retrospondylose Grad I im Segment L4/L5 und L5/S1 (ED: 25.02.2005).

g) Nicht alterstypische Spondylarthrose Grad I im Segment L4/L5 (ED: 25.02.2005).

h) Altersuntypische Spondylose der Brustwirbelsäule in den Segmenten Th7/8 und Th8/9 (ED: 5.04.2005).

i) Altersuntypische Spondylose Grad IV im Segment L5/S1 (ED: 23.09.2011).

j) Sensibles Wurzelsyndrom S 1 rechts (ED: 23.09.2011).

72

Beim Kläger bestehe mit Wahrscheinlichkeit eine BK 2108, weil die Voraussetzungen der Fallkonstellation B2 der Konsensempfehlungen vorlägen. Die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit aus arbeitsmedizinischer Sicht sei zwingend gewesen, um eine weitere Verschlimmerung der Bandscheibenschäden der LWS in 3 Segmenten zu verhüten. Als Gesundheitsstörung im Sinne der BK 2108 sei zum Zeitpunkt der Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit ein Bandscheibenprolaps-Grenzbefund in den Segmenten L4/5 und L5/S1 sowie ein Bandscheibenprolaps L2/3, eine altersuntypische Chondrose im Segment L5/S1 sowie das dadurch bedingte lokale Lumbalsyndrom zurückzuführen. Die MdE zum Zeitpunkt der Begutachtung schätze er auf 20 v.H.

73

Zusammenfassend hat Prof. Dr. E. ausgeführt, nach den Konsensempfehlungen sei bei bereits länger zurückliegender Aufgabe der belastenden Tätigkeit der belastenden Tätigkeit der Befund zum Zeitpunkt der Aufgabe wegweisend. Der Kläger habe die gefährdende Tätigkeit zum Mai 2003 unterlassen. Das Ausmaß der Degeneration im Bereich der LWS zum Zeitpunkt der Unterlassung könne ehestens abgeschätzt werden in den Röntgenbildern der LWS vom 15. September 2003, in der sich eine erstgradige altersuntypische Chondrose im Segment L5/S1 und eine erstgradige, nicht altersuntypische Spondylarthrose im selben Segment habe nachweisen lassen. Ein MRT oder CT der LWS sei zum Zeitpunkt der Unterlassung nicht erfolgt. Die MRT der LWS vom 20. April 2004 zeige eine schlechte Befundqualität und, soweit beurteilbar, keinen Befundwandel gegenüber der Voruntersuchung vom 5. November 2001. In letzterer zeige sich ein Bandscheibenprolaps-Grenzbefund und „black disc“ in den Segmenten L4/5 und L5/S1. Ferner habe ein Bandscheibenprolaps im Segment L2/3 bestanden. Nach der Röntgenklassifikation der Konsensempfehlungen seien sowohl die Bandscheibenprolaps-Grenzbefunde in den Segmenten L4/5 und L5/S1 als auch der Bandscheibenprolaps L2/3 als altersuntypisch einzustufen (S. 215, Übersicht 8).

74

Die Erkrankung des Klägers sei als Fallkonstellation B2 einzustufen. Beim Kläger liege eine ausreichend hohe Einwirkung im Sinne der BK 2108 nach den MDD vor. Beim Kläger habe sich in der CT der LWS vom 25. Oktober 2001 ein altersuntypischer Bandscheibenprolaps-Grenzbefund in den Segmenten L4/5 und L5/S1 sowie dem MRT der LWS vom 5. November 2001 ein Bandscheibenprolaps mit subligamentärem Sequester im Segment L2/3 gefunden. Alle drei Befunde seien als altersuntypisch einzustufen. Zum Zeitpunkt der Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit habe ein altersuntypischer dreisegmentaler Bandscheibenschaden vorgelegen. Wesentliche außerberuflich bedingte konkurrierende Ursachenfaktoren für die Entwicklung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS lägen nach Abfassung des radiologischen Zusatzgutachters (Dr. Troglauer) beim Kläger nicht vor. Hinweise für eine Begleitspondylose hätten sich nach dessen Auffassung ebenfalls nicht gefunden.

75

Die drei Zusatzkriterien der Konstellation B2 würden wie folgt diskutiert: Beim Kläger habe zum Zeitpunkt der Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit ein Bandscheibenprolaps an mehreren Bandscheiben vorgelegen, was als Nachweis eines dreisegmentalen Bandscheibenprolapses zu interpretieren sei. Eine besonders intensive Belastung mit Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren liege vor. Dagegen liege beim Kläger kein besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen mit Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen ab 6 kN vor.

76

Zum Zeitpunkt der Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit hätten beim Kläger keine Hinweise für einen Bandscheibenschaden der HWS vorgelegen. Somit seien die Voraussetzungen für die Fallkonstellation B2 gegeben, so dass er die Anerkennung einer BK 2108 empfehle.

77

Soweit der Orthopäde P. in seinem Gutachten vom 7. Juni 2004 ausgeführt habe, dass gegen eine BK 2108 spreche, dass beim Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung im engeren Sinne nicht vorliege, weil der behandelnde Orthopäde lediglich eine Lumbago ohne neurologische Ausfälle diagnostiziert habe, so dass eine radikuläre Symptomatik auch laut behandelndem Orthopäden nicht bestehe, könne dem nicht zugestimmt werden. Er, der Sachverständige, gehe davon aus, dass beim Kläger zum Zeitpunkt der Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit ein lokales Lumbalsyndrom bestanden habe. Er beziehe sich auf den Befund der Hausärztin des Klägers, wonach bei diesem ein LWS-Syndrom mit starker Schmerzsymptomatik, Myelogelosen und Flachrücken bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen befundet worden sei. Entgegen der Auffassung des Herrn P. seien für die Anerkennung einer BK 2108 keine neurologischen Ausfallserscheinungen im Sinne eines lumbalen Wurzelsyndroms erforderlich. Ein lokales Lumbalsyndrom reiche aus. Auch sei der Auffassung des Herrn P. entgegenzutreten, dass die degenerativen Veränderungen beim Kläger bei Weitem nicht das Ausmaß erreichten, dass in diesem Lebensalter üblicherweise zu erwarten sei. Wie sich aus dem MRT der LWS vom 5. November 2001 ergebe, habe beim Kläger ein Prolaps-Grenzbefund L4/L5 und L5/S1 sowie ein Bandscheibenprolaps L2/L3 bestanden, die nach den Konsensempfehlungen als altersuntypisch einzustufen seien. Ferner habe beim Kläger eine altersuntypische Chondrose Grad I im Segment L5/S1 bestanden, die in den Röntgenbildern der LWS am 15. September 2003 nachgewiesen worden sei. Die Chondrose Grad I sei nach den Konsensempfehlungen bei dem damals 45-jährigen Klägers ebenfalls altersuntypisch. Der Forderung des Herrn P., dass eine BK 2108 nur anerkannt werden könne, wenn sog. belastungsadaptive Reaktionen vorlägen, könne er inhaltlich nicht zustimmen. Diese Forderung sei in der Fachliteratur umstritten, auch die Rechtsprechung werte dieses Kriterium uneinheitlich. Das BSG sei mit Urteil am 27. Juni 2006 – B 2 U 13/05 R – zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Forderung den allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht entspreche. Auch die Konsensus-Arbeitsgruppe habe bzgl. der Forderung über das Vorliegen sog. belastungsadaptiver Veränderungen im Sinne der Spondylose und Osteochondrose keine Einigkeit erzielt. Diskutiert worden sei lediglich die sog. Begleitspondylose im nicht von Chondrose oder Vorfall betroffenen LWS-Segment. Gegen eine BK 2108 führe Herr P. ferner an, dass beim Kläger bereits im Januar 1992 ein kleiner Bandscheibenvorfall L5/S1 nachgewiesen worden sei. Die CT der LWS vom 11. Dezember 1992 habe nicht mehr beschafft werden können. Darin habe Dr. Sch. eine leichte Prolabierung der Bandscheibe L5/S1 ohne sicheren Nachweis einer Markkompression diagnostiziert. Rezidivierende Wurzelreizungen seien nicht auszuschließen. Ob dieser Befund im Sinne einer Bandscheibenprotrusion oder eines altersuntypischen Bandscheibenprolaps im Sinne der Röntgenklassifikation der Konsensempfehlung zu interpretieren sei, lasse sich nicht klären, weil die Bilder nicht mehr hätten beschafft werden können. Die Formulierung von Dr. Sch. „leichte Prolabierung der Bandscheibe L5/S1“ sei seines Erachtens jedoch eher mit einer Bandscheibenprotrusion und sicher nicht mit einem definitivem Bandscheibenprolaps vereinbar. Soweit Herr P. die degenerativen Veränderungen des Klägers u. a. ursächlich auf einen Beckenschiefstand von 1,5 cm auf der rechten Seite zurückführe, müsse ihm widersprochen werden. Nach dem Befund des behandelnden Orthopäden vom September 2002 habe beim Kläger zum damaligen Zeitpunkt kein Beckenschiefstand vorgelegen. Auch sei nach den Konsensempfehlungen der Beckenschiefstand nur dann als konkurrierende Ursache anzusehen, wenn er zu einer fixierten Skoliose geführt habe, was beim Kläger nicht der Fall sei. Soweit Herr P. beim Kläger Hinweise für eine durchgemachte Scheuermannsche Erkrankung im Bereich der LWS sehe, werde ihm mit dem radiologischen Zusatzgutachten widersprochen, wonach beim Kläger keine Hinweise für einen lumbalen M. Scheuermann bestünden. Diesem komme der Wert eines konkurrierenden Ursachenfaktors auch nur dann zu, wenn er gleichzeitig zu einem lumbalen Keilwirbel um mindestens 10 Grad geführt habe, einen solchen habe auch Herr P. bei der Befundung der MRT der LWS vom 5. November 2001 nicht beschrieben.

