Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 23. Juni 2016 - L 6 VK 2079/15

bei uns veröffentlicht am23.06.2016

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 18. März 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf erhöhte Pflegezulage (mindestens nach Stufe III) streitig.
Der am ... März 1922 geborene Kläger wurde im Zweiten Weltkrieg durch Granatsplitter verwundet. Wegen dieser Kriegsverletzungen wurden zuletzt mit Bescheid vom 6. August 2007 im Wesentlichen als Schädigungsfolgen Narben am rechten Oberarm mit erheblichen und dauernden Schmerzen, Hornhautnarbe links, Verlust des rechten Auges, chronische Mittelohrschleimhauteiterung rechts und narbige Trommelfellveränderungen links, hochgradige kombinierte Schwerhörigkeit rechts, leicht- bis mittelgradige kombinierte Schwerhörigkeit links, Schädigung des Gleichgewichtsorgans, Speichen-Nervenlähmung und distale Mittel- und Ellennervenschädigung rechts sowie distale Ellennervenschädigung links, zahlreiche schmerzhafte kleine Granatsplitterchen in den vorderen rechten oberen und linken unteren Halsweichteilen, in den linksseitigen Schulterweichteilen und in der rechten Hand, Mittelnervenschädigung links und leichte Mundwinkelschwäche rechts anerkannt und der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) mit 100 festgestellt. Aufgrund des Teil-Anerkenntnisses vom 20. Juni 2007 gewährt der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 7. August 2007 ab dem 1. Oktober 2006 die Pflegezulage nach Stufe I (Bl. 1543 V-Akte).
Am 11. März 2011 wurde der Kläger zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) im Auftrag der AOK Baden-Württemberg begutachtet. Dabei wurde ein grundpflegerischer Bedarf von 76 Minuten pro Tag festgestellt und unter anderem ausgeführt, dass sich der Kläger innerhalb der Wohnung mit Gehstock oder Unterarmstützen unter Abstützen und Festhalten ausreichend sicher bewegen könne, auch über eine kräftige Beinmuskulatur verfüge. Außerhalb der Wohnung nutze er einen Rollator und gehe mit leicht nach vorne gebeugtem Oberkörper (Bl. 2176 ff. V-Akte).
Im Rahmen des Gerichtsverfahrens beim Sozialgerichts Konstanz (SG - S 6 VK 280/12) wurde über den Kläger ein weiteres Gutachten erstellt. Der Sachverständige Dr. H., Waldburg-Zeil-Kliniken, kam aufgrund der Untersuchung vom 11. März 2013 zu dem Ergebnis, der Zeitaufwand für die Verrichtungen betrage insgesamt 1,5 Stunden. Der Gang sei angesichts der Alters recht flüssig, da sich der Kläger konsequent an den Wänden und am Mobiliar festhalte, Treppensteigen sei nur noch zum Aufzug und zum Arbeitszimmer erforderlich und gelinge - mit einiger Mühe - mit konsequentem Festhalten am Handlauf. An den Gelenken der unteren Extremitäten fänden sich keine über das Altersmaß hinausgehenden Einschränkungen in der Beweglichkeit. Die Sensibilität der Finger sei erhalten, wenngleich komplexe feinmotorische Verrichtungen massiv eingeschränkt seien. Die Harninkontinenz bei Prostata-Vergrößerung habe sich verstärkt. Der Kläger bewohne eine barrierefreie Wohnung, so dass alle Verrichtungen auf einer Ebene erfolgen könnten. Hilfebedarf bestehe beim Ankleiden (Anziehen von Socken, Zuknöpfen von Kleidungsstücken, Schnüren von Schuhen, mit Abstrichen Aufknöpfen), Reinigen nach der Ausscheidung sowie beim mundgerechten Fertigmachen der Nahrung (Zerschneiden von Fleisch, Aufschneiden von Brot oder Brötchen, Beschmieren und Kleinschneiden derselben). Außerdem sei aufgrund der Störung des Gleichgewichtsorganes und der sich akzentuierenden Gangunsicherheit eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich, um im Fall eines Sturzes einzugreifen, was sich vor allem auf Aufenthalte außerhalb des Hauses beziehe und wofür er ebenfalls einen Zeitaufwand von 1,5 Stunden veranschlage. In Auswertung u.a. dieses Gutachtens stellte der Senat mit Urteil vom 25. Juni 2015 (L 6 VK 5236/14) fest, dass der Beklagte bereits in großem Umfang Pflegeleistungen erstatte, die nicht schädigungsbedingt seien, da im Wesentlichen der Pflegebedarf durch die nicht schädigungsbedingte Harninkontinenz bei Prostatavergrößerung begründet werde (Hilfe bei Ausscheidung, mehrfaches An- und Auskleiden, Reinigen von Kleidung).
Vom 9. Januar bis 6. Februar 2013 führte der Kläger eine Badekur in der Klinik L. durch. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 26. Februar 2013 befand er sich bei Aufnahme in reduziertem Allgemeinzustand, der Bewegungsablauf war stark verlangsamt, er konnte nur am Rollator gehen und ein freier Stand war nur für einige Sekunden möglich. Trotz Gehen am Rollator wurde ein deutlich erhöhtes Sturzrisiko beobachtet. Nach komplikationslosem Verlauf der Rehabilitationsmaßnahme war er indessen mittels Rollator mobil und in der Lage, Spaziergänge von einer Stunde durchzuführen, sodass er in stabilem Allgemeinzustand entlassen werden konnte (Bl. 2540 ff. Band XIII).
Von dem Beklagten wurden dem Kläger die anteiligen Kosten unter Anrechnung der häuslichen Ersparnis und der anteiligen Pflegezulage für die Verhinderungspflege (Leistungen jeweils nach Pflegestufe I) von Oktober bis November 2013 in Bad Peterstal, von Oktober bis November 2014 im Hotel am Kurpark und von Mai bis Juni 2015 im Hotel S..
Am 5. April 2013 beantragte er angesichts seiner geringen Sehkraft, die sich verschlechtert habe, unter Vorlage eines Attests seiner Augenärztin Dr. Z. (Sehschärfe auf 30 reduziert, Lesen nur mit vergrößernden Sehhilfen möglich, keine zentralen oder peripheren Ausfälle, Bl. 2561. Band XIII) die Gewährung einer höheren Pflegestufe, mindestens III.
Der Beklagte ließ die medizinischen Unterlagen versorgungsärztlich auswerten. Obermedizinalrätin N. kam zu dem Ergebnis, dass nach dem Bericht der Augenärztin am verbliebenen Auge eine Visuseinschränkung von 0,32 verblieben sei, sodass der Kläger auf diesem Auge nicht blind und in der Gesamtfunktion des Sehorgans auch nicht als blind zu betrachten sei, zumal die Sehfähigkeit weiterhin erhalten, gravierende einschränkende Gesichtsfelddefekte keine Erwähnung und auch keinen Nachweis fänden. Das neueste Pflegegutachten von Dr. H. schildere kein außergewöhnliches Pflegebedürfnis, insbesondere keinen gesundheitlichen Leidenszustand, der dem z.B. des Verlusts beider Beine im Oberschenkel (Pflegezulage Stufe II) oder den Verlust beider Hände und Arme (Pflegezulage Stufe III) entspräche. Zusammenfassend sei die bislang vergebene Pflegezulage Stufe I auch durch den neueren Gesundheitszustand als ausreichend zu betrachten. Die gesundheitliche Voraussetzung für eine höhere Pflegezulage-Stufe erfülle er nicht.
Gestützt hierauf lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27. Mai 2013 den Antrag mit der Begründung ab, eine Veränderung des Ausmaßes der Hilflosigkeit der zuletzt mit Bescheid vom 7. August 2007 bewilligten Pflegezulage nach Stufe I sei beim Kläger nicht eingetreten. Zwar sei bei ihm der Verlust des rechten Auges als Schädigungsfolge anerkannt worden, indessen läge auch unter Berücksichtigung der augenärztlichen Bescheinigung von Dr. Z. keine Blindheit vor. Aus dem Gutachten von Dr. H. ergebe sich kein außergewöhnlicher Pflegebedarf.
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Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, ihm müsse mindestens Pflegezulage nach Stufe III gewährt werden, da dauernde Hilfe und Pflege rund um die Uhr erforderlich sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2013 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der von Dr. H. beschriebene Pflegeaufwand lege gerade nicht dar, dass eine 24-Stunden-Betreuung erforderlich sei, sodass bereits die höhere Pflegestufe II nicht anerkannt werden könne.
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Hiergegen hat der Kläger am 8. Juli 2013 mit der Begründung Klage beim SG erhoben, das Gutachten von Dr. H. sei falsch und dürfe nicht berücksichtigt werden.
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Nachdem der nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) benannte Sachverständige, der behandelnde HNO-Arzt Dr. R., die Erstattung des Gutachtens mangels Qualifikation abgelehnt und der Kläger keinen neuen Sachverständigen benannt hat, hat das SG im Einverständnis der Beteiligten die Klage ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 18. März 2015 mit der Begründung abgewiesen, der Kläger erfülle die Voraussetzungen der Anhebung der gewährten Pflegestufe nicht. Nach der Rechtsprechung sei Voraussetzung für die Gewährung einer Pflegezulage der Stufe II ein wöchentlicher Tagesdurchschnitt der Pflege von dauernd mindestens vier Stunden, wobei auch der wirtschaftliche Wert der Hilfeleistung berücksichtigt werden könne. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. H. nicht. Danach liege bei ihm ein durchschnittlicher täglicher Pflegebedarf von lediglich drei Stunden vor, welches auch der Einschätzung der Auskunft der Arbeiterwohlfahrt entspreche, die rein tatsächlich nur drei Stunden täglich Pflegeleistungen erbrächte. Auch bei den stationären Aufenthalten, z. B. in Bad Peterstal, habe der Kläger nur in geringem Umfang durch andere Personen versorgt werden müssen.
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Am 22. April 2015 hat der Kläger in der Augenklinik des Universitätsklinikums U. am verbliebenen linken Auge eine Katarakt-Operation durchführen lassen, nach der er nur noch einer Übergangs-Lesebrille der Stärke 2,5 + bedurfte (Entlassungsbericht vom 26. April 2015).
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Gegen das am 15. April 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. Mai 2015 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung mit der Begründung eingelegt, sein Sehvermögen sei deutlich verschlechtert. Hinzu kämen schlechtes Hören, Lähmungen und Schiefstand der Zunge, die Gebrauchsunfähigkeit der Arme und Hände insbesondere bei Verrichtung der Notdurft, auch die Störungen des Gleichgewichts.
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Er hat dem Senat eine Übersicht über seine stattgehabten Stürze wegen der „kriegsbedingten Gleichgewichtsstörungen“ im Jahr 2015 vorgelegt (Bl. 33 Senatsakte).
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Der Kläger beantragt (sinngemäß),
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das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 18. März 2015 sowie den Bescheid vom 27. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheides vom 7. August 2007 mindestens Pflegezulage nach Stufe III zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass die bislang vergüteten Pflegeleistungen an Dritte bereits in großem Umfang solche Pflegeleistungen beträfen, die nicht schädigungsbedingt seien. Außerdem rechne der Kläger erkennbar auch Hausarbeiten ab, sodass keinesfalls von einem Hilfebedarf von 43 Stunden/wöchentlich auszugehen sei. Das Zugeständnis einer bestimmten Zeit für Leistungen Dritter habe auch keine Bindungswirkung für die Feststellung des tatsächlichen Hilfebedarfs.
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Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat die behandelnde Augenärztin Dr. Z. erneut als sachverständige Zeugin befragt. Diese hat dem Senat in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 31. Mai 2016 bestätigt, dass sich das Sehvermögen des Klägers aufgrund der durchgeführten Operation erheblich auf eine Sehschärfe von 40 % gebessert habe. Das Kontrastsehen sei durch die Hornhautnarbe und die Maculadegeneration beeinträchtigt.
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf höhere Pflegezulage, auch nicht nach Stufe II, weil seine Gesundheitsstörungen weder täglich mehr als vier Stunden und damit andauernd „außergewöhnliche Pflege“ erfordern oder er einem Blinden, der die Pflegestufe III erhält, gleichgestellt werden kann. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung vom 27. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2013 erweist sich daher als rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) somit zu Recht abgewiesen.
24 
Rechtsgrundlage hierfür ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X, vgl. Urteil des BSG vom 31. März 2004 – B 4 RA 39/03 R – SozR 4-8570 § 8 Nr. 2, Rz. 16). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, das sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser ein Anspruch auf höhere Pflegezulage, auch nach Stufe II, folgt (vgl. BSG, Urteil vom 11.November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12 zur Erhöhung des Gesamt-GdB). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt (teilweise) aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).
25 
Bei der mit Bescheid vom 7. August 2007 getroffenen Bewilligung der Pflegezulage nach Stufe I ab dem 1. Oktober 2006 handelt es sich um einen solchen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 31 m. w. N.). In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieser Verwaltungsentscheidung vorlagen, ist auch zur Überzeugung des Senats keine entscheidungserhebliche Änderung eingetreten.
26 
In Auswertung der medizinischen Unterlagen bestehen auch für den Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Voraussetzungen für die Pflegezulage geändert haben.
27 
Die Gewährung von Pflegezulagen richtet sich nach § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Nach dessen Satz 1 wird Beschädigten, die hilflos sind, weil sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen (Satz 2), eine Pflegezulage von monatlich derzeit 293 EUR (Stufe I) gezahlt. Der dort geforderte Hilfebedarf liegt nach der Rechtsprechung des BSG in jedem Falle dann vor, wenn sein Umfang mindestens zwei Stunden täglich erreicht (BSGE 90, 185; SozR 4-3250 § 69 Nr. 1). Die Schwelle zur nächsten Stufe der Pflegezulage überschreitet ein hilfloser Beschädigter nach § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG, wenn seine Gesundheitsstörungen so schwer sind, dass sie dauernd das Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordern. Die Pflegezulage ist dann je nach Lage des Falles oder Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 500, 711, 912, 1.185 oder 1.457 EUR (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III (§ 35 Abs. 1 Satz 6 BVG).
28 
Nach § 30 Abs. 16 BVG wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 BVG maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) am 10. Dezember 2008, in Kraft getreten am 1. Januar 2009, erlassen. Alle Einzelheiten werden in der Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV geregelt. Nach Nr. 13c VG wird die Pflegezulage in sechs Stufen bewilligt. Für dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Hilfe sind die Stufen II bis VI vorgesehen. Ein dauerndes außergewöhnliches Pflegebedürfnis liegt vor, wenn der Aufwand an Pflege etwa im gleichen Umfang wie bei dauerndem Krankenlager einer beschädigten Person notwendig ist. Dauerndes Krankenlager setzt nicht voraus, dass man das Bett überhaupt nicht verlassen kann (VG Nr. 13d).
29 
Hiervon ist beim Kläger nach den von dem Senat durchgeführten Ermittlungen unter Berücksichtigung der vorliegenden Pflegegutachten wie dem Reha-Entlassungsbericht nicht auszugehen.
30 
Die Pflegestufe III ist ihm zunächst nicht allein aufgrund der behaupteten Blindheit zuzuerkennen.
31 
Der Begriff der Blindheit ist nicht legal definiert (vgl. zum Folgenden Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 SB 4253/13- juris, Rn. 28 f). Sie wird angenommen, wenn die Sehfähigkeit vollständig fehlt (so Rohr/Sträser/Dahm, Kommentar zum BVG, § 35-5); Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 72 Rn. 4 m. w. N.; Grube/Wahrendorf/Grube, SGB XII, § 72 Rn. 4; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, § 72 Rn. 4). Nach § 72 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII - stehen blinden Menschen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen. Die im Rahmen der Landesblindenhilfe in zahlreichen Landesgesetzen getroffenen Regelungen haben weitgehend diese Definitionen übernommen (vgl. z. B. § 1 Abs. 2 Sächs. LandesblindenG). Insoweit stimmt der Blindheitsbegriff in § 72 Abs. 5 SGB XII mit demjenigen nach Teil A Nr. 6 a) der Anlage zu § 2 der VG überein. In VG, Teil A, Nr. 6 b) wird auf die Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft Bezug genommen, wonach eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 (1/50) oder weniger gleich zusetzende Sehbehinderung bei folgenden Fallgruppen vorliegt:
32 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
- bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,
- bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,
- bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.
33 
Außerdem wird in VG, Teil A, Nr. 6 c) geregelt, dass auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit) blind ist, nicht aber mit einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen.
34 
Nach diesen Maßstäben ist der Kläger nicht einem Blinden gleich zu erachten. Er ist nur auf einem Auge, nämlich dem rechten, blind, welches er durch die Kriegsbeschädigung verloren hat. Auf dem linken Auge ist als Schädigungsfolge eine Hornhautnarbe anerkannt. Diese führt zweifelsohne zu einer erheblichen Sehbehinderung, mit seinem - selbst für den Zeitraum vor der durchgeführten Operation - verbliebenen Restsehvermögen von damals 30% oder 20% ist er aber nicht blind. Des Weiteren liegen nach der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. Z. beim Kläger kein gravierender einschränkender Gesichtsfelddefekt vor, worauf bereits Obermedizinalrätin N. zutreffend hingewiesen hat. Für die Richtigkeit der Bewertung des Restsehvermögens spricht nicht zuletzt, dass sich der allein lebende Kläger noch ausreichend in seiner vertrauten Wohnumgebung orientieren kann, auch zu den von der Beklagten finanzierten Kuraufenthalten in der Regel allein anreist und sich in fremder Umgebung zunächst allein für einige Tage – unter Hinzuziehung pflegerischer Leistungen- versorgt, was der Senat den vorgelegten Rechnungen für seine Lebensgefährtin I. P. entnimmt.
35 
Nunmehr hat sich das Sehvermögen nach der stattgehabten Operation sogar auf 40 % verbessert, was der Senat der eingeholten sachverständigen Zeugenaussage von Dr. Z. entnimmt. Auch unter Berücksichtigung des beeinträchtigten Kontrastsehen durch Hornhautnarbe und Maculadegeneration ist der Kläger deswegen keinesfalls einem Blinden gleichzustellen.
36 
Der Kläger benötigt schließlich nicht der dauernden außergewöhnlichen Pflege. Was darunter zu verstehen ist, hat das BSG in seinem Urteil vom 30. November 2006 (B 9 a V 9/05 R - SozR 4-3100 § 34 Nr. 4) definiert, nämlich dass einer außergewöhnlichen Pflege im versorgungsrechtlichen Sinne nur derjenige bedarf, bei dem der Zeitaufwand für berücksichtigungsfähige Hilfeleistungen, also die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, wöchentlich im Tagesdurchschnittsdauer mindestens vier Stunden beträgt. Hierbei wird nur der Bedarf an Grundpflege (Körperpflege, Ernährung und Mobilität) einschließlich des Zeitaufwands für Anleitung, Übernahme und Bereitschaft und an Maßnahmen der psychischen Erholung, geistigen Anregung und Kommunikation berücksichtigt. Das BSG hat diese Vorgabe im Hinblick auf die pflegerischen Anforderungen der gesetzlichen Pflegeversicherung (§ 15 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI -) entwickelt, wo die Abgrenzung zur Stufe II auch nur bei einem täglichen Zeitaufwand von vier Stunden anerkannt wird (BSG SozR 4-3250 § 69 Nr. 1 Rn. 10). Bei der Beurteilung der Hilflosigkeit im Sinne von § 35 Abs. 1 BVG muss der beim Kläger im Vordergrund stehende hauswirtschaftliche Hilfebedarf unberücksichtigt bleiben (BSG vom 2. Juli 1997 - 9 RV 19/95 - SozR 3-3100 § 35 Nr. 6).
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Hiervon kann nach dem vorliegenden Gutachten von Dr. H., dem Pflegegutachten des MDK wie zuletzt dem Entlassungsbericht der Klinik L. über die Rehabilitationsmaßnahme 2013 nicht ausgegangen werden. Danach beträgt der tatsächliche Pflegebedarf maximal 90 Minuten täglich und liegt damit weit unter der erforderlichen Grenze von vier Stunden täglich. Dies hat das SG in seiner angefochtenen Entscheidung ausführlich begründet dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung nach § 153 Abs. 2 SGG an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Umfang der in Anspruch genommenen Verhinderungspflege hinlänglich unterstreicht, dass er keiner pflegerischen Leistungen über der Pflegestufe I bedarf. Im Übrigen hat der erkennende Senat diesen Pflegebedarf der Stufe I bereits in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 25. Juni 2015 (L 6 VK 5236/14, Beschluss des BSG vom 29. September 2015 – B 9 V 54/15 B) festgestellt. Dass sich seither eine Verschlechterung ergeben hat, hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt.
38 
Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
39 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Gründe

 
23 
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf höhere Pflegezulage, auch nicht nach Stufe II, weil seine Gesundheitsstörungen weder täglich mehr als vier Stunden und damit andauernd „außergewöhnliche Pflege“ erfordern oder er einem Blinden, der die Pflegestufe III erhält, gleichgestellt werden kann. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung vom 27. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2013 erweist sich daher als rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) somit zu Recht abgewiesen.
24 
Rechtsgrundlage hierfür ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X, vgl. Urteil des BSG vom 31. März 2004 – B 4 RA 39/03 R – SozR 4-8570 § 8 Nr. 2, Rz. 16). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, das sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser ein Anspruch auf höhere Pflegezulage, auch nach Stufe II, folgt (vgl. BSG, Urteil vom 11.November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12 zur Erhöhung des Gesamt-GdB). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt (teilweise) aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).
25 
Bei der mit Bescheid vom 7. August 2007 getroffenen Bewilligung der Pflegezulage nach Stufe I ab dem 1. Oktober 2006 handelt es sich um einen solchen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 31 m. w. N.). In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieser Verwaltungsentscheidung vorlagen, ist auch zur Überzeugung des Senats keine entscheidungserhebliche Änderung eingetreten.
26 
In Auswertung der medizinischen Unterlagen bestehen auch für den Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Voraussetzungen für die Pflegezulage geändert haben.
27 
Die Gewährung von Pflegezulagen richtet sich nach § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Nach dessen Satz 1 wird Beschädigten, die hilflos sind, weil sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen (Satz 2), eine Pflegezulage von monatlich derzeit 293 EUR (Stufe I) gezahlt. Der dort geforderte Hilfebedarf liegt nach der Rechtsprechung des BSG in jedem Falle dann vor, wenn sein Umfang mindestens zwei Stunden täglich erreicht (BSGE 90, 185; SozR 4-3250 § 69 Nr. 1). Die Schwelle zur nächsten Stufe der Pflegezulage überschreitet ein hilfloser Beschädigter nach § 35 Abs. 1 Satz 4 BVG, wenn seine Gesundheitsstörungen so schwer sind, dass sie dauernd das Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordern. Die Pflegezulage ist dann je nach Lage des Falles oder Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 500, 711, 912, 1.185 oder 1.457 EUR (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III (§ 35 Abs. 1 Satz 6 BVG).
28 
Nach § 30 Abs. 16 BVG wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 BVG maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) am 10. Dezember 2008, in Kraft getreten am 1. Januar 2009, erlassen. Alle Einzelheiten werden in der Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV geregelt. Nach Nr. 13c VG wird die Pflegezulage in sechs Stufen bewilligt. Für dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Hilfe sind die Stufen II bis VI vorgesehen. Ein dauerndes außergewöhnliches Pflegebedürfnis liegt vor, wenn der Aufwand an Pflege etwa im gleichen Umfang wie bei dauerndem Krankenlager einer beschädigten Person notwendig ist. Dauerndes Krankenlager setzt nicht voraus, dass man das Bett überhaupt nicht verlassen kann (VG Nr. 13d).
29 
Hiervon ist beim Kläger nach den von dem Senat durchgeführten Ermittlungen unter Berücksichtigung der vorliegenden Pflegegutachten wie dem Reha-Entlassungsbericht nicht auszugehen.
30 
Die Pflegestufe III ist ihm zunächst nicht allein aufgrund der behaupteten Blindheit zuzuerkennen.
31 
Der Begriff der Blindheit ist nicht legal definiert (vgl. zum Folgenden Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 SB 4253/13- juris, Rn. 28 f). Sie wird angenommen, wenn die Sehfähigkeit vollständig fehlt (so Rohr/Sträser/Dahm, Kommentar zum BVG, § 35-5); Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 72 Rn. 4 m. w. N.; Grube/Wahrendorf/Grube, SGB XII, § 72 Rn. 4; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, § 72 Rn. 4). Nach § 72 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII - stehen blinden Menschen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen. Die im Rahmen der Landesblindenhilfe in zahlreichen Landesgesetzen getroffenen Regelungen haben weitgehend diese Definitionen übernommen (vgl. z. B. § 1 Abs. 2 Sächs. LandesblindenG). Insoweit stimmt der Blindheitsbegriff in § 72 Abs. 5 SGB XII mit demjenigen nach Teil A Nr. 6 a) der Anlage zu § 2 der VG überein. In VG, Teil A, Nr. 6 b) wird auf die Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft Bezug genommen, wonach eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 (1/50) oder weniger gleich zusetzende Sehbehinderung bei folgenden Fallgruppen vorliegt:
32 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
- bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,
- bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,
- bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.
33 
Außerdem wird in VG, Teil A, Nr. 6 c) geregelt, dass auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit) blind ist, nicht aber mit einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen.
34 
Nach diesen Maßstäben ist der Kläger nicht einem Blinden gleich zu erachten. Er ist nur auf einem Auge, nämlich dem rechten, blind, welches er durch die Kriegsbeschädigung verloren hat. Auf dem linken Auge ist als Schädigungsfolge eine Hornhautnarbe anerkannt. Diese führt zweifelsohne zu einer erheblichen Sehbehinderung, mit seinem - selbst für den Zeitraum vor der durchgeführten Operation - verbliebenen Restsehvermögen von damals 30% oder 20% ist er aber nicht blind. Des Weiteren liegen nach der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. Z. beim Kläger kein gravierender einschränkender Gesichtsfelddefekt vor, worauf bereits Obermedizinalrätin N. zutreffend hingewiesen hat. Für die Richtigkeit der Bewertung des Restsehvermögens spricht nicht zuletzt, dass sich der allein lebende Kläger noch ausreichend in seiner vertrauten Wohnumgebung orientieren kann, auch zu den von der Beklagten finanzierten Kuraufenthalten in der Regel allein anreist und sich in fremder Umgebung zunächst allein für einige Tage – unter Hinzuziehung pflegerischer Leistungen- versorgt, was der Senat den vorgelegten Rechnungen für seine Lebensgefährtin I. P. entnimmt.
35 
Nunmehr hat sich das Sehvermögen nach der stattgehabten Operation sogar auf 40 % verbessert, was der Senat der eingeholten sachverständigen Zeugenaussage von Dr. Z. entnimmt. Auch unter Berücksichtigung des beeinträchtigten Kontrastsehen durch Hornhautnarbe und Maculadegeneration ist der Kläger deswegen keinesfalls einem Blinden gleichzustellen.
36 
Der Kläger benötigt schließlich nicht der dauernden außergewöhnlichen Pflege. Was darunter zu verstehen ist, hat das BSG in seinem Urteil vom 30. November 2006 (B 9 a V 9/05 R - SozR 4-3100 § 34 Nr. 4) definiert, nämlich dass einer außergewöhnlichen Pflege im versorgungsrechtlichen Sinne nur derjenige bedarf, bei dem der Zeitaufwand für berücksichtigungsfähige Hilfeleistungen, also die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, wöchentlich im Tagesdurchschnittsdauer mindestens vier Stunden beträgt. Hierbei wird nur der Bedarf an Grundpflege (Körperpflege, Ernährung und Mobilität) einschließlich des Zeitaufwands für Anleitung, Übernahme und Bereitschaft und an Maßnahmen der psychischen Erholung, geistigen Anregung und Kommunikation berücksichtigt. Das BSG hat diese Vorgabe im Hinblick auf die pflegerischen Anforderungen der gesetzlichen Pflegeversicherung (§ 15 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI -) entwickelt, wo die Abgrenzung zur Stufe II auch nur bei einem täglichen Zeitaufwand von vier Stunden anerkannt wird (BSG SozR 4-3250 § 69 Nr. 1 Rn. 10). Bei der Beurteilung der Hilflosigkeit im Sinne von § 35 Abs. 1 BVG muss der beim Kläger im Vordergrund stehende hauswirtschaftliche Hilfebedarf unberücksichtigt bleiben (BSG vom 2. Juli 1997 - 9 RV 19/95 - SozR 3-3100 § 35 Nr. 6).
37 
Hiervon kann nach dem vorliegenden Gutachten von Dr. H., dem Pflegegutachten des MDK wie zuletzt dem Entlassungsbericht der Klinik L. über die Rehabilitationsmaßnahme 2013 nicht ausgegangen werden. Danach beträgt der tatsächliche Pflegebedarf maximal 90 Minuten täglich und liegt damit weit unter der erforderlichen Grenze von vier Stunden täglich. Dies hat das SG in seiner angefochtenen Entscheidung ausführlich begründet dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung nach § 153 Abs. 2 SGG an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Umfang der in Anspruch genommenen Verhinderungspflege hinlänglich unterstreicht, dass er keiner pflegerischen Leistungen über der Pflegestufe I bedarf. Im Übrigen hat der erkennende Senat diesen Pflegebedarf der Stufe I bereits in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 25. Juni 2015 (L 6 VK 5236/14, Beschluss des BSG vom 29. September 2015 – B 9 V 54/15 B) festgestellt. Dass sich seither eine Verschlechterung ergeben hat, hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt.
38 
Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
39 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

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(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltun

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 18. Dez. 2014 - L 6 SB 4253/13

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Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 30. Mai 2012 aufgehoben.

Bundessozialgericht Urteil, 02. Dez. 2010 - B 9 V 2/10 R

bei uns veröffentlicht am 02.12.2010

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Mai 2009 aufgehoben.

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Mai 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurück-verwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger die gemäß § 35 Abs 2 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) gewährte erhöhte Pflegezulage entziehen durfte, nachdem dieser seine Pflegerin geheiratet hatte.

2

Der 1929 geborene Kläger erhält als Kriegsbeschädigter aufgrund des Bescheides des beklagten Landes vom 27.8.1991 wegen eines Verlustes des linken Auges und der Erblindung des rechten Auges Versorgung nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 100 (bis 20.12.2007: Minderung der Erwerbsfähigkeit um 100 vH).

3

Nach dem Tod seiner Ehefrau schloss der Kläger mit der 1935 geborenen E. G. (G) am 17.4.1997 mit Wirkung ab 1.5.1997 einen Pflegearbeitsvertrag. Auf seinen Antrag gewährte ihm der Beklagte - neben der Pflegezulage nach Stufe III - eine erhöhte Pflegezulage nach § 35 Abs 2 Satz 1 BVG, und zwar ab 1.5.1997 in Höhe von monatlich 3651 DM, ab 1.7.1997 in Höhe von monatlich 3603 DM (Bescheid vom 22.9.1997). Dabei legte er die im Arbeitsvertrag vereinbarte Pflegezeit (8 Stunden täglich zuzüglich Überstunden) zugrunde und erkannte die dafür zu zahlende Vergütung nach Vergütungsgruppe 9 der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) samt Arbeitgeberaufwendungen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 4586,55 DM als aufzuwendende angemessene Kosten an.

4

In der Folgezeit wurde die Höhe der erhöhten Pflegezulage wegen Änderungen der Berechnungsfaktoren wiederholt neu festgestellt; ua wurde die Pflegezulage mit Bescheid vom 8.2.2002 ab 1.1.2002 (einschließlich der Pflegepauschale nach Stufe III) entsprechend den aufzuwendenden angemessenen Pflegekosten auf 2846 Euro festgesetzt.

5

Nachdem der Kläger im Oktober 2003 angekündigt hatte, dass er seine Pflegerin im Dezember heiraten wolle, teilte ihm der Beklagte mit Schreiben vom 19.11.2003 mit, dass der Arbeitsvertrag damit nicht mehr in der bestehenden Form gültig sein werde. Die Zahlung der erhöhten Pflegezulage nach § 35 Abs 2 BVG werde daher ab Januar 2004 eingestellt. Bis zur Neuentscheidung über die (erhöhte) Pflegezulage werde ab Januar 2004 die pauschale Pflegezulage nach Stufe III von 558 Euro gewährt.

6

Mit Schreiben vom 19.12.2003 zeigte der Kläger unter Vorlage der Heiratsurkunde an, dass er mit seiner Pflegerin, Frau G, am 17.12.2003 die Ehe geschlossen habe. Zugleich teilte er mit, dass der Pflegearbeitsvertrag auch nach der Verheiratung in dem bestehenden Umfang weiterhin gültig und dementsprechend fortzuführen sei. Er bitte deshalb, auch in seinem Fall in dieser Weise zu verfahren.

7

           

Mit Bescheid vom 23.1.2004 hob der Beklagte den Bescheid vom 8.2.2002 gemäß § 48 SGB X auf und stellte die Höhe der Pflegezulage für die Zeit von Januar 2002 bis Dezember 2003 neu fest. In Nr 6 und Nr 7 dieses Bescheides führte er aus:

        

6. … Aufgrund Ihrer Eheschließung am 17.12.2003 wird die Vergütung entsprechend des Arbeitsvertrages vom 17.4.1997 bis zum 17.12.2003 nach § 35 Abs 2 BVG erstattet. Für die Zeit vom 18. bis 31.12.2003 wird die pauschale Pflegezulage in Höhe von 14/31 gewährt.

        

7. Über die Erhöhung der Pflegezulage ab 18.12.2003 aufgrund des bestehenden Arbeitsvertrages ist in einem weiteren Bescheid zu entscheiden.

8

Gegen diesen mit einer entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein.

9

Nachdem der Beklagte unter dem 9.3.2004 eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge des Klägers für die Zeit ab Dezember 2003 vorgenommen hatte, lehnte er mit Bescheid vom 4.11.2004 die Weitergewährung der erhöhten Pflegezulage für die Zeit nach dem 17.12.2003 ab. Nach der Eheschließung sei auch bei einem Fortdauern des Arbeitsvertrages die gegenseitige Beziehung vor allem als ehelich und erst in zweiter Hinsicht als geschäftsmäßig zu werten. Daraus ergebe sich eine geänderte Beurteilung der Angemessenheit der Kosten der Pflege. Die bisher als Arbeitszeit anerkannte Pflegezeit sei - bereinigt um Zeiten der Bereitschaft und des familiären ehelichen Beistands - neu zu beurteilen. Der am 7.4.2004 durchgeführte Hausbesuch habe einen schädigungsbedingten Pflegebedarf von etwa 1,5 Stunden täglich bzw 10,5 Stunden wöchentlich ergeben. Unter Berücksichtigung einer Stundenvergütung von 8,69 Euro in Anlehnung an die AVR zuzüglich notwendiger Arbeitgeberkosten ergäben sich hieraus Kosten von monatlich ca 440 Euro, die den Betrag der pauschalen Pflegezulage von zur Zeit 558 Euro nicht überstiegen. Ab dem 18.12.2003 seien demnach die Voraussetzungen für die Erhöhung der pauschalen Pflegezulage nach § 35 Abs 2 Satz 1 BVG nicht mehr gegeben.

10

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Widerspruch ein. Daraufhin führte der Beklagte zunächst eine förmliche Anhörung des Klägers durch. Sodann wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.1.2006 zurück. Darin teilte er ua mit, dass die Wirkung des Bescheides vom 22.9.1997 über die Gewährung einer erhöhten Pflegezulage mit Ablauf des 17.12.2003 geendet habe.

11

Das Sozialgericht Potsdam (SG) hat die gegen den Bescheid vom 4.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.1.2006 erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 7.11.2006). Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) hat die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.5.2009). Es hat ua ausgeführt:

Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Beklagten sei § 48 Abs 1 SGB X. Wenn der Beklagte - dem Wortlaut des Bescheids vom 4.11.2004 zufolge - einen Antrag auf Weitergewährung der erhöhten Pflegezulage abgelehnt habe, so sei dies unschädlich. Denn im Widerspruchsbescheid vom 26.1.2006 habe der Beklagte ausdrücklich auf § 48 Abs 1 SGB X Bezug genommen und damit zu erkennen gegeben, dass er eine Aufhebung der Bewilligung habe verfügen wollen. Eine Doppelregelung sei damit nicht verbunden, denn der Beklagte habe weder im Schreiben vom 19.11.2003 noch im Bescheid vom 23.1.2004 eine Aufhebungsentscheidung getroffen. Die Entscheidung über die erhöhte Pflegezulage habe er sich ausdrücklich vorbehalten.

12

Die materiellen Voraussetzungen des § 48 Abs 1 SGB X seien erfüllt. Der Bescheid vom 22.9.1997, mit dem dem Kläger eine erhöhte Pflegezulage bewilligt worden sei, sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Dadurch, dass der Kläger seine Pflegerin am 17.12.2003 geheiratet habe, sei eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die der Gewährung der erhöhten Pflegezulage zugrunde gelegen hätten, eingetreten. Denn die Voraussetzungen der Bewilligung nach § 35 Abs 2 Satz 1 BVG entfallen seien. Zwar erbringe die Ehefrau des Klägers auch nach der Eheschließung auf der Grundlage des nicht gekündigten Arbeitsvertrages Pflegeleistungen. Bei einem Beschäftigungsverhältnis zwischen einem Beschädigten und seinem Ehegatten müsse jedoch nach der Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 4.2.1998 - B 9 V 28/96 V, SozR 3-3100 § 35 Nr 8)sorgfältig geprüft werden, ob tatsächlich eine arbeitsvertraglich vereinbarte und entsprechend bezahlte Pflegetätigkeit gegeben sei. Grundsätzlich bestünden gegen die Annahme eines Pflegevertrages dann keine Bedenken, wenn der Beschädigte seine Pflegekraft heirate und diese die Pflegetätigkeit unter Beibehaltung des Arbeitsvertrages fortsetze, weil hier schon die besonderen Umstände nahe legten, dass die Ehefrau die Pflegetätigkeit nicht allein wegen der sittlichen und gesetzlichen Beistandspflichten gegenüber dem Pflegebedürftigen weiter ausübe.

13

Indes überstiegen (im vorliegenden Fall) die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen für die Pflege des Klägers nicht den Betrag der pauschalen Pflegezulage in Höhe von 558 Euro. Bei einem verheirateten Beschädigten seien grundsätzlich nur die Kosten derjenigen Tätigkeiten angemessen, die eine arbeitsvertragliche Beschäftigung einer familienfremden Pflegekraft notwendig machten, also der Pflegeaufwand, der über die vom Ehepartner sittlich und rechtlich zu erwartenden Verrichtungen hinausgehe. Abzustellen sei daher allein auf den schädigungsbedingten Pflegebedarf des Klägers, der nach den Ermittlungen des Beklagten einen Zeitaufwand von ca 1,5 Stunden täglich in Anspruch nehme und monatliche Kosten von 444 Euro verursache. Nicht berücksichtigungsfähig seien nach der Rechtsprechung des BSG hauswirtschaftliche Hilfeleistungen. Gleiches gelte für die Bereitschaftszeiten, die bei bestehender Ehe keine Beschäftigung einer familienfremden Pflegekraft notwendig machten.

14

Der Beklagte habe die erhöhte Pflegezulage nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X auch rückwirkend entziehen dürfen, da er dem Kläger bereits mit Schreiben vom 19.11.2003 mitgeteilt habe, dass diesem wegen der Heirat keine erhöhte Pflegezulage mehr zustehe. Der Kläger sei auch nach § 24 Abs 1 SGB X angehört worden. Er habe Gelegenheit gehabt, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Davon habe er Gebrauch gemacht.

15

Der Kläger hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung seiner Rechte aus § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, § 35 Abs 2 Satz 1 BVG und § 103 Satz 1 SGG:

16

Der Beklagte habe mit der Verwaltungsentscheidung vom 4.11.2004 die Weitergewährung der erhöhten Pflegezulage gemäß § 35 Abs 2 BVG über den 17.12.2003 hinaus abgelehnt, obwohl nach den Feststellungen des LSG die arbeitsvertragliche Pflege nach der am 17.12.2003 erfolgten Eheschließung unverändert fortgesetzt worden sei. Dabei habe das LSG durchaus zugestanden, dass die bis zur Eheschließung durch diesen Arbeitsvertrag entstandenen Kosten der Pflege als angemessen iS des § 35 Abs 2 Satz 1 BVG anzusehen gewesen seien. Entsprechend habe der Beklagte mit Bescheid vom 22.9.1997 entschieden. Dabei sei die individuelle Prüfung der notwendigen Pflegezeit anhand des Ergebnisses eines Hausbesuchs nur pauschal vorgenommen worden; zu den Bereitschaftszeiten fänden sich im Protokoll über den Hausbesuch keine Ausführungen. Für die nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X Streit entscheidende Frage, ob gegenüber den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die im Zeitpunkt des Bescheides vom 22.9.1997 vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten sei, komme es allerdings nicht darauf an, ob die damalige Bewertung - die Pflegekosten seien als angemessen zu übernehmen - richtig gewesen sei. Entscheidend sei vielmehr der Eintritt einer wesentlichen Änderung. Eine solche habe das LSG nicht festgestellt. Es sei davon ausgegangen, dass die Ehefrau ihren Ehemann unter unveränderter Beibehaltung des Arbeitsvertrages ebenso gepflegt habe wie vor der Ehe. Soweit das LSG aus dem Urteil des BSG vom 4.2.1998 abgeleitet habe, dass Bereitschaftszeiten und hauswirtschaftliche Hilfeleistungen nicht berücksichtigungsfähig seien, so sei diese Ansicht der genannten Entscheidung nicht zu entnehmen.

