Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 27. Juni 2018 - L 12 SF 43/17 EK AS

27.06.2018

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2. für das verzögerte Klageverfahren vor dem SG Neubrandenburg eine Entschädigung in Höhe von 1.300,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist eine Entschädigung wegen einer überlangen Dauer des Verfahrens vor dem Sozialgericht Neubrandenburg.

2

Die 1981 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter ihrer am 17. Januar 2002 geborenen Tochter (Klägerin zu 2)), der am 6. Oktober 2004 geborenen Tochter L., des am 21. Mai 2012 geborenen Sohnes B. sowie der am 6. Januar 1998 geborenen Tochter A., mit denen sie im Jahr 2012 eine Bedarfsgemeinschaft bildete. Von dem Beklagten des Ausgangsverfahrens erhielten die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II. Am 27. Februar 2013 erließ der Beklagte des Ausgangsverfahrens einen Änderungsbescheid, mit welchem den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis 31. August 2012 in geänderter (niedrigerer) Höhe bewilligt wurden. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27. Februar 2013 wurde der ursprüngliche Bewilligungsbescheid für die Zeit vom 1. Mai 2012 bis 31. August 2012 hinsichtlich der Klägerin zu 1) und zu 2) teilweise aufgehoben. Von der Klägerin zu 1) wurde für die Zeit vom 1. bis 31. Mai 2012 ein Betrag in Höhe von 53,73 € und für die Zeit vom 1. bis 30. Juni 2012 in Höhe von 459,35 € (insgesamt 513,08 €) und hinsichtlich der Klägerin zu 2) für die Zeit vom 1. bis 31. Mai 2012 in Höhe von 49,61 € und für die Zeit vom 1. bis 30. Juni 2012 in Höhe von 127,73 € (insgesamt 177,34 €) erstattet verlangt. Grund hierfür war u. a. insbesondere die Tatsache, dass der Klägerin zu 2) eine Halbwaisenrente bewilligt worden war, die als Einkommen bei der Bedarfsermittlung Berücksichtigung fand und die aufgrund verspäteter Antragstellung eine Nachzahlung der Halbwaisenrente in Höhe von 2.076,73 € (für die Zeit vom 1. März 2011 bis 30. April 2012) zur Folge hatte.

3

Nach erfolglosem Widerspruch erhoben die Klägerinnen am 2. September 2013 Klage beim SG A-Stadt, mit der sie die Aufhebung der angefochtenen Bescheide verfolgten. Gleichzeitig beantragten sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Ausgangsverfahren. Nachdem dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen Akteneinsicht gewährt worden war, begründete dieser mit Schriftsatz vom 5. November 2013 die Klage. Die Klageerwiderung erfolgte mit Schriftsatz vom 13. Januar 2014, dieser Schriftsatz wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen vom SG zur Kenntnis und Stellungnahme zugeleitet. Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2014 teilte dieser mit, dass im Schriftsatz der Gegenseite keine neuen Ausführungen enthalten seien, eine Stellungnahme könne daher nicht erfolgen. Am 8. Juni 2015 erfolgte eine Sachstandsanfrage seitens der Klägerinnen. Das SG teilte mit Schreiben vom 10. Juni 2015 mit, dass die Verfahrensdauer derzeit durchschnittlich zwei Jahre betrage und die Verfahren nach Eingangsdatum bearbeitet würden. Am 10. Juli 2015 erhoben die Klägerinnen Verzögerungsrüge. Eine weitere Sachstandsanfrage erfolgte am 20. November 2015. Mit Beschluss vom 8. Januar 2016 lehnte das SG A-Stadt unter Bezugnahme auf § 117 Abs. 2 und § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO den Antrag auf Gewährung von PKH ab. Auf eine erneute Sachstandsanfrage vom 25. April 2017 teilte das SG im Schreiben vom 28. April 2017 mit, dass spätestens im dritten Quartal 2017 eine mündliche Verhandlung stattfinden werde. Am 3. Mai 2017 erfolgte die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2017. Der Rechtsstreit endete im Termin vom 24. Mai 2017 durch ein Teilanerkenntnis, wonach die Erstattungsforderung gegenüber der Klägerin zu 1) und zu 2) auf jeweils die Hälfte der Forderung reduziert wurde.

4

Am 26. September 2017 haben die Klägerinnen Klage auf Entschädigung beim Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern erhoben. Zugleich wurde die Bewilligung von PKH beantragt. Zur Begründung haben die Klägerinnen ausgeführt, das Ausgangsverfahren vor dem SG A-Stadt habe eine überlange Verfahrensdauer von 28 Monaten (Januar 2015 bis April 2017) aufgewiesen. Für die Klägerin zu 1) werde eine Entschädigung in Höhe von 2.800,00 € und für die Klägerin zu 2) in Höhe von 1.400,00 € geltend gemacht. Inhaltlich sei es für die Klägerinnen um eine bedeutende Frage und um Rückforderungen von ca. 700,00 € gegangen.

5

Die Klägerinnen beantragen,

6

den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin zu 1) eine angemessene Entschädigung für die überlange Dauer des Gerichtsverfahrens S 7 AS 1302/13 (Sozialgericht Neubrandenburg) in Höhe von 2.700,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2018 zu zahlen,

7

den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin zu 2) eine angemessene Entschädigung für die überlange Dauer des Gerichtsverfahrens S 7 AS 1302/13 (Sozialgericht Neubrandenburg) in Höhe von 1.350,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2018 zu zahlen.

8

hilfsweise,

9

festzustellen, dass das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Neubrandenburg unangemessen lange gedauert hat.

10

Der Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Er weist darauf hin, dass eine außergerichtliche Einigung mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen nicht zustande gekommen sei. Der Rechtsstreit weise klärungsbedürftige Rechtsfragen im Hinblick auf das Bestehen von Entschädigungsansprüchen von (mehreren) Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft und deren Höhe auf.

13

Mit Beschluss vom 4. Januar 2018 hat der Senat der Klägerin zu 1) Prozesskostenhilfe für einen Anspruch in Höhe von 2.700,00 € und der Klägerin zu 2) für einen Anspruch in Höhe von 1.350,00 € gewährt und im Übrigen die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

14

Die Klage ist dem Beklagten am 23. April 2018 zugestellt worden.

15

Im Termin hat der Beklagte den Klageanspruch bzgl. der Klägerin zu 1) vollumfänglich anerkannt. Die Klägerin zu 1) hat dieses Anerkenntnis angenommen.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte L 12 SF 43/17 EK AS und die beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Entschädigungsklage ist hinsichtlich der Klägerin zu 2) überwiegend begründet; die Klägerin zu 1) ist durch das angenommene Anerkenntnis klaglos gestellt worden.

18

Die auf § 198 GVG gestützte Entschädigungsklage ist zulässig. Das LSG Mecklenburg-Vorpommern ist funktional und örtlich zuständig. In den der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Angelegenheiten (vgl. § 51 SGG) ist gemäß § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG in Verbindung mit § 202 Satz 2 SGG für Klagen auf Entschädigung nach § 198 GVG gegen ein Land das für dieses Land örtlich zuständige LSG zuständig.

19

Die Entschädigungsklage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft (§ 54 Abs. 5 SGG, vgl. Urteil des BSG vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 2/14 R).

20

Die Entschädigungsklage ist auch innerhalb der Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG erhoben worden. Danach muss die Klage spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Das Ausgangsverfahren endete im Termin vom 24. Mai 2017. Die Erhebung der Entschädigungsklage am 26. September 2017 beim LSG erfolgte damit innerhalb der 6-monatigen Klagefrist.

21

Die Entschädigungsklage ist auch ganz überwiegend begründet.

22

Die für eine Entschädigung erforderliche Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG hat die Klägerin zu 2) am 10. Juli 2015 wirksam erhoben.

23

Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtig sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (Satz 2).

24

Der unbestimmte Rechtsbegriff „ungemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens“ ist insbesondere unter Rückgriff auf diejenigen Grundsätze auszulegen, die der EGMR zu Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und das Bundesverfassungsgericht zum Recht auf effektiven Rechtschutz (Artikel 19 Abs. 4 GG) sowie zum Justizgewährleistungsanspruch (Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 20 Abs. 3 GG) entwickelt haben (Urteil des BSG vom 21. Februar 2013 – B 10 ÜG 1/12 KL –; Urteil des BSG vom 2. Februar 2013 – B 10 ÜG 7/14 R –).

25

Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung (nach dem Stufenschema des BSG, vgl. beispielsweise Urteil vom 5. Mai 2015 – B 10 ÜG 8/14 R –, zitiert nach juris Randnummer 32 m. w. N.) bildet die im § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Kleinste im Geltungsbereich des ÜGG relevante Zeiteinheit ist hierbei der Monat. Unter Zugrundelegung eines vollen Monats als kleinster Zeiteinheit einer Verzögerung hat das Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Neubrandenburg von Oktober 2013 (Klageerhebung am 2. September 2013) bis April 2017 (Verhandlungstermin am 24. Mai 2017) und somit insgesamt 43 (volle) Monate gedauert.

26

In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens an den von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien zu messen. Im Rahmen seiner Prüfung hat der Senat berücksichtigt, dass der Rechtsstreit der Klägerinnen vor dem Sozialgericht Neubrandenburg einen durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad aufgewiesen hat. Die Bedeutung des Rechtsstreits für die Klägerinnen war – unter Zugrundelegung objektiver Kriterien – durchschnittlich bis überdurchschnittlich. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass von den Klägerinnen existenzielle Leistungen erstattet verlangt worden waren, wobei es allerdings bei der Klägerin zu 2) zu einer Nachzahlung der Halbwaisenrente gekommen ist.

27

Auf das Verhalten der Klägerinnen oder ihres Prozessbevollmächtigen war die Länge der Dauer des Ausgangsverfahrens nicht zurückzuführen.

28

Die Dauer des Ausgangsverfahrens weist eine unangemessene Verfahrensdauer von 26 Monaten auf.