78

Soweit Dr. R. in seinem Gutachten bemerkt habe, dass beim Kläger bereits im März 1991, dass heißt acht Monate nach Arbeitsaufnahme, Beschwerden aufgetreten seien, die zu einer ärztlichen Vorstellung geführt hätten, sei diesen Ausführungen kein Grund für die Verneinung einer BK 2108 zu entnehmen. Der Kläger sei zwar im März 1991 wegen der Diagnose eines LWS-Syndroms arbeitsunfähig erkrankt gewesen, dies sei jedoch keineswegs beweisend für das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS zu diesem Zeitpunkt. Schmerzen im unteren Bereich des Rückens könnten außer bandscheibenbedingten Erkrankungen vielfältige Ursachen haben. Für eine bandscheibenbedingte Erkrankung seien als klinische Kriterien zu fordern der radiologische Nachweis eines Bandscheibenschadens in Form einer Chondrose mit Höhenminderung der Bandscheibe und/oder ein Bandscheibenvorfall, ein klinisches Krankheitsbild vom Typ des lokalen Lumbalsyndroms oder des lumbalen Wurzelsyndroms. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS sei nach den Ergebnissen der radiologischen Zusatzbegutachtung (Dr. T.) beim Kläger erstmals 10/2001 in Form eines Prolaps-Grenzbefundes L4/L5 und L5/S1 sowie eines Bandscheibenprolaps bei L2/L3 diagnostiziert worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger nach den TAD-Ermittlungen ca. 21 Jahre (richtig müsste es heißen: 11 Jahre) im Sinne der BK 2108 gefährdend tätig gewesen. Ferner führe Dr. R. als Argument gegen eine BK 2108 an, dass beim Kläger bereits 1992 ein leichter Bandscheibenvorfall L5/S1 nachgewiesen worden sei. Hierzu verweise er auf seine Ausführungen zum Gutachten des Herrn P.. Soweit Dr. R. für die Bejahung einer BK 2108 ein von oben nach unten zunehmendes Verschleißbild der LWS in Form einer Osteochondrose und Spondylose fordere, habe die Konsensus-Arbeitsgruppe aus biomechanischen Studien die Schlussfolgerung gezogen, dass eine Betonung der Bandscheibenschäden an den drei unteren Segmenten der LWS eher für einen Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Belastung spreche; eine von oben nach unten quasi kontinuierlich zunehmende Degeneration der LWS lasse sich aus den Konsensempfehlungen dagegen nicht ableiten.

79

Soweit Dr. D. die Anerkennung einer BK 2108 u. a. mit dem Argument ablehne, dass beim Kläger bereits seit 1990 LWS-Beschwerden vorgelegen hätten, dass ab 03/1991 Arbeitsunfähigkeit wegen LWS-Syndrom bestanden und 12/1992 eine Bandscheibenprotrusion L5/S1 diagnostiziert worden sei, verweise er auf seine diesbezüglichen vorherigen Ausführungen (z. B. zum Gutachten P). Soweit Dr. D. anführe, dass beim Kläger lediglich ein Chondrosegrad 0 bestehe, werde dieser Auffassung mit Verweis auf das aktuelle radiologische Zusatzgutachten widersprochen, wonach zum Zeitpunkt der Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit beim Kläger in den Röntgenbildern der LWS vom 15. September 2003 ein Chondrosegrad I im Segment L5/S1 bestanden habe, die bei dem damals 45-jährigen Kläger als altersuntypisch einzustufen sei. Hinsichtlich der unterschiedlichen Befundung dieses Röntgenbildes verweise er darauf, dass Dr. T. über eine wesentlich höhere radiologische Kompetenz verfüge als Dr. D., der lediglich Orthopäde sei. Dr. D. übersehe auch, dass eine Black-Disc nur bei Vorliegen einer monosegmentalen Chondrose oder eines monosegmentalen Prolaps in den Segmenten L5/S1 oder L4/L5 nach dem ersten Zusatzkriterium der Fallkonstellation B2 der Konsens-Empfehlung maßgeblich sei (Seite 217, rechte Spalte). Nach dem radiologischen Zusatzgutachten habe beim Kläger zum Unterlassungszeitpunkt 03/2003 nach dem MRT der LWS vom 5. November 2001 sowie am 20. Oktober 2004 ein mehrsegmentaler altersuntypischer Bandscheibenprolaps in Form eines Prolaps-Grenzbefundes L4/L5 und L5/S1 sowie ein Bandscheibenprolaps L2/L3 vorgelegen. Damit sei das erste Zusatzkriterium der Konstellation B2 erfüllt; zudem auch das weitere Zusatzkriterium in Form einer besonders intensiven Belastung mit Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren, vgl. den TAD-Bericht. Konsens bestehe bzgl. der Einschätzung, dass beim Kläger kein besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen vorliege.