17

In der gesamten Rechtsordnung gäbe es keine Vorschrift, nach der eine Heirat zu rechtlichen Nachteilen führe. Der vom BSG im Urteil vom 4.2.1998 gegebene Hinweis, dass die Kosten einer arbeitsvertraglichen Ehegattenpflege regelmäßig nur in geringerer Höhe als bei einer Fremdpflege angemessen sein könnten, erscheine deswegen bedenklich. Die Wertung, dass Bereitschaftszeiten im Rahmen eines Ehegattenpflegevertrages generell oder überwiegend unentgeltlich zu erbringen seien, verstoße gegen Art 6 Abs 1 GG.

18

Auch sei eine Differenzierung dahingehend, ob der pflegerische Bedarf durch dessen sittlich "geschuldete" Deckung faktisch reduziert sein könnte, sachfremd. Ebenso habe das LSG nicht beachtet, dass bei einer Nichtberücksichtigung von Bereitschaftszeiten das bestehende Arbeitsverhältnis durch eine entsprechende Änderungskündigung angepasst werden müsste. Dies könne zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, wenn die Pflegeperson nicht bereit sei, die Bereitschaftszeiten unentgeltlich zu erbringen. Er, der Kläger, wolle jedoch die seit langen Jahren für ihn tätige, ihm vertraute Pflegeperson, die er inzwischen geheiratet habe, beibehalten. Vor diesem Hintergrund habe das LSG den unbestimmten Rechtsbegriff der angemessenen Kosten iS des § 35 Abs 2 Satz 1 BVG unzutreffend konkretisiert.

19

Der hauswirtschaftliche Hilfebedarf sei nach ständiger Rechtsprechung generell nicht im Rahmen des § 35 Abs 1 und 2 BVG zu berücksichtigen. Sofern der Pflegevertrag vom 1.5.1997 auch Aufwand für hauswirtschaftliche Hilfeleistungen beinhalte, so hätte dieser Leistungsteil allenfalls nach § 45 Abs 1 SGB X entzogen werden können. Hilfsweise hätte nach § 48 Abs 3 SGB X vorgegangen werden können, nicht jedoch nach § 48 Abs 1 SGB X.

20

Das LSG habe außerdem den Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt. Es habe sich auf die pauschalen, nicht mit konkreten Zeitwerten hinterlegten Ermittlungen des Beklagten verlassen. Es hätte jedoch den pflegerischen Bedarf durch ein medizinisches Sachverständigengutachten klären lassen müssen.

21

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Mai 2009 und des Sozialgerichts Potsdam vom 7. November 2006 sowie die Bescheide des Beklagten vom 19. November 2003, 23. Januar 2004, 9. März 2004 und vom 4. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 26. Januar 2006 aufzuheben, soweit darin über die erhöhte Pflegezulage gemäß § 35 Abs 2 Satz 1 BVG ab 18. Dezember 2003 entschieden wurde,
hilfsweise,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Mai 2009 und des Sozialgerichts Potsdam vom 7. November 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 19. November 2003, 23. Januar 2004, 9. März 2004 und 4. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 26. Januar 2006 zu verpflichten, über den 17. Dezember 2003 hinaus eine erhöhte Pflegezulage gemäß § 35 Abs 2 Satz 1 BVG zu gewähren.

22

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

23

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Dazu trägt er ua vor:

24

Auch eine Eheschließung könne im Hinblick auf die nach § 35 Abs 2 Satz 1 BVG angemessenen Kosten eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 SGB X sein. Nach dem Urteil des BSG vom 4.2.1998 - B 9 V 28/96 R - seien die Kosten bei arbeitsvertraglich durch einen haushaltsangehörigen Ehegatten erbrachter Pflege regelmäßig nur in geringerer Höhe angemessen als beim Einsatz einer familienfremden Pflegekraft. Dies müsse hinsichtlich der Bereitschaftszeiten jedenfalls dann gelten, wenn die pflegende Ehefrau zum Zeitpunkt der Eheschließung das Rentenalter bereits erreicht habe. Mit einer Eheschließung gingen auch Pflichten einher. Die Erbringung von Pflegeleistungen entspreche im gewissen Umfang einer ehelichen oder sittlichen Pflicht; dies sei auch im Rahmen des § 35 Abs 2 Satz 1 BVG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift stelle auf die Angemessenheit der Kosten ab. Der Pflegebedarf reduziere sich durch freiwillige oder sittlich geschuldete Leistungen. Dies führe auch im vorliegenden Fall nicht zum Wegfall der Sozialleistung, sondern nur dazu, dass die angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nicht überstiegen. Dies verstoße im Vergleich mit den Leistungen nach dem SGB XI nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Auch bestünden keine arbeitsrechtlichen Bedenken.

25

Im vorliegenden Fall sei durch die Eheschließung am 17.12.2003 eine wesentliche Änderung gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, die beim Erlass des Bescheides vom 22.9.1997 vorgelegen hätten. Der aktuelle Pflegebedarf betrage 90 Minuten pro Tag. Dies hätten seine Ermittlungen im Rahmen des Hausbesuchs vom 7.4.2004 ergeben. Das LSG hätte sich deshalb nicht zu weiterer Sachverhaltsaufklärung gedrängt fühlen müssen. Bei dieser Ermittlung seien die Bereitschaftszeiten außer Betracht geblieben. Auch die Feststellung des konkreten Fremdpflegebedarfs im Vorfeld der Bescheiderteilung vom 22.9.1997 sei nicht zu beanstanden. Ein Hausbesuch habe damals einen Pflegebedarf von 8 Stunden ergeben. Dass bei der Feststellung dieses Pflegebedarfs maßgeblich auch Bereitschaftszeiten berücksichtigt worden seien, ergebe sich aus dem Protokoll, insbesondere aus den Ausführungen zur ständigen Aufsicht und Begleitung. Nach der Eheschließung seien Bereitschaftszeiten hingegen nicht mehr berücksichtigungsfähig. Diese würden im Rahmen einer ehelichen Gemeinschaft aufgrund einer sittlichen und gesetzlichen Beistandspflicht wahrgenommen.

26

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

27

Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die tatsächlichen Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend darüber zu entscheiden, ob das LSG die Berufung zu Recht zurückgewiesen und damit das die Klage abweisende Urteil des SG vom 7.11.2006 bestätigt hat.

28

1. Der Kläger verfolgt mit der Revision seine (isolierte) Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG)weiter, mit der er - unter Aufhebung der entgegenstehenden gerichtlichen Entscheidungen - erreichen will, die ihn belastenden Verwaltungsakte des Beklagten aufzuheben, soweit sie die vom Beklagten verweigerte Fortzahlung der ihm gewährten erhöhten Pflegezulage für die Zeit nach der Eheschließung mit seiner Pflegerin betreffen. Dies sind die Bescheide vom 19.11.2003, 23.1.2004, 9.3.2004 und 4.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 26.1.2006, soweit der Beklagte darin die Bewilligung der erhöhten Pflegezulage (§ 35 Abs 2 Satz 1 BVG)im Hinblick auf die am 17.12.2003 erfolgte Eheschließung des Klägers ab 18.12.2003 wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse (§ 48 SGB X) - zunächst vorläufig und dann endgültig - aufgehoben und hinfort nur noch die pauschale Pflegezulage nach Stufe III weitergewährt hat.

29

Dieser Regelungsinhalt ergibt sich aus der Auslegung dieser Verwaltungsakte, der der revisionsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt, also auch dem Revisionsgericht obliegt (vgl BSGE 48, 56, 58 = SozR 2200 § 368a Nr 5 S 10; BSG SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14; BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11; BSG SozR 3-1200 § 42 Nr 8 S 26; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 17; BSGE 99, 284 = SozR 4-2400 § 15 Nr 6, RdNr 15; BSG SozR 4-5868 § 3 Nr 3 RdNr 19). Maßstab der Auslegung der Bescheide vom 19.11.2003, 23.1.2004, 9.3.2004 und 4.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.1.2006 ist der "Empfängerhorizont" eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB)erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl BSG SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14; BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11; BSG SozR 3-1200 § 42 Nr 8 S 26; BSGE 99, 284 = SozR 4-2400 § 15 Nr 6, RdNr 15; BSG SozR 4-5868 § 3 Nr 3 RdNr 19). Nach den gesamten Umständen des vorliegenden Falles konnte ein verständiger Beteiligter die vorgenannten Entscheidungen des Beklagten im Zusammenhang mit der Eheschließung des Klägers mit seiner Pflegerin nur so verstehen, dass der Beklagte die bestandskräftige Bewilligung der erhöhten Pflegezulage nach § 35 Abs 2 Satz 1 BVG als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung(hierzu etwa BSGE 91, 211, RdNr 8 = SozR 4-3100 § 35 Nr 2, RdNr 7) ab 18.12.2003 aufheben und damit die Höhe der Pflegezulage (Herabsetzung von der erhöhten auf die pauschale Pflegezulage nach Stufe III) neu feststellen wollte, weil nach seiner Auffassung die Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Pflegezulage durch die Eheschließung des Klägers am 17.12.2003 weggefallen waren.

30

Bereits das Schreiben vom 19.11.2003 enthält eine Regelung iS des § 31 SGB X. Ein verständiger Beteiligter konnte die Erklärung des Beklagten, er werde ab Januar 2004 die Zahlung der erhöhten Pflegezulage nach § 35 Abs 2 BVG einstellen und bis zur Neuentscheidung (nur noch) die pauschale Pflegezulage nach § 35 Abs 1 BVG gewähren, nur als verbindliche Entscheidung werten, mit der der Beklagte zugleich nach außen erkennbar zum Ausdruck gebracht hat, dass er den der Zahlung der erhöhten Pflegezulage zugrunde liegenden bestandskräftigen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ab Januar 2004 aufhebe. Darüber hinaus wird eine erneute Entscheidung über die Weitergewährung in Aussicht gestellt. Damit erhält die Aufhebungsentscheidung letztlich einen vorläufigen Charakter.

31

Dementsprechend ist das Schreiben des Klägers vom 19.12.2003 als Widerspruch iS des § 84 SGG zu werten, mit dem das Vorverfahren eingeleitet wurde(§ 83 SGG). Denn der Kläger hat mit seinem Einwand, der abgeschlossene Pflegearbeitsvertrag sei auch nach der Verheiratung in dem bestehenden Umfang gültig und fortzuführen, deutlich gemacht, dass er eine Fortzahlung der erhöhten Pflegezulage und damit eine Überprüfung der von der Verwaltung getroffenen Entscheidung anstrebt. Dies hat zur Folge, dass die nachfolgenden - die Entscheidung vom 19.11.2003 abändernden bzw umsetzenden - Bescheide vom 23.1.2004, 9.3.2004 und 4.11.2004 kraft Gesetzes Gegenstand des Vorverfahrens geworden sind (§ 86 SGG). Es ist deshalb unerheblich, dass der Kläger gegen den Bescheid vom 23.1.2004 entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung keinen gesonderten Widerspruch eingelegt hat.

32

Im Bescheid vom 23.1.2004 "über die Aufhebung des Bescheides vom 8.2.2002 und die Neufeststellung der Höhe der Pflegezulage" hat der Beklagte in den Gründen, wo er im einzelnen die Änderungen der Verhältnisse nach § 48 SGB X aufgeführt hat, unter Nr II.1.6 entschieden, dass "aufgrund Ihrer Eheschließung am 17.12.2003 die Vergütung entsprechend des Arbeitsvertrages vom 17.04.1997 bis zum 17.12.2003 nach § 35 Abs. 2 BVG erstattet wird" und "für die Zeit vom 18.-31.12.2003 die pauschale Pflegezulage in Höhe von 14/31 gewährt wird". Damit hat er in Abänderung der Entscheidung vom 19.11.2003 den der Zahlung der erhöhten Pflegezulage zugrunde liegenden bestandskräftigen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bereits mit Wirkung vom 18.12.2003 aufgehoben. Die endgültige Entscheidung über die Weitergewährung der erhöhten Pflegezulage ab 18.12.2003 hat er sich unter Nr II.1.7 - nach wie vor - in einem weiteren Bescheid vorbehalten.

33

In dem Bescheid vom 9.3.2004 ist ua in der Rubrik "Pflegezulage" ab Dezember 2003 nur die pauschale Pflegezulage in Höhe von 558 Euro als monatlich zustehender Versorgungsbezug ausgewiesen.

34

Die endgültige Entscheidung über die Weitergewährung der erhöhten Pflegezulage (Bestätigung der Aufhebungsentscheidung) hat der Beklagte am 4.11.2004 mit dem Verfügungssatz getroffen, "Ihr Antrag auf Weitergewährung der erhöhten Pflegezulage gem. § 35 Abs. 2 BVG nach dem 17.12.2003 wird abgelehnt" und dies damit begründet, dass "die angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage von zur Zeit 558 Euro nicht" überstiegen und deshalb "ab 18.12.2003 die Voraussetzungen für die Erhöhung der pauschalen Pflegezulage nach § 35 Abs. 2 Satz 1 BVG nicht mehr gegeben" seien.

35

Dass es sich bei dieser Abfolge von Verwaltungsakten letztlich um einen einheitlichen, nach § 48 SGB X zu beurteilenden Entscheidungsvorgang handelt, hat der Beklagte im Vorverfahren berücksichtigt, indem er zunächst eine Anhörung des Klägers nach § 24 Abs 1 SGB X nachgeholt(vgl § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X) und sodann den Widerspruchsbescheid vom 26.1.2006 noch einmal ausdrücklich auf § 48 SGB X gestützt hat.

36

2. Ob das LSG zutreffend entschieden hat, dass der Beklagte ermächtigt war, nach der Eheschließung des Klägers die Gewährung der erhöhten Pflegezulage (§ 35 Abs 2 Satz 1 BVG) wegen Änderung der Verhältnisse nach § 48 Abs 1 SGB X ab 18.12.2003 aufzuheben, diese Leistung also von diesem Zeitpunkt an zu entziehen, kann der erkennende Senat aufgrund der bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen.

37

           

Der insoweit als Rechtsgrundlage vorrangig zu prüfende § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X bestimmt:

        

"Soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben."

38

Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt demnach einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsakts und im Zeitpunkt der Überprüfung (also grundsätzlich bei Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung betreffend die Aufhebung) voraus (vgl etwa BSG SozR 4-5870 § 1 Nr 2 RdNr 15 mwN; hierzu auch Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 48 RdNr 4).

39

a) Ausgangspunkt der Prüfung sind die bei Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsakts maßgebenden Verhältnisse. Da der Beklagte davon ausgegangen ist, dass dem Kläger jedenfalls bis zur Eheschließung am 17.12.2003 die erhöhte Pflegezulage nach § 35 Abs 2 Satz 1 BVG zustand, wird das LSG als erstes festzustellen haben, welcher bestandskräftige Verwaltungsakt des Beklagten die für die Gewährung der erhöhten Pflegezulage bis zur Eheschließung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse geregelt hat. Denn für die Anwendung des § 48 Abs 1 SGB X ist auf den Regelungsgehalt desjenigen bestandskräftigen Verwaltungsakts als "Vergleichsbescheid" abzustellen, mit dem über die Voraussetzungen, hinsichtlich derer eine wesentliche Änderung eingetreten sein soll, letztmalig entschieden worden ist(vgl Steinwedel in Kasseler Kommentar, Stand 1. Oktober 2010, § 48 SGB X RdNr 16 mwN). Dies lässt sich nicht losgelöst von dem im konkreten Fall angewendeten materiellen Recht prüfen.

40

Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung der erhöhten Pflegezulage war vor der Eheschließung § 35 Abs 2 Satz 1 BVG(idF des Art 1 Nr 25 KOV-Strukturgesetz 1990 vom 23.3.1990 , geändert durch Art 9 Nr 12 Buchst b Pflege-Versicherungsgesetz vom 26.5.1994 ). Danach wurde die in § 35 Abs 1 BVG gesetzlich festgelegte pauschale Pflegezulage um den Mehrbetrag erhöht, wenn fremde Hilfe aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet wurde und die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage überstiegen(zur Struktur des § 35 BVG: BSGE 92, 42 RdNr 13 = SozR 4-3100 § 35 Nr 3 RdNr 19).

41

Zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "angemessenen Kosten" hat deshalb bei Anwendung des § 35 Abs 2 Satz 1 BVG eine individuelle Prüfung der tatsächlich erforderlichen Aufwendungen für fremde Wartung und Pflege zu erfolgen. Die für eine bezahlte Pflegekraft angemessenen Aufwendungen konnten deshalb weder einseitig durch Vertrag zwischen dem Beschädigten und der Pflegeperson, noch in pauschaler Weise und ohne hinreichende Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse festgelegt werden (vgl BSGE 65, 119, 122 = SozR 3100 § 35 Nr 21 S 75 f; BSG SozR 4-3100 § 35 Nr 1 RdNr 15). Maßgebend war vielmehr das Ausmaß der Hilfebedürftigkeit für die täglichen Verrichtungen (ohne allgemeine Hausarbeiten) je nach den besonderen Behinderungen des Beschädigten und die objektiv nach allgemeiner Erfahrung dafür notwendige Pflegetätigkeit. Im ersten Schritt war demgemäß die Art der Pflegetätigkeit und die dafür erforderliche Qualifikation der Pflegekraft zu prüfen. Im zweiten Schritt war die vergütungsmäßige Bewertung dieser Pflegetätigkeit anhand eines geeigneten Maßstabs vorzunehmen (vgl BSG SozR 4-3100 § 35 Nr 1 RdNr 15 f).

42

Das LSG hat die insoweit maßgeblichen Umstände dieses Falles nicht hinreichend festgestellt. Dem Bescheid vom 22.9.1997 lässt sich entnehmen, dass der Beklagte vorliegend eine individuelle Prüfung der vor der Eheschließung aufgrund des Arbeitsvertrages vom 17.4.1997 tatsächlich erforderlichen Aufwendungen für fremde Wartung und Pflege durchgeführt hat. Dabei war er hinsichtlich des Ausmaßes der Hilfebedürftigkeit, dh des zeitlichen Umfangs der Pflegetätigkeit, entsprechend dem Arbeitsvertrag von einer reinen Pflegezeit (tariflichen Arbeitszeit) von 40 Stunden wöchentlich sowie monatlich pauschal 69 Überstunden, die je zur Hälfte an Samstagen und Sonntagen geleistet wurden, ausgegangen. Als Maßstab für die vergütungsmäßige Bewertung hatte er ebenfalls entsprechend dem Arbeitsvertrag die Vergütungsgruppe 9 der AVR in der jeweils gültigen Fassung herangezogen. Dementsprechend hatte er die für die Pflegeleistungen aufgrund des Arbeitsvertrages entstehenden Kosten als angemessene Aufwendungen anerkannt und den die Pflegepauschale nach Stufe III übersteigenden Betrag als Erhöhungsbetrag festgesetzt. Den berufungsgerichtlichen Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, welche genauen Umstände dieser Verwaltungsentscheidung zugrunde lagen, ob diese Umstände bis zum 17.12.2003 fortbestanden haben und ob der Bescheid vom 22.9.1997 insoweit durch spätere Bescheide ersetzt worden ist.

43

b) Bezogen auf die noch nicht hinreichend geklärte Vergleichsgrundlage ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob und ggf inwieweit sich die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse durch die Eheschließung des Klägers mit seiner Pflegerin geändert haben, insbesondere, ob und ggf inwieweit sich dadurch die aufgrund des Arbeitsvertrages vom 17.4.1997 gegen eine Vergütung geschuldete und (bis dahin) tatsächlich erforderliche Pflegetätigkeit und damit auch die für die Erhöhung der Pflegezulage nach § 35 Abs 2 Satz 1 BVG maßgebenden "aufzuwendenden angemessenen Kosten" verringert haben.

44

Zunächst ist die Anwendung des § 35 Abs 2 BVG für die Zeit ab 18.12.2003 nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger und seine Pflegerin seit dem 17.12.2003 verheiratet sind. Das BSG hat bereits entschieden, dass sich aus § 35 Abs 2 Satz 1 und 2 BVG kein Verbot von Pflegearbeitsverträgen zwischen dem pflegebedürftigen Beschädigten und seinem pflegenden Ehegatten herleiten lässt. § 35 Abs 2 Satz 1 BVG eröffnet vielmehr ganz allgemein die Möglichkeit, die in Abs 1 genannten pauschalen Beträge der Pflegezulage zu erhöhen, wenn das Entgelt für arbeitsvertraglich geleistete Pflege diese Beträge überschreitet(BSG Urteil vom 4.2.1998 - B 9 V 28/96 R, SozR 3-3100 § 35 Nr 8 S 20). Voraussetzung ist jedoch immer das Vorliegen eines wirksamen Arbeitsvertrages. Gegen die Annahme eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses bestehen dann grundsätzlich keine Bedenken, wenn der Beschädigte seine Pflegekraft heiratet und diese ihre Pflegetätigkeit unter unveränderter Beibehaltung des Arbeitsvertrages fortsetzt. Denn hier legen schon die besonderen Umstände nahe, dass die Ehefrau die Pflegetätigkeit nicht allein wegen der sittlichen und gesetzlichen Beistandspflichten gegenüber dem pflegebedürftigen Ehepartner weiter ausübt (BSG aaO S 21 f). Dementsprechend haben Beklagter und LSG im vorliegenden Fall das Bestehen eines derartigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau bejaht.

45

Zwischen den Beteiligten ist allein die Höhe der vom Kläger dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten streitig. Diese Höhe hängt im Wesentlichen davon ab, in welchem zeitlichen Umfang die Pflegetätigkeit der Ehefrau dabei zu berücksichtigen ist. Der Beklagte und das LSG halten insoweit eine Herabsetzung des täglichen Zeitaufwandes von 8 auf 1,5 Stunden für angebracht. Dabei gehen sie von rechtlichen Erwägungen aus, die der erkennende Senat nicht in vollem Umfang teilt. Dadurch ergibt sich die Notwendigkeit einer ergänzenden Sachverhaltsaufklärung.

46

Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 4.12.1998 bereits darauf hingewiesen, dass die Kosten bei arbeitsvertraglich durch einen haushaltsangehörigen Ehegatten erbrachter Pflege regelmäßig nur in geringerer Höhe angemessen sein werden als beim Einsatz einer familienfremden Pflegekraft (BSG SozR 3-3100 § 35 Nr 8 S 23). Der vorliegende Fall gibt Veranlassung, insoweit genauere Maßstäbe zu entwickeln. Dabei sind die gegenseitigen ehelichen Unterhalts- und Beistandspflichten von Bedeutung.

47

Bei der in § 1353 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 BGB geregelten Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft, aus der als ein Kernbereich die gegenseitige eheliche Beistandspflicht - ua bei gesundheitlichen Störungen - hergeleitet wird(vgl hierzu Brudermüller in Palandt, 69. Aufl 2010, § 1353 RdNr 9; Roth in Münchener Kommentar BGB, Familienrecht I, 5. Aufl 2010, § 1353 RdNr 31; Voppel in Staudinger, BGB, 2007, § 1353 RdNr 53; Hahn in Bamberger/Roth, BGB, 2008, § 1353 RdNr 15),handelt es sich um eine Generalklausel. Der Inhalt der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft wird entsprechend dem heutigen Eheverständnis des bürgerlichen Rechts von den Eheleuten für ihre Ehe weitgehend durch einvernehmliche Regelungen selbst bestimmt. Das Maß des nach § 1353 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 BGB (üblicherweise) geschuldeten Beistands richtet sich im Rahmen des dem anderen Ehegatten Zumutbaren nach dessen Möglichkeiten(vgl Voppel, aaO, § 1353 RdNr 53; Hahn, aaO, § 1353 RdNr 15). Entscheidend sind deshalb letztlich die Umstände des Einzelfalls.

48

Dabei ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) die Pflege eines Schwerstbehinderten über das Maß hinausgeht, das im Rahmen der gegenseitigen Beistands- und Unterhaltspflicht der Ehegatten gem §§ 1353, 1360 BGB geschuldet wird (vgl BGH NJW 1995, 1486, 1488). Entgegen der Auffassung des LSG und des Beklagten werden auch Bereitschaftszeiten, die nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats "zeitlich und örtlich denselben Einsatz erfordern wie körperliche Hilfe" (vgl BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 1 RdNr 14 in Fortentwicklung von BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 12),üblicherweise nicht generell in Erfüllung einer ehelichen Beistandspflicht erbracht, denn die Aufenthaltsbeschränkung, die insoweit mit der erforderlichen (zeitlich vorgegebenen) Präsenz verbunden ist, kann das dem Ehegatten zumutbare Maß der Hilfe überschreiten. Die dafür aufzuwendenden Kosten können deshalb nicht von vornherein als unangemessen angesehen werden.

49

Anders sind die Kosten für zwischen einzelnen Hilfeleistungen (einschließlich Bereitschaftszeiten) liegende Zeitabschnitte zu beurteilen. Die von einer abhängig beschäftigten Pflegekraft zu erbringende Hilfeleistung wird nicht nur durch den zeitlichen Betreuungsaufwand als solchen, sondern auch durch die Zahl und die zeitliche Verteilung der notwendigen Verrichtungen (bzw Bereitschaften) mitbestimmt. Die abhängig beschäftigte Hilfsperson kann grundsätzlich nicht für einzelne Handreichungen herangezogen, sondern regelmäßig nur für zusammenhängende Zeitabschnitte beschäftigt werden (vgl BSGE 98, 1 = SozR 4-3100 § 35 Nr 4, RdNr 18). Insoweit erfasst dann ein mit einer fremden Pflegeperson geschlossener Pflegearbeitsvertrag notwendigerweise auch Zwischenzeiten, in denen keine Pflege stattfindet. Diese nicht durch Pflege, Wartung und pflegenahe Bereitschaft gebundene Zeit fällt bei einer arbeitsvertraglich durch einen haushaltsangehörigen Ehegatten erbrachten Hilfeleistung üblicherweise in den Kernbereich der Verpflichtung zur ehelichen Gemeinschaft, denn dazu gehört in der Regel das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft an einem von den Eheleuten gemeinsam gewählten Wohnsitz (vgl BGH NJW 1987, 1761, 1762 = FamRZ 1987, 572, 574; BGH NJW 1990, 1847, 1849 = FamRZ 1990, 492, 495; dazu auch Hahn, aaO, § 1353 RdNr 5; Brudermüller, aaO, § 1353 RdNr 6). Würden insoweit Kosten geltend gemacht, wären diese im Rahmen des § 35 Abs 2 BVG grundsätzlich als unangemessen anzusehen.

50

Hauswirtschaftliche Hilfeleistungen gehören - anders als bei der Pflegebedürftigkeit iS des § 14 SGB XI - nicht zum Pflegebedarf eines Hilflosen iS des § 35 Abs 1 BVG(vgl etwa BSG SozR 3-3100 § 35 Nr 6 S 10 ff; BSGE 90, 185, 186 = SozR 3-3100 § 35 Nr 12 S 31 f; BSG SozR 4-3100 § 35 Nr 1 RdNr 15). Soweit sie von einer fremden Pflegekraft während anfallender notwendiger Zwischenzeiten im Rahmen des Arbeitsvertrags erbracht werden, werden sie allerdings - wie alles, was in solche Zwischenzeiten fällt - von den angemessenen Kosten im Sinne des § 35 Abs 2 BVG erfasst. Dies gilt jedoch nicht bei einer pflegenden Ehefrau, soweit bei dieser die Einbeziehung von Zwischenzeiten in die "aufzuwendenden angemessenen Kosten" ausscheidet.

51

Da das LSG bei den von ihm als angemessen angesehenen Kosten nur Pflegeverrichtungen, nicht jedoch erforderliche Bereitschaftszeiten berücksichtigt hat, fehlt es auch in diesem Zusammenhang an berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen.

52

3. Die nach alledem erforderlichen weiteren Ermittlungen können im Revisionsverfahren nicht erfolgen (vgl § 163 SGG). Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Bei der weiteren Behandlung des Falles wird das LSG ua Folgendes zu berücksichtigen haben:

53

Im Hinblick darauf, dass die Pflegerin bei der Eheschließung bereits 68 Jahre alt war, könnte Veranlassung bestehen, näher zu prüfen, ob die Hilfeleistungen ab dem 18.12.2003 tatsächlich weiterhin auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 17.4.1997 im Rahmen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses erbracht worden sind. Ein Indiz dafür könnte insbesondere die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen sein. Sollte das Bestehen eines wirksamen Arbeitsvertrages für die Zeit ab 18.12.2003 bejaht werden können, wäre die Höhe der dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats festzustellen.

54

Bei der Anwendung des § 48 Abs 1 SGB X wird ggf zu beachten sein, dass jedenfalls für die Zeit vom 18. bis 31.12.2003 durch den Bescheid vom 23.1.2004 eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung erfolgt ist. Ob der Kläger im Hinblick auf die mit Schreiben des Beklagten vom 19.11.2003 erst ab Januar 2004 erfolgte Entziehung der erhöhten Pflegezulage mit dieser Entscheidung rechnen musste (vgl § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X), erscheint fraglich.

55

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 30. Mai 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 40 ab Juli 2007 hat.

2

Nachdem das beklagte Land den im August 2001 gestellten Erstantrag des 1951 geborenen Klägers mit Bescheid vom 21.1.2002 abgelehnt hatte, weil der GdB weniger als 20 betrage, stellte es auf den Widerspruch des Klägers mit Abhilfebescheid vom 5.11.2002 einen GdB von 30 ab August 2001 fest. Als den GdB begründende Beeinträchtigungen berücksichtigte der Beklagte eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, Knorpelschäden der Kniegelenke, eine Funktionseinschränkung der Füße, eine Fettleber sowie eine Nierenfehlbildung links.

3

Auf den vom Kläger im Dezember 2004 angebrachten Änderungsantrag stellte der Beklagte einen GdB des Klägers von 40 ab Dezember 2004 fest (Bescheid vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005). In dem anschließenden, auf Feststellung eines GdB von 50 gerichteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Frankfurt/Oder - S 5 SB 2/06 - bewertete der gerichtliche Sachverständige Dr. B. in seinem chirurgisch-sozialmedizinischen Gutachten vom 21.12.2006 aufgrund der nachweisbaren funktionellen Beeinträchtigungen des Klägers den Gesamt-GdB mit 10.

4

Daraufhin hob der Beklagte ohne ausdrückliche Anhörung unter Hinweis auf § 24 Abs 2 Nr 2 SGB X (Eilbedürftigkeit) mit Bescheid vom 1.3.2007 den Bescheid vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 gemäß § 45 SGB X mit Wirkung für die Zukunft insoweit auf, als ein GdB von mehr als 30 festgestellt worden war. In der Begründung führte der Beklagte aus, die Bescheide vom 5.11.2002 und 10.3.2005 seien rechtswidrig, da mit ihnen ein GdB von 30 bzw 40 festgestellt worden sei. Gemäß § 69 Abs 1 S 5 SGB IX sei eine Feststellung nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliege. Tatsächlich hätten nur Beeinträchtigungen vorgelegen, die einen Gesamt-GdB von 10 begründen. Die Rücknahme des Bescheides vom 5.11.2002 komme wegen des Ablaufs der Frist gemäß § 45 Abs 3 SGB X nicht in Betracht. Der GdB könne nicht unter 30 abgesenkt werden. Der Bescheid werde gemäß § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Streitverfahrens.

5

Nachdem der Kläger während des Klageverfahrens im Juli 2007 wegen behaupteter Verschlimmerung beim Beklagten einen weiteren Änderungsantrag gestellt hatte, ordnete das SG auf Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 19.2.2008 ein Ruhen des Verfahrens an. Nach Einholung verschiedener Berichte der behandelnden Ärzte sowie Beiziehung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme, die einen GdB von 20 vorschlug, entschied der Beklagte mit Bescheid vom 2.2.2009, dass der Bescheid vom 10.3.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 in der Gestalt des Bescheides vom 1.3.2007 nicht geändert werde, weil die Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers weiterhin keinen höheren GdB als 30 bedingten. Der Bescheid werde gemäß § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Streitverfahrens.

6

Nach Wiederaufnahme des Klageverfahrens - unter dem Az S 24 SB 31/09 - hat das SG von Amts wegen zunächst mehrere Befundberichte und danach ein Gutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Ba. vom 21.12.2011 eingeholt. Zusammenfassend hat die Sachverständige ausgeführt: Der im November 2002 festgestellte Gesamt-GdB von 30 sei aufgrund der seinerzeit vorliegenden Befunde (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, Knorpelschäden der Kniegelenke, Funktionseinschränkung der Füße, Fettleber, Nierenfehlbildung links) nicht nachvollziehbar. Seit November 2002 hätten die beim Kläger bestandenen Beschwerden zugenommen. Im Vordergrund des heutigen Beschwerdebildes (erstmals vom Kläger mit Schreiben vom 20.7.2007 angegeben) stünde das Bronchialasthma mit allergischer Rhinitis und Konjunktivitis. Hierfür sei ein GdB von 20 angemessen. Sie halte heute einen Gesamt-GdB von 30 für gerechtfertigt.

7

In der mündlichen Verhandlung des SG am 30.5.2012 hat die Vorsitzende darauf hingewiesen, dass der Bescheid des Beklagten vom 1.3.2007 bezüglich der Rücknahme des Bescheides vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 rechtmäßig sei. Der Kläger hat daraufhin beantragt,

        

den Bescheid vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 in der Fassung des Rücknahmebescheides vom 1.3.2007 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, seinen Bescheid vom 21.1.2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5.11.2002 dahingehend zu ändern, dass bei ihm (dem Kläger) ab 10.7.2007 ein GdB von 40 festgestellt wird.

8

Mit Urteil vom selben Tag (30.5.2012) hat das SG dem Klageantrag entsprochen. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt:

9

Die zulässige Klage sei begründet. Gegenstand des Verfahrens seien der Bescheid vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 und der Rücknahmebescheid vom 1.3.2007. Der Bescheid des Beklagten vom 2.2.2009 sei hingegen nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, da er keinen streitgegenständlichen Bescheid ändere oder ersetze. Zu Unrecht habe der Beklagte die Aufhebung des Bescheides vom 5.11.2002 mit Wirkung für die Zukunft abgelehnt. Denn in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers, die zum Zeitpunkt der Erteilung dieses Bescheides vorgelegen hätten, sei eine Änderung eingetreten, die die Erhöhung des GdB rechtfertige. Die gemäß § 48 SGB X vorzunehmende Prüfung beschränke sich darauf, ob in der Höhe des mit Bescheid vom 5.11.2002 festgestellten Gesamt-GdB (von 30) eine Änderung in der Gestalt eingetreten sei, dass die im Gesundheitszustand des Klägers seither eingetretenen Verschlimmerungen diesen GdB um mindestens 10 erhöhten. Das sei nach Überzeugung der Kammer der Fall. Dem Bescheid vom 5.11.2002 hätten für die Feststellung eines GdB von 30 eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, Knorpelschäden der Kniegelenke und eine Funktionseinschränkung der Füße, eine Fettleber und Nierenfehlbildung zugrunde gelegen.

10

Soweit der Beklagte mit Bescheid vom 10.3.2005 beim Kläger ab Dezember 2004 einen GdB von 40 festgestellt habe, sei dieser Bescheid von Anbeginn rechtswidrig, sodass ihn der Beklagte während des laufenden Klageverfahrens zu Recht mit Bescheid vom 1.3.2007 aufgehoben habe. Der Bescheid des Beklagten vom 1.3.2007 werde auch vom Kläger nicht beanstandet.

11

Hiervon ausgehend habe das Gericht zu prüfen, ob seit Feststellung eines GdB von 30 mit Bescheid vom 5.11.2002 möglicherweise zu einem Zeitpunkt nach Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 eine Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten sei, die die Erhöhung des GdB rechtfertige. Das sei der Fall, denn beim Kläger sei ein Bronchialasthma hinzugetreten, dessen Auswirkungen in jedem Fall zur Erhöhung des Gesamt-GdB führen müsse. Dies ergebe sich insbesondere aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der Sachverständigen Dr. Ba.

12

Die Bewertung dieser Gesundheitsstörung durch die Sachverständige mit einem Einzel-GdB von 20 sei auch angesichts der Nr 26.8 der hier noch zu berücksichtigenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) angemessen.

13

Der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, diese ab Juli 2007 durch Hinzutreten der Lungenerkrankung nachweisbare Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers unberücksichtigt zu lassen, um den nicht mehr rücknehmbaren Bescheid vom "20.2.2002" (gemeint 5.11.2002) zu korrigieren. Zumindest dann, wenn das ehemals festgestellte Ausmaß einer einzigen Gesundheitsstörung das alleinige tragende Element der Gesamt-GdB-Feststellung gewesen sei, rechtfertige dies nicht, eine "stille Abschmelzung" in dem Sinne vorzunehmen, dass weitere, neu hinzugetretene Gesundheitsstörungen solange nicht berücksichtigt würden, bis das nun für gerechtfertigt erachtete Ausmaß der Beeinträchtigung dem seiner Zeit festgestellten Gesamt-GdB entspreche.

14

Zunächst sei festzustellen, dass die in § 45 Abs 3 S 1 und Abs 4 SGB X geregelte Frist für eine Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Bescheides vom "21.1.2002" (gemeint 5.11.2002) bereits abgelaufen sei. Soweit nunmehr zu prüfen sei, ob aufgrund des Eintritts einer vom Kläger geltend gemachten wesentlichen Änderung durch Hinzutreten einer Lungenerkrankung dieser Bescheid mit Wirkung für die Zukunft, nämlich ab 10.7.2007 aufzuheben sei, habe das Gericht festzustellen, inwieweit sich eine Änderung ergeben habe. Ausgehend von dem ursprünglich zu hoch festgesetzten Gesamt-GdB sei demnach trotz der Rechtswidrigkeit der GdB in dem Ausmaß zu erhöhen, in dem sich tatsächlich eine Änderung im Gesundheitszustand eingestellt habe. Etwas anderes würde sich allein dann ergeben, wenn der Beklagte einen auf § 48 Abs 3 SGB X basierenden "Abschmelzungsbescheid" erteilt hätte, was hier nicht geschehen sei. Dass § 48 Abs 3 SGB X auch für Feststellungen zur Höhe des GdB gelte, habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits in seinem Urteil vom 19.9.2000 - B 9 SB 3/00 R entschieden.

15

Mit Beschluss vom 24.10.2012, zugestellt am 5.11.2012, hat das SG die Sprungrevision gegen das Urteil vom 30.5.2012 zugelassen.

16

Am 15.11.2012 hat der Beklagte beim BSG Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 48 Abs 3 SGB X. Entgegen der Auffassung des SG finde § 48 Abs 3 SGB X auf die Feststellung des GdB im Schwerbehindertenrecht nur entsprechend in dem Sinne Anwendung, dass die Verwaltung insofern auch ohne ausdrückliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts nach § 48 Abs 3 SGB X berechtigt und verpflichtet sei, bei einer nachträglichen Änderung der bei Erlass der rechtswidrigen, bestandskräftig gewordenen Entscheidung zur Höhe des GdB maßgebend gewesenen Verhältnisse, den nunmehr tatsächlich vorliegenden GdB festzustellen. Dies ergebe sich insbesondere aus § 69 Abs 1 S 3 SGB IX, wonach die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt würden. Er - der Beklagte - gehe davon aus, dass es mit dieser Vorschrift grundsätzlich unvereinbar sei, einen GdB festzustellen oder zu belassen, der die vorliegenden Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft übersteige.

17

Das BSG habe in dem durch das SG angeführten Urteil vom 19.9.2000 - B 9 SB 3/00 R - im Hinblick auf die Berücksichtigung eines fehlerhaft festgestellten GdB bei der Ermittlung des neuen, aufgrund des Hinzutritts eines Leidens zu beurteilenden Gesamt-GdB unter anderem ausgeführt, dass es sich bei einer derartigen Neufestsetzung im Rahmen einer auf § 48 Abs 1 SGB X gestützten Aufhebung wegen einer Änderung der Verhältnisse zugunsten des Betroffenen nicht um eine reine Hochrechnung des im alten Bescheid festgestellten Gesamt-GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Leiden handele. An anderer Stelle weise das BSG im gleichen Urteil darauf hin, dass das Gesetz die Möglichkeit der Korrektur eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung jedenfalls ausdrücklich nur mit dem in § 48 Abs 3 SGB X geregelten Verfahren bereitstelle. Das BSG beziehe sich dabei auf die Entscheidung vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 -, in der das BSG ebenfalls bereits auf die entsprechende Anwendung von § 48 Abs 3 SGB X auch im Schwerbehindertenrecht verwiesen habe.

18

Keine Aussage finde sich in den genannten Urteilen des BSG zu der Frage, ob die Feststellung des tatsächlich vorliegenden GdB in entsprechender Anwendung von § 48 Abs 3 SGB X einen ausdrücklich auf dieser Vorschrift basierenden Abschmelzungsbescheid voraussetze. Die Antwort auf diese Rechtsfrage ergebe sich nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz. Sie stehe auch praktisch nicht außer Zweifel. Allerdings werde die Auffassung des SG, wie von diesem ausgeführt, auch durch das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8.9.2004 - L 10 SB 82/03 - vertreten.

19

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Frankfurt/Oder vom 30. Mai 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

20

Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

21

Er schließt sich dem angefochtenen Urteil an.

22

Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 3.4.2013 darauf hingewiesen, dass der Bescheid des Beklagten vom 1.3.2007 den Satz enthält: "Die Bescheide vom 05.11.2002 sowie vom 10.03.2005 sind rechtswidrig, da mit ihnen ein GdB von 30 bzw. 40 festgestellt wurde."

Entscheidungsgründe

23

Die Revision des Beklagten ist zulässig. Sie ist aufgrund ihrer Zulassung durch den Beschluss des SG vom 24.10.2012 statthaft und vom Beklagten form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Revisionsbegründung genügt zudem inhaltlich den Anforderungen gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG.

