Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 26. Okt. 2016 - L 4 P 2609/16

bei uns veröffentlicht am26.10.2016

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

 
I.
Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der sog. „Pflegestufe 0“.
Der Kläger ist am 1966 geboren. Er ist bei der Beklagten pflegeversichert. Er bezieht eine Rente wegen Erwerbsminderung der gesetzlichen Rentenversicherung sowie ergänzende Leistungen des Sozialhilfeträgers als persönliches Budget. Seit dem 1. März 2011 wird er vom ambulanten Pflegedienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) durch einmal wöchentliche Hausbesuche betreut.
Am 29. Juli 2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten Pflegegeld der „Pflegestufe 0“.
Im Auftrag der Beklagten erstellte Dr. G. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) auf Grund einer Untersuchung des Klägers vom 18. August 2015 am 19. August 2015 ein Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Beim Kläger läge eine paranoide Schizophrenie (stabil), eine Alkoholkrankheit (stabil), ein Diabetes mellitus, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Bluthochdruck sowie Übergewicht vor. Es handele sich nicht um pflegebegründende Diagnosen. Es läge keine demenzbedingte Fähigkeitsstörung, keine geistige Behinderung und keine psychische Erkrankung vor. Im Bereich der Grundpflege bestehe kein Pflegebedarf. Im Bereich der Hauswirtschaft bestehe ein täglich durchschnittlicher Hilfebedarf von 30 Minuten.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 31. August 2015 unter Hinweis auf das Gutachten des MDK ab, weil die Voraussetzungen für „Leistungen aus der Pflegeversicherung“ nicht gegeben seien.
Hiergegen erhob der Kläger am 7. September 2015 Widerspruch. Er werde vom DRK gepflegt. Er werde gewogen, es werde mit ihm eingekauft usw. Er legte eine handschriftliche Pflegedokumentation bezüglich der Pflege durch das DRK vor.
Im Auftrag der Beklagten erstellte die Pflegefachkraft Gr. vom MDK unter dem 19. Oktober 2015 ein Gutachten nach Aktenlage. Sie bestätigte darin sowie in einer sozialmedizinischen Fallberatung vom 11. Januar 2016 das Ergebnis des Gutachtens von Dr. G..
Der Kläger erhob am 19. Januar 2016 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Untätigkeitsklage (S 5 P 156/16).
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2016 zurück. Der Kläger sei nicht pflegebedürftig. Pflegebedürftig seien Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürften. Krankheiten im Sinne dieser Vorschriften seien u.a. Verluste, Lähmungen oder andere Funktionsstörungen am Stütz- oder Bewegungsapparat sowie Funktionsstörungen der inneren Organe oder der Sinnesorgane. Die beim Kläger bestehenden Krankheiten seien keine Krankheiten im Sinne der §§ 14 und 15 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Verrichtungen wie Spaziergänge oder die Gabe von Arzneimittel dürften bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit nicht berücksichtigt werden. Auch die Voraussetzungen für zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI lägen nicht vor. Auch die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 und 2 SGB XI lägen nicht vor, da die Voraussetzungen nach § 45a SGB XI nicht erfüllt seien. Die Alltagskompetenz des Klägers sei im Sinne der Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nicht eingeschränkt.
10 
Hiergegen erhob der Kläger am 15. März 2016 beim SG Klage (S 5 P 746/16). Er werde einmal wöchentlich vom DRK betreut. Anspruch auf Leistungen nach „Pflegestufe 0“ habe jemand, der schon auch nur eine Minute im Monat gepflegt werde. Dies sei bei ihm der Fall. Er werde bei Einkäufen und bei Spaziergängen unterstützt.
11 
Das SG verband die Verfahren S 5 P 156/16 und S 5 P 746/16 mit Beschluss vom 21. März 2016 unter dem Aktenzeichen S 5 P 156/16 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung.
12 
Die Beklagte trat den Klagen entgegen. Sie verwies auf den Widerspruchsbescheid.
13 
Das SG lud die Beteiligten mit Terminsbestimmung vom 12. Mai 2016 zur mündlichen Verhandlung am 29. Juni 2016 unter Hinweis darauf, dass bei Ausbleiben von Beteiligten eine Entscheidung auch nach Lage der Akten ergehen kann. Die Terminsbestimmung wurde dem Kläger am 14. Mai 2016 und der Beklagten am 17. Mai 2016 zugestellt. Die Beteiligten erschienen zur mündlichen Verhandlung nicht.
14 
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 29. Juni 2016 „nach Lage der Akten“ ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung. Im Bereich der Grundpflege bestehe beim Kläger kein Hilfebedarf. Das Blutdruckmessen zähle nicht zur Körperpflege, denn Hilfestellungen bei der Dokumentation von Erkrankungen seien Teil der von den Krankenkasse geschuldeten Behandlungspflege. Das Tragen von schweren Einkäufen zähle nicht zum Hilfebereich der Mobilität, sondern das Einkaufen sei Teil der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die Führung von Gesprächen zähle nicht zum Bereich der Grundpflege, denn die Kommunikation sei kein Bestandteil der Körperpflege, Ernährung oder Mobilität. Auch Leistungen nach dem Vierten Abschnitt des SGB XI, insbesondere Betreuungs- und Entlastungsleistungen gemäß § 45b SGB XI könne der Kläger nicht beanspruchen. Solche Leistungen würden zwar auch für Personen erbracht, die nicht die sonstigen Voraussetzungen der Pflegestufe I bis III erfüllten, notwendige Voraussetzung sei jedoch in jedem Fall, dass neben einem hauswirtschaftlichen Hilfebedarf auch ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege bestehe. Im Bereich der Grundpflege bestehe jedoch beim Kläger kein Hilfebedarf. Wenn kein Hilfebedarf für Verrichtungen der Grundpflege bestehe, kämen Leistungen der Beklagten als Träger in der sozialen Pflegeversicherung nicht in Betracht. Hilfe für andere Verrichtungen könne der Kläger allenfalls vom Sozialhilfeträger erhalten, die ihm auch von der Sozialstation des DRK tatsächlich geleistet werde.
15 
Gegen das ihm am 13. Juli 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Juli 2016 Berufung eingelegt. Er als psychisch Kranker werde schon seit Jahrzehnten betreut. Er sei früher im betreuten Wohnen in einer Wohngemeinschaft gewesen, dann im betreuten Einzelwohnen. Es sei so gewesen, dass ihn keine Organisation mehr habe betreuen wollen. Dann habe jedoch die Diakonie eingewilligt, ihn in einer Wohnung zu betreuen. Dies werde vom Landratsamt finanziert, seit er Rentenempfänger sei. Es sei nicht anzunehmen, dass dies finanziert würde, wenn er nicht an einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz leiden würde. Er werde inzwischen vom DRK einmal pro Woche betreut.
16 
Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),
17 
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Juni 2016 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 31. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2016 zu verurteilen, ihm Leistungen wegen erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz ab dem 1. Juli 2015 zu gewähren.
18 
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
20 
Die Beklagte verweist auf das angefochtene Urteil sowie ihren bisherigen Vortrag.
21 
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger hat seine Auffassung bekräftigt. Die Beklagte hat sich mit einer Entscheidung durch Beschluss einverstanden erklärt.
22 
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
II.
23 
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
24 
Der Entscheidung durch Beschluss steht nicht entgegen, dass das SG gemäß § 126 SGG nach Lage der Akten entschieden hat. Dies gilt jedenfalls deshalb, weil die Beteiligten zu der mündlichen Verhandlung am 29. Juni 2016 ausweislich der in der Akte des SG enthaltenen Zustellungsnachweise ordnungsgemäß geladen und auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach Lage der Akten hingewiesen worden waren, aber nicht erschienen sind, ohne eine Verlegung des Termins zu beantragen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. November 1987 – 9 B 300/87 – juris, Rn. 3).
25 
2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere bedurfte die Berufung nicht der Zulassung, da der Kläger Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
26 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers, nicht jedoch seine ursprüngliche Untätigkeitsklage. Die Untätigkeitsklage hat der Kläger bereits erstinstanzlich bei sachgerechter Auslegung seines Verhaltens nicht weiter verfolgt, nachdem der mit der Untätigkeitsklage begehrte Widerspruchsbescheid erlassen war. Auch das SG hat über die Untätigkeitsklage zu Recht nicht mehr entschieden. Im Berufungsverfahren hat der Kläger ausdrücklich nur noch sein Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren zum Ausdruck gebracht.
27 
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind bei sachgerechter Auslegung des Begehrens des Klägers (§ 123 SGG) allein Leistungen wegen erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz nach §§ 45 und 123 SGB XI. Leistungen wegen häuslicher Pflege, insbesondere Pflegegeld nach § 37 SGB XI, kommen auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht in Betracht. Denn der Kläger geht selbst davon aus, dass bei ihm die Voraussetzungen mindestens der Pflegestufe I (dazu unten 3. a) bb) (1)) nicht vorliegen. Dies ergibt sich daraus, dass er Leistungen der „Pflegestufe 0“ begehrt.
28 
3. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 31. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2016 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI.
29 
a) aa) Nach § 45b Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der seit dem 1. Januar 2015 und noch bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung des Ersten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Erstes Pflegestärkungsgesetz – PSG I) vom 17. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2222) können Versicherte, die die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllen, je nach Umfang des erheblichen allgemeinen Betreuungsbedarfs zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Anspruch nehmen. Die Kosten hierfür werden nach § 45b Abs. 1 Satz 2 SGB XI ersetzt, höchstens jedoch EUR 104,00 Euro monatlich (Grundbetrag) oder EUR 200,00 monatlich (erhöhter Betrag). Die Höhe des jeweiligen Anspruchs wird nach § 45b Abs. 1 Satz 3 SGB XI von der Pflegekasse auf Empfehlung des MDK im Einzelfall festgelegt und dem Versicherten mitgeteilt. Nach § 45b Abs. 1 Satz 5 SGB XI ist der Betrag zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen der Betreuung oder Entlastung. Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die dem Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen (1.) der Tages- oder Nachtpflege, (2.) der Kurzzeitpflege, (3.) der zugelassenen Pflegedienste, sofern es sich um besondere Angebote der allgemeinen Anleitung und Betreuung oder Angebote der hauswirtschaftlichen Versorgung und nicht um Leistungen der Grundpflege handelt oder (4.) der nach Landesrecht anerkannten niedrigschwelligen Betreuungsangebote, die nach § 45c SGB XI gefördert oder förderungsfähig sind (§ 45b Abs. 1 Satz 6 SGB XI).
30 
Nach § 45a Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der seit 1. Januar 2015 und noch bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung betreffen die Leistungen im Fünften Abschnitt des Vierten Kapitels (§§ 45a bis 45d SGB XI) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege, bei denen neben dem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§§ 14 und 15 SGB XI) ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung besteht. Dies sind nach § 45a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI Pflegebedürftige der Pflegestufen I, II und III sowie nach § 45a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XI Personen, die einen Hilfebedarf im Bericht der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung haben, der aber nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreicht (sog. Pflegestufe 0; vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 20. April 2016 – B 3 P 1/15 R – juris, Rn. 11). Bei beiden Fallgruppen ist zusätzlich Voraussetzung, dass es sich um Personen mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen handelt, bei denen der MDK oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter im Rahmen der Begutachtung nach § 18 SGB XI als Folge der Krankheit oder Behinderung Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens festgestellt haben, die dauerhaft zu einer Einschränkung der Alltagskompetenz geführt haben.
31 
bb) Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger insofern nicht vor, als bei ihm keinerlei Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege besteht, der aber nach § 45b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 45a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XI Anspruchsvoraussetzung ist. Auf die Frage, ob bei ihm eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz vorliegt, kommt es mithin nicht an.
32 
(1) Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
33 
Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven („abstrakten“) Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI stellt allein auf den „Bedarf“ an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2002 – B 3 P 12/01 R – juris, Rn. 12 ff.; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 7/97 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 P 7/03 R – juris, Rn. 32 m.w.N.; BSG, Urteil vom 6. Februar 2006 – B 3 P 26/05 B – juris, Rn. 8; Urteil des Senats vom 30. März 2012 – L 4 P 342/10 – juris, Rn. 27; Urteil des Senats vom 3. August 2012 – L 4 P 5324/11 – juris, Rn. 26). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (BSG, Urteil vom 10. März 2010 – B 3 P 10/08 R – juris, Rn. 20 m.w.N.).
34 
(2) Nach diesen Maßstäben steht zur Überzeugung des Senats fest, dass beim Kläger jedenfalls seit Antragstellung am 29. Juli 2015 kein Grundpflegebedarf bestand und gegenwärtig besteht. Beim Kläger liegt eine paranoide Schizophrenie (stabil), eine Alkoholkrankheit (stabil), ein Diabetes mellitus, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Bluthochdruck sowie Übergewicht vor. Aus keiner dieser Erkrankungen resultiert ein Pflegebedarf des Klägers im Bereich der Grundpflege. Dies entnimmt der Senat dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. G. vom 19. August 2015, das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnte (zur Zulässigkeit der Verwertung der vom MDK erstatteten Gutachten BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 5/00 R – juris, Rn. 12 f.; allgemein zum Urkundsbeweis BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Dr. G. hat in seinem Gutachten berichtet, dass der Kläger selbst angegeben hat, die Grundpflege selbständig durchzuführen.
35 
Aus dem Vorbringen des Klägers im gerichtlichen Verfahren ergibt sich nichts anderes. Er hat vorgetragen, vom DRK bei Einkäufen von Sachen, die er nicht transportieren könne, unterstützt zu werden. Außerdem werde er bei Spaziergängen begleitet. Beides ist nicht dem Bereich der Grundpflege zugeordnet. Dies gilt auch für die psychosozialen Gespräche, die den Kern der Betreuung des Klägers durch den DRK bilden.
36 
b) Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf § 45b Abs. 1a SGB XI stützen.
37 
Pflegebedürftige, die nicht die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllen, können ebenfalls zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach Absatz 1 in Anspruch nehmen (§ 45b Abs. 1a Satz 2 SGB XI). Die Kosten hierfür werden bis zu einem Betrag in Höhe von EUR 104,00 monatlich ersetzt (§ 45b Abs. 1a Satz 2 SGB XI).
38 
§ 45b Abs. 1a Satz 2 SGB XI dispensiert zwar für einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen im Gegensatz zu § 45b Abs. 1 SGB XI vom Erfordernis der Voraussetzungen des § 45a SGB XI. Im Gegenzug setzt er aber bereits nach seinem Wortlaut voraus, dass derjenige, der den Anspruch geltend macht, pflegebedürftig ist. Der Betroffene muss also mindestens die Voraussetzungen der Pflegestufe I erfüllen (Waldhorst-Kahnau, in: jurisPK-SGB XI, 2014, § 45b Rn. 10.1). Dies ist beim Kläger – wie oben dargelegt – schon aufgrund des fehlenden Grundpflegebedarfs nicht der Fall.
39 
c) Schließlich hat der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen nach § 123 SGB XI.
40 
Nach § 123 Abs. 1 SGB XI in der seit 1. Januar 2015 und noch bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung haben Versicherte, die wegen erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllen, neben den Leistungen nach § 45b SGB XI bis zum Inkrafttreten eines Gesetzes, das die Leistungsgewährung aufgrund eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und eines entsprechenden Begutachtungsverfahrens regelt, Ansprüche auf Pflegeleistungen nach Maßgabe der folgenden Absätze. Da der Kläger nicht die Voraussetzung des § 45a SGB XI erfüllt (siehe oben 3. a) bb)) sind die Voraussetzungen dieser Leistungen nicht gegeben.
41 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
42 
5. Die Berufung war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

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Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 15 Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit, Begutachtungsinstrument


(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments er

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 14 Begriff der Pflegebedürftigkeit


(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 37 Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen


(1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 können anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderlichen körperbezogenen P

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 45a Angebote zur Unterstützung im Alltag, Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags (Umwandlungsanspruch), Verordnungsermächtigung


(1) Angebote zur Unterstützung im Alltag tragen dazu bei, Pflegepersonen zu entlasten, und helfen Pflegebedürftigen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und ihren Alltag weiterhin möglichst sel

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 18 Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit


(1) Die Pflegekassen beauftragen den Medizinischen Dienst oder andere unabhängige Gutachter mit der Prüfung, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welcher Pflegegrad vorliegt. Im Rahmen dieser Prüfungen haben der Medizinisch

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 45b Entlastungsbetrag


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Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a.
Die Erstattung der Aufwendungen erfolgt auch, wenn für die Finanzierung der in Satz 3 genannten Leistungen Mittel der Verhinderungspflege gemäß § 39 eingesetzt werden. Die Leistung nach Satz 1 kann innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres in Anspruch genommen werden; wird die Leistung in einem Kalenderjahr nicht ausgeschöpft, kann der nicht verbrauchte Betrag in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden.

(2) Der Anspruch auf den Entlastungsbetrag entsteht, sobald die in Absatz 1 Satz 1 genannten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, ohne dass es einer vorherigen Antragstellung bedarf. Die Kostenerstattung in Höhe des Entlastungsbetrags nach Absatz 1 erhalten die Pflegebedürftigen von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel gegen Vorlage entsprechender Belege über entstandene Eigenbelastungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der in Absatz 1 Satz 3 genannten Leistungen. Für Zwecke der statistischen Erfassung bei den Pflegekassen und den privaten Versicherungsunternehmen muss auf den Belegen eindeutig und deutlich erkennbar angegeben sein, im Zusammenhang mit welcher der in Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 genannten Leistungen die Aufwendungen jeweils entstanden sind.

(3) Der Entlastungsbetrag nach Absatz 1 Satz 1 findet bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach § 13 Absatz 3 Satz 1 keine Berücksichtigung. § 63b Absatz 1 des Zwölften Buches findet auf den Entlastungsbetrag keine Anwendung. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 darf der Entlastungsbetrag hinsichtlich der Leistungen nach § 64i oder § 66 des Zwölften Buches bei der Hilfe zur Pflege Berücksichtigung finden, soweit nach diesen Vorschriften Leistungen zu gewähren sind, deren Inhalte den Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 entsprechen.

(4) Die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 verlangte Vergütung darf die Preise für vergleichbare Sachleistungen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen nicht übersteigen. Näheres zur Ausgestaltung einer entsprechenden Begrenzung der Vergütung, die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 durch nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag verlangt werden darf, können die Landesregierungen in der Rechtsverordnung nach § 45a Absatz 3 bestimmen.

(1) Angebote zur Unterstützung im Alltag tragen dazu bei, Pflegepersonen zu entlasten, und helfen Pflegebedürftigen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und ihren Alltag weiterhin möglichst selbständig bewältigen zu können. Angebote zur Unterstützung im Alltag sind

1.
Angebote, in denen insbesondere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung von Pflegebedürftigen mit allgemeinem oder mit besonderem Betreuungsbedarf in Gruppen oder im häuslichen Bereich übernehmen (Betreuungsangebote),
2.
Angebote, die der gezielten Entlastung und beratenden Unterstützung von pflegenden Angehörigen und vergleichbar nahestehenden Pflegepersonen in ihrer Eigenschaft als Pflegende dienen (Angebote zur Entlastung von Pflegenden),
3.
Angebote, die dazu dienen, die Pflegebedürftigen bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder im Haushalt, insbesondere bei der Haushaltsführung, oder bei der eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen zu unterstützen (Angebote zur Entlastung im Alltag).
Die Angebote benötigen eine Anerkennung durch die zuständige Behörde nach Maßgabe des gemäß Absatz 3 erlassenen Landesrechts. Durch ein Angebot zur Unterstützung im Alltag können auch mehrere der in Satz 2 Nummer 1 bis 3 genannten Bereiche abgedeckt werden. In Betracht kommen als Angebote zur Unterstützung im Alltag insbesondere Betreuungsgruppen für an Demenz erkrankte Menschen, Helferinnen- und Helferkreise zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger oder vergleichbar nahestehender Pflegepersonen im häuslichen Bereich, die Tagesbetreuung in Kleingruppen oder Einzelbetreuung durch anerkannte Helferinnen oder Helfer, Agenturen zur Vermittlung von Betreuungs- und Entlastungsleistungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige sowie vergleichbar nahestehende Pflegepersonen, Familienentlastende Dienste, Alltagsbegleiter, Pflegebegleiter und Serviceangebote für haushaltsnahe Dienstleistungen.

(2) Angebote zur Unterstützung im Alltag beinhalten die Übernahme von Betreuung und allgemeiner Beaufsichtigung, eine die vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten stärkende oder stabilisierende Alltagsbegleitung, Unterstützungsleistungen für Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende zur besseren Bewältigung des Pflegealltags, die Erbringung von Dienstleistungen, organisatorische Hilfestellungen oder andere geeignete Maßnahmen. Die Angebote verfügen über ein Konzept, das Angaben zur Qualitätssicherung des Angebots sowie eine Übersicht über die Leistungen, die angeboten werden sollen, und die Höhe der den Pflegebedürftigen hierfür in Rechnung gestellten Kosten enthält. Das Konzept umfasst ferner Angaben zur zielgruppen- und tätigkeitsgerechten Qualifikation der Helfenden und zu dem Vorhandensein von Grund- und Notfallwissen im Umgang mit Pflegebedürftigen sowie dazu, wie eine angemessene Schulung und Fortbildung der Helfenden sowie eine kontinuierliche fachliche Begleitung und Unterstützung insbesondere von ehrenamtlich Helfenden in ihrer Arbeit gesichert werden. Bei wesentlichen Änderungen hinsichtlich der angebotenen Leistungen ist das Konzept entsprechend fortzuschreiben; bei Änderung der hierfür in Rechnung gestellten Kosten sind die entsprechenden Angaben zu aktualisieren.

(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Anerkennung der Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne der Absätze 1 und 2 einschließlich der Vorgaben zur regelmäßigen Qualitätssicherung der Angebote und zur regelmäßigen Übermittlung einer Übersicht über die aktuell angebotenen Leistungen und die Höhe der hierfür erhobenen Kosten zu bestimmen. Beim Erlass der Rechtsverordnung sollen sie die gemäß § 45c Absatz 7 beschlossenen Empfehlungen berücksichtigen.

(4) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege mit mindestens Pflegegrad 2 können eine Kostenerstattung zum Ersatz von Aufwendungen für Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag unter Anrechnung auf ihren Anspruch auf ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 erhalten, soweit für den entsprechenden Leistungsbetrag nach § 36 in dem jeweiligen Kalendermonat keine ambulanten Pflegesachleistungen bezogen wurden. Der hierfür verwendete Betrag darf je Kalendermonat 40 Prozent des nach § 36 für den jeweiligen Pflegegrad vorgesehenen Höchstleistungsbetrags nicht überschreiten. Zur Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 bedarf es keiner vorherigen Antragstellung. Die Anspruchsberechtigten erhalten die Kostenerstattung nach Satz 1 bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle gegen Vorlage entsprechender Belege über Eigenbelastungen, die ihnen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Leistungen der Angebote zur Unterstützung im Alltag entstanden sind. Die Vergütungen für ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 sind vorrangig abzurechnen. Im Rahmen der Kombinationsleistung nach § 38 gilt die Erstattung der Aufwendungen nach Satz 1 als Inanspruchnahme der dem Anspruchsberechtigten nach § 36 Absatz 3 zustehenden Sachleistung. Ist vor der Auszahlung der Kostenerstattung nach Satz 1 für den jeweiligen Kalendermonat bereits mehr Pflegegeld oder anteiliges Pflegegeld an den Pflegebedürftigen ausgezahlt worden, als er nach Berücksichtigung des Betrags der zu erstattenden Aufwendungen beanspruchen kann, wird der Kostenerstattungsbetrag insoweit mit dem bereits ausgezahlten Pflegegeldbetrag verrechnet. Beziehen Anspruchsberechtigte die Leistung nach Satz 1, findet § 37 Absatz 3 bis 5 und 7 bis 9 Anwendung; § 37 Absatz 6 findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass eine Kürzung oder Entziehung in Bezug auf die Kostenerstattung nach Satz 1 erfolgt. Die Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 und die Inanspruchnahme des Entlastungsbetrags nach § 45b erfolgen unabhängig voneinander.

(1) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege haben Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich. Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegende sowie zur Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags. Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die den Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von

1.
Leistungen der Tages- oder Nachtpflege,
2.
Leistungen der Kurzzeitpflege,
3.
Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36, in den Pflegegraden 2 bis 5 jedoch nicht von Leistungen im Bereich der Selbstversorgung,
4.
Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a.
Die Erstattung der Aufwendungen erfolgt auch, wenn für die Finanzierung der in Satz 3 genannten Leistungen Mittel der Verhinderungspflege gemäß § 39 eingesetzt werden. Die Leistung nach Satz 1 kann innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres in Anspruch genommen werden; wird die Leistung in einem Kalenderjahr nicht ausgeschöpft, kann der nicht verbrauchte Betrag in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden.

(2) Der Anspruch auf den Entlastungsbetrag entsteht, sobald die in Absatz 1 Satz 1 genannten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, ohne dass es einer vorherigen Antragstellung bedarf. Die Kostenerstattung in Höhe des Entlastungsbetrags nach Absatz 1 erhalten die Pflegebedürftigen von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel gegen Vorlage entsprechender Belege über entstandene Eigenbelastungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der in Absatz 1 Satz 3 genannten Leistungen. Für Zwecke der statistischen Erfassung bei den Pflegekassen und den privaten Versicherungsunternehmen muss auf den Belegen eindeutig und deutlich erkennbar angegeben sein, im Zusammenhang mit welcher der in Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 genannten Leistungen die Aufwendungen jeweils entstanden sind.

(3) Der Entlastungsbetrag nach Absatz 1 Satz 1 findet bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach § 13 Absatz 3 Satz 1 keine Berücksichtigung. § 63b Absatz 1 des Zwölften Buches findet auf den Entlastungsbetrag keine Anwendung. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 darf der Entlastungsbetrag hinsichtlich der Leistungen nach § 64i oder § 66 des Zwölften Buches bei der Hilfe zur Pflege Berücksichtigung finden, soweit nach diesen Vorschriften Leistungen zu gewähren sind, deren Inhalte den Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 entsprechen.

(4) Die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 verlangte Vergütung darf die Preise für vergleichbare Sachleistungen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen nicht übersteigen. Näheres zur Ausgestaltung einer entsprechenden Begrenzung der Vergütung, die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 durch nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag verlangt werden darf, können die Landesregierungen in der Rechtsverordnung nach § 45a Absatz 3 bestimmen.

Das Gericht kann, sofern in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, nach Lage der Akten entscheiden, wenn in einem Termin keiner der Beteiligten erscheint oder beim Ausbleiben von Beteiligten die erschienenen Beteiligten es beantragen.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

(1) Die Pflegekassen haben für Angehörige und sonstige an einer ehrenamtlichen Pflegetätigkeit interessierte Personen unentgeltlich Schulungskurse durchzuführen, um soziales Engagement im Bereich der Pflege zu fördern und zu stärken, Pflege und Betreuung zu erleichtern und zu verbessern sowie pflegebedingte körperliche und seelische Belastungen zu mindern und ihrer Entstehung vorzubeugen. Die Kurse sollen Fertigkeiten für eine eigenständige Durchführung der Pflege vermitteln. Auf Wunsch der Pflegeperson und der pflegebedürftigen Person findet die Schulung auch in der häuslichen Umgebung des Pflegebedürftigen statt. § 114a Absatz 3a gilt entsprechend. Die Pflegekassen sollen auch digitale Pflegekurse anbieten; die Pflicht der Pflegekassen zur Durchführung von Schulungskursen nach Satz 1 vor Ort bleibt unberührt.

(2) Die Pflegekasse kann die Kurse entweder selbst oder gemeinsam mit anderen Pflegekassen durchführen oder geeignete andere Einrichtungen mit der Durchführung beauftragen.

(3) Über die einheitliche Durchführung sowie über die inhaltliche Ausgestaltung der Kurse können die Landesverbände der Pflegekassen Rahmenvereinbarungen mit den Trägern der Einrichtungen schließen, die die Pflegekurse durchführen.

(1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 können anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderlichen körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Das Pflegegeld beträgt je Kalendermonat

1.
316 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 2,
2.
545 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 3,
3.
728 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 4,
4.
901 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 5.

(2) Besteht der Anspruch nach Absatz 1 nicht für den vollen Kalendermonat, ist der Geldbetrag entsprechend zu kürzen; dabei ist der Kalendermonat mit 30 Tagen anzusetzen. Die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes wird während einer Kurzzeitpflege nach § 42 für bis zu acht Wochen und während einer Verhinderungspflege nach § 39 für bis zu sechs Wochen je Kalenderjahr fortgewährt. Das Pflegegeld wird bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem der Pflegebedürftige gestorben ist. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches gilt entsprechend, wenn für die Zeit nach dem Monat, in dem der Pflegebedürftige verstorben ist, Pflegegeld überwiesen wurde.

(3) Pflegebedürftige, die Pflegegeld nach Absatz 1 beziehen, haben in folgenden Intervallen eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen:

1.
bei den Pflegegraden 2 und 3 halbjährlich einmal,
2.
bei den Pflegegraden 4 und 5 vierteljährlich einmal.
Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 haben Anspruch, halbjährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen. Beziehen Pflegebedürftige von einem ambulanten Pflegedienst Pflegesachleistungen, können sie ebenfalls halbjährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit in Anspruch nehmen. Auf Wunsch der pflegebedürftigen Person erfolgt im Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis einschließlich 30. Juni 2024 jede zweite Beratung abweichend von den Sätzen 1 bis 3 per Videokonferenz. Bei der Durchführung der Videokonferenz sind die nach § 365 Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches vereinbarten Anforderungen an die technischen Verfahren zu Videosprechstunden einzuhalten. Die erstmalige Beratung nach den Sätzen 1 bis 3 hat in der eigenen Häuslichkeit zu erfolgen.

(3a) Die Beratung nach Absatz 3 dient der Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege und der regelmäßigen Hilfestellung und praktischen pflegefachlichen Unterstützung der häuslich Pflegenden. Die Pflegebedürftigen und die häuslich Pflegenden sind bei der Beratung auch auf die Auskunfts-, Beratungs- und Unterstützungsangebote des für sie zuständigen Pflegestützpunktes sowie auf die Pflegeberatung nach § 7a hinzuweisen.

(3b) Die Beratung nach Absatz 3 kann durchgeführt werden durch

1.
einen zugelassenen Pflegedienst,
2.
eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz oder
3.
eine von der Pflegekasse beauftragte, jedoch von ihr nicht beschäftigte Pflegefachkraft, sofern die Durchführung der Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst vor Ort oder eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz nicht gewährleistet werden kann.

(3c) Die Vergütung für die Beratung nach Absatz 3 ist von der zuständigen Pflegekasse, bei privat Pflegeversicherten von dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen zu tragen, im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von dem zuständigen Beihilfeträger. Die Höhe der Vergütung für die Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst oder durch eine von der Pflegekasse beauftragte Pflegefachkraft vereinbaren die Pflegekassen oder deren Arbeitsgemeinschaften in entsprechender Anwendung des § 89 Absatz 1 und 3 mit dem Träger des zugelassenen Pflegedienstes oder mit der von der Pflegekasse beauftragten Pflegefachkraft unter Berücksichtigung der Empfehlungen nach Absatz 5. Die Vergütung kann nach Pflegegraden gestaffelt werden. Über die Höhe der Vergütung anerkannter Beratungsstellen und von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften entscheiden die Landesverbände der Pflegekassen unter Zugrundelegung der im jeweiligen Land nach den Sätzen 2 und 4 vereinbarten Vergütungssätze jeweils für die Dauer eines Jahres. Die Landesverbände haben die jeweilige Festlegung der Vergütungshöhe in geeigneter Weise zu veröffentlichen.

(4) Die Pflegedienste und die anerkannten Beratungsstellen sowie die beauftragten Pflegefachkräfte haben die Durchführung der Beratungseinsätze gegenüber der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen zu bestätigen sowie die bei dem Beratungsbesuch gewonnenen Erkenntnisse über die Möglichkeiten der Verbesserung der häuslichen Pflegesituation dem Pflegebedürftigen und mit dessen Einwilligung der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen mitzuteilen, im Fall der Beihilfeberechtigung auch der zuständigen Beihilfefestsetzungsstelle. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen stellen ihnen für diese Mitteilung ein einheitliches Formular zur Verfügung. Erteilt die pflegebedürftige Person die Einwilligung nicht, ist jedoch nach Überzeugung der Beratungsperson eine weitergehende Beratung angezeigt, übermittelt die jeweilige Beratungsstelle diese Einschätzung über die Erforderlichkeit einer weitergehenden Beratung der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen. Diese haben eine weitergehende Beratung nach § 7a anzubieten. Der beauftragte Pflegedienst und die anerkannte Beratungsstelle haben dafür Sorge zu tragen, dass für einen Beratungsbesuch im häuslichen Bereich Pflegekräfte eingesetzt werden, die spezifisches Wissen zu dem Krankheits- und Behinderungsbild sowie des sich daraus ergebenden Hilfebedarfs des Pflegebedürftigen mitbringen und über besondere Beratungskompetenz verfügen. Zudem soll bei der Planung für die Beratungsbesuche weitestgehend sichergestellt werden, dass der Beratungsbesuch bei einem Pflegebedürftigen möglichst auf Dauer von derselben Pflegekraft durchgeführt wird.