29

Vom Eingang der Klageerhebung am 2. September 2013 bis zur Beendigung des Ausgangsverfahrens am 24. Mai 2017 hat das Ausgangsverfahren insgesamt 43 (volle) Monate gedauert. Gerichtliche Aktivitäten fanden zunächst bis einschließlich Januar 2014 statt. Danach waren keine weiteren gerichtlichen Aktivitäten zur Verfahrensförderung zu verzeichnen, bis nach vorheriger Sachstandsanfrage vom 8. Juni 2015 am 10. Juli 2015 die Verzögerungsrüge erhoben wurde. Mit Beschluss vom 8. Januar 2016 lehnte das SG den PKH-Antrag ab und erteilte auf die weitere Sachstandsanfrage vom 25. April 2017 das Hinweisschreiben vom 28. April 2017. Am 3. Mai 2017 erfolgte die Ladung zum Termin am 24. Mai 2017. Als gerichtliche Aktivitätszeiten nach dem Januar 2014 wertet der Senat den Erlass des Beschlusses vom 8. Januar 2016, nicht jedoch das Hinweisschreiben vom 28. April 2017, da mit diesem keine echte Verfahrensförderung verbunden war. Auch der Monat Mai 2017 stellt einen Monat der gerichtlichen Aktivität dar. Unter Berücksichtigung der genannten gerichtlichen „Aktivitätszeiten“ ist ein Nichtbetreiben des Verfahrens von insgesamt 38 Monaten festzustellen (11 Monate im Jahr 2014, 12 Monate im Jahr 2015, 11 Monate im Jahr 2016 sowie vier Monate im Jahr 2017). Bei einem Zeitraum von 38 Monaten des Nichtbetreibens des Ausgangsverfahrens verbleibt unter Berücksichtigung der vom BSG den Gerichten zugestandenen Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu 12 Monaten für die jeweilige Instanz (vgl. Urteil des BSG vom 12. Februar 2015 – B 10 ÜG 7/14 R –, juris Randnummer 36 m. w. N.; Urteil vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 2/14 R –, juris Randnummer 47, 48) eine unangemessene Verfahrensdauer von 26 Monaten.

30

Nachdem der Entschädigungsanspruch hinsichtlich der Klägerin zu 1) von dem Beklagen anerkannt worden und der Rechtsstreit insoweit seine Erledigung gefunden hat, war hinsichtlich der Klägerin zu 2) dieser ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 1.300,00 € zuzusprechen wegen einer unangemessenen Verfahrensdauer von 26 Monaten, da auch der Klägerin zu 2) ein eigener Anspruch auf Entschädigung als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft zuzubilligen war, der für jeden Monat der Verzögerung mit 50,00 € monatlich zu bemessen war.

31

Nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Abs. 4 ausreichend ist (Satz 2). Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1.200,00 € für jedes Jahr der Verzögerung (Satz 3).

32

Auch wenn die Klägerin zu 2) vorliegend als ein (weiteres) Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft (subjektive Klagehäufung) eine Entschädigung gegenüber dem Beklagten verfolgt, steht ihr – neben ihrer Mutter (der Klägerin zu 1.) – ein eigener Entschädigungsanspruch zu. Denn der Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils ist ein personbezogener Anspruch. Dies legt bereits der Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG nahe. Danach wird angemessen entschädigt, wer infolge der unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erlitten hat. Es finden sich dort keine Hinweise dafür, dass mehrere Personen auf Kläger- oder Beklagtenseite hinsichtlich eines Nachteils, der nicht Vermögensnachteil ist, als eine (Personen-)Einheit zu behandeln sind (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2014 – 5 C 1/13 D –, juris Randnummer 37). Der Entschädigungsanspruch ist als ein Jedermann-Recht konzipiert und steht in Fällen einer subjektiven Klagehäufung jeder am Gerichtsverfahren beteiligten Person einzeln zu (vgl. Urteil des Sächsischen LSG vom 12. Juli 2016 – L 11 SF 50/15 EK –, juris Randnummer 56; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2014, aaO, juris Randnummer 36 ff; Urteil des BFH vom 4. Juni 2014 – X K 12/13 –, juris Randnummer 47; anderer Ansicht Wehrhahn, Verfahrensdauer und Entschädigung in: Die Sozialgerichtsbarkeit 2013, Seite 61, 66, wonach im Bereich des SGB II nicht jedes Mitglied einer gemeinsam klagenden Bedarfsgemeinschaft die volle Entschädigung wie bei einem Einzelverfahren verlangen könne, sondern entsprechend seiner individuellen Beteiligung nur eine anteilige Entschädigung erhalte).

33

Auch wenn somit der Klägerin zu 2) ein eigener Entschädigungsanspruch zusteht, hält es vorliegend der Senat für gerechtfertigt, diesen nicht auf eine Feststellung im Sinne des § 198 Abs. 4 GVG zu beschränken, sondern auch der Klägerin zu 2) eine Entschädigung in Geld gemäß § 198 Abs. 2 GVG zuzubilligen und zwar vorliegend in Höhe von 50,00 € für jeden Monat der Verzögerung. Hierbei hält es der Senat in Anlehnung an die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Geschäftsfähigkeit von Personen für gerechtfertigt, den nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch Geschäftsunfähigen (null bis sechs Jahre) lediglich einen Anspruch auf Feststellung der unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens nach § 198 Abs. 4 GVG zuzubilligen, den beschränkt Geschäftsfähigen (sieben bis 17 Jahre) einen Anspruch auf Entschädigung in Geld zuzubilligen, allerdings nicht in voller Höhe von 100,00 € monatlich (vgl. § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG), wenn – wie vorliegend – jedenfalls 1 Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Regelentschädigung von 1.200,- Euro pro Jahr der Verzögerung erhalten hat. Insoweit hat der Senat berücksichtigt, dass die Klägerin zu 2) bei Klageerhebung 11 Jahre und bei Beendigung des Ausgangsverfahrens 15 Jahre alt war und damit noch nicht volljährig. Auch im Hinblick auf die nach dem Alter der Leistungsbedürftigen vorgenommene Abstufung des Regelbedarfes nach unterschiedlichen Regelbedarfsstufen hält es der Senat für gerechtfertigt – bei Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II – bei jedenfalls minderjährigen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft diesen nicht die volle Entschädigung von 100,00 € monatlich zuzubilligen. Ob eine andere Beurteilung im Sinne einer individuellen Betrachtungsweise angezeigt wäre, wenn der Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens besondere Belange des Minderjährigen betrifft (z. B. Zuschuss oder Übernahme der Kosten für eine Klassenfahrt u. ä.), brauchte und hatte der Senat nicht zu entscheiden. Ebenso erübrigen sich vorliegend Ausführungen dazu, ob der Klägerin zu 2) ggf. ein höherer Entschädigungsanspruch als 50,00 € monatlich zugestanden hätte, denn hierüber durfte der Senat nicht entscheiden (ne ultra petita).

34

Bei einer Verfahrensverzögerung von 26 Monaten des Ausgangsverfahrens und einem für jeden Monat der Verzögerung geltend gemachten Entschädigungsanspruch in Höhe von 50,00 € monatlich war der Klage bzgl. der Klägerin zu 2) in einem Umfang von 1.300,00 € zu entsprechen; soweit die Klägerin zu 2) einen darüber hinausgehenden Betrag geltend gemacht hat, war die Klage abzuweisen.

35

Der Anspruch auf die ab dem 23. April 2018 ab Rechtshängigkeit (§ 94 Satz 2 SGG) beantragten Prozesszinsen folgt aus § 291 Satz 1 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, da diese Vorschriften auch in Entschädigungsverfahren der vorliegenden Art anwendbar sind (vgl. Urteil des BSG vom 3. September 2014 – B 10 ÜG 2/14 R – m. w. N.).

36

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, da die Klägerin zu 2) mit ihrer Klage nur zu einem ganz geringen Teil unterlegen ist.

37

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 27. Juni 2018 - L 12 SF 43/17 EK AS

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 27. Juni 2018 - L 12 SF 43/17 EK AS

Referenzen - Gesetze

Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 27. Juni 2018 - L 12 SF 43/17 EK AS zitiert 15 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 198


(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach d

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Zivilprozessordnung - ZPO | § 117 Antrag


(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 118 Bewilligungsverfahren


(1) Dem Gegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint. Die Stellungnahme kann vor der Geschäft

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 51


(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten 1. in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,2. in Angelegenheiten der gesetzlichen Kranken

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 201


(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 94


Durch die Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 27. Juni 2018 - L 12 SF 43/17 EK AS zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 27. Juni 2018 - L 12 SF 43/17 EK AS zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 04. Juni 2014 - X K 12/13

bei uns veröffentlicht am 04.06.2014

Tatbestand 1 I. Die Kläger begehren Entschädigung nach § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) für das seit dem 18. Juni 2009 anhängige und durch Urteil vom 20. Juni

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 27. Feb. 2014 - 5 C 1/13 D

bei uns veröffentlicht am 27.02.2014

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens.

Referenzen

(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung ist bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht zu stellen.

(2) Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden; es sei denn, der Gegner hat gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten.

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für die Erklärung einzuführen. Die Formulare enthalten die nach § 120a Absatz 2 Satz 4 erforderliche Belehrung.

(4) Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen.

(1) Dem Gegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint. Die Stellungnahme kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Das Gericht kann die Parteien zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung zu erwarten ist; ein Vergleich ist zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen. Dem Gegner entstandene Kosten werden nicht erstattet. Die durch die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen nach Absatz 2 Satz 3 entstandenen Auslagen sind als Gerichtskosten von der Partei zu tragen, der die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sind.

(2) Das Gericht kann verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht, es kann insbesondere auch die Abgabe einer Versicherung an Eides statt fordern. Es kann Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und Auskünfte einholen. Zeugen und Sachverständige werden nicht vernommen, es sei denn, dass auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint; eine Beeidigung findet nicht statt. Hat der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab.

(3) Die in Absatz 1, 2 bezeichneten Maßnahmen werden von dem Vorsitzenden oder einem von ihm beauftragten Mitglied des Gerichts durchgeführt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

1.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
2.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,
3.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
4.
in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
4a.
in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
5.
in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
6.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen,
6a.
in Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
7.
bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,
9.
(weggefallen)
10.
für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

(2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

(3) Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen sind Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.