24

Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das SG begründet.

25

Der Sachentscheidung durch das Revisionsgericht stehen keine Hindernisse entgegen. Insbesondere ist die Klage zulässig. Sie ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 SGG statthaft(s BSG SozR 3-3870 § 3 Nr 9 S 21 f; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 11). Sie richtet sich gegen den Bescheid vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 und weiter in der Fassung des Bescheides vom 1.3.2007. Soweit der Beklagte mit dem Bescheid vom 1.3.2007 den Bescheid vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben hat, als darin ein GdB von mehr als 30 zuerkannt war, hat der Kläger nach dem Hinweis des SG in der mündlichen Verhandlung die ursprünglich auch dagegen gerichtete Klage nicht weiter aufrechterhalten, denn er hat seinen Klageantrag danach nur noch auf eine "teilweise" Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte und auf die Verurteilung des Beklagten zur Änderung des Bescheides vom 5.11.2002 dahin gerichtet, dass der GdB ab 10.7.2007 (wieder) mit 40 festzustellen sei.

26

Gegenstand der Klage ist danach ein Anspruch auf Feststellung des GdB mit 40 ab Juli 2007 aufgrund einer Veränderung (Verschlimmerung) desjenigen Gesundheitszustandes, der dem Bescheid vom 5.11.2002 zugrunde gelegen hat. Diesem Anspruch steht der Bescheid des Beklagten vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 und weiter in der Fassung des Bescheides vom 1.3.2007 entgegen, sodass der Kläger iS des § 54 Abs 1 S 2 SGG beschwert ist.

27

Soweit der Beklagte auf den Änderungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 2.2.2009 entschieden hat, dass der Bescheid vom 10.3.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 und des Bescheides vom 1.3.2007 nicht geändert werde, ist dieser Verwaltungsakt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Denn er enthält gerade keine Änderung oder Ersetzung der bereits angefochtenen Verwaltungsakte. Zwar wäre er wohl nach der zu § 96 SGG in der bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung ergangenen Rechtsprechung des BSG als Gegenstand des Klageverfahrens anzusehen gewesen; dies gilt jedoch nicht nach der zum 1.4.2008 erfolgten Einschränkung der Anwendbarkeit ("nur dann") der Vorschrift (vgl BSG Beschluss vom 30.9.2009 - B 9 SB 19/09 B - juris).

28

Unabhängig davon hindert es der Bescheid vom 2.2.2009 nicht, den Beklagten auf die gegen die Bescheide vom 10.3.2005 und 1.3.2007 gerichtete Anfechtungs- und Verpflichtungsklage wegen einer im Juli 2007 eingetretenen Änderung der Verhältnisse zur Feststellung eines höheren GdB zu verurteilen. Der Bescheid vom 2.2.2009 entfaltet insoweit keine Sperrwirkung. Seine Erteilung war entbehrlich, weil der im Juli 2007 gestellte Änderungsantrag des Klägers wegen des anhängigen Klageverfahrens nicht erforderlich war. Denn das Tatsachengericht hat bei einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich alle bis zum Zeitpunkt seiner Entscheidung eintretenden entscheidungsrelevanten neuen Tatsachen zu berücksichtigen (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 34 mwN). Dies gilt auch hinsichtlich der Feststellung des GdB nach dem Schwerbehindertenrecht. Daran ändert ein zwischenzeitlich ergangener Verwaltungsakt nichts, der einen Neufeststellungsantrag ablehnt. Anders verhält es sich allerdings dann, wenn der Kläger sein Klagebegehren daraufhin zeitlich begrenzt. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

29

Ob die angefochtenen Bescheide vom 10.3.2005 und 1.3.2007 rechtswidrig sind, weil der Kläger eine Erhöhung des GdB auf 40 ab Juli 2007 beanspruchen kann, vermag der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Hierzu bedarf es weiterer Tatsachenfeststellungen des SG. Entgegen der Auffassung des SG hat der Kläger nicht schon deswegen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 40, weil der mit Bescheid vom 5.11.2002 bindend festgestellte GdB von 30 infolge des im Juli 2007 hinzugekommenen Lungenleidens entsprechend zu erhöhen wäre.

30

Grundlage für die beanspruchte teilweise Aufhebung des Bescheides vom 5.11.2002 mit Wirkung ab Juli 2007 ist § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (eingehend hierzu für das Schwerbehindertenrecht BSG Urteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 5/95 - BSGE 79, 223, 225 = SozR 3-1300 § 48 Nr 57). Von einer solchen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl BSG Urteil vom 11.11.2004 - B 9 SB 1/03 R - juris RdNr 12). Das Hinzutreten weiterer Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 bleibt allerdings regelmäßig ohne Auswirkung auf den Gesamt-GdB (BSG Urteil vom 24.6.1998 - B 9 SB 18/97 - juris). Gemäß § 48 Abs 1 S 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt(§ 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X).

31

Bei dem Bescheid vom 5.11.2002 über die Feststellung eines GdB von 30 nach dem Schwerbehindertenrecht handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 69 SGB IX RdNr 10; stRspr des BSG s Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - BSGE 60, 287 = SozR 1300 § 48 Nr 29; Urteil vom 19.9.2000 - B 9 SB 3/00 R - BSGE 87, 126 = SozR 3-1300 § 45 Nr 43; BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2 und BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9). In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, ist nach den Feststellungen des SG eine Änderung eingetreten. Denn der Kläger ist seit Juli 2007 zusätzlich und dauerhaft an einem Lungenleiden erkrankt, und dieses ist mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Die insoweit vom SG festgestellten Tatsachen, die gemäß § 161 Abs 4 SGG im Rahmen der Sprungrevision nicht angegriffen werden können, werden vom Beklagten als solche nicht in Zweifel gezogen. Ob diese Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen rechtlich wesentlich iS des § 48 Abs 1 SGB X ist, kann der Senat derzeit nicht beurteilen.

32

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist zunächst rechtlich davon auszugehen, dass mit dem Bescheid vom 5.11.2002 ein Gesamt-GdB von 30 auf Dauer festgestellt worden ist. Hieran ist auch der Beklagte gebunden, und zwar innerhalb des durch § 39 SGB X und § 77 SGG gesetzten Rahmens in seiner Eigenschaft als Träger des Verwaltungsverfahrens(von Wulffen in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 12 RdNr 4) und als zuständige Stelle für den Erlass des Verwaltungsakts. Das bedeutet, dass die Regelung des Verwaltungsakts für die erlassende Behörde und die Beteiligten iS des § 12 SGB X grundsätzlich verbindlich ist(Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, vor § 39 RdNr 3 mwN). § 39 Abs 2 SGB X bestimmt, dass ein - gemäß § 39 Abs 1 SGB X wirksam erlassener - Verwaltungsakt wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Nach § 77 SGG ist, wenn der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird, der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist (materielle Bestandskraft). Gerade wegen der Schutzwirkungen, die sich aus der Bindungswirkung für die von dem Verwaltungsakt betroffenen Person ergeben, muss die den Verwaltungsakt erlassende Stelle ebenfalls daran gebunden sein.

33

Vorschriften, die die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts (materielle Bestandskraft) iS des § 77 SGG durchbrechen ("soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist"), enthält das SGB X im 2. Titel des 3. Abschnitts ("Bestandskraft des Verwaltungsaktes"). Diese sehen die Rücknahme (§§ 44, 45), den Widerruf (§§ 46, 47) und die Aufhebung (§ 48) eines Verwaltungsaktes vor (s auch § 39 Abs 2 SGB X). Hinzu kommen vereinzelte speziell auf Verwaltungsakte ausgerichtete Vorschriften in anderen Gesetzen, wie zB § 60 Abs 4 Bundesversorgungsgesetz, die hier jedoch nicht einschlägig sind.

34

§ 69 SGB IX, der durchaus auch verfahrensrechtliche Regelungen über die Feststellung der Behinderung und die Ausstellung der Ausweise enthält (zB das jeweilige Antragserfordernis), trifft indes keinerlei verfahrensrechtliche Bestimmungen über die Rücknahme, den Widerruf oder die Aufhebung der in § 69 Abs 1 S 1 SGB IX vorgeschriebenen Feststellungen über das Vorliegen einer Behinderung und des GdB. Er lässt auch nicht erkennen, dass er die Regelungen im SGB X ganz oder teilweise verdrängt.

35

Speziell zum Verwaltungsakt über die Feststellung des GdB und zu dessen Bindungswirkung bei späterem Hinzutreten einer dauerhaften Gesundheitsstörung (Behinderung gemäß § 2 SGB IX) hat das BSG schon unter Geltung des Schwerbehindertengesetzes entschieden, dass eine ursprünglich unrichtige Entscheidung unter Beachtung ihrer Bestandskraft grundsätzlich nicht korrigiert werden darf, vielmehr hierbei die Vorschriften der §§ 48 und 45 SGB X maßgeblich sind(Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - BSGE 60, 287 = SozR 1300 § 48 Nr 29). Durch § 48 Abs 3 SGB X ist nach diesem Urteil die Verwaltung auch im Recht der sozialen Entschädigung und im Recht der Schwerbehinderten ermächtigt worden, anlässlich einer nachträglichen Änderung eines Teils der maßgebend gewesenen Verhältnisse möglicherweise bestandskräftig gewordene Feststellungen über Schädigungsfolgen oder Behinderungen und über ihre Auswirkungen mit der wirklichen Sachlage in Einklang zu bringen(BSGE 60, 287, 291 = SozR 1300 § 48 Nr 29 S 89). Mit Urteil vom 19.9.2000 (- B 9 SB 3/00 R - BSGE 87, 126 = SozR 3-1300 § 45 Nr 43)hat das BSG bekräftigt, dass ein Feststellungsbescheid, der rechtswidrigerweise den GdB zu hoch festgestellt hat, entweder nach § 45 SGB X - teilweise - zurückzunehmen ist, oder, wenn dies nicht mehr möglich ist, gemäß § 48 Abs 3 SGB X "abgeschmolzen" werden kann. Wird diese Möglichkeit der Abschmelzung nicht wahrgenommen, kann die unterbliebene Abschmelzung nicht bei einer zukünftigen Änderung der Verhältnisse nachgeholt werden (BSGE 87, 126, 130 = SozR 3-1300 § 45 Nr 43 S 146; s auch Steinwedel in Kasseler Komm, Stand Dezember 2012, § 48 SGB X RdNr 29 mwN).

36

Dem Beklagten ist zuzugeben, dass das BSG bisher nicht ausdrücklich entschieden hat, dass über die Abschmelzung eines überhöht festgestellten GdB gemäß oder entsprechend § 48 Abs 3 SGB X durch Verwaltungsakt zu entscheiden ist. Andererseits ist es offensichtlich, dass die nach § 48 Abs 3 SGB X gesetzlich erlaubten Rechtswirkungen im Einzelfall(s § 31 SGB X) durch Verwaltungsakt zu regeln sind. Dies ergibt sich zwingend aus der Rechtsnatur der Abschmelzung als Eingriff in einen durch Verwaltungsakt bindend zuerkannten Rechtszustand - hier die Höhe des festgestellten GdB. Für zu hoch berechnete Sozialleistungen ist schon seit der Entscheidung des BSG vom 22.6.1988 (- 9/9a RV 46/86 - BSGE 63, 266 = SozR 3642 § 9 Nr 3) geklärt, dass sie erst dann von der Erhöhung durch ein Anpassungsgesetz (als wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse) ausgespart werden dürfen, wenn durch Verwaltungsakt wirksam festgestellt ist, dass die ursprüngliche Leistungsbewilligung rechtswidrig ist. Was für eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse gilt, hat gleichermaßen auch für eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zu gelten. Ebenso besteht im Rahmen des § 48 Abs 1 SGB X kein Unterschied zwischen der rechtswidrigen Gewährung überhöhter Leistungen und der Feststellung eines zu hohen GdB.

37

Die Korrektur der Folgen eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 48 Abs 3 SGB X setzt mithin eine entsprechende ausdrückliche Verwaltungsentscheidung voraus. Die Vorschrift ist wegen der erforderlichen konstitutiven Feststellung durch die Verwaltung auch nicht eigenständig durch die Gerichte dergestalt anwendbar, dass diese eine Klage auf eine höhere Leistung oder auf Feststellung eines höheren GdB von sich aus unter Hinweis auf § 48 Abs 3 SGB X abweisen dürften(Steinwedel, aaO, RdNr 29 und 69). Dementsprechend darf die Verwaltung § 48 Abs 3 SGB X nicht stillschweigend ("freihändig") anwenden, sondern muss eine förmliche Entscheidung in Gestalt eines Verwaltungsaktes treffen, der seinerseits angefochten werden kann.

38

Konstitutiv für eine Entscheidung nach § 48 Abs 3 SGB X ist die durch Verwaltungsakt vorzunehmende Feststellung, dass und in welchem Umfang die ursprüngliche Bewilligung oder Feststellung rechtswidrig ist(Steinwedel, aaO, RdNr 67, 68 mwN; vgl insbesondere BSGE 63, 266 = SozR 3642 § 9 Nr 3; BSGE 94, 133 = SozR 4-3200 § 81 Nr 2, RdNr 7). Die Entscheidung über eine Ablehnung der Erhöhung der Leistung oder der Erhöhung des GdB kann - aus gegebenem Anlass - später getroffen werden.

39

Obwohl der Beklagte - zu Unrecht - die Auffassung vertritt, § 48 Abs 3 SGB X auch ohne die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ursprungsbescheides anwenden zu können, hat er eine entsprechende Entscheidung im angefochtenen Bescheid vom 1.3.2007 getroffen. Darin hat er nämlich wörtlich erklärt, dass die Bescheide vom 5.11.2002 und 10.3.2005 rechtswidrig seien, da mit ihnen ein GdB von 30 bzw 40 festgestellt worden sei und die bestehenden Beeinträchtigungen nur einen GdB von 10 rechtfertigten. Obwohl sich diese Erklärungen des Beklagten im Begründungsteil des Bescheides vom 1.3.2007 befinden, handelt es sich um eine Regelung iS des § 31 SGB X, denn der Beklagte wollte den Kläger verbindlich auf die Rechtswidrigkeit der im Bescheid vom 5.11.2002 getroffenen Feststellung des GdB auf 30 hinweisen. Zudem konnte der Kläger als Adressat des Bescheides vom 1.3.2007 die Regelungsabsicht des Beklagten auch eindeutig und ohne Weiteres erkennen. Es war klar, dass der Beklagte in Zukunft davon ausgehen wollte, dass der Bescheid vom 5.11.2002 rechtswidrig sei, soweit darin ein GdB festgestellt worden ist. Nach seiner Beurteilung lag beim Kläger nur ein GdB von 10 vor, der keine Feststellung nach § 69 SGB IX ermöglichte.

40

Diese im Bescheid vom 1.3.2007 enthaltene Feststellung ist vom Kläger in vollem Umfang angefochten worden und damit Gegenstand des Klageverfahrens. Insofern unterliegt es der gerichtlichen Entscheidung, ob der Beklagte zu Recht eine entsprechende Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 5.11.2002 angenommen hat. Da das SG von der Bindung des Bescheides vom 5.11.2002 hinsichtlich der Feststellung des GdB mit 30 ausgegangen ist, hat es zur zutreffenden Höhe des GdB zu diesem Zeitpunkt keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Auf diese Feststellungen kommt es hier an. Sofern nämlich der Verwaltungsakt des Beklagten über die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 5.11.2002 Bestand hat, ermöglicht er die Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X bei der Berücksichtigung der im Juli 2007 eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers in der Weise, dass die Feststellung eines GdB von 40 nur dann in Betracht käme, wenn dies nach der tatsächlichen Teilhabebeeinträchtigung des Klägers gerechtfertigt wäre.

41

Da dem Revisionsgericht die fehlenden Feststellungen nicht möglich sind (§ 163 SGG), muss die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen werden. Das SG wird bei seiner abschließenden Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muß, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 642, 916, 1 174, 1 524 oder 1 876 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I.

(2) Wird fremde Hilfe im Sinne des Absatzes 1 von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet und übersteigen die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wird die Pflegezulage um den übersteigenden Betrag erhöht. Leben Beschädigte mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft, ist die Pflegezulage so zu erhöhen, dass sie nur ein Viertel der von ihnen aufzuwendenden angemessenen Kosten aus der pauschalen Pflegezulage zu zahlen haben und ihnen mindestens die Hälfte der pauschalen Pflegezulage verbleibt. In Ausnahmefällen kann der verbleibende Anteil bis zum vollen Betrag der pauschalen Pflegezulage erhöht werden, wenn Ehegatten, Lebenspartner oder ein Elternteil von Pflegezulageempfängern mindestens der Stufe V neben den Dritten in außergewöhnlichem Umfang zusätzliche Hilfe leisten. Entstehen vorübergehend Kosten für fremde Hilfe, insbesondere infolge Krankheit der Pflegeperson, ist die Pflegezulage für jeweils höchstens sechs Wochen über Satz 2 hinaus so zu erhöhen, dass den Beschädigten die pauschale Pflegezulage in derselben Höhe wie vor der vorübergehenden Entstehung der Kosten verbleibt. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Elternteil nicht nur vorübergehend keine Pflegeleistungen erbringt; § 40a Abs. 3 Satz 3 gilt.

(3) Während einer stationären Behandlung wird die Pflegezulage nach den Absätzen 1 und 2 Empfängern von Pflegezulage nach den Stufen I und II bis zum Ende des ersten, den übrigen Empfängern von Pflegezulage bis zum Ablauf des zwölften auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt.

(4) Über den in Absatz 3 bestimmten Zeitpunkt hinaus wird die Pflegezulage während einer stationären Behandlung bis zum Ende des Kalendermonats vor der Entlassung nur weitergezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte erhalten ein Viertel der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder der Elternteil bis zum Beginn der stationären Behandlung zumindest einen Teil der Pflege wahrgenommen hat. Daneben wird die Pflegezulage in Höhe der Kosten weitergezahlt, die aufgrund eines Pflegevertrages entstehen, es sei denn, die Kosten hätten durch ein den Beschädigten bei Abwägung aller Umstände zuzumutendes Verhalten, insbesondere durch Kündigung des Pflegevertrages, vermieden werden können. Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III erhalten, soweit eine stärkere Beteiligung der schon bis zum Beginn der stationären Behandlung unentgeltlich tätigen Pflegeperson medizinisch erforderlich ist, abweichend von Satz 2 ausnahmsweise Pflegezulage bis zur vollen Höhe nach Absatz 1, in Fällen des Satzes 3 jedoch nicht über den nach Absatz 2 Satz 2 aus der pauschalen Pflegezulage verbleibenden Betrag hinaus.

(5) Tritt Hilflosigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gleichzeitig mit der Notwendigkeit stationärer Behandlung oder während einer stationären Behandlung ein, besteht für die Zeit vor dem Kalendermonat der Entlassung kein Anspruch auf Pflegezulage. Für diese Zeit wird eine Pflegebeihilfe gezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte, die mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten eine Pflegebeihilfe in Höhe eines Viertels der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I. Soweit eine stärkere Beteiligung der Ehegatten, Lebenspartner oder eines Elternteils oder die Beteiligung einer Person, die den Beschädigten nahesteht, an der Pflege medizinisch erforderlich ist, kann in begründeten Ausnahmefällen eine Pflegebeihilfe bis zur Höhe der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I gezahlt werden.

(6) Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege im Sinne des Absatzes 1 bedürfen, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht sichergestellt werden kann, die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege, soweit sie Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen. Jedoch ist den Beschädigten von ihren Versorgungsbezügen zur Bestreitung der sonstigen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und den Angehörigen ein Betrag mindestens in Höhe der Hinterbliebenenbezüge zu belassen, die ihnen zustehen würden, wenn Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben wären. Bei der Berechnung der Bezüge der Angehörigen ist auch das Einkommen der Beschädigten zu berücksichtigen, soweit es nicht ausnahmsweise für andere Zwecke, insbesondere die Erfüllung anderer Unterhaltspflichten, einzusetzen ist.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.

(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch

a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung,
b)
eine Kriegsgefangenschaft,
c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit,
d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist,
e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen,
f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.

(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.

(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muß, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 642, 916, 1 174, 1 524 oder 1 876 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I.

(2) Wird fremde Hilfe im Sinne des Absatzes 1 von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet und übersteigen die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wird die Pflegezulage um den übersteigenden Betrag erhöht. Leben Beschädigte mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft, ist die Pflegezulage so zu erhöhen, dass sie nur ein Viertel der von ihnen aufzuwendenden angemessenen Kosten aus der pauschalen Pflegezulage zu zahlen haben und ihnen mindestens die Hälfte der pauschalen Pflegezulage verbleibt. In Ausnahmefällen kann der verbleibende Anteil bis zum vollen Betrag der pauschalen Pflegezulage erhöht werden, wenn Ehegatten, Lebenspartner oder ein Elternteil von Pflegezulageempfängern mindestens der Stufe V neben den Dritten in außergewöhnlichem Umfang zusätzliche Hilfe leisten. Entstehen vorübergehend Kosten für fremde Hilfe, insbesondere infolge Krankheit der Pflegeperson, ist die Pflegezulage für jeweils höchstens sechs Wochen über Satz 2 hinaus so zu erhöhen, dass den Beschädigten die pauschale Pflegezulage in derselben Höhe wie vor der vorübergehenden Entstehung der Kosten verbleibt. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Elternteil nicht nur vorübergehend keine Pflegeleistungen erbringt; § 40a Abs. 3 Satz 3 gilt.

(3) Während einer stationären Behandlung wird die Pflegezulage nach den Absätzen 1 und 2 Empfängern von Pflegezulage nach den Stufen I und II bis zum Ende des ersten, den übrigen Empfängern von Pflegezulage bis zum Ablauf des zwölften auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt.

(4) Über den in Absatz 3 bestimmten Zeitpunkt hinaus wird die Pflegezulage während einer stationären Behandlung bis zum Ende des Kalendermonats vor der Entlassung nur weitergezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte erhalten ein Viertel der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder der Elternteil bis zum Beginn der stationären Behandlung zumindest einen Teil der Pflege wahrgenommen hat. Daneben wird die Pflegezulage in Höhe der Kosten weitergezahlt, die aufgrund eines Pflegevertrages entstehen, es sei denn, die Kosten hätten durch ein den Beschädigten bei Abwägung aller Umstände zuzumutendes Verhalten, insbesondere durch Kündigung des Pflegevertrages, vermieden werden können. Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III erhalten, soweit eine stärkere Beteiligung der schon bis zum Beginn der stationären Behandlung unentgeltlich tätigen Pflegeperson medizinisch erforderlich ist, abweichend von Satz 2 ausnahmsweise Pflegezulage bis zur vollen Höhe nach Absatz 1, in Fällen des Satzes 3 jedoch nicht über den nach Absatz 2 Satz 2 aus der pauschalen Pflegezulage verbleibenden Betrag hinaus.

(5) Tritt Hilflosigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gleichzeitig mit der Notwendigkeit stationärer Behandlung oder während einer stationären Behandlung ein, besteht für die Zeit vor dem Kalendermonat der Entlassung kein Anspruch auf Pflegezulage. Für diese Zeit wird eine Pflegebeihilfe gezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte, die mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten eine Pflegebeihilfe in Höhe eines Viertels der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I. Soweit eine stärkere Beteiligung der Ehegatten, Lebenspartner oder eines Elternteils oder die Beteiligung einer Person, die den Beschädigten nahesteht, an der Pflege medizinisch erforderlich ist, kann in begründeten Ausnahmefällen eine Pflegebeihilfe bis zur Höhe der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I gezahlt werden.