(5) Die Vertragsparteien nach § 113 beschließen gemäß § 113b bis zum 1. Januar 2018 unter Beachtung der in Absatz 4 festgelegten Anforderungen Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 3. Die Empfehlungen enthalten Ausführungen wenigstens

1.
zu Beratungsstandards,
2.
zur erforderlichen Qualifikation der Beratungspersonen sowie
3.
zu erforderlichenfalls einzuleitenden Maßnahmen im Einzelfall.
Fordert das Bundesministerium für Gesundheit oder eine Vertragspartei nach § 113 im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit die Vertragsparteien schriftlich zum Beschluss neuer Empfehlungen nach Satz 1 auf, sind diese innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Aufforderung neu zu beschließen. Die Empfehlungen gelten für die anerkannten Beratungsstellen entsprechend.

(5a) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen beschließt mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. bis zum 1. Januar 2020 Richtlinien zur Aufbereitung, Bewertung und standardisierten Dokumentation der Erkenntnisse aus dem jeweiligen Beratungsbesuch durch die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen. Die Richtlinien werden erst wirksam, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie genehmigt. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn die Richtlinien nicht innerhalb von zwei Monaten, nachdem sie dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt worden sind, beanstandet werden. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben.

(6) Rufen Pflegebedürftige die Beratung nach Absatz 3 Satz 1 nicht ab, hat die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen das Pflegegeld angemessen zu kürzen und im Wiederholungsfall zu entziehen.

(7) Die Landesverbände der Pflegekassen haben neutrale und unabhängige Beratungsstellen zur Durchführung der Beratung nach den Absätzen 3 bis 4 anzuerkennen. Dem Antrag auf Anerkennung ist ein Nachweis über die erforderliche pflegefachliche Kompetenz der Beratungsstelle und ein Konzept zur Qualitätssicherung des Beratungsangebotes beizufügen. Die Landesverbände der Pflegekassen regeln das Nähere zur Anerkennung der Beratungsstellen.

(8) Die Beratungsbesuche nach Absatz 3 können auch von Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern im Sinne des § 7a oder von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften, die die erforderliche pflegefachliche Kompetenz aufweisen, durchgeführt werden. Absatz 4 findet entsprechende Anwendung. Die Inhalte der Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 5 sind zu beachten.

(9) Beratungsbesuche nach Absatz 3 dürfen von Betreuungsdiensten im Sinne des § 71 Absatz 1a nicht durchgeführt werden.

(1) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege haben Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich. Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegende sowie zur Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags. Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die den Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von

1.
Leistungen der Tages- oder Nachtpflege,
2.
Leistungen der Kurzzeitpflege,
3.
Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36, in den Pflegegraden 2 bis 5 jedoch nicht von Leistungen im Bereich der Selbstversorgung,
4.
Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a.
Die Erstattung der Aufwendungen erfolgt auch, wenn für die Finanzierung der in Satz 3 genannten Leistungen Mittel der Verhinderungspflege gemäß § 39 eingesetzt werden. Die Leistung nach Satz 1 kann innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres in Anspruch genommen werden; wird die Leistung in einem Kalenderjahr nicht ausgeschöpft, kann der nicht verbrauchte Betrag in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden.

(2) Der Anspruch auf den Entlastungsbetrag entsteht, sobald die in Absatz 1 Satz 1 genannten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, ohne dass es einer vorherigen Antragstellung bedarf. Die Kostenerstattung in Höhe des Entlastungsbetrags nach Absatz 1 erhalten die Pflegebedürftigen von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel gegen Vorlage entsprechender Belege über entstandene Eigenbelastungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der in Absatz 1 Satz 3 genannten Leistungen. Für Zwecke der statistischen Erfassung bei den Pflegekassen und den privaten Versicherungsunternehmen muss auf den Belegen eindeutig und deutlich erkennbar angegeben sein, im Zusammenhang mit welcher der in Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 genannten Leistungen die Aufwendungen jeweils entstanden sind.

(3) Der Entlastungsbetrag nach Absatz 1 Satz 1 findet bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach § 13 Absatz 3 Satz 1 keine Berücksichtigung. § 63b Absatz 1 des Zwölften Buches findet auf den Entlastungsbetrag keine Anwendung. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 darf der Entlastungsbetrag hinsichtlich der Leistungen nach § 64i oder § 66 des Zwölften Buches bei der Hilfe zur Pflege Berücksichtigung finden, soweit nach diesen Vorschriften Leistungen zu gewähren sind, deren Inhalte den Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 entsprechen.

(4) Die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 verlangte Vergütung darf die Preise für vergleichbare Sachleistungen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen nicht übersteigen. Näheres zur Ausgestaltung einer entsprechenden Begrenzung der Vergütung, die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 durch nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag verlangt werden darf, können die Landesregierungen in der Rechtsverordnung nach § 45a Absatz 3 bestimmen.

(1) Angebote zur Unterstützung im Alltag tragen dazu bei, Pflegepersonen zu entlasten, und helfen Pflegebedürftigen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und ihren Alltag weiterhin möglichst selbständig bewältigen zu können. Angebote zur Unterstützung im Alltag sind

1.
Angebote, in denen insbesondere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung von Pflegebedürftigen mit allgemeinem oder mit besonderem Betreuungsbedarf in Gruppen oder im häuslichen Bereich übernehmen (Betreuungsangebote),
2.
Angebote, die der gezielten Entlastung und beratenden Unterstützung von pflegenden Angehörigen und vergleichbar nahestehenden Pflegepersonen in ihrer Eigenschaft als Pflegende dienen (Angebote zur Entlastung von Pflegenden),
3.
Angebote, die dazu dienen, die Pflegebedürftigen bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder im Haushalt, insbesondere bei der Haushaltsführung, oder bei der eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen zu unterstützen (Angebote zur Entlastung im Alltag).
Die Angebote benötigen eine Anerkennung durch die zuständige Behörde nach Maßgabe des gemäß Absatz 3 erlassenen Landesrechts. Durch ein Angebot zur Unterstützung im Alltag können auch mehrere der in Satz 2 Nummer 1 bis 3 genannten Bereiche abgedeckt werden. In Betracht kommen als Angebote zur Unterstützung im Alltag insbesondere Betreuungsgruppen für an Demenz erkrankte Menschen, Helferinnen- und Helferkreise zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger oder vergleichbar nahestehender Pflegepersonen im häuslichen Bereich, die Tagesbetreuung in Kleingruppen oder Einzelbetreuung durch anerkannte Helferinnen oder Helfer, Agenturen zur Vermittlung von Betreuungs- und Entlastungsleistungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige sowie vergleichbar nahestehende Pflegepersonen, Familienentlastende Dienste, Alltagsbegleiter, Pflegebegleiter und Serviceangebote für haushaltsnahe Dienstleistungen.

(2) Angebote zur Unterstützung im Alltag beinhalten die Übernahme von Betreuung und allgemeiner Beaufsichtigung, eine die vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten stärkende oder stabilisierende Alltagsbegleitung, Unterstützungsleistungen für Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende zur besseren Bewältigung des Pflegealltags, die Erbringung von Dienstleistungen, organisatorische Hilfestellungen oder andere geeignete Maßnahmen. Die Angebote verfügen über ein Konzept, das Angaben zur Qualitätssicherung des Angebots sowie eine Übersicht über die Leistungen, die angeboten werden sollen, und die Höhe der den Pflegebedürftigen hierfür in Rechnung gestellten Kosten enthält. Das Konzept umfasst ferner Angaben zur zielgruppen- und tätigkeitsgerechten Qualifikation der Helfenden und zu dem Vorhandensein von Grund- und Notfallwissen im Umgang mit Pflegebedürftigen sowie dazu, wie eine angemessene Schulung und Fortbildung der Helfenden sowie eine kontinuierliche fachliche Begleitung und Unterstützung insbesondere von ehrenamtlich Helfenden in ihrer Arbeit gesichert werden. Bei wesentlichen Änderungen hinsichtlich der angebotenen Leistungen ist das Konzept entsprechend fortzuschreiben; bei Änderung der hierfür in Rechnung gestellten Kosten sind die entsprechenden Angaben zu aktualisieren.

(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Anerkennung der Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne der Absätze 1 und 2 einschließlich der Vorgaben zur regelmäßigen Qualitätssicherung der Angebote und zur regelmäßigen Übermittlung einer Übersicht über die aktuell angebotenen Leistungen und die Höhe der hierfür erhobenen Kosten zu bestimmen. Beim Erlass der Rechtsverordnung sollen sie die gemäß § 45c Absatz 7 beschlossenen Empfehlungen berücksichtigen.

(4) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege mit mindestens Pflegegrad 2 können eine Kostenerstattung zum Ersatz von Aufwendungen für Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag unter Anrechnung auf ihren Anspruch auf ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 erhalten, soweit für den entsprechenden Leistungsbetrag nach § 36 in dem jeweiligen Kalendermonat keine ambulanten Pflegesachleistungen bezogen wurden. Der hierfür verwendete Betrag darf je Kalendermonat 40 Prozent des nach § 36 für den jeweiligen Pflegegrad vorgesehenen Höchstleistungsbetrags nicht überschreiten. Zur Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 bedarf es keiner vorherigen Antragstellung. Die Anspruchsberechtigten erhalten die Kostenerstattung nach Satz 1 bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle gegen Vorlage entsprechender Belege über Eigenbelastungen, die ihnen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Leistungen der Angebote zur Unterstützung im Alltag entstanden sind. Die Vergütungen für ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 sind vorrangig abzurechnen. Im Rahmen der Kombinationsleistung nach § 38 gilt die Erstattung der Aufwendungen nach Satz 1 als Inanspruchnahme der dem Anspruchsberechtigten nach § 36 Absatz 3 zustehenden Sachleistung. Ist vor der Auszahlung der Kostenerstattung nach Satz 1 für den jeweiligen Kalendermonat bereits mehr Pflegegeld oder anteiliges Pflegegeld an den Pflegebedürftigen ausgezahlt worden, als er nach Berücksichtigung des Betrags der zu erstattenden Aufwendungen beanspruchen kann, wird der Kostenerstattungsbetrag insoweit mit dem bereits ausgezahlten Pflegegeldbetrag verrechnet. Beziehen Anspruchsberechtigte die Leistung nach Satz 1, findet § 37 Absatz 3 bis 5 und 7 bis 9 Anwendung; § 37 Absatz 6 findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass eine Kürzung oder Entziehung in Bezug auf die Kostenerstattung nach Satz 1 erfolgt. Die Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 und die Inanspruchnahme des Entlastungsbetrags nach § 45b erfolgen unabhängig voneinander.

(1) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege haben Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich. Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegende sowie zur Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags. Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die den Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von

1.
Leistungen der Tages- oder Nachtpflege,
2.
Leistungen der Kurzzeitpflege,
3.
Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36, in den Pflegegraden 2 bis 5 jedoch nicht von Leistungen im Bereich der Selbstversorgung,
4.
Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a.
Die Erstattung der Aufwendungen erfolgt auch, wenn für die Finanzierung der in Satz 3 genannten Leistungen Mittel der Verhinderungspflege gemäß § 39 eingesetzt werden. Die Leistung nach Satz 1 kann innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres in Anspruch genommen werden; wird die Leistung in einem Kalenderjahr nicht ausgeschöpft, kann der nicht verbrauchte Betrag in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden.

(2) Der Anspruch auf den Entlastungsbetrag entsteht, sobald die in Absatz 1 Satz 1 genannten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, ohne dass es einer vorherigen Antragstellung bedarf. Die Kostenerstattung in Höhe des Entlastungsbetrags nach Absatz 1 erhalten die Pflegebedürftigen von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel gegen Vorlage entsprechender Belege über entstandene Eigenbelastungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der in Absatz 1 Satz 3 genannten Leistungen. Für Zwecke der statistischen Erfassung bei den Pflegekassen und den privaten Versicherungsunternehmen muss auf den Belegen eindeutig und deutlich erkennbar angegeben sein, im Zusammenhang mit welcher der in Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 genannten Leistungen die Aufwendungen jeweils entstanden sind.

(3) Der Entlastungsbetrag nach Absatz 1 Satz 1 findet bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach § 13 Absatz 3 Satz 1 keine Berücksichtigung. § 63b Absatz 1 des Zwölften Buches findet auf den Entlastungsbetrag keine Anwendung. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 darf der Entlastungsbetrag hinsichtlich der Leistungen nach § 64i oder § 66 des Zwölften Buches bei der Hilfe zur Pflege Berücksichtigung finden, soweit nach diesen Vorschriften Leistungen zu gewähren sind, deren Inhalte den Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 entsprechen.

(4) Die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 verlangte Vergütung darf die Preise für vergleichbare Sachleistungen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen nicht übersteigen. Näheres zur Ausgestaltung einer entsprechenden Begrenzung der Vergütung, die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 durch nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag verlangt werden darf, können die Landesregierungen in der Rechtsverordnung nach § 45a Absatz 3 bestimmen.

(1) Zur Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen und Versorgungskonzepte und zur Förderung ehrenamtlicher Strukturen fördert der Spitzenverband Bund der Pflegekassen im Wege der Anteilsfinanzierung aus Mitteln des Ausgleichsfonds mit 25 Millionen Euro je Kalenderjahr

1.
den Auf- und Ausbau von Angeboten zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a,
2.
den Auf- und Ausbau und die Unterstützung von Gruppen ehrenamtlich tätiger sowie sonstiger zum bürgerschaftlichen Engagement bereiter Personen und entsprechender ehrenamtlicher Strukturen sowie
3.
Modellvorhaben zur Erprobung neuer Versorgungskonzepte und Versorgungsstrukturen insbesondere für an Demenz erkrankte Pflegebedürftige sowie andere Gruppen von Pflegebedürftigen, deren Versorgung in besonderem Maße der strukturellen Weiterentwicklung bedarf.
Die privaten Versicherungsunternehmen, die die private Pflege-Pflichtversicherung durchführen, beteiligen sich an dieser Förderung mit insgesamt 10 Prozent des in Satz 1 genannten Fördervolumens. Darüber hinaus fördert der Spitzenverband Bund der Pflegekassen aus Mitteln des Ausgleichsfonds mit 20 Millionen Euro je Kalenderjahr die strukturierte Zusammenarbeit in regionalen Netzwerken nach Absatz 9; Satz 2 gilt entsprechend. Fördermittel nach Satz 3, die in dem jeweiligen Kalenderjahr nicht in Anspruch genommen worden sind, erhöhen im Folgejahr das Fördervolumen nach Satz 1; dadurch erhöht sich auch das in Absatz 2 Satz 2 genannte Gesamtfördervolumen entsprechend. Im Rahmen der Förderung nach Satz 1 können jeweils auch digitale Anwendungen berücksichtigt werden, sofern diese den geltenden Anforderungen an den Datenschutz entsprechen und die Datensicherheit nach dem Stand der Technik gewährleisten.

(2) Der Zuschuss aus Mitteln der sozialen und privaten Pflegeversicherung ergänzt eine Förderung der in Absatz 1 Satz 1 genannten Zwecke durch das jeweilige Land oder die jeweilige kommunale Gebietskörperschaft. Der Zuschuss wird jeweils in gleicher Höhe gewährt wie der Zuschuss, der vom Land oder von der kommunalen Gebietskörperschaft für die einzelne Fördermaßnahme geleistet wird, sodass insgesamt ein Fördervolumen von 50 Millionen Euro im Kalenderjahr erreicht wird. Im Einvernehmen mit allen Fördergebern können Zuschüsse der kommunalen Gebietskörperschaften auch als Personal- oder Sachmittel eingebracht werden, sofern diese Mittel nachweislich ausschließlich und unmittelbar dazu dienen, den jeweiligen Förderzweck zu erreichen. Soweit Mittel der Arbeitsförderung bei einem Projekt eingesetzt werden, sind diese einem vom Land oder von der Kommune geleisteten Zuschuss gleichgestellt.

(3) Die Förderung des Auf- und Ausbaus von Angeboten zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfolgt als Projektförderung und dient insbesondere dazu, Aufwandsentschädigungen für die ehrenamtlich tätigen Helfenden zu finanzieren sowie notwendige Personal- und Sachkosten, die mit der Koordination und Organisation der Hilfen und der fachlichen Anleitung und Schulung der Helfenden durch Fachkräfte verbunden sind. Dem Antrag auf Förderung ist ein Konzept zur Qualitätssicherung des Angebots beizufügen. Aus dem Konzept muss sich ergeben, dass eine angemessene Schulung und Fortbildung der Helfenden sowie eine kontinuierliche fachliche Begleitung und Unterstützung der ehrenamtlich Helfenden in ihrer Arbeit gesichert sind.

(4) Die Förderung des Auf- und Ausbaus und der Unterstützung von Gruppen ehrenamtlich tätiger sowie sonstiger zum bürgerschaftlichen Engagement bereiter Personen und entsprechender ehrenamtlicher Strukturen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 erfolgt zur Förderung von Initiativen, die sich die Unterstützung, allgemeine Betreuung und Entlastung von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen sowie vergleichbar nahestehenden Pflegepersonen zum Ziel gesetzt haben.

(5) Im Rahmen der Modellförderung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 sollen insbesondere modellhaft Möglichkeiten einer wirksamen Vernetzung der erforderlichen Hilfen für an Demenz erkrankte Pflegebedürftige und andere Gruppen von Pflegebedürftigen, deren Versorgung in besonderem Maße der strukturellen Weiterentwicklung bedarf, in einzelnen Regionen erprobt werden. Dabei können auch stationäre Versorgungsangebote berücksichtigt werden. Die Modellvorhaben sind auf längstens fünf Jahre zu befristen. Bei der Vereinbarung und Durchführung von Modellvorhaben kann im Einzelfall von den Regelungen des Siebten Kapitels abgewichen werden. Für die Modellvorhaben sind eine wissenschaftliche Begleitung und Auswertung vorzusehen. Soweit im Rahmen der Modellvorhaben personenbezogene Daten benötigt werden, können diese nur mit Einwilligung des Pflegebedürftigen erhoben, verarbeitet und genutzt werden.

(6) Um eine gerechte Verteilung der Fördermittel der Pflegeversicherung auf die Länder zu gewährleisten, werden die nach Absatz 1 Satz 1 und 2 zur Verfügung stehenden Fördermittel der sozialen und privaten Pflegeversicherung nach dem Königsteiner Schlüssel aufgeteilt. Mittel, die in einem Land im jeweiligen Haushaltsjahr nicht in Anspruch genommen werden, können in das Folgejahr übertragen werden. Nach Satz 2 übertragene Mittel, die am Ende des Folgejahres nicht in Anspruch genommen worden sind, können für Projekte, für die bis zum Stichtag nach Satz 5 mindestens Art, Region und geplante Förderhöhe konkret benannt werden, im darauf folgenden Jahr von Ländern beantragt werden, die im Jahr vor der Übertragung der Mittel nach Satz 2 mindestens 80 Prozent der auf sie nach dem Königsteiner Schlüssel entfallenden Mittel ausgeschöpft haben. Die Verausgabung der nach Satz 3 beantragten Fördermittel durch die Länder oder kommunalen Gebietskörperschaften darf sich für die entsprechend benannten Projekte über einen Zeitraum von maximal drei Jahren erstrecken. Der Ausgleichsfonds sammelt die nach Satz 3 eingereichten Anträge bis zum 30. April des auf das Folgejahr folgenden Jahres und stellt anschließend fest, in welchem Umfang die Mittel jeweils auf die beantragenden Länder entfallen. Die Auszahlung der Mittel für ein Projekt erfolgt, sobald für das Projekt eine konkrete Förderzusage durch das Land oder die kommunale Gebietskörperschaft vorliegt. Ist die Summe der bis zum 30. April beantragten Mittel insgesamt größer als der dafür vorhandene Mittelbestand, so werden die vorhandenen Mittel nach dem Königsteiner Schlüssel auf die beantragenden Länder verteilt. Nach dem 30. April eingehende Anträge werden in der Reihenfolge des Antragseingangs bearbeitet, bis die Fördermittel verbraucht sind. Fördermittel, die bis zum Ende des auf das Folgejahr folgenden Jahres nicht beantragt sind, verfallen.

(7) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen beschließt mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. nach Anhörung der Verbände der Behinderten und Pflegebedürftigen auf Bundesebene Empfehlungen über die Voraussetzungen, Ziele, Dauer, Inhalte und Durchführung der Förderung sowie zu dem Verfahren zur Vergabe der Fördermittel für die in Absatz 1 Satz 1 genannten Zwecke. In den Empfehlungen ist unter anderem auch festzulegen, welchen Anforderungen die Einbringung von Zuschüssen der kommunalen Gebietskörperschaften als Personal- oder Sachmittel genügen muss und dass jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob im Rahmen der in Absatz 1 Satz 1 genannten Zwecke Mittel und Möglichkeiten der Arbeitsförderung genutzt werden können. Die Empfehlungen bedürfen der Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit und der Länder. Soweit Belange des Ehrenamts betroffen sind, erteilt das Bundesministerium für Gesundheit seine Zustimmung im Benehmen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Umsetzung der Empfehlungen zu bestimmen.

(8) Der Finanzierungsanteil, der auf die privaten Versicherungsunternehmen entfällt, kann von dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. unmittelbar an das Bundesamt für Soziale Sicherung zugunsten des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung (§ 65) überwiesen werden. Näheres über das Verfahren der Auszahlung der Fördermittel, die aus dem Ausgleichsfonds zu finanzieren sind, sowie über die Zahlung und Abrechnung des Finanzierungsanteils der privaten Versicherungsunternehmen regeln das Bundesamt für Soziale Sicherung, der Spitzenverband Bund der Pflegekassen und der Verband der privaten Krankenversicherung e. V. durch Vereinbarung.

(9) Zur Verbesserung der Versorgung und Unterstützung von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen sowie vergleichbar nahestehenden Pflegepersonen können die in Absatz 1 Satz 3 genannten Mittel für die Beteiligung von Pflegekassen an regionalen Netzwerken verwendet werden, die der strukturierten Zusammenarbeit von Akteuren dienen, die an der Versorgung Pflegebedürftiger beteiligt sind und die sich im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung vernetzen. Die Förderung der strukturierten regionalen Zusammenarbeit erfolgt, indem sich die Pflegekassen einzeln oder gemeinsam im Wege einer Anteilsfinanzierung an den netzwerkbedingten Kosten beteiligen. Je Kreis oder kreisfreier Stadt können zwei regionale Netzwerke, je Kreis oder kreisfreier Stadt ab 500 000 Einwohnern bis zu vier regionale Netzwerke gefördert werden. Abweichend von Satz 1 können pro Bezirk in den Stadtstaaten, die nur aus einer kreisfreien Stadt bestehen, zwei regionale Netzwerke gefördert werden. Der Förderbetrag pro Netzwerk darf dabei 25 000 Euro je Kalenderjahr nicht überschreiten. Die Landesverbände der Pflegekassen erstellen eine Übersicht über die in ihrem Zuständigkeitsbereich geförderten regionalen Netzwerke, aktualisieren diese mindestens einmal jährlich und veröffentlichen sie auf einer eigenen Internetseite. Den Kreisen und kreisfreien Städten, Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen im Sinne des § 45d sowie organisierten Gruppen ehrenamtlich tätiger sowie sonstiger zum bürgerschaftlichen Engagement bereiter Personen im Sinne des Absatzes 4 ist in ihrem jeweiligen Einzugsgebiet die Teilnahme an der geförderten strukturierten regionalen Zusammenarbeit zu ermöglichen. Für private Versicherungsunternehmen, die die private Pflege-Pflichtversicherung durchführen, gelten die Sätze 1 bis 5 entsprechend. Absatz 7 Satz 1 bis 4 und Absatz 8 finden entsprechende Anwendung. Die Absätze 2 und 6 finden keine Anwendung. Die Empfehlungen nach Absatz 7, soweit sie die Förderung der regionalen Netzwerke betreffen, sind bis zum 31. Dezember 2021 zu aktualisieren.

(1) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege haben Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich. Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegende sowie zur Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags. Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die den Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von

1.
Leistungen der Tages- oder Nachtpflege,
2.
Leistungen der Kurzzeitpflege,
3.
Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36, in den Pflegegraden 2 bis 5 jedoch nicht von Leistungen im Bereich der Selbstversorgung,
4.
Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a.
Die Erstattung der Aufwendungen erfolgt auch, wenn für die Finanzierung der in Satz 3 genannten Leistungen Mittel der Verhinderungspflege gemäß § 39 eingesetzt werden. Die Leistung nach Satz 1 kann innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres in Anspruch genommen werden; wird die Leistung in einem Kalenderjahr nicht ausgeschöpft, kann der nicht verbrauchte Betrag in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden.

(2) Der Anspruch auf den Entlastungsbetrag entsteht, sobald die in Absatz 1 Satz 1 genannten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, ohne dass es einer vorherigen Antragstellung bedarf. Die Kostenerstattung in Höhe des Entlastungsbetrags nach Absatz 1 erhalten die Pflegebedürftigen von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel gegen Vorlage entsprechender Belege über entstandene Eigenbelastungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der in Absatz 1 Satz 3 genannten Leistungen. Für Zwecke der statistischen Erfassung bei den Pflegekassen und den privaten Versicherungsunternehmen muss auf den Belegen eindeutig und deutlich erkennbar angegeben sein, im Zusammenhang mit welcher der in Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 genannten Leistungen die Aufwendungen jeweils entstanden sind.

(3) Der Entlastungsbetrag nach Absatz 1 Satz 1 findet bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach § 13 Absatz 3 Satz 1 keine Berücksichtigung. § 63b Absatz 1 des Zwölften Buches findet auf den Entlastungsbetrag keine Anwendung. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 darf der Entlastungsbetrag hinsichtlich der Leistungen nach § 64i oder § 66 des Zwölften Buches bei der Hilfe zur Pflege Berücksichtigung finden, soweit nach diesen Vorschriften Leistungen zu gewähren sind, deren Inhalte den Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 entsprechen.

(4) Die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 verlangte Vergütung darf die Preise für vergleichbare Sachleistungen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen nicht übersteigen. Näheres zur Ausgestaltung einer entsprechenden Begrenzung der Vergütung, die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 durch nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag verlangt werden darf, können die Landesregierungen in der Rechtsverordnung nach § 45a Absatz 3 bestimmen.

(1) Angebote zur Unterstützung im Alltag tragen dazu bei, Pflegepersonen zu entlasten, und helfen Pflegebedürftigen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und ihren Alltag weiterhin möglichst selbständig bewältigen zu können. Angebote zur Unterstützung im Alltag sind

1.
Angebote, in denen insbesondere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung von Pflegebedürftigen mit allgemeinem oder mit besonderem Betreuungsbedarf in Gruppen oder im häuslichen Bereich übernehmen (Betreuungsangebote),
2.
Angebote, die der gezielten Entlastung und beratenden Unterstützung von pflegenden Angehörigen und vergleichbar nahestehenden Pflegepersonen in ihrer Eigenschaft als Pflegende dienen (Angebote zur Entlastung von Pflegenden),
3.
Angebote, die dazu dienen, die Pflegebedürftigen bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder im Haushalt, insbesondere bei der Haushaltsführung, oder bei der eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen zu unterstützen (Angebote zur Entlastung im Alltag).
Die Angebote benötigen eine Anerkennung durch die zuständige Behörde nach Maßgabe des gemäß Absatz 3 erlassenen Landesrechts. Durch ein Angebot zur Unterstützung im Alltag können auch mehrere der in Satz 2 Nummer 1 bis 3 genannten Bereiche abgedeckt werden. In Betracht kommen als Angebote zur Unterstützung im Alltag insbesondere Betreuungsgruppen für an Demenz erkrankte Menschen, Helferinnen- und Helferkreise zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger oder vergleichbar nahestehender Pflegepersonen im häuslichen Bereich, die Tagesbetreuung in Kleingruppen oder Einzelbetreuung durch anerkannte Helferinnen oder Helfer, Agenturen zur Vermittlung von Betreuungs- und Entlastungsleistungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige sowie vergleichbar nahestehende Pflegepersonen, Familienentlastende Dienste, Alltagsbegleiter, Pflegebegleiter und Serviceangebote für haushaltsnahe Dienstleistungen.

(2) Angebote zur Unterstützung im Alltag beinhalten die Übernahme von Betreuung und allgemeiner Beaufsichtigung, eine die vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten stärkende oder stabilisierende Alltagsbegleitung, Unterstützungsleistungen für Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende zur besseren Bewältigung des Pflegealltags, die Erbringung von Dienstleistungen, organisatorische Hilfestellungen oder andere geeignete Maßnahmen. Die Angebote verfügen über ein Konzept, das Angaben zur Qualitätssicherung des Angebots sowie eine Übersicht über die Leistungen, die angeboten werden sollen, und die Höhe der den Pflegebedürftigen hierfür in Rechnung gestellten Kosten enthält. Das Konzept umfasst ferner Angaben zur zielgruppen- und tätigkeitsgerechten Qualifikation der Helfenden und zu dem Vorhandensein von Grund- und Notfallwissen im Umgang mit Pflegebedürftigen sowie dazu, wie eine angemessene Schulung und Fortbildung der Helfenden sowie eine kontinuierliche fachliche Begleitung und Unterstützung insbesondere von ehrenamtlich Helfenden in ihrer Arbeit gesichert werden. Bei wesentlichen Änderungen hinsichtlich der angebotenen Leistungen ist das Konzept entsprechend fortzuschreiben; bei Änderung der hierfür in Rechnung gestellten Kosten sind die entsprechenden Angaben zu aktualisieren.

(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Anerkennung der Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne der Absätze 1 und 2 einschließlich der Vorgaben zur regelmäßigen Qualitätssicherung der Angebote und zur regelmäßigen Übermittlung einer Übersicht über die aktuell angebotenen Leistungen und die Höhe der hierfür erhobenen Kosten zu bestimmen. Beim Erlass der Rechtsverordnung sollen sie die gemäß § 45c Absatz 7 beschlossenen Empfehlungen berücksichtigen.

(4) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege mit mindestens Pflegegrad 2 können eine Kostenerstattung zum Ersatz von Aufwendungen für Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag unter Anrechnung auf ihren Anspruch auf ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 erhalten, soweit für den entsprechenden Leistungsbetrag nach § 36 in dem jeweiligen Kalendermonat keine ambulanten Pflegesachleistungen bezogen wurden. Der hierfür verwendete Betrag darf je Kalendermonat 40 Prozent des nach § 36 für den jeweiligen Pflegegrad vorgesehenen Höchstleistungsbetrags nicht überschreiten. Zur Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 bedarf es keiner vorherigen Antragstellung. Die Anspruchsberechtigten erhalten die Kostenerstattung nach Satz 1 bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle gegen Vorlage entsprechender Belege über Eigenbelastungen, die ihnen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Leistungen der Angebote zur Unterstützung im Alltag entstanden sind. Die Vergütungen für ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 sind vorrangig abzurechnen. Im Rahmen der Kombinationsleistung nach § 38 gilt die Erstattung der Aufwendungen nach Satz 1 als Inanspruchnahme der dem Anspruchsberechtigten nach § 36 Absatz 3 zustehenden Sachleistung. Ist vor der Auszahlung der Kostenerstattung nach Satz 1 für den jeweiligen Kalendermonat bereits mehr Pflegegeld oder anteiliges Pflegegeld an den Pflegebedürftigen ausgezahlt worden, als er nach Berücksichtigung des Betrags der zu erstattenden Aufwendungen beanspruchen kann, wird der Kostenerstattungsbetrag insoweit mit dem bereits ausgezahlten Pflegegeldbetrag verrechnet. Beziehen Anspruchsberechtigte die Leistung nach Satz 1, findet § 37 Absatz 3 bis 5 und 7 bis 9 Anwendung; § 37 Absatz 6 findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass eine Kürzung oder Entziehung in Bezug auf die Kostenerstattung nach Satz 1 erfolgt. Die Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 und die Inanspruchnahme des Entlastungsbetrags nach § 45b erfolgen unabhängig voneinander.

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.

(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:

1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und
5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet. Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet:
1.
Mobilität mit 10 Prozent,
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent,
3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent,
4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent,
5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.

(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.

(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.

(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.

(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4,
4.
ab 70 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5.

(1) Angebote zur Unterstützung im Alltag tragen dazu bei, Pflegepersonen zu entlasten, und helfen Pflegebedürftigen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und ihren Alltag weiterhin möglichst selbständig bewältigen zu können. Angebote zur Unterstützung im Alltag sind

1.
Angebote, in denen insbesondere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung von Pflegebedürftigen mit allgemeinem oder mit besonderem Betreuungsbedarf in Gruppen oder im häuslichen Bereich übernehmen (Betreuungsangebote),
2.
Angebote, die der gezielten Entlastung und beratenden Unterstützung von pflegenden Angehörigen und vergleichbar nahestehenden Pflegepersonen in ihrer Eigenschaft als Pflegende dienen (Angebote zur Entlastung von Pflegenden),
3.
Angebote, die dazu dienen, die Pflegebedürftigen bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder im Haushalt, insbesondere bei der Haushaltsführung, oder bei der eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen zu unterstützen (Angebote zur Entlastung im Alltag).
Die Angebote benötigen eine Anerkennung durch die zuständige Behörde nach Maßgabe des gemäß Absatz 3 erlassenen Landesrechts. Durch ein Angebot zur Unterstützung im Alltag können auch mehrere der in Satz 2 Nummer 1 bis 3 genannten Bereiche abgedeckt werden. In Betracht kommen als Angebote zur Unterstützung im Alltag insbesondere Betreuungsgruppen für an Demenz erkrankte Menschen, Helferinnen- und Helferkreise zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger oder vergleichbar nahestehender Pflegepersonen im häuslichen Bereich, die Tagesbetreuung in Kleingruppen oder Einzelbetreuung durch anerkannte Helferinnen oder Helfer, Agenturen zur Vermittlung von Betreuungs- und Entlastungsleistungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige sowie vergleichbar nahestehende Pflegepersonen, Familienentlastende Dienste, Alltagsbegleiter, Pflegebegleiter und Serviceangebote für haushaltsnahe Dienstleistungen.