(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens.

2

Gegenstand des Ausgangsverfahrens, dessen Überlänge die Kläger rügen, war die Kürzung einer Wohnungsbauförderung. Den Klägern waren Fördermittel in Form eines zinsverbilligten Darlehens für den Erwerb von Wohneigentum zur Selbstnutzung bzw. Überlassung an Familienangehörige bewilligt worden. Die beklagte Bank widerrief später zum Teil die gegenüber den Klägern erlassenen Bewilligungsbescheide wegen Verstoßes gegen die Zweckbestimmung, nachdem sie erfahren hatte, dass die Kläger - nach ihren Angaben wegen nicht mehr hinnehmbaren Nachbarschaftsstreitigkeiten - ein Hausgrundstück erworben und die zuvor selbst genutzte Eigentumswohnung an eine Mieterin ohne Berechtigungsbescheinigung des Wohnungsamtes vermietet hatten. Hierdurch entstanden den Klägern Mehrkosten für höhere Zinsen in Höhe von 6 800 €.

3

Die Kläger erhoben gegen die Aufhebung der beiden Teilwiderrufsbescheide am 28. November 2007 Klage. Diese wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 5. September 2008 zurück.

4

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 19. September 2008 zugestellte Urteil beantragten die Kläger mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2008 die Zulassung der Berufung. Die Antragsbegründung wurde am 17. November 2008 beim Oberverwaltungsgericht eingereicht. Die Kläger rügten die Übertragung auf den Einzelrichter als verfahrensfehlerhaft und machten ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung geltend. Mit gerichtlicher Verfügung vom selben Tag wurde die beklagte Bank zur Stellungnahme binnen einer Frist von sechs Wochen aufgefordert. Die Stellungnahme ging beim Oberverwaltungsgericht am 3. Dezember 2008 ein. Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2009 teilten die Prozessbevollmächtigten der Kläger ihre neue Anschrift mit. Eine Abschrift dieses Schriftsatzes wurde der Gegenseite aufgrund gerichtlicher Verfügung vom 5. Januar 2010 übersandt. Mit Beschluss vom 29. August 2011 lehnte das Oberverwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Berufung ab.

5

Am 24. Januar 2012 forderten die Kläger die Senatsverwaltung für Finanzen auf, ihnen wegen der unangemessenen Dauer des Berufungszulassungsverfahrens bis zum 14. Februar 2012 jeweils einen Betrag von 1 200 € zu zahlen. Für die außergerichtliche Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs wurde ihnen ein Betrag von 330,34 € in Rechnung gestellt.

6

Am 28. Februar 2012 haben die Kläger beim Oberverwaltungsgericht Klage erhoben und jeweils die Gewährung einer angemessenen Entschädigung für den durch die überlange Verfahrensdauer des Rechtsstreits bei dem Oberverwaltungsgericht erlittenen immateriellen Nachteil, hilfsweise für den durch die überlange Verfahrensdauer des Rechtsstreits bei dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht erlittenen immateriellen Nachteil, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 v.H. seit dem 15. Februar 2012 sowie die Erstattung der vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 330,34 € begehrt. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen ausgeführt, das Berufungszulassungsverfahren habe mit etwa drei Jahren unangemessen lang gedauert. Es habe sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt ohne schwerwiegende rechtliche Probleme gehandelt. Das Oberverwaltungsgericht habe das Verfahren seit der Begründung des Zulassungsantrags nicht gefördert. Die andauernde Überlastung des zuständigen Senats des Oberverwaltungsgerichts, die dort vorhandenen Rückstände und die allgemein angespannte Personalsituation könnten die Verfahrensdauer nicht rechtfertigen. Die Beteiligten hätten das Berufungszulassungsverfahren in keiner Weise verzögert. Für sie, die Kläger, sei es von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung gewesen, ob ihnen der im Berufungszulassungsverfahren streitige Betrag von 6 800 € zur Verfügung stehe oder nicht. Sie lebten in angespannten finanziellen Verhältnissen. Der besagte Betrag stelle für sie eine erhebliche finanzielle Ent- bzw. Belastung dar. Aufgrund der über den Verfahrensausgang herrschenden Unsicherheit seien sie in ihrer finanziellen Planung stark eingeschränkt gewesen. Eine geordnete Lebensplanung sei ihnen erschwert worden. Die Belastungen hätten sich insbesondere für die Klägerin zu 1 auch psychisch ausgewirkt. Die Feststellung, dass das Berufungsverfahren unangemessen lang gedauert habe, sei nicht ausreichend. Die Entschädigungshöhe werde in das Ermessen des Gerichts gestellt, wobei ein Betrag von 1 200 € je Kläger als angemessen erachtet werde. Da sich der Beklagte seit dem 15. Februar 2012 in Verzug befinde, sei der Entschädigungsbetrag ab diesem Zeitpunkt zu verzinsen. Mit Rücksicht darauf, dass es sich bei dem Entschädigungsanspruch der Sache nach um einen Schadensersatzanspruch handele, stehe ihnen auch ein Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten zu.

7

Das Oberverwaltungsgericht hat die Entschädigungsklage abgewiesen. Soweit mit ihr eine angemessene Entschädigung für die überlange Dauer des Berufungszulassungsverfahrens geltend gemacht werde, habe sie schon deshalb keinen Erfolg, weil die Kläger ihr Entschädigungsbegehren nicht auf einen Verfahrenszug beschränken könnten, wenn das Gerichtsverfahren - wie hier - über zwei Instanzen geführt worden sei. Der Entschädigungsanspruch sei vielmehr von der Angemessenheit der Gesamtverfahrensdauer abhängig zu machen. Soweit sich das Entschädigungsbegehren auf beide Verfahrenszüge beziehe, sei die Gesamtdauer des Verfahrens im Sinne des § 198 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG - noch nicht unangemessen gewesen. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richte sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach den dort genannten Kriterien. Angesichts dessen sei es nicht möglich, abstrakte Angaben zu einer "Höchstdauer" als Grenze der Angemessenheit zu machen. Bei Anwendung des Maßstabes des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG sei zu berücksichtigen, dass das Ausgangsverfahren vor dem Verwaltungsgericht weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht besonders schwierig gewesen sei. Auch im Berufungszulassungsverfahren seien keine überdurchschnittlich schwierigen Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen worden. Der Zulassungsantrag sei zwar ausführlich begründet worden. Er habe aber in zulassungs- bzw. materiellrechtlicher Hinsicht keine erhöhten Anforderungen gestellt, wie die Rüge der fehlenden Anhörung vor der Übertragung auf den Einzelrichter beispielhaft belege. Das Verfahren habe aus den im Einzelnen dargelegten Gründen für die Kläger auch keine besondere Bedeutung aufgewiesen. Ebenso seien von der Gesamtdauer keine Zeiten im Hinblick auf das Verhalten der Kläger abzuziehen. Unter Berücksichtigung aller angeführten Umstände, vor allem im Hinblick auf die geringe Bedeutung der Sache und die zügige erstinstanzliche Entscheidung, sei die Gesamtverfahrensdauer von drei Jahren und rund neun Monaten für zwei Instanzen noch nicht unangemessen. Da kein Anspruch auf Entschädigung bestehe, könnten die Kläger auch keine Zinsen verlangen, die ohnehin erst ab Rechtshängigkeit beansprucht werden könnten. Aus demselben Grund könnten auch keine vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten beansprucht werden. Abgesehen davon stellten diese auch keinen materiellen Schaden im Sinne des § 198 Abs. 1 GVG dar, weil die vorprozessuale Geltendmachung allein auf dem Entschluss der Kläger beruhe und gesetzlich nicht vorgeschrieben sei.

8

Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Entschädigungsbegehren weiter. Sie rügen eine Verletzung des § 198 Abs. 1 GVG.

9

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Kläger hat Erfolg. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Kläger sind entgegen der Rechtsansicht des Oberverwaltungsgerichts prozessrechtlich nicht gehindert, die Klage auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Gerichtsverfahrens auf das Berufungszulassungsverfahren zu beschränken (1.). Das angefochtene Urteil beruht aber auf einer fehlerhaften Anwendung des § 198 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Juli 2013 (BGBl I S. 1938). Auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Tatsachen ergibt sich mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens von zwei Jahren (2.). Dem ausschließlich im Zusammenhang mit der Entschädigung des immateriellen Nachteils geltend gemachten Zinsanspruch ist jeweils ab Eintritt der Rechtshängigkeit stattzugeben (3.).

11

1. Die Begrenzung der Entschädigungsklage im Hauptantrag auf den Ausgleich des den Klägern jeweils infolge der unangemessenen Dauer des Berufungszulassungsverfahrens entstandenen Nachteils ist prozessrechtlich zulässig. Sie entspricht der Dispositionsbefugnis der Kläger als Rechtsmittelführer (vgl. § 88 VwGO) und trägt dem Umstand Rechnung, dass sie sich insoweit allein durch die Dauer des Berufungszulassungsverfahrens beschwert sehen. Allgemein kann ein Rechtsmittel auf einen von mehreren selbständigen Streitgegenständen einer Klage oder auf einen Teil des Streitgegenstandes beschränkt werden, wenn dieser Teil vom Gesamtstreitstoff abteilbar ist und materiellrechtliche Gründe einer gesonderten Entscheidung darüber nicht entgegenstehen (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen = NJW 2014, 96 Rn. 60 m.w.N.). Das ist hier der Fall.