(6) Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege im Sinne des Absatzes 1 bedürfen, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht sichergestellt werden kann, die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege, soweit sie Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen. Jedoch ist den Beschädigten von ihren Versorgungsbezügen zur Bestreitung der sonstigen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und den Angehörigen ein Betrag mindestens in Höhe der Hinterbliebenenbezüge zu belassen, die ihnen zustehen würden, wenn Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben wären. Bei der Berechnung der Bezüge der Angehörigen ist auch das Einkommen der Beschädigten zu berücksichtigen, soweit es nicht ausnahmsweise für andere Zwecke, insbesondere die Erfüllung anderer Unterhaltspflichten, einzusetzen ist.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. August 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Streitig ist, ob bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens Bl (Blindheit) vorliegen.
Die am … 1963 geborene Klägerin ist nach eigenen Angaben gelernte Schneiderin, arbeitete zuletzt aber als Endkontrolleurin im Verlagswesen und stellte hier Formulare und schriftliche Unterlagen für den jeweiligen Kunden zusammen. Aufgrund eines 2010 erlittenen Bandscheibenvorfalles ist sie derzeit berentet. Sie stellte am 25.05.2010 einen Erstantrag nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Im Antragsformular gab sie u. a. als Gesundheitsstörung eine Sehschärfe von 10 % auf beiden Augen an. Auf Anfrage des Beklagten teilte der Hausarzt Dr. W. mit Schreiben vom 27.06.2010 mit, es liege bei der Klägerin seit der Kindheit eine schwere Myopie vor, die zu einer zunehmenden Sehbehinderung durch myopische Makuladegeneration führe. Beigefügt war der Befundbericht des Universitätsklinikums M. vom 25.02.2010, in dem über eine ambulante Vorstellung der Klägerin am 08.01.2010 mit dem Wunsch einer Verbesserung des Sehvermögens berichtet wurde. Gemessen wurde eine Sehschärfe rechts von 0,5 und links von 0,1. Die vorderen Augenabschnitte waren unauffällig. Am hinteren Pol fanden sich links mehr als rechts ausgeprägte Dehnungsherde sowie eine myopische Makuladegeneration. Außerdem wurde in dem Bericht ausgeführt, dass harte Kontaktlinsen gut vertragen würden und von einer Operation abgeraten worden sei, da es der Klägerin primär um eine Sehverbesserung gegangen sei, die hierdurch jedoch nicht hätte erreicht werden können.
Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme (Sehminderung Teil-GdB 50, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden Teil-GdB 20, Migräne Teil-GdB 10, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke Teil-GdB 10, Gesamt-GdB 60) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 17.08.2010 den Grad der Behinderung (GdB) mit 60 fest, lehnte aber u. a. die Feststellung des Merkzeichens Bl ab.
Am 08.09.2010 beantragte die Klägerin die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung der Merkzeichen G, B sowie RF. Auch hier gab die Klägerin im Antragsformular an, dass die „Sehsicht“ nur noch 10 % betrage. Als weitere Gesundheitsstörung benannte die Klägerin psychische Probleme.
Der Beklagte legte diesen Antrag als Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.08.2010 aus und holte bei dem Neurologen und Psychiater Dr. Z. den Befundschein vom 08.10.2010 ein. Dieser hielt aufgrund der von ihm diagnostizierten C6-Wurzelreizung rechts, des Bandscheibenvorfalls C5/6 rechts medio-lateral, zunehmender Minderung der Sehfähigkeit, depressiver Störung und somatoformer Störung aus nervenärztlicher Sicht einen GdB von 80 mit dem Merkzeichen B für angemessen.
Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme (Sehminderung Teil-GdB 50, seelische Störung Teil-GdB 40, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden Teil-GdB 20, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke Teil-GdB 10, Migräne Teil-GdB 10, Gesamt-GdB 80), stellte der Beklagte mit Teil-Abhilfebescheid vom 16.11.2010 den GdB mit 80 seit 25.05.2010 fest, lehnte hingegen die Anerkennung der Merkzeichen G, B und RF weiterhin ab.
Die Klägerin war mit dem Teil-Abhilfebescheid nicht einverstanden, bat um Erlass eines Widerspruchsbescheides und teilte am 17.12.2010 mit, sie benötige die Merkzeichen B, RF und Bl (Bl. 54 RS Behördenakten). Im Hinblick auf die von Dr. Z. angegebene Zunahme der Sehminderung holte der Beklagte bei dem Augenarzt O. den Befundschein vom 05.10.2010 ein, der darin mitteilte, am 03. und 08.09.2010 als Befund die Sehschärfen eB (eigene Brille) OD (oculus dexter = rechtes Auge) 0,2, OS (oculus sinister = linkes Auge) 0,2 sowie CL (Contaktlinsen) OD 0,2, OS 0,1 erhoben zu haben. Die vorderen Augenabschnitte seien beidseits reizfrei, brechende Medien klar und Contaktlinsen beidseits bene. Zu den hinteren Augenabschnitten wurde angegeben beidseits SSNE (schräger Sehnerveneintritt), myope Makuladegeneration sowie äquatoriale Degeneration. Hinsichtlich des Gesichtsfeldes (Perimetrie) wurde lediglich beim rechten Auge der Befund fehlender Skotome erhoben, zum linken Auge wurden keine Angaben gemacht. Außerdem legte die Klägerin den Befundbericht der Augenärztin E. vom 01.03.2011 zur Untersuchung vom 15.02.2011 vor, in dem ein Fernvisus mit Korrektur rechts 1/50 und links 1/50 angegeben wird. In der Goldmann-Perimetrie hätten sich beidseits allgemeine Einschränkungen gezeigt. Diagnostiziert wurde eine hochgradige Sehherabsetzung, eine Myopia magna beidseitig sowie eine myope Makuladegeneration beidseitig. In ihrer augenfachärztlichen Bescheinigung zur Gewährung von Blindenhilfe nach dem Landesblindengesetz bestätigte die Augenärztin E., dass die subjektiven Angaben mit dem objektiven Befund übereinstimmten und die medizinischen Voraussetzungen zur Erlangung der Blindenhilfe vorlägen, weil seit 15.02.2011 die Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 betrage.
Der Beklagte hat die Klägerin durch den Augenarzt Dr. B. begutachten lassen, der eine Vorstellung der Klägerin im Universitätsklinikum F. am 30.06.2011 veranlasste. Dort wurde die Sehschärfe beidseits mit „Fingerzählen“ umschrieben und beidseits eine trockene, links narbige Makuladegeneration bei hoher Myopie diagnostiziert. Außerdem wurden für beide Augen Gesichtsfeldeinschränkungen gemessen, wobei mit beiden Augen die Marken III/4, I/4, I/3 und I/2 erkannt wurden und am linken Auge ein Zentralskotom der Marke I/4 festgestellt wurde. Dr. B. teilte nach eigenen Untersuchungen am 05.05. und 19.07.2011 zur Vorgeschichte mit, die Klägerin sei schon lange hochgradig myop (ca. – 12,0), sei früher aber noch Auto ohne Gutachten gefahren, habe also mindestens noch über eine Sehschärfe von 0,7 verfügt, seit letztem Jahr bestehe eine starke Sehverschlechterung. Er setzte die Sehschärfe „Fingerzählen“ einer Sehminderung von < 1/50 (mit Fernbrille) gleich und beschrieb zum Gesichtsfeld beidseits eine deutliche Einengung für die Marke III/4, allerdings überlagert durch den mangelnden Myopieausgleich jenseits der 30° Glasrandbegrenzung und mit Hinweis darauf, dass die Klägerin keine Kontaktlinsen vertrage. Nach zentral werde beidseits die Marke I/3 erkannt und es bestehe kein sicheres Zentralskotom perimetrierbar. Die sehr schlechte Sehschärfe passe zu dem organischen Augenbefund mit beidseits ausgeprägter trockener AMD (Makuladegeneration). Erstaunlich gut werde auch nahe dem Zentrum die Gesichtsfeldmarke I/3 erkannt und an der Uni Augenklinik Freiburg sogar die Marke I/2. Es erscheine aber fast unmöglich, hier Diskrepanzen auszuräumen, da ein Visus-VEP bei derart niedrigen Sehschärfewerten keine verwertbare objektive Diskriminierung erlaube. Es bestehe Blindheit im Sinne des Gesetzes und der GdB betrage 100.
Der Beklagte holte sodann bei Prof Dr. R., Landesarzt für Sehbehinderte und Blinde in Baden-Württemberg, die Stellungnahme vom 18.09.2011 ein. Dieser wies darauf hin, dass dem Befundbericht der Augenärztin E. vom 01.03.2011 bei nur geringgradig eingeengten Außengrenzen in der Goldmann-Perimetrie ohne jegliches Zentralskotom die erhebliche weitere Sehverschlechterung bei unverändertem Befund am Augenhintergrund nicht entnommen werden könne. Auch die Untersuchung in der Universitäts-Augenklinik F. habe keine zentralen Ausfälle im Gesichtsfeld ergeben, sondern es sei im Gegenteil selbst eine sehr kleine Reizmarke (I/3) innerhalb von 10 bis 12 Grad erkannt worden. Schließlich habe die weitere Vorstellung bei Dr. B. ergeben, dass das Gesichtsfeld zentral erstaunlich unauffällig sei. Angesichts des recht plötzlichen Abfalls der Sehschärfe von 0,3 und 0,1 bzw. beidseits 0,2 im September und Oktober 2010 auf 1/50 und weniger im März 2011 bei bereits im Oktober 2010 angegebenen erheblichen Schwierigkeiten der Lebensführung falle vor allem auf, dass hierzu keine entsprechende Befundänderung beschrieben sei. Im Gegenteil seien die Gesichtsfeldbefunde gerade bezüglich des zentralen Gesichtsfeldes für eine so erhebliche Funktionseinschränkung untypisch. Korrekt sei, dass im Bereich der Grenzwerte der Blindheit auch ein spezielles VEP nur eine gewisse Aussagekraft habe und keineswegs eine sichere Sehschärfeneinschätzung erlaube. Es ergäben sich aus den Unterlagen allerdings doch erhebliche Zweifel, ob es wirklich zu einer Funktionsänderung gegenüber den Sehschärfewerten von 0,3 bis 0,1 gekommen sei. In diesem Bereich sei dann gegenüber den jetzt angegebenen Sehschärfewerten von deutlich unter 1/50 durchaus eine eindeutige Aussage mit objektiven Methoden denkbar. Er empfehle daher eine entsprechende gutachtliche Abklärung. Allein aufgrund der subjektiven Angaben halte er die Funktionsänderung nicht für ausreichend erklärt.
10 
Sodann beauftragte der Beklagte Prof. Dr. R. mit der entsprechenden augenärztlichen Begutachtung. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 15.11.2011 führte dieser in seinem Gutachten vom 12.01.2012 aus, dass die Klägerin an beiden Augen lediglich eine Sehschärfe von maximal 1/50 erkannt habe. Auch bei einem Simulationstest seien keine anderen Angaben gemacht worden, mit einer achtfachen Vergrößerung habe sie auch hier eine Sehschärfe von 0,05 erkannt. Demgegenüber seien in Übereinstimmung mit den früheren Untersuchungen bei der Goldmann-Perimetrie weitgehend freie Außengrenzen und kein nachweisbares Zentralskotom angegeben worden, selbst deutlich kleinere Reizmarken seien zentral erkannt worden. Hierzu passe auch, dass die Klägerin zwar mühsam, aber recht sicher in der Lage gewesen sei, beim Farbflecktest die Farbklötzchen anzuordnen. Dies sei bei einer Sehschärfe von 0,5/50 typischerweise nicht mehr möglich. Die elektrophysiologischen Untersuchungen hätten beim ERG einen völligen Normalbefund ergeben, wenn man die hochgradige Myopie berücksichtige. Das Muster-VEP habe ebenfalls eindeutige Reizantworten gezeigt. Insbesondere der Befund des VEP sei bei einer Sehschärfe von 1/50 oder weniger nicht zu erklären, sondern setze einen Visus von mindestens 0,1 zumindest am rechten Auge voraus, auch am linken Auge müsse ein Visus von mehr als 0,02 bestehen. Der morphologische Befund am Augenhintergrund zeige zwar deutliche Veränderungen im Bereich der Makula, die als Folgeveränderung der Kurzsichtigkeit zu erklären seien, eine wie subjektiv angegeben auf unter 1/50 reduzierte Sehschärfe sei durch diesen Befund jedoch nicht erklärt. Insgesamt bestünden bereits aufgrund der subjektiven Angaben zu Gesichtsfeld und Farbsehvermögen erhebliche Zweifel an einer der Blindheit gleich zu achtenden Sehschädigung, die objektiven elektrophysiologischen Befunde des VEP sicherten darüber hinaus eine Sehschärfe von mindestens 0,1. Ein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens Bl bestehe daher nicht.
11 
Nach nochmaliger Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme durch Dr. W. (hochgradige Sehbehinderung Teil-GdB 100, seelische Störung Teil-GdB 40, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden Teil-GdB 20, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke Teil-GdB 10, Migräne Teil-GdB 10, Gesamt-GdB 100) gab der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2012 dem Widerspruch insoweit statt, als der GdB seit 15.02.2011 mit 100 festgestellt und die Merkzeichen G, B, H und RF anerkannt wurden. In den Gründen des Widerspruchsbescheides wurde die Zuerkennung des Merkzeichens Bl in Auswertung des Gutachtens von Prof. Dr. R. versagt.
12 
Hiergegen hat die Klägerin am 09.02.2012 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und sich auf die Befundberichte der Augenärzte E. und die Ausführungen von Dr. B. berufen.
13 
Das SG hat Dr. B. als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Dieser hat in seinem Schreiben vom 23.04.2012 nochmals die am 05.05. und 19.07.2011 erhobenen Befunde genannt und ergänzend ausgeführt, dass aufgrund der von ihm erhobenen Befunde wegen der Diskrepanzen zwischen der sehr schlechten Sehschärfe und der erkannten Testmarken im Gesichtsfeld-Test keine sichere Beurteilung erfolgen könne, ob Blindheit im Sinne des Gesetzes vorliege. Außerdem hat das SG die Augenärztin E. als Zeugin schriftlich vernommen, die als letztmaligen Befund vom 14.02.2012 den Visus beidseits mit 1/50 sowie angegeben hat, dass neben der hochgradigen Sehminderung beider Augen mit Visus-Abfall auf 1/50 im Vergleich zur Untersuchung 2002 eine okuläre Hypertension zusätzlich festgestellt worden sei. Die hochgradige Sehminderung beruhe auf einer myopen Makuladegeneration.
14 
Das SG hat anschließend Prof. Dr. B. von Amts wegen mit der Erstattung eines augenärztlichen Gutachtens beauftragt. Die Klägerin hat das ärztliche Attest des Dr. Z. vom 22.10.2012 vorgelegt, wonach die Klägerin unter massiven Ängsten, Depressionen und schwerer Fehlsichtigkeit leide und aus nervenärztlicher Sicht aus psychischen Gründen nicht in der Lage sei, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum augenärztlichen Gutachter zu reisen. Sie sei ferner auf Begleitung angewiesen. Das Sozialgericht hat dem Antrag der Klägerin auf Übernahme der Taxikosten für die Fahrt nach Tübingen stattgegeben, jedoch die Auszahlung eines Vorschusses auf die Taxikosten abgelehnt.
15 
In Absprache mit dem Vorsitzenden hat die Sachverständige Prof. Dr. B. sodann das augenfachärztliche Gutachten vom 15.01.2013 nach Aktenlage erstattet, da eine erneute Untersuchung der Klägerin nicht notwendig sei, die gestellten Fragen vielmehr zweifelsfrei nach Aktenlage beantwortet werden könnten. Die Klägerin leide an beiden Augen an einer hohen Kurzsichtigkeit (Myopie) sowie am rechten Auge an trockenen Makulaveränderungen bei Kurzsichtigkeit (Veränderungen an der Stelle des schärfsten Sehens) und am linken Auge an einer atrophen Aderhautnarbe (Narbe in Netzhautmitte bei hoher Kurzsichtigkeit). Alle subjektiven Sehschärfenangaben der Klägerin könnten nicht verwertet werden, da die Klägerin eindeutig aggraviere. Somit könne nur im Wege objektiver Methoden die Sehschärfe ermittelt werden, was durch Prof. Dr. R. erfolgt sei. Das Ergebnis der objektiven elektrophysiologischen Untersuchungen sei eine Sehschärfe am rechten Auge mindestens 0,1 und am linken Auge von 0,02. In der Gesichtsfeld-Untersuchung hätten keine relevanten Gesichtsfeld-Einschränkungen oder zentralen Defekte bestanden. Der GdB im augenfachärztlichen Gebiet betrage 90. Die Klägerin sei definitiv nicht blind und es bestehe kein Anspruch auf das Merkzeichen Bl.
16 
Mit Urteil vom 14.08.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf die Ausführungen von Prof. Dr. R. sowie das Gutachten von Prof. Dr. B. berufen. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen weiteren Befundbericht der Augenärztin E. vom 11.07.2013 vorgelegt habe, enthalte dieser keine konkreten Angaben zum Visus.
17 
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 24.09.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 01.10.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass nicht Prof. Dr. B., sondern Dr. A. das Gutachten erstattet habe und dieses deshalb nicht hätte verwertet werden dürfen. Im Übrigen sei zwischenzeitlich eine erhebliche Verschlechterung ihrer Sehfähigkeit eingetreten.
18 
Die Klägerin beantragt,
19 
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. August 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, in Abänderung des Bescheides vom 17. August 2010 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 16. November 2010 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2012 ihr das Merkzeichen Bl zuzuerkennen,
hilfsweise sie erneut augenärztlich begutachten zu lassen.
20 
Der Beklagte beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Auf Anfrage des Senats hat der Vorsitzende der erkennenden Kammer des SG mitgeteilt, er habe zunächst ein Gutachten mit Untersuchung angefordert, dann aber, nachdem ihm von Seiten der bearbeitenden Ärztin mitgeteilt worden sei, dass eine Untersuchung im Hinblick auf die von Prof. Dr. R. erhobenen Befunde überflüssig sei, der Klinik fernmündlich freigestellt, ein Gutachten nach Aktenlage zu erstatten. Dies habe er in die mündliche Verhandlung eingeführt.
23 
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat bei Prof. Dr. M. das augenfachärztliche Gutachten vom 10.03.2014 eingeholt. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 25.02.2014 eine hochgradige Kurzsichtigkeit, Hornhautverkrümmung, kurzsichtigkeitsbedingte Dehnungsherde an der Stelle des schärfsten Sehens sowie eine Augeninnendruckerhöhung an beiden Augen und eine Linsentrübung des rechten Auges diagnostiziert. Bei der Klägerin bestehe wahrscheinlich seit kurzem bzw. jetzt Blindheit oder eine hochgradige Sehbehinderung im Sinne von Teil A, Nr. 6 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG), wobei einschränkend gesagt werden müsse, dass am rechten Auge eine eindeutige Ermüdungsspirale auslösbar gewesen sei und die Klägerin sich scheinbar sehr sicher im Raum bewege. Es sei wahrscheinlich, dass die Sehverschlechterung in den letzten Jahren seit den Untersuchungen von Prof. Dr. R. und Prof. Dr. B. zugenommen habe. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ein aggravierendes Verhalten zeige, d. h. versuche, die bereits bestehenden Veränderungen bzw. Einschränkungen ihrer Sehfähigkeit weiter zu verstärken. Er halte den Einfluss dieser Aggravation allerdings für gering.
24 
Der Senat hat bei Prof. Dr. R. das augenfachärztliche Gutachten nach Aktenlage vom 30.09.2014 zu der Frage eingeholt, ob aufgrund der im Gutachten von Prof. Dr. M. angegebenen Befunde bei der Klägerin Blindheit oder eine hochgradige Sehbehinderung nachgewiesen sei. Der Sachverständige hat keine wirklich eindeutige Änderung des morphologischen Befundes gesehen, sondern höchstens minimale Veränderungen zwischen den Untersuchungen am 15.11.2011 und 25.02.2014 festgestellt. Aus der fehlenden Reizantwort im Muster-VEP bei der Begutachtung durch Prof. Dr. M. könne nicht sicher auf eine Sehschärfe-Reduktion geschlossen werden. Hinsichtlich der Gesichtsfeldmessung seien zwei völlig unterschiedliche Befunde vorgelegt worden. Während in der einen Untersuchung mit einem Spiralgesichtsfeld am rechten Auge ein sicherer Hinweis auf eine Aggravation dokumentiert worden sei, sei bei einer weiteren Untersuchung lediglich eine deutliche Gesichtsfeldeinengung gefunden worden, wobei im Zentrum auch der kleinen Reizmarke I/4 keinerlei Ausfall festgestellt worden sei. Es sei nicht erklärbar, warum bei der Untersuchung des Gesichtsfeldes eine weitere konzentrische Einengung eingetreten sein solle, auch der nunmehr von der Klägerin angegebene zentrale Ausfall am linken Auge sei angesichts des seit November 2011 unveränderten zentralen Augenhintergrundbefundes nicht sicher erklärt. Prof. Dr. M. beurteile den Einfluss einer Aggravation zwar eher als gering. Da Blindheit jedoch nach der Rechtsprechung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, d. h. im Sinne eines Vollbeweises nachgewiesen sein müsse, seien die auch anlässlich der Untersuchung in Augsburg eindeutig nachgewiesenen Falschangaben ausreichend, um angesichts einer fehlenden Erklärung durch den morphologischen Befund auch Zweifel an den Angaben zur Sehschärfe zu haben. Er halte daher Blindheit unverändert nicht für ausreichend nachgewiesen. Angesichts der nunmehr nicht mehr ableitbaren Antworten im Muster-VEP nehme er allerdings durchaus eine gewisse weitere Verschlechterung an und gehe daher von einer hochgradigen Sehbehinderung und damit von einem GdB von 100 aus.
25 
Die Klägerin ist mit Schreiben vom 25.10.2014 den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. entgegengetreten. Ohne ihre persönliche Untersuchung könne eine Aggravation weder festgestellt noch behauptet werden. Auch Prof. Dr. B. habe sie, anders als Prof. Dr. M., nicht persönlich untersucht.
26 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die nach §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 17.08.2010 und Widerspruchsbescheid vom 20.01.2012 die Zuerkennung des Merkzeichens Bl abgelehnt und das SG die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Dabei geht der Senat ebenso wie das SG von der Zulässigkeit der Klage aus, obwohl die Klägerin gegen den Bescheid vom 17.08.2010 innerhalb der Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 1 SGG) keinen Widerspruch eingelegt hatte. Insoweit konnte der Beklagte den Änderungsantrag vom 08.09.2010 auch nicht als Widerspruch auslegen, da dieser gerade nicht auf Zuerkennung des mit Bescheid vom 17.08.2010 abgelehnten Merkzeichens Bl gerichtet war. Erst am 17.12.2010 hat die Klägerin mitgeteilt, sie benötige auch das Merkzeichen Bl. Da der Beklagte den Widerspruch jedoch nicht insoweit als unzulässig zurückgewiesen, sondern in der Sache über das Bestehen eines Anspruchs auf Zuerkennung des Merkzeichens Bl entschieden hat, steht die Versäumung der Widerspruchsfrist der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen (BSG, Urteil vom 12.10.1979 - 12 RK 19/78 -, SozR 2200 § 1422 Nr. 1).
28 
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 69 Abs. 4 SGB IX. Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung ist auf dem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen Bl einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch blind im Sinne des § 72 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder entsprechender Vorschriften ist. Der Begriff der Blindheit ist nicht legal definiert. Sie wird angenommen, wenn die Sehfähigkeit vollständig fehlt (Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 72 Rdnr. 4 m. w. N.; Grube/Wahrendorf/Grube, SGB XII, § 72 Rdnr. 4; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, § 72 Rdnr. 4). Nach § 72 Abs. 5 SGB XII stehen blinden Menschen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen. Die im Rahmen der Landesblindenhilfe in zahlreichen Landesgesetzen getroffenen Regelungen haben weitgehend diese Definitionen übernommen (vgl. z. B. § 1 Abs. 2 Sächs. LandesblindenG). Insoweit stimmt der Blindheitsbegriff in § 72 Abs. 5 SGB XII mit demjenigen nach Teil A Nr. 6 a) der Anlage zu § 2 der VG überein. In VG, Teil A, Nr. 6 b) wird auf die Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft Bezug genommen, wonach eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 (1/50) oder weniger gleich zusetzende Sehbehinderung bei folgenden Fallgruppen vorliegt:
29 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
30 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
31 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
32 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
33 
- bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,
34 
- bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,
35 
- bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.
36 
Außerdem wird in VG, Teil A, Nr. 6 c) geregelt, dass auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit) blind ist, nicht aber mit einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen. Nach st. Rspr. des Senats sind die VG hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche G, B, aG, Gl und Bl jedoch unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich - mit Ausnahme des Nachteilsausgleichs H - weder in § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) in der Fassung bis zum 30.06.2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 01.07.2011, noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (Urteile des Senats vom 09.06.2011 - L 6 SB 6140/09, vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09; Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 09.05.2011 - L 8 SB 2294/10, vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08, vom 24.09.2010 - L 8 SB 4533/09; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4). Für den vorliegenden Rechtsstreit ist allerdings zu berücksichtigen, dass die in VG, Teil A, Nr. 6b enthaltenen Verweise auf die Leitlinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft keine verbindliche Regelung enthalten, sondern lediglich auf den – ohnehin zu beachtenden – aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft Bezug nehmen. Insoweit sind die dort genannten Gleichsetzungen deshalb durchaus von rechtlicher Bedeutung. Dies gilt umso mehr als das BSG in seiner Entscheidung vom 20. Juli 2005 (B 9a BL 1/05 R) zu den insoweit wortgleichen Regelungen in den früher geltenden "Anhaltspunkten" klargestellt hat, dass es nur einen bundeseinheitlich geltenden Begriff der Blindheit gibt und für eine faktische Blindheit nicht nur die Beeinträchtigungen der Sehschärfe und die Einschränkung des Gesichtsfeldes, sondern vielmehr alle Störungen des Sehvermögens zu berücksichtigen sind, soweit sie in ihrem Schweregrad einer Beeinträchtigung auf 1/50 oder weniger gleich zu achten sind. Da im Falle der Klägerin eine visuelle Agnosie oder andere gnostische Störungen nicht diagnostiziert worden sind, kommt der Einschränkung nach VG, Teil A Nr. 6 c) vorliegend ohnehin keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
37 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe liegen bei der Klägerin die Voraussetzungen für das Merkzeichen Bl nicht vor.
38 
Ein vollständiger Verlust der Sehfähigkeit ist bei der Klägerin zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden. Ebenso wenig liegt ein vollständiger Ausfall der Sehrinde vor. Die Klägerin kann jedoch auch nicht einem Blinden gleichgestellt werden, denn weder kann eine Herabsetzung ihrer beidäugigen Gesamtsehschärfe auf 1/50 noch eine dem Schweregrad dieser Sehminderung gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störung des Sehvermögens (faktische Blindheit) festgestellt werden. Die Klägerin trägt jedoch die Beweislast für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen, mithin vorliegend für eine mit Blindheit gleichzusetzende Sehstörung. Diese muss im Vollbeweis gesichert sein. Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Zwar verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 128 Rdnr 3b m. w. N.), sodass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können. Verbleibende Restzweifel sind aber bei der Überzeugungsbildung nur dann unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (BSG, Urteil vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/09 R -; Urteil vom 17.04.2013 – B 9 V 3/12 R –, jeweils zit. n. juris).
39 
Vorliegend hat sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass die Klägerin an einer Herabsetzung ihrer Sehfähigkeit auf 1/50 oder einer dieser Sehminderung gleichzustellenden Sehstörung leidet.
40 
Hierbei stützt sich der Senat auf die urkundlich zu verwertenden Stellungnahmen des Landesblindenarztes Prof. Dr. R. im Verwaltungsverfahren sowie dessen gutachtlichen Ausführungen im Berufungsverfahren, die in Übereinstimmung stehen mit der schriftlichen Zeugenaussage des Dr. B., der ebenfalls eine sichere Beurteilung der Frage, ob bei der Klägerin Blindheit i. S. des Gesetzes vorliegt, nicht vorzunehmen vermochte, und den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. B. in ihrem von Amts wegen eingeholten Gutachten. Bedenken hinsichtlich der Verwertbarkeit dieses Gutachtens bestehen nicht. Seinen ursprünglichen Auftrag, die Begutachtung nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vorzunehmen, hat der Vorsitzende der erkennenden Kammer anschließend abgeändert und eine Untersuchung der Klägerin in das Ermessen der Sachverständigen gestellt. Die anschließend erfolgte Begutachtung nach Aktenlage bleibt somit nicht hinter dem Gutachtensauftrag zurück. Ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Gutachten durch die Fachärztin der Klinik Dr. A. abgefasst worden ist. Denn die beauftragte Sachverständige Prof. Dr. B. hat sich aufgrund eigener Überprüfung und Urteilsbildung mit diesem Gutachten einverstanden erklärt und es sich dadurch zu eigen gemacht. Nach § 118 SGG i. V. m. § 407a Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz Zivilprozessordnung (ZPO) ist es dem Sachverständigen erlaubt, sich zur Erledigung des Gutachtensauftrags anderer Personen - auch anderer Ärzte - zu bedienen. Seine uneingeschränkte persönliche Verantwortung für das Gutachten erklärt der beauftragte Sachverständige nämlich durch seine Unterschrift mit dem sinngemäßen Zusatz, er habe die Arbeit seines qualifizierten Mitarbeiters selbst nachvollzogen und sich zu Eigen gemacht, er sei auf Grund eigener Überzeugung und Urteilsbildung einverstanden (st. Rspr, vgl. z. B. BSG, Beschluss vom 15.07.2004 - B 9 V 24/03 B -, SozR 4-1750 § 407a Nr. 2, Beschluss vom 18.09.2003 - B 9 VU 2/03 B – zit. n. juris, m. w. N.). Erst wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit des weiteren Arztes gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine - das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden - Zentralaufgaben delegiert (vgl. BSG a. a. O.), ist die Grenze der erlaubten Mitarbeit überschritten und liegt ein unverwertbares Gutachten vor. Vorliegend wurde das Gutachten nach Aktenlage erstattet, einer persönlichen Untersuchung der Klägerin bedurfte es nicht, nachdem bereits Prof. Dr. R. anlässlich seiner Begutachtung am 15.11.2011 die Klägerin untersucht und die maßgeblichen Befunde erhoben hatte. Weder die Auswertung der aktenkundigen Befunde durch die Augenärztin Dr. A. noch die schriftliche Abfassung des Gutachtens gehören in jedem Fall zu den unverzichtbaren Kernaufgaben, die der Sachverständige selbst erledigen muss. Soweit sich nicht aus der Eigenart des Gutachtenthemas ergibt, dass für bestimmte Untersuchungen die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt wird, reicht es aus, wenn dieser die von Hilfskräften erhobenen Daten und Befunde nachvollzieht. Entscheidend ist, dass der Sachverständige die Schlussfolgerungen seines Mitarbeiters überprüft und durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für das Gutachten übernimmt (BSG, Beschluss vom 30.01.2006 – B 2 U 358/05 B – zit. n. juris, m. w. N.). Dass dies hier nicht geschehen ist, hat die Klägerin nicht dargelegt und ist auch nicht von Amts wegen ersichtlich. Weder das SG noch der Senat mussten sich gedrängt sehen, die seitens der Klägervertreterin formulierten Beweisfragen der Sachverständigen zur Beantwortung vorzulegen. Inhaltlich ging es hierbei nämlich nicht um eine weitere Sachaufklärung, sondern um die Kritik an der erfolgten Begutachtung nach Aktenlage und den medizinischen Einschätzungen des Prof. Dr. R., denen sich die Sachverständige Prof. Dr. B. angeschlossen hat. Letztlich hatte die Sachverständige mit ihren Ausführungen im Gutachten die nachträglich gestellten Beweisfragen bereits beantwortet, einer nochmaligen Bestätigung durch die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme bedurfte es nicht.
41 
Dass eine Blindheit der Klägerin nicht im Vollbeweis gesichert ist, ergibt sich vorliegend daraus, dass zum einen noch im Jahr 2010 ihr Sehvermögen auf beiden Augen weit besser war als 1/50 bei fehlenden Nachweisen von relevanten Gesichtsfeldeinschränkungen, zum anderen Befundveränderungen, die eine Verminderung des Sehvermögens auf 1/50 oder weniger im Folgezeitraum belegen könnten, nicht erwiesen sind und verschiedene weitere Indizien darauf hindeuten, dass die Klägerin bei der mitarbeitsabhängigen (subjektiven) Sehschärfenbestimmung aggravierende Angaben gemacht hat, sodass hierauf die Annahme der Blindheit nicht gestützt werden kann.
42 
Ausweislich des Befundberichtes des Universitätsklinikums M. besaß die Klägerin bei der ambulanten Vorstellung dort am 08.01.2010 eine Sehschärfe rechts von 0,5 und links von 0,1 und war damit zu diesem Zeitpunkt weit entfernt von einer Blindheit i. S. des Gesetzes. Die damaligen Messungen hält der Senat für höchst aussagekräftig und verlässlich, denn Anlass der Untersuchungen war damals nicht die Feststellung einer fraglichen Blindheit, sondern eine von der Klägerin in Betracht gezogene Augenoperation zur Verbesserung der Sehfähigkeit. Hier lag es also im ureigenen Interesse der Klägerin, möglichst genaue, dem tatsächlichen Sehvermögen entsprechende Erkenntnisse zu erlangen, da hiervon Sinn und Tragweite einer Korrektur abhingen. Auch acht Monate später hat der Augenarzt O. mit einem beidäugigen Visus von 0,2 einen nach wie vor weit besseren Befund erhoben als es für die Annahme einer Blindheit erforderlich wäre. Auch wenn dieser Befund bzgl. des rechten Auges eine Verschlechterung bedeutete, war das Sehvermögen des linken Auges sogar verbessert. Selbst wenn es sich hier um subjektive, d. h. mitarbeitsabhängige Angaben gehandelt hat, spricht die Tatsache, dass zwei Messungen im Abstand von fünf Tagen (03. und 08.09.2010) gleichbleibende Werte ergaben, doch für eine gewisse Objektivität, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits das Verfahren auf Feststellung des GdB eingeleitet und am 08.09.2010 einen Erhöhungsantrag gestellt hatte.
43 
Soweit sodann ca. fünf Monate später die Augenärztin E. einen Fernvisus mit Korrektur beidseits mit 1/50 und die Universitätsklinik F. die Sehschärfe am 30.06.2011 beidseits mit „Fingerzählen“ sowie Dr. B. wiederum die Sehminderung mit < 1/50 angegeben haben, beruhen all diese Befunde ausschließlich auf den Angaben der Klägerin zu ihrer Sehfähigkeit. Diese sind vorliegend jedoch nicht hinreichend verlässlich, als dass allein hieraus auf eine tatsächliche Sehminderung in diesem Umfang geschlossen werden könnte.
44 
Dies folgt zum einen aus dem Umstand, dass eine Verschlechterung des Sehvermögens weder in diesem Zeitraum noch in der nachfolgenden Zeit bis zur gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. M. mit einer objekivierbaren Änderung der Augenerkrankung einhergeht. Wenn aber sich augenärztliche Befunde im Rahmen eines Gutachtens nach § 109 SGG sich im Wesentlichen auf die Angaben und das Verhalten eines Prozessbeteiligten ohne zusätzliche objektive und nachvollziehbare Feststellungen stützen, kommt ohne zusätzliche objektive und nachvollziehbare Feststellungen diesen kein ausreichender Beweiswert zu (so ausdrücklich LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.02.2013 - L 7 SB 13/09 - Juris zu einem vergleichbaren Fall). Die Klägerin leidet nach übereinstimmender Auffassung aller gehörten Ärzte an einer hohen Kurzsichtigkeit sowie am rechten Auge an trockenen Makulaveränderungen und am linken Auge an einer atrophen Aderhautnarbe. Bereits 2011 lagen bei der Klägerin an beiden Augen weit fortgeschrittene Veränderungen der Netzhaut im Bereich der Stelle des schärfsten Sehens vor, die eindeutig Folge der bestehenden hochgradigen Kurzsichtigkeit sind. Hinzugekommen ist bei der Untersuchung durch Prof. Dr. M. eine Erhöhung des Augeninnendrucks sowie eine Linsentrübung des rechten Auges. Soweit er die Auffassung vertreten hat, dass die Sehverschlechterung seit den Untersuchungen durch Prof. Dr. R. und Prof. Dr. B. zugenommen hat, fehlt es jedoch an entsprechenden Belegen. Dies entnimmt der Senat den überzeugenden und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. in dessen Gutachten nach Aktenlage vom 30.09.2014, wonach keine wirklich eindeutige Änderung des morphologischen Befundes zu erkennen ist, sondern bei einem Bildervergleich nur minimale Veränderungen zwischen den Untersuchungen am 15.11.2011 und 25.02.2014 festgestellt werden können. Ein dort dargestellter zentraler Ausfall von 1 bis 2 Papillendurchmessern führt nicht zu einer Sehschärfeminderung auf 1/50 oder gar zu lediglich noch möglichen Wahrnehmungen von Handbewegungen. Auch die an sich objektive, weil nicht mitarbeitsabhängige VEP-Untersuchung durch Prof. Dr. M. lässt nach der gut verständlichen Erklärung des Landesblindenarztes und Sachverständigen Prof. Dr. R. vorliegend keinen eindeutigen Rückschluss auf eine Sehschärfereduktion zu. Denn es ist schon grundsätzlich nur selten möglich, mit Hilfe eines Muster-VEP eine sichere Aussage zur Sehschärfe zu machen. Bei dieser Untersuchung wird ein Schachbrett-Muster in den zentralen Gesichtsfeldbereich von etwa 10 Grad projiziert und die Reizantwort in der primären Sehrinde abgeleitet. Bestehen aber - wie im Falle der Klägerin am rechten Auge - in diesem Netzhautareal deutliche Veränderungen, ist häufig keine reproduzierbare Reizantwort mehr zu erhalten. Insofern kann aus der fehlenden Reizantwort im Muster-VEP nicht sicher auf eine Sehschärfereduktion im Bereich der gesetzlichen Blindheit geschlossen werden. Im außerdem durchgeführten Blitz-VEP hat Prof. Dr. M. beidseits eine Nervenfunktion nachgewiesen. Dies belegt, dass die Klägerin nicht völlig blind ist, was von allen befassten Ärzte bestätigt worden ist.
45 
Die Zweifel an den subjektiven Angaben der Klägerin zu ihrer Sehschärfe ergeben sich vor allem aus den Ergebnissen der Goldmann-Perimetrie, mit der Gesichtsfeldeinschränkungen gemessen werden. Auch insoweit stützt sich der Senat auf die gutachterlichen Ausführungen von Prof. Dr. B. und Prof. Dr. R. sowie dessen urkundlich zu verwertende Stellungnahmen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens und die schriftliche Zeugenaussage von Dr. B.. Die von der Augenärztin E. am 15.02.2011 erhobenen Gesichtsfelder haben nur geringgradig eingeengte Außengrenzen, aber keinerlei Zentralskotom gezeigt. Bei der Untersuchung in der Universitätsklinik Freiburg am 30.06.2011 waren unverändert keine zentralen Ausfälle vorhanden, sondern es konnte im Gegenteil selbst eine sehr kleine Reizmarke (I/3) innerhalb von 10 bis 12 Grad erkannt werden. Anlässlich der weiteren Vorstellung bei Dr. B. am 05.05. und 19.07.2011 war das Gesichtsfeld unverändert zentral unauffällig. Schließlich hat die Klägerin bei der ambulanten Untersuchung durch Prof. Dr. R. am 15.11.2011 weitgehend freie Außengrenzen und kein nachweisbares Zentralskotom angegeben. Den Umstand, dass die Klägerin in der Lage ist, noch sehr kleine und dunkle Reizmarken im Zentrum zu erkennen und kein zentraler Gesichtsfeldausfall feststellbar ist, haben sowohl Prof. Dr. R. als auch Prof. Dr. B. als deutlichen Hinweis dafür gewertet, dass eine Aggravation im Hinblick auf die subjektiven Sehschärfeangaben besteht und die Klägerin insoweit falsche Angaben macht. Denn sie hat kleine und lichtschwache Marken wahrgenommen, die nur mit einer deutlich besseren Sehschärfe erkannt werden können, als die Klägerin angibt. Soweit Prof. Dr. M. hiervon abweichende Gesichtsfeldmessungen durchgeführt hat, hält der Senat diese nicht für aussagekräftig. Denn zu Recht hat Prof. Dr. R. darauf hingewiesen, dass der Sachverständige zwei Messungen durchgeführt hat, die zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben. Während in der einen Untersuchung mit einem Spiralgesichtsfeld am rechten Auge ein sicherer Hinweis auf eine Aggravation dokumentiert worden ist, ist bei einer weiteren Untersuchung lediglich eine deutliche Gesichtsfeldeinengung gefunden worden, wobei im Zentrum auch der kleinen Reizmarke I/4 keinerlei Ausfall festgestellt worden ist. Diese sich widersprechenden Messergebnisse lassen keinen eindeutigen Rückschluss auf eine die Sehminderung stützende Gesichtsfeldeinschränkung zu. Hinzu kommt, dass zwar ein Glaukom diagnostiziert worden ist, der Befund des Sehnervenkopfes mit einem schrägen Sehnerveneintritt nach der für den Senat überzeugenden Einschätzung des Prof. Dr. R. bei einer derart hohen Kurzsichtigkeit vollkommen normal ist und keinerlei Gesichtsfeldausfall erklärt. Somit fehlt es an einer Erklärung, weshalb bei der Untersuchung des Gesichtsfeldes durch Prof. Dr. M. eine weitere konzentrische Einengung eingetreten sein soll, auch der nunmehr von der Klägerin angegebene zentrale Ausfall am linken Auge ist angesichts des seit November 2011 unveränderten zentralen Augenhintergrundbefundes nicht sicher erklärt. Schließlich sind die Angaben der Klägerin im Rahmen der Sehschärfenbestimmung auch deshalb zweifelhaft, weil sie bei der Untersuchung in der Universitätsklinik Heidelberg am 15.11.2011 in der Lage war, beim Farbflecktest Panel-D15 die gesättigten Farbklötzchen mit einzelnen unspezifischen Fehlern anzuordnen und selbst die entsättigten Farben wurden noch sortiert. Das gute Ergebnis im Farbtest ist nach übereinstimmender Auffassung von Prof. Dr. R. und Prof. Dr. B. nur mit einer deutlich besseren Sehschärfe als von der Klägerin angegeben möglich und daher als weiteres Indiz für eine Aggravation der Klägerin zu bewerten. Im Übrigen geht auch Prof. Dr. M. davon aus, dass die Angaben der Klägerin im Rahmen der Sehschärfenmessung nicht zutreffend sind und die Klägerin aggraviert und versucht, die bereits bestehenden Veränderungen bzw. Einschränkungen ihrer Sehfähigkeit weiter zu verstärken. Seiner Einschätzung, dass der Einfluss dieser Aggravation „eher gering sein dürfte“, vermag sich der Senat schon deshalb nicht anzuschließen, weil Prof. Dr. M. gleichzeitig mitgeteilt hat, dass die Klägerin sich scheinbar sehr sicher im Raum bewegt, was gerade auf eine hohe Diskrepanz zwischen behaupteter Blindheit oder gleichzustellender Sehminderung und tatsächlicher Sehfähigkeit hinweist. Die nur äußerst unpräzise Formulierung deutet darüber hinaus auf verbliebene Restzweifel bei dem Sachverständigen hin. Hinzu kommt, dass der Sachverständige Prof. Dr. M. die aktenkundigen Anhaltspunkte für eine Aggravation der Klägerin, die bereits bei Antragstellung im Jahr 2010 den augenärztlichen Befunden widersprechend eine Sehschärfe von nur 10 % beidseits behauptet hat, nur unzureichend in seiner Begutachtung ausgewertet hat und sich letztlich keine überzeugende Erklärung dafür findet, weshalb er den falschen Angaben der Klägerin nur geringe Bedeutung beimisst.
46 
Ergeben sich aus den objektiven Messungen nicht hinreichend eindeutige Ergebnisse, die eine beidäugige Gesamtsehschärfe von nicht mehr als 1/50 oder Gesichtsfeldeinengungen in dem durch die Leitlinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft beschriebenen relevanten Bereich belegen, und sind die mitarbeitsabhängigen Sehschärfemessungen aufgrund der eindeutigen und nachgewiesenen Aggravation der Klägerin ungeeignet, den Nachweis der Blindheit zu erbringen, besteht kein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens Bl der insoweit beweispflichtigen Klägerin.
47 
Ihre Berufung ist nach alledem daher erfolglos.
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
49 
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, bestehen nicht.

Gründe

 
27 
Die nach §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 17.08.2010 und Widerspruchsbescheid vom 20.01.2012 die Zuerkennung des Merkzeichens Bl abgelehnt und das SG die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Dabei geht der Senat ebenso wie das SG von der Zulässigkeit der Klage aus, obwohl die Klägerin gegen den Bescheid vom 17.08.2010 innerhalb der Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 1 SGG) keinen Widerspruch eingelegt hatte. Insoweit konnte der Beklagte den Änderungsantrag vom 08.09.2010 auch nicht als Widerspruch auslegen, da dieser gerade nicht auf Zuerkennung des mit Bescheid vom 17.08.2010 abgelehnten Merkzeichens Bl gerichtet war. Erst am 17.12.2010 hat die Klägerin mitgeteilt, sie benötige auch das Merkzeichen Bl. Da der Beklagte den Widerspruch jedoch nicht insoweit als unzulässig zurückgewiesen, sondern in der Sache über das Bestehen eines Anspruchs auf Zuerkennung des Merkzeichens Bl entschieden hat, steht die Versäumung der Widerspruchsfrist der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen (BSG, Urteil vom 12.10.1979 - 12 RK 19/78 -, SozR 2200 § 1422 Nr. 1).
28 
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 69 Abs. 4 SGB IX. Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung ist auf dem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen Bl einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch blind im Sinne des § 72 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder entsprechender Vorschriften ist. Der Begriff der Blindheit ist nicht legal definiert. Sie wird angenommen, wenn die Sehfähigkeit vollständig fehlt (Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 72 Rdnr. 4 m. w. N.; Grube/Wahrendorf/Grube, SGB XII, § 72 Rdnr. 4; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, § 72 Rdnr. 4). Nach § 72 Abs. 5 SGB XII stehen blinden Menschen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen. Die im Rahmen der Landesblindenhilfe in zahlreichen Landesgesetzen getroffenen Regelungen haben weitgehend diese Definitionen übernommen (vgl. z. B. § 1 Abs. 2 Sächs. LandesblindenG). Insoweit stimmt der Blindheitsbegriff in § 72 Abs. 5 SGB XII mit demjenigen nach Teil A Nr. 6 a) der Anlage zu § 2 der VG überein. In VG, Teil A, Nr. 6 b) wird auf die Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft Bezug genommen, wonach eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 (1/50) oder weniger gleich zusetzende Sehbehinderung bei folgenden Fallgruppen vorliegt:
29 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
30 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
31 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
32 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
33 
- bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,
34 
- bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,
35 
- bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.
36 
Außerdem wird in VG, Teil A, Nr. 6 c) geregelt, dass auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit) blind ist, nicht aber mit einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen. Nach st. Rspr. des Senats sind die VG hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche G, B, aG, Gl und Bl jedoch unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich - mit Ausnahme des Nachteilsausgleichs H - weder in § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) in der Fassung bis zum 30.06.2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 01.07.2011, noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (Urteile des Senats vom 09.06.2011 - L 6 SB 6140/09, vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09; Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 09.05.2011 - L 8 SB 2294/10, vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08, vom 24.09.2010 - L 8 SB 4533/09; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4). Für den vorliegenden Rechtsstreit ist allerdings zu berücksichtigen, dass die in VG, Teil A, Nr. 6b enthaltenen Verweise auf die Leitlinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft keine verbindliche Regelung enthalten, sondern lediglich auf den – ohnehin zu beachtenden – aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft Bezug nehmen. Insoweit sind die dort genannten Gleichsetzungen deshalb durchaus von rechtlicher Bedeutung. Dies gilt umso mehr als das BSG in seiner Entscheidung vom 20. Juli 2005 (B 9a BL 1/05 R) zu den insoweit wortgleichen Regelungen in den früher geltenden "Anhaltspunkten" klargestellt hat, dass es nur einen bundeseinheitlich geltenden Begriff der Blindheit gibt und für eine faktische Blindheit nicht nur die Beeinträchtigungen der Sehschärfe und die Einschränkung des Gesichtsfeldes, sondern vielmehr alle Störungen des Sehvermögens zu berücksichtigen sind, soweit sie in ihrem Schweregrad einer Beeinträchtigung auf 1/50 oder weniger gleich zu achten sind. Da im Falle der Klägerin eine visuelle Agnosie oder andere gnostische Störungen nicht diagnostiziert worden sind, kommt der Einschränkung nach VG, Teil A Nr. 6 c) vorliegend ohnehin keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
37 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe liegen bei der Klägerin die Voraussetzungen für das Merkzeichen Bl nicht vor.
38 
Ein vollständiger Verlust der Sehfähigkeit ist bei der Klägerin zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden. Ebenso wenig liegt ein vollständiger Ausfall der Sehrinde vor. Die Klägerin kann jedoch auch nicht einem Blinden gleichgestellt werden, denn weder kann eine Herabsetzung ihrer beidäugigen Gesamtsehschärfe auf 1/50 noch eine dem Schweregrad dieser Sehminderung gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störung des Sehvermögens (faktische Blindheit) festgestellt werden. Die Klägerin trägt jedoch die Beweislast für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen, mithin vorliegend für eine mit Blindheit gleichzusetzende Sehstörung. Diese muss im Vollbeweis gesichert sein. Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Zwar verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 128 Rdnr 3b m. w. N.), sodass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können. Verbleibende Restzweifel sind aber bei der Überzeugungsbildung nur dann unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (BSG, Urteil vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/09 R -; Urteil vom 17.04.2013 – B 9 V 3/12 R –, jeweils zit. n. juris).
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Vorliegend hat sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass die Klägerin an einer Herabsetzung ihrer Sehfähigkeit auf 1/50 oder einer dieser Sehminderung gleichzustellenden Sehstörung leidet.
40 
Hierbei stützt sich der Senat auf die urkundlich zu verwertenden Stellungnahmen des Landesblindenarztes Prof. Dr. R. im Verwaltungsverfahren sowie dessen gutachtlichen Ausführungen im Berufungsverfahren, die in Übereinstimmung stehen mit der schriftlichen Zeugenaussage des Dr. B., der ebenfalls eine sichere Beurteilung der Frage, ob bei der Klägerin Blindheit i. S. des Gesetzes vorliegt, nicht vorzunehmen vermochte, und den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. B. in ihrem von Amts wegen eingeholten Gutachten. Bedenken hinsichtlich der Verwertbarkeit dieses Gutachtens bestehen nicht. Seinen ursprünglichen Auftrag, die Begutachtung nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vorzunehmen, hat der Vorsitzende der erkennenden Kammer anschließend abgeändert und eine Untersuchung der Klägerin in das Ermessen der Sachverständigen gestellt. Die anschließend erfolgte Begutachtung nach Aktenlage bleibt somit nicht hinter dem Gutachtensauftrag zurück. Ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Gutachten durch die Fachärztin der Klinik Dr. A. abgefasst worden ist. Denn die beauftragte Sachverständige Prof. Dr. B. hat sich aufgrund eigener Überprüfung und Urteilsbildung mit diesem Gutachten einverstanden erklärt und es sich dadurch zu eigen gemacht. Nach § 118 SGG i. V. m. § 407a Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz Zivilprozessordnung (ZPO) ist es dem Sachverständigen erlaubt, sich zur Erledigung des Gutachtensauftrags anderer Personen - auch anderer Ärzte - zu bedienen. Seine uneingeschränkte persönliche Verantwortung für das Gutachten erklärt der beauftragte Sachverständige nämlich durch seine Unterschrift mit dem sinngemäßen Zusatz, er habe die Arbeit seines qualifizierten Mitarbeiters selbst nachvollzogen und sich zu Eigen gemacht, er sei auf Grund eigener Überzeugung und Urteilsbildung einverstanden (st. Rspr, vgl. z. B. BSG, Beschluss vom 15.07.2004 - B 9 V 24/03 B -, SozR 4-1750 § 407a Nr. 2, Beschluss vom 18.09.2003 - B 9 VU 2/03 B – zit. n. juris, m. w. N.). Erst wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit des weiteren Arztes gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine - das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden - Zentralaufgaben delegiert (vgl. BSG a. a. O.), ist die Grenze der erlaubten Mitarbeit überschritten und liegt ein unverwertbares Gutachten vor. Vorliegend wurde das Gutachten nach Aktenlage erstattet, einer persönlichen Untersuchung der Klägerin bedurfte es nicht, nachdem bereits Prof. Dr. R. anlässlich seiner Begutachtung am 15.11.2011 die Klägerin untersucht und die maßgeblichen Befunde erhoben hatte. Weder die Auswertung der aktenkundigen Befunde durch die Augenärztin Dr. A. noch die schriftliche Abfassung des Gutachtens gehören in jedem Fall zu den unverzichtbaren Kernaufgaben, die der Sachverständige selbst erledigen muss. Soweit sich nicht aus der Eigenart des Gutachtenthemas ergibt, dass für bestimmte Untersuchungen die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt wird, reicht es aus, wenn dieser die von Hilfskräften erhobenen Daten und Befunde nachvollzieht. Entscheidend ist, dass der Sachverständige die Schlussfolgerungen seines Mitarbeiters überprüft und durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für das Gutachten übernimmt (BSG, Beschluss vom 30.01.2006 – B 2 U 358/05 B – zit. n. juris, m. w. N.). Dass dies hier nicht geschehen ist, hat die Klägerin nicht dargelegt und ist auch nicht von Amts wegen ersichtlich. Weder das SG noch der Senat mussten sich gedrängt sehen, die seitens der Klägervertreterin formulierten Beweisfragen der Sachverständigen zur Beantwortung vorzulegen. Inhaltlich ging es hierbei nämlich nicht um eine weitere Sachaufklärung, sondern um die Kritik an der erfolgten Begutachtung nach Aktenlage und den medizinischen Einschätzungen des Prof. Dr. R., denen sich die Sachverständige Prof. Dr. B. angeschlossen hat. Letztlich hatte die Sachverständige mit ihren Ausführungen im Gutachten die nachträglich gestellten Beweisfragen bereits beantwortet, einer nochmaligen Bestätigung durch die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme bedurfte es nicht.
41 
Dass eine Blindheit der Klägerin nicht im Vollbeweis gesichert ist, ergibt sich vorliegend daraus, dass zum einen noch im Jahr 2010 ihr Sehvermögen auf beiden Augen weit besser war als 1/50 bei fehlenden Nachweisen von relevanten Gesichtsfeldeinschränkungen, zum anderen Befundveränderungen, die eine Verminderung des Sehvermögens auf 1/50 oder weniger im Folgezeitraum belegen könnten, nicht erwiesen sind und verschiedene weitere Indizien darauf hindeuten, dass die Klägerin bei der mitarbeitsabhängigen (subjektiven) Sehschärfenbestimmung aggravierende Angaben gemacht hat, sodass hierauf die Annahme der Blindheit nicht gestützt werden kann.
42 
Ausweislich des Befundberichtes des Universitätsklinikums M. besaß die Klägerin bei der ambulanten Vorstellung dort am 08.01.2010 eine Sehschärfe rechts von 0,5 und links von 0,1 und war damit zu diesem Zeitpunkt weit entfernt von einer Blindheit i. S. des Gesetzes. Die damaligen Messungen hält der Senat für höchst aussagekräftig und verlässlich, denn Anlass der Untersuchungen war damals nicht die Feststellung einer fraglichen Blindheit, sondern eine von der Klägerin in Betracht gezogene Augenoperation zur Verbesserung der Sehfähigkeit. Hier lag es also im ureigenen Interesse der Klägerin, möglichst genaue, dem tatsächlichen Sehvermögen entsprechende Erkenntnisse zu erlangen, da hiervon Sinn und Tragweite einer Korrektur abhingen. Auch acht Monate später hat der Augenarzt O. mit einem beidäugigen Visus von 0,2 einen nach wie vor weit besseren Befund erhoben als es für die Annahme einer Blindheit erforderlich wäre. Auch wenn dieser Befund bzgl. des rechten Auges eine Verschlechterung bedeutete, war das Sehvermögen des linken Auges sogar verbessert. Selbst wenn es sich hier um subjektive, d. h. mitarbeitsabhängige Angaben gehandelt hat, spricht die Tatsache, dass zwei Messungen im Abstand von fünf Tagen (03. und 08.09.2010) gleichbleibende Werte ergaben, doch für eine gewisse Objektivität, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits das Verfahren auf Feststellung des GdB eingeleitet und am 08.09.2010 einen Erhöhungsantrag gestellt hatte.
43 
Soweit sodann ca. fünf Monate später die Augenärztin E. einen Fernvisus mit Korrektur beidseits mit 1/50 und die Universitätsklinik F. die Sehschärfe am 30.06.2011 beidseits mit „Fingerzählen“ sowie Dr. B. wiederum die Sehminderung mit < 1/50 angegeben haben, beruhen all diese Befunde ausschließlich auf den Angaben der Klägerin zu ihrer Sehfähigkeit. Diese sind vorliegend jedoch nicht hinreichend verlässlich, als dass allein hieraus auf eine tatsächliche Sehminderung in diesem Umfang geschlossen werden könnte.
44 
Dies folgt zum einen aus dem Umstand, dass eine Verschlechterung des Sehvermögens weder in diesem Zeitraum noch in der nachfolgenden Zeit bis zur gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. M. mit einer objekivierbaren Änderung der Augenerkrankung einhergeht. Wenn aber sich augenärztliche Befunde im Rahmen eines Gutachtens nach § 109 SGG sich im Wesentlichen auf die Angaben und das Verhalten eines Prozessbeteiligten ohne zusätzliche objektive und nachvollziehbare Feststellungen stützen, kommt ohne zusätzliche objektive und nachvollziehbare Feststellungen diesen kein ausreichender Beweiswert zu (so ausdrücklich LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.02.2013 - L 7 SB 13/09 - Juris zu einem vergleichbaren Fall). Die Klägerin leidet nach übereinstimmender Auffassung aller gehörten Ärzte an einer hohen Kurzsichtigkeit sowie am rechten Auge an trockenen Makulaveränderungen und am linken Auge an einer atrophen Aderhautnarbe. Bereits 2011 lagen bei der Klägerin an beiden Augen weit fortgeschrittene Veränderungen der Netzhaut im Bereich der Stelle des schärfsten Sehens vor, die eindeutig Folge der bestehenden hochgradigen Kurzsichtigkeit sind. Hinzugekommen ist bei der Untersuchung durch Prof. Dr. M. eine Erhöhung des Augeninnendrucks sowie eine Linsentrübung des rechten Auges. Soweit er die Auffassung vertreten hat, dass die Sehverschlechterung seit den Untersuchungen durch Prof. Dr. R. und Prof. Dr. B. zugenommen hat, fehlt es jedoch an entsprechenden Belegen. Dies entnimmt der Senat den überzeugenden und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. in dessen Gutachten nach Aktenlage vom 30.09.2014, wonach keine wirklich eindeutige Änderung des morphologischen Befundes zu erkennen ist, sondern bei einem Bildervergleich nur minimale Veränderungen zwischen den Untersuchungen am 15.11.2011 und 25.02.2014 festgestellt werden können. Ein dort dargestellter zentraler Ausfall von 1 bis 2 Papillendurchmessern führt nicht zu einer Sehschärfeminderung auf 1/50 oder gar zu lediglich noch möglichen Wahrnehmungen von Handbewegungen. Auch die an sich objektive, weil nicht mitarbeitsabhängige VEP-Untersuchung durch Prof. Dr. M. lässt nach der gut verständlichen Erklärung des Landesblindenarztes und Sachverständigen Prof. Dr. R. vorliegend keinen eindeutigen Rückschluss auf eine Sehschärfereduktion zu. Denn es ist schon grundsätzlich nur selten möglich, mit Hilfe eines Muster-VEP eine sichere Aussage zur Sehschärfe zu machen. Bei dieser Untersuchung wird ein Schachbrett-Muster in den zentralen Gesichtsfeldbereich von etwa 10 Grad projiziert und die Reizantwort in der primären Sehrinde abgeleitet. Bestehen aber - wie im Falle der Klägerin am rechten Auge - in diesem Netzhautareal deutliche Veränderungen, ist häufig keine reproduzierbare Reizantwort mehr zu erhalten. Insofern kann aus der fehlenden Reizantwort im Muster-VEP nicht sicher auf eine Sehschärfereduktion im Bereich der gesetzlichen Blindheit geschlossen werden. Im außerdem durchgeführten Blitz-VEP hat Prof. Dr. M. beidseits eine Nervenfunktion nachgewiesen. Dies belegt, dass die Klägerin nicht völlig blind ist, was von allen befassten Ärzte bestätigt worden ist.
45 
Die Zweifel an den subjektiven Angaben der Klägerin zu ihrer Sehschärfe ergeben sich vor allem aus den Ergebnissen der Goldmann-Perimetrie, mit der Gesichtsfeldeinschränkungen gemessen werden. Auch insoweit stützt sich der Senat auf die gutachterlichen Ausführungen von Prof. Dr. B. und Prof. Dr. R. sowie dessen urkundlich zu verwertende Stellungnahmen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens und die schriftliche Zeugenaussage von Dr. B.. Die von der Augenärztin E. am 15.02.2011 erhobenen Gesichtsfelder haben nur geringgradig eingeengte Außengrenzen, aber keinerlei Zentralskotom gezeigt. Bei der Untersuchung in der Universitätsklinik Freiburg am 30.06.2011 waren unverändert keine zentralen Ausfälle vorhanden, sondern es konnte im Gegenteil selbst eine sehr kleine Reizmarke (I/3) innerhalb von 10 bis 12 Grad erkannt werden. Anlässlich der weiteren Vorstellung bei Dr. B. am 05.05. und 19.07.2011 war das Gesichtsfeld unverändert zentral unauffällig. Schließlich hat die Klägerin bei der ambulanten Untersuchung durch Prof. Dr. R. am 15.11.2011 weitgehend freie Außengrenzen und kein nachweisbares Zentralskotom angegeben. Den Umstand, dass die Klägerin in der Lage ist, noch sehr kleine und dunkle Reizmarken im Zentrum zu erkennen und kein zentraler Gesichtsfeldausfall feststellbar ist, haben sowohl Prof. Dr. R. als auch Prof. Dr. B. als deutlichen Hinweis dafür gewertet, dass eine Aggravation im Hinblick auf die subjektiven Sehschärfeangaben besteht und die Klägerin insoweit falsche Angaben macht. Denn sie hat kleine und lichtschwache Marken wahrgenommen, die nur mit einer deutlich besseren Sehschärfe erkannt werden können, als die Klägerin angibt. Soweit Prof. Dr. M. hiervon abweichende Gesichtsfeldmessungen durchgeführt hat, hält der Senat diese nicht für aussagekräftig. Denn zu Recht hat Prof. Dr. R. darauf hingewiesen, dass der Sachverständige zwei Messungen durchgeführt hat, die zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben. Während in der einen Untersuchung mit einem Spiralgesichtsfeld am rechten Auge ein sicherer Hinweis auf eine Aggravation dokumentiert worden ist, ist bei einer weiteren Untersuchung lediglich eine deutliche Gesichtsfeldeinengung gefunden worden, wobei im Zentrum auch der kleinen Reizmarke I/4 keinerlei Ausfall festgestellt worden ist. Diese sich widersprechenden Messergebnisse lassen keinen eindeutigen Rückschluss auf eine die Sehminderung stützende Gesichtsfeldeinschränkung zu. Hinzu kommt, dass zwar ein Glaukom diagnostiziert worden ist, der Befund des Sehnervenkopfes mit einem schrägen Sehnerveneintritt nach der für den Senat überzeugenden Einschätzung des Prof. Dr. R. bei einer derart hohen Kurzsichtigkeit vollkommen normal ist und keinerlei Gesichtsfeldausfall erklärt. Somit fehlt es an einer Erklärung, weshalb bei der Untersuchung des Gesichtsfeldes durch Prof. Dr. M. eine weitere konzentrische Einengung eingetreten sein soll, auch der nunmehr von der Klägerin angegebene zentrale Ausfall am linken Auge ist angesichts des seit November 2011 unveränderten zentralen Augenhintergrundbefundes nicht sicher erklärt. Schließlich sind die Angaben der Klägerin im Rahmen der Sehschärfenbestimmung auch deshalb zweifelhaft, weil sie bei der Untersuchung in der Universitätsklinik Heidelberg am 15.11.2011 in der Lage war, beim Farbflecktest Panel-D15 die gesättigten Farbklötzchen mit einzelnen unspezifischen Fehlern anzuordnen und selbst die entsättigten Farben wurden noch sortiert. Das gute Ergebnis im Farbtest ist nach übereinstimmender Auffassung von Prof. Dr. R. und Prof. Dr. B. nur mit einer deutlich besseren Sehschärfe als von der Klägerin angegeben möglich und daher als weiteres Indiz für eine Aggravation der Klägerin zu bewerten. Im Übrigen geht auch Prof. Dr. M. davon aus, dass die Angaben der Klägerin im Rahmen der Sehschärfenmessung nicht zutreffend sind und die Klägerin aggraviert und versucht, die bereits bestehenden Veränderungen bzw. Einschränkungen ihrer Sehfähigkeit weiter zu verstärken. Seiner Einschätzung, dass der Einfluss dieser Aggravation „eher gering sein dürfte“, vermag sich der Senat schon deshalb nicht anzuschließen, weil Prof. Dr. M. gleichzeitig mitgeteilt hat, dass die Klägerin sich scheinbar sehr sicher im Raum bewegt, was gerade auf eine hohe Diskrepanz zwischen behaupteter Blindheit oder gleichzustellender Sehminderung und tatsächlicher Sehfähigkeit hinweist. Die nur äußerst unpräzise Formulierung deutet darüber hinaus auf verbliebene Restzweifel bei dem Sachverständigen hin. Hinzu kommt, dass der Sachverständige Prof. Dr. M. die aktenkundigen Anhaltspunkte für eine Aggravation der Klägerin, die bereits bei Antragstellung im Jahr 2010 den augenärztlichen Befunden widersprechend eine Sehschärfe von nur 10 % beidseits behauptet hat, nur unzureichend in seiner Begutachtung ausgewertet hat und sich letztlich keine überzeugende Erklärung dafür findet, weshalb er den falschen Angaben der Klägerin nur geringe Bedeutung beimisst.
46 
Ergeben sich aus den objektiven Messungen nicht hinreichend eindeutige Ergebnisse, die eine beidäugige Gesamtsehschärfe von nicht mehr als 1/50 oder Gesichtsfeldeinengungen in dem durch die Leitlinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft beschriebenen relevanten Bereich belegen, und sind die mitarbeitsabhängigen Sehschärfemessungen aufgrund der eindeutigen und nachgewiesenen Aggravation der Klägerin ungeeignet, den Nachweis der Blindheit zu erbringen, besteht kein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens Bl der insoweit beweispflichtigen Klägerin.
47 
Ihre Berufung ist nach alledem daher erfolglos.
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
49 
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, bestehen nicht.