(2) Angebote zur Unterstützung im Alltag beinhalten die Übernahme von Betreuung und allgemeiner Beaufsichtigung, eine die vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten stärkende oder stabilisierende Alltagsbegleitung, Unterstützungsleistungen für Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende zur besseren Bewältigung des Pflegealltags, die Erbringung von Dienstleistungen, organisatorische Hilfestellungen oder andere geeignete Maßnahmen. Die Angebote verfügen über ein Konzept, das Angaben zur Qualitätssicherung des Angebots sowie eine Übersicht über die Leistungen, die angeboten werden sollen, und die Höhe der den Pflegebedürftigen hierfür in Rechnung gestellten Kosten enthält. Das Konzept umfasst ferner Angaben zur zielgruppen- und tätigkeitsgerechten Qualifikation der Helfenden und zu dem Vorhandensein von Grund- und Notfallwissen im Umgang mit Pflegebedürftigen sowie dazu, wie eine angemessene Schulung und Fortbildung der Helfenden sowie eine kontinuierliche fachliche Begleitung und Unterstützung insbesondere von ehrenamtlich Helfenden in ihrer Arbeit gesichert werden. Bei wesentlichen Änderungen hinsichtlich der angebotenen Leistungen ist das Konzept entsprechend fortzuschreiben; bei Änderung der hierfür in Rechnung gestellten Kosten sind die entsprechenden Angaben zu aktualisieren.

(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Anerkennung der Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne der Absätze 1 und 2 einschließlich der Vorgaben zur regelmäßigen Qualitätssicherung der Angebote und zur regelmäßigen Übermittlung einer Übersicht über die aktuell angebotenen Leistungen und die Höhe der hierfür erhobenen Kosten zu bestimmen. Beim Erlass der Rechtsverordnung sollen sie die gemäß § 45c Absatz 7 beschlossenen Empfehlungen berücksichtigen.

(4) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege mit mindestens Pflegegrad 2 können eine Kostenerstattung zum Ersatz von Aufwendungen für Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag unter Anrechnung auf ihren Anspruch auf ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 erhalten, soweit für den entsprechenden Leistungsbetrag nach § 36 in dem jeweiligen Kalendermonat keine ambulanten Pflegesachleistungen bezogen wurden. Der hierfür verwendete Betrag darf je Kalendermonat 40 Prozent des nach § 36 für den jeweiligen Pflegegrad vorgesehenen Höchstleistungsbetrags nicht überschreiten. Zur Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 bedarf es keiner vorherigen Antragstellung. Die Anspruchsberechtigten erhalten die Kostenerstattung nach Satz 1 bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle gegen Vorlage entsprechender Belege über Eigenbelastungen, die ihnen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Leistungen der Angebote zur Unterstützung im Alltag entstanden sind. Die Vergütungen für ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 sind vorrangig abzurechnen. Im Rahmen der Kombinationsleistung nach § 38 gilt die Erstattung der Aufwendungen nach Satz 1 als Inanspruchnahme der dem Anspruchsberechtigten nach § 36 Absatz 3 zustehenden Sachleistung. Ist vor der Auszahlung der Kostenerstattung nach Satz 1 für den jeweiligen Kalendermonat bereits mehr Pflegegeld oder anteiliges Pflegegeld an den Pflegebedürftigen ausgezahlt worden, als er nach Berücksichtigung des Betrags der zu erstattenden Aufwendungen beanspruchen kann, wird der Kostenerstattungsbetrag insoweit mit dem bereits ausgezahlten Pflegegeldbetrag verrechnet. Beziehen Anspruchsberechtigte die Leistung nach Satz 1, findet § 37 Absatz 3 bis 5 und 7 bis 9 Anwendung; § 37 Absatz 6 findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass eine Kürzung oder Entziehung in Bezug auf die Kostenerstattung nach Satz 1 erfolgt. Die Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 und die Inanspruchnahme des Entlastungsbetrags nach § 45b erfolgen unabhängig voneinander.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 29. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger als Bewohner einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen (§ 43a SGB XI) wegen der Teilnahme an einer Freizeitgruppe Anfang 2013 ein Anspruch auf Erstattung der Kosten zusätzlicher Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI zusteht.

2

Der am 30.8.1993 geborene Kläger leidet an einer geistigen Behinderung mit Sprachentwicklungs-, Orientierungs- und Wahrnehmungsstörungen. Seine Alltagskompetenz ist erheblich eingeschränkt. Am 20.12.2006 wurde er in das Wohnheim der Lebenshilfe S. gGmbH, einer in S. ansässigen Einrichtung der Eingliederungshilfe, aufgenommen, wo er noch heute in einer Wohngruppe lebt. Mit Bescheid vom 7.12.2005 bewilligte die beklagte Pflegekasse dem Kläger aufgrund eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 17.11.2005 rückwirkend ab 1.9.2005 Pflegegeld der Pflegestufe I. Mit weiterem Bescheid vom 7.12.2005 stellte die Beklagte ab 1.9.2005 für die Inanspruchnahme zusätzlicher Betreuungsleistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung bis zu 460 Euro je Kalenderjahr zur Verfügung. Nach seinem Umzug in das Wohnheim übernahm die Beklagte die Aufwendungen für die Pflege, für die soziale Betreuung sowie für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege in Höhe von 10 % des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgelts, begrenzt auf 256 Euro monatlich(Bescheid vom 16.1.2007). Pflegegeld erhält der Kläger seitdem nur noch für Zeiten, in denen er sich im elterlichen Haushalt aufhält (§ 38 Satz 5 iVm § 43a Satz 3 SGB XI).

3

Am 13.5.2013 stellte die Lebenshilfe S. gGmbH dem Kläger für zusätzliche Betreuungsleistungen 354,48 Euro in Rechnung (21 Stunden x 16,88 Euro), nachdem der Kläger in der Zeit vom 8.1. bis 20.3.2013 an einer einmal wöchentlich stattfindenden Freizeitgruppe des Familienentlastenden Dienstes (FED) teilgenommen hatte. Die Beklagte lehnte den Antrag vom 16./24.5.2013 auf Freistellung von diesen Kosten ab. Zusätzliche Betreuungsleistungen seien an die Pflege im häuslichen Bereich gekoppelt (§ 45b Abs 1 Satz 1 iVm § 45a Abs 1 Satz 1 SGB XI). An den hier betroffenen sieben Tagen (8.1., 21.1., 5.2., 19.2., 26.2., 6.3., 20.3.2013) habe sich der Kläger jedoch nicht zu Hause, sondern in dem Wohnheim (§ 43a, § 71 Abs 4 SGB XI) aufgehalten (Bescheid - ohne Rechtsmittelbelehrung - vom 6.6.2013, Widerspruchsbescheid vom 1.8.2014).

4

Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, die Regelungen der §§ 45a, 45b und § 87b SGB XI seien Ausdruck eines zum 1.7.2008 eingeführten Systems der Leistungserweiterung um zusätzliche Betreuungsmaßnahmen für Menschen mit kognitiven oder psychischen Störungen. Die Bewohner von Einrichtungen der Eingliederungshilfe (§ 43a SGB XI) dürften aus diesem System nicht herausfallen. Solange ein Versicherter - wie er - in einer solchen Einrichtung dauerhaft lebe und betreut werde, finde im rechtlichen Sinne dort seine "häusliche Pflege" statt, sodass der Anspruch nach § 45b SGB XI nicht ausgeschlossen sei.

5

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.1.2015) und die Sprungrevision zugelassen (Beschluss vom 7.4.2015): Ein Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen bestehe nicht, weil es sich bei den Aktivitäten der Freizeitgruppe schon nicht um eine Betreuungsleistung iS des § 45b SGB XI handele; das Betreuungsangebot habe nicht das Ziel gehabt, pflegende Angehörige zu entlasten, sondern die Inklusion zu fördern. Außerdem setzen diese Leistungen voraus, dass sich der Pflegebedürftige während seiner Teilnahme an der Freizeitgruppe in häuslicher Pflege befunden habe. Der Aufenthalt in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe (§ 43a SGB XI) stehe dem entgegen.

6

Mit der Sprungrevision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 45a und 45b SGB XI. Der Begriff der häuslichen Pflege sei weit auszulegen und schließe den Aufenthalt eines Pflegebedürftigen in einer Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen (§ 43a SGB XI) nicht aus; abzugrenzen sei lediglich zur vollstationären Pflege in Pflegeheimen (§ 43, § 71 Abs 2, § 87b SGB XI). Außerdem stelle die Entlastung pflegender Angehöriger nur einen von mehreren denkbaren Zwecken zusätzlicher Betreuungsleistungen dar; beispielsweise gehöre auch die Unterstützung bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags dazu (§ 45c Abs 3a Satz 1 SGB XI).

7

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 29. Januar 2015 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn von den Kosten der Teilnahme an der Freizeitgruppe vom 8. Januar bis 20. März 2013 in Höhe von 354,48 Euro freizustellen.

8

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 6.6.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.8.2014 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht einen Anspruch auf Erstattung der Kosten von zusätzlichen Betreuungsleistungen nach §§ 45a und 45b SGB XI wegen der Teilnahme an der Freizeitgruppe des FED in der Zeit vom 8.1. bis zum 20.3.2013 verneint. Der Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen besteht nur insoweit, als sich ein Versicherter im häuslichen Umfeld befindet. Solange sich ein Versicherter - wie hier - in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe (§ 43a SGB XI) aufhält, ist die Pflegekasse nicht leistungspflichtig.

10

1. Nach § 45b Abs 1 Satz 1 SGB XI in der im Jahr 2013 maßgeblichen Fassung des Pflegeversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes (PflegeWEG) vom 28.5.2008 (BGBl I 874) können Versicherte, die die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllen, je nach Umfang des erheblichen allgemeinen Betreuungsbedarfs zusätzliche Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen. Die Kosten hierfür werden nach § 45b Abs 1 Satz 2 SGB XI ersetzt, höchstens jedoch 100 Euro monatlich (Grundbetrag) oder 200 Euro monatlich (erhöhter Betrag). Im Jahre 2005, als die Beklagte die grundsätzliche Leistungsberechtigung des Klägers nach § 45b SGB XI festgestellt hat(Bescheid vom 7.12.2005), konnten zusätzliche Betreuungsleistungen in Höhe von bis zu 460 Euro je Kalenderjahr in Anspruch genommen werden (§ 45b Abs 1 Satz 2 SGB XI in der Fassung des Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetzes vom 14.12.2001, BGBl I 3728). Die Umstellung auf monatliche Beträge mit gleichzeitiger Differenzierung zwischen Grundbetrag und erhöhtem Betrag erfolgte durch Art 1 Nr 28 PflegeWEG mit Wirkung ab 1.7.2008. Die Erhöhung des Grundbetrags auf 104 Euro und des erhöhten Betrags auf 208 Euro ist zum 1.1.2015 wirksam geworden (vgl § 45b Abs 1 Satz 2 SGB XI in der Fassung des Fünften SGB XI - Änderungsgesetzes<5. SGB XI-ÄndG> vom 17.12.2014, BGBl I 2222) und daher auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Hier sind der Grundbetrag von monatlich 100 Euro und der erhöhte Betrag von monatlich 200 Euro maßgeblich, weil es um Leistungen aus dem Jahr 2013 geht. Die Höhe des jeweiligen Anspruchs wird nach § 45b Abs 1 Satz 3 SGB XI von der Pflegekasse auf Empfehlung des MDK im Einzelfall festgelegt und dem Versicherten mitgeteilt. Nach § 45b Abs 1 Satz 5 SGB XI ist der Betrag zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Betreuungsleistungen. Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die dem Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen (1.) der Tages- oder Nachtpflege, (2.) der Kurzzeitpflege, (3.) der zugelassenen Pflegedienste, sofern es sich um besondere Angebote der allgemeinen Anleitung und Betreuung und nicht um Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung handelt oder (4.) der nach Landesrecht anerkannten niedrigschwelligen Betreuungsangebote, die nach § 45c SGB XI gefördert oder förderungsfähig sind(§ 45b Abs 1 Satz 6 idF des PflegeWEG). Auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist die durch das 5. SGB XI-ÄndG zum 1.1.2015 eingeführte Leistungserweiterung um "Entlastungsleistungen". Der Anspruch nach § 45b Abs 1 Satz 1 SGB XI umfasst nunmehr "Betreuungs- und Entlastungsleistungen", und zwar auch im Zusammenhang mit der hauswirtschaftlichen Versorgung(§ 45b Abs 1 Satz 6 Nr 3 und 4 SGB XI).

11

2. Nach § 45a Abs 1 Satz 1 SGB XI betreffen die Leistungen im 5. Abschnitt des 4. Kapitels (§§ 45a bis 45d SGB XI) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege, bei denen neben dem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§§ 14 und 15 SGB XI) ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung besteht. Dies sind nach § 45a Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI Pflegebedürftige der Pflegestufen I, II und III mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, bei denen der MDK im Rahmen der Begutachtung nach § 18 SGB XI als Folge der Krankheit oder Behinderung Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens festgestellt hat, die dauerhaft zu einer Einschränkung der Alltagskompetenz geführt haben. Hier nicht von Interesse sind die nach § 45a Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB XI ebenfalls erfassten Personen, deren Hilfebedarf im Bericht der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung aber noch nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreicht (sog Pflegestufe 0).

12

3. Nach § 45a Abs 2 Satz 1 SGB XI sind für die Bewertung, ob die Einschränkung der Alltagskompetenz auf Dauer erheblich ist, folgende Schädigungen und Fähigkeitsstörungen maßgebend:

1.    

unkontrolliertes Verlassen des Wohnbereichs (Weglauftendenz);

2.    

Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen;

3.    

unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potenziell gefährdenden Substanzen;

4.    

tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation;

5.    

im situativen Kontext inadäquates Verhalten;

6.    

Unfähigkeit, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen;

7.    

Unfähigkeit zu einer erforderlichen Kooperation bei therapeutischen oder schützenden Maßnahmen als Folge einer therapieresistenten Depression oder Angststörung;

8.    

Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt haben;

9.    

Störung des Tag-/Nacht-Rhythmus;

10.     

Unfähigkeit, eigenständig den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren;

11.     

Verkennen von Alltagssituationen und inadäquates Reagieren in Alltagssituationen;

12.     

ausgeprägtes labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten;

13.     

zeitlich überwiegend Niedergeschlagenheit, Verzagtheit, Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit aufgrund einer therapieresistenten Depression.

13

Die Alltagskompetenz ist nach § 45a Abs 2 Satz 2 SGB XI(hier anwendbar in der ab 30.10.2012 geltenden Fassung des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes vom 23.10.2012, BGBl I 2246) erheblich eingeschränkt, wenn der Gutachter des MDK oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter bei dem Pflegebedürftigen wenigstens in zwei Bereichen, davon mindestens einmal aus einem der Bereiche 1 bis 9, dauerhafte und regelmäßige Schädigungen oder Fähigkeitsstörungen feststellen. Dass beim Kläger eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz gegeben ist, steht aufgrund des MDK-Gutachtens vom 17.11.2005 fest und ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Hier nicht von Interesse ist dementsprechend die - ohnehin erst zum 1.1.2015 eingeführte - Leistungsausweitung nach § 45b Abs 1a SGB XI in der Fassung des 5. SGB XI-ÄndG: "Pflegebedürftige, die nicht die Voraussetzungen des § 45a erfüllen, können ebenfalls zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach Absatz 1 in Anspruch nehmen. Die Kosten hierfür werden bis einem Betrag in Höhe von 104 Euro monatlich übernommen."

14

4. Gegenstand des Klagebegehrens ist vor diesem Hintergrund nicht etwa ein Sachleistungsanspruch (§ 4 Abs 1 Satz 1 2. Variante SGB XI), sondern ein reiner Kostenerstattungsanspruch (§ 4 Abs 1 Satz 1 4. Variante SGB XI), weil die Pflegekasse die zusätzlichen Betreuungsleistungen nicht durch einen Dritten in Natur zu erbringen hat, sondern nach § 45b Abs 1 Satz 2 SGB XI ("Kosten werden ersetzt") und § 45b Abs 1 Satz 6 SGB XI ("Erstattung von Aufwendungen, die dem Versicherten entstehen") lediglich Kostenerstattung schuldet. Da der Kläger bzw seine Eltern (Mutter und Stiefvater) den Rechnungsbetrag von 354,48 Euro bisher nicht bezahlt haben, kommt eine schlichte Kostenerstattung nicht in Betracht; Streitgegenstand ist vielmehr ein Kostenfreistellungsantrag, wie ihn die Rechtsprechung auch zu § 13 Abs 3 SGB V entwickelt hat, wenn sich der Versicherte eine notwendige medizinische Leistung zwar selbst beschafft, den Rechnungsbetrag aber - in der Regel mit Einverständnis des Leistungserbringers - noch nicht aus eigenen Mitteln beglichen hat(BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 17; BSGE 86, 54, 56 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14; Helbig in jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 13 RdNr 50).

15

5. Für den geltend gemachten Kostenfreistellungsanspruch ist der Kläger als Schuldner des dienstvertraglichen Vergütungsanspruchs (§ 611 BGB) auch aktivlegitimiert. Der Kostenerstattungsanspruch ist nicht gemäß § 398 BGB an die Lebenshilfe S. gGmbH als Leistungserbringerin abgetreten worden(zur Zulässigkeit einer solchen Abtretung vgl § 53 Abs 2 SGB I). Die vom Stiefvater des Klägers unterzeichnete "Abtretungserklärung" vom 16.5.2013 enthält den erläuternden Zusatz: "Wir sind damit einverstanden, dass der Betrag für Leistungen nach § 45b SGB XI direkt mit der Lebenshilfe S. abgerechnet wird." Demgemäß ist diese Erklärung in Verbindung mit der zugleich an die Beklagte gerichteten "Bitte um Kostenübernahme", die am 24.5.2013 nochmals wiederholt worden ist, lediglich als Einziehungsermächtigung (Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl 2016, § 398 RdNr 29) sowie als Bitte an die Beklagte auszulegen, die entstandenen Kosten in Höhe von 354,48 Euro unmittelbar mit der Lebenshilfe S. gGmbH abzurechnen und den Betrag mit befreiender Wirkung dorthin zu überweisen. Dazu ist es nicht gekommen. Damit ist der Kläger unverändert Gläubiger des Kostenfreistellungsanspruchs.

16

6. Es kann offenbleiben, ob die Aktivitäten der Freizeitgruppe des FED, an denen der Kläger teilgenommen hat, den rechtlichen Anforderungen des § 45b Abs 1 Satz 5 und 6 SGB XI genügen. Danach ist der Betrag zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Betreuungsleistungen (Satz 5). Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die dem Versicherten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von bestimmten, in Satz 6 abschließend aufgeführten Betreuungsangeboten entstehen, wobei hier allein die Ziffer 4 in Betracht kommt, nämlich die Inanspruchnahme von Leistungen "der nach Landesrecht anerkannten niedrigschwelligen Betreuungsangebote, die nach § 45c gefördert oder förderungsfähig sind". Niedrigschwellige Betreuungsangebote sind nach § 45c Abs 1 Satz 1 SGB XI(in der im Jahr 2013 noch maßgebenden Fassung des PflEG vom 14.12.2001, BGBl I 3728) vor allem, aber nicht nur für demenzkranke Pflegebedürftige gedacht. Es handelt sich dabei um Betreuungsangebote, in denen Helfer und Helferinnen unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung von Pflegebedürftigen mit erheblichem Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung in Gruppen oder im häuslichen Bereich übernehmen sowie pflegende Angehörige entlasten und beratend unterstützen (§ 45c Abs 3 Satz 1 SGB XI). Als grundsätzlich förderungsfähige niedrigschwellige Betreuungsangebote kommen nach § 45c Abs 3 Satz 5 SGB XI insbesondere in Betracht Betreuungsgruppen für Demenzkranke, Helferinnenkreise zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger im häuslichen Bereich, die Tagesbetreuung in Kleingruppen oder Einzelbetreuung durch anerkannte Helfer, Agenturen zur Vermittlung von Betreuungsleistungen für Pflegebedürftige iS des § 45a SGB XI sowie Familienentlastende Dienste.

17

a) Hier geht es um eine Freizeitgruppe, die vom FED der Lebenshilfe S. gGmbH organisiert und getragen wird: Der Zeuge W., Mitarbeiter der Lebenshilfe S., hat dazu in seiner Vernehmung am 29.1.2015 erklärt: "Es nehmen in der Regel 15 bis 20 Personen teil; das sind Heimbewohner, aber auch Interessierte, die von Zuhause aus an diesem Programm teilnehmen. Es handelt sich in der Regel um eine nachmittägliche Betreuung. Angeboten werden ganz verschiedene Freizeitaktivitäten wie Kino, Schwimmen etc.; es geht um die Teilhabe für die betroffenen Menschen am gesellschaftlichen Leben. An einem Treffpunkt ist ein Fahrdienst eingerichtet. Bei dem Kläger war es so, dass dieser nach der Maßnahme wieder in die Einrichtung zurückgebracht worden ist. Die Gruppen werden durch zwei Fachkräfte unserer Abteilung und ehrenamtliche Helfer betreut. Natürlich kommt es dann auch zu Kontakten mit Menschen ohne Behinderung, was gewünscht ist. Denn Ziel der Maßnahme ist die Eingliederung. Es geht um Inklusion."

18

b) Das SG hat aus dieser Aussage geschlossen, die Aktivitäten der Freizeitgruppe seinen der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII zuzuordnen, weil sie auf die Teilhabe der Betroffenen am gesellschaftlichen Leben, also auf Eingliederung und Inklusion ausgerichtet seien. Die Entlastung pflegender Angehöriger stehe nicht im Mittelpunkt. Daher gehe es von der Zielrichtung her nicht um zusätzliche Betreuungsleistungen iS des § 45b Abs 1 SGB XI. Diese Unterscheidung erscheint zweifelhaft. Die Inklusion als fachübergreifendes Ziel der Betreuung von Menschen mit körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung dürfte die Einstufung eines Betreuungsangebots als zusätzliche Betreuungsleistung iS des § 45b Abs 1 SGB XI nicht hindern, wenn die sonstigen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. Auch die Beklagte hat die Leistungsbewilligung nicht wegen der inhaltlichen Gestaltung und Ausrichtung der Aktivitäten der Freizeitgruppe des FED abgelehnt, sondern (nur) wegen des Ausschlusses des Klägers aus dem berechtigten Personenkreis, der nach § 45 Abs 1 Satz 1 SGB XI auf "Pflegebedürftige in häuslicher Pflege" beschränkt ist. Dem ist zuzustimmen. Das SG hat diesen Aspekt ebenfalls betont und die Abweisung der Klage - als eigenständigen zweiten Teil der Entscheidungsgründe - auch hierauf gestützt.

19

c) Die Frage, ob die Aktivitäten der FED-Freizeitgruppe inhaltlich den Anforderungen des § 45b Abs 1 Satz 5 und 6 SGB XI genügen, kann an dieser Stelle offen bleiben, weil der Kläger nur dann einen Anspruch auf Erstattung der Kosten (bzw auf Freistellung von den Kosten) hätte haben können, wenn er sich zum Zeitpunkt der Teilnahme an den Aktivitäten der Freizeitgruppe nicht im Wohnheim(§ 43a SGB XI), sondern bei seiner Familie aufgehalten hätte, wie es zB an Wochenenden oder zu Ferienzeiten häufig der Fall war. In dem fraglichen Zeitraum war der Kläger an insgesamt 27 Tagen zu Hause bei seiner Familie (18.-20.1., 1.-3.2., 12.-15.2., 22.-23.2., 8.-10.3., 16.-17.3., 22.-31.3.2013), und er hat hierfür auch Pflegegeld von der Beklagten bezogen (Bescheid vom 14.1.2014). Vor und nach der Teilnahme an den Freizeitaktivitäten des FED hielt sich der Kläger aber ausschließlich im Wohnheim auf; an diesen Tagen war er auch nicht einmal stundenweise zu Hause. Daher ist der geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von den Kosten in Höhe von 354,48 Euro unbegründet.

20

d) Die zusätzlichen Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung des Pflege-WEG vom 28.5.2008 (BGBl I 874), um die es hier allein geht, stellen sich ebenso wie die durch das 5. SGB XI-ÄndG zum 1.1.2015 eingeführten zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen als reiner Annex zum Leistungsangebot der Pflegekassen für Versicherte in häuslicher Pflege dar, wobei eine vorübergehende Unterbrechung der häuslichen Pflege durch eine Kurzzeitpflege (§ 42 SGB XI) den Anspruch nicht ausschließt, wie sich aus § 45b Abs 1 Satz 6 Nr 2 SGB XI ergibt. Jeder dauerhafte Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung wirkt hingegen anspruchsausschließend. Dabei waren die zusätzlichen Betreuungsleistungen nach der bis zum 31.12.2014 geltenden Rechtslage konzipiert als Maßnahmen "zur Entlastung der pflegenden Angehörigen". Dies ergibt sich für die niedrigschwelligen Betreuungsangebote (§ 45b Abs 1 Satz 6 Nr 4 iVm § 45c Abs 1 Satz 1 SGB XI) unmittelbar aus dem Gesetz (§ 45c Abs 3 Satz 1 SGB XI) und ist ansonsten der Gesetzesbegründung zum PflEG zu entnehmen (BT-Drucks 14/6949, S 17). Das SG hat hierauf zutreffend hingewiesen und eine entlastende Wirkung der Freizeitaktivitäten für die Mutter des Klägers und dessen Stiefvater als pflegende Angehörige zu Recht verneint, weil sich der Kläger vor dem Beginn der Freizeitaktivitäten und nach deren Ende jeweils in dem Wohnheim aufgehalten habe. Die pflegenden Angehörigen seien während der Freizeitaktivitäten auch nicht anwesend gewesen.

21

7. Der Kläger kann auch nicht mit dem Einwand gehört werden, er lebe dauerhaft in dem Wohnheim, habe keinen anderen Lebensmittelpunkt mehr und werde daher in dem Wohnheim "häuslich gepflegt".

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a) Eine Abgrenzung der häuslichen Pflege von der stationären Pflege sieht § 36 Abs 1 Satz 2 SGB XI vor. Danach sind Leistungen der häuslichen Pflege zwar auch zulässig, wenn Pflegebedürftige nicht in ihrem eigenen Haushalt gepflegt werden; sie sind jedoch nicht zulässig, wenn Pflegebedürftige in einer stationären Pflegeeinrichtung (§ 71 Abs 2 SGB XI) oder in einer Einrichtung iS des § 71 Abs 4 SGB XI gepflegt werden. Das Wohnheim der Lebenshilfe S. gGmbH ist keine stationäre Pflegeeinrichtung nach § 71 Abs 2 SGB XI und besitzt demgemäß auch keinen Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen(§ 72 SGB XI). Vielmehr handelt es sich bei dem Wohnheim als vollstationäre Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen (§ 43a SGB XI) um eine Einrichtung iS des § 71 Abs 4 SGB XI. Danach sind stationäre Einrichtungen, in denen die Leistungen zur medizinischen Vorsorge, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker oder behinderter Menschen im Vordergrund des Zwecks der Einrichtung stehen, sowie Krankenhäuser keine Pflegeeinrichtungen iS des § 71 Abs 2 SGB XI. Leistungen der häuslichen Pflege iS der §§ 36 bis 38 SGB XI werden in solchen Einrichtungen nicht erbracht.

23

b) Für Pflegebedürftige in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszweckes stehen (§ 71 Abs 4 SGB XI), übernimmt jedoch die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen zehn vom Hundert des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes(§ 43a Satz 1 SGB XI). Die Aufwendungen der Pflegekasse dürfen im Einzelfall je Kalendermonat 256 Euro (seit dem 1.1.2015 266 Euro) nicht überschreiten (§ 43a Satz 1 SGB XI). Wird für die Tage, an denen die pflegebedürftigen Behinderten zu Hause gepflegt und betreut werden, anteiliges Pflegegeld beansprucht, gelten die Tage der An- und Abreise als volle Tage der häuslichen Pflege (§ 43a Satz 3 SGB XI). § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XI beschreibt die Leistungspflicht der Träger von vollstationären Pflegeeinrichtungen(§ 71 Abs 2 SGB XI); es geht um die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen zahlen die Pflegekassen nach § 43a SGB XI den genannten Betrag unmittelbar an den Einrichtungsträger, weil es sich der Sache nach um eine die Sachleistung(§ 4 Abs 1 Satz 1 SGB XI) ersetzende pauschale Geldleistung (BSG SozR 3-3300 § 43a Nr 3 S 6; Udsching, SGB XI, 4. Aufl 2015, Vor §§ 28 bis 45 d, RdNr 4) handelt. Die Höhe der Leistung hängt allerdings nicht vom Pflegeaufwand im konkreten Einzelfall und demgemäß auch nicht von der zuerkannten Pflegestufe ab (Udsching, aaO, § 43a RdNr 3 und 4). Diese Regelung ist Ausdruck des rechtlichen Prinzips, dass in den stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe (§ 71 Abs 4 SGB XI) die Träger der Sozialhilfe auch für die erforderlichen Pflegeleistungen aufzukommen haben. Nach § 13 Abs 3 Satz 3 SGB XI bleiben die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem SGB XII unberührt; die notwendige Hilfe in den Einrichtungen nach § 71 Abs 4 SGB XI ist einschließlich der Pflegeleistungen zu gewähren. Die Eingliederungshilfe ist also im Verhältnis zur sozialen Pflegeversicherung nicht nachrangig. Dies hat zur Folge, dass der Sozialhilfeträger in einem solchen Fall den Hilfebedürftigen nicht auf die sonst vorrangigen SGB XI-Leistungen verweisen kann. Die Pflege in Einrichtungen der Behindertenhilfe stellt sich insoweit als integraler Bestandteil der Eingliederungshilfe dar (Luik in jurisPK-SGB XI, § 43a, RdNr 12). Nur wenn der Pflegebedürftige, der in einer vollstationären Einrichtung der Eingliederungshilfe lebt, seinen Aufenthalt in der Einrichtung unterbricht und sich in häusliche Pflege begibt, hat er einen Anspruch auf entsprechende Leistungen (§§ 36 ff SGB XI), was sich nunmehr aus dem durch das PNG zum 30.10.2012 eingeführten § 38 Abs 1 Satz 5 SGB XI ergibt. Danach haben Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen (§ 43a SGB XI) Anspruch auf ungekürztes Pflegegeld anteilig für die Tage, an denen sie sich in häuslicher Pflege befinden. Hieraus wird deutlich, dass in den Einrichtungen nach § 43a SGB XI gerade keine häusliche Pflege erfolgt. Der systematische Zusammenhang mit § 34 Abs 2 SGB XI stützt diese Sicht. Danach ruht der Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege ua auch für die Dauer des stationären Aufenthalts in einer Einrichtung nach § 71 Abs 4 SGB XI, soweit § 39 SGB XI für die Verhinderungspflege nichts Abweichendes bestimmt. Von dieser Ruhensanordnung sind auch die zusätzlichen Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI erfasst; denn sie sind nach § 45a Abs 1 Satz 1 SGB XI der häuslichen Pflege als Annexangebot zugeordnet.

24

c) Die Argumentation des Klägers zu Sinn und Reichweite der Leistungserweiterung nach den §§ 45a und 87b SGB XI geht fehl. Er meint, § 45a SGB XI stehe im Kontext des Fünften Abschnitts des SGB XI und müsse im Zusammenhang mit § 87b SGB XI gesehen werden. Beide Regelungen sollten ein geschlossenes System der Leistungserweiterung für Menschen mit kognitiven und psychischen Störungen bewirken. Die Auslegung der Beklagten führe im Ergebnis dazu, dass Bewohner von Wohnheimen aus diesem geschlossenen System herausfielen und keinen entsprechenden Leistungsanspruch hätten. Die §§ 45a und 45b SGB XI normieren Leistungen für Versicherte, die sich in häuslicher Pflege befinden; § 87b SGB XI sieht von den Pflegekassen zu tragende Vergütungszuschläge für stationäre Pflegeeinrichtungen vor, wenn den Heimbewohnern zusätzliche Betreuungs- und Aktivierungsmaßnahmen angeboten werden und dafür zusätzliches Personal eingestellt worden ist. Mit der Zahlung des - vertraglich zu vereinbarenden (§ 87b Abs 1 Satz 1 SGB XI) - Vergütungszuschlags von der Pflegekasse an die Pflegeeinrichtung hat die anspruchsberechtigte Person Anspruch auf Erbringung der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung gegenüber der Pflegeeinrichtung (§ 87b Abs 2 Satz 4 SGB XI). Hieraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber mit den §§ 45a ff SGB XI zusätzliche Betreuungsleistungen (und ab 1.1.2015 auch Entlastungsleistungen) für Versicherte in häuslicher Pflege und mit § 87b SGB XI zusätzliche Betreuungs- und Aktivierungsleistung für Versicherte in vollstationären Pflegeeinrichtungen eingeführt hat. Diese zusätzlichen Leistungen für Versicherte mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen unterscheiden sich also schon inhaltlich und sind dem jeweiligen Umfeld angepasst, in dem die Leistungen zu erbringen sind, nämlich die häusliche Pflege einerseits und die vollstationäre Pflege andererseits. Nicht von diesen Regelungen begünstigt sind Versicherte, die in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen (§ 43a SGB XI) leben.