80

Hinsichtlich der Stellungnahme des Dr. Pe. werde darauf hingewiesen, dass diese ausschließlich nach Aktenlage ohne Analyse der Röntgenbilder erfolgt sei, was den Wert der Stellungnahme erheblich einschränke. Auch er führe im Wesentlichen ins Feld, dass beim Kläger 1992 computertomographisch der Vollbeweis eines sehr kleinen Bandscheibenvorfalles im Segment L5/S1 gelungen sei, ein Argument, dem er bereits widersprochen habe. Gleiches gelte für die Forderung nach belastungsadaptiven Veränderungen der LWS. Ferner spreche nach Ansicht des Dr. Pe. gegen eine BK 2108, dass beim Kläger zu keinem Zeitpunkt des Erkrankungsverlaufes bis zum Jahre 2009 ein neurologischer Segmentbefund habe erhoben werden können. Diesbezüglich habe er bereits darauf hingewiesen, dass kein lumbales Wurzelsyndrom mit neurologischen Ausfallserscheinungen erforderlich sei, sondern dass ein lokales Lumbalsyndrom, welches beim Kläger bestanden habe zum Unterlassungszeitpunkt, ausreiche. Nach den bereits beschriebenen Befunden der behandelnden Ärzte habe beim Kläger zum Unterlassungszeitpunkt ein lokales Lumbalsyndrom vorgelegen. Dr. D. sei in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich beim Kläger klinisch überwiegend um ein chronisch-pseudoradikuläres Lumbalsyndrom mit haltungs- und belastungsabhängiger Schmerzverstärkung sowie lumbaler Belastungsinsuffizienz handele. Diese Befundbeschreibung sei vereinbar mit einem lokalen Lumbalsyndrom. Außerdem ergehe der Hinweis, dass der Kläger zum Zeitpunkt der jetzigen Begutachtung ein lumbales Wurzelsyndrom in Form eines sensiblen S1-Syndroms aufweise.

81

Zu diesem Gutachten hat die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Pe. vom 16. März 2012 abgereicht. Hierin hat Dr. Pe. ausgeführt, das Gutachten des Dr. D. erscheine weiterhin nachvollziehbar und überzeugend. Dr. D. habe die beurteilungsrelevanten medizinischen Befunde und anamnestischen Daten lückenlos erfasst und in ihrer Bedeutung schlüssig ausgewertet. Die Messung und Bewertung der normierten Bandscheibenhöhe sei formal korrekt anhand der Röntgenaufnahmen zum Zeitpunkt der Berufsaufgabe im Jahre 2003 mit dem Ergebnis erfolgt, dass im Bereich der gesamten LWS keine Chondrose vorliege. Ohne eine präzise Messung vorzunehmen behaupte dann Dr. T. in seinem Gutachten, dass anhand der Röntgenaufnahmen aus dem Jahre 2003 eine Chondrose Grad I im Segment L5/S1 vorläge, ohne entsprechende Beweise zu liefern. Dr. T. habe die Bandscheibenhöhenmessung lediglich anhand von Röntgenaufnahmen aus dem Jahre 2001 (vom 22. Oktober 2001) vorgenommen und sei diesbezüglich zu dem Ergebnis gelangt, dass in keinem Segment der LWS eine Chondrose bestehe. Der Sachverständige Prof. Dr. E. übernehme unkritisch die Ausführungen im Gutachten des Dr. T., die zum Teil im Widerspruch zu den Ausführungen im Gutachten des Dr. D. stünden. Dem aktenkundig im Jahr 1992 erfassten Bandscheibenschaden beim Kläger messe Prof. Dr. E. keine weitere Bedeutung bei, ignoriere diesen durchgängig und lasse ihn bei der Diskussion des Kausalzusammenhanges völlig außer Acht. Hierbei verkenne der Sachverständige, dass auch eine Bandscheibenprotrusion bei einem 33-jährigen Mann als eindeutig altersuntypisch anzusehen sei. Ein Bandscheibenschaden habe nicht, wie Prof. Dr. B. konstatiere, im Jahre 2001 im Bereich der unteren LWS vorgelegen, sondern bereits im Jahre 1992, kurz nach Aufnahme der angeschuldigten Tätigkeit. Nicht nur beim Bandscheibenvorfall, auch bei einer Bandscheibenprotrusion handele es sich bei einem 33-jährigen Mann immer um einen altersuntypischen Befund, (vgl. Schönberger u.a., Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 486). Folge man den Ausführungen des radiologischen Zusatzgutachters Dr. T., seien im Röntgenbefund vom 22. Oktober 2001 keine Zeichen einer Chondrose im Bereich sämtlicher Segmente der LWS feststellbar gewesen. Damit scheide die Annahme eines lokalen Lumbalsyndroms beim Kläger zum Zeitpunkt der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit im Jahr 2003 aus, da das lokale Lumbalsyndrom in erster Linie gekennzeichnet sei durch eine altersuntypische Höhenminderung einer oder mehrere Bandscheiben. Im Jahre 2003 seien die beim Kläger geklagten Rückenschmerzen zu keinem Zeitpunkt von einer altersuntypischen Chondrose begleitet worden.

82

Zusammenfassend lasse sich feststellen, dass es beim Kläger zeitlich mit Beginn der Ausübung der angeschuldigten Tätigkeit zu massiven dauerhaften tiefsitzenden Rückenschmerzen gekommen sei. 1992 lasse sich auf Grundlage des Befundberichtes des Radiologen Dr. Sch. ein als eindeutig altersuntypischer Bandscheibenschaden im Segment L5/S1 im Vollbeweis sichern. Der vollständige Nichtberücksichtigung dieser Tatsache sei es zuzuschreiben, dass das Gutachten des Prof. Dr. E. nicht verwertbar sei. Im Übrigen ließen sich keine eindeutig altersuntypischen radiologischen Befunde im Bereich der LWS des Klägers nachweisen.

83

Hierzu hat Prof. Dr. E. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 7. August 2012 ausgeführt, es treffe zu, dass das radiologische Zusatzgutachten des Dr. T. bzgl. des Röntgenbildes vom 15. September 2003 der LWS keine Angabe zur Bandscheibenhöhe enthalte. Die diesbezügliche Kritik des Dr. P. sei belanglos, weil das CT der LWS vom 25. Oktober 2001 in den Segmenten L4/L5 und L5/S1 einen altersuntypischen Bandscheibenprolaps-Grenzbefund aufweise. Diese Befunde seien von Dr. T. in seinem radiologischen Zusatzgutachten detailliert mit Ausmessung des Bandscheibenprolaps beschrieben worden. Die weitere Kritik, er habe sich mit dem Befund der leichten Prolabierung aus dem 1992 nicht auseinandergesetzt, treffe nicht zu. Da die CT der LWS von Dezember 1992 nicht habe beschafft werden können, könne nicht beurteilt werden, ob es sich bei der „leichten Prolabierung der Bandscheibe L5/S1“ um einen altersuntypischen Befund handele oder nicht. Im Übrigen komme der isolierten Bandscheibenprotrusion nur dann ein Krankheitswert zu, wenn zusätzlich ein enger Spinalkanal vorliege, welcher bei dem radiologischen Zusatzgutachten beim Kläger nicht habe festgestellt werden können. Wenn der Befund einer leichten Prolabierung der Bandscheibe L5/S1 im Dezember 1992 im Sinne eines Bandscheibenprolaps interpretiert werden würde, würde dies dafür sprechen, dass beim Kläger damals ein außerberuflich bedingter Bandscheibenprolaps bestanden habe, weil der Kläger zum damaligen Zeitpunkt noch nicht die beruflichen Voraussetzungen für die BK 2108 erfüllt habe. Selbst dann wäre beim Kläger eine BK 2108 im Sinne der Verschlimmerung wahrscheinlich, weil dieser zum Zeitpunkt der Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit im Mai 2003 einen altersuntypischen Bandscheibenschaden in den Segmenten L4/L5 und L5/S1 aufgewiesen habe. Seines Erachtens sei die Diagnose eines Bandscheibenprolaps im Dezember 1992 nicht bewiesen. Für ihn bestehe kein Zweifel daran, dass nach dem radiologischen Zusatzgutachten beim Kläger zum Unterlassungszeitpunkt eine altersuntypische erstgradige Chondrose L5/S1 vorgelegen habe.