(1) Blinden Menschen wird zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen Blindenhilfe gewährt, soweit sie keine gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. Auf die Blindenhilfe sind Leistungen bei häuslicher Pflege nach dem Elften Buch, auch soweit es sich um Sachleistungen handelt, bei Pflegebedürftigen des Pflegegrades 2 mit 50 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 2 und bei Pflegebedürftigen der Pflegegrade 3, 4 oder 5 mit 40 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 3, höchstens jedoch mit 50 Prozent des Betrages nach Absatz 2, anzurechnen. Satz 2 gilt sinngemäß für Leistungen nach dem Elften Buch aus einer privaten Pflegeversicherung und nach beamtenrechtlichen Vorschriften. § 39a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Blindenhilfe beträgt bis 30. Juni 2004 für blinde Menschen nach Vollendung des 18. Lebensjahres 585 Euro monatlich, für blinde Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, beträgt sie 293 Euro monatlich. Sie verändert sich jeweils zu dem Zeitpunkt und in dem Umfang, wie sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert.

(3) Lebt der blinde Mensch in einer stationären Einrichtung und werden die Kosten des Aufenthalts ganz oder teilweise aus Mitteln öffentlich-rechtlicher Leistungsträger getragen, so verringert sich die Blindenhilfe nach Absatz 2 um die aus diesen Mitteln getragenen Kosten, höchstens jedoch um 50 vom Hundert der Beträge nach Absatz 2. Satz 1 gilt vom ersten Tage des zweiten Monats an, der auf den Eintritt in die Einrichtung folgt, für jeden vollen Kalendermonat des Aufenthalts in der Einrichtung. Für jeden vollen Tag vorübergehender Abwesenheit von der Einrichtung wird die Blindenhilfe in Höhe von je einem Dreißigstel des Betrages nach Absatz 2 gewährt, wenn die vorübergehende Abwesenheit länger als sechs volle zusammenhängende Tage dauert; der Betrag nach Satz 1 wird im gleichen Verhältnis gekürzt.

(4) Neben der Blindenhilfe wird Hilfe zur Pflege wegen Blindheit nach dem Siebten Kapitel außerhalb von stationären Einrichtungen sowie ein Barbetrag (§ 27b Absatz 2) nicht gewährt. Neben Absatz 1 ist § 30 Abs. 1 Nr. 2 nur anzuwenden, wenn der blinde Mensch nicht allein wegen Blindheit voll erwerbsgemindert ist. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für blinde Menschen, die nicht Blindenhilfe, sondern gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten.

(5) Blinden Menschen stehen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen.

(6) Die Blindenhilfe wird neben Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches erbracht.

(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.

(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:

1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und
5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet. Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet:
1.
Mobilität mit 10 Prozent,
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent,
3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent,
4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent,
5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.

(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.

(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.

(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.

(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4,
4.
ab 70 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5.

(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muß, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 642, 916, 1 174, 1 524 oder 1 876 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I.

(2) Wird fremde Hilfe im Sinne des Absatzes 1 von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet und übersteigen die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wird die Pflegezulage um den übersteigenden Betrag erhöht. Leben Beschädigte mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft, ist die Pflegezulage so zu erhöhen, dass sie nur ein Viertel der von ihnen aufzuwendenden angemessenen Kosten aus der pauschalen Pflegezulage zu zahlen haben und ihnen mindestens die Hälfte der pauschalen Pflegezulage verbleibt. In Ausnahmefällen kann der verbleibende Anteil bis zum vollen Betrag der pauschalen Pflegezulage erhöht werden, wenn Ehegatten, Lebenspartner oder ein Elternteil von Pflegezulageempfängern mindestens der Stufe V neben den Dritten in außergewöhnlichem Umfang zusätzliche Hilfe leisten. Entstehen vorübergehend Kosten für fremde Hilfe, insbesondere infolge Krankheit der Pflegeperson, ist die Pflegezulage für jeweils höchstens sechs Wochen über Satz 2 hinaus so zu erhöhen, dass den Beschädigten die pauschale Pflegezulage in derselben Höhe wie vor der vorübergehenden Entstehung der Kosten verbleibt. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Elternteil nicht nur vorübergehend keine Pflegeleistungen erbringt; § 40a Abs. 3 Satz 3 gilt.

(3) Während einer stationären Behandlung wird die Pflegezulage nach den Absätzen 1 und 2 Empfängern von Pflegezulage nach den Stufen I und II bis zum Ende des ersten, den übrigen Empfängern von Pflegezulage bis zum Ablauf des zwölften auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt.

(4) Über den in Absatz 3 bestimmten Zeitpunkt hinaus wird die Pflegezulage während einer stationären Behandlung bis zum Ende des Kalendermonats vor der Entlassung nur weitergezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte erhalten ein Viertel der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder der Elternteil bis zum Beginn der stationären Behandlung zumindest einen Teil der Pflege wahrgenommen hat. Daneben wird die Pflegezulage in Höhe der Kosten weitergezahlt, die aufgrund eines Pflegevertrages entstehen, es sei denn, die Kosten hätten durch ein den Beschädigten bei Abwägung aller Umstände zuzumutendes Verhalten, insbesondere durch Kündigung des Pflegevertrages, vermieden werden können. Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III erhalten, soweit eine stärkere Beteiligung der schon bis zum Beginn der stationären Behandlung unentgeltlich tätigen Pflegeperson medizinisch erforderlich ist, abweichend von Satz 2 ausnahmsweise Pflegezulage bis zur vollen Höhe nach Absatz 1, in Fällen des Satzes 3 jedoch nicht über den nach Absatz 2 Satz 2 aus der pauschalen Pflegezulage verbleibenden Betrag hinaus.

(5) Tritt Hilflosigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gleichzeitig mit der Notwendigkeit stationärer Behandlung oder während einer stationären Behandlung ein, besteht für die Zeit vor dem Kalendermonat der Entlassung kein Anspruch auf Pflegezulage. Für diese Zeit wird eine Pflegebeihilfe gezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte, die mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten eine Pflegebeihilfe in Höhe eines Viertels der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I. Soweit eine stärkere Beteiligung der Ehegatten, Lebenspartner oder eines Elternteils oder die Beteiligung einer Person, die den Beschädigten nahesteht, an der Pflege medizinisch erforderlich ist, kann in begründeten Ausnahmefällen eine Pflegebeihilfe bis zur Höhe der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I gezahlt werden.

(6) Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege im Sinne des Absatzes 1 bedürfen, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht sichergestellt werden kann, die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege, soweit sie Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen. Jedoch ist den Beschädigten von ihren Versorgungsbezügen zur Bestreitung der sonstigen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und den Angehörigen ein Betrag mindestens in Höhe der Hinterbliebenenbezüge zu belassen, die ihnen zustehen würden, wenn Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben wären. Bei der Berechnung der Bezüge der Angehörigen ist auch das Einkommen der Beschädigten zu berücksichtigen, soweit es nicht ausnahmsweise für andere Zwecke, insbesondere die Erfüllung anderer Unterhaltspflichten, einzusetzen ist.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Mai 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurück-verwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger die gemäß § 35 Abs 2 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) gewährte erhöhte Pflegezulage entziehen durfte, nachdem dieser seine Pflegerin geheiratet hatte.

2

Der 1929 geborene Kläger erhält als Kriegsbeschädigter aufgrund des Bescheides des beklagten Landes vom 27.8.1991 wegen eines Verlustes des linken Auges und der Erblindung des rechten Auges Versorgung nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 100 (bis 20.12.2007: Minderung der Erwerbsfähigkeit um 100 vH).

3

Nach dem Tod seiner Ehefrau schloss der Kläger mit der 1935 geborenen E. G. (G) am 17.4.1997 mit Wirkung ab 1.5.1997 einen Pflegearbeitsvertrag. Auf seinen Antrag gewährte ihm der Beklagte - neben der Pflegezulage nach Stufe III - eine erhöhte Pflegezulage nach § 35 Abs 2 Satz 1 BVG, und zwar ab 1.5.1997 in Höhe von monatlich 3651 DM, ab 1.7.1997 in Höhe von monatlich 3603 DM (Bescheid vom 22.9.1997). Dabei legte er die im Arbeitsvertrag vereinbarte Pflegezeit (8 Stunden täglich zuzüglich Überstunden) zugrunde und erkannte die dafür zu zahlende Vergütung nach Vergütungsgruppe 9 der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) samt Arbeitgeberaufwendungen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 4586,55 DM als aufzuwendende angemessene Kosten an.

4

In der Folgezeit wurde die Höhe der erhöhten Pflegezulage wegen Änderungen der Berechnungsfaktoren wiederholt neu festgestellt; ua wurde die Pflegezulage mit Bescheid vom 8.2.2002 ab 1.1.2002 (einschließlich der Pflegepauschale nach Stufe III) entsprechend den aufzuwendenden angemessenen Pflegekosten auf 2846 Euro festgesetzt.

5

Nachdem der Kläger im Oktober 2003 angekündigt hatte, dass er seine Pflegerin im Dezember heiraten wolle, teilte ihm der Beklagte mit Schreiben vom 19.11.2003 mit, dass der Arbeitsvertrag damit nicht mehr in der bestehenden Form gültig sein werde. Die Zahlung der erhöhten Pflegezulage nach § 35 Abs 2 BVG werde daher ab Januar 2004 eingestellt. Bis zur Neuentscheidung über die (erhöhte) Pflegezulage werde ab Januar 2004 die pauschale Pflegezulage nach Stufe III von 558 Euro gewährt.

6

Mit Schreiben vom 19.12.2003 zeigte der Kläger unter Vorlage der Heiratsurkunde an, dass er mit seiner Pflegerin, Frau G, am 17.12.2003 die Ehe geschlossen habe. Zugleich teilte er mit, dass der Pflegearbeitsvertrag auch nach der Verheiratung in dem bestehenden Umfang weiterhin gültig und dementsprechend fortzuführen sei. Er bitte deshalb, auch in seinem Fall in dieser Weise zu verfahren.

7

           

Mit Bescheid vom 23.1.2004 hob der Beklagte den Bescheid vom 8.2.2002 gemäß § 48 SGB X auf und stellte die Höhe der Pflegezulage für die Zeit von Januar 2002 bis Dezember 2003 neu fest. In Nr 6 und Nr 7 dieses Bescheides führte er aus:

        

6. … Aufgrund Ihrer Eheschließung am 17.12.2003 wird die Vergütung entsprechend des Arbeitsvertrages vom 17.4.1997 bis zum 17.12.2003 nach § 35 Abs 2 BVG erstattet. Für die Zeit vom 18. bis 31.12.2003 wird die pauschale Pflegezulage in Höhe von 14/31 gewährt.

        

7. Über die Erhöhung der Pflegezulage ab 18.12.2003 aufgrund des bestehenden Arbeitsvertrages ist in einem weiteren Bescheid zu entscheiden.

8

Gegen diesen mit einer entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein.

9

Nachdem der Beklagte unter dem 9.3.2004 eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge des Klägers für die Zeit ab Dezember 2003 vorgenommen hatte, lehnte er mit Bescheid vom 4.11.2004 die Weitergewährung der erhöhten Pflegezulage für die Zeit nach dem 17.12.2003 ab. Nach der Eheschließung sei auch bei einem Fortdauern des Arbeitsvertrages die gegenseitige Beziehung vor allem als ehelich und erst in zweiter Hinsicht als geschäftsmäßig zu werten. Daraus ergebe sich eine geänderte Beurteilung der Angemessenheit der Kosten der Pflege. Die bisher als Arbeitszeit anerkannte Pflegezeit sei - bereinigt um Zeiten der Bereitschaft und des familiären ehelichen Beistands - neu zu beurteilen. Der am 7.4.2004 durchgeführte Hausbesuch habe einen schädigungsbedingten Pflegebedarf von etwa 1,5 Stunden täglich bzw 10,5 Stunden wöchentlich ergeben. Unter Berücksichtigung einer Stundenvergütung von 8,69 Euro in Anlehnung an die AVR zuzüglich notwendiger Arbeitgeberkosten ergäben sich hieraus Kosten von monatlich ca 440 Euro, die den Betrag der pauschalen Pflegezulage von zur Zeit 558 Euro nicht überstiegen. Ab dem 18.12.2003 seien demnach die Voraussetzungen für die Erhöhung der pauschalen Pflegezulage nach § 35 Abs 2 Satz 1 BVG nicht mehr gegeben.

10

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Widerspruch ein. Daraufhin führte der Beklagte zunächst eine förmliche Anhörung des Klägers durch. Sodann wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.1.2006 zurück. Darin teilte er ua mit, dass die Wirkung des Bescheides vom 22.9.1997 über die Gewährung einer erhöhten Pflegezulage mit Ablauf des 17.12.2003 geendet habe.

11

Das Sozialgericht Potsdam (SG) hat die gegen den Bescheid vom 4.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.1.2006 erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 7.11.2006). Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) hat die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.5.2009). Es hat ua ausgeführt:

Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Beklagten sei § 48 Abs 1 SGB X. Wenn der Beklagte - dem Wortlaut des Bescheids vom 4.11.2004 zufolge - einen Antrag auf Weitergewährung der erhöhten Pflegezulage abgelehnt habe, so sei dies unschädlich. Denn im Widerspruchsbescheid vom 26.1.2006 habe der Beklagte ausdrücklich auf § 48 Abs 1 SGB X Bezug genommen und damit zu erkennen gegeben, dass er eine Aufhebung der Bewilligung habe verfügen wollen. Eine Doppelregelung sei damit nicht verbunden, denn der Beklagte habe weder im Schreiben vom 19.11.2003 noch im Bescheid vom 23.1.2004 eine Aufhebungsentscheidung getroffen. Die Entscheidung über die erhöhte Pflegezulage habe er sich ausdrücklich vorbehalten.

12

Die materiellen Voraussetzungen des § 48 Abs 1 SGB X seien erfüllt. Der Bescheid vom 22.9.1997, mit dem dem Kläger eine erhöhte Pflegezulage bewilligt worden sei, sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Dadurch, dass der Kläger seine Pflegerin am 17.12.2003 geheiratet habe, sei eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die der Gewährung der erhöhten Pflegezulage zugrunde gelegen hätten, eingetreten. Denn die Voraussetzungen der Bewilligung nach § 35 Abs 2 Satz 1 BVG entfallen seien. Zwar erbringe die Ehefrau des Klägers auch nach der Eheschließung auf der Grundlage des nicht gekündigten Arbeitsvertrages Pflegeleistungen. Bei einem Beschäftigungsverhältnis zwischen einem Beschädigten und seinem Ehegatten müsse jedoch nach der Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 4.2.1998 - B 9 V 28/96 V, SozR 3-3100 § 35 Nr 8)sorgfältig geprüft werden, ob tatsächlich eine arbeitsvertraglich vereinbarte und entsprechend bezahlte Pflegetätigkeit gegeben sei. Grundsätzlich bestünden gegen die Annahme eines Pflegevertrages dann keine Bedenken, wenn der Beschädigte seine Pflegekraft heirate und diese die Pflegetätigkeit unter Beibehaltung des Arbeitsvertrages fortsetze, weil hier schon die besonderen Umstände nahe legten, dass die Ehefrau die Pflegetätigkeit nicht allein wegen der sittlichen und gesetzlichen Beistandspflichten gegenüber dem Pflegebedürftigen weiter ausübe.

13

Indes überstiegen (im vorliegenden Fall) die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen für die Pflege des Klägers nicht den Betrag der pauschalen Pflegezulage in Höhe von 558 Euro. Bei einem verheirateten Beschädigten seien grundsätzlich nur die Kosten derjenigen Tätigkeiten angemessen, die eine arbeitsvertragliche Beschäftigung einer familienfremden Pflegekraft notwendig machten, also der Pflegeaufwand, der über die vom Ehepartner sittlich und rechtlich zu erwartenden Verrichtungen hinausgehe. Abzustellen sei daher allein auf den schädigungsbedingten Pflegebedarf des Klägers, der nach den Ermittlungen des Beklagten einen Zeitaufwand von ca 1,5 Stunden täglich in Anspruch nehme und monatliche Kosten von 444 Euro verursache. Nicht berücksichtigungsfähig seien nach der Rechtsprechung des BSG hauswirtschaftliche Hilfeleistungen. Gleiches gelte für die Bereitschaftszeiten, die bei bestehender Ehe keine Beschäftigung einer familienfremden Pflegekraft notwendig machten.

14

Der Beklagte habe die erhöhte Pflegezulage nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X auch rückwirkend entziehen dürfen, da er dem Kläger bereits mit Schreiben vom 19.11.2003 mitgeteilt habe, dass diesem wegen der Heirat keine erhöhte Pflegezulage mehr zustehe. Der Kläger sei auch nach § 24 Abs 1 SGB X angehört worden. Er habe Gelegenheit gehabt, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Davon habe er Gebrauch gemacht.

15

Der Kläger hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung seiner Rechte aus § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, § 35 Abs 2 Satz 1 BVG und § 103 Satz 1 SGG:

16

Der Beklagte habe mit der Verwaltungsentscheidung vom 4.11.2004 die Weitergewährung der erhöhten Pflegezulage gemäß § 35 Abs 2 BVG über den 17.12.2003 hinaus abgelehnt, obwohl nach den Feststellungen des LSG die arbeitsvertragliche Pflege nach der am 17.12.2003 erfolgten Eheschließung unverändert fortgesetzt worden sei. Dabei habe das LSG durchaus zugestanden, dass die bis zur Eheschließung durch diesen Arbeitsvertrag entstandenen Kosten der Pflege als angemessen iS des § 35 Abs 2 Satz 1 BVG anzusehen gewesen seien. Entsprechend habe der Beklagte mit Bescheid vom 22.9.1997 entschieden. Dabei sei die individuelle Prüfung der notwendigen Pflegezeit anhand des Ergebnisses eines Hausbesuchs nur pauschal vorgenommen worden; zu den Bereitschaftszeiten fänden sich im Protokoll über den Hausbesuch keine Ausführungen. Für die nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X Streit entscheidende Frage, ob gegenüber den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die im Zeitpunkt des Bescheides vom 22.9.1997 vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten sei, komme es allerdings nicht darauf an, ob die damalige Bewertung - die Pflegekosten seien als angemessen zu übernehmen - richtig gewesen sei. Entscheidend sei vielmehr der Eintritt einer wesentlichen Änderung. Eine solche habe das LSG nicht festgestellt. Es sei davon ausgegangen, dass die Ehefrau ihren Ehemann unter unveränderter Beibehaltung des Arbeitsvertrages ebenso gepflegt habe wie vor der Ehe. Soweit das LSG aus dem Urteil des BSG vom 4.2.1998 abgeleitet habe, dass Bereitschaftszeiten und hauswirtschaftliche Hilfeleistungen nicht berücksichtigungsfähig seien, so sei diese Ansicht der genannten Entscheidung nicht zu entnehmen.

17

In der gesamten Rechtsordnung gäbe es keine Vorschrift, nach der eine Heirat zu rechtlichen Nachteilen führe. Der vom BSG im Urteil vom 4.2.1998 gegebene Hinweis, dass die Kosten einer arbeitsvertraglichen Ehegattenpflege regelmäßig nur in geringerer Höhe als bei einer Fremdpflege angemessen sein könnten, erscheine deswegen bedenklich. Die Wertung, dass Bereitschaftszeiten im Rahmen eines Ehegattenpflegevertrages generell oder überwiegend unentgeltlich zu erbringen seien, verstoße gegen Art 6 Abs 1 GG.

18

Auch sei eine Differenzierung dahingehend, ob der pflegerische Bedarf durch dessen sittlich "geschuldete" Deckung faktisch reduziert sein könnte, sachfremd. Ebenso habe das LSG nicht beachtet, dass bei einer Nichtberücksichtigung von Bereitschaftszeiten das bestehende Arbeitsverhältnis durch eine entsprechende Änderungskündigung angepasst werden müsste. Dies könne zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, wenn die Pflegeperson nicht bereit sei, die Bereitschaftszeiten unentgeltlich zu erbringen. Er, der Kläger, wolle jedoch die seit langen Jahren für ihn tätige, ihm vertraute Pflegeperson, die er inzwischen geheiratet habe, beibehalten. Vor diesem Hintergrund habe das LSG den unbestimmten Rechtsbegriff der angemessenen Kosten iS des § 35 Abs 2 Satz 1 BVG unzutreffend konkretisiert.

19

Der hauswirtschaftliche Hilfebedarf sei nach ständiger Rechtsprechung generell nicht im Rahmen des § 35 Abs 1 und 2 BVG zu berücksichtigen. Sofern der Pflegevertrag vom 1.5.1997 auch Aufwand für hauswirtschaftliche Hilfeleistungen beinhalte, so hätte dieser Leistungsteil allenfalls nach § 45 Abs 1 SGB X entzogen werden können. Hilfsweise hätte nach § 48 Abs 3 SGB X vorgegangen werden können, nicht jedoch nach § 48 Abs 1 SGB X.

20

Das LSG habe außerdem den Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt. Es habe sich auf die pauschalen, nicht mit konkreten Zeitwerten hinterlegten Ermittlungen des Beklagten verlassen. Es hätte jedoch den pflegerischen Bedarf durch ein medizinisches Sachverständigengutachten klären lassen müssen.

21

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Mai 2009 und des Sozialgerichts Potsdam vom 7. November 2006 sowie die Bescheide des Beklagten vom 19. November 2003, 23. Januar 2004, 9. März 2004 und vom 4. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 26. Januar 2006 aufzuheben, soweit darin über die erhöhte Pflegezulage gemäß § 35 Abs 2 Satz 1 BVG ab 18. Dezember 2003 entschieden wurde,
hilfsweise,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Mai 2009 und des Sozialgerichts Potsdam vom 7. November 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 19. November 2003, 23. Januar 2004, 9. März 2004 und 4. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 26. Januar 2006 zu verpflichten, über den 17. Dezember 2003 hinaus eine erhöhte Pflegezulage gemäß § 35 Abs 2 Satz 1 BVG zu gewähren.

22

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

23

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Dazu trägt er ua vor:

24

Auch eine Eheschließung könne im Hinblick auf die nach § 35 Abs 2 Satz 1 BVG angemessenen Kosten eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 SGB X sein. Nach dem Urteil des BSG vom 4.2.1998 - B 9 V 28/96 R - seien die Kosten bei arbeitsvertraglich durch einen haushaltsangehörigen Ehegatten erbrachter Pflege regelmäßig nur in geringerer Höhe angemessen als beim Einsatz einer familienfremden Pflegekraft. Dies müsse hinsichtlich der Bereitschaftszeiten jedenfalls dann gelten, wenn die pflegende Ehefrau zum Zeitpunkt der Eheschließung das Rentenalter bereits erreicht habe. Mit einer Eheschließung gingen auch Pflichten einher. Die Erbringung von Pflegeleistungen entspreche im gewissen Umfang einer ehelichen oder sittlichen Pflicht; dies sei auch im Rahmen des § 35 Abs 2 Satz 1 BVG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift stelle auf die Angemessenheit der Kosten ab. Der Pflegebedarf reduziere sich durch freiwillige oder sittlich geschuldete Leistungen. Dies führe auch im vorliegenden Fall nicht zum Wegfall der Sozialleistung, sondern nur dazu, dass die angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nicht überstiegen. Dies verstoße im Vergleich mit den Leistungen nach dem SGB XI nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Auch bestünden keine arbeitsrechtlichen Bedenken.

25

Im vorliegenden Fall sei durch die Eheschließung am 17.12.2003 eine wesentliche Änderung gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, die beim Erlass des Bescheides vom 22.9.1997 vorgelegen hätten. Der aktuelle Pflegebedarf betrage 90 Minuten pro Tag. Dies hätten seine Ermittlungen im Rahmen des Hausbesuchs vom 7.4.2004 ergeben. Das LSG hätte sich deshalb nicht zu weiterer Sachverhaltsaufklärung gedrängt fühlen müssen. Bei dieser Ermittlung seien die Bereitschaftszeiten außer Betracht geblieben. Auch die Feststellung des konkreten Fremdpflegebedarfs im Vorfeld der Bescheiderteilung vom 22.9.1997 sei nicht zu beanstanden. Ein Hausbesuch habe damals einen Pflegebedarf von 8 Stunden ergeben. Dass bei der Feststellung dieses Pflegebedarfs maßgeblich auch Bereitschaftszeiten berücksichtigt worden seien, ergebe sich aus dem Protokoll, insbesondere aus den Ausführungen zur ständigen Aufsicht und Begleitung. Nach der Eheschließung seien Bereitschaftszeiten hingegen nicht mehr berücksichtigungsfähig. Diese würden im Rahmen einer ehelichen Gemeinschaft aufgrund einer sittlichen und gesetzlichen Beistandspflicht wahrgenommen.

26

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

27

Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die tatsächlichen Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend darüber zu entscheiden, ob das LSG die Berufung zu Recht zurückgewiesen und damit das die Klage abweisende Urteil des SG vom 7.11.2006 bestätigt hat.

28

1. Der Kläger verfolgt mit der Revision seine (isolierte) Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG)weiter, mit der er - unter Aufhebung der entgegenstehenden gerichtlichen Entscheidungen - erreichen will, die ihn belastenden Verwaltungsakte des Beklagten aufzuheben, soweit sie die vom Beklagten verweigerte Fortzahlung der ihm gewährten erhöhten Pflegezulage für die Zeit nach der Eheschließung mit seiner Pflegerin betreffen. Dies sind die Bescheide vom 19.11.2003, 23.1.2004, 9.3.2004 und 4.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 26.1.2006, soweit der Beklagte darin die Bewilligung der erhöhten Pflegezulage (§ 35 Abs 2 Satz 1 BVG)im Hinblick auf die am 17.12.2003 erfolgte Eheschließung des Klägers ab 18.12.2003 wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse (§ 48 SGB X) - zunächst vorläufig und dann endgültig - aufgehoben und hinfort nur noch die pauschale Pflegezulage nach Stufe III weitergewährt hat.

29

Dieser Regelungsinhalt ergibt sich aus der Auslegung dieser Verwaltungsakte, der der revisionsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt, also auch dem Revisionsgericht obliegt (vgl BSGE 48, 56, 58 = SozR 2200 § 368a Nr 5 S 10; BSG SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14; BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11; BSG SozR 3-1200 § 42 Nr 8 S 26; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 17; BSGE 99, 284 = SozR 4-2400 § 15 Nr 6, RdNr 15; BSG SozR 4-5868 § 3 Nr 3 RdNr 19). Maßstab der Auslegung der Bescheide vom 19.11.2003, 23.1.2004, 9.3.2004 und 4.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.1.2006 ist der "Empfängerhorizont" eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB)erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl BSG SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14; BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11; BSG SozR 3-1200 § 42 Nr 8 S 26; BSGE 99, 284 = SozR 4-2400 § 15 Nr 6, RdNr 15; BSG SozR 4-5868 § 3 Nr 3 RdNr 19). Nach den gesamten Umständen des vorliegenden Falles konnte ein verständiger Beteiligter die vorgenannten Entscheidungen des Beklagten im Zusammenhang mit der Eheschließung des Klägers mit seiner Pflegerin nur so verstehen, dass der Beklagte die bestandskräftige Bewilligung der erhöhten Pflegezulage nach § 35 Abs 2 Satz 1 BVG als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung(hierzu etwa BSGE 91, 211, RdNr 8 = SozR 4-3100 § 35 Nr 2, RdNr 7) ab 18.12.2003 aufheben und damit die Höhe der Pflegezulage (Herabsetzung von der erhöhten auf die pauschale Pflegezulage nach Stufe III) neu feststellen wollte, weil nach seiner Auffassung die Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Pflegezulage durch die Eheschließung des Klägers am 17.12.2003 weggefallen waren.

30

Bereits das Schreiben vom 19.11.2003 enthält eine Regelung iS des § 31 SGB X. Ein verständiger Beteiligter konnte die Erklärung des Beklagten, er werde ab Januar 2004 die Zahlung der erhöhten Pflegezulage nach § 35 Abs 2 BVG einstellen und bis zur Neuentscheidung (nur noch) die pauschale Pflegezulage nach § 35 Abs 1 BVG gewähren, nur als verbindliche Entscheidung werten, mit der der Beklagte zugleich nach außen erkennbar zum Ausdruck gebracht hat, dass er den der Zahlung der erhöhten Pflegezulage zugrunde liegenden bestandskräftigen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ab Januar 2004 aufhebe. Darüber hinaus wird eine erneute Entscheidung über die Weitergewährung in Aussicht gestellt. Damit erhält die Aufhebungsentscheidung letztlich einen vorläufigen Charakter.

31

Dementsprechend ist das Schreiben des Klägers vom 19.12.2003 als Widerspruch iS des § 84 SGG zu werten, mit dem das Vorverfahren eingeleitet wurde(§ 83 SGG). Denn der Kläger hat mit seinem Einwand, der abgeschlossene Pflegearbeitsvertrag sei auch nach der Verheiratung in dem bestehenden Umfang gültig und fortzuführen, deutlich gemacht, dass er eine Fortzahlung der erhöhten Pflegezulage und damit eine Überprüfung der von der Verwaltung getroffenen Entscheidung anstrebt. Dies hat zur Folge, dass die nachfolgenden - die Entscheidung vom 19.11.2003 abändernden bzw umsetzenden - Bescheide vom 23.1.2004, 9.3.2004 und 4.11.2004 kraft Gesetzes Gegenstand des Vorverfahrens geworden sind (§ 86 SGG). Es ist deshalb unerheblich, dass der Kläger gegen den Bescheid vom 23.1.2004 entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung keinen gesonderten Widerspruch eingelegt hat.

32

Im Bescheid vom 23.1.2004 "über die Aufhebung des Bescheides vom 8.2.2002 und die Neufeststellung der Höhe der Pflegezulage" hat der Beklagte in den Gründen, wo er im einzelnen die Änderungen der Verhältnisse nach § 48 SGB X aufgeführt hat, unter Nr II.1.6 entschieden, dass "aufgrund Ihrer Eheschließung am 17.12.2003 die Vergütung entsprechend des Arbeitsvertrages vom 17.04.1997 bis zum 17.12.2003 nach § 35 Abs. 2 BVG erstattet wird" und "für die Zeit vom 18.-31.12.2003 die pauschale Pflegezulage in Höhe von 14/31 gewährt wird". Damit hat er in Abänderung der Entscheidung vom 19.11.2003 den der Zahlung der erhöhten Pflegezulage zugrunde liegenden bestandskräftigen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bereits mit Wirkung vom 18.12.2003 aufgehoben. Die endgültige Entscheidung über die Weitergewährung der erhöhten Pflegezulage ab 18.12.2003 hat er sich unter Nr II.1.7 - nach wie vor - in einem weiteren Bescheid vorbehalten.

33

In dem Bescheid vom 9.3.2004 ist ua in der Rubrik "Pflegezulage" ab Dezember 2003 nur die pauschale Pflegezulage in Höhe von 558 Euro als monatlich zustehender Versorgungsbezug ausgewiesen.

34

Die endgültige Entscheidung über die Weitergewährung der erhöhten Pflegezulage (Bestätigung der Aufhebungsentscheidung) hat der Beklagte am 4.11.2004 mit dem Verfügungssatz getroffen, "Ihr Antrag auf Weitergewährung der erhöhten Pflegezulage gem. § 35 Abs. 2 BVG nach dem 17.12.2003 wird abgelehnt" und dies damit begründet, dass "die angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage von zur Zeit 558 Euro nicht" überstiegen und deshalb "ab 18.12.2003 die Voraussetzungen für die Erhöhung der pauschalen Pflegezulage nach § 35 Abs. 2 Satz 1 BVG nicht mehr gegeben" seien.

35

Dass es sich bei dieser Abfolge von Verwaltungsakten letztlich um einen einheitlichen, nach § 48 SGB X zu beurteilenden Entscheidungsvorgang handelt, hat der Beklagte im Vorverfahren berücksichtigt, indem er zunächst eine Anhörung des Klägers nach § 24 Abs 1 SGB X nachgeholt(vgl § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X) und sodann den Widerspruchsbescheid vom 26.1.2006 noch einmal ausdrücklich auf § 48 SGB X gestützt hat.

36

2. Ob das LSG zutreffend entschieden hat, dass der Beklagte ermächtigt war, nach der Eheschließung des Klägers die Gewährung der erhöhten Pflegezulage (§ 35 Abs 2 Satz 1 BVG) wegen Änderung der Verhältnisse nach § 48 Abs 1 SGB X ab 18.12.2003 aufzuheben, diese Leistung also von diesem Zeitpunkt an zu entziehen, kann der erkennende Senat aufgrund der bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen.

37

           

Der insoweit als Rechtsgrundlage vorrangig zu prüfende § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X bestimmt:

        

"Soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben."

38

Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt demnach einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsakts und im Zeitpunkt der Überprüfung (also grundsätzlich bei Erlass der letzten Verwaltungsentscheidung betreffend die Aufhebung) voraus (vgl etwa BSG SozR 4-5870 § 1 Nr 2 RdNr 15 mwN; hierzu auch Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 48 RdNr 4).

39

a) Ausgangspunkt der Prüfung sind die bei Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsakts maßgebenden Verhältnisse. Da der Beklagte davon ausgegangen ist, dass dem Kläger jedenfalls bis zur Eheschließung am 17.12.2003 die erhöhte Pflegezulage nach § 35 Abs 2 Satz 1 BVG zustand, wird das LSG als erstes festzustellen haben, welcher bestandskräftige Verwaltungsakt des Beklagten die für die Gewährung der erhöhten Pflegezulage bis zur Eheschließung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse geregelt hat. Denn für die Anwendung des § 48 Abs 1 SGB X ist auf den Regelungsgehalt desjenigen bestandskräftigen Verwaltungsakts als "Vergleichsbescheid" abzustellen, mit dem über die Voraussetzungen, hinsichtlich derer eine wesentliche Änderung eingetreten sein soll, letztmalig entschieden worden ist(vgl Steinwedel in Kasseler Kommentar, Stand 1. Oktober 2010, § 48 SGB X RdNr 16 mwN). Dies lässt sich nicht losgelöst von dem im konkreten Fall angewendeten materiellen Recht prüfen.