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d) Der Gesetzgeber hat für Einrichtungen nach § 71 Abs 4 SGB XI in § 43a SGB XI bewusst eine abschließende Regelung getroffen, indem der rein pflegerische Anteil an den Leistungen mit einer pauschalen, vom konkreten Pflegeaufwand im Einzelfall unabhängigen Vergütung abgegolten wird. Dieser - vom Gesetzgeber festgelegte und durch ihn ggf anzupassende - Abgeltungsbetrag umfasst daher grundsätzlich auch etwaige zusätzliche Betreuungsleistungen, die im vollstationären Bereich als Annex zur Pflege und zur sozialen Betreuung (§ 43 Abs 2 SGB XI) ausgestattet sind. Eine Regelungslücke ergibt sich allenfalls für den Personenkreis mit einem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, der nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreicht (sog Pflegestufe 0). Versicherte der Pflegestufe 0, denen eine dauerhafte Einschränkung der Alltagskompetenz attestiert worden ist, können zwar die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen bei häuslicher Pflege nach § 45b iVm § 45a Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB XI sowie zusätzliche Betreuungs- und Aktivierungsleistungen bei vollstationärer Pflege nach § 87b iVm § 45a Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB XI in Anspruch nehmen, sind aber bei einem Aufenthalt in einer Einrichtung der Behindertenhilfe nach § 43a SGB XI insofern "benachteiligt", als ihr Pflegeaufwand nicht durch eine Pauschvergütung der Pflegekassen abgegolten wird. Dementsprechend sind auch zusätzliche Betreuungsleistungen für diesen Personenkreis nicht von den Pflegekassen zu finanzieren. Die Pflegekassen haben den Pauschalbetrag für die erbrachten Pflegeleistungen nach derzeitiger Rechtslage nur für "Pflegebedürftige" zu leisten, also für Versicherte der Pflegestufen I, II oder III (§§ 14, 15 SGB XI). Die Frage, ob sich insoweit ein verfassungsrechtliches Problem mit Blick auf das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen (Art 3 Abs 3 Satz 2 GG) oder das allgemeine Gleichbehandlungsgebot (Art 3 Abs 1 GG) stellt, kann an dieser Stelle offenbleiben, weil der Kläger als Pflegebedürftiger der Pflegestufe I nicht zum betroffenen Personenkreis (Pflegestufe 0) gehört.

26

e) Die §§ 45a, 45b und 87a SGB XI sind nach dem 1996 eingeführten § 43a SGB XI in das Gesetz eingefügt worden, nämlich die §§ 45a und 45b SGB XI durch das PflEG vom 14.12.2001 (BGBl I 3728) und § 87b SGB XI durch das Pflege-WEG vom 28.5.2008 (BGBl I 874). Es ist also davon auszugehen, dass der Gesetzgeber weiter an der Regelung des § 43a SGB XI festhalten wollte. Für Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe gilt aber § 43a SGB XI als abschließend, solange der Aufenthalt nicht unterbrochen wird. Eine solche Unterbrechung durch vorübergehende Rückkehr des Klägers in den elterlichen Haushalt während den Wochenenden oder der Ferienzeit gab es an den fraglichen Tagen nicht.

27

f) Die ausschließliche Verknüpfung der Leistungen nach den §§ 45a ff SGB XI mit der Entlastung der pflegenden Angehörigen ist erst durch die Neuregelungen des 5. SGB XI-ÄndG mit Wirkung ab 1.1.2015 durchbrochen worden. Die neue Rechtslage ist deshalb auf den vorliegenden Fall im Jahr 2013 nicht anwendbar, hätte an der Abweisung der Klage aber auch nichts geändert, weil die Beschränkung der Leistungen nach den §§ 45a ff SGB XI auf die Pflegebedürftigen in häuslicher Pflege bestehen geblieben ist.

28

g) Nach § 45a Abs 1 Satz 1 SGB XI sind seit dem 1.1.2015 die Leistungen dieses Abschnitts für Pflegebedürftige in häuslicher Pflege mit erheblichem Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung vorgesehen, "somit nichts anderes bestimmt ist". Dies bezieht sich insbesondere auf die neu eingeführte Bestimmung des § 45b Abs 1a SGB XI, wonach Pflegebedürftige der Pflegestufen 0, I, II oder III(§ 45a Abs 1 Satz 2 SGB XI), die nicht die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllen, also die rein somatisch Pflegebedürftigen(BT-Drucks 18/1798, S 20, 23), ebenfalls die zusätzlichen Betreuungsleistungen und auch die - gleichfalls zum 1.1.2015 neugeschaffenen - zusätzlichen Entlastungsleistungen (§ 45b Abs 1 Satz 1, § 45c Abs 1 Satz 2, § 45c Abs 3 SGB XI) in Anspruch nehmen können, allerdings begrenzt auf 104 Euro monatlich. Dazu heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 18/1798, S 29): "Versicherte mit festgestellter dauerhaft erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz im Sinne von § 45a können ihren Kostenerstattungsanspruch aus § 45b Absatz 1 nunmehr nicht nur wie bisher für zusätzliche Betreuungsleistungen, sondern auch für zusätzliche Entlastungsleistungen nutzen. Zusätzliche Entlastungsleistungen dienen der Deckung des Bedarfs der Versicherten an Unterstützung im Haushalt, insbesondere bei der hauswirtschaftlichen Versorgung, an Unterstützung bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder an Unterstützung bei der eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen oder sie tragen dazu bei, Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende zu entlasten. Zusätzliche Entlastungsleistungen beinhalten die Erbringung von Dienstleistungen, eine die vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten stärkende oder stabilisierende Alltagsbegleitung, organisatorische Hilfestellungen, Unterstützungsleistungen für Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende, insbesondere zur Bewältigung des Pflegealltags, oder andere geeignete Maßnahmen, die der vorgenannten Bedarfsdeckung bzw Entlastung dienen."

29

Der Hinweis des Klägers auf diese Gesetzesbegründung ist für den vorliegenden Fall schon deshalb nicht von Belang, weil das 5. SGB XI-ÄndG erst zum 1.1.2015 in Kraft getreten ist, auf den Fall aber die Rechtslage des Jahres 2013 anzuwenden ist.

30

8. Es bedarf keiner Entscheidung, ob dem Kläger ein Kostenfreistellungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger zusteht. Die Beklagte kann insoweit jedenfalls nicht als erstangegangener Leistungsträger nach § 14 SGB IX zur Leistung verpflichtet sein, weil Pflegekassen nicht zu den vom SGB IX erfassten Rehabilitationsträgern gehören(§ 6 Abs 1 SGB IX).

31

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Pflegekassen beauftragen den Medizinischen Dienst oder andere unabhängige Gutachter mit der Prüfung, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welcher Pflegegrad vorliegt. Im Rahmen dieser Prüfungen haben der Medizinische Dienst oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter durch eine Untersuchung des Antragstellers die Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten bei den in § 14 Absatz 2 genannten Kriterien nach Maßgabe des § 15 sowie die voraussichtliche Dauer der Pflegebedürftigkeit zu ermitteln. Darüber hinaus sind auch Feststellungen darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang Maßnahmen zur Beseitigung, Minderung oder Verhütung einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit einschließlich der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation geeignet, notwendig und zumutbar sind; insoweit haben Versicherte einen Anspruch gegen den zuständigen Träger auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Jede Feststellung hat zudem eine Aussage darüber zu treffen, ob Beratungsbedarf insbesondere in der häuslichen Umgebung oder in der Einrichtung, in der der Anspruchsberechtigte lebt, hinsichtlich Leistungen zur verhaltensbezogenen Prävention nach § 20 Absatz 5 des Fünften Buches besteht.

(1a) Die Pflegekassen können den Medizinischen Dienst oder andere unabhängige Gutachter mit der Prüfung beauftragen, für welchen Zeitanteil die Pflegeversicherung bei ambulant versorgten Pflegebedürftigen, die einen besonders hohen Bedarf an behandlungspflegerischen Leistungen haben und die Leistungen der häuslichen Pflegehilfe nach § 36 und der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Absatz 2 des Fünften Buches beziehen, die hälftigen Kosten zu tragen hat. Von den Leistungen der häuslichen Pflegehilfe nach § 36 sind nur Maßnahmen der körperbezogenen Pflege zu berücksichtigen. Bei der Prüfung des Zeitanteils sind die Richtlinien nach § 17 Absatz 1b zu beachten.

(2) Der Medizinische Dienst oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter haben den Versicherten in seinem Wohnbereich zu untersuchen. Erteilt der Versicherte dazu nicht sein Einverständnis, kann die Pflegekasse die beantragten Leistungen verweigern. Die §§ 65, 66 des Ersten Buches bleiben unberührt. Die Untersuchung im Wohnbereich des Pflegebedürftigen kann ausnahmsweise unterbleiben, wenn auf Grund einer eindeutigen Aktenlage das Ergebnis der medizinischen Untersuchung bereits feststeht. Die Untersuchung ist in angemessenen Zeitabständen zu wiederholen.

(2a) Bei pflegebedürftigen Versicherten werden vom 1. Juli 2016 bis zum 31. Dezember 2016 keine Wiederholungsbegutachtungen nach Absatz 2 Satz 5 durchgeführt, auch dann nicht, wenn die Wiederholungsbegutachtung vor diesem Zeitpunkt vom Medizinischen Dienst oder anderen unabhängigen Gutachtern empfohlen wurde. Abweichend von Satz 1 können Wiederholungsbegutachtungen durchgeführt werden, wenn eine Verringerung des Hilfebedarfs, insbesondere aufgrund von durchgeführten Operationen oder Rehabilitationsmaßnahmen, zu erwarten ist.

(2b) Abweichend von Absatz 3a Satz 1 Nummer 2 ist die Pflegekasse vom 1. November 2016 bis zum 31. Dezember 2016 nur bei Vorliegen eines besonders dringlichen Entscheidungsbedarfs gemäß Absatz 2b dazu verpflichtet, dem Antragsteller mindestens drei unabhängige Gutachter zur Auswahl zu benennen, wenn innerhalb von 20 Arbeitstagen nach Antragstellung keine Begutachtung erfolgt ist.

(3) Die Pflegekasse leitet die Anträge zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit unverzüglich an den Medizinischen Dienst oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter weiter. Dem Antragsteller ist spätestens 25 Arbeitstage nach Eingang des Antrags bei der zuständigen Pflegekasse die Entscheidung der Pflegekasse schriftlich mitzuteilen. Befindet sich der Antragsteller im Krankenhaus oder in einer stationären Rehabilitationseinrichtung und

1.
liegen Hinweise vor, dass zur Sicherstellung der ambulanten oder stationären Weiterversorgung und Betreuung eine Begutachtung in der Einrichtung erforderlich ist, oder
2.
wurde die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz gegenüber dem Arbeitgeber der pflegenden Person angekündigt oder
3.
wurde mit dem Arbeitgeber der pflegenden Person eine Familienpflegezeit nach § 2 Absatz 1 des Familienpflegezeitgesetzes vereinbart,
ist die Begutachtung dort unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Eingang des Antrags bei der zuständigen Pflegekasse durchzuführen; die Frist kann durch regionale Vereinbarungen verkürzt werden. Die verkürzte Begutachtungsfrist gilt auch dann, wenn der Antragsteller sich in einem Hospiz befindet oder ambulant palliativ versorgt wird. Befindet sich der Antragsteller in häuslicher Umgebung, ohne palliativ versorgt zu werden, und wurde die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz gegenüber dem Arbeitgeber der pflegenden Person angekündigt oder mit dem Arbeitgeber der pflegenden Person eine Familienpflegezeit nach § 2 Absatz 1 des Familienpflegezeitgesetzes vereinbart, ist eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei der zuständigen Pflegekasse durchzuführen und der Antragsteller seitens des Medizinischen Dienstes oder der von der Pflegekasse beauftragten Gutachter unverzüglich schriftlich darüber zu informieren, welche Empfehlung der Medizinische Dienst oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter an die Pflegekasse weiterleiten. In den Fällen der Sätze 3 bis 5 muss die Empfehlung nur die Feststellung beinhalten, ob Pflegebedürftigkeit im Sinne der §§ 14 und 15 vorliegt. Die Entscheidung der Pflegekasse ist dem Antragsteller unverzüglich nach Eingang der Empfehlung des Medizinischen Dienstes oder der beauftragten Gutachter bei der Pflegekasse schriftlich mitzuteilen. Der Antragsteller ist bei der Begutachtung auf die maßgebliche Bedeutung des Gutachtens insbesondere für eine umfassende Beratung, das Erstellen eines individuellen Versorgungsplans nach § 7a, das Versorgungsmanagement nach § 11 Absatz 4 des Fünften Buches und für die Pflegeplanung hinzuweisen. Das Gutachten wird dem Antragsteller durch die Pflegekasse übersandt, sofern er der Übersendung nicht widerspricht. Das Ergebnis des Gutachtens ist transparent darzustellen und dem Antragsteller verständlich zu erläutern. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die Anforderungen an eine transparente Darstellungsweise und verständliche Erläuterung des Gutachtens. Der Antragsteller kann die Übermittlung des Gutachtens auch zu einem späteren Zeitpunkt verlangen. Die Pflegekasse hat den Antragsteller auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden über die Tätigkeit des Medizinischen Dienstes vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 des Fünften Buches zu wenden.

(3a) Die Pflegekasse ist verpflichtet, dem Antragsteller mindestens drei unabhängige Gutachter zur Auswahl zu benennen,

1.
soweit nach Absatz 1 unabhängige Gutachter mit der Prüfung beauftragt werden sollen oder
2.
wenn innerhalb von 20 Arbeitstagen ab Antragstellung keine Begutachtung erfolgt ist.
Auf die Qualifikation und Unabhängigkeit des Gutachters ist der Versicherte hinzuweisen. Hat sich der Antragsteller für einen benannten Gutachter entschieden, wird dem Wunsch Rechnung getragen. Der Antragsteller hat der Pflegekasse seine Entscheidung innerhalb einer Woche ab Kenntnis der Namen der Gutachter mitzuteilen, ansonsten kann die Pflegekasse einen Gutachter aus der übersandten Liste beauftragen. Die Gutachter sind bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat.

(3b) Erteilt die Pflegekasse den schriftlichen Bescheid über den Antrag nicht innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags oder wird eine der in Absatz 3 genannten verkürzten Begutachtungsfristen nicht eingehalten, hat die Pflegekasse nach Fristablauf für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung unverzüglich 70 Euro an den Antragsteller zu zahlen. Dies gilt nicht, wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat oder wenn sich der Antragsteller in vollstationärer Pflege befindet und bereits bei ihm mindestens erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (mindestens Pflegegrad 2) festgestellt ist. Entsprechendes gilt für die privaten Versicherungsunternehmen, die die private Pflege-Pflichtversicherung durchführen. Die Träger der Pflegeversicherung und die privaten Versicherungsunternehmen veröffentlichen jährlich jeweils bis zum 31. März des dem Berichtsjahr folgenden Jahres eine Statistik über die Einhaltung der Fristen nach Absatz 3. Die Sätze 1 bis 3 finden vom 1. November 2016 bis 31. Dezember 2017 keine Anwendung.

(4) Der Medizinische Dienst oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter sollen, soweit der Versicherte einwilligt, die behandelnden Ärzte des Versicherten, insbesondere die Hausärzte, in die Begutachtung einbeziehen und ärztliche Auskünfte und Unterlagen über die für die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit wichtigen Vorerkrankungen sowie Art, Umfang und Dauer der Hilfebedürftigkeit einholen. Mit Einverständnis des Versicherten sollen auch pflegende Angehörige oder sonstige Personen oder Dienste, die an der Pflege des Versicherten beteiligt sind, befragt werden.

(5) Die Pflege- und Krankenkassen sowie die Leistungserbringer sind verpflichtet, dem Medizinischen Dienst oder den von der Pflegekasse beauftragten Gutachtern die für die Begutachtung erforderlichen Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. § 276 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Fünften Buches gilt entsprechend.

(5a) Bei der Begutachtung sind darüber hinaus die Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten in den Bereichen außerhäusliche Aktivitäten und Haushaltsführung festzustellen. Mit diesen Informationen sollen eine umfassende Beratung und das Erstellen eines individuellen Versorgungsplans nach § 7a, das Versorgungsmanagement nach § 11 Absatz 4 des Fünften Buches und eine individuelle Pflegeplanung sowie eine sachgerechte Erbringung von Hilfen bei der Haushaltsführung ermöglicht werden. Hierbei ist im Einzelnen auf die nachfolgenden Kriterien abzustellen:

1.
außerhäusliche Aktivitäten: Verlassen des Bereichs der Wohnung oder der Einrichtung, Fortbewegen außerhalb der Wohnung oder der Einrichtung, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Nahverkehr, Mitfahren in einem Kraftfahrzeug, Teilnahme an kulturellen, religiösen oder sportlichen Veranstaltungen, Besuch von Schule, Kindergarten, Arbeitsplatz, einer Werkstatt für behinderte Menschen oder Besuch einer Einrichtung der Tages- oder Nachtpflege oder eines Tagesbetreuungsangebotes, Teilnahme an sonstigen Aktivitäten mit anderen Menschen;
2.
Haushaltsführung: Einkaufen für den täglichen Bedarf, Zubereitung einfacher Mahlzeiten, einfache Aufräum- und Reinigungsarbeiten, aufwändige Aufräum- und Reinigungsarbeiten einschließlich Wäschepflege, Nutzung von Dienstleistungen, Umgang mit finanziellen Angelegenheiten, Umgang mit Behördenangelegenheiten.
Der Medizinische Dienst Bund wird ermächtigt, in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die in Satz 3 genannten Kriterien im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen pflegefachlich unter Berücksichtigung der Ziele nach Satz 2 zu konkretisieren.

(6) Der Medizinische Dienst oder ein von der Pflegekasse beauftragter Gutachter hat der Pflegekasse das Ergebnis seiner Prüfung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch Übersendung des vollständigen Gutachtens unverzüglich mitzuteilen. In seiner oder ihrer Stellungnahme haben der Medizinische Dienst oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter auch das Ergebnis der Prüfung, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen der Prävention und der medizinischen Rehabilitation geeignet, notwendig und zumutbar sind, mitzuteilen und Art und Umfang von Pflegeleistungen sowie einen individuellen Pflegeplan zu empfehlen. Die Feststellungen zur Prävention und zur medizinischen Rehabilitation sind durch den Medizinischen Dienst oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter auf der Grundlage eines bundeseinheitlichen, strukturierten Verfahrens zu treffen und in einer gesonderten Präventions- und Rehabilitationsempfehlung zu dokumentieren. Beantragt der Pflegebedürftige Pflegegeld, hat sich die Stellungnahme auch darauf zu erstrecken, ob die häusliche Pflege in geeigneter Weise sichergestellt ist.

(6a) Der Medizinische Dienst oder die von der Pflegekasse beauftragten Gutachter haben gegenüber der Pflegekasse in ihrem Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit konkrete Empfehlungen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung abzugeben. Die Empfehlungen gelten hinsichtlich Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die den Zielen von § 40 dienen, jeweils als Antrag auf Leistungsgewährung, sofern der Versicherte zustimmt. Die Zustimmung erfolgt gegenüber dem Gutachter im Rahmen der Begutachtung und wird im Begutachtungsformular schriftlich oder elektronisch dokumentiert. Bezüglich der empfohlenen Pflegehilfsmittel wird die Notwendigkeit der Versorgung nach § 40 Absatz 1 Satz 2 vermutet. Bezüglich der empfohlenen Hilfsmittel, die den Zielen nach § 40 dienen, wird die Erforderlichkeit nach § 33 Absatz 1 des Fünften Buches vermutet; insofern bedarf es keiner ärztlichen Verordnung gemäß § 33 Absatz 5a des Fünften Buches. Welche Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel im Sinne von Satz 2 den Zielen von § 40 dienen, wird in den Begutachtungs-Richtlinien nach § 17 konkretisiert. Dabei ist auch die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 des Fünften Buches über die Verordnung von Hilfsmitteln zu berücksichtigen. Die Pflegekasse übermittelt dem Antragsteller unverzüglich die Entscheidung über die empfohlenen Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel.

(7) Die Aufgaben des Medizinischen Dienstes werden durch Pflegefachkräfte oder Ärztinnen und Ärzte in enger Zusammenarbeit mit anderen geeigneten Fachkräften wahrgenommen. Die Prüfung der Pflegebedürftigkeit von Kindern ist in der Regel durch besonders geschulte Gutachter mit einer Qualifikation als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger oder als Kinderärztin oder Kinderarzt vorzunehmen. Der Medizinische Dienst ist befugt, den Pflegefachkräften oder sonstigen geeigneten Fachkräften, die nicht dem Medizinischen Dienst angehören, die für deren jeweilige Beteiligung erforderlichen personenbezogenen Daten zu übermitteln. Für andere unabhängige Gutachter gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(1) Angebote zur Unterstützung im Alltag tragen dazu bei, Pflegepersonen zu entlasten, und helfen Pflegebedürftigen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und ihren Alltag weiterhin möglichst selbständig bewältigen zu können. Angebote zur Unterstützung im Alltag sind

1.
Angebote, in denen insbesondere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung von Pflegebedürftigen mit allgemeinem oder mit besonderem Betreuungsbedarf in Gruppen oder im häuslichen Bereich übernehmen (Betreuungsangebote),
2.
Angebote, die der gezielten Entlastung und beratenden Unterstützung von pflegenden Angehörigen und vergleichbar nahestehenden Pflegepersonen in ihrer Eigenschaft als Pflegende dienen (Angebote zur Entlastung von Pflegenden),
3.
Angebote, die dazu dienen, die Pflegebedürftigen bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder im Haushalt, insbesondere bei der Haushaltsführung, oder bei der eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen zu unterstützen (Angebote zur Entlastung im Alltag).
Die Angebote benötigen eine Anerkennung durch die zuständige Behörde nach Maßgabe des gemäß Absatz 3 erlassenen Landesrechts. Durch ein Angebot zur Unterstützung im Alltag können auch mehrere der in Satz 2 Nummer 1 bis 3 genannten Bereiche abgedeckt werden. In Betracht kommen als Angebote zur Unterstützung im Alltag insbesondere Betreuungsgruppen für an Demenz erkrankte Menschen, Helferinnen- und Helferkreise zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger oder vergleichbar nahestehender Pflegepersonen im häuslichen Bereich, die Tagesbetreuung in Kleingruppen oder Einzelbetreuung durch anerkannte Helferinnen oder Helfer, Agenturen zur Vermittlung von Betreuungs- und Entlastungsleistungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige sowie vergleichbar nahestehende Pflegepersonen, Familienentlastende Dienste, Alltagsbegleiter, Pflegebegleiter und Serviceangebote für haushaltsnahe Dienstleistungen.

(2) Angebote zur Unterstützung im Alltag beinhalten die Übernahme von Betreuung und allgemeiner Beaufsichtigung, eine die vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten stärkende oder stabilisierende Alltagsbegleitung, Unterstützungsleistungen für Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende zur besseren Bewältigung des Pflegealltags, die Erbringung von Dienstleistungen, organisatorische Hilfestellungen oder andere geeignete Maßnahmen. Die Angebote verfügen über ein Konzept, das Angaben zur Qualitätssicherung des Angebots sowie eine Übersicht über die Leistungen, die angeboten werden sollen, und die Höhe der den Pflegebedürftigen hierfür in Rechnung gestellten Kosten enthält. Das Konzept umfasst ferner Angaben zur zielgruppen- und tätigkeitsgerechten Qualifikation der Helfenden und zu dem Vorhandensein von Grund- und Notfallwissen im Umgang mit Pflegebedürftigen sowie dazu, wie eine angemessene Schulung und Fortbildung der Helfenden sowie eine kontinuierliche fachliche Begleitung und Unterstützung insbesondere von ehrenamtlich Helfenden in ihrer Arbeit gesichert werden. Bei wesentlichen Änderungen hinsichtlich der angebotenen Leistungen ist das Konzept entsprechend fortzuschreiben; bei Änderung der hierfür in Rechnung gestellten Kosten sind die entsprechenden Angaben zu aktualisieren.

(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Anerkennung der Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne der Absätze 1 und 2 einschließlich der Vorgaben zur regelmäßigen Qualitätssicherung der Angebote und zur regelmäßigen Übermittlung einer Übersicht über die aktuell angebotenen Leistungen und die Höhe der hierfür erhobenen Kosten zu bestimmen. Beim Erlass der Rechtsverordnung sollen sie die gemäß § 45c Absatz 7 beschlossenen Empfehlungen berücksichtigen.

(4) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege mit mindestens Pflegegrad 2 können eine Kostenerstattung zum Ersatz von Aufwendungen für Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag unter Anrechnung auf ihren Anspruch auf ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 erhalten, soweit für den entsprechenden Leistungsbetrag nach § 36 in dem jeweiligen Kalendermonat keine ambulanten Pflegesachleistungen bezogen wurden. Der hierfür verwendete Betrag darf je Kalendermonat 40 Prozent des nach § 36 für den jeweiligen Pflegegrad vorgesehenen Höchstleistungsbetrags nicht überschreiten. Zur Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 bedarf es keiner vorherigen Antragstellung. Die Anspruchsberechtigten erhalten die Kostenerstattung nach Satz 1 bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle gegen Vorlage entsprechender Belege über Eigenbelastungen, die ihnen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Leistungen der Angebote zur Unterstützung im Alltag entstanden sind. Die Vergütungen für ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 sind vorrangig abzurechnen. Im Rahmen der Kombinationsleistung nach § 38 gilt die Erstattung der Aufwendungen nach Satz 1 als Inanspruchnahme der dem Anspruchsberechtigten nach § 36 Absatz 3 zustehenden Sachleistung. Ist vor der Auszahlung der Kostenerstattung nach Satz 1 für den jeweiligen Kalendermonat bereits mehr Pflegegeld oder anteiliges Pflegegeld an den Pflegebedürftigen ausgezahlt worden, als er nach Berücksichtigung des Betrags der zu erstattenden Aufwendungen beanspruchen kann, wird der Kostenerstattungsbetrag insoweit mit dem bereits ausgezahlten Pflegegeldbetrag verrechnet. Beziehen Anspruchsberechtigte die Leistung nach Satz 1, findet § 37 Absatz 3 bis 5 und 7 bis 9 Anwendung; § 37 Absatz 6 findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass eine Kürzung oder Entziehung in Bezug auf die Kostenerstattung nach Satz 1 erfolgt. Die Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 und die Inanspruchnahme des Entlastungsbetrags nach § 45b erfolgen unabhängig voneinander.