12

Die Beschränkung des Anspruchs auf Ausgleich des Nachteils auf einen Verfahrenszug - hier das Berufungszulassungsverfahren - stellt einen abtrennbaren Teil des Entschädigungsanspruchs wegen unangemessener Dauer eines über mehrere Instanzen geführten Gerichtsverfahrens dar. Die Frage nach der prozessrechtlichen Zulässigkeit eines derart begrenzten Klageantrags ist zu trennen von der Frage nach seinem materiellrechtlichen Bezugsrahmen. Bezugsrahmen eines Entschädigungsanspruchs, der allein bezüglich der Dauer des Verfahrens in einer von mehreren Instanzen geltend gemacht wird, ist das gesamte verwaltungsgerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit. Ob sich die Verfahrensdauer in einer von mehreren Instanzen als angemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG darstellt, ist materiellrechtlich unter Berücksichtigung der Gesamtdauer des gerichtlichen Verfahrens von dessen Einleitung in der ersten Instanz bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss in der letzten Instanz zu ermitteln (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013 a.a.O. Rn. 16 f. und 61). Das materielle Recht steht aber der Zuerkennung einer Entschädigung für den (nur) durch die unangemessene Dauer des Verfahrens in einer Instanz erlittenen Nachteil nicht entgegen. Denn auch um dies feststellen zu können, ist grundsätzlich die materiellrechtliche Voraussetzung zu prüfen, ob - mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer - durch die zügige Behandlung der Sache in einer Instanz eine etwaige Überlänge in einer anderen (vorangegangenen oder nachfolgenden) Instanz ganz oder teilweise kompensiert werden kann.

13

Für die Zulässigkeit, den Entschädigungsantrag auf eine Instanz beschränken zu können, spricht ferner, dass die Klage auf Entschädigung schon während des noch laufenden Ausgangsverfahrens erhoben werden kann (vgl. § 198 Abs. 5, § 201 Abs. 3 GVG). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auch Konstellationen denkbar sind, in denen eine unangemessene und irreparable Verzögerung feststellbar ist und in denen daher über die Kompensation für schon eingetretene Nachteile entschieden werden kann, obwohl das Ausgangsverfahren noch nicht beendet ist. Dass es das Gesetz zulässt, verschiedene Verfahrensstufen unterschiedlich in den Blick zu nehmen, zeigt sich auch daran, dass die Verzögerungsrüge erneut erhoben werden muss, wenn die Sache bei einem anderen Gericht anhängig wird und es dort nochmals zu einer weiteren unangemessenen Verzögerung kommt (vgl. § 198 Abs. 3 Satz 5 GVG) sowie daran, dass bei einem bis zum Bundesverwaltungsgericht geführten Verwaltungsrechtsstreit verschiedene Rechtsträger - nämlich zum einen das jeweilige Land und zum anderen der Bund (§ 201 Abs. 1 GVG i.V.m. § 173 Satz 2 VwGO) - für die in ihrem Bereich zu verantwortenden Verfahrensverzögerungen in Anspruch genommen werden können (vgl. so auch für die Begrenzung des Feststellungsantrags auf die Verfahrensdauer einer Instanz Urteil vom 11. Juli 2013 a.a.O. Rn. 60 f.).

14

2. Die Kläger haben jeweils einen Anspruch auf Ausgleich ihres immateriellen Nachteils in Höhe von 2 400 €, weil das Berufungszulassungsverfahren eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung von zwei Jahren aufweist (a). Des Weiteren können sie - als Gesamtgläubiger - die Entschädigung des ihnen durch diese Verzögerung entstandenen materiellen Nachteils in Höhe von 330,34 € verlangen (b).

15

a) Der Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils folgt aus § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG. Diese Regelungen sind im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar (§ 173 Satz 2 VwGO). Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil ist nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 GVG zu entschädigen.

16

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Materiellrechtlicher Bezugsrahmen des von den Klägern geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist - wie dargelegt - das gesamte hier abgeschlossene gerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit, und zwar von der Klageerhebung beim Verwaltungsgericht am 28. November 2007 bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss durch den die Zulassung der Berufung ablehnenden Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 29. August 2011. Die Dauer des Berufungszulassungsverfahrens war auch mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG (aa). Hierdurch haben die Kläger jeweils einen nicht auf andere Weise wiedergutzumachenden immateriellen Nachteil erlitten (bb), wofür ihnen jeweils eine Entschädigung in Höhe von 2 400 € zu zahlen ist (cc).

17

aa) Die Dauer des Berufungszulassungsverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht war bei der gebotenen Gesamtabwägung unter Einbeziehung der Gesamtverfahrensdauer im Umfang von zwei Jahren unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.

18

Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Die Aufzählung in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ist nicht abschließend. Dementsprechend ist die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen (Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - in der Fassung vom 22. Oktober 2010 , Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eingetreten sind, bei Berücksichtigung des den Ausgangsgerichten insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen = NJW 2014, 96 Rn. 26, 37 und 42 und - BVerwG 5 C 27.12 D - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 18, 29 und 34; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2013 - 1 BvR 1067/12 - NJW 2013, 3630 <3631 f.>).

19

Das Oberverwaltungsgericht hat sich in Übereinstimmung mit dem dargelegten rechtlichen Maßstab bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer zu Recht (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - a.a.O. Rn. 28 ff. und - BVerwG 5 C 27.12 D - a.a.O. Rn. 20 ff.; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2013 a.a.O. <3631 f.>) nicht von festen Zeitvorgaben oder abstrakten Orientierungs- bzw. Anhaltswerten leiten lassen, sondern eine Einzelfallprüfung vorgenommen. Es hat auch die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich genannten Kriterien der Einzelfallprüfung richtig erfasst ((1)). Dem Oberverwaltungsgericht ist allerdings ein Rechtsanwendungs- bzw. Subsumtionsfehler unterlaufen, weil die festgestellten Tatsachen nicht den im Rahmen der Gesamtabwägung vorgenommenen Schluss tragen (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <205> = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 174 S. 24), die Gesamtverfahrensdauer von drei Jahren und rund neun Monaten sei noch nicht unangemessen im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Bei rechtlich zutreffender Abwägung ergibt sich vielmehr die Unangemessenheit der Verfahrensdauer und eine maßgebliche Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens von zwei Jahren ((2)).

20

(1) Die tatsächliche Würdigung und Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts ist im Hinblick auf die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien der Schwierigkeit des Verfahrens ((a)), seiner Bedeutung für die Kläger ((b)) und des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten ((c)) nicht zu beanstanden.

21

(a) Das Oberverwaltungsgericht hat unter Berücksichtigung seiner insoweit getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei angenommen, dass das Berufungszulassungsverfahren einen allenfalls durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad aufgewiesen hat. Dies wird auch von der Revision nicht angegriffen. Die Entscheidung über den geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) war im konkreten Fall eher einfach gelagert. Welche Anforderungen an diesen Zulassungsgrund zu stellen sind, hängt im Wesentlichen von der Beschaffenheit der in dem angefochtenen Urteil entschiedenen Fragen ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die sich in Bezug auf den Widerruf der Bewilligungsbescheide in formeller und materieller Hinsicht stellenden Rechtsfragen zu Recht als Standardprobleme eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens angesehen. Es hat ferner festgestellt, dass der Vortrag der Kläger übersichtlich und eine Beweisaufnahme nicht erforderlich gewesen ist. Dafür, dass es sich bei dem Ausgangsverfahren vor dem Verwaltungsgericht um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht allenfalls durchschnittlich schwierigen Fall gehandelt hat, spricht zudem die Übertragung der Sache vom Verwaltungsgericht auf den Einzelrichter (§ 6 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Auch die von den Klägern im Berufungszulassungsverfahren erhobene Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Zusammenhang mit der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter stellt sich als eine einfach zu beantwortende verfahrensrechtliche Frage dar.

22

(b) Des Weiteren ist die Bewertung des Oberverwaltungsgerichts, das Ausgangverfahren und damit der Sache nach auch das Berufungszulassungsverfahren hätten für die Kläger keine besondere Bedeutung aufgewiesen, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist der aufschiebenden Wirkung der Klage (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) im konkreten Fall nicht die vom Oberverwaltungsgericht angenommene relativierende Wirkung für die Bedeutung der Sache beizumessen. Denn die aufschiebende Wirkung endete gemäß § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Allerdings sind dem angefochtenen Urteil keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die auf eine erhebliche Bedeutung der Sache für die Kläger schließen lassen. Nach der tatrichterlichen Bewertung ihres Vorbringens haben die Kläger nicht dargelegt, dass die (moderat) erhöhten Zinsen von ihnen nicht hätten gezahlt werden können oder die Mieteinnahmen der geförderten Wohnung nicht ausgereicht hätten, um die erhöhten Zinsen zu decken. Ebenso gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Kläger nach dem Kauf eines Hauses in ihrer wirtschaftlichen Existenz betroffen gewesen sind oder sonst eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für sie vorgelegen hat.

23

Die Würdigung des klägerischen Tatsachenvortrags durch das Oberverwaltungsgericht ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie auf einem Rechtsirrtum beruht oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt (vgl. Urteil vom 14. März 2013 - BVerwG 5 C 10.12 - NVwZ-RR 2013, 689 Rn. 14). Dem Revisionsvorbringen ist nicht zu entnehmen, dass dem Oberverwaltungsgericht ein derartiger Fehler unterlaufen ist. Hierfür ist auch ansonsten kein Anhaltspunkt ersichtlich. Entsprechendes gilt, soweit das Oberverwaltungsgericht in Würdigung des Vortrags der Kläger auch eine besondere psychische Belastung der Kläger, insbesondere der Klägerin zu 1, durch das Verfahren auf Aufhebung der Teilwiderrufe der ihnen bewilligten Wohnungsbauförderung nicht zu bejahen vermochte. Schließlich liegt hier auch keine Fallgruppe vor, für welche die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte regelmäßig eine besondere Bedeutung für die Betroffenen annimmt, wie etwa bei Eingriffen in die persönliche Freiheit oder die Gesundheit, Rechtsstreitigkeiten um die finanzielle Versorgung (Renten- oder Arbeitssachen) oder Statussachen (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. Juni 2006 - Nr. 75529/01, Sürmeli/Deutschland - NJW 2006, 2389 Rn. 133 sowie den Überblick und die Nachweise bei Wittling-Vogel/Ulick, DRiZ 2008, 87 <88>).