40

Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung der erhöhten Pflegezulage war vor der Eheschließung § 35 Abs 2 Satz 1 BVG(idF des Art 1 Nr 25 KOV-Strukturgesetz 1990 vom 23.3.1990 , geändert durch Art 9 Nr 12 Buchst b Pflege-Versicherungsgesetz vom 26.5.1994 ). Danach wurde die in § 35 Abs 1 BVG gesetzlich festgelegte pauschale Pflegezulage um den Mehrbetrag erhöht, wenn fremde Hilfe aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet wurde und die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage überstiegen(zur Struktur des § 35 BVG: BSGE 92, 42 RdNr 13 = SozR 4-3100 § 35 Nr 3 RdNr 19).

41

Zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "angemessenen Kosten" hat deshalb bei Anwendung des § 35 Abs 2 Satz 1 BVG eine individuelle Prüfung der tatsächlich erforderlichen Aufwendungen für fremde Wartung und Pflege zu erfolgen. Die für eine bezahlte Pflegekraft angemessenen Aufwendungen konnten deshalb weder einseitig durch Vertrag zwischen dem Beschädigten und der Pflegeperson, noch in pauschaler Weise und ohne hinreichende Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse festgelegt werden (vgl BSGE 65, 119, 122 = SozR 3100 § 35 Nr 21 S 75 f; BSG SozR 4-3100 § 35 Nr 1 RdNr 15). Maßgebend war vielmehr das Ausmaß der Hilfebedürftigkeit für die täglichen Verrichtungen (ohne allgemeine Hausarbeiten) je nach den besonderen Behinderungen des Beschädigten und die objektiv nach allgemeiner Erfahrung dafür notwendige Pflegetätigkeit. Im ersten Schritt war demgemäß die Art der Pflegetätigkeit und die dafür erforderliche Qualifikation der Pflegekraft zu prüfen. Im zweiten Schritt war die vergütungsmäßige Bewertung dieser Pflegetätigkeit anhand eines geeigneten Maßstabs vorzunehmen (vgl BSG SozR 4-3100 § 35 Nr 1 RdNr 15 f).

42

Das LSG hat die insoweit maßgeblichen Umstände dieses Falles nicht hinreichend festgestellt. Dem Bescheid vom 22.9.1997 lässt sich entnehmen, dass der Beklagte vorliegend eine individuelle Prüfung der vor der Eheschließung aufgrund des Arbeitsvertrages vom 17.4.1997 tatsächlich erforderlichen Aufwendungen für fremde Wartung und Pflege durchgeführt hat. Dabei war er hinsichtlich des Ausmaßes der Hilfebedürftigkeit, dh des zeitlichen Umfangs der Pflegetätigkeit, entsprechend dem Arbeitsvertrag von einer reinen Pflegezeit (tariflichen Arbeitszeit) von 40 Stunden wöchentlich sowie monatlich pauschal 69 Überstunden, die je zur Hälfte an Samstagen und Sonntagen geleistet wurden, ausgegangen. Als Maßstab für die vergütungsmäßige Bewertung hatte er ebenfalls entsprechend dem Arbeitsvertrag die Vergütungsgruppe 9 der AVR in der jeweils gültigen Fassung herangezogen. Dementsprechend hatte er die für die Pflegeleistungen aufgrund des Arbeitsvertrages entstehenden Kosten als angemessene Aufwendungen anerkannt und den die Pflegepauschale nach Stufe III übersteigenden Betrag als Erhöhungsbetrag festgesetzt. Den berufungsgerichtlichen Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, welche genauen Umstände dieser Verwaltungsentscheidung zugrunde lagen, ob diese Umstände bis zum 17.12.2003 fortbestanden haben und ob der Bescheid vom 22.9.1997 insoweit durch spätere Bescheide ersetzt worden ist.

43

b) Bezogen auf die noch nicht hinreichend geklärte Vergleichsgrundlage ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob und ggf inwieweit sich die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse durch die Eheschließung des Klägers mit seiner Pflegerin geändert haben, insbesondere, ob und ggf inwieweit sich dadurch die aufgrund des Arbeitsvertrages vom 17.4.1997 gegen eine Vergütung geschuldete und (bis dahin) tatsächlich erforderliche Pflegetätigkeit und damit auch die für die Erhöhung der Pflegezulage nach § 35 Abs 2 Satz 1 BVG maßgebenden "aufzuwendenden angemessenen Kosten" verringert haben.

44

Zunächst ist die Anwendung des § 35 Abs 2 BVG für die Zeit ab 18.12.2003 nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger und seine Pflegerin seit dem 17.12.2003 verheiratet sind. Das BSG hat bereits entschieden, dass sich aus § 35 Abs 2 Satz 1 und 2 BVG kein Verbot von Pflegearbeitsverträgen zwischen dem pflegebedürftigen Beschädigten und seinem pflegenden Ehegatten herleiten lässt. § 35 Abs 2 Satz 1 BVG eröffnet vielmehr ganz allgemein die Möglichkeit, die in Abs 1 genannten pauschalen Beträge der Pflegezulage zu erhöhen, wenn das Entgelt für arbeitsvertraglich geleistete Pflege diese Beträge überschreitet(BSG Urteil vom 4.2.1998 - B 9 V 28/96 R, SozR 3-3100 § 35 Nr 8 S 20). Voraussetzung ist jedoch immer das Vorliegen eines wirksamen Arbeitsvertrages. Gegen die Annahme eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses bestehen dann grundsätzlich keine Bedenken, wenn der Beschädigte seine Pflegekraft heiratet und diese ihre Pflegetätigkeit unter unveränderter Beibehaltung des Arbeitsvertrages fortsetzt. Denn hier legen schon die besonderen Umstände nahe, dass die Ehefrau die Pflegetätigkeit nicht allein wegen der sittlichen und gesetzlichen Beistandspflichten gegenüber dem pflegebedürftigen Ehepartner weiter ausübt (BSG aaO S 21 f). Dementsprechend haben Beklagter und LSG im vorliegenden Fall das Bestehen eines derartigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau bejaht.

45

Zwischen den Beteiligten ist allein die Höhe der vom Kläger dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten streitig. Diese Höhe hängt im Wesentlichen davon ab, in welchem zeitlichen Umfang die Pflegetätigkeit der Ehefrau dabei zu berücksichtigen ist. Der Beklagte und das LSG halten insoweit eine Herabsetzung des täglichen Zeitaufwandes von 8 auf 1,5 Stunden für angebracht. Dabei gehen sie von rechtlichen Erwägungen aus, die der erkennende Senat nicht in vollem Umfang teilt. Dadurch ergibt sich die Notwendigkeit einer ergänzenden Sachverhaltsaufklärung.

46

Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 4.12.1998 bereits darauf hingewiesen, dass die Kosten bei arbeitsvertraglich durch einen haushaltsangehörigen Ehegatten erbrachter Pflege regelmäßig nur in geringerer Höhe angemessen sein werden als beim Einsatz einer familienfremden Pflegekraft (BSG SozR 3-3100 § 35 Nr 8 S 23). Der vorliegende Fall gibt Veranlassung, insoweit genauere Maßstäbe zu entwickeln. Dabei sind die gegenseitigen ehelichen Unterhalts- und Beistandspflichten von Bedeutung.

47

Bei der in § 1353 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 BGB geregelten Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft, aus der als ein Kernbereich die gegenseitige eheliche Beistandspflicht - ua bei gesundheitlichen Störungen - hergeleitet wird(vgl hierzu Brudermüller in Palandt, 69. Aufl 2010, § 1353 RdNr 9; Roth in Münchener Kommentar BGB, Familienrecht I, 5. Aufl 2010, § 1353 RdNr 31; Voppel in Staudinger, BGB, 2007, § 1353 RdNr 53; Hahn in Bamberger/Roth, BGB, 2008, § 1353 RdNr 15),handelt es sich um eine Generalklausel. Der Inhalt der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft wird entsprechend dem heutigen Eheverständnis des bürgerlichen Rechts von den Eheleuten für ihre Ehe weitgehend durch einvernehmliche Regelungen selbst bestimmt. Das Maß des nach § 1353 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 BGB (üblicherweise) geschuldeten Beistands richtet sich im Rahmen des dem anderen Ehegatten Zumutbaren nach dessen Möglichkeiten(vgl Voppel, aaO, § 1353 RdNr 53; Hahn, aaO, § 1353 RdNr 15). Entscheidend sind deshalb letztlich die Umstände des Einzelfalls.

48

Dabei ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) die Pflege eines Schwerstbehinderten über das Maß hinausgeht, das im Rahmen der gegenseitigen Beistands- und Unterhaltspflicht der Ehegatten gem §§ 1353, 1360 BGB geschuldet wird (vgl BGH NJW 1995, 1486, 1488). Entgegen der Auffassung des LSG und des Beklagten werden auch Bereitschaftszeiten, die nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats "zeitlich und örtlich denselben Einsatz erfordern wie körperliche Hilfe" (vgl BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 1 RdNr 14 in Fortentwicklung von BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 12),üblicherweise nicht generell in Erfüllung einer ehelichen Beistandspflicht erbracht, denn die Aufenthaltsbeschränkung, die insoweit mit der erforderlichen (zeitlich vorgegebenen) Präsenz verbunden ist, kann das dem Ehegatten zumutbare Maß der Hilfe überschreiten. Die dafür aufzuwendenden Kosten können deshalb nicht von vornherein als unangemessen angesehen werden.

49

Anders sind die Kosten für zwischen einzelnen Hilfeleistungen (einschließlich Bereitschaftszeiten) liegende Zeitabschnitte zu beurteilen. Die von einer abhängig beschäftigten Pflegekraft zu erbringende Hilfeleistung wird nicht nur durch den zeitlichen Betreuungsaufwand als solchen, sondern auch durch die Zahl und die zeitliche Verteilung der notwendigen Verrichtungen (bzw Bereitschaften) mitbestimmt. Die abhängig beschäftigte Hilfsperson kann grundsätzlich nicht für einzelne Handreichungen herangezogen, sondern regelmäßig nur für zusammenhängende Zeitabschnitte beschäftigt werden (vgl BSGE 98, 1 = SozR 4-3100 § 35 Nr 4, RdNr 18). Insoweit erfasst dann ein mit einer fremden Pflegeperson geschlossener Pflegearbeitsvertrag notwendigerweise auch Zwischenzeiten, in denen keine Pflege stattfindet. Diese nicht durch Pflege, Wartung und pflegenahe Bereitschaft gebundene Zeit fällt bei einer arbeitsvertraglich durch einen haushaltsangehörigen Ehegatten erbrachten Hilfeleistung üblicherweise in den Kernbereich der Verpflichtung zur ehelichen Gemeinschaft, denn dazu gehört in der Regel das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft an einem von den Eheleuten gemeinsam gewählten Wohnsitz (vgl BGH NJW 1987, 1761, 1762 = FamRZ 1987, 572, 574; BGH NJW 1990, 1847, 1849 = FamRZ 1990, 492, 495; dazu auch Hahn, aaO, § 1353 RdNr 5; Brudermüller, aaO, § 1353 RdNr 6). Würden insoweit Kosten geltend gemacht, wären diese im Rahmen des § 35 Abs 2 BVG grundsätzlich als unangemessen anzusehen.

50

Hauswirtschaftliche Hilfeleistungen gehören - anders als bei der Pflegebedürftigkeit iS des § 14 SGB XI - nicht zum Pflegebedarf eines Hilflosen iS des § 35 Abs 1 BVG(vgl etwa BSG SozR 3-3100 § 35 Nr 6 S 10 ff; BSGE 90, 185, 186 = SozR 3-3100 § 35 Nr 12 S 31 f; BSG SozR 4-3100 § 35 Nr 1 RdNr 15). Soweit sie von einer fremden Pflegekraft während anfallender notwendiger Zwischenzeiten im Rahmen des Arbeitsvertrags erbracht werden, werden sie allerdings - wie alles, was in solche Zwischenzeiten fällt - von den angemessenen Kosten im Sinne des § 35 Abs 2 BVG erfasst. Dies gilt jedoch nicht bei einer pflegenden Ehefrau, soweit bei dieser die Einbeziehung von Zwischenzeiten in die "aufzuwendenden angemessenen Kosten" ausscheidet.

51

Da das LSG bei den von ihm als angemessen angesehenen Kosten nur Pflegeverrichtungen, nicht jedoch erforderliche Bereitschaftszeiten berücksichtigt hat, fehlt es auch in diesem Zusammenhang an berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen.

52

3. Die nach alledem erforderlichen weiteren Ermittlungen können im Revisionsverfahren nicht erfolgen (vgl § 163 SGG). Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Bei der weiteren Behandlung des Falles wird das LSG ua Folgendes zu berücksichtigen haben:

53

Im Hinblick darauf, dass die Pflegerin bei der Eheschließung bereits 68 Jahre alt war, könnte Veranlassung bestehen, näher zu prüfen, ob die Hilfeleistungen ab dem 18.12.2003 tatsächlich weiterhin auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 17.4.1997 im Rahmen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses erbracht worden sind. Ein Indiz dafür könnte insbesondere die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen sein. Sollte das Bestehen eines wirksamen Arbeitsvertrages für die Zeit ab 18.12.2003 bejaht werden können, wäre die Höhe der dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats festzustellen.

54

Bei der Anwendung des § 48 Abs 1 SGB X wird ggf zu beachten sein, dass jedenfalls für die Zeit vom 18. bis 31.12.2003 durch den Bescheid vom 23.1.2004 eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung erfolgt ist. Ob der Kläger im Hinblick auf die mit Schreiben des Beklagten vom 19.11.2003 erst ab Januar 2004 erfolgte Entziehung der erhöhten Pflegezulage mit dieser Entscheidung rechnen musste (vgl § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X), erscheint fraglich.

55

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 30. Mai 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 40 ab Juli 2007 hat.

2

Nachdem das beklagte Land den im August 2001 gestellten Erstantrag des 1951 geborenen Klägers mit Bescheid vom 21.1.2002 abgelehnt hatte, weil der GdB weniger als 20 betrage, stellte es auf den Widerspruch des Klägers mit Abhilfebescheid vom 5.11.2002 einen GdB von 30 ab August 2001 fest. Als den GdB begründende Beeinträchtigungen berücksichtigte der Beklagte eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, Knorpelschäden der Kniegelenke, eine Funktionseinschränkung der Füße, eine Fettleber sowie eine Nierenfehlbildung links.

3

Auf den vom Kläger im Dezember 2004 angebrachten Änderungsantrag stellte der Beklagte einen GdB des Klägers von 40 ab Dezember 2004 fest (Bescheid vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005). In dem anschließenden, auf Feststellung eines GdB von 50 gerichteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Frankfurt/Oder - S 5 SB 2/06 - bewertete der gerichtliche Sachverständige Dr. B. in seinem chirurgisch-sozialmedizinischen Gutachten vom 21.12.2006 aufgrund der nachweisbaren funktionellen Beeinträchtigungen des Klägers den Gesamt-GdB mit 10.

4

Daraufhin hob der Beklagte ohne ausdrückliche Anhörung unter Hinweis auf § 24 Abs 2 Nr 2 SGB X (Eilbedürftigkeit) mit Bescheid vom 1.3.2007 den Bescheid vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 gemäß § 45 SGB X mit Wirkung für die Zukunft insoweit auf, als ein GdB von mehr als 30 festgestellt worden war. In der Begründung führte der Beklagte aus, die Bescheide vom 5.11.2002 und 10.3.2005 seien rechtswidrig, da mit ihnen ein GdB von 30 bzw 40 festgestellt worden sei. Gemäß § 69 Abs 1 S 5 SGB IX sei eine Feststellung nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliege. Tatsächlich hätten nur Beeinträchtigungen vorgelegen, die einen Gesamt-GdB von 10 begründen. Die Rücknahme des Bescheides vom 5.11.2002 komme wegen des Ablaufs der Frist gemäß § 45 Abs 3 SGB X nicht in Betracht. Der GdB könne nicht unter 30 abgesenkt werden. Der Bescheid werde gemäß § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Streitverfahrens.

5

Nachdem der Kläger während des Klageverfahrens im Juli 2007 wegen behaupteter Verschlimmerung beim Beklagten einen weiteren Änderungsantrag gestellt hatte, ordnete das SG auf Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 19.2.2008 ein Ruhen des Verfahrens an. Nach Einholung verschiedener Berichte der behandelnden Ärzte sowie Beiziehung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme, die einen GdB von 20 vorschlug, entschied der Beklagte mit Bescheid vom 2.2.2009, dass der Bescheid vom 10.3.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 in der Gestalt des Bescheides vom 1.3.2007 nicht geändert werde, weil die Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers weiterhin keinen höheren GdB als 30 bedingten. Der Bescheid werde gemäß § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Streitverfahrens.

6

Nach Wiederaufnahme des Klageverfahrens - unter dem Az S 24 SB 31/09 - hat das SG von Amts wegen zunächst mehrere Befundberichte und danach ein Gutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Ba. vom 21.12.2011 eingeholt. Zusammenfassend hat die Sachverständige ausgeführt: Der im November 2002 festgestellte Gesamt-GdB von 30 sei aufgrund der seinerzeit vorliegenden Befunde (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, Knorpelschäden der Kniegelenke, Funktionseinschränkung der Füße, Fettleber, Nierenfehlbildung links) nicht nachvollziehbar. Seit November 2002 hätten die beim Kläger bestandenen Beschwerden zugenommen. Im Vordergrund des heutigen Beschwerdebildes (erstmals vom Kläger mit Schreiben vom 20.7.2007 angegeben) stünde das Bronchialasthma mit allergischer Rhinitis und Konjunktivitis. Hierfür sei ein GdB von 20 angemessen. Sie halte heute einen Gesamt-GdB von 30 für gerechtfertigt.

7

In der mündlichen Verhandlung des SG am 30.5.2012 hat die Vorsitzende darauf hingewiesen, dass der Bescheid des Beklagten vom 1.3.2007 bezüglich der Rücknahme des Bescheides vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 rechtmäßig sei. Der Kläger hat daraufhin beantragt,

        

den Bescheid vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 in der Fassung des Rücknahmebescheides vom 1.3.2007 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, seinen Bescheid vom 21.1.2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5.11.2002 dahingehend zu ändern, dass bei ihm (dem Kläger) ab 10.7.2007 ein GdB von 40 festgestellt wird.

8

Mit Urteil vom selben Tag (30.5.2012) hat das SG dem Klageantrag entsprochen. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt:

9

Die zulässige Klage sei begründet. Gegenstand des Verfahrens seien der Bescheid vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 und der Rücknahmebescheid vom 1.3.2007. Der Bescheid des Beklagten vom 2.2.2009 sei hingegen nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, da er keinen streitgegenständlichen Bescheid ändere oder ersetze. Zu Unrecht habe der Beklagte die Aufhebung des Bescheides vom 5.11.2002 mit Wirkung für die Zukunft abgelehnt. Denn in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers, die zum Zeitpunkt der Erteilung dieses Bescheides vorgelegen hätten, sei eine Änderung eingetreten, die die Erhöhung des GdB rechtfertige. Die gemäß § 48 SGB X vorzunehmende Prüfung beschränke sich darauf, ob in der Höhe des mit Bescheid vom 5.11.2002 festgestellten Gesamt-GdB (von 30) eine Änderung in der Gestalt eingetreten sei, dass die im Gesundheitszustand des Klägers seither eingetretenen Verschlimmerungen diesen GdB um mindestens 10 erhöhten. Das sei nach Überzeugung der Kammer der Fall. Dem Bescheid vom 5.11.2002 hätten für die Feststellung eines GdB von 30 eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, Knorpelschäden der Kniegelenke und eine Funktionseinschränkung der Füße, eine Fettleber und Nierenfehlbildung zugrunde gelegen.

10

Soweit der Beklagte mit Bescheid vom 10.3.2005 beim Kläger ab Dezember 2004 einen GdB von 40 festgestellt habe, sei dieser Bescheid von Anbeginn rechtswidrig, sodass ihn der Beklagte während des laufenden Klageverfahrens zu Recht mit Bescheid vom 1.3.2007 aufgehoben habe. Der Bescheid des Beklagten vom 1.3.2007 werde auch vom Kläger nicht beanstandet.

11

Hiervon ausgehend habe das Gericht zu prüfen, ob seit Feststellung eines GdB von 30 mit Bescheid vom 5.11.2002 möglicherweise zu einem Zeitpunkt nach Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 eine Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten sei, die die Erhöhung des GdB rechtfertige. Das sei der Fall, denn beim Kläger sei ein Bronchialasthma hinzugetreten, dessen Auswirkungen in jedem Fall zur Erhöhung des Gesamt-GdB führen müsse. Dies ergebe sich insbesondere aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der Sachverständigen Dr. Ba.

12

Die Bewertung dieser Gesundheitsstörung durch die Sachverständige mit einem Einzel-GdB von 20 sei auch angesichts der Nr 26.8 der hier noch zu berücksichtigenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) angemessen.

13

Der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, diese ab Juli 2007 durch Hinzutreten der Lungenerkrankung nachweisbare Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers unberücksichtigt zu lassen, um den nicht mehr rücknehmbaren Bescheid vom "20.2.2002" (gemeint 5.11.2002) zu korrigieren. Zumindest dann, wenn das ehemals festgestellte Ausmaß einer einzigen Gesundheitsstörung das alleinige tragende Element der Gesamt-GdB-Feststellung gewesen sei, rechtfertige dies nicht, eine "stille Abschmelzung" in dem Sinne vorzunehmen, dass weitere, neu hinzugetretene Gesundheitsstörungen solange nicht berücksichtigt würden, bis das nun für gerechtfertigt erachtete Ausmaß der Beeinträchtigung dem seiner Zeit festgestellten Gesamt-GdB entspreche.

14

Zunächst sei festzustellen, dass die in § 45 Abs 3 S 1 und Abs 4 SGB X geregelte Frist für eine Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Bescheides vom "21.1.2002" (gemeint 5.11.2002) bereits abgelaufen sei. Soweit nunmehr zu prüfen sei, ob aufgrund des Eintritts einer vom Kläger geltend gemachten wesentlichen Änderung durch Hinzutreten einer Lungenerkrankung dieser Bescheid mit Wirkung für die Zukunft, nämlich ab 10.7.2007 aufzuheben sei, habe das Gericht festzustellen, inwieweit sich eine Änderung ergeben habe. Ausgehend von dem ursprünglich zu hoch festgesetzten Gesamt-GdB sei demnach trotz der Rechtswidrigkeit der GdB in dem Ausmaß zu erhöhen, in dem sich tatsächlich eine Änderung im Gesundheitszustand eingestellt habe. Etwas anderes würde sich allein dann ergeben, wenn der Beklagte einen auf § 48 Abs 3 SGB X basierenden "Abschmelzungsbescheid" erteilt hätte, was hier nicht geschehen sei. Dass § 48 Abs 3 SGB X auch für Feststellungen zur Höhe des GdB gelte, habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits in seinem Urteil vom 19.9.2000 - B 9 SB 3/00 R entschieden.

15

Mit Beschluss vom 24.10.2012, zugestellt am 5.11.2012, hat das SG die Sprungrevision gegen das Urteil vom 30.5.2012 zugelassen.

16

Am 15.11.2012 hat der Beklagte beim BSG Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 48 Abs 3 SGB X. Entgegen der Auffassung des SG finde § 48 Abs 3 SGB X auf die Feststellung des GdB im Schwerbehindertenrecht nur entsprechend in dem Sinne Anwendung, dass die Verwaltung insofern auch ohne ausdrückliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts nach § 48 Abs 3 SGB X berechtigt und verpflichtet sei, bei einer nachträglichen Änderung der bei Erlass der rechtswidrigen, bestandskräftig gewordenen Entscheidung zur Höhe des GdB maßgebend gewesenen Verhältnisse, den nunmehr tatsächlich vorliegenden GdB festzustellen. Dies ergebe sich insbesondere aus § 69 Abs 1 S 3 SGB IX, wonach die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt würden. Er - der Beklagte - gehe davon aus, dass es mit dieser Vorschrift grundsätzlich unvereinbar sei, einen GdB festzustellen oder zu belassen, der die vorliegenden Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft übersteige.

17

Das BSG habe in dem durch das SG angeführten Urteil vom 19.9.2000 - B 9 SB 3/00 R - im Hinblick auf die Berücksichtigung eines fehlerhaft festgestellten GdB bei der Ermittlung des neuen, aufgrund des Hinzutritts eines Leidens zu beurteilenden Gesamt-GdB unter anderem ausgeführt, dass es sich bei einer derartigen Neufestsetzung im Rahmen einer auf § 48 Abs 1 SGB X gestützten Aufhebung wegen einer Änderung der Verhältnisse zugunsten des Betroffenen nicht um eine reine Hochrechnung des im alten Bescheid festgestellten Gesamt-GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Leiden handele. An anderer Stelle weise das BSG im gleichen Urteil darauf hin, dass das Gesetz die Möglichkeit der Korrektur eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung jedenfalls ausdrücklich nur mit dem in § 48 Abs 3 SGB X geregelten Verfahren bereitstelle. Das BSG beziehe sich dabei auf die Entscheidung vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 -, in der das BSG ebenfalls bereits auf die entsprechende Anwendung von § 48 Abs 3 SGB X auch im Schwerbehindertenrecht verwiesen habe.

18

Keine Aussage finde sich in den genannten Urteilen des BSG zu der Frage, ob die Feststellung des tatsächlich vorliegenden GdB in entsprechender Anwendung von § 48 Abs 3 SGB X einen ausdrücklich auf dieser Vorschrift basierenden Abschmelzungsbescheid voraussetze. Die Antwort auf diese Rechtsfrage ergebe sich nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz. Sie stehe auch praktisch nicht außer Zweifel. Allerdings werde die Auffassung des SG, wie von diesem ausgeführt, auch durch das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8.9.2004 - L 10 SB 82/03 - vertreten.

19

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Frankfurt/Oder vom 30. Mai 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

20

Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

21

Er schließt sich dem angefochtenen Urteil an.

22

Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 3.4.2013 darauf hingewiesen, dass der Bescheid des Beklagten vom 1.3.2007 den Satz enthält: "Die Bescheide vom 05.11.2002 sowie vom 10.03.2005 sind rechtswidrig, da mit ihnen ein GdB von 30 bzw. 40 festgestellt wurde."

Entscheidungsgründe

23

Die Revision des Beklagten ist zulässig. Sie ist aufgrund ihrer Zulassung durch den Beschluss des SG vom 24.10.2012 statthaft und vom Beklagten form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Revisionsbegründung genügt zudem inhaltlich den Anforderungen gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG.

24

Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das SG begründet.

25

Der Sachentscheidung durch das Revisionsgericht stehen keine Hindernisse entgegen. Insbesondere ist die Klage zulässig. Sie ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 SGG statthaft(s BSG SozR 3-3870 § 3 Nr 9 S 21 f; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 11). Sie richtet sich gegen den Bescheid vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 und weiter in der Fassung des Bescheides vom 1.3.2007. Soweit der Beklagte mit dem Bescheid vom 1.3.2007 den Bescheid vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben hat, als darin ein GdB von mehr als 30 zuerkannt war, hat der Kläger nach dem Hinweis des SG in der mündlichen Verhandlung die ursprünglich auch dagegen gerichtete Klage nicht weiter aufrechterhalten, denn er hat seinen Klageantrag danach nur noch auf eine "teilweise" Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte und auf die Verurteilung des Beklagten zur Änderung des Bescheides vom 5.11.2002 dahin gerichtet, dass der GdB ab 10.7.2007 (wieder) mit 40 festzustellen sei.

26

Gegenstand der Klage ist danach ein Anspruch auf Feststellung des GdB mit 40 ab Juli 2007 aufgrund einer Veränderung (Verschlimmerung) desjenigen Gesundheitszustandes, der dem Bescheid vom 5.11.2002 zugrunde gelegen hat. Diesem Anspruch steht der Bescheid des Beklagten vom 10.3.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 und weiter in der Fassung des Bescheides vom 1.3.2007 entgegen, sodass der Kläger iS des § 54 Abs 1 S 2 SGG beschwert ist.

27

Soweit der Beklagte auf den Änderungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 2.2.2009 entschieden hat, dass der Bescheid vom 10.3.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 und des Bescheides vom 1.3.2007 nicht geändert werde, ist dieser Verwaltungsakt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Denn er enthält gerade keine Änderung oder Ersetzung der bereits angefochtenen Verwaltungsakte. Zwar wäre er wohl nach der zu § 96 SGG in der bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung ergangenen Rechtsprechung des BSG als Gegenstand des Klageverfahrens anzusehen gewesen; dies gilt jedoch nicht nach der zum 1.4.2008 erfolgten Einschränkung der Anwendbarkeit ("nur dann") der Vorschrift (vgl BSG Beschluss vom 30.9.2009 - B 9 SB 19/09 B - juris).

28

Unabhängig davon hindert es der Bescheid vom 2.2.2009 nicht, den Beklagten auf die gegen die Bescheide vom 10.3.2005 und 1.3.2007 gerichtete Anfechtungs- und Verpflichtungsklage wegen einer im Juli 2007 eingetretenen Änderung der Verhältnisse zur Feststellung eines höheren GdB zu verurteilen. Der Bescheid vom 2.2.2009 entfaltet insoweit keine Sperrwirkung. Seine Erteilung war entbehrlich, weil der im Juli 2007 gestellte Änderungsantrag des Klägers wegen des anhängigen Klageverfahrens nicht erforderlich war. Denn das Tatsachengericht hat bei einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich alle bis zum Zeitpunkt seiner Entscheidung eintretenden entscheidungsrelevanten neuen Tatsachen zu berücksichtigen (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 34 mwN). Dies gilt auch hinsichtlich der Feststellung des GdB nach dem Schwerbehindertenrecht. Daran ändert ein zwischenzeitlich ergangener Verwaltungsakt nichts, der einen Neufeststellungsantrag ablehnt. Anders verhält es sich allerdings dann, wenn der Kläger sein Klagebegehren daraufhin zeitlich begrenzt. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

29

Ob die angefochtenen Bescheide vom 10.3.2005 und 1.3.2007 rechtswidrig sind, weil der Kläger eine Erhöhung des GdB auf 40 ab Juli 2007 beanspruchen kann, vermag der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Hierzu bedarf es weiterer Tatsachenfeststellungen des SG. Entgegen der Auffassung des SG hat der Kläger nicht schon deswegen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 40, weil der mit Bescheid vom 5.11.2002 bindend festgestellte GdB von 30 infolge des im Juli 2007 hinzugekommenen Lungenleidens entsprechend zu erhöhen wäre.

30

Grundlage für die beanspruchte teilweise Aufhebung des Bescheides vom 5.11.2002 mit Wirkung ab Juli 2007 ist § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (eingehend hierzu für das Schwerbehindertenrecht BSG Urteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 5/95 - BSGE 79, 223, 225 = SozR 3-1300 § 48 Nr 57). Von einer solchen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl BSG Urteil vom 11.11.2004 - B 9 SB 1/03 R - juris RdNr 12). Das Hinzutreten weiterer Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 bleibt allerdings regelmäßig ohne Auswirkung auf den Gesamt-GdB (BSG Urteil vom 24.6.1998 - B 9 SB 18/97 - juris). Gemäß § 48 Abs 1 S 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt(§ 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X).

31

Bei dem Bescheid vom 5.11.2002 über die Feststellung eines GdB von 30 nach dem Schwerbehindertenrecht handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 69 SGB IX RdNr 10; stRspr des BSG s Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - BSGE 60, 287 = SozR 1300 § 48 Nr 29; Urteil vom 19.9.2000 - B 9 SB 3/00 R - BSGE 87, 126 = SozR 3-1300 § 45 Nr 43; BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2 und BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9). In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, ist nach den Feststellungen des SG eine Änderung eingetreten. Denn der Kläger ist seit Juli 2007 zusätzlich und dauerhaft an einem Lungenleiden erkrankt, und dieses ist mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Die insoweit vom SG festgestellten Tatsachen, die gemäß § 161 Abs 4 SGG im Rahmen der Sprungrevision nicht angegriffen werden können, werden vom Beklagten als solche nicht in Zweifel gezogen. Ob diese Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen rechtlich wesentlich iS des § 48 Abs 1 SGB X ist, kann der Senat derzeit nicht beurteilen.

32

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist zunächst rechtlich davon auszugehen, dass mit dem Bescheid vom 5.11.2002 ein Gesamt-GdB von 30 auf Dauer festgestellt worden ist. Hieran ist auch der Beklagte gebunden, und zwar innerhalb des durch § 39 SGB X und § 77 SGG gesetzten Rahmens in seiner Eigenschaft als Träger des Verwaltungsverfahrens(von Wulffen in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 12 RdNr 4) und als zuständige Stelle für den Erlass des Verwaltungsakts. Das bedeutet, dass die Regelung des Verwaltungsakts für die erlassende Behörde und die Beteiligten iS des § 12 SGB X grundsätzlich verbindlich ist(Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, vor § 39 RdNr 3 mwN). § 39 Abs 2 SGB X bestimmt, dass ein - gemäß § 39 Abs 1 SGB X wirksam erlassener - Verwaltungsakt wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Nach § 77 SGG ist, wenn der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird, der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist (materielle Bestandskraft). Gerade wegen der Schutzwirkungen, die sich aus der Bindungswirkung für die von dem Verwaltungsakt betroffenen Person ergeben, muss die den Verwaltungsakt erlassende Stelle ebenfalls daran gebunden sein.

33

Vorschriften, die die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts (materielle Bestandskraft) iS des § 77 SGG durchbrechen ("soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist"), enthält das SGB X im 2. Titel des 3. Abschnitts ("Bestandskraft des Verwaltungsaktes"). Diese sehen die Rücknahme (§§ 44, 45), den Widerruf (§§ 46, 47) und die Aufhebung (§ 48) eines Verwaltungsaktes vor (s auch § 39 Abs 2 SGB X). Hinzu kommen vereinzelte speziell auf Verwaltungsakte ausgerichtete Vorschriften in anderen Gesetzen, wie zB § 60 Abs 4 Bundesversorgungsgesetz, die hier jedoch nicht einschlägig sind.

34

§ 69 SGB IX, der durchaus auch verfahrensrechtliche Regelungen über die Feststellung der Behinderung und die Ausstellung der Ausweise enthält (zB das jeweilige Antragserfordernis), trifft indes keinerlei verfahrensrechtliche Bestimmungen über die Rücknahme, den Widerruf oder die Aufhebung der in § 69 Abs 1 S 1 SGB IX vorgeschriebenen Feststellungen über das Vorliegen einer Behinderung und des GdB. Er lässt auch nicht erkennen, dass er die Regelungen im SGB X ganz oder teilweise verdrängt.

35

Speziell zum Verwaltungsakt über die Feststellung des GdB und zu dessen Bindungswirkung bei späterem Hinzutreten einer dauerhaften Gesundheitsstörung (Behinderung gemäß § 2 SGB IX) hat das BSG schon unter Geltung des Schwerbehindertengesetzes entschieden, dass eine ursprünglich unrichtige Entscheidung unter Beachtung ihrer Bestandskraft grundsätzlich nicht korrigiert werden darf, vielmehr hierbei die Vorschriften der §§ 48 und 45 SGB X maßgeblich sind(Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - BSGE 60, 287 = SozR 1300 § 48 Nr 29). Durch § 48 Abs 3 SGB X ist nach diesem Urteil die Verwaltung auch im Recht der sozialen Entschädigung und im Recht der Schwerbehinderten ermächtigt worden, anlässlich einer nachträglichen Änderung eines Teils der maßgebend gewesenen Verhältnisse möglicherweise bestandskräftig gewordene Feststellungen über Schädigungsfolgen oder Behinderungen und über ihre Auswirkungen mit der wirklichen Sachlage in Einklang zu bringen(BSGE 60, 287, 291 = SozR 1300 § 48 Nr 29 S 89). Mit Urteil vom 19.9.2000 (- B 9 SB 3/00 R - BSGE 87, 126 = SozR 3-1300 § 45 Nr 43)hat das BSG bekräftigt, dass ein Feststellungsbescheid, der rechtswidrigerweise den GdB zu hoch festgestellt hat, entweder nach § 45 SGB X - teilweise - zurückzunehmen ist, oder, wenn dies nicht mehr möglich ist, gemäß § 48 Abs 3 SGB X "abgeschmolzen" werden kann. Wird diese Möglichkeit der Abschmelzung nicht wahrgenommen, kann die unterbliebene Abschmelzung nicht bei einer zukünftigen Änderung der Verhältnisse nachgeholt werden (BSGE 87, 126, 130 = SozR 3-1300 § 45 Nr 43 S 146; s auch Steinwedel in Kasseler Komm, Stand Dezember 2012, § 48 SGB X RdNr 29 mwN).

36

Dem Beklagten ist zuzugeben, dass das BSG bisher nicht ausdrücklich entschieden hat, dass über die Abschmelzung eines überhöht festgestellten GdB gemäß oder entsprechend § 48 Abs 3 SGB X durch Verwaltungsakt zu entscheiden ist. Andererseits ist es offensichtlich, dass die nach § 48 Abs 3 SGB X gesetzlich erlaubten Rechtswirkungen im Einzelfall(s § 31 SGB X) durch Verwaltungsakt zu regeln sind. Dies ergibt sich zwingend aus der Rechtsnatur der Abschmelzung als Eingriff in einen durch Verwaltungsakt bindend zuerkannten Rechtszustand - hier die Höhe des festgestellten GdB. Für zu hoch berechnete Sozialleistungen ist schon seit der Entscheidung des BSG vom 22.6.1988 (- 9/9a RV 46/86 - BSGE 63, 266 = SozR 3642 § 9 Nr 3) geklärt, dass sie erst dann von der Erhöhung durch ein Anpassungsgesetz (als wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse) ausgespart werden dürfen, wenn durch Verwaltungsakt wirksam festgestellt ist, dass die ursprüngliche Leistungsbewilligung rechtswidrig ist. Was für eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse gilt, hat gleichermaßen auch für eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zu gelten. Ebenso besteht im Rahmen des § 48 Abs 1 SGB X kein Unterschied zwischen der rechtswidrigen Gewährung überhöhter Leistungen und der Feststellung eines zu hohen GdB.

37

Die Korrektur der Folgen eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 48 Abs 3 SGB X setzt mithin eine entsprechende ausdrückliche Verwaltungsentscheidung voraus. Die Vorschrift ist wegen der erforderlichen konstitutiven Feststellung durch die Verwaltung auch nicht eigenständig durch die Gerichte dergestalt anwendbar, dass diese eine Klage auf eine höhere Leistung oder auf Feststellung eines höheren GdB von sich aus unter Hinweis auf § 48 Abs 3 SGB X abweisen dürften(Steinwedel, aaO, RdNr 29 und 69). Dementsprechend darf die Verwaltung § 48 Abs 3 SGB X nicht stillschweigend ("freihändig") anwenden, sondern muss eine förmliche Entscheidung in Gestalt eines Verwaltungsaktes treffen, der seinerseits angefochten werden kann.

38

Konstitutiv für eine Entscheidung nach § 48 Abs 3 SGB X ist die durch Verwaltungsakt vorzunehmende Feststellung, dass und in welchem Umfang die ursprüngliche Bewilligung oder Feststellung rechtswidrig ist(Steinwedel, aaO, RdNr 67, 68 mwN; vgl insbesondere BSGE 63, 266 = SozR 3642 § 9 Nr 3; BSGE 94, 133 = SozR 4-3200 § 81 Nr 2, RdNr 7). Die Entscheidung über eine Ablehnung der Erhöhung der Leistung oder der Erhöhung des GdB kann - aus gegebenem Anlass - später getroffen werden.

39

Obwohl der Beklagte - zu Unrecht - die Auffassung vertritt, § 48 Abs 3 SGB X auch ohne die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ursprungsbescheides anwenden zu können, hat er eine entsprechende Entscheidung im angefochtenen Bescheid vom 1.3.2007 getroffen. Darin hat er nämlich wörtlich erklärt, dass die Bescheide vom 5.11.2002 und 10.3.2005 rechtswidrig seien, da mit ihnen ein GdB von 30 bzw 40 festgestellt worden sei und die bestehenden Beeinträchtigungen nur einen GdB von 10 rechtfertigten. Obwohl sich diese Erklärungen des Beklagten im Begründungsteil des Bescheides vom 1.3.2007 befinden, handelt es sich um eine Regelung iS des § 31 SGB X, denn der Beklagte wollte den Kläger verbindlich auf die Rechtswidrigkeit der im Bescheid vom 5.11.2002 getroffenen Feststellung des GdB auf 30 hinweisen. Zudem konnte der Kläger als Adressat des Bescheides vom 1.3.2007 die Regelungsabsicht des Beklagten auch eindeutig und ohne Weiteres erkennen. Es war klar, dass der Beklagte in Zukunft davon ausgehen wollte, dass der Bescheid vom 5.11.2002 rechtswidrig sei, soweit darin ein GdB festgestellt worden ist. Nach seiner Beurteilung lag beim Kläger nur ein GdB von 10 vor, der keine Feststellung nach § 69 SGB IX ermöglichte.