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

Tenor

Die Klage des Klägers gegen den Bescheid vom 18. Februar 2011 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I.
Der am 1960 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er leidet insbesondere an depressiven Störungen, die zu Angstzuständen, einer Antriebsminderung und auch schon zu Suizidversuchen führten. Außerdem bestehen der Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie, eine Adipositas und eine Lipoproteinstoffwechselstörung sowie seit August 2009 Gefühlsstörungen in den Beinen und chronische Schmerzen in Hüfte und Schultern. Seit 11. Oktober 2004 bestand beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 90. Seit 07. Dezember 2009 beträgt der GdB 100. Zusätzlich sind die Nachteilsausgleiche G, B und RF festgestellt (Bescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 11. Juni 2010).
Am 13. März 2008 beantragte der Kläger bei der beklagten Pflegekasse die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung in Form von Pflegegeld. Er fügte den Pflegebogen zur Vorlage beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) für den grundpflegerischen Hilfebedarf vom 12. März 2008 und auszugsweise den Entlassungsbericht des Zentrums für Psychiatrie E. vom 03. Dezember 2007 über seinen stationären Aufenthalt vom 14. bis 24. November 2007 wegen Suizidalität sowie ein ärztliches Attest des Arztes für Neurologie/Psychiatrie Dr. J. vom 11. März 2008, wonach er seit Jahren unter einer chronischen Depression und Angstzuständen leide und wegen latenter Suizidalität nicht alleine sein könne und auf die Betreuung seiner Ehefrau angewiesen sei, bei. Seine Ehefrau, die ihn pflegt, führte ergänzend aus, dass er sehr wacklig auf den Beinen sei und wegen ständiger Sturzgefahr von ihr geduscht und angekleidet werden müsse. Durch die seelische Erkrankung sei er stark antriebsgemindert, kraftlos und teilweise auch vergesslich. Ohne ihre, der Pflegeperson, Hilfe würde er seine Medikamente und sein Insulin und sogar das Essen nicht regelmäßig zu sich nehmen. Wenn die depressiven Schübe sehr stark seien, müsse sie die Haustüre abschließen, weil der Kläger sonst weglaufen und sich umbringen würde. Pflegefachkraft F. vom MDK untersuchte den Kläger daraufhin am 21. April 2008 und erstattete das Gutachten vom 24. April 2008. Sie führte aus, pflegebegründende Diagnosen seien chronisch therapieresistente Depressionen und Angstzustände, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie und eine Suizidgefährdung. Insgesamt betrage der Pflegebedarf in der Grundpflege 13 Minuten. Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege bestehe tagesdurchschnittlich im Umfang von zehn Minuten, und zwar sechsmal wöchentlich als Anleitung bei der Ganzkörperwäsche mit einem tagesdurchschnittlichen Zeitaufwand von sechs Minuten, einmal wöchentlich als Unterstützung und Beaufsichtigung beim Duschen mit einem tagesdurchschnittlichen Zeitaufwand von drei Minuten sowie zweimal täglich als Anleitung bei der Zahnpflege mit einem tagesdurchschnittlichen Zeitaufwand von einer Minute. Beim Kläger bestehe teilweise ein Selbstversorgungsdefizit, er müsse immer wieder zur Körperpflege animiert werden, die Durchführung gelinge selbstständig, ebenso verhalte es sich mit Blick auf die Zahnpflege. Die Toilettengänge würden komplett selbstständig bewältigt. Hilfebedarf im Bereich der Ernährung sei nicht erforderlich. Bei der Mobilität bestehe ein Zeitbedarf von drei Minuten tagesdurchschnittlich und zwar jeweils eine Minute Unterstützung tagesdurchschnittlich bezüglich der Anleitung beim Ankleiden und Entkleiden sowie zweimal wöchentlich mit einem tagesdurchschnittlichen Zeitbedarf von ebenfalls einer Minute Beaufsichtigung bei Stehen/Transfer. Es müsse auf regelmäßigen Wäschewechsel geachtet werden. An- und auskleiden könne sich der Kläger komplett selbstständig. Mit Bescheid vom 30. April 2008 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag ab.
Hiergegen legte der Kläger am 05. Mai 2008 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, die Beklagte habe keine fachliche Kompetenz, um darüber zu entscheiden, wie viel Pflege und Zeitaufwand ein schwer psychisch erkrankter Mensch überhaupt benötige. Seine Ehefrau müsse ihn 24 Stunden lang pflegen und betreuen. Morgens müsse sie ihm erst mal aus dem Bett helfen und ihn auskleiden. Dann müsse sie ihn mit sehr viel Zeitaufwand dazu bringen, dass er sich im Badezimmer hinsetze. Da er durch seine Krankheit stark schwitze, müsse sie ihn auskleiden und komplett (ganzer Körper) waschen. Dies sei schon allein wegen seiner Hautallergie notwendig. Er müsse rasiert werden, die Zähne müssten ihm geputzt, die Haare gekämmt und das Gesicht gewaschen werden. Er könne zwar seine Arme bewegen, aber er sei körperlich geschwächt und durch die schwere Depression antriebslos. Nach dem Waschen müsse seine Ehefrau ihn am Bauch und an den Oberschenkeln und Händen mit Kortisonsalbe einreiben, die Füße pflegen und gründlich auch zwischen den Zehen trocknen sowie nach Verletzungen schauen und eincremen. Dann müsse sie ihn komplett ankleiden und an den Frühstückstisch setzen. Dort gebe sie ihm die von ihr gerichteten Tabletten, messe den Blutzucker, spritze Insulin und richte ihm das Frühstück. Danach setze sie ihn in den Wohnzimmersessel. Sie müsse auch darauf achten, dass er genug trinke. Seine Ehefrau müsse ständig in der Nähe sein, weil er unter Angstzuständen und Suizidgedanken leide. Sie müsse ihn auch beim Einkaufen etc. mitnehmen, wo er dann im Auto auf sie warte. Während des Tages verlagere ihn seine Ehefrau, wenn er schlafen wolle, ins Bett. Zum Mittagessen müsse er von seiner Ehefrau wieder an den Tisch gesetzt werden. Bei allen Toilettengängen, Händewaschen usw. brauche er ihre Hilfe, weil er stark sturzgefährdet sei. Nach dem Mittagessen und der Tabletteneinnahme, dem Blutzuckermessen und Insulinspritzen kleide ihn seine Ehefrau um und bringe ihn zu Bett. Nach zwei Stunden setze sie ihn wieder in den Fernsehsessel. Dort bekomme er Kaffee und eine Zwischenmahlzeit. Außerdem müssten wieder Blutzucker gemessen und Insulin gespritzt werden. Zur Abendbrotzeit setze ihn seine Ehefrau an den Küchentisch und richte ihm das Abendessen wiederum mit Blutzuckermessen, Insulinspritzen und Tablettenrichten und -geben. Da er stark schwitze, müsse er auch gelegentlich mittags und immer abends komplett gewaschen und mit Kortisonsalbe eingerieben werden. Mehrmals täglich benutze seine Ehefrau auch Babysalbe zum Pflegen. Abends bringe ihn seine Ehefrau mit Umkleiden etc. ins Bett. Um 22:00 Uhr müsse sie ihn wecken, Blutzuckermessen und Nachtinsulin spritzen. Nachts brauche er auch Hilfe zum Toilettengang und beim Trinken. Wenn er ganz schlimme Depressionsschübe habe, müsse seine Ehefrau Türen und Fenster verschließen und Tabletten verstecken, dass er sich nichts antue. In dem daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 18. Juli 2008 aufgrund einer Untersuchung am 03. Juni 2008 nannte Pflegefachkraft S. als pflegebegründende Diagnose eine Antriebsminderung bei endogener Depression und als weitere Diagnosen einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus, Polyneuropathie, Bluthochdruck, Gicht, Zustand nach mehreren Suizidversuchen und Übergewicht. Er schätzte den Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege auf 16 Minuten (Körperpflege zwölf Minuten, Mobilität vier Minuten). Das Aufstehen vom Sitzen werde selbstständig und langsam durchgeführt. Der Kläger könne gut frei stehen, selbstständig und ohne Hilfsmittel mit einem sicheren Gangbild in seiner Wohnung gehen, außerhalb der Wohnung gehe er mit Gehstock und personeller Hilfe. Das Bücken im Sitzen gelinge ihm bis zu den Fußzehen. Beim Transfer in die Stehdusche werde er personell begleitet. Die grobe Kraft beim Händedruck sei normal, der Pinzettengriff werde korrekt durchgeführt, Faustschluss sei möglich, die Feinmotorik erhalten und auch Nacken- und Schürzengriff würden endgradig durchgeführt. Stuhlgang und Wasserlassen seien unauffällig. Der Kläger müsse immer wieder zur Körperpflege motiviert werden und brauche Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen im Sinne der Tagesstrukturierung. Kleidungsstücke müssten für ihn ausgewählt und angereicht werden. Das Einreiben der Haut mit Kortisonsalbe wegen eines allergischen Erythems sei Behandlungspflege, ebenso das Tablettenrichten und -geben, Blutzuckermessen und Insulinspritzen. Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 28. Juli 2008 zusätzliche Betreuungsleistungen bei häuslicher Pflege nach § 45b Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) bewilligt und ihn mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag außerdem über das Ergebnis des von Pflegefachkraft S. erstatteten Gutachtens unterrichtet hatte, wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2008 zurück. Der Hilfebedarf für die Pflegestufe I müsse mindestens 90 Minuten täglich umfassen, wobei die Grundpflege einen Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten in Anspruch nehmen müsse. Sowohl bei der Erst- als auch bei der Zweitbegutachtung durch den MDK habe ein solcher Hilfebedarf nicht festgestellt werden können. Der Kläger müsse wegen seiner schweren Depression sehr intensiv betreut und beaufsichtigt werden. Die allgemeine Betreuung und Beaufsichtigung könne jedoch nach den Begutachtungs-Richtlinien nicht als Pflegezeit berücksichtigt werden. Das Einreiben der Haut, das Richten der Tabletten, das Blutzuckermessen und Insulinspritzen sei dem Bereich der Behandlungspflege zuzuordnen und könne ebenfalls nicht als Hilfebedarf angerechnet werden.
Bereits am 04. August 2008 hatte der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Als Behinderter werde man in Deutschland ausgegrenzt und abgelehnt. Von den Gutachtern des MdK, die nicht geprüft hätten, ob er gangunsicher sei und wie lange er für die Körperpflege etc. brauche, sei er beschimpft worden. Man habe ihm gesagt, er solle sich zusammenreißen und seine Ehefrau solle ihn antreiben. Solche Aussagen seien menschenverachtend. Dies würden seine schwere Depression und die zusätzlichen Erkrankungen nicht zulassen. Seit 1999 sei er wegen Erwerbsunfähigkeit Rentner, sein Neurologe habe ihm schriftlich bestätigt, dass er betreut und gepflegt werden müsse, und der Beklagten liege auch der Entlassungsbericht der Psychiatrischen Klinik in E. vor. Er sei auf die dringende Hilfe seiner Ehefrau angewiesen. Diese habe deshalb ihren Beruf aufgeben müssen. Anlässlich der stationären Aufenthalte im Zentrum für Psychiatrie in E. sei sehr wohl seine durch die schwere Depression bedingte Antriebslosigkeit erkannt worden. Er habe dort nichts selbst gemacht. Bei seiner Entlassung habe er sich in einem verwahrlosten Zustand befunden. Aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Sc., Ärztlicher Direktor des Zentrums für Psychiatrie E., Abteilung Psychiatrie (hierzu im Folgenden) ergebe sich nichts anderes. Diese sage gerade nichts über seine Bedürftigkeit im häuslichen Bereich aus. Aus der - beigefügten - nervenärztlichen Bescheinigung des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K. vom 18. Januar 2000 ergebe sich, dass er, der Kläger, schon damals krankhaft antriebsgemindert gewesen sei und dies auch noch heute sei. Durch den zu spät behandelten Diabetes mellitus habe er Nervenschäden und schwere Gleichgewichtsstörungen und brauche daher Hilfe bei der Körperpflege und beim Ankleiden. Des Weiteren habe sich durch Beschwerden aufgrund eines Bandscheibenvorfalls und einer Wirbelsäulenverkrümmung sein Gesundheitszustand derart verschlechtert, dass beabsichtigt sei, eine Dauerschmerzmedikation durchzuführen. Zudem bestehe bei ihm nach wie vor eine Hüftarthrose beidseits und eine Kniearthrose und der - ebenfalls beigefügte - Arztbrief des Neurologen F. vom 06. August 2009 bestätige Drop-Attacks (am Ehesten sei von Drop-Attacks auszugehen, obwohl er, der Arzt, sonstige Hinweise für eine vertebro-basiläre Insuffizienz nicht finde). Wegen der Drop-Attacks sei ihm nunmehr ein Rollator verordnet worden. Trotzdem brauche er ständige Begleitung, und es sei auch eine permanente Anwesenheit der Pflegeperson erforderlich, weil er trotz Rollator die Stürze nicht verhindern könne und ein Sturz Verletzungen zur Folge haben könne. Dies müsse ebenfalls berücksichtigt werden. Im Übrigen ergebe sich auch aus dem Gutachten des Sachverständigen Ma. (hierzu im Folgenden), dass er ab 01. März 2008 Anspruch auf Leistungen nach Pflegestufe I habe. Er fügte weiter bei den Arztbrief des Dr. Nägele, Facharzt für Radiologische Diagnostik ohne Datum über eine Magnetresonanztomographie der Lendenwirbelsäule vom 01. September 2009 (Beurteilung: Protrusion mit Sequestration in der Etage LWK 5/SWK 1, leichte Vorwölbung der Bandscheibe LWK 4/5, keine Enge des Spinalkanals lumbal, Verlagerung, Irritation der Wurzel S1 links im Spinalkanal, etwas Reduktion lichte Weite Neuroforamen LWK 5 SWK 1 rechts im Entwicklungsgebiet der Wurzel L 5 rechts, keine Instabilität lumbal) und des Neurochirurgen Dr. Sm. vom 04. September 2009 (Diagnose: Chronisches Lumbalsyndrom, insulin- und metforminpflichtiger Diabetes mellitus, Adipositas permagna) sowie Atteste der Praktischen Ärztin Dr. Kr. vom 23. September 2009 (Kläger sei seit Jahrzehnten wegen wiederkehrender akuter Suizidalität im Rahmen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung und chronischen Depression auf eine 24-stündige, halt- und strukturgebende psychiatrische Pflege angewiesen) und des Praktischen Arztes V. vom 08. Oktober 2009 (Diagnosen: Arterielle Hypertonie, Depression, insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ II mit Folgeerkrankungen, Drop-Attacks; der Kläger benötige zur sicheren Fortbewegung bei Fallneigung und Gangunsicherheit einen Rollator).
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie trug zunächst vor, ausweislich der Gutachten der Pflegefachkräfte F. und S. lägen die zeitlichen Voraussetzungen für die Zubilligung der Pflegestufe I nicht vor. Die darüber hinausgehenden Zeiten der Beaufsichtigung könnten im Bereich der Grundpflege nicht berücksichtigt werden. Gegen das von dem Sachverständigen Ma. erstattete Gutachten wandte die Beklagte ein, dass die von dem Sachverständigen Ma. getroffenen Zeitansätze teilweise zu hoch seien, von einer vollen Übernahme der Verrichtungen ausgingen und lediglich pauschal mit allgemeinen Definitionen des Krankheitsbildes, jedoch nicht mit dem konkreten Hilfebedarf des Klägers begründet würden, weshalb das Gutachten keine geeignete Grundlage sei, um Leistungen der Pflegestufe I zu begründen. Mit Blick auf die von dem Sachverständigen Ma. wegen der Antriebslosigkeit des Klägers angenommene volle Übernahme der Grundpflege sehe der MDK in seinem Gutachten vom 30. Januar 2009 (hierzu im Folgenden) eine krankheitsbedingte Antriebslosigkeit beim Kläger nicht als gegeben an. Auch in den Entlassberichten des Zentrums für Psychiatrie in E. vom 2007 und Dezember 2008 (hierzu im Folgenden) werde eine krankheitsbedingte Antriebslosigkeit nicht beschrieben. Diesen Feststellungen widerspreche auch nicht die Darstellung der Ehefrau des Klägers, die dargelegt habe, dass sie den Kläger in einem nicht befriedigenden Pflegezustand nach Hause abgeholt habe. Die Ehefrau weise insbesondere auf einen festgestellten Mundgeruch durch mangelhafte Pflege von Mund und Zähnen sowie auf einen Körpergeruch und einen unzureichenden Wäschewechsel hin. Dies widerspreche jedoch nicht den Zeitansätzen und dem Hilfebedarf in Form der Anleitung und Motivation, wie er auch vom MDK festgestellt worden sei. Auch auf der Grundlage der Stellungnahme von Dr. Sc. könne eine Antriebslosigkeit, die einen besonderen Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege verursache, nicht bestätigt werden. Außerdem nehme der Sachverständige Ma. neben einer täglichen Teilwäsche des Oberkörpers mit dem vollen Zeitansatz von acht Minuten daneben auch ein tägliches Baden mit einem in Frage zu stellenden Zeitansatz von 15 Minuten an. Der MDK habe dagegen neben einer täglichen Ganzkörperwäsche alternativ ein Duschen angenommen. Zur Unterstützung ihrer Auffassung legte die Beklagte die auf ihre Veranlassung erstatteten Gutachten der Pflegefachkraft Dr. H., MDK, vom 30. Januar 2009 und 03. November 2009 sowie der Pflegefachkraft L., MDK, vom 26. Mai 2009 vor. Dr. H. schätzte in ihrem ersten Gutachten den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 17 (richtig 18) Minuten (Körperpflege zwölf Minuten, Mobilität fünf (richtig sechs) Minuten). Sie führte aus, wenn beim Kläger eine krankheitsbedingte Antriebslosigkeit vorliegen würde, würde sich die Antriebslosigkeit dadurch äußern, dass der Kläger die grundpflegerische Verrichtung - hier die Ganzkörperwäsche - durchführen wolle, aber nicht durchführen könne. Dann müsse er zu dieser Verrichtung konsequent angeleitet werden, indem die Pflegeperson die Verrichtung in viele kleine Einzelschritte unterteile und den Versicherten anleite. Unter Berücksichtigung dessen sei der von Gutachter S., MDK, im Gutachten vom 18. Juli 2008 festgestellte tägliche Hilfebedarf in Form einer Anleitung für die Ganzkörperwäsche/das Duschen/das Baden von neun Minuten pro Tag nachvollziehbar. Dieser Hilfebedarf spiegele den konkreten zeitlichen Anleitungsbedarf des Klägers wider, der krankheitsbedingt die Körperpflege etwas vernachlässige. Im Bereich der Körperpflege sei nicht nachvollziehbar, dass der Sachverständige Ma. keinen Hilfebedarf bei der Mund- und Zahnpflege und bei der Rasur des Bartes festgestellt habe. Die Tatsache, dass der Kläger die Zahnpflege nicht durchführen wolle, begründe nicht, dass hier kein Hilfebedarf für die Anleitung zur regelmäßigen Zahnpflege bestehe. Der bestehende Hilfebedarf müsse erfasst und dokumentiert werden, auch wenn die Hilfe nicht geleistet werde. Dieser Hilfebedarf sei mit zwei Minuten pro Tag für die Zahnpflege und mit einer Minute pro Tag für die Rasur des Bartes zu berücksichtigen. Nicht nachvollziehbar sei auch der vom Sachverständigen Ma. dokumentierte zeitliche Hilfebedarf von vier Minuten für das Aufstehen und Zubettgehen sowie von zwölf Minuten für die volle Übernahme des An- und Auskleidens. Der bewusstseinsklare und voll orientierte Kläger, der motorisch in der Lage sei, selbstständig aus dem Bett aufzustehen, benötige die personelle Unterstützung beim Aufstehen und Zubettgehen im Sinne einer Tagesstrukturierung, hierfür sei ein Hilfebedarf von zwei Minuten pro Tag ausreichend. Für das An- und Auskleiden sei der Bedarf mit zwei Minuten pro Tag angemessen berücksichtigt. Der vom Sachverständigen Ma. angesetzte Ansatz von einer Minute pro Tag für das Auffordern ins Bad zu gehen, zähle zum Hilfebedarf bei der Ganzkörperwäsche/dem Duschen/dem Baden und müsse somit bei dieser Verrichtung berücksichtigt werden. Aus gutachtlicher Sicht sei auch der vom Sachverständigen Ma. angesetzte zeitliche Hilfebedarf für den Transfer in die Badewanne von sieben Minuten pro Tag nicht nachvollziehbar. Der insoweit anfallende Gesamthilfebedarf betrage zwei Minuten. Pflegefachkraft L., MDK, schätzte in seinem Gutachten vom 26. Mai 2009 den grundpflegerischen Gesamthilfebedarf unter gutachterlicher Würdigung der pflegerelevanten Vorgeschichte und Befunde auf 17 Minuten täglich (Körperpflege zwölf Minuten, Mobilität fünf Minuten). Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. H. ein weiteres Gutachten nach Aktenlage vom 03. November 2009. Aufgrund der aufgetretenen Drop-Attacks unter Berücksichtigung eines Hilfebedarfs pro Vorgang von maximal einer Minuten und sieben täglich auftretenden Stürzen schätzte sie einen zusätzlichen Hilfebedarf von sieben Minuten pro Tag, weshalb der grundpflegerische Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege (weiterhin) zwölf Minuten und im Bereich der Mobilität ebenfalls zwölf (richtig dreizehn) Minuten betrage.
Im Auftrag des SG erstattete Diplom-Pflegewirt (FH) Ma. das Gutachten vom 07. November 2008 aufgrund einer Untersuchung des Klägers im häuslichen Umfeld am 05. November 2008. Er schätzte den zeitlichen Aufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 53 Minuten täglich (Körperpflege 29 Minuten, Mobilität 24 Minuten). Die Antriebslosigkeit des Klägers sei symptomatisch für die bei ihm vorliegende Erkrankung rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode. Sie setze sich beim Kläger auch auf die Motivation zur Körperpflege fort. Bei der Untersuchung habe sich der Kläger als affektlabil, aggressiv und rigide dargestellt. Er sei schnell aggressiv geworden, aber auch schnell wieder auf einen vertretbaren Stimmungslevel zu bringen gewesen. Die Rigidität begründe sich in seinem starren Festhalten an der Meinung, nie mehr zu einem Zahnarzt zu gehen, seine Zähne zu putzen und sich selbstständig zu waschen. Der Diabetes mellitus habe Auswirkungen auf die Körperpflege. Wegen der trockenen Haut an den Füßen müssten dem Kläger nach dem Duschen die Füße eingecremt werden. Bei der Teilwäsche des Oberkörpers (sieben Mal pro Woche mit einem Zeitaufwand von acht Minuten täglich), der Hände/Gesicht (vier Mal täglich mit einem Zeitaufwand von vier Minuten täglich) sei ebenso wie beim Baden (ein Mal täglich mit einem Zeitaufwand von 15 Minuten täglich) und beim Eincremen der Füße (ein Mal täglich mit einem Zeitaufwand von zwei Minuten täglich) eine volle Übernahme erforderlich. Außerdem müsse das morgendliche Aufstehen, das Hinlegen zur Mittagsruhe, das anschließende Aufstehen und das Hinlegen zur Nachtruhe (jeweils eine Minute Zeitaufwand täglich) und das gesamte An- (Zeitaufwand von acht Minuten täglich) und Entkleiden (Zeitaufwand von vier Minuten täglich) ebenso wie die Aufforderung ins Bad zu gehen (sechs Mal täglich mit einem Zeitaufwand von einer Minute täglich) voll übernommen werden. Beim Ein- und Aussteigen aus der Badewanne benötige der Kläger wegen eines Bandscheibenvorfalls teilweise Unterstützung (sieben Mal pro Woche mit einem Zeitaufwand von sieben Minuten täglich). In der auf Veranlassung des SG abgegebenen ergänzenden Stellungnahme vom 11. Dezember 2008 gab der Sachverständige Ma. an, dass für das Ein-/Aussteigen in/aus der Badewanne insgesamt nur eine und nicht sieben Minuten täglich angenommen werden könne, weshalb der gesamte pflegerische Hilfebedarf 47 Minuten betrage. In der weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 04. Januar 2009 führte der Sachverständige aus, dass allgemein bekannt sei, dass Motivation und Anleitung zur Übernahme einer Verrichtung einen deutlich höheren Zeitaufwand bedeute als die bloße vollständige Übernahme, bei der es noch nicht einmal ein Widerstandsverhalten gebe. Es sei bei einem selbst vom MDK anerkannten Körpergewicht des Klägers von 120 kg und wegen der vegetativen Symptome, die bei Depressionen sehr körpernah erlebt würden, absolut nachvollziehbar, dass der Kläger einmal täglich geduscht werde und außerdem einmal am Tag noch den Oberkörper gewaschen bekomme. Mit einem Zeitwert von 15 Minuten für die Verrichtung Duschen habe er unter Berücksichtigung eines Körpergewichts des Klägers und einer Körpergröße von 191 cm, zumal gerade bei adipösen Menschen besonders auf die Pflege der Hautfalten zu achten sei, den unteren Korridorwert berücksichtigt.
Das SG zog die Entlassungsberichte des Zentrums für Psychiatrie E. über die stationären Aufenthalte des Klägers in der Zeit vom 14. bis 24. November 2007 und 25. bis 29. Dezember 2008 (Zustand nach Suizidversuch mit Überdosis Insulin, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode, insulinpflichtiger Diabetes mellitus, Hypertonie) bei und hörte Dr. J. und Dr. Sc. als sachverständige Zeugen. Dr. J. (Auskunft vom 04. März 2009) gab an, dass ihn der Kläger letztmals am 29. November 2007 aufgesucht und dabei erklärt habe, dass es ihm nach dem stationären Aufenthalt im Zentrum für Psychiatrie im November 2007 wieder „ganz gut“ gehe. Im Februar und Mai 2008 sei er in telefonischem Kontakt mit der Ehefrau des Klägers gestanden, und außerdem habe er am 28. Februar 2009 ein - beigefügtes - Schreiben des Klägers oder seiner Ehefrau erhalten. Dr. Sc. führte unter dem 20. Mai 2009 aus, dass anlässlich der stationären Aufenthalte des Klägers im Zentrum für Psychiatrie im November 2007 und Dezember 2008 die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung gestellt worden sei. Während des Aufenthalts seien keine Bewegungsstörungen aufgefallen, das Krankheitsbild sei geprägt von sozialen Ängsten und Unsicherheit sowie depressivem Erleben. Motorisch und vom Antrieb her sei der Kläger in der Lage gewesen, Essen zu sich zu nehmen, alleine ins Bett zu gehen, sich zu kleiden und die Toilette aufzusuchen. Inwieweit sich das Krankheitsbild des Klägers außerhalb der stationären Behandlung derart verschlechtere, dass er hierzu aufgrund einer schweren Antriebsstörung nicht mehr im Stande wäre, könne aufgrund der Unterlagen nicht beurteilt werden.
Mit Urteil vom 30. November 2009 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Zuordnung zur Pflegestufe I und Gewährung der entsprechenden Leistungen in Form von Pflegegeld. Zwar bestehe ein hinreichender Bedarf von 45 Minuten täglich im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung, jedoch erreiche das Maß der Hilfebedürftigkeit im Bereich der Grundpflege nicht mehr als 45 Minuten pro Tag. Die für diese Verrichtungen angesetzten Zeitwerte durch den Sachverständigen Ma. seien zu hoch, da die beim Kläger vorliegende Antriebsminderung nicht so erheblich sei, dass eine vollständige Übernahme der Verrichtungen im Bereich der Körperpflege oder des An- und Ausziehens erforderlich sei. Für die Annahme der Notwendigkeit einer vollständigen Übernahme dieser Tätigkeiten spreche zwar die plastische Schilderung des Sachverständigen wie die Körperpflege des Klägers am Tage der Begutachtung stattgefunden habe. Nach Ansicht der Kammer sei der Kläger jedoch trotzdem noch, auch psychisch, in der Lage, bei zumutbarer Willensanstrengung diese Verrichtungen selbst (zumindest teilweise) durchzuführen. Die Kammer komme zu diesem Schluss aufgrund des persönlichen Eindrucks, den sie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung, bei der der Antrieb des Klägers nicht erheblich gemindert gewirkt habe, gewonnen habe und der vorliegenden sachverständigen Zeugenaussagen. Der geringere Hilfebedarf ergebe sich auch daraus, dass nach den Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) bei den Verrichtungen der Grundpflege, bei denen der Kläger hilfebedürftig sei, geringere Zeitwerte anzusetzen seien als von dem Sachverständigen angenommen. Auch die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten stützten diese Ansicht. Hinreichend berücksichtigt sei hierbei sowohl das vom Sachverständigen Ma. angenommene Erfordernis, dass der Kläger neben einer Ganzkörperwäsche noch eine Teilwäsche des Oberkörpers am Nachmittag benötige, dem die Kammer folge. Die seit 2008 auftretenden Drop-Attacks seien zum Zeitpunkt der Begutachtung bereits bekannt gewesen. Für die Kammer sei nicht ersichtlich, welcher konkrete und medizinisch notwendige, bisher jedoch noch nicht berücksichtigte Hilfebedarf aus den Drop-Attacks folge. Hier sei auch auf den Einwand der Beklagten zu verweisen, dass Stürze aufgrund des plötzlichen Auftretens ohne Vorankündigung auch nicht durch ständige Begleitung vermieden werden könnten. Insofern könne auch die Begleitung bei Toilettengängen nicht berücksichtigt werden. Hierbei handele es sich um Pflege, die durch die engagierte Ehefrau des Klägers über das medizinisch Notwendige hinaus geleistet werde. Die Kammer verkenne auch nicht die weiteren Einwände des Klägers bezüglich des Richtens von Medikamenten und der Versorgung des Haushalts. Hierbei handele es sich jedoch um Verrichtungen der hauswirtschaftlichen Versorgung bzw. der Behandlungspflege, die nicht zu den Verrichtungen der Grundpflege gehörten.
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Mit Bescheid vom 09. Dezember 2009, der eine Rechtmittelbelehrung enthielt, wonach er mit dem Widerspruch anzufechten sei, lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des SG vom 30. November 2009 den vom Kläger am 24. November 2009 gestellten Antrag auf Pflegestufe II ab und hob mit weiterem Bescheid vom 09. Dezember 2009 die mit Bescheid vom 12. Februar 2009 vorläufige Zubilligung der Pflegestufe I für die Zeit vom 01. November 2008 mit Ablauf Dezember 2009 wieder auf.
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Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 18. Januar 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Januar 2010 Berufung eingelegt. Die vom Sachverständigen Ma. angesetzten Zeiten seien richtig ermittelt. Sie seien plausibel und logisch und könnten nicht durch Beobachtungen der Kammer aufgrund eines kurzen nicht vollständigen Einblicks ersetzt werden. Der Sachverständige Ma., der ihn in seiner tagtäglichen Situation beobachtet habe, sei letztlich der einzige, der tatsächlich beurteilen könne, dass bei ihm der Hilfebedarf nach Pflegestufe I gegeben sei. Es handele sich bei ihm nicht nur um eine chronische Depression, sondern um eine therapieresistente chronische Depression und die Drop-Attacks würden darüber hinaus zwischenzeitlich nicht nur zeitweilig, sondern regelmäßig auftreten. Obwohl die Kammer anders als der Sachverständige Ma. selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfüge, um beurteilen zu können, ob er, der Kläger, ausreichend motiviert werden könne, die Grundpflege teilweise oder insgesamt selbst auszuführen, komme sie zu einem von einem Sachverständigen festgestellten abweichenden Ergebnis. Soweit das SG der Ansicht sei, der Sachverständige habe die erforderlichen Minuten für die Grundpflege zu hoch angesetzt, sei eine solche Einschätzung durch die Kammer gar nicht möglich, da sie selbst nie zugegen gewesen sei, wenn die Pflege vorgenommen worden sei. Selbst wenn man davon ausgehen wolle, die Kammer würde über die entsprechende Sachkunde verfügen, so sei allein der Eindruck der Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht geeignet, um abschließend seine Situation zu bewerten. Er habe vor der Verhandlung mehr als die doppelte Menge an Beruhigungsmitteln erhalten als ärztlicherseits verordnet. Als Nebenwirkung trete bei diesem Medikament dann eine sogenannte „Aufgedrehtheit“ auf. Tatsächlich sei seine Situation bei normaler Medikamentation gänzlich anders. Daran änderten auch die Stellungnahmen der sachverständigen Zeugen nichts. Diese hätten selbst mitgeteilt, dass der Antrieb zwar ungestört „wirkte“, jedoch eine abschließende Beurteilung gerade nicht möglich sei, weil man ihn, den Kläger, gerade nicht in seiner häuslichen Umgebung erlebt habe. Hinzu komme, dass er in einem verwahrlosten Zustand aus der Klinik gekommen sei. Ergänzend hat der Kläger vorgetragen, dass sich sein Gesundheitszustand mittlerweile weiter verschlechtert habe. Es hätten nunmehr alle seine Zähne gezogen werden müssen. Aufgrund der aktuellen Situation schaffe er häufig den Gang zur Toilette nicht mehr rechtzeitig, sodass ein erhöhter Aufwand bei der Reinigung notwendig sei. Von der Krankenkasse erhalte er nunmehr einen Rollstuhl, den er außerhalb der Wohnung nutzen könne. Dieser müsse von seiner Frau gefahren werden. Aufgrund der benötigten Medikamente sei er nicht in der Lage, einen Elektrorollstuhl sicher im öffentlichen Verkehr zu führen. In der rechten Schulter habe er außerdem einen großen Knochensporn, weshalb er am 19. Mai 2011 operiert werden müsse. In der linken Schulter habe er das gleiche Problem. Außerdem habe er beidseits eine starke Hüftarthrose, die ebenfalls dafür sorge, dass er ständig stürze und kaum ein paar Meter laufen könne. Er hat ein Pflegetagebuch mit der Beschreibung eines typischen Tages beigefügt.