84

Der Senat hat von Dr. D. die ergänzende Stellungnahme vom 4. März 2013 eingeholt. Hierin hat Dr. D. unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dr. T. ausgeführt, die Befundung der Röntgenaufnahmen der LWS 10/2001 ergebe in Übereinstimmung mit seinem Gutachten von 2009, dass in keinem der Lendenwirbelsäulenetagen eine Chondrose vorliege, insofern sei eine altersuntypische Ausprägung nicht gegeben. Problematisch erscheine die globale Röntgenbefundung der LWS 09/2003, in der eine erstgradige Chonrose für das Segment L5/S1 beschrieben werde, allerdings ohne die spezifische Berechnung der normierten Bandscheibenraumhöhe. Daher sei eine absolute Vergleichbarkeit mit seiner gutachterlichen Bewertung nicht gegeben. Er weise darauf hin, dass eine deutlich ausgeprägte Chondrose Grad II erst in der Röntgenbewertung 2011 erfolgt sei. Weiterhin werde von Dr. T. in den CT-Bewertungen der LWS 2001 sowie MRT LWS 2001 und MRT 2005 jeweils ein grenzwertiger Prolapsbefund von vier Millimeter entsprechend Grad II a Prolapsgrenzbefund beschrieben. Hier sei für den zeitlichen Zusammenhang zum Jahr 2003 maximal von einer erstgradigen Chondrose einsegmental L5/S1 auszugehen. Durch Dr. T. sei in der MRT-Befundung 2005 lediglich eine Black-Disc Darstellung des Segmentes L4/L5 und L5/S1 festgestellt worden. Ebenso werde keine eindeutige überzeugende Bewertung einer Bandscheibenprolapsbildung entsprechend fünf und mehr Millimeter in den Segmenten L4/L5 und L5/S1 festgestellt. Es handele sich lediglich um einen Grenzbefund zum Bandscheibenprolaps mit 4 Bildmillimetern.

85

Bei der Beurteilung im Gutachten des Prof. E. werde darauf hingewiesen, dass die Röntgenbefunde durch Dr. T. für die LWS-Bilder 2003 keine dezidierte Berechnung der normierten Bandscheibenraumhöhe aufweise. Diese habe er für die Röntgenbefunde 2001 vorgenommen, wonach eine Chondrose in keinem Lendenwirbelsäulenbandscheibenfach festzustellen gewesen sei. Wenn überhaupt, handele es sich vorliegend um einen Grenzbefund. Selbst wenn die Bewertung nach Konstellationstyp B2 eine altersuntypische Ausprägung der Chondrose im Segment L5/S1 unterstellt würde, würde sich an seiner Bewertung nichts ändern. Dann wäre zu fordern, dass in mindestens zwei angrenzenden Segmenten eine sog. Black-Disc nachzuweisen wäre, hier im Segment L3/L4 und L4/L5. Dies sei auch nach Bewertung des Dr. T. nicht gegeben, da oberhalb des betroffenen Bandscheibenfaches L5/S1 lediglich ein zusätzliches Segment L4/L5 eine sog. Black-Disc Darstellung im MRT aufweise. Widersprochen werden müsse der Bewertung der fachradiologischen Befunde durch Prof. E. dahingehend, dass er den Vollbeweis des gegebenen Bandscheibenprolapses in altersuntypischer Ausprägung in zwei Segmenten für L4/L5 und L5/S1 als gegeben ansehe. Dies sei nach fachradiologischer gutachterlicher Bewertung eindeutig nicht gegeben. Hier werde ein Grenzbefund von vier Bildmillimeter in mehrfacher Bewertung von CT- und MRT-Untersuchungen jeweils für das Segment L4/L5 und L5/S1 festgestellt. Entsprechend der Konsensempfehlungen werde die Bandscheibenvorwölbung von drei bis fünf Millimeter als nicht eindeutig altersuntypisch eingeschätzt. Hier sei eine einzelfallbezogene Zuordnung erforderlich. Hieraus werde deutlich, dass lediglich wieder nur ein Grenzbefund erhoben werde, der keine überzeugende Beweiskraft für ein positiv vorliegendes Kriterium darstelle. Das Gleiche gelte für die Bewertung des Zusatzkriteriums der besonders intensiven Belastung mit Erreichen der Belastungsdosis von 25 NMh, nach MDD-Berechnung innerhalb von 10,31 Jahren und eben nicht unterhalb von 10 Jahren. Auch hier liege wieder ein Grenzbefund und kein überzeugender Vollbeweis eines Positivkriteriums vor.

86

Richtig erscheine die Bewertung des Dr. Pe., dass der beschriebene Befund einer Bandscheibenprotrusion im CT 1992 entsprechend der Konsensempfehlungen auch bei Grad I Ausprägung bis zu drei Millimeter bei einem bis 40-jährigen als altersuntypisch einzuschätzen sei. Hierin sei ein gewichtiges Argument darin zu sehen, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS bereits langjährig vor 2003 zu klinischen Symptomen in gehäufter Form geführt habe.

87

Selbst wenn man von einem erstgradigen Chondrosegrad des Bandscheibenfaches L5/S1 ausgehe, sei für den Konstellationstyp B2 erforderlich, dass weiterhin ein Zusatzkriterium erfüllt werde, dies wäre dann in der sog. Black-Disc Darstellung im MRT für weitere zwei angrenzende Segmente erforderlich, dies sei jedoch auch nach der Bewertung durch Dr. T. nicht in ausreichendem Maß gegeben, da lediglich ein weiteres Segment die Black-Disc (L4/L5) aufweise.

88

Es werde nochmals auf den Prolapsgrenzbefund von vier Bildmillimetern für die Segmente L4/L5 und L5/S1 hingewiesen. Dieser Grenzprolaps stelle eben nicht den Vollbeweis einer altersuntypischen Ausprägung dar, sondern erst ein zweitgradiger Bandscheibenprolaps mit fünf und mehr Bildmillimeter, der dieses Kriterium erfüllen würde. Insofern sei nach den Konsensempfehlungen eine einzelfallbezogene Zuordnung erforderlich. In dieser Gesamtbewertung werde dann der dargestellte Erkrankungsverlauf nachvollziehbar mit bereits 1991 wiederkehrenden LWS-Syndromen, bereits 1992 durchgeführter CT-Untersuchung, die eine altersuntypische Bandscheibenprotrusion L5/S1 bereits aufzeige sowie erneuten wirbelsäulenbedingten AU-Zeiten in den Folgenjahren 1995 bis 1999. Hinsichtlich der Konstellation B2 gelinge ein überzeugender Vollbeweis des Vorliegens einer altersuntypischen Ausprägung der bandscheibenbedingten Verschleißveränderung nicht. Hier würden immer nur Grenzbefunde bzgl. Chondrosegrad, mehrsegmentalem Befall, Bandscheibenprolapsbildung sowie auch der besonderen intensiven beruflichen Belastung erhoben, sodass eine überzeugende Positivbewertung des Konstellationstyp B2 nicht erfolgen könne.