40

Diese im Bescheid vom 1.3.2007 enthaltene Feststellung ist vom Kläger in vollem Umfang angefochten worden und damit Gegenstand des Klageverfahrens. Insofern unterliegt es der gerichtlichen Entscheidung, ob der Beklagte zu Recht eine entsprechende Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 5.11.2002 angenommen hat. Da das SG von der Bindung des Bescheides vom 5.11.2002 hinsichtlich der Feststellung des GdB mit 30 ausgegangen ist, hat es zur zutreffenden Höhe des GdB zu diesem Zeitpunkt keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Auf diese Feststellungen kommt es hier an. Sofern nämlich der Verwaltungsakt des Beklagten über die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 5.11.2002 Bestand hat, ermöglicht er die Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X bei der Berücksichtigung der im Juli 2007 eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers in der Weise, dass die Feststellung eines GdB von 40 nur dann in Betracht käme, wenn dies nach der tatsächlichen Teilhabebeeinträchtigung des Klägers gerechtfertigt wäre.

41

Da dem Revisionsgericht die fehlenden Feststellungen nicht möglich sind (§ 163 SGG), muss die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen werden. Das SG wird bei seiner abschließenden Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muß, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 642, 916, 1 174, 1 524 oder 1 876 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I.

(2) Wird fremde Hilfe im Sinne des Absatzes 1 von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet und übersteigen die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wird die Pflegezulage um den übersteigenden Betrag erhöht. Leben Beschädigte mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft, ist die Pflegezulage so zu erhöhen, dass sie nur ein Viertel der von ihnen aufzuwendenden angemessenen Kosten aus der pauschalen Pflegezulage zu zahlen haben und ihnen mindestens die Hälfte der pauschalen Pflegezulage verbleibt. In Ausnahmefällen kann der verbleibende Anteil bis zum vollen Betrag der pauschalen Pflegezulage erhöht werden, wenn Ehegatten, Lebenspartner oder ein Elternteil von Pflegezulageempfängern mindestens der Stufe V neben den Dritten in außergewöhnlichem Umfang zusätzliche Hilfe leisten. Entstehen vorübergehend Kosten für fremde Hilfe, insbesondere infolge Krankheit der Pflegeperson, ist die Pflegezulage für jeweils höchstens sechs Wochen über Satz 2 hinaus so zu erhöhen, dass den Beschädigten die pauschale Pflegezulage in derselben Höhe wie vor der vorübergehenden Entstehung der Kosten verbleibt. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Elternteil nicht nur vorübergehend keine Pflegeleistungen erbringt; § 40a Abs. 3 Satz 3 gilt.

(3) Während einer stationären Behandlung wird die Pflegezulage nach den Absätzen 1 und 2 Empfängern von Pflegezulage nach den Stufen I und II bis zum Ende des ersten, den übrigen Empfängern von Pflegezulage bis zum Ablauf des zwölften auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt.

(4) Über den in Absatz 3 bestimmten Zeitpunkt hinaus wird die Pflegezulage während einer stationären Behandlung bis zum Ende des Kalendermonats vor der Entlassung nur weitergezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte erhalten ein Viertel der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder der Elternteil bis zum Beginn der stationären Behandlung zumindest einen Teil der Pflege wahrgenommen hat. Daneben wird die Pflegezulage in Höhe der Kosten weitergezahlt, die aufgrund eines Pflegevertrages entstehen, es sei denn, die Kosten hätten durch ein den Beschädigten bei Abwägung aller Umstände zuzumutendes Verhalten, insbesondere durch Kündigung des Pflegevertrages, vermieden werden können. Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III erhalten, soweit eine stärkere Beteiligung der schon bis zum Beginn der stationären Behandlung unentgeltlich tätigen Pflegeperson medizinisch erforderlich ist, abweichend von Satz 2 ausnahmsweise Pflegezulage bis zur vollen Höhe nach Absatz 1, in Fällen des Satzes 3 jedoch nicht über den nach Absatz 2 Satz 2 aus der pauschalen Pflegezulage verbleibenden Betrag hinaus.

(5) Tritt Hilflosigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gleichzeitig mit der Notwendigkeit stationärer Behandlung oder während einer stationären Behandlung ein, besteht für die Zeit vor dem Kalendermonat der Entlassung kein Anspruch auf Pflegezulage. Für diese Zeit wird eine Pflegebeihilfe gezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte, die mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten eine Pflegebeihilfe in Höhe eines Viertels der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I. Soweit eine stärkere Beteiligung der Ehegatten, Lebenspartner oder eines Elternteils oder die Beteiligung einer Person, die den Beschädigten nahesteht, an der Pflege medizinisch erforderlich ist, kann in begründeten Ausnahmefällen eine Pflegebeihilfe bis zur Höhe der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I gezahlt werden.

(6) Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege im Sinne des Absatzes 1 bedürfen, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht sichergestellt werden kann, die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege, soweit sie Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen. Jedoch ist den Beschädigten von ihren Versorgungsbezügen zur Bestreitung der sonstigen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und den Angehörigen ein Betrag mindestens in Höhe der Hinterbliebenenbezüge zu belassen, die ihnen zustehen würden, wenn Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben wären. Bei der Berechnung der Bezüge der Angehörigen ist auch das Einkommen der Beschädigten zu berücksichtigen, soweit es nicht ausnahmsweise für andere Zwecke, insbesondere die Erfüllung anderer Unterhaltspflichten, einzusetzen ist.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.

(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch

a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung,
b)
eine Kriegsgefangenschaft,
c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit,
d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist,
e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen,
f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.

(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.

(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muß, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 642, 916, 1 174, 1 524 oder 1 876 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I.

(2) Wird fremde Hilfe im Sinne des Absatzes 1 von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet und übersteigen die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wird die Pflegezulage um den übersteigenden Betrag erhöht. Leben Beschädigte mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft, ist die Pflegezulage so zu erhöhen, dass sie nur ein Viertel der von ihnen aufzuwendenden angemessenen Kosten aus der pauschalen Pflegezulage zu zahlen haben und ihnen mindestens die Hälfte der pauschalen Pflegezulage verbleibt. In Ausnahmefällen kann der verbleibende Anteil bis zum vollen Betrag der pauschalen Pflegezulage erhöht werden, wenn Ehegatten, Lebenspartner oder ein Elternteil von Pflegezulageempfängern mindestens der Stufe V neben den Dritten in außergewöhnlichem Umfang zusätzliche Hilfe leisten. Entstehen vorübergehend Kosten für fremde Hilfe, insbesondere infolge Krankheit der Pflegeperson, ist die Pflegezulage für jeweils höchstens sechs Wochen über Satz 2 hinaus so zu erhöhen, dass den Beschädigten die pauschale Pflegezulage in derselben Höhe wie vor der vorübergehenden Entstehung der Kosten verbleibt. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Elternteil nicht nur vorübergehend keine Pflegeleistungen erbringt; § 40a Abs. 3 Satz 3 gilt.

(3) Während einer stationären Behandlung wird die Pflegezulage nach den Absätzen 1 und 2 Empfängern von Pflegezulage nach den Stufen I und II bis zum Ende des ersten, den übrigen Empfängern von Pflegezulage bis zum Ablauf des zwölften auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt.

(4) Über den in Absatz 3 bestimmten Zeitpunkt hinaus wird die Pflegezulage während einer stationären Behandlung bis zum Ende des Kalendermonats vor der Entlassung nur weitergezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte erhalten ein Viertel der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder der Elternteil bis zum Beginn der stationären Behandlung zumindest einen Teil der Pflege wahrgenommen hat. Daneben wird die Pflegezulage in Höhe der Kosten weitergezahlt, die aufgrund eines Pflegevertrages entstehen, es sei denn, die Kosten hätten durch ein den Beschädigten bei Abwägung aller Umstände zuzumutendes Verhalten, insbesondere durch Kündigung des Pflegevertrages, vermieden werden können. Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III erhalten, soweit eine stärkere Beteiligung der schon bis zum Beginn der stationären Behandlung unentgeltlich tätigen Pflegeperson medizinisch erforderlich ist, abweichend von Satz 2 ausnahmsweise Pflegezulage bis zur vollen Höhe nach Absatz 1, in Fällen des Satzes 3 jedoch nicht über den nach Absatz 2 Satz 2 aus der pauschalen Pflegezulage verbleibenden Betrag hinaus.

(5) Tritt Hilflosigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gleichzeitig mit der Notwendigkeit stationärer Behandlung oder während einer stationären Behandlung ein, besteht für die Zeit vor dem Kalendermonat der Entlassung kein Anspruch auf Pflegezulage. Für diese Zeit wird eine Pflegebeihilfe gezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte, die mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten eine Pflegebeihilfe in Höhe eines Viertels der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I. Soweit eine stärkere Beteiligung der Ehegatten, Lebenspartner oder eines Elternteils oder die Beteiligung einer Person, die den Beschädigten nahesteht, an der Pflege medizinisch erforderlich ist, kann in begründeten Ausnahmefällen eine Pflegebeihilfe bis zur Höhe der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I gezahlt werden.

(6) Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege im Sinne des Absatzes 1 bedürfen, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht sichergestellt werden kann, die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege, soweit sie Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen. Jedoch ist den Beschädigten von ihren Versorgungsbezügen zur Bestreitung der sonstigen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und den Angehörigen ein Betrag mindestens in Höhe der Hinterbliebenenbezüge zu belassen, die ihnen zustehen würden, wenn Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben wären. Bei der Berechnung der Bezüge der Angehörigen ist auch das Einkommen der Beschädigten zu berücksichtigen, soweit es nicht ausnahmsweise für andere Zwecke, insbesondere die Erfüllung anderer Unterhaltspflichten, einzusetzen ist.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. August 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Streitig ist, ob bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens Bl (Blindheit) vorliegen.
Die am … 1963 geborene Klägerin ist nach eigenen Angaben gelernte Schneiderin, arbeitete zuletzt aber als Endkontrolleurin im Verlagswesen und stellte hier Formulare und schriftliche Unterlagen für den jeweiligen Kunden zusammen. Aufgrund eines 2010 erlittenen Bandscheibenvorfalles ist sie derzeit berentet. Sie stellte am 25.05.2010 einen Erstantrag nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Im Antragsformular gab sie u. a. als Gesundheitsstörung eine Sehschärfe von 10 % auf beiden Augen an. Auf Anfrage des Beklagten teilte der Hausarzt Dr. W. mit Schreiben vom 27.06.2010 mit, es liege bei der Klägerin seit der Kindheit eine schwere Myopie vor, die zu einer zunehmenden Sehbehinderung durch myopische Makuladegeneration führe. Beigefügt war der Befundbericht des Universitätsklinikums M. vom 25.02.2010, in dem über eine ambulante Vorstellung der Klägerin am 08.01.2010 mit dem Wunsch einer Verbesserung des Sehvermögens berichtet wurde. Gemessen wurde eine Sehschärfe rechts von 0,5 und links von 0,1. Die vorderen Augenabschnitte waren unauffällig. Am hinteren Pol fanden sich links mehr als rechts ausgeprägte Dehnungsherde sowie eine myopische Makuladegeneration. Außerdem wurde in dem Bericht ausgeführt, dass harte Kontaktlinsen gut vertragen würden und von einer Operation abgeraten worden sei, da es der Klägerin primär um eine Sehverbesserung gegangen sei, die hierdurch jedoch nicht hätte erreicht werden können.
Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme (Sehminderung Teil-GdB 50, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden Teil-GdB 20, Migräne Teil-GdB 10, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke Teil-GdB 10, Gesamt-GdB 60) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 17.08.2010 den Grad der Behinderung (GdB) mit 60 fest, lehnte aber u. a. die Feststellung des Merkzeichens Bl ab.
Am 08.09.2010 beantragte die Klägerin die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung der Merkzeichen G, B sowie RF. Auch hier gab die Klägerin im Antragsformular an, dass die „Sehsicht“ nur noch 10 % betrage. Als weitere Gesundheitsstörung benannte die Klägerin psychische Probleme.
Der Beklagte legte diesen Antrag als Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.08.2010 aus und holte bei dem Neurologen und Psychiater Dr. Z. den Befundschein vom 08.10.2010 ein. Dieser hielt aufgrund der von ihm diagnostizierten C6-Wurzelreizung rechts, des Bandscheibenvorfalls C5/6 rechts medio-lateral, zunehmender Minderung der Sehfähigkeit, depressiver Störung und somatoformer Störung aus nervenärztlicher Sicht einen GdB von 80 mit dem Merkzeichen B für angemessen.
Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme (Sehminderung Teil-GdB 50, seelische Störung Teil-GdB 40, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden Teil-GdB 20, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke Teil-GdB 10, Migräne Teil-GdB 10, Gesamt-GdB 80), stellte der Beklagte mit Teil-Abhilfebescheid vom 16.11.2010 den GdB mit 80 seit 25.05.2010 fest, lehnte hingegen die Anerkennung der Merkzeichen G, B und RF weiterhin ab.
Die Klägerin war mit dem Teil-Abhilfebescheid nicht einverstanden, bat um Erlass eines Widerspruchsbescheides und teilte am 17.12.2010 mit, sie benötige die Merkzeichen B, RF und Bl (Bl. 54 RS Behördenakten). Im Hinblick auf die von Dr. Z. angegebene Zunahme der Sehminderung holte der Beklagte bei dem Augenarzt O. den Befundschein vom 05.10.2010 ein, der darin mitteilte, am 03. und 08.09.2010 als Befund die Sehschärfen eB (eigene Brille) OD (oculus dexter = rechtes Auge) 0,2, OS (oculus sinister = linkes Auge) 0,2 sowie CL (Contaktlinsen) OD 0,2, OS 0,1 erhoben zu haben. Die vorderen Augenabschnitte seien beidseits reizfrei, brechende Medien klar und Contaktlinsen beidseits bene. Zu den hinteren Augenabschnitten wurde angegeben beidseits SSNE (schräger Sehnerveneintritt), myope Makuladegeneration sowie äquatoriale Degeneration. Hinsichtlich des Gesichtsfeldes (Perimetrie) wurde lediglich beim rechten Auge der Befund fehlender Skotome erhoben, zum linken Auge wurden keine Angaben gemacht. Außerdem legte die Klägerin den Befundbericht der Augenärztin E. vom 01.03.2011 zur Untersuchung vom 15.02.2011 vor, in dem ein Fernvisus mit Korrektur rechts 1/50 und links 1/50 angegeben wird. In der Goldmann-Perimetrie hätten sich beidseits allgemeine Einschränkungen gezeigt. Diagnostiziert wurde eine hochgradige Sehherabsetzung, eine Myopia magna beidseitig sowie eine myope Makuladegeneration beidseitig. In ihrer augenfachärztlichen Bescheinigung zur Gewährung von Blindenhilfe nach dem Landesblindengesetz bestätigte die Augenärztin E., dass die subjektiven Angaben mit dem objektiven Befund übereinstimmten und die medizinischen Voraussetzungen zur Erlangung der Blindenhilfe vorlägen, weil seit 15.02.2011 die Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 betrage.
Der Beklagte hat die Klägerin durch den Augenarzt Dr. B. begutachten lassen, der eine Vorstellung der Klägerin im Universitätsklinikum F. am 30.06.2011 veranlasste. Dort wurde die Sehschärfe beidseits mit „Fingerzählen“ umschrieben und beidseits eine trockene, links narbige Makuladegeneration bei hoher Myopie diagnostiziert. Außerdem wurden für beide Augen Gesichtsfeldeinschränkungen gemessen, wobei mit beiden Augen die Marken III/4, I/4, I/3 und I/2 erkannt wurden und am linken Auge ein Zentralskotom der Marke I/4 festgestellt wurde. Dr. B. teilte nach eigenen Untersuchungen am 05.05. und 19.07.2011 zur Vorgeschichte mit, die Klägerin sei schon lange hochgradig myop (ca. – 12,0), sei früher aber noch Auto ohne Gutachten gefahren, habe also mindestens noch über eine Sehschärfe von 0,7 verfügt, seit letztem Jahr bestehe eine starke Sehverschlechterung. Er setzte die Sehschärfe „Fingerzählen“ einer Sehminderung von < 1/50 (mit Fernbrille) gleich und beschrieb zum Gesichtsfeld beidseits eine deutliche Einengung für die Marke III/4, allerdings überlagert durch den mangelnden Myopieausgleich jenseits der 30° Glasrandbegrenzung und mit Hinweis darauf, dass die Klägerin keine Kontaktlinsen vertrage. Nach zentral werde beidseits die Marke I/3 erkannt und es bestehe kein sicheres Zentralskotom perimetrierbar. Die sehr schlechte Sehschärfe passe zu dem organischen Augenbefund mit beidseits ausgeprägter trockener AMD (Makuladegeneration). Erstaunlich gut werde auch nahe dem Zentrum die Gesichtsfeldmarke I/3 erkannt und an der Uni Augenklinik Freiburg sogar die Marke I/2. Es erscheine aber fast unmöglich, hier Diskrepanzen auszuräumen, da ein Visus-VEP bei derart niedrigen Sehschärfewerten keine verwertbare objektive Diskriminierung erlaube. Es bestehe Blindheit im Sinne des Gesetzes und der GdB betrage 100.
Der Beklagte holte sodann bei Prof Dr. R., Landesarzt für Sehbehinderte und Blinde in Baden-Württemberg, die Stellungnahme vom 18.09.2011 ein. Dieser wies darauf hin, dass dem Befundbericht der Augenärztin E. vom 01.03.2011 bei nur geringgradig eingeengten Außengrenzen in der Goldmann-Perimetrie ohne jegliches Zentralskotom die erhebliche weitere Sehverschlechterung bei unverändertem Befund am Augenhintergrund nicht entnommen werden könne. Auch die Untersuchung in der Universitäts-Augenklinik F. habe keine zentralen Ausfälle im Gesichtsfeld ergeben, sondern es sei im Gegenteil selbst eine sehr kleine Reizmarke (I/3) innerhalb von 10 bis 12 Grad erkannt worden. Schließlich habe die weitere Vorstellung bei Dr. B. ergeben, dass das Gesichtsfeld zentral erstaunlich unauffällig sei. Angesichts des recht plötzlichen Abfalls der Sehschärfe von 0,3 und 0,1 bzw. beidseits 0,2 im September und Oktober 2010 auf 1/50 und weniger im März 2011 bei bereits im Oktober 2010 angegebenen erheblichen Schwierigkeiten der Lebensführung falle vor allem auf, dass hierzu keine entsprechende Befundänderung beschrieben sei. Im Gegenteil seien die Gesichtsfeldbefunde gerade bezüglich des zentralen Gesichtsfeldes für eine so erhebliche Funktionseinschränkung untypisch. Korrekt sei, dass im Bereich der Grenzwerte der Blindheit auch ein spezielles VEP nur eine gewisse Aussagekraft habe und keineswegs eine sichere Sehschärfeneinschätzung erlaube. Es ergäben sich aus den Unterlagen allerdings doch erhebliche Zweifel, ob es wirklich zu einer Funktionsänderung gegenüber den Sehschärfewerten von 0,3 bis 0,1 gekommen sei. In diesem Bereich sei dann gegenüber den jetzt angegebenen Sehschärfewerten von deutlich unter 1/50 durchaus eine eindeutige Aussage mit objektiven Methoden denkbar. Er empfehle daher eine entsprechende gutachtliche Abklärung. Allein aufgrund der subjektiven Angaben halte er die Funktionsänderung nicht für ausreichend erklärt.
10 
Sodann beauftragte der Beklagte Prof. Dr. R. mit der entsprechenden augenärztlichen Begutachtung. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 15.11.2011 führte dieser in seinem Gutachten vom 12.01.2012 aus, dass die Klägerin an beiden Augen lediglich eine Sehschärfe von maximal 1/50 erkannt habe. Auch bei einem Simulationstest seien keine anderen Angaben gemacht worden, mit einer achtfachen Vergrößerung habe sie auch hier eine Sehschärfe von 0,05 erkannt. Demgegenüber seien in Übereinstimmung mit den früheren Untersuchungen bei der Goldmann-Perimetrie weitgehend freie Außengrenzen und kein nachweisbares Zentralskotom angegeben worden, selbst deutlich kleinere Reizmarken seien zentral erkannt worden. Hierzu passe auch, dass die Klägerin zwar mühsam, aber recht sicher in der Lage gewesen sei, beim Farbflecktest die Farbklötzchen anzuordnen. Dies sei bei einer Sehschärfe von 0,5/50 typischerweise nicht mehr möglich. Die elektrophysiologischen Untersuchungen hätten beim ERG einen völligen Normalbefund ergeben, wenn man die hochgradige Myopie berücksichtige. Das Muster-VEP habe ebenfalls eindeutige Reizantworten gezeigt. Insbesondere der Befund des VEP sei bei einer Sehschärfe von 1/50 oder weniger nicht zu erklären, sondern setze einen Visus von mindestens 0,1 zumindest am rechten Auge voraus, auch am linken Auge müsse ein Visus von mehr als 0,02 bestehen. Der morphologische Befund am Augenhintergrund zeige zwar deutliche Veränderungen im Bereich der Makula, die als Folgeveränderung der Kurzsichtigkeit zu erklären seien, eine wie subjektiv angegeben auf unter 1/50 reduzierte Sehschärfe sei durch diesen Befund jedoch nicht erklärt. Insgesamt bestünden bereits aufgrund der subjektiven Angaben zu Gesichtsfeld und Farbsehvermögen erhebliche Zweifel an einer der Blindheit gleich zu achtenden Sehschädigung, die objektiven elektrophysiologischen Befunde des VEP sicherten darüber hinaus eine Sehschärfe von mindestens 0,1. Ein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens Bl bestehe daher nicht.
11 
Nach nochmaliger Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme durch Dr. W. (hochgradige Sehbehinderung Teil-GdB 100, seelische Störung Teil-GdB 40, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden Teil-GdB 20, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke Teil-GdB 10, Migräne Teil-GdB 10, Gesamt-GdB 100) gab der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2012 dem Widerspruch insoweit statt, als der GdB seit 15.02.2011 mit 100 festgestellt und die Merkzeichen G, B, H und RF anerkannt wurden. In den Gründen des Widerspruchsbescheides wurde die Zuerkennung des Merkzeichens Bl in Auswertung des Gutachtens von Prof. Dr. R. versagt.
12 
Hiergegen hat die Klägerin am 09.02.2012 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und sich auf die Befundberichte der Augenärzte E. und die Ausführungen von Dr. B. berufen.
13 
Das SG hat Dr. B. als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Dieser hat in seinem Schreiben vom 23.04.2012 nochmals die am 05.05. und 19.07.2011 erhobenen Befunde genannt und ergänzend ausgeführt, dass aufgrund der von ihm erhobenen Befunde wegen der Diskrepanzen zwischen der sehr schlechten Sehschärfe und der erkannten Testmarken im Gesichtsfeld-Test keine sichere Beurteilung erfolgen könne, ob Blindheit im Sinne des Gesetzes vorliege. Außerdem hat das SG die Augenärztin E. als Zeugin schriftlich vernommen, die als letztmaligen Befund vom 14.02.2012 den Visus beidseits mit 1/50 sowie angegeben hat, dass neben der hochgradigen Sehminderung beider Augen mit Visus-Abfall auf 1/50 im Vergleich zur Untersuchung 2002 eine okuläre Hypertension zusätzlich festgestellt worden sei. Die hochgradige Sehminderung beruhe auf einer myopen Makuladegeneration.
14 
Das SG hat anschließend Prof. Dr. B. von Amts wegen mit der Erstattung eines augenärztlichen Gutachtens beauftragt. Die Klägerin hat das ärztliche Attest des Dr. Z. vom 22.10.2012 vorgelegt, wonach die Klägerin unter massiven Ängsten, Depressionen und schwerer Fehlsichtigkeit leide und aus nervenärztlicher Sicht aus psychischen Gründen nicht in der Lage sei, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum augenärztlichen Gutachter zu reisen. Sie sei ferner auf Begleitung angewiesen. Das Sozialgericht hat dem Antrag der Klägerin auf Übernahme der Taxikosten für die Fahrt nach Tübingen stattgegeben, jedoch die Auszahlung eines Vorschusses auf die Taxikosten abgelehnt.
15 
In Absprache mit dem Vorsitzenden hat die Sachverständige Prof. Dr. B. sodann das augenfachärztliche Gutachten vom 15.01.2013 nach Aktenlage erstattet, da eine erneute Untersuchung der Klägerin nicht notwendig sei, die gestellten Fragen vielmehr zweifelsfrei nach Aktenlage beantwortet werden könnten. Die Klägerin leide an beiden Augen an einer hohen Kurzsichtigkeit (Myopie) sowie am rechten Auge an trockenen Makulaveränderungen bei Kurzsichtigkeit (Veränderungen an der Stelle des schärfsten Sehens) und am linken Auge an einer atrophen Aderhautnarbe (Narbe in Netzhautmitte bei hoher Kurzsichtigkeit). Alle subjektiven Sehschärfenangaben der Klägerin könnten nicht verwertet werden, da die Klägerin eindeutig aggraviere. Somit könne nur im Wege objektiver Methoden die Sehschärfe ermittelt werden, was durch Prof. Dr. R. erfolgt sei. Das Ergebnis der objektiven elektrophysiologischen Untersuchungen sei eine Sehschärfe am rechten Auge mindestens 0,1 und am linken Auge von 0,02. In der Gesichtsfeld-Untersuchung hätten keine relevanten Gesichtsfeld-Einschränkungen oder zentralen Defekte bestanden. Der GdB im augenfachärztlichen Gebiet betrage 90. Die Klägerin sei definitiv nicht blind und es bestehe kein Anspruch auf das Merkzeichen Bl.
16 
Mit Urteil vom 14.08.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf die Ausführungen von Prof. Dr. R. sowie das Gutachten von Prof. Dr. B. berufen. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen weiteren Befundbericht der Augenärztin E. vom 11.07.2013 vorgelegt habe, enthalte dieser keine konkreten Angaben zum Visus.
17 
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 24.09.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 01.10.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass nicht Prof. Dr. B., sondern Dr. A. das Gutachten erstattet habe und dieses deshalb nicht hätte verwertet werden dürfen. Im Übrigen sei zwischenzeitlich eine erhebliche Verschlechterung ihrer Sehfähigkeit eingetreten.
18 
Die Klägerin beantragt,
19 
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. August 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, in Abänderung des Bescheides vom 17. August 2010 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 16. November 2010 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2012 ihr das Merkzeichen Bl zuzuerkennen,
hilfsweise sie erneut augenärztlich begutachten zu lassen.
20 
Der Beklagte beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Auf Anfrage des Senats hat der Vorsitzende der erkennenden Kammer des SG mitgeteilt, er habe zunächst ein Gutachten mit Untersuchung angefordert, dann aber, nachdem ihm von Seiten der bearbeitenden Ärztin mitgeteilt worden sei, dass eine Untersuchung im Hinblick auf die von Prof. Dr. R. erhobenen Befunde überflüssig sei, der Klinik fernmündlich freigestellt, ein Gutachten nach Aktenlage zu erstatten. Dies habe er in die mündliche Verhandlung eingeführt.
23 
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat bei Prof. Dr. M. das augenfachärztliche Gutachten vom 10.03.2014 eingeholt. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 25.02.2014 eine hochgradige Kurzsichtigkeit, Hornhautverkrümmung, kurzsichtigkeitsbedingte Dehnungsherde an der Stelle des schärfsten Sehens sowie eine Augeninnendruckerhöhung an beiden Augen und eine Linsentrübung des rechten Auges diagnostiziert. Bei der Klägerin bestehe wahrscheinlich seit kurzem bzw. jetzt Blindheit oder eine hochgradige Sehbehinderung im Sinne von Teil A, Nr. 6 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG), wobei einschränkend gesagt werden müsse, dass am rechten Auge eine eindeutige Ermüdungsspirale auslösbar gewesen sei und die Klägerin sich scheinbar sehr sicher im Raum bewege. Es sei wahrscheinlich, dass die Sehverschlechterung in den letzten Jahren seit den Untersuchungen von Prof. Dr. R. und Prof. Dr. B. zugenommen habe. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ein aggravierendes Verhalten zeige, d. h. versuche, die bereits bestehenden Veränderungen bzw. Einschränkungen ihrer Sehfähigkeit weiter zu verstärken. Er halte den Einfluss dieser Aggravation allerdings für gering.
24 
Der Senat hat bei Prof. Dr. R. das augenfachärztliche Gutachten nach Aktenlage vom 30.09.2014 zu der Frage eingeholt, ob aufgrund der im Gutachten von Prof. Dr. M. angegebenen Befunde bei der Klägerin Blindheit oder eine hochgradige Sehbehinderung nachgewiesen sei. Der Sachverständige hat keine wirklich eindeutige Änderung des morphologischen Befundes gesehen, sondern höchstens minimale Veränderungen zwischen den Untersuchungen am 15.11.2011 und 25.02.2014 festgestellt. Aus der fehlenden Reizantwort im Muster-VEP bei der Begutachtung durch Prof. Dr. M. könne nicht sicher auf eine Sehschärfe-Reduktion geschlossen werden. Hinsichtlich der Gesichtsfeldmessung seien zwei völlig unterschiedliche Befunde vorgelegt worden. Während in der einen Untersuchung mit einem Spiralgesichtsfeld am rechten Auge ein sicherer Hinweis auf eine Aggravation dokumentiert worden sei, sei bei einer weiteren Untersuchung lediglich eine deutliche Gesichtsfeldeinengung gefunden worden, wobei im Zentrum auch der kleinen Reizmarke I/4 keinerlei Ausfall festgestellt worden sei. Es sei nicht erklärbar, warum bei der Untersuchung des Gesichtsfeldes eine weitere konzentrische Einengung eingetreten sein solle, auch der nunmehr von der Klägerin angegebene zentrale Ausfall am linken Auge sei angesichts des seit November 2011 unveränderten zentralen Augenhintergrundbefundes nicht sicher erklärt. Prof. Dr. M. beurteile den Einfluss einer Aggravation zwar eher als gering. Da Blindheit jedoch nach der Rechtsprechung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, d. h. im Sinne eines Vollbeweises nachgewiesen sein müsse, seien die auch anlässlich der Untersuchung in Augsburg eindeutig nachgewiesenen Falschangaben ausreichend, um angesichts einer fehlenden Erklärung durch den morphologischen Befund auch Zweifel an den Angaben zur Sehschärfe zu haben. Er halte daher Blindheit unverändert nicht für ausreichend nachgewiesen. Angesichts der nunmehr nicht mehr ableitbaren Antworten im Muster-VEP nehme er allerdings durchaus eine gewisse weitere Verschlechterung an und gehe daher von einer hochgradigen Sehbehinderung und damit von einem GdB von 100 aus.
25 
Die Klägerin ist mit Schreiben vom 25.10.2014 den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. entgegengetreten. Ohne ihre persönliche Untersuchung könne eine Aggravation weder festgestellt noch behauptet werden. Auch Prof. Dr. B. habe sie, anders als Prof. Dr. M., nicht persönlich untersucht.
26 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die nach §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 17.08.2010 und Widerspruchsbescheid vom 20.01.2012 die Zuerkennung des Merkzeichens Bl abgelehnt und das SG die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Dabei geht der Senat ebenso wie das SG von der Zulässigkeit der Klage aus, obwohl die Klägerin gegen den Bescheid vom 17.08.2010 innerhalb der Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 1 SGG) keinen Widerspruch eingelegt hatte. Insoweit konnte der Beklagte den Änderungsantrag vom 08.09.2010 auch nicht als Widerspruch auslegen, da dieser gerade nicht auf Zuerkennung des mit Bescheid vom 17.08.2010 abgelehnten Merkzeichens Bl gerichtet war. Erst am 17.12.2010 hat die Klägerin mitgeteilt, sie benötige auch das Merkzeichen Bl. Da der Beklagte den Widerspruch jedoch nicht insoweit als unzulässig zurückgewiesen, sondern in der Sache über das Bestehen eines Anspruchs auf Zuerkennung des Merkzeichens Bl entschieden hat, steht die Versäumung der Widerspruchsfrist der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen (BSG, Urteil vom 12.10.1979 - 12 RK 19/78 -, SozR 2200 § 1422 Nr. 1).
28 
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 69 Abs. 4 SGB IX. Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung ist auf dem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen Bl einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch blind im Sinne des § 72 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder entsprechender Vorschriften ist. Der Begriff der Blindheit ist nicht legal definiert. Sie wird angenommen, wenn die Sehfähigkeit vollständig fehlt (Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 72 Rdnr. 4 m. w. N.; Grube/Wahrendorf/Grube, SGB XII, § 72 Rdnr. 4; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, § 72 Rdnr. 4). Nach § 72 Abs. 5 SGB XII stehen blinden Menschen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen. Die im Rahmen der Landesblindenhilfe in zahlreichen Landesgesetzen getroffenen Regelungen haben weitgehend diese Definitionen übernommen (vgl. z. B. § 1 Abs. 2 Sächs. LandesblindenG). Insoweit stimmt der Blindheitsbegriff in § 72 Abs. 5 SGB XII mit demjenigen nach Teil A Nr. 6 a) der Anlage zu § 2 der VG überein. In VG, Teil A, Nr. 6 b) wird auf die Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft Bezug genommen, wonach eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 (1/50) oder weniger gleich zusetzende Sehbehinderung bei folgenden Fallgruppen vorliegt:
29 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
30 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
31 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
32 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
33 
- bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,
34 
- bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,
35 
- bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.
36 
Außerdem wird in VG, Teil A, Nr. 6 c) geregelt, dass auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit) blind ist, nicht aber mit einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen. Nach st. Rspr. des Senats sind die VG hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche G, B, aG, Gl und Bl jedoch unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich - mit Ausnahme des Nachteilsausgleichs H - weder in § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) in der Fassung bis zum 30.06.2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 01.07.2011, noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (Urteile des Senats vom 09.06.2011 - L 6 SB 6140/09, vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09; Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 09.05.2011 - L 8 SB 2294/10, vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08, vom 24.09.2010 - L 8 SB 4533/09; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4). Für den vorliegenden Rechtsstreit ist allerdings zu berücksichtigen, dass die in VG, Teil A, Nr. 6b enthaltenen Verweise auf die Leitlinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft keine verbindliche Regelung enthalten, sondern lediglich auf den – ohnehin zu beachtenden – aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft Bezug nehmen. Insoweit sind die dort genannten Gleichsetzungen deshalb durchaus von rechtlicher Bedeutung. Dies gilt umso mehr als das BSG in seiner Entscheidung vom 20. Juli 2005 (B 9a BL 1/05 R) zu den insoweit wortgleichen Regelungen in den früher geltenden "Anhaltspunkten" klargestellt hat, dass es nur einen bundeseinheitlich geltenden Begriff der Blindheit gibt und für eine faktische Blindheit nicht nur die Beeinträchtigungen der Sehschärfe und die Einschränkung des Gesichtsfeldes, sondern vielmehr alle Störungen des Sehvermögens zu berücksichtigen sind, soweit sie in ihrem Schweregrad einer Beeinträchtigung auf 1/50 oder weniger gleich zu achten sind. Da im Falle der Klägerin eine visuelle Agnosie oder andere gnostische Störungen nicht diagnostiziert worden sind, kommt der Einschränkung nach VG, Teil A Nr. 6 c) vorliegend ohnehin keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
37 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe liegen bei der Klägerin die Voraussetzungen für das Merkzeichen Bl nicht vor.
38 
Ein vollständiger Verlust der Sehfähigkeit ist bei der Klägerin zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden. Ebenso wenig liegt ein vollständiger Ausfall der Sehrinde vor. Die Klägerin kann jedoch auch nicht einem Blinden gleichgestellt werden, denn weder kann eine Herabsetzung ihrer beidäugigen Gesamtsehschärfe auf 1/50 noch eine dem Schweregrad dieser Sehminderung gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störung des Sehvermögens (faktische Blindheit) festgestellt werden. Die Klägerin trägt jedoch die Beweislast für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen, mithin vorliegend für eine mit Blindheit gleichzusetzende Sehstörung. Diese muss im Vollbeweis gesichert sein. Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Zwar verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 128 Rdnr 3b m. w. N.), sodass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können. Verbleibende Restzweifel sind aber bei der Überzeugungsbildung nur dann unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (BSG, Urteil vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/09 R -; Urteil vom 17.04.2013 – B 9 V 3/12 R –, jeweils zit. n. juris).
39 
Vorliegend hat sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass die Klägerin an einer Herabsetzung ihrer Sehfähigkeit auf 1/50 oder einer dieser Sehminderung gleichzustellenden Sehstörung leidet.
40 
Hierbei stützt sich der Senat auf die urkundlich zu verwertenden Stellungnahmen des Landesblindenarztes Prof. Dr. R. im Verwaltungsverfahren sowie dessen gutachtlichen Ausführungen im Berufungsverfahren, die in Übereinstimmung stehen mit der schriftlichen Zeugenaussage des Dr. B., der ebenfalls eine sichere Beurteilung der Frage, ob bei der Klägerin Blindheit i. S. des Gesetzes vorliegt, nicht vorzunehmen vermochte, und den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. B. in ihrem von Amts wegen eingeholten Gutachten. Bedenken hinsichtlich der Verwertbarkeit dieses Gutachtens bestehen nicht. Seinen ursprünglichen Auftrag, die Begutachtung nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vorzunehmen, hat der Vorsitzende der erkennenden Kammer anschließend abgeändert und eine Untersuchung der Klägerin in das Ermessen der Sachverständigen gestellt. Die anschließend erfolgte Begutachtung nach Aktenlage bleibt somit nicht hinter dem Gutachtensauftrag zurück. Ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Gutachten durch die Fachärztin der Klinik Dr. A. abgefasst worden ist. Denn die beauftragte Sachverständige Prof. Dr. B. hat sich aufgrund eigener Überprüfung und Urteilsbildung mit diesem Gutachten einverstanden erklärt und es sich dadurch zu eigen gemacht. Nach § 118 SGG i. V. m. § 407a Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz Zivilprozessordnung (ZPO) ist es dem Sachverständigen erlaubt, sich zur Erledigung des Gutachtensauftrags anderer Personen - auch anderer Ärzte - zu bedienen. Seine uneingeschränkte persönliche Verantwortung für das Gutachten erklärt der beauftragte Sachverständige nämlich durch seine Unterschrift mit dem sinngemäßen Zusatz, er habe die Arbeit seines qualifizierten Mitarbeiters selbst nachvollzogen und sich zu Eigen gemacht, er sei auf Grund eigener Überzeugung und Urteilsbildung einverstanden (st. Rspr, vgl. z. B. BSG, Beschluss vom 15.07.2004 - B 9 V 24/03 B -, SozR 4-1750 § 407a Nr. 2, Beschluss vom 18.09.2003 - B 9 VU 2/03 B – zit. n. juris, m. w. N.). Erst wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit des weiteren Arztes gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine - das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden - Zentralaufgaben delegiert (vgl. BSG a. a. O.), ist die Grenze der erlaubten Mitarbeit überschritten und liegt ein unverwertbares Gutachten vor. Vorliegend wurde das Gutachten nach Aktenlage erstattet, einer persönlichen Untersuchung der Klägerin bedurfte es nicht, nachdem bereits Prof. Dr. R. anlässlich seiner Begutachtung am 15.11.2011 die Klägerin untersucht und die maßgeblichen Befunde erhoben hatte. Weder die Auswertung der aktenkundigen Befunde durch die Augenärztin Dr. A. noch die schriftliche Abfassung des Gutachtens gehören in jedem Fall zu den unverzichtbaren Kernaufgaben, die der Sachverständige selbst erledigen muss. Soweit sich nicht aus der Eigenart des Gutachtenthemas ergibt, dass für bestimmte Untersuchungen die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt wird, reicht es aus, wenn dieser die von Hilfskräften erhobenen Daten und Befunde nachvollzieht. Entscheidend ist, dass der Sachverständige die Schlussfolgerungen seines Mitarbeiters überprüft und durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für das Gutachten übernimmt (BSG, Beschluss vom 30.01.2006 – B 2 U 358/05 B – zit. n. juris, m. w. N.). Dass dies hier nicht geschehen ist, hat die Klägerin nicht dargelegt und ist auch nicht von Amts wegen ersichtlich. Weder das SG noch der Senat mussten sich gedrängt sehen, die seitens der Klägervertreterin formulierten Beweisfragen der Sachverständigen zur Beantwortung vorzulegen. Inhaltlich ging es hierbei nämlich nicht um eine weitere Sachaufklärung, sondern um die Kritik an der erfolgten Begutachtung nach Aktenlage und den medizinischen Einschätzungen des Prof. Dr. R., denen sich die Sachverständige Prof. Dr. B. angeschlossen hat. Letztlich hatte die Sachverständige mit ihren Ausführungen im Gutachten die nachträglich gestellten Beweisfragen bereits beantwortet, einer nochmaligen Bestätigung durch die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme bedurfte es nicht.
41 
Dass eine Blindheit der Klägerin nicht im Vollbeweis gesichert ist, ergibt sich vorliegend daraus, dass zum einen noch im Jahr 2010 ihr Sehvermögen auf beiden Augen weit besser war als 1/50 bei fehlenden Nachweisen von relevanten Gesichtsfeldeinschränkungen, zum anderen Befundveränderungen, die eine Verminderung des Sehvermögens auf 1/50 oder weniger im Folgezeitraum belegen könnten, nicht erwiesen sind und verschiedene weitere Indizien darauf hindeuten, dass die Klägerin bei der mitarbeitsabhängigen (subjektiven) Sehschärfenbestimmung aggravierende Angaben gemacht hat, sodass hierauf die Annahme der Blindheit nicht gestützt werden kann.
42 
Ausweislich des Befundberichtes des Universitätsklinikums M. besaß die Klägerin bei der ambulanten Vorstellung dort am 08.01.2010 eine Sehschärfe rechts von 0,5 und links von 0,1 und war damit zu diesem Zeitpunkt weit entfernt von einer Blindheit i. S. des Gesetzes. Die damaligen Messungen hält der Senat für höchst aussagekräftig und verlässlich, denn Anlass der Untersuchungen war damals nicht die Feststellung einer fraglichen Blindheit, sondern eine von der Klägerin in Betracht gezogene Augenoperation zur Verbesserung der Sehfähigkeit. Hier lag es also im ureigenen Interesse der Klägerin, möglichst genaue, dem tatsächlichen Sehvermögen entsprechende Erkenntnisse zu erlangen, da hiervon Sinn und Tragweite einer Korrektur abhingen. Auch acht Monate später hat der Augenarzt O. mit einem beidäugigen Visus von 0,2 einen nach wie vor weit besseren Befund erhoben als es für die Annahme einer Blindheit erforderlich wäre. Auch wenn dieser Befund bzgl. des rechten Auges eine Verschlechterung bedeutete, war das Sehvermögen des linken Auges sogar verbessert. Selbst wenn es sich hier um subjektive, d. h. mitarbeitsabhängige Angaben gehandelt hat, spricht die Tatsache, dass zwei Messungen im Abstand von fünf Tagen (03. und 08.09.2010) gleichbleibende Werte ergaben, doch für eine gewisse Objektivität, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits das Verfahren auf Feststellung des GdB eingeleitet und am 08.09.2010 einen Erhöhungsantrag gestellt hatte.
43 
Soweit sodann ca. fünf Monate später die Augenärztin E. einen Fernvisus mit Korrektur beidseits mit 1/50 und die Universitätsklinik F. die Sehschärfe am 30.06.2011 beidseits mit „Fingerzählen“ sowie Dr. B. wiederum die Sehminderung mit < 1/50 angegeben haben, beruhen all diese Befunde ausschließlich auf den Angaben der Klägerin zu ihrer Sehfähigkeit. Diese sind vorliegend jedoch nicht hinreichend verlässlich, als dass allein hieraus auf eine tatsächliche Sehminderung in diesem Umfang geschlossen werden könnte.
44 
Dies folgt zum einen aus dem Umstand, dass eine Verschlechterung des Sehvermögens weder in diesem Zeitraum noch in der nachfolgenden Zeit bis zur gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. M. mit einer objekivierbaren Änderung der Augenerkrankung einhergeht. Wenn aber sich augenärztliche Befunde im Rahmen eines Gutachtens nach § 109 SGG sich im Wesentlichen auf die Angaben und das Verhalten eines Prozessbeteiligten ohne zusätzliche objektive und nachvollziehbare Feststellungen stützen, kommt ohne zusätzliche objektive und nachvollziehbare Feststellungen diesen kein ausreichender Beweiswert zu (so ausdrücklich LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.02.2013 - L 7 SB 13/09 - Juris zu einem vergleichbaren Fall). Die Klägerin leidet nach übereinstimmender Auffassung aller gehörten Ärzte an einer hohen Kurzsichtigkeit sowie am rechten Auge an trockenen Makulaveränderungen und am linken Auge an einer atrophen Aderhautnarbe. Bereits 2011 lagen bei der Klägerin an beiden Augen weit fortgeschrittene Veränderungen der Netzhaut im Bereich der Stelle des schärfsten Sehens vor, die eindeutig Folge der bestehenden hochgradigen Kurzsichtigkeit sind. Hinzugekommen ist bei der Untersuchung durch Prof. Dr. M. eine Erhöhung des Augeninnendrucks sowie eine Linsentrübung des rechten Auges. Soweit er die Auffassung vertreten hat, dass die Sehverschlechterung seit den Untersuchungen durch Prof. Dr. R. und Prof. Dr. B. zugenommen hat, fehlt es jedoch an entsprechenden Belegen. Dies entnimmt der Senat den überzeugenden und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. in dessen Gutachten nach Aktenlage vom 30.09.2014, wonach keine wirklich eindeutige Änderung des morphologischen Befundes zu erkennen ist, sondern bei einem Bildervergleich nur minimale Veränderungen zwischen den Untersuchungen am 15.11.2011 und 25.02.2014 festgestellt werden können. Ein dort dargestellter zentraler Ausfall von 1 bis 2 Papillendurchmessern führt nicht zu einer Sehschärfeminderung auf 1/50 oder gar zu lediglich noch möglichen Wahrnehmungen von Handbewegungen. Auch die an sich objektive, weil nicht mitarbeitsabhängige VEP-Untersuchung durch Prof. Dr. M. lässt nach der gut verständlichen Erklärung des Landesblindenarztes und Sachverständigen Prof. Dr. R. vorliegend keinen eindeutigen Rückschluss auf eine Sehschärfereduktion zu. Denn es ist schon grundsätzlich nur selten möglich, mit Hilfe eines Muster-VEP eine sichere Aussage zur Sehschärfe zu machen. Bei dieser Untersuchung wird ein Schachbrett-Muster in den zentralen Gesichtsfeldbereich von etwa 10 Grad projiziert und die Reizantwort in der primären Sehrinde abgeleitet. Bestehen aber - wie im Falle der Klägerin am rechten Auge - in diesem Netzhautareal deutliche Veränderungen, ist häufig keine reproduzierbare Reizantwort mehr zu erhalten. Insofern kann aus der fehlenden Reizantwort im Muster-VEP nicht sicher auf eine Sehschärfereduktion im Bereich der gesetzlichen Blindheit geschlossen werden. Im außerdem durchgeführten Blitz-VEP hat Prof. Dr. M. beidseits eine Nervenfunktion nachgewiesen. Dies belegt, dass die Klägerin nicht völlig blind ist, was von allen befassten Ärzte bestätigt worden ist.
45 
Die Zweifel an den subjektiven Angaben der Klägerin zu ihrer Sehschärfe ergeben sich vor allem aus den Ergebnissen der Goldmann-Perimetrie, mit der Gesichtsfeldeinschränkungen gemessen werden. Auch insoweit stützt sich der Senat auf die gutachterlichen Ausführungen von Prof. Dr. B. und Prof. Dr. R. sowie dessen urkundlich zu verwertende Stellungnahmen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens und die schriftliche Zeugenaussage von Dr. B.. Die von der Augenärztin E. am 15.02.2011 erhobenen Gesichtsfelder haben nur geringgradig eingeengte Außengrenzen, aber keinerlei Zentralskotom gezeigt. Bei der Untersuchung in der Universitätsklinik Freiburg am 30.06.2011 waren unverändert keine zentralen Ausfälle vorhanden, sondern es konnte im Gegenteil selbst eine sehr kleine Reizmarke (I/3) innerhalb von 10 bis 12 Grad erkannt werden. Anlässlich der weiteren Vorstellung bei Dr. B. am 05.05. und 19.07.2011 war das Gesichtsfeld unverändert zentral unauffällig. Schließlich hat die Klägerin bei der ambulanten Untersuchung durch Prof. Dr. R. am 15.11.2011 weitgehend freie Außengrenzen und kein nachweisbares Zentralskotom angegeben. Den Umstand, dass die Klägerin in der Lage ist, noch sehr kleine und dunkle Reizmarken im Zentrum zu erkennen und kein zentraler Gesichtsfeldausfall feststellbar ist, haben sowohl Prof. Dr. R. als auch Prof. Dr. B. als deutlichen Hinweis dafür gewertet, dass eine Aggravation im Hinblick auf die subjektiven Sehschärfeangaben besteht und die Klägerin insoweit falsche Angaben macht. Denn sie hat kleine und lichtschwache Marken wahrgenommen, die nur mit einer deutlich besseren Sehschärfe erkannt werden können, als die Klägerin angibt. Soweit Prof. Dr. M. hiervon abweichende Gesichtsfeldmessungen durchgeführt hat, hält der Senat diese nicht für aussagekräftig. Denn zu Recht hat Prof. Dr. R. darauf hingewiesen, dass der Sachverständige zwei Messungen durchgeführt hat, die zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben. Während in der einen Untersuchung mit einem Spiralgesichtsfeld am rechten Auge ein sicherer Hinweis auf eine Aggravation dokumentiert worden ist, ist bei einer weiteren Untersuchung lediglich eine deutliche Gesichtsfeldeinengung gefunden worden, wobei im Zentrum auch der kleinen Reizmarke I/4 keinerlei Ausfall festgestellt worden ist. Diese sich widersprechenden Messergebnisse lassen keinen eindeutigen Rückschluss auf eine die Sehminderung stützende Gesichtsfeldeinschränkung zu. Hinzu kommt, dass zwar ein Glaukom diagnostiziert worden ist, der Befund des Sehnervenkopfes mit einem schrägen Sehnerveneintritt nach der für den Senat überzeugenden Einschätzung des Prof. Dr. R. bei einer derart hohen Kurzsichtigkeit vollkommen normal ist und keinerlei Gesichtsfeldausfall erklärt. Somit fehlt es an einer Erklärung, weshalb bei der Untersuchung des Gesichtsfeldes durch Prof. Dr. M. eine weitere konzentrische Einengung eingetreten sein soll, auch der nunmehr von der Klägerin angegebene zentrale Ausfall am linken Auge ist angesichts des seit November 2011 unveränderten zentralen Augenhintergrundbefundes nicht sicher erklärt. Schließlich sind die Angaben der Klägerin im Rahmen der Sehschärfenbestimmung auch deshalb zweifelhaft, weil sie bei der Untersuchung in der Universitätsklinik Heidelberg am 15.11.2011 in der Lage war, beim Farbflecktest Panel-D15 die gesättigten Farbklötzchen mit einzelnen unspezifischen Fehlern anzuordnen und selbst die entsättigten Farben wurden noch sortiert. Das gute Ergebnis im Farbtest ist nach übereinstimmender Auffassung von Prof. Dr. R. und Prof. Dr. B. nur mit einer deutlich besseren Sehschärfe als von der Klägerin angegeben möglich und daher als weiteres Indiz für eine Aggravation der Klägerin zu bewerten. Im Übrigen geht auch Prof. Dr. M. davon aus, dass die Angaben der Klägerin im Rahmen der Sehschärfenmessung nicht zutreffend sind und die Klägerin aggraviert und versucht, die bereits bestehenden Veränderungen bzw. Einschränkungen ihrer Sehfähigkeit weiter zu verstärken. Seiner Einschätzung, dass der Einfluss dieser Aggravation „eher gering sein dürfte“, vermag sich der Senat schon deshalb nicht anzuschließen, weil Prof. Dr. M. gleichzeitig mitgeteilt hat, dass die Klägerin sich scheinbar sehr sicher im Raum bewegt, was gerade auf eine hohe Diskrepanz zwischen behaupteter Blindheit oder gleichzustellender Sehminderung und tatsächlicher Sehfähigkeit hinweist. Die nur äußerst unpräzise Formulierung deutet darüber hinaus auf verbliebene Restzweifel bei dem Sachverständigen hin. Hinzu kommt, dass der Sachverständige Prof. Dr. M. die aktenkundigen Anhaltspunkte für eine Aggravation der Klägerin, die bereits bei Antragstellung im Jahr 2010 den augenärztlichen Befunden widersprechend eine Sehschärfe von nur 10 % beidseits behauptet hat, nur unzureichend in seiner Begutachtung ausgewertet hat und sich letztlich keine überzeugende Erklärung dafür findet, weshalb er den falschen Angaben der Klägerin nur geringe Bedeutung beimisst.
46 
Ergeben sich aus den objektiven Messungen nicht hinreichend eindeutige Ergebnisse, die eine beidäugige Gesamtsehschärfe von nicht mehr als 1/50 oder Gesichtsfeldeinengungen in dem durch die Leitlinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft beschriebenen relevanten Bereich belegen, und sind die mitarbeitsabhängigen Sehschärfemessungen aufgrund der eindeutigen und nachgewiesenen Aggravation der Klägerin ungeeignet, den Nachweis der Blindheit zu erbringen, besteht kein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens Bl der insoweit beweispflichtigen Klägerin.
47 
Ihre Berufung ist nach alledem daher erfolglos.
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
49 
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, bestehen nicht.