12 
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Eine krankheitsbedingte Antriebslosigkeit des Klägers habe aufgrund der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen nicht festgestellt werden können. Dies ergebe sich schwerpunktmäßig vielmehr nur aus den subjektiven Schilderungen des Klägers und seiner Ehefrau, die allerdings angesichts der angespannten finanziellen Verhältnisse auch von dem Begehren getragen zu sein schienen, durch entsprechende Einlassungen Leistungen zumindest der Pflegestufe I zugebilligt zu erhalten. Die Bewertung des Sachverständigen Ma. sei im Wesentlichen davon geprägt, dass er die subjektiven Angaben des Klägers und seiner Ehefrau unkritisch seinem Gutachten zugrunde lege und im Übrigen in abstrakter Weise aus dem Vorliegen eines (angeblich) gesicherten Krankheitsbildes einer krankheitsbedingten geminderten Antriebslosigkeit einen Rückschluss auf einen erhöhten Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege ziehe. Diese Bewertung des Hilfebedarfs sei dabei jedoch nicht in ausreichender Weise durch eigene konkrete Feststellungen gedeckt, sondern in abstrakter Weise von dem Begriff der Antriebslosigkeit hergeleitet. Das persönliche Auftreten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem SG habe sehr deutlich gezeigt, dass dieser durchaus in der Lage sei, seine Lebenssituation zu beschreiben, folgerichtig zu handeln und selbst in großem Umfang initiativ zu werden. Auch von einer Notwendigkeit einer ständigen Begleitung des Klägers wegen drohender Drop-Attacks sei während der mündlichen Verhandlung vor dem SG nichts zu erkennen gewesen. Die Feststellungen des MDK in seinem Gutachten vom 26. Mai 2009 unter Auswertung der vorliegenden Krankenhausberichte bestätigten ausdrücklich, dass eine krankheitsbedingte Antriebsminderung gerade nicht festzustellen sei. Die Darstellung der Klägerseite, ein entsprechendes Verhalten sei ausschließlich auf die erhöhte Medikation am Verhandlungstag zurückzuführen, erscheine deshalb wenig überzeugend. Im Übrigen weise der MDK in seinem Gutachten vom 26. Mai 2009 auch zutreffend darauf hin, dass bei einer Depression immer die individuellen Symptome der Erkrankung sowie das Ausmaß daraus resultierender Funktionsstörungen zu berücksichtigen sei. Genau von diesen Anforderungen weiche der Sachverständige Ma. in seinem Gutachten ab. Es sei dem Kläger einzuräumen, dass zwischenzeitlich wohl eine Zunahme der Schulterbeschwerden eingetreten sei. Aufgrund der weiter eingeschränkten Schulterbeweglichkeit sei davon auszugehen, dass sich hierdurch auch die Notwendigkeit der erforderlichen Hilfe im Bereich der Grundpflege verändert habe und von einem erhöhten Hilfebedarf auszugehen sei. Nachdem über die Bewertung des erforderlichen Hilfebedarfs seitens des MDK jedoch keine Einigkeit habe erzielt werden können, halte sie zum jetzigen Zeitpunkt ein weiteres Gutachten mit Hausbesuch seitens des MDK nicht für zielführend.
13 
Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat der Kläger am 13. Januar 2011 erneut einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung gestellt. Die Beklagte hat daraufhin Pflegefachkraft F. vom MDK mit der Erstattung eines weiteren Gutachtens beauftragt. Pflegefachkraft F. hat den Kläger am 10. Februar 2011 untersucht und am 14. Februar 2011 ihr Gutachten erstattet. Sie hat den Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege mit täglich 16 Minuten angegeben (Körperpflege neun Minuten, Mobilität sieben Minuten). Der Kläger sei liegend auf dem Sofa angetroffen worden, er habe sich unaufgefordert, selbstständig von der liegenden Position in die sitzende Position gebracht. Das Aufstehen von dem sehr niedrigen Sofa sei ihm sehr mühsam gelungen. Er habe sich dabei am Rollator festhalten müssen. Mit dem Rollator könne der Kläger selbstständig gehen. Sein Gangbild sei zum Begutachtungszeitpunkt sicher gewesen. Er könne auch frei stehen. Er habe angegeben, dass ihm mit Hilfe des Bettbügels das Aufstehen/Zubettgehen selbstständig gelinge. Beim Transfer in die Badewanne sei Hilfestellung erforderlich. Die Beine müssten in die Badewanne hinein und wieder herausgehoben werden. Während des Hausbesuchs habe der Kläger spontan (unaufgefordert) den rechten Socken ausgezogen und seine Knöchelgelenke gezeigt. Allen Anforderungen der Gutachterin sei der Kläger spontan nachgekommen. Vor einiger Zeit sei es nach dem Bericht des Klägers zu zweimaligem Einnässen gekommen, weshalb er jetzt öfter zur Toilette gehe. Die Toilettengänge bewältige er einschließlich der Intimhygiene und dem Richten der Bekleidung selbstständig. Die vollständige Übernahme der Körperpflege durch die Ehefrau des Klägers sei aus gutachtlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe keinerlei Bewegungseinschränkungen. Da er die Körperpflege vernachlässige, müsse er dazu aufgefordert werden. Nachvollziehbar sei nur, dass Rücken- und Füßewaschen von der Pflegeperson übernommen würden. Des Weiteren müsse er zur Zahnhygiene, zum Kämmen der Haare und zur Rasur aufgefordert werden. Unterstützung benötige er des Weiteren beim An- und Auskleiden im Bereich des Unterkörpers, dem Sockenanziehen und in die Hose einsteigen. Den Oberkörper könne er komplett selbstständig an- und auskleiden. Frische Kleidung müsse ihm gerichtet werden. Gestützt auf dieses Gutachten hat die Beklagte mit Bescheid vom 18. Februar 2011 den erneuten Antrag des Klägers auf Leistungen aus der Pflegeversicherung abgelehnt. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass die Entscheidung unmittelbar Gegenstand des Berufungsverfahrens werde.
14 
Der Senat hat die den Kläger betreffenden Akten des Landratsamts Ortenaukreis zur Einsicht beigezogen und hieraus Kopien gefertigt. Auf Bl. 28 bis 37 der LSG-Akte wird insoweit verwiesen.
15 
Sodann hat der Senat Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Ka. und Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. Da., Ortenauklinikum W. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. Ka. hat (Eingang beim Landessozialgericht am 24. August 2011) mitgeteilt, dass der Kläger an chronischen Depressionen leide, seine Beschwerden seien mit Medikamenten kaum beeinflussbar. Er traue sich nicht, die Wohnung zu verlassen. Die Mobilität habe sich auch verschlechtert, er stürze sehr oft. Sie hat ihre Unterlagen die Zeit vom 17. Juni 2002 bis 15. August 2011 betreffend beigefügt. Dr. Da. hat unter dem 13. September 2011 mitgeteilt, dass er den Kläger wegen eines Analekzems im Jahr 2008, nach Stürzen im August 2009 und Februar 2011 und im Mai 2011 wegen Schmerzen im Bereich der rechten Schulter bei subacromialem Impingement behandelt habe. Im Bereich der Schulter bestehe klinisch keine Bewegungseinschränkung, jedoch ein Impingementzeichen und Schmerzen bei der Hyperadduktion. Vereinbarte Operationstermine habe der Kläger verschoben und sich mittlerweile nicht mehr gemeldet.
16 
Schließlich hat der Senat von Amts wegen das Gutachten der Pflegeberaterin Dr. vom 24. Januar 2012 eingeholt. Sie hat den täglichen Zeitbedarf für Verrichtungen der Grundpflege auf insgesamt 37 Minuten (Körperpflege 25 Minuten, Mobilität zwölf Minuten) geschätzt. Der Antrieb des Klägers habe ungestört gewirkt. Er sei freundlich und kooperativ gewesen und habe bereitwillig Auskunft erteilt. Beim Waschen benötige der Kläger aufgrund seiner Adipositas, der eingeschränkten Beweglichkeit und des Diabetes sowie seines psychischen Zustands die vollständige Übernahme bezüglich des Ober- und Unterkörpers, des Rückens und der Beine. Geduscht werde dreimal täglich. Berücksichtigungsfähig seien pro Duschvorgang zehn Minuten täglich, allerdings könne nur die zweimal tägliche Durchführung berücksichtigt werden. Zusätzlich zu berücksichtigen sei die Teilwäsche von Hand und Gesicht von einer Minute täglich. Zwar führe der Kläger dies nicht durch, dies sei aber ein Sollhilfebedarf. Bezüglich der Zahnpflege und des Rasierens sei ein Hilfebedarf von jeweils zwei Minuten täglich erforderlich. Kämmen sei nicht berücksichtigungsfähig, da der Kläger einen extremen Kurzhaarschnitt habe. Bei der Darm- und Blasenentleerung habe der Kläger keine Probleme. Beim Aufstehen/Zubettgehen benötige der Kläger teilweise die Hilfe seiner Ehefrau. Hierfür seien im täglichen Schnitt zwei Minuten berücksichtigungsfähig. Für Ankleiden könnten ebenfalls zwei Minuten täglich, für das Entkleiden eine Minute täglich berücksichtigt werden. Ein Zeitaufwand für das Gehen müsse berücksichtigt werden, da sich der Kläger in der Wohnung seit März 2011 nur noch mit Hilfe des Rollstuhls bewege. Mit dem Rollstuhl fahre er nicht alleine, seine Ehefrau müsse ihn schieben. Als täglicher Gesamtaufwand seien insoweit fünf Minuten anrechenbar. Erforderlich sei im Zusammenhang mit dem Duschen auch zweimal täglich eine Hilfe beim Transfer vom Rollstuhl auf den Badelifter, hierfür sei ein Hilfebedarf von zwei Minuten täglich anzusetzen. Die Ehefrau des Klägers übernehme vollständig die pflegerischen Verrichtungen. Sie fordere den Kläger nicht auf, bestimmte Teile der Körperhygiene zu übernehmen. Abweichungen zu dem bereits vorliegenden Gutachten ergäben sich aus der Tatsache, dass sich der Kläger seit März 2011 nur noch mit Hilfe des Rollstuhls in der Wohnung fortbewegen lasse. Der erforderliche Zeitbedarf zum An- und Auskleiden sei aufgrund der vereinfachten Bekleidungsweise (Hose mit Gummizug) jedoch geringer als der festgestellte Zeitbedarf durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Ma. vom 07. November 2008. Die Beurteilung des damaligen Zeitbedarfs für diese Verrichtungen bei voller Übernahme ohne Abwehrverhalten und unter Berücksichtigung körperlicher Ressourcen für An- und Auskleiden erscheine ihr allerdings zu hoch. Die Zeitwerte für die Körperpflege seien alleine mit den körperlichen Einschränkungen (Adipositas, eingeschränkte Beweglichkeit, Diabetes) begründbar. Bei den sozialmedizinischen Gutachten werde nach ihrer Ansicht der pflegerische Hilfebedarf für die krankheitsbedingte Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege zu gering bewertet.
17 
Der Kläger hat dagegen vorgetragen, dass er das Gutachten der Sachverständigen Dr. keineswegs akzeptieren könne. Die Behauptung, dass sein Antrieb ungestört gewirkt habe, sei unwahr und eine Frechheit. Auch seien die pflegerischen Hilfeleistungen viel zu kurz berechnet worden.
18 
Der Kläger beantragt nunmehr (sachgerecht gefasst),
19 
den Bescheid vom 18. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. März 2008 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu gewähren.
20 
Die Beklagte beantragt (sachgerecht gefasst),
21 
die Klage abzuweisen.
22 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
23 
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten in beiden Instanzenzügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Denn der Kläger begehrt wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
25 
Streitgegenstand ist vorliegend allein der Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2011. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte - wie schon zuvor durch den Bescheid vom 30. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2008 und den Bescheid vom 09. Dezember 2009 - erneut den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld abgelehnt. Infolgedessen hat sie mit dem Bescheid vom 18. Februar 2011 eine neue sachliche Entscheidung im Sinne eines sogenannten Zweitbescheides erteilt, der den Klageweg (neu) eröffnet hat (BSG, Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 8/98 R - SozR 3-8100 Art 19 Nr. 5; Urteil vom 12. Dezember 1991 - 7 RAr 26/90 - SozR 3-4100 § 94 Nr. 1). Die schon früher ergangenen Bescheide der Beklagten vom 30. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2008 und der - mittlerweile - bestandskräftige Bescheid vom 09. Dezember 2009 sind nicht Gegenstand des hier geführten Rechtsstreits. Zwar hatten diese Bescheide ebenfalls den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld abgelehnt. Jedoch sind diese früheren Bescheide nicht mehr wirksam, weil sie auf andere Weise erledigt sind (§ 39 Abs. 2 SGB X). Die Steuerungsfunktion des Verwaltungsakts geht nämlich auch verloren, wenn die an einem Verwaltungsakt Beteiligten - sei es als Behörde, als Adressat oder als unmittelbar oder nur mittelbar Betroffener - übereinstimmend dem ursprünglichen Verwaltungsakt keinerlei tatsächliche oder rechtliche Bedeutung mehr beimessen. Das setzt keinen Verzichtswillen voraus, sondern nur „konsensuales“ Verhalten. Ähnlich dem Verlust der Wirksamkeit durch Zeitablauf, stellen sich die Beteiligten bewusst auf eine neue, veränderte Sachlage ein, die sie ihrem weiteren Verhalten nunmehr zugrunde legen. Sie verändern übereinstimmend gleichsam die „Geschäftsgrundlage“ (Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, Urteil vom 27. März 1998 -4 C 11/97 - NVwZ 1998, 729). So liegt der Fall hier. Kläger und Beklagte gehen erkennbar davon aus, dass die Frage, ob dem Kläger ab 01. März 2008 Pflegegeld zusteht, sich anhand des Bescheids vom 18. Februar 2011 abschließend neu beurteilt. Die Beklagte hat dies zu erkennen gegeben, indem sie im Bescheid vom 18. Februar 2011 ausführte, dass „weiterhin keine Zubilligung von Leistungen der Pflegestufe I möglich“ sei und der Bescheid unmittelbar Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens werde. Dies kann nur so verstanden werden, dass der Bescheid vom 18. Februar 2011 die Entscheidung über die Gewährung von Pflegegeld nochmals gänzlich neu treffen soll. Dem Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, dass er auch den Bescheid vom 18. Februar 2011 für fehlerhaft hält und dass er nunmehr diesen Bescheid angreift (anderer Ansicht: Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 1 P 3/10; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. März 2011 -L 2 P 52/09-, wonach nachfolgende Ablehnungsbescheide den vorherigen Ablehnungsbescheid nicht ersetzen und ihn auch nicht abändern; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 07. Mai 2008 - L 2 P 24/07 und vom 12. Oktober 2011 - L 2 P 70/11; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. März 2011, -L 4 P 8/07-; wonach alle Bescheide Gegenstand des Verfahrens sind; jeweils in juris). Über den Bescheid vom 18. Februar 2011 entscheidet der Senat auf Klage.
26 
Die Klage ist nicht begründet. In der Sache steht dem Kläger ab 01. März 2008 Pflegegeld nach der Pflegestufe I nicht zu.
27 
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven („abstrakten“) Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI stellt allein auf den „Bedarf“ an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, veröffentlicht in juris).
28 
Der mithin für einen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I vorausgesetzte Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mindestens 46 Minuten täglich ist für den Kläger seit 01. März 2008 zu keinem Zeitpunkt regelmäßig erreicht worden. Bei dem Kläger bestehen eine chronische Depression und der Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, die zu einer Antriebsminderung und insbesondere auch einer Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege führen, sowie ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie, eine Polyneuropathie und ein chronisches Lumbalsyndrom. Außerdem leidet er unter Drop-Attacks und unter Schmerzen im Bereich der Schultern bei subacromialem Impingement, die jedoch zu keiner Bewegungseinschränkung führen. Des weiteren bestehen chronische Schmerzen in der Hüfte. Darüber hinaus ist der Kläger übergewichtig.
29 
Trotz dieser Erkrankungen kann der Kläger beide Arme nach oben anheben und im Sitzen die Beine nach vorne hoch strecken. Bis zumindest Februar 2011 konnte er frei stehen und mit dem ihm im August 2009 verordneten Rollator selbständig gehen. Seit März 2011 benutzt er einen Rollstuhl. Mit Hilfe seiner Ehefrau (Griff unter den linken Oberarm und Hochziehen) ist er in der Lage, aus dem Rollstuhl aufzustehen und anschließend mit Festhalten wenige Schritte zu gehen und sich wieder hinzusetzen. Am Waschbecken kann er mit Abstützen der rechten Hand am Waschbecken vom Stuhl selbständig zum Stehen kommen. Er setzt sich auch mit Abstützen selbständig auf die Toilette und steht anschließend wieder alleine auf. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. und den Gutachten der Pflegefachkräfte F. vom 24. April 2008 und 14. Februar 2011, S. vom 18. Juli 2008, Dr. H. vom 30. Januar 2009 und 03. November 2009 sowie L. vom 26. Mai 2009. Bezüglich der Funktionseinschränkungen stehen diese Gutachten auch im Einklang mit dem von Pflegewirt Ma. erstatteten Gutachten vom 07. November 2008. Das im Klageverfahren vorgelegte Attest des Praktischen Arztes V. vom 08. Oktober 2009 bestätigt die Gangunsicherheit und Fallneigung des Klägers, weshalb er zur sicheren Fortbewegung einen Rollator benötige. Ebenso verhält es sich im Hinblick auf die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. Ka., die am 24. August 2011 beim Landessozialgericht einging und auch aus der sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. Da. vom 13. September 2011 gehen Behandlungen nach Stürzen und Beschwerden im Bereich der rechten Schulter ohne Bewegungseinschränkung hervor. Durch die Antriebsstörung und die Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege bedarf der Kläger darüber hinaus der Aufforderung die Körperpflege vorzunehmen, teilweise muss die Körperpflege auch von der Pflegekraft vorgenommen werden. Dies steht zur Überzeugung des Senats ebenfalls insbesondere aufgrund des Gutachtens der Sachverständigen Dr. fest. Hiervon gingen auch, wenn auch in geringerem Umfang, die Gutachter des MDK jeweils aus. Soweit der Sachverständige Ma. in seinem Gutachten vom 07. November 2008 im Gegensatz dazu eine so starke Antriebslosigkeit des Klägers sah, dass bei ihm eine vollständige Übernahme eines großen Teils der Grundpflege erforderlich sei, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Dies steht im Widerspruch damit, dass der Kläger anlässlich der stationären Aufenthalte im Zentrum für Psychiatrie im November 2007 und Dezember 2008 vom Antrieb her in der Lage war, sich zu kleiden, das Essen zu sich zu nehmen und alleine ins Bett zu gehen. Zwar hat Dr. Sc. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 20. Mai 2009 insoweit angeführt, dass er aufgrund der Unterlagen nicht beurteilen könne, ob sich das Krankheitsbild des Klägers außerhalb der stationären Behandlung derart verschlechtere, dass er hierzu aufgrund einer schweren Antriebsstörung nicht mehr im Stande wäre. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass der Kläger nach den Ausführungen des SG im Urteil vom 30. November 2009 anlässlich der mündlichen Verhandlung nicht antriebsgemindert war und bei den im Laufe des Verfahrens durchgeführten Begutachtungen jeweils selbst Kontakt mit den Gutachtern und Sachverständigen aufnahm, in der Lage war, den Aufforderungen nachzukommen und selbst zu demonstrieren, über welche Fähigkeiten er noch verfügt und wie die jeweiligen Tätigkeiten von ihm verrichtet werden. Auch bei der letzten Untersuchung durch Pflegeberaterin Dr. am 16. Dezember 2011 wirkte der Antrieb des Klägers nach den Ausführungen der Sachverständigen ungestört, er war freundlich und kooperativ und erteilte der Sachverständigen bereitwillig Auskunft, weshalb eine Antriebslosigkeit in dem vom Sachverständigen Ma. angenommenen Umfang nach Überzeugung des Senats nicht feststeht.
30 
Dass unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen des Klägers ein erforderlicher Zeitaufwand für die im Gesetz abschließend genannten Verrichtungen der Grundpflege von mindestens 46 Minuten täglich nicht besteht, ergibt sich vorrangig aus dem Gutachten der Pflegeberaterin Dr. (37 Minuten) aber auch aus den Gutachten der Pflegefachkräfte F. (13 Minuten bzw. 16 Minuten), S. (16 Minuten) Dr. H. (18 Minuten bzw. 25 Minuten) und L. (17 Minuten). Die Schätzung des Zeitbedarfs für die Hilfe bei den einzelnen Verrichtungen insbesondere durch die Pflegeberaterin Dr. sind aufgrund der zuvor genannten erhobenen Befunde und der sich hieraus ergebenden Einschränkungen insbesondere auch unter Berücksichtigung der Vernachlässigungstendenz des Klägers bezüglich der Körperpflege und Verschlechterung des Gangvermögens plausibel und keineswegs grob fehlerhaft, so dass sie der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt. Die Schätzungen der Zeitbedarfe durch die Gutachter des MDK sind in Anbetracht dessen, dass die Antriebsstörung und die krankheitsbedingte Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege in geringerem Umfang berücksichtigt wurden, wohl zu niedrig. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, denn auch wenn insoweit ein höherer Zeitbedarf angenommen wird, ergibt sich mit Blick auf die geschätzten zeitlichen Werte der Gutachter keinesfalls ein Zeitaufwand für die Grundpflege von mindestens 46 Minuten. Die vom Kläger gegen das Gutachten der Sachverständigen Dr. erhobenen Einwände greifen nicht durch. Soweit der Kläger vorträgt, dass die Behauptung, dass sein Antrieb ungestört gewirkt habe, der Unwahrheit entspreche, ist insoweit zu berücksichtigen, dass es um den subjektiven Eindruck handelt, den die Sachverständige vom Kläger hatte. Dieser Eindruck der Sachverständigen wird durch die weiteren Ausführungen im Gutachten, wonach eine Kommunikation mit dem Kläger problemlos möglich gewesen sei, bestätigt. Soweit der Kläger hinsichtlich des Punktes der Kommunikation vorbringt, dass diese nicht problemlos möglich gewesen sei, weil er die letzten Arztbesuche usw. nicht mit genauem Datum habe benennen können, hat dies nicht zur Folge, dass deshalb die Kommunikation nicht problemlos möglich wäre. Erinnerungslücken, zumal wenn es sich um Angabe von Daten handelt, wirken sich auf die Möglichkeit der Kommunikation grundsätzlich nicht aus. Im Übrigen hat die Sachverständige Dr. die beim Kläger notwendigen Hilfebedarfe sogar höher angesetzt als die Gutachter des MDK. Angesichts der beim Kläger noch vorhandenen Ressourcen sind sie für den Senat auch nachvollziehbar und allein durch den Vortrag des Klägers, dass sie „viel zu kurz berechnet“ seien, nicht widerlegt.
31 
Ein höherer Hilfebedarf lässt sich auch nicht auf das Gutachten des Sachverständigen Ma. stützen. Zwar hat dieser in seinem Gutachten vom 07. November 2008 mit den ergänzenden Stellungnahmen vom 11. Dezember 2008 und 04. Januar 2009 angegeben, dass der gesamte pflegerische Hilfebedarf 47 Minuten betrage. Der Senat vermag die vom Sachverständigen Ma. angesetzten Werte jedoch nicht nachzuvollziehen. Insbesondere der von ihm angenommene Wert von zwölf Minuten für das An- und Auskleiden, erscheint zu hoch, nachdem der Kläger hierbei zumindest mithelfen kann. Der von der Sachverständigen Dr. genannte Wert von drei Minuten erscheint insoweit auf jeden Fall ausreichend. Auch ist mit Blick auf ein tägliches Bad (Zeitbedarf 15 Minuten täglich) die zusätzliche tägliche Teilwäsche des Oberkörpers mit einem weiteren Zeitaufwand von 8 Minuten täglich nicht nachvollziehbar. Der von der Sachverständigen Dr. für zweimal tägliches Duschen angegebene Wert von jeweils zehn Minuten ist insoweit angemessen. Dies hat zur Folge, dass der tägliche Hilfebedarf auch nach dem vom Sachverständigen Ma. erstatteten Gutachten unter Zugrundelegung der nach Überzeugung des Senats in Abzug zu bringenden Hilfebedarfe von jedenfalls zwölf Minuten unter 46 Minuten täglich liegt und mit einem Wert von 35 Minuten nahezu dem von der Sachverständigen Dr. angegebenen Wert von 37 Minuten entspricht.
32 
Aufgrund der Gangunsicherheit des Klägers, der Schmerzen im Bereich der Schultern und der Wirbelsäule, der Adipositas und der Tendenz des Klägers zur Vernachlässigung der körperlichen Hygiene ist es nachvollziehbar, dass im Bereich der Körperpflege ein Hilfebedarf beim Duschen, bei der Zahn- und Gebisspflege und beim Rasieren besteht. Außerdem bedarf der Kläger mit Blick auf die Mobilität der teilweisen Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen sowie beim An- und Entkleiden und bei den Transfers zur Toilette sowie in die Dusche. Hierfür sind die von der Sachverständigen Dr. geschätzten Zeiten von 20 Minuten täglich für das Duschen unter Zugrundelegung eines zweimaligen Duschens täglich, was auch unter Berücksichtigung der Adipositas des Klägers und vermehrten Schwitzens aufgrund der psychischen Erkrankung, auf jeden Fall ausreichend ist, mit Blick auf das Zähneputzen von zwei Minuten und des Rasierens von ebenfalls zwei Minuten sowie eines Sollhilfebedarfs von einer Minute täglich für Hände- und Gesichtwaschen, zumal der Kläger teilweise mithilft und teilweise nur der Anleitung und Überwachung bedarf, schlüssig.
33 
Ebenso verhält es sich auch bezüglich der Mobilität. Auch insoweit sind, zumal keine vollständige Übernahme dieser Verrichtungen erforderlich ist, die von der Sachverständigen Dr. geschätzten Zeiten von zwei Minuten für Aufstehen/Zubettgehen, drei Minuten für An- und Auskleiden, fünf Minuten für Gehen und zwei Minuten für Transfers unter Berücksichtigung der in den Begutachtungsrichtlinien genannten Zeitkorridore für die einfache Hilfe zum Aufstehen/Zubettgehen von ein bis zwei Minuten und die volle Übernahme des Ankleidens von acht bis zehn Minuten und Entkleidens von vier bis sechs Minuten ebenfalls schlüssig.
34 
Ein Hilfebedarf beim Toilettengang und beim anschließenden Richten der Kleidung ist nachvollziehbar nicht berücksichtigt worden. Denn aufgrund der erhobenen Befunde ist der Kläger in der Lage, sich auch mit Blick auf die Toilette selbständig auf- und abzusetzen, die Intimhygiene durchzuführen und anschließend auch die Kleidung wieder zu richten. Anlässlich der Begutachtung durch die Sachverständige Dr. gab der Kläger auch selbst an, er würde die Toilettengänge selbständig durchführen. Er hat dies auch entsprechend demonstriert.
35 
Zutreffend sind die Sachverständigen und Gutachter auch davon ausgegangen, dass ein Zeitbedarf für die Verrichtungen des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung nicht zu berücksichtigen ist. Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationären Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist unter anderem nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist. Dies ist hier nicht der Fall.
36 
Da der Kläger selbständig essen kann, ist ein Zeitbedarf für die Ernährung nicht zu berücksichtigen.
37 
Berücksichtigungsfähig sind im Übrigen nur die bei den Katalogverrichtungen anfallenden notwendigen Hilfeleistungen. Soweit der Kläger geltend macht, dass er generell Beaufsichtigungsbedarf habe und nicht alleine sein könne, ist dies nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2001 in - B 3 P 7/00 R - SozR 3-3300 § 43 a Nr. 5). Nicht verrichtungsbezogener Aufsichtsbedarf („allgemeiner Aufsichts- und Betreuungsbedarf) bleibt bei der Ermittlung des Pflegebedarfs außer Ansatz (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 8).
38 
Zusätzlicher bisher nicht berücksichtigter Hilfebedarf folgt auch nicht aus der vom Kläger geschilderten Sturzgefahr. Voraussetzung für die Annahme der Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB XI ist nämlich ein auf Dauer bestehender Pflegebedarf für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, wie sie in § 14 Abs. 4 SGB 11 im Einzelnen für die Bereiche der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung benannt sind. Unberücksichtigt bleibt - wie ausgeführt - in jedem Fall die örtliche Bindung von Pflegepersonen in der Nähe des Betroffen, um jeder Zeit eingreifen zu können („prophylaktische Anwesenheit“). Bereits aus diesem Grund kann die vom Kläger als notwendig empfundene Anwesenheit der Ehefrau, um bei etwaigen Stürzen eingreifen zu können, nicht als Pflegeverrichtung bei der Bemessung des erforderlichen Zeitaufwands pflegerelevant berücksichtigt werden. Zudem fehlt es an der Regelmäßigkeit des Hilfebedarfs. Eine permanente Sturzgefahr, die eine ständige Anwesenheit einer anderen Person zur Vermeidung von Stürzen erforderlich machen würde, ist, zumal der Kläger nunmehr den Rollstuhl benutzt, gerade nicht ersichtlich. Auch solange er sich noch mit dem Rollator fortbewegte, sind nach der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Da. nur zwei Stürze im August 2009 und Februar 2011, die zu einem Behandlungsbedarf führten, belegt. Im Übrigen hat der den Kläger behandelnde Arzt V. in seinem Attest von 08. Oktober 2009 ausgeführt, dass der Kläger zur sicheren Fortbewegung bei Fallneigung und Gangunsicherheit einen Rollator benötige, über Stürze hat er nicht berichtet. Die Angaben von Dr. Ka. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft, die am 24. August 2011 beim Landessozialgericht einging, wonach der Kläger sehr oft stürze, sind nicht weiter belegt.
39 
Ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig ist der erforderliche Zeitbedarf für das Richten der Medikamente, die Gabe der Medikamente oder die Überwachung der Einnahme, denn dies gehört zur Behandlungspflege und ist im Rahmen der Grundpflege nicht berücksichtigungsfähig. Ebenso verhält es sich hinsichtlich des Blutzuckermessens und des Spritzens von Insulin.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
41 
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehe nicht.