89

Nachdem sich der Kläger mit mehreren persönlichen Stellungnahmen in den Rechtsstreit eingebracht hatte, hat der Senat die weitere Stellungnahme des Prof. Dr. E. vom 27. Juni 2013 herbeigeführt. Hierin hat dieser Sachverständiger erneut darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Prolaps-Grenzbefund L4/L5 und L5/S1 um einen altersuntypischen Befund im Sinne des Grades II der Übersicht 8 der Konsensempfehlung handele (Seite 215). Dr. D. übersehe bei seiner Kritik, dass nicht nur die zweitgradige Chondrose, sondern auch der Bandscheibenprolaps die radiologischen Voraussetzungen im Sinne der Fallkonstellation B2 erfülle und dass der Prolaps-Grenzbefund, der beim Kläger nach dem radiologischen Zusatzgutachten zum Zeitpunkt der Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit in den Segmenten L4/L5 und L5/S1 vorgelegen habe, als altersuntypischer Bandscheibenprolaps Grad II einzustufen sei. Dr. D. übersehe auch, dass bei einer Dorsalverlagerung des Bandscheibengewebes von über drei bis unter fünf Millimeter eine einzelfallbezogene Zuordnung in Abhängigkeit zu der Fußnote a erforderlich sei. Diese habe der radiologische Zusatzgutachter vorgenommen und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei der Dorsalverlagerung um vier Millimeter um einen Grad II a-Grenzprolaps und keine Bandscheibenprotrusion im Sinne der Dorsalverlagerung Grad I handele. Dr. D. verneine eine Fallkonstellation B2, weil neben der Ausprägung der Chondrose ein weiteres Zusatzkriterium vorliegen müsse. Nach den Konsensempfehlungen müsse nur eines der drei Zusatzkriterien der Konstellation B2 erfüllt seien. Dies sei hier mit den Kriterium der besonders intensiven Belastung der Fall.

90

Soweit Dr. D. auf eine einzelfallbezogene Zuordnung hinweise, sei diese vom radiologischen Zusatzgutachter vorgenommen worden. Nach Übersicht 8 der Konsensempfehlungen sei bei einem Grenzbefund einer Bandscheibenvorwölbung von mehr als drei bis unter fünf Millimeter ein einzelfallbezogene Zuordnung im Sinne der Fußnote a erforderlich, ob der Befund als Grad I-Protrusion oder als Grad II-Prolaps einzustufen sei. Dr. T. habe anhand der Befundung des MRT vom 5. November 2001 die Dorsalverlagerung von Bandscheibengewebe im Segment L4/L5 und L5/S1 um jeweils bis zu vier Millimeter als Grad IIa-Grenzprolaps eingestuft. Sollte das Gericht hieran Zweifel haben, käme eine radiologische Zusatzbegutachtung in Betracht.

91

Die Beklagte hat schließlich die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. H. vom 31. Juli 2013 abgereicht. Hierin bemängelt dieser Arzt an den Ausführungen des Prof. E., dass von einem Bandscheibenprolaps-Grenzbefund in den Segmenten L4/L5 und L5/S1 gesprochen werde, ohne die bandscheibenbedingte Erkrankung zu berücksichtigen. Im Übrigen sei der radiologischer Befund aus 1992 verniedlicht worden. Natürlich habe es sich 1992 bei einem 34-jährigen Kläger um einen altersuntypischen Befund in Höhe L5/S1 gehandelt. Damals hätten aber noch überhaupt keine exogenen schweren körperlichen Belastungen stattgefunden, was eindeutig gegen den Zusammenhang spreche. Der Sachverständige sei überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass bei einem so frühzeitigen Auftreten einer Bandscheibenerkrankung und Beschwerden seit dieser Zeit, weitere Veränderungen möglicherweise aufgrund der anlagebedingten Situation der passiven Weichteilstrukturen anzulasten seien. Er lasse insbesondere die seriösen Befunde außer Acht, wie sie in mehreren orthopädischen Gutachten klinisch und radiologisch aufgearbeitet worden seien. Der Kritik des Dr. D. sei zuzustimmen, dass der Sachverständige in jeder Beziehung Grenzbefunde zum Vollbeweis heranziehe, um damit mehr als eine Begründung für die Konsensgruppe B2 zu schaffen und den Kläger dort einordnen zu können. Die Anerkennung einer BK 2108 könne nicht erfolgen, denn es seien als unbedingte Voraussetzungen keine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung mit klinischen Hinweisen auf ein lokales Lumbalsyndrom oder ein lumbales Wurzelsyndrom festgestellt worden. Insbesondere bestehe keine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung einer bandscheibenbedingten „Erkrankung“.

92

In seiner weiteren Stellungnahme vom 4. November 2013 hat Dr. D. ausgeführt, es bleibe beim Konstellationstyp B2 und der Problematik, dass keine überzeugende Bejahung von Einzelkriterien gegeben sei, sondern immer nur Grenzbefunde vorlägen. Der Sachverständige E. reduziere die Diskussion letztlich auf einen radiologischen Befund, der für sich genommen keine überzeugende Bejahung des Ursachenzusammenhanges bei vorliegendem Grenzbefund erbringen könne. Er verweise auf Punkt 1.4 der Zusammenhangsbeurteilung der Konsensempfehlungen, wenn festgestellt werde, dass die Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhanges neben der Bild gebenden dargestellten Bandscheibenschädigung in altersuntypischer Ausprägung eine ausreichende berufliche Belastung sein müsse, die eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufweisen müsse. Hier werde explizit darauf hingewiesen, dass z. B. eine ausreichende Exposition der Erkrankung vorausgehen müsse. Im Hinblick auf seine Ausführungen zum Befund aus dem Jahre 1992 werde deutlich, dass eben nicht erst im Jahre 2001 das Vollbild der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS in erstmaliger Ausprägung nach langjähriger beruflicher Belastung aufgetreten sei, sondern sich vielmehr ein kontinuierlicher Entwicklungsverlauf des bandscheibenbedingten Erkrankungsbildes der unteren LWS ab 1991 nachweisen lasse. Hiermit habe sich der Sachverständige Prof. E. überhaupt nicht auseinandergesetzt. Der Sachverständige bleibe am radiologischen Befund haften. Hier fänden sich dann gerade nicht überzeugende Hinweise in der radiologischen Bewertung der bandscheibenbedingten Veränderungen, die geeignet wären, den eher gegen einen Zusammenhang sprechenden zeitlichen Verlauf des bandscheibenbedingten Erkrankungsbildes der LWS in seiner Gewichtigkeit zu erschüttern. Er halte weiter an seinen Ausführungen in seinem Gutachten fest.

93

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte (L 5 U 3/08S 5 U 78/04) sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, die vorlegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

94

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

95

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29. August 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, wie das SG Neubrandenburg in seinem angefochtenen Urteil vom 1. November 2007 mit im Ergebnis zutreffenden Gründen ausgeführt hat. Beim Kläger besteht keine Berufskrankheit der Ziffer 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung.

96

Nicht zu beanstanden ist, nachdem der Sachverständige Prof. Dr. E. in seinem Gutachten vom 22. Dezember 2011 ausgeführt hat, dass die gesundheitlichen Folgen einer BK 2108 beim Kläger mit einer MdE von 20 zu bewerten sind, dass der Kläger von der eingangs im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Feststellungsklage nunmehr im Berufungsverfahren auf die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) umgeschwenkt ist. Hierbei handelt es sich nämlich um eine zulässige Klageänderung im Sinne des § 99 SGG. Nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG ist als eine Änderung der Klage es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder im Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Dies ist der Fall, wenn der Übergang von einer Leistungs-, Verpflichtungs- oder Anfechtungsklage zur Feststellungsklage oder umgekehrt erfolgt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 99 Randnummer 4).