Gründe

 
27 
Die nach §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 17.08.2010 und Widerspruchsbescheid vom 20.01.2012 die Zuerkennung des Merkzeichens Bl abgelehnt und das SG die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Dabei geht der Senat ebenso wie das SG von der Zulässigkeit der Klage aus, obwohl die Klägerin gegen den Bescheid vom 17.08.2010 innerhalb der Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 1 SGG) keinen Widerspruch eingelegt hatte. Insoweit konnte der Beklagte den Änderungsantrag vom 08.09.2010 auch nicht als Widerspruch auslegen, da dieser gerade nicht auf Zuerkennung des mit Bescheid vom 17.08.2010 abgelehnten Merkzeichens Bl gerichtet war. Erst am 17.12.2010 hat die Klägerin mitgeteilt, sie benötige auch das Merkzeichen Bl. Da der Beklagte den Widerspruch jedoch nicht insoweit als unzulässig zurückgewiesen, sondern in der Sache über das Bestehen eines Anspruchs auf Zuerkennung des Merkzeichens Bl entschieden hat, steht die Versäumung der Widerspruchsfrist der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen (BSG, Urteil vom 12.10.1979 - 12 RK 19/78 -, SozR 2200 § 1422 Nr. 1).
28 
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 69 Abs. 4 SGB IX. Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung ist auf dem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen Bl einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch blind im Sinne des § 72 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder entsprechender Vorschriften ist. Der Begriff der Blindheit ist nicht legal definiert. Sie wird angenommen, wenn die Sehfähigkeit vollständig fehlt (Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 72 Rdnr. 4 m. w. N.; Grube/Wahrendorf/Grube, SGB XII, § 72 Rdnr. 4; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, § 72 Rdnr. 4). Nach § 72 Abs. 5 SGB XII stehen blinden Menschen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen. Die im Rahmen der Landesblindenhilfe in zahlreichen Landesgesetzen getroffenen Regelungen haben weitgehend diese Definitionen übernommen (vgl. z. B. § 1 Abs. 2 Sächs. LandesblindenG). Insoweit stimmt der Blindheitsbegriff in § 72 Abs. 5 SGB XII mit demjenigen nach Teil A Nr. 6 a) der Anlage zu § 2 der VG überein. In VG, Teil A, Nr. 6 b) wird auf die Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft Bezug genommen, wonach eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 (1/50) oder weniger gleich zusetzende Sehbehinderung bei folgenden Fallgruppen vorliegt:
29 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
30 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
31 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
32 
- bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
33 
- bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,
34 
- bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,
35 
- bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.
36 
Außerdem wird in VG, Teil A, Nr. 6 c) geregelt, dass auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit) blind ist, nicht aber mit einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen. Nach st. Rspr. des Senats sind die VG hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche G, B, aG, Gl und Bl jedoch unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich - mit Ausnahme des Nachteilsausgleichs H - weder in § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetz (BVG) in der Fassung bis zum 30.06.2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 01.07.2011, noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (Urteile des Senats vom 09.06.2011 - L 6 SB 6140/09, vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09; Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 09.05.2011 - L 8 SB 2294/10, vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08, vom 24.09.2010 - L 8 SB 4533/09; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4). Für den vorliegenden Rechtsstreit ist allerdings zu berücksichtigen, dass die in VG, Teil A, Nr. 6b enthaltenen Verweise auf die Leitlinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft keine verbindliche Regelung enthalten, sondern lediglich auf den – ohnehin zu beachtenden – aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft Bezug nehmen. Insoweit sind die dort genannten Gleichsetzungen deshalb durchaus von rechtlicher Bedeutung. Dies gilt umso mehr als das BSG in seiner Entscheidung vom 20. Juli 2005 (B 9a BL 1/05 R) zu den insoweit wortgleichen Regelungen in den früher geltenden "Anhaltspunkten" klargestellt hat, dass es nur einen bundeseinheitlich geltenden Begriff der Blindheit gibt und für eine faktische Blindheit nicht nur die Beeinträchtigungen der Sehschärfe und die Einschränkung des Gesichtsfeldes, sondern vielmehr alle Störungen des Sehvermögens zu berücksichtigen sind, soweit sie in ihrem Schweregrad einer Beeinträchtigung auf 1/50 oder weniger gleich zu achten sind. Da im Falle der Klägerin eine visuelle Agnosie oder andere gnostische Störungen nicht diagnostiziert worden sind, kommt der Einschränkung nach VG, Teil A Nr. 6 c) vorliegend ohnehin keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
37 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe liegen bei der Klägerin die Voraussetzungen für das Merkzeichen Bl nicht vor.
38 
Ein vollständiger Verlust der Sehfähigkeit ist bei der Klägerin zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden. Ebenso wenig liegt ein vollständiger Ausfall der Sehrinde vor. Die Klägerin kann jedoch auch nicht einem Blinden gleichgestellt werden, denn weder kann eine Herabsetzung ihrer beidäugigen Gesamtsehschärfe auf 1/50 noch eine dem Schweregrad dieser Sehminderung gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störung des Sehvermögens (faktische Blindheit) festgestellt werden. Die Klägerin trägt jedoch die Beweislast für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen, mithin vorliegend für eine mit Blindheit gleichzusetzende Sehstörung. Diese muss im Vollbeweis gesichert sein. Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Zwar verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 128 Rdnr 3b m. w. N.), sodass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können. Verbleibende Restzweifel sind aber bei der Überzeugungsbildung nur dann unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (BSG, Urteil vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/09 R -; Urteil vom 17.04.2013 – B 9 V 3/12 R –, jeweils zit. n. juris).
39 
Vorliegend hat sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass die Klägerin an einer Herabsetzung ihrer Sehfähigkeit auf 1/50 oder einer dieser Sehminderung gleichzustellenden Sehstörung leidet.
40 
Hierbei stützt sich der Senat auf die urkundlich zu verwertenden Stellungnahmen des Landesblindenarztes Prof. Dr. R. im Verwaltungsverfahren sowie dessen gutachtlichen Ausführungen im Berufungsverfahren, die in Übereinstimmung stehen mit der schriftlichen Zeugenaussage des Dr. B., der ebenfalls eine sichere Beurteilung der Frage, ob bei der Klägerin Blindheit i. S. des Gesetzes vorliegt, nicht vorzunehmen vermochte, und den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. B. in ihrem von Amts wegen eingeholten Gutachten. Bedenken hinsichtlich der Verwertbarkeit dieses Gutachtens bestehen nicht. Seinen ursprünglichen Auftrag, die Begutachtung nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vorzunehmen, hat der Vorsitzende der erkennenden Kammer anschließend abgeändert und eine Untersuchung der Klägerin in das Ermessen der Sachverständigen gestellt. Die anschließend erfolgte Begutachtung nach Aktenlage bleibt somit nicht hinter dem Gutachtensauftrag zurück. Ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Gutachten durch die Fachärztin der Klinik Dr. A. abgefasst worden ist. Denn die beauftragte Sachverständige Prof. Dr. B. hat sich aufgrund eigener Überprüfung und Urteilsbildung mit diesem Gutachten einverstanden erklärt und es sich dadurch zu eigen gemacht. Nach § 118 SGG i. V. m. § 407a Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz Zivilprozessordnung (ZPO) ist es dem Sachverständigen erlaubt, sich zur Erledigung des Gutachtensauftrags anderer Personen - auch anderer Ärzte - zu bedienen. Seine uneingeschränkte persönliche Verantwortung für das Gutachten erklärt der beauftragte Sachverständige nämlich durch seine Unterschrift mit dem sinngemäßen Zusatz, er habe die Arbeit seines qualifizierten Mitarbeiters selbst nachvollzogen und sich zu Eigen gemacht, er sei auf Grund eigener Überzeugung und Urteilsbildung einverstanden (st. Rspr, vgl. z. B. BSG, Beschluss vom 15.07.2004 - B 9 V 24/03 B -, SozR 4-1750 § 407a Nr. 2, Beschluss vom 18.09.2003 - B 9 VU 2/03 B – zit. n. juris, m. w. N.). Erst wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit des weiteren Arztes gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine - das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden - Zentralaufgaben delegiert (vgl. BSG a. a. O.), ist die Grenze der erlaubten Mitarbeit überschritten und liegt ein unverwertbares Gutachten vor. Vorliegend wurde das Gutachten nach Aktenlage erstattet, einer persönlichen Untersuchung der Klägerin bedurfte es nicht, nachdem bereits Prof. Dr. R. anlässlich seiner Begutachtung am 15.11.2011 die Klägerin untersucht und die maßgeblichen Befunde erhoben hatte. Weder die Auswertung der aktenkundigen Befunde durch die Augenärztin Dr. A. noch die schriftliche Abfassung des Gutachtens gehören in jedem Fall zu den unverzichtbaren Kernaufgaben, die der Sachverständige selbst erledigen muss. Soweit sich nicht aus der Eigenart des Gutachtenthemas ergibt, dass für bestimmte Untersuchungen die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt wird, reicht es aus, wenn dieser die von Hilfskräften erhobenen Daten und Befunde nachvollzieht. Entscheidend ist, dass der Sachverständige die Schlussfolgerungen seines Mitarbeiters überprüft und durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für das Gutachten übernimmt (BSG, Beschluss vom 30.01.2006 – B 2 U 358/05 B – zit. n. juris, m. w. N.). Dass dies hier nicht geschehen ist, hat die Klägerin nicht dargelegt und ist auch nicht von Amts wegen ersichtlich. Weder das SG noch der Senat mussten sich gedrängt sehen, die seitens der Klägervertreterin formulierten Beweisfragen der Sachverständigen zur Beantwortung vorzulegen. Inhaltlich ging es hierbei nämlich nicht um eine weitere Sachaufklärung, sondern um die Kritik an der erfolgten Begutachtung nach Aktenlage und den medizinischen Einschätzungen des Prof. Dr. R., denen sich die Sachverständige Prof. Dr. B. angeschlossen hat. Letztlich hatte die Sachverständige mit ihren Ausführungen im Gutachten die nachträglich gestellten Beweisfragen bereits beantwortet, einer nochmaligen Bestätigung durch die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme bedurfte es nicht.
41 
Dass eine Blindheit der Klägerin nicht im Vollbeweis gesichert ist, ergibt sich vorliegend daraus, dass zum einen noch im Jahr 2010 ihr Sehvermögen auf beiden Augen weit besser war als 1/50 bei fehlenden Nachweisen von relevanten Gesichtsfeldeinschränkungen, zum anderen Befundveränderungen, die eine Verminderung des Sehvermögens auf 1/50 oder weniger im Folgezeitraum belegen könnten, nicht erwiesen sind und verschiedene weitere Indizien darauf hindeuten, dass die Klägerin bei der mitarbeitsabhängigen (subjektiven) Sehschärfenbestimmung aggravierende Angaben gemacht hat, sodass hierauf die Annahme der Blindheit nicht gestützt werden kann.
42 
Ausweislich des Befundberichtes des Universitätsklinikums M. besaß die Klägerin bei der ambulanten Vorstellung dort am 08.01.2010 eine Sehschärfe rechts von 0,5 und links von 0,1 und war damit zu diesem Zeitpunkt weit entfernt von einer Blindheit i. S. des Gesetzes. Die damaligen Messungen hält der Senat für höchst aussagekräftig und verlässlich, denn Anlass der Untersuchungen war damals nicht die Feststellung einer fraglichen Blindheit, sondern eine von der Klägerin in Betracht gezogene Augenoperation zur Verbesserung der Sehfähigkeit. Hier lag es also im ureigenen Interesse der Klägerin, möglichst genaue, dem tatsächlichen Sehvermögen entsprechende Erkenntnisse zu erlangen, da hiervon Sinn und Tragweite einer Korrektur abhingen. Auch acht Monate später hat der Augenarzt O. mit einem beidäugigen Visus von 0,2 einen nach wie vor weit besseren Befund erhoben als es für die Annahme einer Blindheit erforderlich wäre. Auch wenn dieser Befund bzgl. des rechten Auges eine Verschlechterung bedeutete, war das Sehvermögen des linken Auges sogar verbessert. Selbst wenn es sich hier um subjektive, d. h. mitarbeitsabhängige Angaben gehandelt hat, spricht die Tatsache, dass zwei Messungen im Abstand von fünf Tagen (03. und 08.09.2010) gleichbleibende Werte ergaben, doch für eine gewisse Objektivität, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits das Verfahren auf Feststellung des GdB eingeleitet und am 08.09.2010 einen Erhöhungsantrag gestellt hatte.
43 
Soweit sodann ca. fünf Monate später die Augenärztin E. einen Fernvisus mit Korrektur beidseits mit 1/50 und die Universitätsklinik F. die Sehschärfe am 30.06.2011 beidseits mit „Fingerzählen“ sowie Dr. B. wiederum die Sehminderung mit < 1/50 angegeben haben, beruhen all diese Befunde ausschließlich auf den Angaben der Klägerin zu ihrer Sehfähigkeit. Diese sind vorliegend jedoch nicht hinreichend verlässlich, als dass allein hieraus auf eine tatsächliche Sehminderung in diesem Umfang geschlossen werden könnte.
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Dies folgt zum einen aus dem Umstand, dass eine Verschlechterung des Sehvermögens weder in diesem Zeitraum noch in der nachfolgenden Zeit bis zur gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. M. mit einer objekivierbaren Änderung der Augenerkrankung einhergeht. Wenn aber sich augenärztliche Befunde im Rahmen eines Gutachtens nach § 109 SGG sich im Wesentlichen auf die Angaben und das Verhalten eines Prozessbeteiligten ohne zusätzliche objektive und nachvollziehbare Feststellungen stützen, kommt ohne zusätzliche objektive und nachvollziehbare Feststellungen diesen kein ausreichender Beweiswert zu (so ausdrücklich LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.02.2013 - L 7 SB 13/09 - Juris zu einem vergleichbaren Fall). Die Klägerin leidet nach übereinstimmender Auffassung aller gehörten Ärzte an einer hohen Kurzsichtigkeit sowie am rechten Auge an trockenen Makulaveränderungen und am linken Auge an einer atrophen Aderhautnarbe. Bereits 2011 lagen bei der Klägerin an beiden Augen weit fortgeschrittene Veränderungen der Netzhaut im Bereich der Stelle des schärfsten Sehens vor, die eindeutig Folge der bestehenden hochgradigen Kurzsichtigkeit sind. Hinzugekommen ist bei der Untersuchung durch Prof. Dr. M. eine Erhöhung des Augeninnendrucks sowie eine Linsentrübung des rechten Auges. Soweit er die Auffassung vertreten hat, dass die Sehverschlechterung seit den Untersuchungen durch Prof. Dr. R. und Prof. Dr. B. zugenommen hat, fehlt es jedoch an entsprechenden Belegen. Dies entnimmt der Senat den überzeugenden und schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R. in dessen Gutachten nach Aktenlage vom 30.09.2014, wonach keine wirklich eindeutige Änderung des morphologischen Befundes zu erkennen ist, sondern bei einem Bildervergleich nur minimale Veränderungen zwischen den Untersuchungen am 15.11.2011 und 25.02.2014 festgestellt werden können. Ein dort dargestellter zentraler Ausfall von 1 bis 2 Papillendurchmessern führt nicht zu einer Sehschärfeminderung auf 1/50 oder gar zu lediglich noch möglichen Wahrnehmungen von Handbewegungen. Auch die an sich objektive, weil nicht mitarbeitsabhängige VEP-Untersuchung durch Prof. Dr. M. lässt nach der gut verständlichen Erklärung des Landesblindenarztes und Sachverständigen Prof. Dr. R. vorliegend keinen eindeutigen Rückschluss auf eine Sehschärfereduktion zu. Denn es ist schon grundsätzlich nur selten möglich, mit Hilfe eines Muster-VEP eine sichere Aussage zur Sehschärfe zu machen. Bei dieser Untersuchung wird ein Schachbrett-Muster in den zentralen Gesichtsfeldbereich von etwa 10 Grad projiziert und die Reizantwort in der primären Sehrinde abgeleitet. Bestehen aber - wie im Falle der Klägerin am rechten Auge - in diesem Netzhautareal deutliche Veränderungen, ist häufig keine reproduzierbare Reizantwort mehr zu erhalten. Insofern kann aus der fehlenden Reizantwort im Muster-VEP nicht sicher auf eine Sehschärfereduktion im Bereich der gesetzlichen Blindheit geschlossen werden. Im außerdem durchgeführten Blitz-VEP hat Prof. Dr. M. beidseits eine Nervenfunktion nachgewiesen. Dies belegt, dass die Klägerin nicht völlig blind ist, was von allen befassten Ärzte bestätigt worden ist.
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Die Zweifel an den subjektiven Angaben der Klägerin zu ihrer Sehschärfe ergeben sich vor allem aus den Ergebnissen der Goldmann-Perimetrie, mit der Gesichtsfeldeinschränkungen gemessen werden. Auch insoweit stützt sich der Senat auf die gutachterlichen Ausführungen von Prof. Dr. B. und Prof. Dr. R. sowie dessen urkundlich zu verwertende Stellungnahmen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens und die schriftliche Zeugenaussage von Dr. B.. Die von der Augenärztin E. am 15.02.2011 erhobenen Gesichtsfelder haben nur geringgradig eingeengte Außengrenzen, aber keinerlei Zentralskotom gezeigt. Bei der Untersuchung in der Universitätsklinik Freiburg am 30.06.2011 waren unverändert keine zentralen Ausfälle vorhanden, sondern es konnte im Gegenteil selbst eine sehr kleine Reizmarke (I/3) innerhalb von 10 bis 12 Grad erkannt werden. Anlässlich der weiteren Vorstellung bei Dr. B. am 05.05. und 19.07.2011 war das Gesichtsfeld unverändert zentral unauffällig. Schließlich hat die Klägerin bei der ambulanten Untersuchung durch Prof. Dr. R. am 15.11.2011 weitgehend freie Außengrenzen und kein nachweisbares Zentralskotom angegeben. Den Umstand, dass die Klägerin in der Lage ist, noch sehr kleine und dunkle Reizmarken im Zentrum zu erkennen und kein zentraler Gesichtsfeldausfall feststellbar ist, haben sowohl Prof. Dr. R. als auch Prof. Dr. B. als deutlichen Hinweis dafür gewertet, dass eine Aggravation im Hinblick auf die subjektiven Sehschärfeangaben besteht und die Klägerin insoweit falsche Angaben macht. Denn sie hat kleine und lichtschwache Marken wahrgenommen, die nur mit einer deutlich besseren Sehschärfe erkannt werden können, als die Klägerin angibt. Soweit Prof. Dr. M. hiervon abweichende Gesichtsfeldmessungen durchgeführt hat, hält der Senat diese nicht für aussagekräftig. Denn zu Recht hat Prof. Dr. R. darauf hingewiesen, dass der Sachverständige zwei Messungen durchgeführt hat, die zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben. Während in der einen Untersuchung mit einem Spiralgesichtsfeld am rechten Auge ein sicherer Hinweis auf eine Aggravation dokumentiert worden ist, ist bei einer weiteren Untersuchung lediglich eine deutliche Gesichtsfeldeinengung gefunden worden, wobei im Zentrum auch der kleinen Reizmarke I/4 keinerlei Ausfall festgestellt worden ist. Diese sich widersprechenden Messergebnisse lassen keinen eindeutigen Rückschluss auf eine die Sehminderung stützende Gesichtsfeldeinschränkung zu. Hinzu kommt, dass zwar ein Glaukom diagnostiziert worden ist, der Befund des Sehnervenkopfes mit einem schrägen Sehnerveneintritt nach der für den Senat überzeugenden Einschätzung des Prof. Dr. R. bei einer derart hohen Kurzsichtigkeit vollkommen normal ist und keinerlei Gesichtsfeldausfall erklärt. Somit fehlt es an einer Erklärung, weshalb bei der Untersuchung des Gesichtsfeldes durch Prof. Dr. M. eine weitere konzentrische Einengung eingetreten sein soll, auch der nunmehr von der Klägerin angegebene zentrale Ausfall am linken Auge ist angesichts des seit November 2011 unveränderten zentralen Augenhintergrundbefundes nicht sicher erklärt. Schließlich sind die Angaben der Klägerin im Rahmen der Sehschärfenbestimmung auch deshalb zweifelhaft, weil sie bei der Untersuchung in der Universitätsklinik Heidelberg am 15.11.2011 in der Lage war, beim Farbflecktest Panel-D15 die gesättigten Farbklötzchen mit einzelnen unspezifischen Fehlern anzuordnen und selbst die entsättigten Farben wurden noch sortiert. Das gute Ergebnis im Farbtest ist nach übereinstimmender Auffassung von Prof. Dr. R. und Prof. Dr. B. nur mit einer deutlich besseren Sehschärfe als von der Klägerin angegeben möglich und daher als weiteres Indiz für eine Aggravation der Klägerin zu bewerten. Im Übrigen geht auch Prof. Dr. M. davon aus, dass die Angaben der Klägerin im Rahmen der Sehschärfenmessung nicht zutreffend sind und die Klägerin aggraviert und versucht, die bereits bestehenden Veränderungen bzw. Einschränkungen ihrer Sehfähigkeit weiter zu verstärken. Seiner Einschätzung, dass der Einfluss dieser Aggravation „eher gering sein dürfte“, vermag sich der Senat schon deshalb nicht anzuschließen, weil Prof. Dr. M. gleichzeitig mitgeteilt hat, dass die Klägerin sich scheinbar sehr sicher im Raum bewegt, was gerade auf eine hohe Diskrepanz zwischen behaupteter Blindheit oder gleichzustellender Sehminderung und tatsächlicher Sehfähigkeit hinweist. Die nur äußerst unpräzise Formulierung deutet darüber hinaus auf verbliebene Restzweifel bei dem Sachverständigen hin. Hinzu kommt, dass der Sachverständige Prof. Dr. M. die aktenkundigen Anhaltspunkte für eine Aggravation der Klägerin, die bereits bei Antragstellung im Jahr 2010 den augenärztlichen Befunden widersprechend eine Sehschärfe von nur 10 % beidseits behauptet hat, nur unzureichend in seiner Begutachtung ausgewertet hat und sich letztlich keine überzeugende Erklärung dafür findet, weshalb er den falschen Angaben der Klägerin nur geringe Bedeutung beimisst.
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Ergeben sich aus den objektiven Messungen nicht hinreichend eindeutige Ergebnisse, die eine beidäugige Gesamtsehschärfe von nicht mehr als 1/50 oder Gesichtsfeldeinengungen in dem durch die Leitlinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft beschriebenen relevanten Bereich belegen, und sind die mitarbeitsabhängigen Sehschärfemessungen aufgrund der eindeutigen und nachgewiesenen Aggravation der Klägerin ungeeignet, den Nachweis der Blindheit zu erbringen, besteht kein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens Bl der insoweit beweispflichtigen Klägerin.
47 
Ihre Berufung ist nach alledem daher erfolglos.
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
49 
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, bestehen nicht.

(1) Blinden Menschen wird zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen Blindenhilfe gewährt, soweit sie keine gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. Auf die Blindenhilfe sind Leistungen bei häuslicher Pflege nach dem Elften Buch, auch soweit es sich um Sachleistungen handelt, bei Pflegebedürftigen des Pflegegrades 2 mit 50 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 2 und bei Pflegebedürftigen der Pflegegrade 3, 4 oder 5 mit 40 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 3, höchstens jedoch mit 50 Prozent des Betrages nach Absatz 2, anzurechnen. Satz 2 gilt sinngemäß für Leistungen nach dem Elften Buch aus einer privaten Pflegeversicherung und nach beamtenrechtlichen Vorschriften. § 39a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Blindenhilfe beträgt bis 30. Juni 2004 für blinde Menschen nach Vollendung des 18. Lebensjahres 585 Euro monatlich, für blinde Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, beträgt sie 293 Euro monatlich. Sie verändert sich jeweils zu dem Zeitpunkt und in dem Umfang, wie sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert.

(3) Lebt der blinde Mensch in einer stationären Einrichtung und werden die Kosten des Aufenthalts ganz oder teilweise aus Mitteln öffentlich-rechtlicher Leistungsträger getragen, so verringert sich die Blindenhilfe nach Absatz 2 um die aus diesen Mitteln getragenen Kosten, höchstens jedoch um 50 vom Hundert der Beträge nach Absatz 2. Satz 1 gilt vom ersten Tage des zweiten Monats an, der auf den Eintritt in die Einrichtung folgt, für jeden vollen Kalendermonat des Aufenthalts in der Einrichtung. Für jeden vollen Tag vorübergehender Abwesenheit von der Einrichtung wird die Blindenhilfe in Höhe von je einem Dreißigstel des Betrages nach Absatz 2 gewährt, wenn die vorübergehende Abwesenheit länger als sechs volle zusammenhängende Tage dauert; der Betrag nach Satz 1 wird im gleichen Verhältnis gekürzt.

(4) Neben der Blindenhilfe wird Hilfe zur Pflege wegen Blindheit nach dem Siebten Kapitel außerhalb von stationären Einrichtungen sowie ein Barbetrag (§ 27b Absatz 2) nicht gewährt. Neben Absatz 1 ist § 30 Abs. 1 Nr. 2 nur anzuwenden, wenn der blinde Mensch nicht allein wegen Blindheit voll erwerbsgemindert ist. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für blinde Menschen, die nicht Blindenhilfe, sondern gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten.

(5) Blinden Menschen stehen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen.

(6) Die Blindenhilfe wird neben Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches erbracht.

(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.

(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:

1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und
5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet. Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet:
1.
Mobilität mit 10 Prozent,
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent,
3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent,
4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent,
5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.

(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.

(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.

(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.

(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4,
4.
ab 70 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5.

(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muß, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 642, 916, 1 174, 1 524 oder 1 876 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I.

(2) Wird fremde Hilfe im Sinne des Absatzes 1 von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet und übersteigen die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wird die Pflegezulage um den übersteigenden Betrag erhöht. Leben Beschädigte mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft, ist die Pflegezulage so zu erhöhen, dass sie nur ein Viertel der von ihnen aufzuwendenden angemessenen Kosten aus der pauschalen Pflegezulage zu zahlen haben und ihnen mindestens die Hälfte der pauschalen Pflegezulage verbleibt. In Ausnahmefällen kann der verbleibende Anteil bis zum vollen Betrag der pauschalen Pflegezulage erhöht werden, wenn Ehegatten, Lebenspartner oder ein Elternteil von Pflegezulageempfängern mindestens der Stufe V neben den Dritten in außergewöhnlichem Umfang zusätzliche Hilfe leisten. Entstehen vorübergehend Kosten für fremde Hilfe, insbesondere infolge Krankheit der Pflegeperson, ist die Pflegezulage für jeweils höchstens sechs Wochen über Satz 2 hinaus so zu erhöhen, dass den Beschädigten die pauschale Pflegezulage in derselben Höhe wie vor der vorübergehenden Entstehung der Kosten verbleibt. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Elternteil nicht nur vorübergehend keine Pflegeleistungen erbringt; § 40a Abs. 3 Satz 3 gilt.

(3) Während einer stationären Behandlung wird die Pflegezulage nach den Absätzen 1 und 2 Empfängern von Pflegezulage nach den Stufen I und II bis zum Ende des ersten, den übrigen Empfängern von Pflegezulage bis zum Ablauf des zwölften auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt.

(4) Über den in Absatz 3 bestimmten Zeitpunkt hinaus wird die Pflegezulage während einer stationären Behandlung bis zum Ende des Kalendermonats vor der Entlassung nur weitergezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte erhalten ein Viertel der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder der Elternteil bis zum Beginn der stationären Behandlung zumindest einen Teil der Pflege wahrgenommen hat. Daneben wird die Pflegezulage in Höhe der Kosten weitergezahlt, die aufgrund eines Pflegevertrages entstehen, es sei denn, die Kosten hätten durch ein den Beschädigten bei Abwägung aller Umstände zuzumutendes Verhalten, insbesondere durch Kündigung des Pflegevertrages, vermieden werden können. Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III erhalten, soweit eine stärkere Beteiligung der schon bis zum Beginn der stationären Behandlung unentgeltlich tätigen Pflegeperson medizinisch erforderlich ist, abweichend von Satz 2 ausnahmsweise Pflegezulage bis zur vollen Höhe nach Absatz 1, in Fällen des Satzes 3 jedoch nicht über den nach Absatz 2 Satz 2 aus der pauschalen Pflegezulage verbleibenden Betrag hinaus.

(5) Tritt Hilflosigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gleichzeitig mit der Notwendigkeit stationärer Behandlung oder während einer stationären Behandlung ein, besteht für die Zeit vor dem Kalendermonat der Entlassung kein Anspruch auf Pflegezulage. Für diese Zeit wird eine Pflegebeihilfe gezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte, die mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten eine Pflegebeihilfe in Höhe eines Viertels der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I. Soweit eine stärkere Beteiligung der Ehegatten, Lebenspartner oder eines Elternteils oder die Beteiligung einer Person, die den Beschädigten nahesteht, an der Pflege medizinisch erforderlich ist, kann in begründeten Ausnahmefällen eine Pflegebeihilfe bis zur Höhe der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I gezahlt werden.

(6) Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege im Sinne des Absatzes 1 bedürfen, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht sichergestellt werden kann, die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege, soweit sie Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen. Jedoch ist den Beschädigten von ihren Versorgungsbezügen zur Bestreitung der sonstigen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und den Angehörigen ein Betrag mindestens in Höhe der Hinterbliebenenbezüge zu belassen, die ihnen zustehen würden, wenn Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben wären. Bei der Berechnung der Bezüge der Angehörigen ist auch das Einkommen der Beschädigten zu berücksichtigen, soweit es nicht ausnahmsweise für andere Zwecke, insbesondere die Erfüllung anderer Unterhaltspflichten, einzusetzen ist.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.