24

(c) Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht aus den von ihm festgestellten Tatsachen den Schluss gezogen, dass die Kläger durch ihr Verhalten keine Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens bewirkt haben. Auch dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind die Kläger mit keiner Verfahrenshandlung säumig gewesen. Soweit sie die gesetzliche Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ausgeschöpft haben, ist das Oberverwaltungsgerichts zu Recht davon ausgegangen, dass ihnen dies nicht als Verursachung einer Verfahrensverzögerung zugerechnet werden kann. Denn ein Rechtsmittelführer darf die gesetzlichen Fristen grundsätzlich voll ausschöpfen (vgl. Urteil vom 21. Dezember 1987 - BVerwG 3 B 28.87 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 154 S. 6), ohne dass ihm dies auch mit Blick auf § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zum Nachteil gereicht.

25

(2) Die in dem angefochtenen Urteil auch zur Verfahrensführung des Oberverwaltungsgerichts getroffenen Feststellungen schließen es aus, die Verfahrensdauer noch als angemessen anzusehen. Vielmehr ergibt eine Beurteilung am Maßstab des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, dass bei der Führung des Berufungszulassungsverfahrens Verzögerungen eingetreten sind, die auch bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums eine unangemessene Verfahrensdauer bewirkt haben (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen = NJW 2014, 96 Rn. 37 ff. und - BVerwG 5 C 27.12 D - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 29 ff.). Auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Tatsachen ergibt sich, dass das Berufungszulassungsverfahren im Zeitraum vom 3. Mai 2009 bis zum 29. August 2011, d.h. zwei Jahre und rund vier Monate, ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund nicht gefördert worden ist.

26

Aus den Feststellungen zur Chronologie des Berufungszulassungsverfahrens ist wertend zu folgern, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung mit Eingang der Stellungnahme der beklagten Bank am 3. Dezember 2008 entscheidungsreif war. Denn der Berufungszulassungsantrag ist damit in tatsächlicher Hinsicht ausreichend aufbereitet gewesen und den Beteiligten ist in hinreichender Weise rechtliches Gehör gewährt worden (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - a.a.O. Rn. 36 und 51). Aus dem festgestellten Verfahrensablauf ergibt sich des Weiteren, dass das Oberverwaltungsgericht in der Folgezeit bis zur Sachentscheidung keine weitere Handlung vorgenommen hat, um die Erledigung des Berufungszulassungsverfahrens zu fördern. Insbesondere die am 5. Januar 2010 verfügte Übersendung eines Schriftsatzes an die beklagte Bank, in dem der Prozessbevollmächtigte der Kläger die neue Anschrift seiner Kanzlei mitteilte, stellte keine derartige Handlung dar.

27

Im vorliegenden Einzelfall erscheint es angemessen, dem Oberverwaltungsgericht für das konkrete Berufungszulassungsverfahren ab Entscheidungsreife einen Zeitraum von fünf Monaten für seine Entscheidung über den Zulassungsantrag zuzugestehen mit der Folge, dass die bis zum 3. Mai 2009 eingetretene Verfahrensverzögerung als sachlich gerechtfertigt anzusehen und nicht dem beklagten Land zuzurechnen ist.

28

Der zugestandene Zeitraum trägt dem Umstand Rechnung, dass - auch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gewährten richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) - die Verfahrensgestaltung in erster Linie dem mit der Sache befassten Gericht obliegt und ihm hinsichtlich der Entscheidung, wann und wie es eine bestimmte Sache in Abstimmung mit anderen bei ihm anhängigen Sachen terminiert oder sonst fördert, ein Spielraum zusteht. Er berücksichtigt weiter, dass das Gericht vor einer verfahrensfördernden Handlung oder Entscheidung zur Sache Zeit zur rechtlichen Durchdringung benötigt, um dem rechtstaatlichen Anliegen zu genügen, eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes vorzunehmen. Der ab Eintritt der Entscheidungsreife zugestandene Zeitraum ist im Einzelfall in Relation zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien zu bestimmen. Maßgeblich ist insoweit - genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände -, wie die Gerichte im Ausgangsverfahren die Lage aus ihrer Ex-ante-Sicht einschätzen durften. Hingegen ist eine Überlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder des konkreten Ausgangsgerichts bzw. Spruchkörpers für die Bemessung des richterlichen Gestaltungsspielraums ohne Belang. Sie gehört zu den strukturellen Mängeln, die sich der Staat zurechnen lassen muss und die er zu beseitigen hat (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - a.a.O. Rn. 41 ff. und - BVerwG 5 C 27.12 D - a.a.O. Rn. 33 ff.; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2013 - 1 BvR 1067/12- NJW 2013, 3630 <3632>).

29

In Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe hätte das Oberverwaltungsgericht über das in Rede stehende Verfahren auf Zulassung der Berufung angesichts der eher einfach gelagerten Fragen, die zu beantworten waren, fünf Monate nach Eintritt der Entscheidungsreife entscheiden müssen, um den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer zu genügen.

30

Die sich danach errechnende sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens im Umfang von zwei Jahren und rund vier Monaten ist im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung mit Blick auf das zügige erstinstanzliche Verfahren um rund vier Monate zu reduzieren. Denn das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit etwa vier Monate früher erledigt, als es dies bei Berücksichtigung des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums hätte tun müssen, um das Verfahren im Sinne des § 198 Abs. 1 GVG in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen.

31

Die am 28. November 2007 erhobene Klage war am 6. Mai 2008 entscheidungsreif. Zu diesem Zeitpunkt lagen Klagebegründung, Klageerwiderung, Replik der Kläger und Duplik der beklagten Bank vor. Dem Verwaltungsgericht ist im konkreten Fall für seine Entscheidung mit Rücksicht auf den gerichtlichen Spielraum bei der Verfahrensgestaltung ein Zeitraum von acht Monaten ab Entscheidungsreife zuzugestehen. Bei der Bemessung dieses Zeitraums ist in Anwendung des dargelegten rechtlichen Maßstabes zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei dem erstinstanzlichen Verfahren um ein Hauptsacheverfahren gehandelt hat. Zudem ist über die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden gewesen (vgl. § 101 Abs. 1 VwGO). Allerdings ist das Verfahren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht - wie dargelegt - nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts allenfalls durchschnittlich schwierig gewesen. Ferner ist der Zeitspanne von über fünf Monaten bis zum Eintritt der Entscheidungsreife des erstinstanzlichen Verfahrens Rechnung zu tragen. Denn die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen = NJW 2014, 96 Rn. 39 und - BVerwG 5 C 27.12 D - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 31, jeweils mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BVerfG; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2013 a.a.O.). Je größer der zeitliche Abstand von der Einleitung bis zur Entscheidungsreife des Verfahrens ist, desto stärker ist das Gericht gehalten, anschließend auf eine zügige Erledigung der Sache hinzuwirken. Nach alledem wäre die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht noch angemessen gewesen, wenn es die Ende November 2007 eingegangene Sache nach dreizehn Monaten abgeschlossen hätte. Das Verwaltungsgericht hat aber über die Klage mit Urteil vom 5. September 2008 entschieden und das erstinstanzliche Verfahren somit rund vier Monate vor Ablauf des hier anzunehmenden Gestaltungszeitraums zum Abschluss gebracht. Dieser Zeitraum ist auf die Überlänge des Berufungszulassungsverfahrens mindernd anzurechnen.

32

bb) Die Kläger haben infolge der unangemessenen Dauer des Berufungszulassungsverfahrens von zwei Jahren jeweils einen immateriellen Nachteil erlitten ((1)), der nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden kann ((2)).

33

(1) Dass die Kläger Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art erlitten haben, ergibt sich aus § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG. Danach wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier das Berufungszulassungsverfahren - unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist hier weder bezüglich der Klägerin zu 1 noch des Klägers zu 2 widerlegt.

34

(2) Entschädigung für Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art kann gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - a.a.O. Rn. 57 und - BVerwG 5 C 27.12 D - a.a.O. Rn. 48, jeweils m.w.N.).

35

Eine schlichte Feststellungsentscheidung ist hier mit Blick auf den Umfang der Verzögerung des vom Schwierigkeitsgrad allenfalls durchschnittlich gelagerten Berufungszulassungsverfahrens nicht ausreichend. Der Umstand, dass das Verfahren für die Kläger keine besondere Bedeutung im entschädigungsrechtlichen Sinne besaß, vermag das Gewicht des durch die Verzögerung von zwei Jahren bedingten immateriellen Nachteils nicht entscheidend zu mindern.

36

cc) Den Klägern ist für den erlittenen immateriellen Nachteil jeweils ein Entschädigungsbetrag von 2 400 € zu zahlen. Eine Minderung dieses Betrages, weil zwei Personen auf Klägerseite auftreten, ist hier nicht gerechtfertigt.

37

Der Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils ist ein personenbezogener Anspruch. Dies legt bereits der Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG nahe. Danach wird angemessen entschädigt, wer infolge der unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erlitten hat. Es finden sich dort keine Hinweise dafür, dass mehrere Personen auf Kläger- oder Beklagtenseite hinsichtlich eines Nachteils, der nicht Vermögensnachteil ist, als eine (Personen-)Einheit zu behandeln sind. Gleiches gilt für die Legaldefinition des Verfahrensbeteiligten in § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG, nach der jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger der öffentlichen Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind, Verfahrensbeteiligter ist. Die den Gesetzesmaterialien zu entnehmende Entstehungsgeschichte (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 1 und 15) und Zweckbestimmung des § 198 Abs. 1 GVG (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18) bestätigen diesen Befund. Der innerstaatliche Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren in Form des Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 GVG stellt sich danach als Reaktion auf eine entsprechende Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dar. Haftungsgrund für den gesetzlich normierten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 GVG ist mithin die Verletzung des in Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - a.a.O. Rn. 38 und - BVerwG 5 C 27.12 D - a.a.O. Rn. 30, jeweils m.w.N.). Der Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit ist als ein Jedermann-Recht konzipiert und steht dementsprechend jeder Person zu, die an einem Gerichtsverfahren beteiligt ist.

38

Die Bemessung des jeweiligen immateriellen Nachteils richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach ist der immaterielle Nachteil in der Regel in Höhe von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen, wenn der Betrag von 1 200 € nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist. Es kann offenbleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es aus Billigkeitserwägungen geboten sein kann, bei mehreren Personen auf Kläger- oder Beklagtenseite einen niedrigeren Entschädigungsbetrag als den Regelbetrag für jedes Jahr festzusetzen (vgl. hierzu z.B. EGMR, Urteil vom 15. Februar 2008 - Nr. 38311/02, Kakamoukas u.a./Griechenland - NJW 2009, 655 <656 f.>). Denn bei einer Sachverhaltskonstellation wie der vorliegenden besteht kein Anlass für eine derartige Billigkeitsentscheidung. Die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts geben auch im Übrigen keine Veranlassung, vom Pauschalbetrag abzuweichen.