97

Die Berufung des Klägers hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil bei ihm keine BK 2108 vorliegt. Die nach § 7 Abs. 1 SGB VII als Versicherungsfälle definierten BK sind nach § 9 Abs. 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Dazu zählen nach Ziffer 2108 bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die Erkrankung erwiesen seien, hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhanges eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Dies bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalles mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSGE 45, 285, 286).

98

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt. Die Anerkennung der streitigen BK 2108 setzt den Nachweis voraus, dass der Kläger an einer „bandscheibenbedingten Erkrankung“ im Sinne der BK 2108 leidet bzw. ein solches Erkrankungsbild vorliegt. Die gehörten Mediziner streiten darüber, ob im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) des Klägers in dem – hier maßgeblichen – Segmenten L4/5 und L5/S1 ein (altersuntypischer) Bandscheibenprolaps besteht oder nicht. Selbst wenn (nach den Konsensempfehlungen) von einem Grad II a Grenzbefund auszugehen ist und damit eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der BK 2108 zu bejahen wäre, ist nach Auffassung des Senates der Ursachenzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und der Entstehung einer bandscheibenbedingten Erkrankung des Klägers im Bereich seiner LWS nicht gegeben.

99

Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 19. Januar 2009 und seinen ergänzenden Stellungnahmen an, weil er dessen Begründung für schlüssig und überzeugend hält und Dr. D. bei seiner Begutachtung sich insbesondere an den „Konsensempfehlungen“ (in: Trauma und Berufskrankheit 2005, Seite 211 ff) orientiert hat, die den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Stand der Beurteilung berufsbedingt entstandener bandscheibenbedingter Erkrankungen der Wirbelsäule wiedergeben (vgl. Urteil des BSG vom 27. Oktober 2009 – B 2 U 16/08 R). Grundvoraussetzungen für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhanges sind (vgl. Konsensempfehlungen, aaO, Seite 216) eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, wobei der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch sein muss und eine ausreichende berufliche Belastung, wobei diese eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufweisen muss. Nach den Konsensempfehlungen erfordern die mit dem Buchstaben „B“ beginnenden Konstellationen hinsichtlich der Lokalisation, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung das Bandscheibenfach L5/S1 und/oder L4/5 betrifft und dass es sich bei der Ausprägung des Bandscheibenschadens um einen Chondrosegrad II oder höher und/oder einen Vorfall handeln muss (vgl. Konsensempfehlungen, Seite 217).

100

Ein Konstellationstyp B 1 nach den Konsensempfehlungen liegt beim Kläger nicht vor. Danach ist ein Zusammenhang wahrscheinlich, wenn wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren nicht erkennbar sind und eine Begleitspondylose besteht. Soweit in den früheren Gutachten des Orthopäden P. aus dem Jahr 2004 und dem Gutachten des Dr. R. aus dem Jahr 2005 konkurrierende Ursachenfaktoren benannt worden sind, folgt der Senat dieser Beurteilung der vorgenannten Ärzte nicht. Er schließt sich vielmehr den Ausführungen des Sachverständigen Dr. D. in seinem Gutachten vom 19. Januar 2009 an, wonach eine konkurrierende Verursachung durch den radiologisch festgestellten Morbus Scheuermann nicht besteht, da eine statische Auswirkung der Scheuermannschen Erkrankung auf wenige Wirbelkörper der mittleren Brustwirbelsäule (BWS) nicht gegeben ist und insbesondere keine spezifische Betroffenheit der LWS durch diese Erkrankung besteht. Keine konkurrierende Verursachung besteht durch die geringe Lumbalskoliose (deutlich unter 10 Grad nach Cobb), da eine fehlstatische Auswirkung auch der sekundären degenerativen Bandscheibenveränderungen nicht anzunehmen ist. Auch die Wirbelsäulenfehlstatik im Sinne eines Flachrückens mit abgeflachter BWS-Kyphose und Lendenlordose stellt nach der Einschätzung des Dr. D. keine konkurrierende Verursachung für eine BK 2108 dar. Dies gilt auch für den gering beim Kläger ausgeprägten Beckenschiefstand, da ein solcher erst bei einer Beinverkürzung von mehr als 3 cm als eine konkurrierende Ursache zu bewerten ist. Eine derartige Beinverkürzung liegt beim Kläger jedoch nicht vor. Weder die leicht asymetrischen Facettengelenke der lumbosakralen Übergangsregion noch die geringe Bogenschlussstörung S1 spielen nach der Beurteilung des Dr. D. eine funktionelle Rolle in Bewertung des Ursachenzusammenhangs. Zur Bejahung der Konstellation B1 der Konsensempfehlungen wäre weiter erforderlich, dass beim Kläger eine Begleitspondylose (im Sinne der Konsensempfehlungen, Seite 216, 217) besteht. Das Vorliegen einer diesbezüglichen Begleitspondylose wird übereinstimmend sowohl von Dr. D. als auch von Prof. Dr. E. in seinem Gutachten vom 22. Dezember 2011, der sich insoweit auf die Bewertung im Zusatzgutachten des Dr. T. vom 10. Oktober 2011 stützt, verneint, da es im röntgenologischen Gutachten des Dr. T. heißt, dass kein Nachweis einer Begleitspondylose habe geführt werden können.

101

Die Bejahung der Konstellation B 2 erfordert neben der bereits genannten Lokalisation und Ausprägung des Bandscheibenschadens, dass wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren nicht erkennbar sind und keine Begleitspondylose besteht. Zusätzlich muss mindestens eins der folgenden Kriterien erfüllt sein:

102

- Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben- bei monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/5 „black disc“ im Magnetresonanztomogramm in mindestens zwei angrenzenden Segmenten
- Besonders intensive Belastung; Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren
- Besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen; Anhaltspunkt: Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4 ½ kN; Männer ab 6 kN).

103

Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren sowie eine Begleitspondylose scheiden aus, vgl. die vorherigen Ausführungen.

104

Die Voraussetzung der Lokalisation, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung das Segment L5/S1 und/oder L4/5 betrifft, ist im Falle des Klägers gegeben. Zutreffend hat der Sachverständige Prof. Dr. E. darauf hingewiesen, dass eine bildgebende Bewertung des Erkrankungszustandes der LWS zum Zeitpunkt der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit vorzunehmen ist. Der Kläger hat nach eigenen Angaben die schädigende Tätigkeit mit Ablauf des Monats März 2003 unterlassen. Zu diesem Zeitpunkt lagen Röntgenaufnahmen der LWS vom 22. Oktober 2001, das CT der LWS vom 25. Oktober 2001, das MRT der LWS vom 5. November 2001 sowie Röntgenaufnahmen vom 15. September 2003 vor. Das MRT und CT aus dem Jahr 2001 weisen im Bereich der LWS des Klägers im Bereich des Segmentes L5/S1 und L4/5 nach Einschätzung des Dr. T. in seinem radiologischen Gutachten vom 10. Oktober 2011 einen „Grad II a Prolaps-Grenzbefund“ auf. Hinsichtlich der Lokalisation sind mithin die typischerweise für die Anerkennung einer BK 2108 erforderlichen Segmente ebenfalls beim Kläger betroffen.