Gründe

 
24 
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Denn der Kläger begehrt wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
25 
Streitgegenstand ist vorliegend allein der Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2011. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte - wie schon zuvor durch den Bescheid vom 30. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2008 und den Bescheid vom 09. Dezember 2009 - erneut den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld abgelehnt. Infolgedessen hat sie mit dem Bescheid vom 18. Februar 2011 eine neue sachliche Entscheidung im Sinne eines sogenannten Zweitbescheides erteilt, der den Klageweg (neu) eröffnet hat (BSG, Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 8/98 R - SozR 3-8100 Art 19 Nr. 5; Urteil vom 12. Dezember 1991 - 7 RAr 26/90 - SozR 3-4100 § 94 Nr. 1). Die schon früher ergangenen Bescheide der Beklagten vom 30. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2008 und der - mittlerweile - bestandskräftige Bescheid vom 09. Dezember 2009 sind nicht Gegenstand des hier geführten Rechtsstreits. Zwar hatten diese Bescheide ebenfalls den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld abgelehnt. Jedoch sind diese früheren Bescheide nicht mehr wirksam, weil sie auf andere Weise erledigt sind (§ 39 Abs. 2 SGB X). Die Steuerungsfunktion des Verwaltungsakts geht nämlich auch verloren, wenn die an einem Verwaltungsakt Beteiligten - sei es als Behörde, als Adressat oder als unmittelbar oder nur mittelbar Betroffener - übereinstimmend dem ursprünglichen Verwaltungsakt keinerlei tatsächliche oder rechtliche Bedeutung mehr beimessen. Das setzt keinen Verzichtswillen voraus, sondern nur „konsensuales“ Verhalten. Ähnlich dem Verlust der Wirksamkeit durch Zeitablauf, stellen sich die Beteiligten bewusst auf eine neue, veränderte Sachlage ein, die sie ihrem weiteren Verhalten nunmehr zugrunde legen. Sie verändern übereinstimmend gleichsam die „Geschäftsgrundlage“ (Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, Urteil vom 27. März 1998 -4 C 11/97 - NVwZ 1998, 729). So liegt der Fall hier. Kläger und Beklagte gehen erkennbar davon aus, dass die Frage, ob dem Kläger ab 01. März 2008 Pflegegeld zusteht, sich anhand des Bescheids vom 18. Februar 2011 abschließend neu beurteilt. Die Beklagte hat dies zu erkennen gegeben, indem sie im Bescheid vom 18. Februar 2011 ausführte, dass „weiterhin keine Zubilligung von Leistungen der Pflegestufe I möglich“ sei und der Bescheid unmittelbar Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens werde. Dies kann nur so verstanden werden, dass der Bescheid vom 18. Februar 2011 die Entscheidung über die Gewährung von Pflegegeld nochmals gänzlich neu treffen soll. Dem Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, dass er auch den Bescheid vom 18. Februar 2011 für fehlerhaft hält und dass er nunmehr diesen Bescheid angreift (anderer Ansicht: Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 1 P 3/10; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. März 2011 -L 2 P 52/09-, wonach nachfolgende Ablehnungsbescheide den vorherigen Ablehnungsbescheid nicht ersetzen und ihn auch nicht abändern; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 07. Mai 2008 - L 2 P 24/07 und vom 12. Oktober 2011 - L 2 P 70/11; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. März 2011, -L 4 P 8/07-; wonach alle Bescheide Gegenstand des Verfahrens sind; jeweils in juris). Über den Bescheid vom 18. Februar 2011 entscheidet der Senat auf Klage.
26 
Die Klage ist nicht begründet. In der Sache steht dem Kläger ab 01. März 2008 Pflegegeld nach der Pflegestufe I nicht zu.
27 
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven („abstrakten“) Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI stellt allein auf den „Bedarf“ an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, veröffentlicht in juris).
28 
Der mithin für einen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I vorausgesetzte Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mindestens 46 Minuten täglich ist für den Kläger seit 01. März 2008 zu keinem Zeitpunkt regelmäßig erreicht worden. Bei dem Kläger bestehen eine chronische Depression und der Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, die zu einer Antriebsminderung und insbesondere auch einer Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege führen, sowie ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie, eine Polyneuropathie und ein chronisches Lumbalsyndrom. Außerdem leidet er unter Drop-Attacks und unter Schmerzen im Bereich der Schultern bei subacromialem Impingement, die jedoch zu keiner Bewegungseinschränkung führen. Des weiteren bestehen chronische Schmerzen in der Hüfte. Darüber hinaus ist der Kläger übergewichtig.
29 
Trotz dieser Erkrankungen kann der Kläger beide Arme nach oben anheben und im Sitzen die Beine nach vorne hoch strecken. Bis zumindest Februar 2011 konnte er frei stehen und mit dem ihm im August 2009 verordneten Rollator selbständig gehen. Seit März 2011 benutzt er einen Rollstuhl. Mit Hilfe seiner Ehefrau (Griff unter den linken Oberarm und Hochziehen) ist er in der Lage, aus dem Rollstuhl aufzustehen und anschließend mit Festhalten wenige Schritte zu gehen und sich wieder hinzusetzen. Am Waschbecken kann er mit Abstützen der rechten Hand am Waschbecken vom Stuhl selbständig zum Stehen kommen. Er setzt sich auch mit Abstützen selbständig auf die Toilette und steht anschließend wieder alleine auf. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. und den Gutachten der Pflegefachkräfte F. vom 24. April 2008 und 14. Februar 2011, S. vom 18. Juli 2008, Dr. H. vom 30. Januar 2009 und 03. November 2009 sowie L. vom 26. Mai 2009. Bezüglich der Funktionseinschränkungen stehen diese Gutachten auch im Einklang mit dem von Pflegewirt Ma. erstatteten Gutachten vom 07. November 2008. Das im Klageverfahren vorgelegte Attest des Praktischen Arztes V. vom 08. Oktober 2009 bestätigt die Gangunsicherheit und Fallneigung des Klägers, weshalb er zur sicheren Fortbewegung einen Rollator benötige. Ebenso verhält es sich im Hinblick auf die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. Ka., die am 24. August 2011 beim Landessozialgericht einging und auch aus der sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. Da. vom 13. September 2011 gehen Behandlungen nach Stürzen und Beschwerden im Bereich der rechten Schulter ohne Bewegungseinschränkung hervor. Durch die Antriebsstörung und die Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege bedarf der Kläger darüber hinaus der Aufforderung die Körperpflege vorzunehmen, teilweise muss die Körperpflege auch von der Pflegekraft vorgenommen werden. Dies steht zur Überzeugung des Senats ebenfalls insbesondere aufgrund des Gutachtens der Sachverständigen Dr. fest. Hiervon gingen auch, wenn auch in geringerem Umfang, die Gutachter des MDK jeweils aus. Soweit der Sachverständige Ma. in seinem Gutachten vom 07. November 2008 im Gegensatz dazu eine so starke Antriebslosigkeit des Klägers sah, dass bei ihm eine vollständige Übernahme eines großen Teils der Grundpflege erforderlich sei, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Dies steht im Widerspruch damit, dass der Kläger anlässlich der stationären Aufenthalte im Zentrum für Psychiatrie im November 2007 und Dezember 2008 vom Antrieb her in der Lage war, sich zu kleiden, das Essen zu sich zu nehmen und alleine ins Bett zu gehen. Zwar hat Dr. Sc. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 20. Mai 2009 insoweit angeführt, dass er aufgrund der Unterlagen nicht beurteilen könne, ob sich das Krankheitsbild des Klägers außerhalb der stationären Behandlung derart verschlechtere, dass er hierzu aufgrund einer schweren Antriebsstörung nicht mehr im Stande wäre. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass der Kläger nach den Ausführungen des SG im Urteil vom 30. November 2009 anlässlich der mündlichen Verhandlung nicht antriebsgemindert war und bei den im Laufe des Verfahrens durchgeführten Begutachtungen jeweils selbst Kontakt mit den Gutachtern und Sachverständigen aufnahm, in der Lage war, den Aufforderungen nachzukommen und selbst zu demonstrieren, über welche Fähigkeiten er noch verfügt und wie die jeweiligen Tätigkeiten von ihm verrichtet werden. Auch bei der letzten Untersuchung durch Pflegeberaterin Dr. am 16. Dezember 2011 wirkte der Antrieb des Klägers nach den Ausführungen der Sachverständigen ungestört, er war freundlich und kooperativ und erteilte der Sachverständigen bereitwillig Auskunft, weshalb eine Antriebslosigkeit in dem vom Sachverständigen Ma. angenommenen Umfang nach Überzeugung des Senats nicht feststeht.
30 
Dass unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen des Klägers ein erforderlicher Zeitaufwand für die im Gesetz abschließend genannten Verrichtungen der Grundpflege von mindestens 46 Minuten täglich nicht besteht, ergibt sich vorrangig aus dem Gutachten der Pflegeberaterin Dr. (37 Minuten) aber auch aus den Gutachten der Pflegefachkräfte F. (13 Minuten bzw. 16 Minuten), S. (16 Minuten) Dr. H. (18 Minuten bzw. 25 Minuten) und L. (17 Minuten). Die Schätzung des Zeitbedarfs für die Hilfe bei den einzelnen Verrichtungen insbesondere durch die Pflegeberaterin Dr. sind aufgrund der zuvor genannten erhobenen Befunde und der sich hieraus ergebenden Einschränkungen insbesondere auch unter Berücksichtigung der Vernachlässigungstendenz des Klägers bezüglich der Körperpflege und Verschlechterung des Gangvermögens plausibel und keineswegs grob fehlerhaft, so dass sie der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt. Die Schätzungen der Zeitbedarfe durch die Gutachter des MDK sind in Anbetracht dessen, dass die Antriebsstörung und die krankheitsbedingte Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege in geringerem Umfang berücksichtigt wurden, wohl zu niedrig. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, denn auch wenn insoweit ein höherer Zeitbedarf angenommen wird, ergibt sich mit Blick auf die geschätzten zeitlichen Werte der Gutachter keinesfalls ein Zeitaufwand für die Grundpflege von mindestens 46 Minuten. Die vom Kläger gegen das Gutachten der Sachverständigen Dr. erhobenen Einwände greifen nicht durch. Soweit der Kläger vorträgt, dass die Behauptung, dass sein Antrieb ungestört gewirkt habe, der Unwahrheit entspreche, ist insoweit zu berücksichtigen, dass es um den subjektiven Eindruck handelt, den die Sachverständige vom Kläger hatte. Dieser Eindruck der Sachverständigen wird durch die weiteren Ausführungen im Gutachten, wonach eine Kommunikation mit dem Kläger problemlos möglich gewesen sei, bestätigt. Soweit der Kläger hinsichtlich des Punktes der Kommunikation vorbringt, dass diese nicht problemlos möglich gewesen sei, weil er die letzten Arztbesuche usw. nicht mit genauem Datum habe benennen können, hat dies nicht zur Folge, dass deshalb die Kommunikation nicht problemlos möglich wäre. Erinnerungslücken, zumal wenn es sich um Angabe von Daten handelt, wirken sich auf die Möglichkeit der Kommunikation grundsätzlich nicht aus. Im Übrigen hat die Sachverständige Dr. die beim Kläger notwendigen Hilfebedarfe sogar höher angesetzt als die Gutachter des MDK. Angesichts der beim Kläger noch vorhandenen Ressourcen sind sie für den Senat auch nachvollziehbar und allein durch den Vortrag des Klägers, dass sie „viel zu kurz berechnet“ seien, nicht widerlegt.
31 
Ein höherer Hilfebedarf lässt sich auch nicht auf das Gutachten des Sachverständigen Ma. stützen. Zwar hat dieser in seinem Gutachten vom 07. November 2008 mit den ergänzenden Stellungnahmen vom 11. Dezember 2008 und 04. Januar 2009 angegeben, dass der gesamte pflegerische Hilfebedarf 47 Minuten betrage. Der Senat vermag die vom Sachverständigen Ma. angesetzten Werte jedoch nicht nachzuvollziehen. Insbesondere der von ihm angenommene Wert von zwölf Minuten für das An- und Auskleiden, erscheint zu hoch, nachdem der Kläger hierbei zumindest mithelfen kann. Der von der Sachverständigen Dr. genannte Wert von drei Minuten erscheint insoweit auf jeden Fall ausreichend. Auch ist mit Blick auf ein tägliches Bad (Zeitbedarf 15 Minuten täglich) die zusätzliche tägliche Teilwäsche des Oberkörpers mit einem weiteren Zeitaufwand von 8 Minuten täglich nicht nachvollziehbar. Der von der Sachverständigen Dr. für zweimal tägliches Duschen angegebene Wert von jeweils zehn Minuten ist insoweit angemessen. Dies hat zur Folge, dass der tägliche Hilfebedarf auch nach dem vom Sachverständigen Ma. erstatteten Gutachten unter Zugrundelegung der nach Überzeugung des Senats in Abzug zu bringenden Hilfebedarfe von jedenfalls zwölf Minuten unter 46 Minuten täglich liegt und mit einem Wert von 35 Minuten nahezu dem von der Sachverständigen Dr. angegebenen Wert von 37 Minuten entspricht.
32 
Aufgrund der Gangunsicherheit des Klägers, der Schmerzen im Bereich der Schultern und der Wirbelsäule, der Adipositas und der Tendenz des Klägers zur Vernachlässigung der körperlichen Hygiene ist es nachvollziehbar, dass im Bereich der Körperpflege ein Hilfebedarf beim Duschen, bei der Zahn- und Gebisspflege und beim Rasieren besteht. Außerdem bedarf der Kläger mit Blick auf die Mobilität der teilweisen Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen sowie beim An- und Entkleiden und bei den Transfers zur Toilette sowie in die Dusche. Hierfür sind die von der Sachverständigen Dr. geschätzten Zeiten von 20 Minuten täglich für das Duschen unter Zugrundelegung eines zweimaligen Duschens täglich, was auch unter Berücksichtigung der Adipositas des Klägers und vermehrten Schwitzens aufgrund der psychischen Erkrankung, auf jeden Fall ausreichend ist, mit Blick auf das Zähneputzen von zwei Minuten und des Rasierens von ebenfalls zwei Minuten sowie eines Sollhilfebedarfs von einer Minute täglich für Hände- und Gesichtwaschen, zumal der Kläger teilweise mithilft und teilweise nur der Anleitung und Überwachung bedarf, schlüssig.
33 
Ebenso verhält es sich auch bezüglich der Mobilität. Auch insoweit sind, zumal keine vollständige Übernahme dieser Verrichtungen erforderlich ist, die von der Sachverständigen Dr. geschätzten Zeiten von zwei Minuten für Aufstehen/Zubettgehen, drei Minuten für An- und Auskleiden, fünf Minuten für Gehen und zwei Minuten für Transfers unter Berücksichtigung der in den Begutachtungsrichtlinien genannten Zeitkorridore für die einfache Hilfe zum Aufstehen/Zubettgehen von ein bis zwei Minuten und die volle Übernahme des Ankleidens von acht bis zehn Minuten und Entkleidens von vier bis sechs Minuten ebenfalls schlüssig.
34 
Ein Hilfebedarf beim Toilettengang und beim anschließenden Richten der Kleidung ist nachvollziehbar nicht berücksichtigt worden. Denn aufgrund der erhobenen Befunde ist der Kläger in der Lage, sich auch mit Blick auf die Toilette selbständig auf- und abzusetzen, die Intimhygiene durchzuführen und anschließend auch die Kleidung wieder zu richten. Anlässlich der Begutachtung durch die Sachverständige Dr. gab der Kläger auch selbst an, er würde die Toilettengänge selbständig durchführen. Er hat dies auch entsprechend demonstriert.
35 
Zutreffend sind die Sachverständigen und Gutachter auch davon ausgegangen, dass ein Zeitbedarf für die Verrichtungen des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung nicht zu berücksichtigen ist. Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationären Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist unter anderem nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist. Dies ist hier nicht der Fall.
36 
Da der Kläger selbständig essen kann, ist ein Zeitbedarf für die Ernährung nicht zu berücksichtigen.
37 
Berücksichtigungsfähig sind im Übrigen nur die bei den Katalogverrichtungen anfallenden notwendigen Hilfeleistungen. Soweit der Kläger geltend macht, dass er generell Beaufsichtigungsbedarf habe und nicht alleine sein könne, ist dies nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2001 in - B 3 P 7/00 R - SozR 3-3300 § 43 a Nr. 5). Nicht verrichtungsbezogener Aufsichtsbedarf („allgemeiner Aufsichts- und Betreuungsbedarf) bleibt bei der Ermittlung des Pflegebedarfs außer Ansatz (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 8).
38 
Zusätzlicher bisher nicht berücksichtigter Hilfebedarf folgt auch nicht aus der vom Kläger geschilderten Sturzgefahr. Voraussetzung für die Annahme der Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB XI ist nämlich ein auf Dauer bestehender Pflegebedarf für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, wie sie in § 14 Abs. 4 SGB 11 im Einzelnen für die Bereiche der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung benannt sind. Unberücksichtigt bleibt - wie ausgeführt - in jedem Fall die örtliche Bindung von Pflegepersonen in der Nähe des Betroffen, um jeder Zeit eingreifen zu können („prophylaktische Anwesenheit“). Bereits aus diesem Grund kann die vom Kläger als notwendig empfundene Anwesenheit der Ehefrau, um bei etwaigen Stürzen eingreifen zu können, nicht als Pflegeverrichtung bei der Bemessung des erforderlichen Zeitaufwands pflegerelevant berücksichtigt werden. Zudem fehlt es an der Regelmäßigkeit des Hilfebedarfs. Eine permanente Sturzgefahr, die eine ständige Anwesenheit einer anderen Person zur Vermeidung von Stürzen erforderlich machen würde, ist, zumal der Kläger nunmehr den Rollstuhl benutzt, gerade nicht ersichtlich. Auch solange er sich noch mit dem Rollator fortbewegte, sind nach der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Da. nur zwei Stürze im August 2009 und Februar 2011, die zu einem Behandlungsbedarf führten, belegt. Im Übrigen hat der den Kläger behandelnde Arzt V. in seinem Attest von 08. Oktober 2009 ausgeführt, dass der Kläger zur sicheren Fortbewegung bei Fallneigung und Gangunsicherheit einen Rollator benötige, über Stürze hat er nicht berichtet. Die Angaben von Dr. Ka. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft, die am 24. August 2011 beim Landessozialgericht einging, wonach der Kläger sehr oft stürze, sind nicht weiter belegt.
39 
Ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig ist der erforderliche Zeitbedarf für das Richten der Medikamente, die Gabe der Medikamente oder die Überwachung der Einnahme, denn dies gehört zur Behandlungspflege und ist im Rahmen der Grundpflege nicht berücksichtigungsfähig. Ebenso verhält es sich hinsichtlich des Blutzuckermessens und des Spritzens von Insulin.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
41 
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehe nicht.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 7. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt Pflegegeld nach der Pflegestufe II ab 1. Dezember 2008.
Der am 1987 geborene Kläger ist seit 4. November 1996 Mitglied der beklagten Pflegekasse. Bei ihm wurde im sechsten Lebensmonat ein Hydrocephalus festgestellt, der im November 1989 mit einer Shunt-Operation versorgt wurde. Es besteht eine spastische Tetraparese. Von Oktober 2005 bis Juli 2008 absolvierte er in der kaufmännischen Berufsausbildungsstätte des Diakonischen Werks L. eine Ausbildung als "Bürohelfer". Danach bestand Arbeitslosigkeit. Beim Kläger sind seit 10. Dezember 2008 ein Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen G und B sowie nach seinen Angaben seit 17. März 2010 auch das Merkzeichen H festgestellt. Die Pflegekasse, deren Mitglied der Kläger vor dem 4. November 1996 war, bewilligte ihm ab 1. April 1995 Pflegegeld nach der Pflegestufe I (Bescheid vom 8. April 1995). Nach dem Wechsel zur Beklagten bewilligte diese ab 4. November 1996 Pflegegeld nach der Pflegestufe I (Bescheid vom 13. Dezember 1996). Dieser Bewilligung ging nach Angabe der Beklagten keine gutachterliche Untersuchung voraus.
Vom 27. November bis 24. Dezember 2008 befand sich der Kläger in einer stationären medizinischen Rehabilitationsbehandlung, welche ihm vom Rentenversicherungsträger bewilligt worden war. Im intensiven stationären Setting habe eine Verbesserung der Kraft, Ausdauerbelastbarkeit und Beweglichkeit sowie der Pflegebedürftigkeit erreicht werden können. Der Kläger sei selbstständig beim Essen und Trinken sowie bei der persönlichen Pflege. Er benötige lediglich noch leichte Unterstützung beim Baden und beim An- und Ausziehen. Zur Verbesserung des Gangs seien zwei Redredynschienen (Knöchel-Fuß-Orthesen) verordnet worden. Der Kläger sei in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine überwiegend sitzende Tätigkeit in Vollzeit auszuüben. Geeignet erscheine ein angepasster Arbeitsplatz, z.B. in einer Werkstätte für behinderte Menschen. Ein Antrag auf Höherstufung der Pflegestufe lasse sich nicht ausreichend begründen (Entlassungsbericht des Arztes für Neurologie Dr. L. vom 24. Dezember 2008).
Der Kläger beantragte am 1. Dezember 2008 eine Höherstufung. Arzt Dr. G., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), nannte im Gutachten nach Aktenlage vom 19. Dezember 2008 als pflegebegründende Diagnose einen Hydrocephalus mit Gehschwäche und schätzte den grundpflegerischen Hilfebedarf auf 55 Minuten täglich (Körperpflege 35 Minuten, Ernährung fünf Minuten, Mobilität 15 Minuten). Der Kläger habe Spastiken in den Beinen und feinmotorische Störungen in den Händen. Er sei nicht bettlägerig, nicht verwirrt und habe keine Schluckstörungen sowie keine Blasen- oder Darmschwäche. Er benötige Hilfe beim Waschen, Kämmen, Rasieren, auf der Toilette und beim Kleiden. Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 20. Februar 2009 ab, höheres Pflegegeld nach der Pflegestufe II zu zahlen.
Der Kläger erhob Widerspruch und legte mehrere Befundberichte vor. Sein Hilfebedarf betrage ca. sechs Stunden täglich, Körperpflege ca. drei Stunden, Ernährung und hauswirtschaftliche Versorgung ca. ein bis zwei Stunden und Mobilität ca. zwei Stunden. Wegen starken Zitterns und mangelhafter Feinmotorik benötige er kontinuierliche Hilfestellung beim Waschen (jeweils morgens Baden), bei der Zahnpflege, beim Rasieren, beim Kämmen, beim Schneiden der Nägel, beim Ankleiden und Umziehen sowie beim Anlegen der verordneten Gehschienen. Wegen starken Schwitzens müssten Rücken und Oberkörper mindestens einmal am Tag mit einem feuchten Lappen abgewischt und mindestens zweimal täglich müsse er deshalb neu angekleidet werden. Nach jedem Stuhlgang (mindestens dreimal täglich) müssten die Genitalien gewaschen werden. Ferner müssten Lebensmittel geschnitten und besonders aufbereitet sowie Verpackungen geöffnet werden. Wegen eines Tremors sei er nicht in der Lage, ein Glas Wasser ordentlich einzuschenken. Heiße Getränke könne er wegen Verletzungsgefahr nicht zu sich nehmen. Er verschmutze bei jedem Essen die Oberbekleidung, so dass diese danach fünfmal täglich gewechselt werden müsse. Die hauswirtschaftliche Versorgung erledige sein Vater. Sein Bewegungsmuster sei erheblich eingeschränkt. Er brauche wegen häufiger Stürze beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung eine Begleitperson. Es bestehe Verletzungsgefahr beim Gehen, Treppensteigen, An- und Auskleiden. Pflegefachkraft E. nannte in ihrem Gutachten vom 7. April 2009 nach einer Untersuchung des Klägers als pflegebegründende Diagnose einen Hydrocephalus internus mit Gehschwäche sowie motorische Störungen beider Hände und schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 65 Minuten täglich (Körperpflege 44 Minuten, Ernährung fünf Minuten, Mobilität 16 Minuten). Der Kläger stehe selbstständig auf und gehe kleinschrittig und ausreichend sicher. Aus dem Bett könne er alleine aufstehen. Beim Transfer in die Badewanne seien Hilfen erforderlich. Er sei kontinent mit regelmäßiger Verdauung. Die Reinigung nach Darmentleerung führe er unzureichend durch, weshalb nachgereinigt werden müsse. Abends werde eine Intimwäsche durchgeführt. Erforderlich sei Hilfe beim Waschen von Rücken und Unterkörper. Die Zahnputzutensilien würden vor- und nachbereitet. Die Zähne würden nachgebürstet. Die Nassrasur werde komplett übernommen. Bei Toilettengängen würden Hosenknopf oder Gürtel geöffnet und geschlossen. Fleisch und Obst werde in Stücke geschnitten. Mehrmals täglich würden Getränke eingegossen. Das Kleiden "von unten" (gemeint wohl des Unterkörpers) werde übernommen. Hemdknöpfe würden geschlossen. Zweimal wöchentlich erfolge Hilfe beim Ein- und Aussteigen in den bzw. aus dem Pkw für die Fahrt zur Krankengymnastik. Die im Widerspruch überwiegend geltend gemachten Hilfen bezögen sich hauptsächlich auf die hauswirtschaftliche Versorgung, die mit 60 Minuten ausreichend berücksichtigt sei. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2009). Die Voraussetzungen der Pflegestufe II seien in den eingeholten Gutachten des MDK verneint worden. Diese hätten den Hilfebedarf vollständig erfasst und im Bereich der Grundpflege von ca. 65 Minuten weitestgehend korrekt bewertet. Die vom Kläger angegebenen Zeiten für die Hilfen bei der Grundpflege seien nicht nachvollziehbar hoch angesetzt. Auch die Rehabilitationsklinik, in der der Kläger vom 27. November bis 24. Dezember 2008 stationär behandelt worden sei, habe keinen Hilfebedarf erkennen können, der eine Höherstufung rechtfertige.
Der Kläger erhob am 28. Juli 2009 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Die Rehabilitationsklinik dürfe keine Aussage über seine Pflegebedürftigkeit treffen. Pflegepersonal sei nicht anwesend gewesen, weil sein Vater für die Versorgung und persönliche Pflege zuständig gewesen sei. Es bestehe ein Hilfebedarf in allen drei Bereichen der Grundpflege von 337 Minuten (Körperpflege 192 Minuten, Ernährung 15 Minuten, Mobilität 130 Minuten). Der pflegerische Bedarf bestehe nicht nur in Form einer Teilübernahme, sondern in Form einer vollständigen Übernahme. Aufgrund starken Schwitzens, eines Schilddrüsenleidens und Übergewichts werde er morgens täglich gebadet (25 Minuten). Ferner erfolge einmal täglich eine Ganzkörperwäsche (25 Minuten) und mehrmals täglich eine Teilwäsche (Oberkörper einmal täglich zehn Minuten, Unterkörper dreimal täglich insgesamt 45 Minuten, Hände/Gesicht viermal täglich insgesamt vier Minuten). Auch sei nach jeder Mahlzeit eine Zahnpflege notwendig (fünfmal täglich insgesamt 25 Minuten). Beim Wasserlassen (sechs- bis siebenmal täglich) und Stuhlgang (dreimal täglich) sei die volle Übernahme der Reinigung der Toilette erforderlich (insgesamt 36 Minuten) erforderlich. Drei Hauptmahlzeiten und zwei Zwischenmahlzeiten inklusive Getränke müssten ihm zubereitet und mundgerecht serviert werden (insgesamt 15 Minuten). Voll übernommen werden müssten auch das täglich fünfmalige An- und Auskleiden des Oberkörpers (insgesamt 68 Minuten) sowie das täglich dreimalige An- und Auskleiden des Unterkörpers (insgesamt 30 Minuten). Bei der Verrichtung des Stehens sei der für die dreimal täglich erfolgende Reinigung des Unterkörpers erforderliche Transfer in und aus der Badewanne zu berücksichtigen (insgesamt acht Minuten). Schließlich seien auch Therapiebesuche (Krankengymnastik zweimal wöchentlich als Einzelbehandlung und einmal wöchentlich als Gruppenbehandlung) zu berücksichtigen (insgesamt acht Minuten). Der Kläger legte vor mehrere ausführliche Stellungnahmen zu seinem Hilfebedarf, verschiedene Bestätigungen des Therapiezentrums Grauer, Heilbronn, über insgesamt 20 Behandlungstermine in der Zeit vom 14. Mai bis 11. September 2009 und vom 11. Januar bis 11. Mai 2010 sowie die anlässlich eines von ihm gestellten Antrags auf Rente wegen Erwerbsminderung erstellten Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. W. vom 25. September 2009 und des Orthopäden Dr. Gr. vom 29. Oktober 2009, wonach der Kläger nicht mehr in der Lage sei, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mehr als drei Stunden täglich zu verrichten.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der vom Kläger behauptete Hilfebedarf lasse sich mit den vorliegenden Beeinträchtigungen der Fähigkeiten und Störungen nicht begründen. Zum Hilfebedarf mache der Kläger immer neue, einander teilweise erheblich widersprechende und inhaltlich nicht nachvollziehbare Angaben. Nach ihren Abrechnungsunterlagen sei lediglich von Januar bis Dezember 2009 sechsmal Krankengymnastik durchgeführt worden, nicht jedoch regelmäßig und auf Dauer. Die Therapien müssten nicht in Heilbronn, sondern könnten in den Nachbargemeinden des Wohnorts des Klägers erfolgen. Berücksichtige man die Begleitung zu den Therapien, führe dies lediglich zu einer nicht relevanten Erhöhung der Pflegezeit um täglich ca. fünf Minuten.
Ärztin für Allgemeinmedizin Gra. gab auf Anfrage des SG als sachverständige Zeugin an (Auskunft vom 18. Dezember 2009), durch die spastische Tetraparese sei der Kläger zur selbstständigen Mobilität ohne Hilfe anderer nicht in der Lage. Auch eine selbstständige Nahrungsaufnahme sei ohne Hilfe nicht möglich. Ihrer Auskunft fügte sie ihr zugegangene Arztbriefe sowie das Gutachten des Dr. Ge., MDK, vom 21. April 2009 zur Prüfung weiterhin bestehender Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Folgen eines Sturzes mit Beteiligung der Brustwirbelsäule am 13. Januar 2009 bei.
Im Auftrag des SG erstattete Pflegesachverständige Ga.-Ge., Fachschwester für Anästhesie und Intensivmedizin, das Gutachten vom 25. August 2010. Sie schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 122 Minuten (Körperpflege 58 Minuten, Ernährung zehn Minuten, Mobilität 33 Minuten, An- und Ablegen der Orthesen 21 Minuten).
10 
Verrichtung
Anzahl
Zeit in Minuten
Baden 
Zweimal täglich
40    
Zahnpflege
Zweimal täglich
2       
Kämmen
Zweimal täglich
4       
Rasieren
Einmal täglich
5       
Stuhlgang
Einmal täglich
4       
Richten der Bekleidung
Sechsmal täglich
3       
mundgerechte Zubereitung
der Nahrung
Achtmal täglich
10    
Ankleiden gesamt
Einmal täglich
6       
Ankleiden Ober-/Unterkörper
Einmal täglich
3       
Entkleiden gesamt
Einmal täglich
4       
Entkleiden Ober-/Unterkörper
Einmal täglich
1       
Stehen
Zweimal täglich
4       
Verlassen/Wiederaufsuchen
der Wohnung
Zweimal wöchentlich
15    
Anlegen der Orthesen
Einmal täglich
15    
Ablegen der Orthesen
Einmal täglich
6       
11 
Der Kläger müsse zweimal täglich gebadet werden, da eine ausreichende Intimhygiene und Intimwäsche wegen der Spastik und der starken Körperbehaarung im Intimbereich nicht möglich sei. Die Zahnpflege sei teilweise zu übernehmen in Form von Auftragen der Zahnpasta auf die Bürste, das Befüllen des Zahnbechers mit Wasser und das Anreichen der vorbereiteten Zahnbürste. Wegen Zitterns der Hände schon bei kleinster Anstrengung müsse die Rasur voll übernommen werden. Nach dem Stuhlgang sei eine Teilhilfe in Form von Intimhygiene oder Intimwäsche erforderlich. Die Mahlzeiten müssten mundgerecht zubereitet sowie Getränke über den Tag hinweg bereitgestellt und eingeschenkt werden. Beim Vorrichten der benötigten Kleidung sei der Kläger zu unterstützen. Das Über-den-Kopfziehen der Oberteile sowie das An- und Entkleiden des Unterkörpers sei teilweise zu übernehmen. Zweimal wöchentlich sei Hilfe beim Treppensteigen (vier Minuten) und beim Ein- und Aussteigen in den bzw. aus dem Pkw für Fahrten zur Physiotherapie (vier Minuten) einschließlich Wartezeiten (45 Minuten) erforderlich. Unter Würdigung der zwischenzeitlichen gesundheitlichen Entwicklung, die sich seit der letzten Begutachtung im April 2009 stetig verschlechtert habe, bestehe der festgestellte Hilfebedarf seit dem letzten Sturzereignis im Juni 2010. Der Kläger fühle sich beim Gehen nur noch mit personeller Hilfe relativ sicher. Pflegeerschwerende Faktoren seien die Tetraparese mit Spastik sowie trotz Schmerztherapie dauerhaft bestehende Schmerzen.
12 
Die Beklagte erhob gegen das Gutachten Einwände hinsichtlich des von der Sachverständigen angenommenen zweiten Bades, der Wartezeit der Pflegeperson während des Aufenthalts in der Praxis des Krankengymnasten sowie des An- und Ablegens der Orthesen. Sie (die Beklagte) habe zudem zwischenzeitlich neben einem Krankenpflegebett auch eine Toilettensitzerhöhung und einen Badewannenlift genehmigt, was die von der Sachverständigen angegebenen Pflegezeiten weiterhin erheblich vermindere. Die verordneten Orthesen seien nach der (vorgelegten) Produktinformation einfach zu handhaben.
13 
Die Sachverständige Ga.-Ge. schätzte in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12. Oktober 2010 den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 125 Minuten. Ein Pflegebett, dessen Bettrost manuell zu verstellen sei, führe zu einer Erhöhung im Bereich der Mobilität bei der Verrichtung des Umlagerns (dreimal täglich) um drei Minuten. Das zweite Vollbad sei im Zusammenhang mit den individuellen Lebensgewohnheiten des Klägers sowie seiner Neigung zu starkem Schwitzen zu sehen. Der behandelnde Physiotherapeut sei auf die Auskünfte der Pflegeperson (der Vater des Klägers) für eine sinnvolle und ziel- gerichtete Therapie angewiesen. Die theoretisch einfache Handhabung der dem Kläger verordneten Gehschienen stehe außer Frage. Der ermittelte Zeitwert für das Anlegen der Gehschienen begründe sich auch aus der Zeit, die benötigt werde, um eine Spastik zu lösen. Spastiken, deren Auftreten und Häufigkeit im Tagesverlauf nicht vorhersehbar sei, behinderten in hohem Maße die Pflegehandlungen und würden Probleme bei der Hygiene, Sitzhaltung und anderem schaffen.
14 
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 7. Oktober 2011 ab. Es (das SG) könne dem Gutachten der Sachverständigen nicht in vollem Umfang folgen. Unter kritischer Würdigung des Gutachtens ergebe sich ein täglicher grundpflegerischer Hilfebedarf von 101 Minuten. Wegen des starken Schwitzens und der mangelnden Intimhygiene nach dem Stuhlgang lasse sich die Notwendigkeit eines zweiten Vollbades begründen. Der hierfür angesetzte Zeitwert von 20 Minuten sei zumindest um drei Minuten zu reduzieren. Eine zweite Haarwäsche pro Tag lasse sich auch wegen des starken Schwitzens weder medizinisch noch pflegerisch begründen. Zudem lasse sich weder den Ausführungen der Sachverständigen noch denen des Klägers entnehmen, dass am Abend noch einmal die Haare gewaschen würden. Es erschließe sich nicht, weshalb für das Kämmen der Haare jeweils zweimal zwei Minuten in Ansatz gebracht würden. Nach den Ausführungen der Sachverständigen könne sich der Kläger die Zähne weitgehend alleine putzen. Ein Hilfebedarf (beim Kämmen) von jeweils einer Minuten sei ausreichend und angemessen. Der Hilfebedarf von vier Minuten für die Intimhygiene nach Stuhlgang sei nicht berücksichtigungsfähig, da nach dem Stuhlgang weder durch den Kläger selbst noch durch die Pflegeperson eine Reinigung stattfinde, sondern ein zweites Bad am Abend erfolge, mit welchem die objektiv erforderliche Intimhygiene nach Stuhlgang kompensiert werde. Der von der Sachverständigen in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme angenommene Hilfebedarf für das Umlagern von drei Minuten sei widersprüchlich, da sie in ihrem Gutachten hierfür keinen Hilfebedarf festgestellt habe, obwohl der Kläger zu diesem Zeitpunkt lediglich mit einem handelsüblichen Bett versorgt gewesen sei. Ebenfalls habe sie keinen Hilfebedarf für das Aufstehen und Zubettgehen aufgeführt. Die von der Sachverständigen angenommene Wartezeit bei den Therapiebesuchen könne nicht berücksichtigt werden. Es sei nicht erkennbar, dass der Kläger die Situation nicht erfassen oder die Behandlungen nicht eigenständig durchführen könne. Zudem sei eine kurze Information seitens der Pflegeperson zum Gesundheitszustand des Klägers zu Beginn jeder Behandlung als ausreichend anzusehen und der Physiotherapeut sei aufgrund seiner Sachkunde auch selbst in der Lage, Fort- oder Rückschritte während der Behandlung in Erfahrung zu bringen. Weiter sei es der Pflegeperson (dem Vater des Klägers) durchaus möglich und zumutbar, während der Behandlungen Einkäufe oder Behördengänge zu erledigen. Der tägliche Hilfebedarf pro Therapiebesuch betrage 38 Minuten, bei zwei Therapiebesuchen pro Woche mithin aufgerundet elf Minuten. Schließlich sei bei großzügiger Betrachtung ein Hilfebedarf für das Anlegen der Orthesen von zehn Minuten und für das Ablegen der Orthesen von drei Minuten angemessen. Der von der Sachverständigen hierfür angenommene Hilfebedarf sei im Vergleich zu dem von ihr für das An- und Entkleiden in Ansatz gebrachten Zeitwert von insgesamt zehn Minuten widersprüchlich.
15 