39

b) Den Klägern steht als Gesamtgläubigern für den durch die Verzögerung entstandenen materiellen Nachteil ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 330,34 € zu.

40

Anspruchsgrundlage ist insoweit § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, der im Fall des Vorliegens seiner Voraussetzungen gebietet, (auch) für einen materiellen Nachteil angemessene Entschädigung zu leisten. Die notwendigen Anwaltskosten für die vorprozessuale Verfolgung des Entschädigungsanspruchs stellen - entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts - eine Vermögenseinbuße und damit einen materiellen Nachteil im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG dar (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 19). Diese Kosten sind auch durch die nicht gerechtfertigte Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens verursacht worden. Die Verzögerung kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass die den Klägern in Rechnung gestellten Anwaltskosten für die vorprozessuale Verfolgung des Entschädigungsanspruchs entfielen. Die Kosten sind adäquate Folge der unangemessenen Verfahrensdauer. Zwar besteht - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - keine gesetzliche Pflicht, den Entschädigungsanspruch vor einer Klageerhebung gegenüber dem jeweils haftenden Rechtsträger außergerichtlich geltend zu machen. Die Verfahrensbeteiligten sind aber nach allgemeinen Grundsätzen berechtigt, dies zu tun (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 22).

41

Die Entschädigung für materielle Nachteile ist kein Schadensersatz im Sinne der §§ 249 ff. Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -. Sie stellt vielmehr in Anlehnung an § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Schadensausgleich nach enteignungs- und aufopferungsrechtlichen Grundsätzen dar. Es findet damit nur ein Ausgleich der erlittenen Vermögenseinbuße, aber grundsätzlich keine Naturalrestitution statt (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 27.12 D - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 54 m.w.N.). Die Vermögenseinbuße der Kläger beläuft sich hier auf die in Rechnung gestellten 330,34 €, für die sie gegenüber ihrem Rechtsanwalt gesamtschuldnerisch gehaftet haben.

42

3. Der ausschließlich hinsichtlich der Entschädigung des immateriellen Nachteils jeweils geltend gemachte Zinsanspruch der Kläger ist auf die Prozesszinsen zu beschränken.

43

a) Die Kläger können keine Verzugszinsen seit dem 15. Februar 2012, dem Tag nach Ablauf der Zahlungsfrist, die sie der Senatsverwaltung für Finanzen gesetzt haben, beanspruchen.

44

Ein Anspruch auf Verzugszinsen in analoger Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschrift des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es sich bei der öffentlich-rechtlichen Forderung um eine Entgeltforderung handelt, d.h. um eine vertragliche Leistungspflicht, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Leistungspflicht des anderen Vertragspartners steht. Denn insoweit besteht kein entscheidender Unterschied zu bürgerlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen (vgl. Urteile vom 30. Juni 2011 - BVerwG 3 C 30.10 - Buchholz 428.2 § 8 VZOG Nr. 13 Rn. 20 und vom 12. Juni 2002 - BVerwG 9 C 6.01 - BVerwGE 116, 312 <323> = Buchholz 407.2 § 13 EKrG Nr. 3 S. 27, jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt der Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG als gesetzlicher Anspruch nicht.

45

In allen anderen Fällen können Verzugszinsen bei öffentlich-rechtlichen Geldforderungen nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage gefordert werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt es keinen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts, der zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet (vgl. z.B. Urteile vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 = Buchholz 237.4 § 76 HmbBG Nr. 3, jeweils Rn. 46 und vom 12. Juni 2002 a.a.O., jeweils m.w.N.). In Bezug auf den Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG fehlt es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung über die Zahlung von Verzugszinsen.

46

b) Der für den immateriellen Nachteil zuerkannte Entschädigungsbetrag ist jeweils ab Eintritt der Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Nach den auch im Verwaltungsprozess anwendbaren Vorschriften der § 291 Satz 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Prozesszinsen immer dann zu zahlen, wenn das einschlägige Fachrecht - so wie hier die §§ 198 ff. GVG - keine abweichende Regelung trifft und die Geldforderung - wie hier - eindeutig bestimmt ist (vgl. Urteile vom 26. Juli 2012 a.a.O., jeweils Rn. 47 und vom 12. Juni 2002 a.a.O. <325> bzw. S. 28, jeweils m.w.N.).

Tatbestand

1

I. Die Kläger begehren Entschädigung nach § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) für das seit dem 18. Juni 2009 anhängige und durch Urteil vom 20. Juni 2013, zugestellt am 3. Juli 2013 (Kläger) bzw. 5. Juli 2013 (Finanzamt --FA--), beendete Verfahren 4 K 4146/09 vor dem Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg.

2

Die Klägerin war als Angestellte bei der X-GmbH tätig gewesen. Deren alleinige Gesellschafterin, die Y-GmbH, veräußerte mit Wirkung zum 1. März 2007 ihren Gesellschaftsanteil an der X-GmbH in Höhe von 2.042.200 € an die Z-AG. In einer Veranstaltung am 14. März 2007, zu der die Y-GmbH u.a. Mitarbeiter der X-GmbH eingeladen hatte, erhielten diese Schecks in unterschiedlicher Höhe, die Klägerin in Höhe von 70.000 €. In einem Begleitschreiben der Y-GmbH hieß es, es handele sich um eine Schenkung, über die das zuständige Finanzamt informiert worden sei. In einer im Pressearchiv der Y-GmbH aufgefundenen Pressemitteilung --die die Kläger als Falschmeldung bezeichnet haben-- hieß es, die Y-GmbH verabschiede sich von den Mitarbeitern der X-GmbH mit einem Überraschungsgeschenk. Zusammen mit dem Bonus für die erweiterte Geschäftsführung zahle die Y-GmbH 2,8 Mio. € an die Belegschaft als außerordentliche Anerkennung für die geleistete Arbeit. Dies solle als Zeichen dafür gelten, dass deutsche Unternehmer an ihre Mitarbeiter zu denken vermögen.

3

Das Schenkungsteuerfinanzamt vertrat zunächst die Auffassung, der Vorgang unterliege nicht der Schenkung-, sondern der Lohnsteuer, erließ jedoch auf eine Schenkungsteuererklärung der Klägerin einen entsprechenden Bescheid über 14.904 €, der bestandskräftig wurde. Auf eine Kontrollmitteilung erließ das Betriebsstättenfinanzamt der X-GmbH gegenüber der Klägerin am 18. Dezember 2007 einen Bescheid über die Festsetzung von Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag über 29.634,95 €. Aussetzungsanträge blieben erfolglos.

4

Auf Antrag der Klägerin hob das Schenkungsteuerfinanzamt den Schenkungssteuerbescheid am 29. Juli 2008 auf. In der am 14. November 2008 eingegangenen Einkommensteuererklärung der Kläger war in der Zeile "steuerfrei erhaltene Aufwandsentschädigungen/Einnahmen" "Schenkung 70.000 €" eingetragen. Das beklagte FA behandelte diesen Betrag als Arbeitslohn. Den Einspruch wies das FA am 10. Juni 2009 zurück. Am 18. Juni 2009 erhoben die Kläger Klage, mit der sie ihre Auffassung, es habe sich um eine Schenkung gehandelt, weiter verfolgten.

5

Im Klageverfahren wechselten die Beteiligten zunächst kontinuierlich Schriftsätze, bis die Kläger mit Schriftsatz vom 12. November 2010 erklärten, eine weitere Aufklärung sei vom FA leider nicht zu erwarten, und fragten, wann mit mündlicher Verhandlung und Beweisaufnahme zu rechnen sei. Der Berichterstatter des FG teilte mit, ein Termin könne nicht genannt werden, da derzeit die bis 2006 eingegangenen Verfahren verhandelt würden. Das FG wurde zunächst nicht weiter tätig. Am 21. Dezember 2011 erhoben die Kläger Verzögerungsrüge.

6

Am 27. Januar 2012 fragte das FG bei den Beteiligten an, ob einem Ruhen mit Rücksicht auf das anhängige Revisionsverfahren VI R 58/11 zugestimmt werde. Die Kläger lehnten dies am 14. Februar 2012 ab, da auf die --von demselben Bevollmächtigten vertretene-- Revision VI R 58/11 der Rechtsstreit zurückverwiesen werden müsse.

7

Hierauf wurde das FG zunächst wiederum nicht weiter tätig. Am 18. Oktober 2012 erhoben die Kläger erneut Verzögerungsrüge.

8

Am 9. November 2012 fragte das FG mit Hinweis auf ein bereits von einem anderen Senat des FG (1 K 1102/09) entschiedenes Parallelverfahren, gegen dessen Entscheidung Revision eingelegt worden sei, erneut, ob einem Ruhen zugestimmt werde. Die Kläger lehnten dies am 21. November 2012 ab.

9

Das FG wurde vorerst nicht weiter tätig.

10

Am 9. April 2013 teilten die Kläger mit, es sei ein Änderungsbescheid ergangen, und erhoben die dritte Verzögerungsrüge.

11

Am 10. Mai 2013 lud das FG zur mündlichen Verhandlung für den 20. Juni 2013 und wies in diesem Termin die Klage ab. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Bundesfinanzhof (BFH) durch Beschluss vom 17. März 2014 VI B 91/13 (nicht veröffentlicht --n.v.--) als unbegründet zurückgewiesen.

12

Am 15. November 2013 haben die Kläger Entschädigungsklage gegen das Land Berlin erhoben. Sie rügen, es sei eine in Geld zu entschädigende Verzögerung von 36 Monaten eingetreten.