105

Die Ausprägung des Bandscheibenschadens liegt hinsichtlich einer Chondrose aber nicht in dem erforderlichen Grad II vor. Dies entnimmt der Senat den Ausführungen im Gutachten des Dr. D., wonach im Hinblick der Bewertung der Röntgenaufnahme der LWS vom 15. September 2003 die normierte relative Bandscheibenraumhöhe (nach Hurxthal) für das Segment L1/2 100 Prozent, für L2/3 99 Prozent, für L3/4 100 Prozent, für L4/5 95 Prozent und für das Segment L5/S1 92 Prozent betragen hat. Hieraus ergibt sich ein Chondrosegrad für alle Bandscheibensegmente von 0. Eine entsprechende Bewertung hat Dr. T. in Auswertung der Röntgenaufnahme der LWS vom 22. Oktober 2001 getroffen. Auch wenn er eine entsprechende Berechnung hinsichtlich der Röntgenaufnahme der LWS vom 15. September 2003 nicht durchgeführt hat, ist er der Auffassung, dass das Segment L5/S1 einen Chondrosegrad I aufweist. Unabhängig davon, dass nach der Beurteilung des Dr. D. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 4. März 2013 für das Jahr 2003 maximal von einer erstgradigen Chondrose einsegmental bei L5/S1 auszugehen ist und hierin eine altersuntypische Ausprägung der Chondrose gesehen würde, änderte dies nach Einschätzung des Dr. D. an seiner Bewertung nichts. Werde von einer monosegmentalen Chondrose L5/S1 ausgegangen, wäre zu fordern, dass in mindestens zwei Segmenten eine sog. black-disc nachzuweisen wäre, somit im Segment L3/4 und L4/5. Diese Voraussetzungen liegen nach der Beurteilung des Dr. D. nicht vor, da auch nach Bewertung durch Dr. T. oberhalb des betroffenen Bandscheibenfaches L5/S1 lediglich das Segment L4/5 eine sog. black-disc Darstellung im MRT aufweist.

106

Die Ausprägung des Bandscheibenprolapses im Segment L4/5 und L5/S1 erreicht den Grad II (Fallgruppe 3) der Übersicht 8 der Konsensempfehlungen (vgl. Seite 215) nicht. Danach ist erforderlich, dass sich die Bandscheibe um mehr als 5 mm über die Verbindungslinie der dorsalen Begrenzung der WK-Hinterkante vorwölbt. Ein solcher Ausprägungsgrad wird im Fall des Klägers nach der Einschätzung des Dr. D. sowie auch des Prof. Dr. E. und des Dr. T. nicht erreicht. Der Radiologe Dr. T. ordnet den von ihm befundeten Bandscheibenprolapsgrenzbefund im Sinne eines Grades II a ein, bewertet ihn mithin als ausreichend altersuntypisch, sodass nach der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. E. die Voraussetzungen der ersten Zusatzkonstellation der Konstellation B2 erfüllt sind. Folgt man der Auffassung des Dr. D., liegt im Hinblick auf die beiden vorgenannten Segmente der LWS des Klägers lediglich ein Grenzbefund vor.

107

Der bildgebende Nachweis eines Bandscheibenschadens ist unabdingbare, aber nicht hinreichende Voraussetzung für den Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Hinzukommen muss eine korrelierende klinische Symptomatik. Bei den klinischen Krankheitsbildern sind das lokale Lumbalsyndrom und das lumbale Wurzelsyndrom zu unterscheiden (vgl. Konsensempfehlungen, Seite 215, 216). Nach übereinstimmender Auffassung aller gehörten Ärzte kommt beim Kläger allenfalls ein lokales Lumbalsyndrom in Betracht. Nach den Ausführungen des Beratungsarztes Dr. P. ist die Diagnose eines lokalen Lumbalsyndroms beim Kläger nicht zu stellen. Eine Entfaltungsstörung der LWS sei in keiner der gutachterlichen Untersuchung nachgewiesen worden. Da ein lokales Lumbalsyndrom in erster Linie gekennzeichnet sei durch eine altersuntypische Höhenminderung einer oder mehrerer Bandscheiben und im Röntgenbefund vom 22. Oktober 2001 keine Zeichen einer Chondrose im Bereich sämtlicher Segmente der LWS feststellbar gewesen seien, scheide die Annahme eines lokalen Lumbalsyndroms beim Kläger zum Zeitpunkt der Aufgabe der beruflichen Tätigkeit im Jahr 2003 aus. Dem gegenüber vertritt der Sachverständige Prof. Dr. E. die Auffassung, dass beim Kläger zum Unterlassungszeitpunkt ein lokales Lumbalsyndrom bestanden habe, da dies die beschriebenen Befunde der behandelnden Ärzte nahe legten und auch Dr. D. in seinem Gutachten zum Ergebnis gekommen sei, dass es sich beim Kläger klinisch überwiegend um ein chronisch-pseudoradikuläres Lumbalsyndrom handele. Wird die pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung in den Vordergrund gestellt, kann das Vorliegen eines lokalen Lumbalsyndroms beim Kläger (ebenfalls wieder nur grenzwertig) bejaht werden.

108

Auch unter Zugrundelegung der Ausführungen im Gutachten des Prof. E., wonach die Voraussetzungen für eine Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen vorliegen, folgt der Senat letztlich der Beurteilung dieses Sachverständigen nicht, dass beim Kläger eine BK 2108 anzuerkennen ist. Er ist vielmehr in Übereinstimmung mit dem Gerichtssachverständigen Dr. D. und den Beratungsärzten der Beklagten der Auffassung, dass eine Gesamtbeurteilung aller Faktoren erforderlich ist, um den Ursachenzusammenhang für die Annahme einer BK 2108 bejahen zu können. In diesem Zusammenhang tritt der Senat der Sichtweise des Sachverständigen Dr. D. bei, dass vorliegend immer nur Grenzbefunde vorliegen, die in der Gesamtabwägung gegen die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer BK 2108 sprechen. Zu Recht weist Dr. D. darauf hin, dass die Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhangs neben der bildgebenden dargestellten Bandscheibenschädigung in altersuntypischer Ausprägung eine ausreichende berufliche Belastung sein müsse, die eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufweisen müsse (vgl. Konsensempfehlung unter 1.4, Seite 216). Hier weist der frühe Erkrankungsverlauf nach Aufnahme der belastenden Tätigkeit des Klägers im Jahr 1990 mit einer bereits im Jahr 1992 im CT der LWS vom 11. Dezember 1992 beschriebenen leichten Prolabierung der Bandscheibe L5/S1 auf den Beginn eines sich entwickelnden langjährigen Erkrankungsverlaufs hin. Diese Einschätzung des Dr. D. wird gestützt durch das vorliegende Vorerkrankungsverzeichnis, wonach in den nachfolgenden Jahren der Kläger wiederholt wegen Lumbalgie bzw. Lumbalischialgie krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten aufzuweisen hat. Hierin sieht der Senat in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Dr. D. und des Dr. P. ein sich entwickelndes anlagebedingtes Erkrankungsbild des Klägers, da Dr. P. zu Recht darauf hinweist, dass eine Bandscheibenprotrusion bei dem damals 33jährigen Kläger als altersuntypisch anzusehen ist, zumal die Bandscheibenprotrusion bereits im Jahr 1992 kurz nach Aufnahme der belastenden Tätigkeit auftrat und nicht erst, nachdem der Kläger jahrelang schweren beruflichen Belastungen seiner LWS ausgesetzt gewesen ist. Soweit der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass er am 4. Dezember 1992 ein Verhebetrauma erlitten habe, welches die im Dezember 1992 im CT diagnostizierte Bandscheibenprotrusion hervorgerufen habe, folgt der Senat der Ansicht des Klägers nicht, dass die Bandscheibenschädigung 1992 Folge des genannten Verhebetraumas ist. Diese Ansicht des Klägers entspricht nämlich nicht der herrschenden unfallmedizinischen Lehrmeinung, wonach Bandscheibenvorfälle als Unfallfolge stets mit begleitenden (minimalen) knöchernen oder Bandverletzungen im betroffenen Segment erscheinen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 434). Entsprechende Begleitverletzungen sind in der Befundung des CT der LWS des Klägers vom 11. Dezember 1992 jedoch nicht beschrieben worden. Weiter spricht gegen die Bejahung des Ursachenzusammenhanges, dass beim Kläger in den beiden untersten Segmenten seiner LWS kein Bandscheibenprolaps in zweitgradiger Ausprägung (mit mehr als mindestens fünf Bildmillimetern) besteht. Auch hinsichtlich der klinischen Ausprägung des lokalen Lumbalsyndroms hat sich neben einer nur grenzwertigen altersuntypischen Höhenminderung in einer oder mehrerer Bandscheiben auch keine klinische Symptomatik gezeigt, die zu einer eindeutigen Bejahung eines lokalen Lumbalsyndroms führt. Eine entsprechende Entfaltungsstörung der LWS, worauf Dr. P. in seiner Stellungnahme vom 3. September 2010 hingewiesen hat, konnte beim Kläger anlässlich der Untersuchung durch Dr. D. nicht festgestellt werden. Dr. D. hat bei der aktuellen Untersuchung des Klägers auch keine Nervenwurzelreiz- oder -kompressionssymptomatik festgestellt und das Erkrankungsbild der LWS (lediglich) als pseudoradikulär eingeschätzt.