13

Während die durchschnittliche Verfahrensdauer finanzgerichtlicher Klagen bei 17 bis 18 Monaten liege, sei das vorliegende Verfahren erst nach über 48 Monaten Verfahrensdauer beendet worden, ohne dass hierfür sachliche Gründe erkennbar seien. Ob die Bediensteten der Justiz hieran ein persönliches Verschulden treffe --wofür nichts spreche--, sei unerheblich. Es sei Angelegenheit des Beklagten, das FG personell hinreichend auszustatten.

14

Die Sache sei bereits mit Erhebung der Klage entscheidungsreif --und nicht unschlüssig-- gewesen. Der Sachverhalt sei unstreitig gewesen, während die Rechtsfrage sich auf die Frage beschränkt habe, ob die Zahlung der 70.000 € Schenkung oder Arbeitslohn war. Einer kurzfristigen Anberaumung eines Termins, ggf. mit Zeugenvernehmung, habe nichts entgegengestanden. Spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2010 sei die Anberaumung der mündlichen Verhandlung angezeigt gewesen.

15

Eine Verfahrensdauer von 48 Monaten müssten die Kläger nicht hinnehmen. Die angemessene Dauer pro Instanz betrage etwa ein Jahr. So betrachte es auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der BFH in seinem Beschluss vom 26. Juli 2012 X S 18/12 (PKH) (BFH/NV 2012, 1822) und das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt in seinem Urteil vom 25. Juli 2012  7 KE 1/11 (Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2012, 1637) hätten es so gesehen. Soweit der Senat in dem Zwischenurteil vom 7. November 2013 X K 13/12 (BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179) eine Phase von gut zwei Jahren bis zum Beginn konkreter Maßnahmen, die das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen, noch für angemessen erachte, widerspreche dies seinen eigenen Grundsätzen über eine Einzelfallbetrachtung. Die Drei-Phasen-Theorie und die zweijährige Untätigkeit ab Eingang der Klage besäßen weder in der Finanzgerichtsordnung (FGO) noch im GVG eine Grundlage, widersprächen dem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes auf Effektivität des gerichtlichen Rechtsschutzes und auch dem Sinn und Zweck des § 74 FGO.

16

Dementsprechend lehnten das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) wie auch das Bundessozialgericht (BSG) Orientierungs- oder Richtwerte für die Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren ab (vgl. Urteile des BVerwG vom 11. Juli 2013  5 C 23/12 D, BVerwGE 147, 146; 5 C 27/12 D, BayVBl 2014, 149; vom 27. Februar 2014  5 C 1/13 D, Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3; Urteile des BSG vom 21. Februar 2013 B 10 ÜG 1/12 KL, BSGE 113, 75, und B 10 ÜG 2/12 KL, n.v.).

17

Wenn der Senat an seinen Grundsätzen festhalten wolle, sei daher nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl I 1968, 661), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Dezember 2012 (BGBl I 2012, 2418) der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes anzurufen.

18

Schließlich seien die Kläger nicht verpflichtet gewesen, dem Ruhen des Verfahrens zuzustimmen, da die Sachverhalte sich unterschieden hätten. Die Kläger des möglichen Bezugsverfahrens hätten keine Doppelbesteuerung hinzunehmen gehabt.

19

Dies sei aber durch die Festsetzung von Schenkungsteuer und Einkommensteuer auf denselben Betrag über Jahre hinweg bei den Klägern der Fall gewesen. Diese Doppelbelastung ergebe sich aus dem Bescheid über Schenkungsteuer über 14.904 € und dem Bescheid über die Festsetzung von Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag über 29.634,95 €. Damit sei die Schenkung insgesamt mit 44.538,95 € tatsächlich besteuert worden. Die Kläger hätten in jedem Fall die gesetzliche Zinsbelastung auf den Mehrbetrag in Höhe von 14.904 € zu erleiden gehabt, obwohl allen Behörden klar gewesen sei, dass die doppelte Besteuerung rechtswidrig sei.

20

Die Kläger beantragen,
1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger und die Klägerin wegen überlanger Dauer des zum Az. 4 K 4146/09 beim FG Berlin-Brandenburg durchgeführten Klageverfahren jeweils pro Kläger eine Entschädigung nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG in Höhe von 3.600 €, somit in Höhe von 7.200 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach der Vorschrift des § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auf diese Entschädigung seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
lediglich hilfsweise,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger und die Klägerin wegen überlanger Dauer des zum Az. 4 K 4146/09 beim FG Berlin-Brandenburg durchgeführten Klageverfahrens eine Entschädigung nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG in Höhe von 3.576,96 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB auf diese Entschädigung seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Im weiteren wird ausdrücklich beantragt,
dieses Klageverfahren nach § 11 Abs. 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe (RsprEinhG) vom 19. Juni 1968 (BGBl I 661), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Dezember 2012 (BGBl I, 2418) auszusetzen und nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Dezember 2012 (BGBl I, 2418) den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes anzurufen.

21

Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

22

Nach dem Drei-Phasen-Modell des Senats hätte das FG im Herbst 2011 in die dritte Phase des Verfahrensablaufs eintreten müssen. Zu diesem Zeitpunkt seien eine weitere Bearbeitung und insbesondere eine Entscheidung des Streitfalls aber nicht sachdienlich gewesen. Bereits mit Urteil vom 21. Juni 2011 habe das FG Düsseldorf eine Klage zu einem identischen Sachverhalt abgewiesen (8 K 2652/09 E, Betriebs-Berater 2011, 2005). Auf Nichtzulassungsbeschwerde sei die Revision zugelassen worden (VI R 58/11). Der Bevollmächtigte habe es abgelehnt, das Verfahren zum Ruhen zu bringen, obwohl es auf die Einvernahme von Zeugen nicht angekommen sei, wie der BFH mit Urteil vom 28. Februar 2013 VI R 58/11 (BFHE 240, 345, BStBl II 2013, 642) bestätigt habe. Dies habe auf der Hand gelegen, weil es sich bei der Frage, ob die Zuwendungen Arbeitslohn waren, um eine reine Rechtsfrage handelte. Der Bevollmächtigte hätte daher im Interesse der Kläger auf den Vorschlag des FG eingehen und der Verfahrensruhe zustimmen müssen, um diese nicht in weitere Kosten zu treiben. Dieses Verhalten sei auch im Rahmen des hiesigen Verfahrens zu würdigen und führe zu einer Versagung des Entschädigungsanspruchs.

23

Sollte das Gericht hingegen einen Entschädigungsanspruch dem Grunde nach bejahen, sei für die Wiedergutmachung die Feststellung ausreichend, dass das Verfahren verzögert gewesen sei, und zwar ohne Zuerkennung eines Geldbetrages. Nach der BTDrucks 17/3802, 20 könne die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer zur Wiedergutmachung ausreichen, wenn das Verfahren für den Entschädigungskläger keine besondere Bedeutung hatte, er durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen habe oder der Beklagte darlege, dass der Entschädigungskläger abgesehen von der Überlänge des Verfahrens keinen weitergehenden immateriellen Schaden erlitten habe. Gleiches müsse auch gelten, wenn der Kläger kein besonderes Interesse an einer schnellen Entscheidung des Gerichts haben könne. Das sei hier angesichts des laufenden Revisionsverfahrens VI R 58/11 der Fall gewesen, da es im Interesse der Kläger gewesen wäre, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten.

24

Im Übrigen habe ein Verfahren auch dann keine besondere Bedeutung für den Kläger, wenn die Klage bereits auf der Grundlage der eingereichten Klagebegründung erkennbar unbegründet (unschlüssig) sei (vgl. BFH-Urteil vom 17. April 2013 X K 3/12, BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547). Dies sei hier der Fall gewesen, was sich sowohl aus dem Urteil des IV. Senats als auch aus der Entscheidung des BFH im Verfahren VI R 58/11 ergebe.

Entscheidungsgründe

25

II. Die Klage ist teilweise begründet. Nach den Maßstäben des Senats, an denen er festhält (dazu unten 1.), war die Dauer des Ausgangsverfahrens im Umfang von 19 Monaten unangemessen (dazu unten 2.), von denen aber lediglich für einen Zeitraum von sechs Monaten Entschädigung zu zahlen ist (dazu unten 3.). Hierauf hat jeder der Kläger einen Anspruch (dazu unten 4.).

26

1. Der Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG setzt u.a. die unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens voraus. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Für die weiteren Grundsätze und Einzelheiten einschließlich der Aufteilung des typischen finanzgerichtlichen Verfahrens in drei Phasen nimmt der Senat auf seine Urteile in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179 (unter II.2.a bis c), vom 18. März 2014 X K 4/13 (BFH/NV 2014, 1050), und vom 19. März 2014 X K 3/13 (BFH/NV 2014, 1053) sowie X K 8/13 (BFHE 244, 521) Bezug.

27

Diese Rechtsprechung steht zu derjenigen des BVerwG und des BSG nicht in Widerspruch, so dass kein Anlass zu einer Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes besteht. Hinsichtlich des --bereits im Sachverhalt nicht vergleichbaren-- Urteils des BVerwG in BayVBl 2014, 149 verweist der Senat auf sein Urteil in BFH/NV 2014, 1053. Das Urteil des BVerwG in Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3 betrifft den ebenfalls nicht vergleichbaren Fall eines Berufungszulassungsverfahrens, das insgesamt fast drei Jahre gedauert hatte, das Urteil des BSG in BSGE 113, 75 sowie die Parallelentscheidung hierzu (B 10 ÜG 2/12 KL, n.v.) ein Verfahren betreffend eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.

28

Das BVerwG hat in seinem Urteil in BVerwGE 147, 146 (unter II.1.b aa (1) und (2)) ausgeführt, der Einzelfall sei maßgebend und Grenzwerte verböten sich. Auch zu diesen Aussagen setzt sich der Senat nicht in Widerspruch. Zum einen hat der Senat im Einklang mit dem BVerwG der Einzelfallbetrachtung Vorrang vor der aus den typischen drei Phasen des finanzgerichtlichen Verfahrens abgeleiteten Vermutungsregel eingeräumt. Zum anderen hat das BVerwG seine Zurückhaltung gegenüber Orientierungs- und Richtwerten nicht zuletzt mit der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren begründet, die in dieser Form in der Finanzgerichtsbarkeit nicht existiert.

29

2. Die Dauer des Ausgangsverfahrens war im Umfang von 19 Monaten unangemessen.

30

a) Die Anwendung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach Art von Regelbeispielen genannten Kriterien bietet kein eindeutiges Bild. Die Schwierigkeit des Verfahrens war jedenfalls nicht unterdurchschnittlich, während seine Bedeutung angesichts der Steuerbelastung der Kläger verhältnismäßig hoch erscheint. Allerdings hat das klägerische Vorbringen mit seinen --unerheblichen-- Beweisantritten den Rechtsstreit für das FG komplexer erscheinen lassen als er tatsächlich war.

31

b) Die Betrachtung des konkreten Verfahrensablaufs zeigt eine Verzögerung von insgesamt 19 Monaten.

32

aa) Die erste Phase war im Oktober/November 2010 beendet, als alle Beteiligten davon ausgingen, die Sache sei ausgeschrieben. Das FG hätte gut zwei Jahre nach Eingang der Klage und damit im Juli 2011 mit der Bearbeitung des Verfahrens beginnen müssen. Daran fehlte es. Stattdessen hat es auf die Verzögerungsrüge hin erst Ende Januar 2012 angefragt, ob das Ruhen des Verfahrens beantragt werde, das die Kläger im Februar 2012 ablehnten. Für den Zeitraum von Juli 2011 bis Dezember 2011 (sechs Monate) ist das Verfahren daher als verzögert zu betrachten. Die Zeit, die das FG für die Anfrage selbst aufgewandt hat, ist hingegen nicht einzubeziehen, da die Anfrage als solche ohne Weiteres sachgerecht, sogar naheliegend war.

33

bb) Nachdem die Kläger das Ruhen abgelehnt hatten, hätte das FG das Verfahren weiter betreiben müssen. Daran fehlte es wiederum, so dass das Verfahren weiter von März 2012 bis Oktober 2012 und damit für weitere acht Monate als verzögert anzusehen ist.

34

Soweit der Beklagte meint, die fehlende Zustimmung des Bevollmächtigten habe den Interessen der Mandanten widersprochen und führe so zum Anspruchsausschluss, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Verfahrensruhe nach § 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung setzt ausdrücklich entsprechende Anträge der Beteiligten voraus. Die Annahme, die Versagung der Zustimmung sei nicht mit Wissen und Wollen der Kläger als Mandanten erfolgt, ist spekulativ und kann nicht unterstellt werden. Wenn das FG befugt wäre, ein Verfahren trotz fehlender Zustimmung eines der Beteiligten zum förmlichen Ruhen so lange nicht zu fördern, wie der Ruhensgrund besteht, unterliefe dies die gesetzgeberische Entscheidung, die Verfahrensruhe --anders als die Aussetzung nach § 74 FGO-- an die Anträge der Beteiligten zu knüpfen.

35

cc) Hingegen muss die erneute Ruhensanfrage des FG im November 2012 wiederum als zweckmäßige Verfahrensförderung betrachtet werden, so dass der November 2012 nicht in die Zeitspanne der Verzögerung einzubeziehen ist. Auch wenn die Kläger zuvor bereits das Ruhen abgelehnt hatten, war nicht auszuschließen, dass sie in Bezug auf ein anderes Verfahren eine andere Entscheidung treffen würden. Es entsprach daher den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verfahrensförderung, wenn das FG hiernach wenigstens fragte.

36

dd) Anschließend hat das FG das Verfahren allerdings wiederum von Dezember 2012 bis April 2013 und damit für weitere fünf Monate nicht gefördert, bis es am 10. Mai 2013 zur zeitnahen mündlichen Verhandlung lud.

37

3. Von diesen 19 Monaten ist lediglich für einen Zeitraum von sechs Monaten Entschädigung zu zahlen, während für die verbliebene Zeit von 13 Monaten die Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen ist, ausreichende Wiedergutmachung ist.

38

a) Soweit die Beteiligten auf entsprechende Anfrage des FG einem Ruhen des Verfahrens mit Rücksicht auf ein bei dem BFH anhängiges Revisionsverfahren in einer parallelen Angelegenheit zwar nicht zustimmen, wohl aber objektiv ein Grund vorliegt, ein Verfahren zum Ruhen zu bringen und gleichzeitig für die fehlende Zustimmung keine Gründe erkennbar sind, kann vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass für die Verfahrensverzögerung in dieser Zeitspanne keine Entschädigung in Geld zu gewähren ist, vielmehr nach § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ausreichend ist.

39

In dieser Konstellation ist ohnehin damit zu rechnen, dass das Verfahren wenigstens diejenige (zusätzliche) Zeitspanne in Anspruch nimmt, für die der Ruhensgrund besteht. Gleich wie das FG entscheidet, so hat es im Regelfall die Revision zuzulassen, die wiederum im Regelfall auch eingelegt werden dürfte. Beide Beteiligten schweben in Ungewissheit über den Ausgang des anhängigen Revisionsverfahrens und werden sich der Möglichkeit, dass dieses Verfahrens zu ihren Gunsten ausgeht, nicht begeben. Die Verzögerung, der sie bei fehlender Zustimmung zum Ruhen in der ersten Instanz auszuweichen suchen, wird daher lediglich auf die nächste Instanz verlagert, aber nicht endgültig vermieden. Vor diesem Hintergrund ist die persönliche Betroffenheit durch die Verzögerung deutlich geringer als in einer Verfahrenssituation, in der ein solcher Ruhensgrund nicht besteht.

40

b) So verhält es sich im Streitfall für einen Zeitraum von 13 Monaten.

41

aa) Das Verfahren VI R 58/11, in dem es ebenfalls um die Konkurrenz zwischen Arbeitslohn und Schenkung ging, war ein Parallelfall, der die Verfahrensruhe vom Zeitpunkt der Anfrage des FG im Januar 2012 bis zum Zeitpunkt der Entscheidung vom 28. Februar 2013 bzw. der darauf folgenden Veröffentlichung gerechtfertigt hätte.

42

Bei dem auf das Verfahren 1 K 1102/09 (entschieden durch Urteil vom 1. August 2012, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 118) folgenden Revisionsverfahren VI R 57/12, auf das sich die zweite Ruhensanfrage bezog, handelte es sich ebenfalls um ein Parallelverfahren. Dieses Revisionsverfahren ist bis heute anhängig (weiteres noch anhängiges Parallelverfahren VI R 58/12) und hätte damit die Verfahrensruhe vom Zeitpunkt der Anfrage bis heute gerechtfertigt.

43

Damit war in der gesamten Zeit von der ersten Ruhensanfrage im Januar 2012 bis zur Entscheidung über die Klage ein Ruhensgrund vorhanden. Dies betrifft die Verzögerungszeiten von acht und fünf Monaten (s.o. 2.b bb und dd) und damit insgesamt einen Zeitraum von 13 Monaten.

44

bb) Soweit sich die Kläger darauf berufen, durch Schenkungsteuer und Einkommensteuer für die Zeit des Verfahrens doppelt belastet worden zu sein, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Weder ist deswegen davon auszugehen, dass das anhängige Revisionsverfahren kein Parallelverfahren war, noch handelt es sich sonst um einen besonderen Umstand des Einzelfalls, der die Feststellung ausnahmsweise nicht ausreichend erscheinen ließe, denn der Einwand der Kläger ist im sachlichen Ausgangspunkt unrichtig. Die Kläger übersehen, dass das Schenkungsteuerfinanzamt nach den Feststellungen des FG den Schenkungsteuerbescheid auf ihren Antrag unverzüglich aufgehoben hatte.

45

Andere Umstände, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

46

4. Für die Zeitspanne von Juli bis Dezember 2011 existieren indes keine Besonderheiten, so dass insoweit Entschädigung in Geld nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG nach Monaten und damit für sechs Monate in Höhe von insgesamt 600 € zu gewähren ist.

47

Dabei ist diese Entschädigung jedem der Kläger für sich zu zahlen. Der Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils ist ein personenbezogener Anspruch. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Er ist als ein Jedermann-Recht konzipiert und steht in Fällen einer subjektiven Klagehäufung jeder am Gerichtsverfahren beteiligten Person einzeln zu (weiterführend: BVerwG-Urteil in Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3).

48

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 201 Abs. 4 GVG.

49

Soweit den Klägern Entschädigung von insgesamt 1.200 € zuzusprechen ist, haben sie obsiegt. Dies entspricht einem Anteil von 16,67 % des gesamten Antrags, so dass insoweit der Beklagte die Kosten trägt.

50

Die restlichen Kosten von 83,33 % entfallen auf den verbleibenden Zeitraum von 30 Monaten (geltend gemachte 36 Monate abzüglich der sechs Monate, für die eine Entschädigung in Geld zu zahlen ist).

51

Hinsichtlich eines anteiligen Zeitraums von 17 Monaten unterliegen die Kläger in vollem Umfang. Auf diesen Zeitraum entfallen 47,22 % der Gesamtkosten (17 Monate/30 Monate * 83,33 %).

52

Hinsichtlich des verbliebenen anteiligen Zeitraums von 13 Monaten sind die Kosten nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens verhältnismäßig zu teilen. Der Senat ist in seinem Urteil in BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547 (unter III.8.) davon ausgegangen, dass in einem Fall, in dem zwar die Unangemessenheit der Verfahrensdauer, nicht aber Entschädigung in Geld auszusprechen war, eine Kostenquote von 75 % (Beklagter) zu 25 % (Kläger) billigem Ermessen entspricht. Der vorliegende Fall weist keine Besonderheiten auf, die eine Abweichung rechtfertigen könnten. Auf diesen Zeitraum entfallen die verbliebenen 36,11 % der Gesamtkosten (13 Monate/30 Monate * 83,33 %). Diese sind nach dem vorgenannten Maßstab in der Weise zu verteilen, dass die Kläger 9,03 %, der Beklagte 27,08 % der Kosten tragen.

53

Insgesamt entfällt demnach auf den Beklagten ein Kostenanteil von 16,67 % + 27,08 % = 43,75 %, auf die Kläger ein Kostenanteil von 47,22 % + 9,03 % = 56,25 %.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Durch die Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.