109

Soweit Prof. Dr. E. darauf hinweist, dass das zweite Zusatzkriterium der Konstellation B 2 im Sinne einer besonders intensiven Belastung erreicht sei, was für die Bejahung des Ursachenzusammenhanges spreche, folgt ihm der Senat insoweit nicht. Wie aus der Stellungnahme der Dipl. Ing. H. vom 22. April 2009 hervorgeht, betrug die Gesamtbelastungsdosis des Klägers unter Einbeziehung der Schaufelvorgänge 29,6 MNh. Die Belastungsdosis von 25 MNh (Richtwert nach dem MDD) war nach 10,31 Jahren erreicht worden. Zu Recht weist Dr. D. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Richtwert somit in weniger als 10 Jahren nicht erreicht worden ist. Auch insoweit stellt Dr. D. heraus, dass allenfalls eine grenzwertige Erfüllung der Voraussetzungen des zweiten Zusatzkriteriums angenommen werden könnte, was in der Gesamtschau wiederum dagegen spricht, die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhanges für die Annahme einer BK 2108 zu bejahen, weil wiederum kein überzeugender Vollbeweis eines Positivkriteriums für die Anerkennung einer BK 2108 gegeben ist. Letztendlich pflichtet der Senat der Einschätzung des Dr. D. in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 22. Juni 2009 und vom 4. November 2013 bei, dass der dokumentierte Erkrankungsverlauf mit frühzeitigem Nachweis der einsetzenden bandscheibenbedingten Erkrankung der unteren LWS bereits zu Beginn der 1990er Jahre, also in den ersten Berufsjahren des Klägers einen Hinweis darauf gibt, dass es sich um eine von der beruflichen Belastung unabhängige verminderte konstitutionelle Belastungsfähigkeit der unteren LWS des Klägers gehandelt hat, was der weitere Erkrankungsverlauf dann auch dokumentiert hat, mit nach Aufgabe der belastenden Tätigkeit fortgeschrittenem Erkrankungsbild an der LWS des Klägers mit nunmehriger Ausprägung einer zweitgradigen Chondrose im Segment L5/S1 (vgl. den Röntgenbefund vom 23. September 2011).

110

Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt hat zum Beweis, „dass beim Kläger ein Bandscheibenschaden Chondrose II oder ein Vorfall im Sinne der Konsensempfehlung Seite 217 Mitte vorliegt, eine weitere orthopädische Begutachtung gemäß § 106 SGG, hilfsweise gemäß § 109 SGG durch Anhörung des Sachverständigen Dr. K. G. H., Knappschaftskrankenhaus Dortmund“ durchzuführen, sah der Senat keinen Anlass, diesem Beweisantrag zu entsprechen. Durch den Röntgenbefund vom 23. September 2011 erachtet es der Senat als erwiesen, dass beim Kläger im Segment L5/S1 eine Chondrose Grad II vorliegt. Ebenso geht der Senat davon aus, dass in den Segmenten L4/5 und L5/S1 beim Kläger ein Bandscheibenvorfall (Bandscheibenprolaps als Grenzbefund) bestand (zum Zeitpunkt der Aufgabe der schädigenden Tätigkeit im Jahr 2003). Der Senat musste sich nicht gedrängt fühlen, weiteren Beweis durch Einholung eines Gutachtens nach § 106 SGG zu erheben. Bezüglich des Vorliegens einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Bereich der LWS des Klägers ist durch den Senat Beweis durch Einholung des Gutachtens nach § 106 SGG durch Dr. D. erhoben worden. Darüber hinaus ist der Senat dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG durch Prof. Dr. E. gefolgt, sodass der Senat Anlass zur Erhebung eines weiteren Beweises von Amts wegen nicht sieht.

111

Den gestellten Antrag, Dr. H. gemäß § 109 SGG gutachtlich zu hören, lehnt der Senat ab. Der Senat weist darauf hin, dass der Kläger von seinem Recht, ein Gutachten nach § 109 SGG zu beantragen, schon in erster Instanz Gebrauch gemacht hat. Da sich der damalige Sachverständige an den „Konsensempfehlungen“ noch nicht orientiert hatte, hat der Senat dem in der Berufungsinstanz gestellten weiteren Antrag nach § 109 SGG, Prof. Dr. E. gutachtlich zu hören, entsprochen. Damit ist grundsätzlich das Recht, in der Berufungsinstanz einen nochmaligen Antrag nach § 109 SGG zu stellen, „verbraucht“. Besondere Umstände, die ein Abweichen von diesem Grundsatz erlauben könnten (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u. a., aaO, § 109 Randnummer 10 b) sind für den Senat nicht ersichtlich, zumal es sich bei Dr. H. ebenso wie bei Prof. Dr. E. um einen der Verfasser der Konsensempfehlungen handelt.

112

Auch der weitere Beweisantrag des Prozessbevollmächtigen des Klägers, Beweis darüber zu erheben, „dass die Ausführungen von Dr. D. nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Stand zur BK 2108 entsprechen und dieser wissenschaftliche Stand vielmehr gebietet, die beim Kläger vorliegende Erkrankung als Berufskrankheit anzuerkennen, die Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens nach § 106 SGG hilfsweise nach § 109 SGG durch Beauftragung des Prof. Dr. H., Arbeitsmedizinischer Dienst der Bau BG Hamburg“ zu veranlassen, wird vom Senat abgelehnt. Der Beweisantrag bezeichnet nicht die konkreten Tatsachen, die durch die entsprechende Beweiserhebung bewiesen werden sollen. Zudem hat Dr. D. seinem Gutachten ebenso wie Prof. E. die sog. Konsensempfehlungen zu Grunde gelegt, die den aktuellen wissenschaftlichen Stand zur BK 2108 nach wie vor widerspiegeln. Soweit hilfsweise beantragt worden ist, Prof. Dr. H. gutachtlich zu hören, lehnt der Senat auch diesen Antrag ab. Insoweit verweist der Senat auf seine vorherigen sinngemäßen Ausführungen zur Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG durch Dr. H.

113

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

114

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil Gründe hierfür nicht ersichtlich sind.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.