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 3. November 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. Dezember 2011 Berufung eingelegt. Er verweist auf das Gutachten der Sachverständigen Ga.-Ge.. Den bei ihm bestehenden Hilfebedarf hat er zuletzt auf 207 Minuten täglich (Körperpflege 94 Minuten, Ernährung zehn Minuten, Mobilität 103 Minuten) beziffert. Mehrmaliges Haarewaschen am Tag (manchmal dreimal täglich) sei aufgrund des Asthma und außerordentlich fettiger Haare unabdingbar. Der Zeitaufwand für das Baden betrage 26 Minuten. Wegen der fehlenden Fein- und Grobmotorik müsse beim Reinigen der Zähne nachgereinigt werden. Deswegen könne er sich auch nicht richtig kämmen. Nach dem zweimal täglichen Stuhlgang erfolge eine grobe Reinigung, weil er nicht in der Lage sei, sich ausreichend vornüber zu beugen, um den Genitalbereich komplett säubern zu lassen. Hierfür seien insgesamt acht Minuten anzusetzen. Während der Therapien (seit 1991 Krankengymnastik, seit 2010 zweimal wöchentlich), die mindestens 25 Minuten dauerten, könne die Pflegeperson keiner anderen Tätigkeit nachgehen, weil deren Präsenz aus medizinischen Sicherheitsgründen notwendig sei sowie die Wartezeit zu kurz sei, um Einkäufe oder Behördengänge zu erledigen. Zudem nehme er seit Mitte 2008 einmal wöchentlich mit Ausnahme der Ferienzeiten an physiotherapeutischen Maßnahmen als Gruppenbehandlung bei der Volkshochschule teil. Die von der Sachverständigen Ga.-Ge. angenommenen Zeitwerte für das An- und Entkleiden seien zu gering und müssten verdoppelt werden. Das An- und Ablegen der Orthesen seien sehr komplexe Vorgänge (29 Minuten). Des Weiteren seien die von der Sachverständigen Ga.-Ge. auch bei anderen Verrichtungen angesetzten Zeitwerte zu gering oder sie habe - wie bei der Teilwäsche des Unterkörpers mit acht Minuten - vergessen, einen Hilfebedarf zu berücksichtigen. Der Kläger hat den Arztbrief des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. B. vom 26. Juli 2011 vorgelegt, der u.a. eine milbenallergische Rhinitis diagnostiziert hat.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 7. Oktober 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Dezember 2008 Pflegegeld nach der Pflegestufe II zu zahlen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Sie ist der Auffassung, es ergebe sich ein Zeitaufwand für die Grundpflege von maximal ca. 90 Minuten täglich. Nicht plausibel sei die vollständige Übernahme des Kämmens, der Zeitansatz für das An- und Ablegen der Orthesen sowie der Zeitaufwand von täglich acht Minuten für die Intimwäsche nach Stuhlgang und zusätzlich ein zweites Vollbad mit täglich 20 Minuten. Selbst wenn die Notwendigkeit einer weiteren, abendlichen Intimtoilette in der Badewanne bestehen sollte, wäre hierfür kein Vollbad notwendig. Hinsichtlich des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung zu Therapien könne der damit zusammenhängende Hilfebedarf frühestens ab Dezember 2010 berücksichtigt werden, weil erst ab diesem Zeitpunkt von einem regelmäßig anfallenden Hilfebedarf auszugehen sei. Fahrzeiten zu den Therapien könnten nicht berücksichtigt werden, weil die Pflegekraft des Klägers (sein Vater) als "Fahrer" tätig sei. Auch gebe es näher gelegene Behandlungsmöglichkeiten. Berücksichtigungsfähig sei allenfalls ein Zeitaufwand von ca. fünf Minuten täglich. Die Beklagte hat eine Aufstellung der von Dezember 2008 bis Januar 2012 ärztlich verordneten und abgerechneten krankengymnastischen Behandlungen vorgelegt (28. Januar bis 9. Dezember 2009 46 Therapien, 11. Januar 2010 bis 3. Januar 2011 72 Therapien, 5. Januar 2011 bis 17. Januar 2012 116 Therapien).
21 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
22 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) entschieden hat, ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Der Kläger begehrt (höhere) Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
24 
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er hat für die Zeit seit 1. Dezember 2008 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Gegenüber der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I ist eine wesentliche Änderung nicht eingetreten. Es mag sein, dass sich der Zeitaufwand des Hilfebedarfs seit der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I durch die Beklagte am 4. November 1996 erhöht hat. Der Hilfebedarf erreicht aber mit ca. 100 Minuten, ab dem Jahr 2011 mit ca. 103 Minuten derzeit nicht den für die Pflegestufe II notwendigen Zeitaufwand von mindestens 120 Minuten.
25 
Nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 19. Februar 1986 - 7 RAr 55/84 - SozR 1300 § 48 Nr. 22 und 8. September 2010 - B 11 AL 4/09 R - in juris). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 - B 3 P 8/04 R - SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen und damit der maßgebliche Vergleichszeitpunkt ist vorliegend die durch Bescheid vom Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 1996 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Diese Bewilligung erfolgte, ohne dass die Beklagte ein Gutachten eingeholt hatte.
26 
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).
27 
1. Beim Kläger besteht ein Hydrocephalus, der mit einem Shunt operativ versorgt ist, mit zentralen nervösen Ausfallerscheinungen in Form einer spastischen Tetraparese. Wegen der aufgrund dieser Erkrankung bestehenden Spastiken in den unteren Extremitäten und Gleichgewichtsstörungen ist die Gehfähigkeit des Kläger eingeschränkt. Das Gangbild ist kleinschrittig und ataktisch. Das unsichere Gangbild führte auch zu Stürzen mit Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule. Zur Verbesserung des Gangbildes erhielt der Kläger in der stationären Rehabilitationsbehandlung im Dezember 2008 Orthesen (Redredynschienen) verordnet. Des Weiteren ist die Feinmotorik der rechten Hand eingeschränkt. Dies ergibt sich aus den Gutachten des Dr. G. vom 19. Dezember 2008, der Pflegefachkraft E. vom 7. April 2009 und der Sachverständigen Ga.-Ge. vom 25. August 2010 sowie aus denen Akten befindlichen ärztlichen Berichten, insbesondere der sachverständigen Zeugenauskunft der Ärztin Gra. sowie dem Entlassungsbericht des Dr. L. vom 24. Dezember 2008.
28 
Aufgrund der genannten Erkrankungen bedarf der Kläger bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe. Der erforderliche Hilfebedarf beträgt seit 1. Dezember 2008 jedoch weniger als 120 Minuten täglich. Der Senat folgt der Schätzung des zeitlichen Hilfebedarfs durch die Sachverständige Ga.-Ge. (a), mit Ausnahme der Schätzung des Zeitaufwands hinsichtlich des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung (b), des Anlegens der Orthesen (c) und des Umlagerns (d).
29 
a) Der Senat folgt der Sachverständigen Ga.-Ge. darin, dass bei der Ganzkörperwäsche, die durch Baden erfolgt, ein Hilfebedarf von 40 Minuten täglich besteht. Insoweit ist eine vollständige Übernahme durch die Pflegefachkraft erforderlich. Die Sachverständige Ga.-Ge. hat im Hinblick auf die beim Kläger bestehende Tetraparese und die Folgen von Verletzungen der Wirbelsäule nach Stürzen nachvollziehbar dargelegt, der Kläger könne sich nur in die Badewanne hineinlegen, jedoch keine aufrechte Sitzposition einnehmen. Insoweit ist auch die Schätzung des Zeitaufwands der Sachverständigen mit 20 Minuten pro Baden plausibel und entspricht dem Orientierungswert in der Begutachtungs-Richtlinie von 20 bis 25 Minuten. Wie die Sachverständige Ga.-Ge. nimmt auch der Senat einen Hilfebedarf für zweimal Baden täglich an. Jedenfalls erscheint es nicht völlig abwegig, dass aufgrund der beim Kläger bestehenden Spastiken auch abends eine gründliche Reinigung des Intimbereichs erforderlich ist. Auch seine Behauptung, er schwitze stark, wird im Entlassungsbericht des Dr. L. vom 24. Dezember 2008 bestätigt, der eine vermehrte Schweißsekretion beschrieb.
30 
Bei einem zweimaligen Baden täglich kann dann aber kein Hilfebedarf mehr bei der Teilwäsche des Oberkörpers oder des Unterkörpers angenommen werden, wie dies folgerichtig auch seitens der Sachverständigen Ga.-Ge. erfolgte. Denn ausgehend von dem Vortrag des Klägers, die Reinigung des Intimbereichs sei erschwert, weil er die Beine nicht auseinander bekomme und sich nicht ausreichend vornüber beugen könne sowie wegen der Spastiken, erfolgt die gründliche Reinigung des Intimbereichs abends mit dem zweiten Bad. Gleichzeitig kann dann auch die Reinigung wegen des starken Schwitzens erfolgen sowie weiter auch die Haarwäsche.
31 
Ein wesentlich abweichender Zeitaufwand ergäbe sich allerdings nicht, wenn man die Notwendigkeit des zweiten Bades am Abend verneinte. Der Kläger behauptete erstmals im Klageverfahren, zweimal am Tag zu baden. Noch in der ergänzenden Begründung des Widerspruchs war nur von einer einmal täglichen Ganzkörperwäsche in die Rede. Hinsichtlich des starken Schwitzens behauptete der Kläger dort, Rücken und Oberkörper würden mit einem feuchten Lappen abgewischt. Auch im Berufungsverfahren trug er insoweit wieder vor, es erfolge eine Teilwäsche des Unterkörpers wegen des starken Schwitzens. Ginge man davon aus, dass nur ein Bad täglich erforderlich wäre, müsste dann aber ein Zeitaufwand für einen Hilfebedarf bei der Teilwäsche des Unterkörpers zur Reinigung des Intimbereichs und des Oberkörpers wegen des starken Schwitzens berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung der Orientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinie (Teilwäsche Unterkörper zwölf bis 15 Minuten; Teilwäsche Oberkörper acht bis zehn Minuten) würde der Zeitaufwand für diese Teilwäschen den Zeitaufwand für das angenommene zweite Bad am Abend von 20 Minuten nicht oder nur geringfügig überschreiten. Der Kläger selbst nannte zuletzt für die Teilwäsche des Unterkörpers zweimal täglich einen Zeitaufwand von 16 Minuten.
32 
Der vom Kläger in den zahlreichen Stellungnahmen angegebene Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege ist überzogen. Der Kläger übersieht, dass für die Ermittlung des Zeitaufwands des Hilfebedarfs in der soziale Pflegeversicherung nicht alle anfallenden Tätigkeiten berücksichtigungsfähig sind. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB XI ergänzen bei häuslicher und teilstationärer Pflege die Leistungen der Pflegeversicherung die familiäre, nachbarschaftliche oder sonstige ehrenamtliche Pflege und Betreuung. § 4 Abs. 2 SGB XI als Grundnorm verdeutlicht, dass die Leistungen der Pflegeversicherung (lediglich) eine soziale Grundsicherung in Form von unterstützenden Hilfeleistungen darstellen sollen, eine Vollversorgung des Pflegebedürftigen indessen nicht angestrebt wird. Im ambulanten Bereich obliegt es den Versicherten, einen durch die Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckten Pflege- und Betreuungsaufwand selbst sicherzustellen (vgl. Bundestags-Drucksachen 12/5262 S. 90 und 16/7439, S. 44; siehe auch BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 12 R 6/09 R - SozR 4-2600 § 3 Nr. 5). So gehört etwa zur mundgerechten Zubereitung der Nahrung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI, dass die zubereitete Nahrung so aufbereitet wird, dass der Pflegebedürftige sie greifen, zum Mund führen, zerkauen und schlucken kann. Es geht mithin um die letzte Maßnahme vor der Nahrungsaufnahme (BSG, Urteile vom 17. Juni 1999 - B 3 P 10/98 R - SozR 3-3300 § 15 Nr. 7 und 28. Juni 2001 - B 3 P 12/00 R - in juris; Abschnitt D 4.2 Nr. 8 Begutachtungs-Richtlinie). Dazu gehört etwa das mundgerechte Zerkleinern von Nahrung, das Heraustrennen von Knochen und Gräten sowie das Einschenken von Getränken in ein Trinkgefäß. Daraus ergibt sich, dass zahlreiche auf Seite 2/3 der dem SG vorgelegten Stellungnahme vom 31. Mai 2010 genannte Tätigkeiten nicht dieser Verrichtung zugeordnet werden können und deshalb insoweit auch kein Zeitaufwand berücksichtigungsfähig ist. Soweit der Kläger in der zuletzt im Berufungsverfahren vorgelegten Aufstellung (Bl. 59 der LSG-Akte) nach den dort gemachten Bemerkungen beim An- und Entkleiden des Unterkörpers einen Zeitaufwand von insgesamt sechs Minuten nach jedem Stuhlgang berücksichtigt haben will, kann dies nicht erfolgen. Dies ist bereits bei der Verrichtung des Richten der Bekleidung mit diesem Zeitaufwand erfolgt. Aufgrund der beim Kläger vorliegenden Funktionsstörungen ist auch nicht bei jeder Verrichtung eine vollständige Übernahme durch die Pflegeperson notwendig, sondern es besteht ein Hilfebedarf in Form einer teilweisen Übernahme durch die Pflegeperson, weil der Kläger in der Lage ist, bei den überwiegenden Verrichtungen einzelne Tätigkeit selbst auszuführen. Es ist deshalb schlüssig, dass die Sachverständige bei den überwiegenden Tätigkeiten lediglich von einem solchen Hilfebedarf ausging. So hat beispielsweise die Sachverständige schlüssig dargelegt, dass der Kläger in der Lage ist, trotz eines Zittern der Hände sich die Zähne selbstständig zu reinigen. Erforderlich ist insoweit, dass ihm die Utensilien für die Zahnpflege gerichtet und gereicht werden. Der von der Sachverständigen geschätzte Zeitaufwand des Hilfebedarfs bei der Zahnpflege von zwei Minuten täglich ist nachvollziehbar.
33 
b) Ein Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist erst ab 28. Januar 2009 dem Grunde nach berücksichtigungsfähig, zunächst bis zum Ende des Jahres 2010 mit drei Minuten täglich, ab dem Jahr 2011 mit sechs Minuten täglich. Der Senat vermag der Schätzung des Zeitaufwands durch die Sachverständige Ga.-Ge. schon aus rechtlichen Gründen nicht zu folgen.
34 
Hinsichtlich der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung hat das BSG bereits mehrmals entschieden, dass Hilfeleistungen auf Wegen außerhalb der Wohnung nur in begrenztem Maße im Bereich der Mobilität zu berücksichtigen sind, weil sie in der Regel anderen Lebensbereichen zuordnen sind (BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5, vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6, vom 10. Oktober 2000 - B 3 P 15/99 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 16, vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19 und vom 28. Mai 2003 - B 3 P 6/02 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 1 sowie Beschluss vom 18. August 2011 - B 3 P 10/11 B -, nicht veröffentlicht). Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist u.a. nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist, weil nur dann dieser Hilfebedarf "regelmäßig" im Sinne von § 14 SGB XI ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 1999 - B 3 P 7/98 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 10; Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R -).
35 
Für die Zeit vor dem 28. Januar 2009 bestand kein Hilfebedarf bei der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung, weil bis zu diesem Tag krankengymnastische Behandlungen aufgrund ärztlicher Verordnung nicht belegt sind. Weder aus der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Zusammenstellung (Bl. 38 LSG-Akte) noch aus den vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten Bestätigungen des Herrn Grauer (Bl. 20/21 SG-Akte) ergeben sich solche, sondern erst ab 28. Januar 2009 (Aufstellung der Beklagten) oder Mai 2009 (Bestätigungen des Herrn Grauer). Erst ab 28. Januar 2009 lässt sich eine mindestens einmal wöchentliche ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlung feststellen. Der Senat geht von der Aufstellung der Beklagten aus. Diese stimmt hinsichtlich des Zeitraums vom 14. Mai bis 11. September 2009 mit der Bestätigung des Herrn Grauer überein. Vom 28. Januar 2009 bis 9. Dezember 2009 (46 Wochen) erfolgten 46 Therapien. Auch für das Jahr 2010 lässt sich allenfalls eine wöchentliche ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlung feststellen. In der Zeit vom 1. Januar 2010 bis 3. Januar 2011 (51 Wochen) erfolgten 72 Therapien, mithin 1,4 pro Woche. Im Hinblick auf die sich aus der Aufstellung der Beklagten ergebenden zum Teil längeren Therapiepausen (z.B. 19. Juni bis 8. August 2010) mag zwar in zahlreichen Wochen die krankengymnastische Behandlung zweimal erfolgt sein. Da § 14 Abs. 1 SGB XI aber einen auf Dauer bestehenden Hilfebedarf, d.h. voraussichtlich mindestens sechs Monate (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R - SozR 4-3300 § 45b Nr. 1), verlangt, hält es der Senat für angemessen, auf den durchschnittlichen Anfall der krankengymnastischen Behandlungen eines Jahres abzustellen. Dies begünstigt den Kläger. Denn angesichts der Therapiepausen müsste ansonsten die Dauerhaftigkeit des Hilfebedarfs infrage gestellt werden. Erst für das Jahr 2011 lässt sich eine Frequenz der ärztlich verordneten krankengymnastischen Behandlungen von zweimal wöchentlich feststellen. Denn im Zeitraum vom 5. Januar 2011 bis 17. Januar 2012 (54 Wochen) erfolgten 116 Therapien, mithin gerundet 2,2 wöchentlich.
36 
Die vom Kläger behauptete Teilnahme an wöchentlichen physiotherapeutischen Maßnahmen in einer Gruppe (Krankengymnastik für behinderte Menschen bei der Volkshochschule) kann keinen berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf begründen. Insoweit fehlt es bereits an einer ärztlichen Verordnung.
37 
Der erforderliche Hilfebedarf im Zusammenhang mit einer krankengymnastischen Behandlung beträgt 23 Minuten, mithin wöchentlich bei einer Therapie gerundet drei Minuten (23 : 7) und sechs Minuten bei zwei Therapien wöchentlich. Für die Wege zu einer krankengymnastischen Behandlung benötigt der Kläger Hilfe beim Treppensteigen (Zugang zur Wohnung nur über Treppen) sowie beim Ein- und Aussteigen aus dem Pkw. Die Schätzung des Zeitaufwands der Sachverständigen von jeweils insgesamt vier Minuten ist nachvollziehbar. Hinsichtlich der Wegezeit kann allerdings nicht diejenige für die Fahrten zu dem in Anspruch genommenen Therapeuten Grauer, der in Heilbronn niedergelassen ist, berücksichtigt werden, sondern nur der Zeitaufwand für den Hilfebedarf beim nächsterreichbaren Behandler. Denn der Hilfebedarf richtet sich nach objektiven Kriterien und nicht, wie er tatsächlich gedeckt wird. Demgemäß kann nur der Weg zur Krankengymnastik in die Nachbargemeinden des Wohnorts des Klägers (E.), von denen z.B. W. ca. vier km entfernt ist. Die Fahrzeit für Hin- und Rückweg von insgesamt acht km beträgt insgesamt ca. 15 Minuten (vgl. Routenplaner des ADAC). Eine Wartezeit der Pflegeperson ist nicht berücksichtigungsfähig. Für die Bemessung des zeitlichen Umfangs des Pflegebedarfs ist von der zeitlichen und örtlichen Gebundenheit der Pflegeperson auszugehen; d.h. maßgebend ist die Zeit, die die Pflegeperson ausschließlich für die Abwicklung einer Hilfeleistung benötigt und während der sie keiner anderen Tätigkeit - etwa auch keiner solchen im Bereich der allgemeinen Haushaltsführung - nachgehen kann (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6). Wenn die Behandlungen mindestens 25 Minuten dauern, so die Behauptung des Klägers im Berufungsverfahren, steht der Pflegeperson ausreichend Zeit zur Verfügung, andere Tätigkeiten auszuführen. In der Regel kann nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass eine Pflegeperson das Zeitfenster der Wartezeit während einer krankengymnastischen Behandlung sinnvoll für sich nutzen kann (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. September 2011 - L 8 P 38/10 - in juris). Auch ist nicht bei jeder Behandlung erforderlich, dass der Therapeut zusätzliche Informationen über erhebliche Veränderungen erhält. Bei zweimal wöchentlich stattfindenden Behandlungen ist auszuschließen, dass innerhalb dieses kurzen Zeitraumes sich wesentliche Änderungen ergeben, die für die Ausführung oder Fortführung der Behandlung von Bedeutung sind. Zudem muss der Behandler aufgrund seiner Ausbildung auch bei einem komplexen Krankheitsbild in der Lage sein, seine Behandlung auf ein solches Krankheitsbild und die sich daraus möglicherweise ergebenden Änderungen einzustellen sowie die sich aus dem jeweiligen Krankheitsbild ergebenden Besonderheiten (z.B. eine Sturzgefahr) bei der Behandlung zu berücksichtigen.
38 
c) Hinsichtlich der Schätzung des Zeitaufwands für das Anlegen der Orthesen ist der von der Sachverständigen geschätzte Zeitaufwand zu hoch. Der Senat hält allenfalls die Hälfte des von der Sachverständigen geschätzten Zeitaufwands von insgesamt 21 Minuten, mithin 10,5 Minuten für angemessen. Sie berücksichtigt insoweit zwar, dass beim Kläger Spastiken auftreten können, die vor dem Anlegen oder Ablegen zunächst gelöst werden müssen. Aus ihrem Gutachten und aus den vorliegenden ärztlichen Berichten ergibt sich nicht, dass der Kläger ständig an Spastiken leidet, die vor jedem Anlegen oder Ablegen der Orthese gelöst werden müssen. Vielmehr können diese nur auftreten. Die Beklagte und auch das SG verweisen insoweit zutreffend darauf, dass die Sachverständige beim Ankleiden einen deutlich geringeren Zeitwert berücksichtigt hat, obgleich auch insoweit sich die Problematik des Lösung von Spastiken stellen kann. Das Anlegen und Ablegen der Orthese ist sehr einfach. Dies ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Produktinformation, die ausdrücklich als einen der Vorteile dieser Orthesen die einfachste Handhabung im täglichen Gebrauch bezeichnet.
39 
d) Der von der Sachverständigen Ga.-Ge. in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12. Oktober 2010 zusätzlich angenommene Zeitaufwand von drei Minuten für Umlagern in einem Pflegebett, ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, nicht nachvollziehbar. Sie sah keinen Hilfebedarf bei der Verrichtung des Aufstehen und Zubettgehens. Ein solcher ist auch vom Kläger nicht behauptet worden. Daraus ist zu schließen, dass der Kläger sich selbstständig aus dem Bett erheben und in das Bett gehen kann. Weshalb dann Hilfe beim Umlagern erforderlich sein soll, erschließt sich nicht.
40 
e) Von dem von der Sachverständigen Ga.-Ge. geschätzten Zeitaufwand von 125 Minuten sind somit 39 Minuten (15 Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, 21 Minuten für das Anlegen und Ablegen der Orthesen sowie drei Minuten für das Umlagern) abzuziehen, so dass sich ein Zeitaufwand von 86 Minuten ergibt. Hinzuzurechnen sind stattdessen 10,5 Minuten für das Anlegen der Orthesen sowie für die Jahre 2009 und 2010 drei Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, so dass sich ein Zeitaufwand von gerundet 100 Minuten ergibt. Ab dem Jahr 2011 kommen weitere drei Minuten hinzu, so dass sich ein Zeitaufwand von gerundet 103 Minuten ergibt.
41 
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
42 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
23 
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) entschieden hat, ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Der Kläger begehrt (höhere) Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
24 
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er hat für die Zeit seit 1. Dezember 2008 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Gegenüber der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I ist eine wesentliche Änderung nicht eingetreten. Es mag sein, dass sich der Zeitaufwand des Hilfebedarfs seit der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I durch die Beklagte am 4. November 1996 erhöht hat. Der Hilfebedarf erreicht aber mit ca. 100 Minuten, ab dem Jahr 2011 mit ca. 103 Minuten derzeit nicht den für die Pflegestufe II notwendigen Zeitaufwand von mindestens 120 Minuten.
25 
Nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 19. Februar 1986 - 7 RAr 55/84 - SozR 1300 § 48 Nr. 22 und 8. September 2010 - B 11 AL 4/09 R - in juris). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 - B 3 P 8/04 R - SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen und damit der maßgebliche Vergleichszeitpunkt ist vorliegend die durch Bescheid vom Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 1996 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Diese Bewilligung erfolgte, ohne dass die Beklagte ein Gutachten eingeholt hatte.
26 
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).
27 
1. Beim Kläger besteht ein Hydrocephalus, der mit einem Shunt operativ versorgt ist, mit zentralen nervösen Ausfallerscheinungen in Form einer spastischen Tetraparese. Wegen der aufgrund dieser Erkrankung bestehenden Spastiken in den unteren Extremitäten und Gleichgewichtsstörungen ist die Gehfähigkeit des Kläger eingeschränkt. Das Gangbild ist kleinschrittig und ataktisch. Das unsichere Gangbild führte auch zu Stürzen mit Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule. Zur Verbesserung des Gangbildes erhielt der Kläger in der stationären Rehabilitationsbehandlung im Dezember 2008 Orthesen (Redredynschienen) verordnet. Des Weiteren ist die Feinmotorik der rechten Hand eingeschränkt. Dies ergibt sich aus den Gutachten des Dr. G. vom 19. Dezember 2008, der Pflegefachkraft E. vom 7. April 2009 und der Sachverständigen Ga.-Ge. vom 25. August 2010 sowie aus denen Akten befindlichen ärztlichen Berichten, insbesondere der sachverständigen Zeugenauskunft der Ärztin Gra. sowie dem Entlassungsbericht des Dr. L. vom 24. Dezember 2008.
28 
Aufgrund der genannten Erkrankungen bedarf der Kläger bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe. Der erforderliche Hilfebedarf beträgt seit 1. Dezember 2008 jedoch weniger als 120 Minuten täglich. Der Senat folgt der Schätzung des zeitlichen Hilfebedarfs durch die Sachverständige Ga.-Ge. (a), mit Ausnahme der Schätzung des Zeitaufwands hinsichtlich des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung (b), des Anlegens der Orthesen (c) und des Umlagerns (d).
29 
a) Der Senat folgt der Sachverständigen Ga.-Ge. darin, dass bei der Ganzkörperwäsche, die durch Baden erfolgt, ein Hilfebedarf von 40 Minuten täglich besteht. Insoweit ist eine vollständige Übernahme durch die Pflegefachkraft erforderlich. Die Sachverständige Ga.-Ge. hat im Hinblick auf die beim Kläger bestehende Tetraparese und die Folgen von Verletzungen der Wirbelsäule nach Stürzen nachvollziehbar dargelegt, der Kläger könne sich nur in die Badewanne hineinlegen, jedoch keine aufrechte Sitzposition einnehmen. Insoweit ist auch die Schätzung des Zeitaufwands der Sachverständigen mit 20 Minuten pro Baden plausibel und entspricht dem Orientierungswert in der Begutachtungs-Richtlinie von 20 bis 25 Minuten. Wie die Sachverständige Ga.-Ge. nimmt auch der Senat einen Hilfebedarf für zweimal Baden täglich an. Jedenfalls erscheint es nicht völlig abwegig, dass aufgrund der beim Kläger bestehenden Spastiken auch abends eine gründliche Reinigung des Intimbereichs erforderlich ist. Auch seine Behauptung, er schwitze stark, wird im Entlassungsbericht des Dr. L. vom 24. Dezember 2008 bestätigt, der eine vermehrte Schweißsekretion beschrieb.
30 
Bei einem zweimaligen Baden täglich kann dann aber kein Hilfebedarf mehr bei der Teilwäsche des Oberkörpers oder des Unterkörpers angenommen werden, wie dies folgerichtig auch seitens der Sachverständigen Ga.-Ge. erfolgte. Denn ausgehend von dem Vortrag des Klägers, die Reinigung des Intimbereichs sei erschwert, weil er die Beine nicht auseinander bekomme und sich nicht ausreichend vornüber beugen könne sowie wegen der Spastiken, erfolgt die gründliche Reinigung des Intimbereichs abends mit dem zweiten Bad. Gleichzeitig kann dann auch die Reinigung wegen des starken Schwitzens erfolgen sowie weiter auch die Haarwäsche.
31 
Ein wesentlich abweichender Zeitaufwand ergäbe sich allerdings nicht, wenn man die Notwendigkeit des zweiten Bades am Abend verneinte. Der Kläger behauptete erstmals im Klageverfahren, zweimal am Tag zu baden. Noch in der ergänzenden Begründung des Widerspruchs war nur von einer einmal täglichen Ganzkörperwäsche in die Rede. Hinsichtlich des starken Schwitzens behauptete der Kläger dort, Rücken und Oberkörper würden mit einem feuchten Lappen abgewischt. Auch im Berufungsverfahren trug er insoweit wieder vor, es erfolge eine Teilwäsche des Unterkörpers wegen des starken Schwitzens. Ginge man davon aus, dass nur ein Bad täglich erforderlich wäre, müsste dann aber ein Zeitaufwand für einen Hilfebedarf bei der Teilwäsche des Unterkörpers zur Reinigung des Intimbereichs und des Oberkörpers wegen des starken Schwitzens berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung der Orientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinie (Teilwäsche Unterkörper zwölf bis 15 Minuten; Teilwäsche Oberkörper acht bis zehn Minuten) würde der Zeitaufwand für diese Teilwäschen den Zeitaufwand für das angenommene zweite Bad am Abend von 20 Minuten nicht oder nur geringfügig überschreiten. Der Kläger selbst nannte zuletzt für die Teilwäsche des Unterkörpers zweimal täglich einen Zeitaufwand von 16 Minuten.
32 
Der vom Kläger in den zahlreichen Stellungnahmen angegebene Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege ist überzogen. Der Kläger übersieht, dass für die Ermittlung des Zeitaufwands des Hilfebedarfs in der soziale Pflegeversicherung nicht alle anfallenden Tätigkeiten berücksichtigungsfähig sind. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB XI ergänzen bei häuslicher und teilstationärer Pflege die Leistungen der Pflegeversicherung die familiäre, nachbarschaftliche oder sonstige ehrenamtliche Pflege und Betreuung. § 4 Abs. 2 SGB XI als Grundnorm verdeutlicht, dass die Leistungen der Pflegeversicherung (lediglich) eine soziale Grundsicherung in Form von unterstützenden Hilfeleistungen darstellen sollen, eine Vollversorgung des Pflegebedürftigen indessen nicht angestrebt wird. Im ambulanten Bereich obliegt es den Versicherten, einen durch die Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckten Pflege- und Betreuungsaufwand selbst sicherzustellen (vgl. Bundestags-Drucksachen 12/5262 S. 90 und 16/7439, S. 44; siehe auch BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 12 R 6/09 R - SozR 4-2600 § 3 Nr. 5). So gehört etwa zur mundgerechten Zubereitung der Nahrung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI, dass die zubereitete Nahrung so aufbereitet wird, dass der Pflegebedürftige sie greifen, zum Mund führen, zerkauen und schlucken kann. Es geht mithin um die letzte Maßnahme vor der Nahrungsaufnahme (BSG, Urteile vom 17. Juni 1999 - B 3 P 10/98 R - SozR 3-3300 § 15 Nr. 7 und 28. Juni 2001 - B 3 P 12/00 R - in juris; Abschnitt D 4.2 Nr. 8 Begutachtungs-Richtlinie). Dazu gehört etwa das mundgerechte Zerkleinern von Nahrung, das Heraustrennen von Knochen und Gräten sowie das Einschenken von Getränken in ein Trinkgefäß. Daraus ergibt sich, dass zahlreiche auf Seite 2/3 der dem SG vorgelegten Stellungnahme vom 31. Mai 2010 genannte Tätigkeiten nicht dieser Verrichtung zugeordnet werden können und deshalb insoweit auch kein Zeitaufwand berücksichtigungsfähig ist. Soweit der Kläger in der zuletzt im Berufungsverfahren vorgelegten Aufstellung (Bl. 59 der LSG-Akte) nach den dort gemachten Bemerkungen beim An- und Entkleiden des Unterkörpers einen Zeitaufwand von insgesamt sechs Minuten nach jedem Stuhlgang berücksichtigt haben will, kann dies nicht erfolgen. Dies ist bereits bei der Verrichtung des Richten der Bekleidung mit diesem Zeitaufwand erfolgt. Aufgrund der beim Kläger vorliegenden Funktionsstörungen ist auch nicht bei jeder Verrichtung eine vollständige Übernahme durch die Pflegeperson notwendig, sondern es besteht ein Hilfebedarf in Form einer teilweisen Übernahme durch die Pflegeperson, weil der Kläger in der Lage ist, bei den überwiegenden Verrichtungen einzelne Tätigkeit selbst auszuführen. Es ist deshalb schlüssig, dass die Sachverständige bei den überwiegenden Tätigkeiten lediglich von einem solchen Hilfebedarf ausging. So hat beispielsweise die Sachverständige schlüssig dargelegt, dass der Kläger in der Lage ist, trotz eines Zittern der Hände sich die Zähne selbstständig zu reinigen. Erforderlich ist insoweit, dass ihm die Utensilien für die Zahnpflege gerichtet und gereicht werden. Der von der Sachverständigen geschätzte Zeitaufwand des Hilfebedarfs bei der Zahnpflege von zwei Minuten täglich ist nachvollziehbar.
33 
b) Ein Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist erst ab 28. Januar 2009 dem Grunde nach berücksichtigungsfähig, zunächst bis zum Ende des Jahres 2010 mit drei Minuten täglich, ab dem Jahr 2011 mit sechs Minuten täglich. Der Senat vermag der Schätzung des Zeitaufwands durch die Sachverständige Ga.-Ge. schon aus rechtlichen Gründen nicht zu folgen.
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Hinsichtlich der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung hat das BSG bereits mehrmals entschieden, dass Hilfeleistungen auf Wegen außerhalb der Wohnung nur in begrenztem Maße im Bereich der Mobilität zu berücksichtigen sind, weil sie in der Regel anderen Lebensbereichen zuordnen sind (BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5, vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6, vom 10. Oktober 2000 - B 3 P 15/99 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 16, vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19 und vom 28. Mai 2003 - B 3 P 6/02 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 1 sowie Beschluss vom 18. August 2011 - B 3 P 10/11 B -, nicht veröffentlicht). Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist u.a. nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist, weil nur dann dieser Hilfebedarf "regelmäßig" im Sinne von § 14 SGB XI ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 1999 - B 3 P 7/98 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 10; Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R -).
35 
Für die Zeit vor dem 28. Januar 2009 bestand kein Hilfebedarf bei der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung, weil bis zu diesem Tag krankengymnastische Behandlungen aufgrund ärztlicher Verordnung nicht belegt sind. Weder aus der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Zusammenstellung (Bl. 38 LSG-Akte) noch aus den vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten Bestätigungen des Herrn Grauer (Bl. 20/21 SG-Akte) ergeben sich solche, sondern erst ab 28. Januar 2009 (Aufstellung der Beklagten) oder Mai 2009 (Bestätigungen des Herrn Grauer). Erst ab 28. Januar 2009 lässt sich eine mindestens einmal wöchentliche ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlung feststellen. Der Senat geht von der Aufstellung der Beklagten aus. Diese stimmt hinsichtlich des Zeitraums vom 14. Mai bis 11. September 2009 mit der Bestätigung des Herrn Grauer überein. Vom 28. Januar 2009 bis 9. Dezember 2009 (46 Wochen) erfolgten 46 Therapien. Auch für das Jahr 2010 lässt sich allenfalls eine wöchentliche ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlung feststellen. In der Zeit vom 1. Januar 2010 bis 3. Januar 2011 (51 Wochen) erfolgten 72 Therapien, mithin 1,4 pro Woche. Im Hinblick auf die sich aus der Aufstellung der Beklagten ergebenden zum Teil längeren Therapiepausen (z.B. 19. Juni bis 8. August 2010) mag zwar in zahlreichen Wochen die krankengymnastische Behandlung zweimal erfolgt sein. Da § 14 Abs. 1 SGB XI aber einen auf Dauer bestehenden Hilfebedarf, d.h. voraussichtlich mindestens sechs Monate (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R - SozR 4-3300 § 45b Nr. 1), verlangt, hält es der Senat für angemessen, auf den durchschnittlichen Anfall der krankengymnastischen Behandlungen eines Jahres abzustellen. Dies begünstigt den Kläger. Denn angesichts der Therapiepausen müsste ansonsten die Dauerhaftigkeit des Hilfebedarfs infrage gestellt werden. Erst für das Jahr 2011 lässt sich eine Frequenz der ärztlich verordneten krankengymnastischen Behandlungen von zweimal wöchentlich feststellen. Denn im Zeitraum vom 5. Januar 2011 bis 17. Januar 2012 (54 Wochen) erfolgten 116 Therapien, mithin gerundet 2,2 wöchentlich.
36 
Die vom Kläger behauptete Teilnahme an wöchentlichen physiotherapeutischen Maßnahmen in einer Gruppe (Krankengymnastik für behinderte Menschen bei der Volkshochschule) kann keinen berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf begründen. Insoweit fehlt es bereits an einer ärztlichen Verordnung.
37 
Der erforderliche Hilfebedarf im Zusammenhang mit einer krankengymnastischen Behandlung beträgt 23 Minuten, mithin wöchentlich bei einer Therapie gerundet drei Minuten (23 : 7) und sechs Minuten bei zwei Therapien wöchentlich. Für die Wege zu einer krankengymnastischen Behandlung benötigt der Kläger Hilfe beim Treppensteigen (Zugang zur Wohnung nur über Treppen) sowie beim Ein- und Aussteigen aus dem Pkw. Die Schätzung des Zeitaufwands der Sachverständigen von jeweils insgesamt vier Minuten ist nachvollziehbar. Hinsichtlich der Wegezeit kann allerdings nicht diejenige für die Fahrten zu dem in Anspruch genommenen Therapeuten Grauer, der in Heilbronn niedergelassen ist, berücksichtigt werden, sondern nur der Zeitaufwand für den Hilfebedarf beim nächsterreichbaren Behandler. Denn der Hilfebedarf richtet sich nach objektiven Kriterien und nicht, wie er tatsächlich gedeckt wird. Demgemäß kann nur der Weg zur Krankengymnastik in die Nachbargemeinden des Wohnorts des Klägers (E.), von denen z.B. W. ca. vier km entfernt ist. Die Fahrzeit für Hin- und Rückweg von insgesamt acht km beträgt insgesamt ca. 15 Minuten (vgl. Routenplaner des ADAC). Eine Wartezeit der Pflegeperson ist nicht berücksichtigungsfähig. Für die Bemessung des zeitlichen Umfangs des Pflegebedarfs ist von der zeitlichen und örtlichen Gebundenheit der Pflegeperson auszugehen; d.h. maßgebend ist die Zeit, die die Pflegeperson ausschließlich für die Abwicklung einer Hilfeleistung benötigt und während der sie keiner anderen Tätigkeit - etwa auch keiner solchen im Bereich der allgemeinen Haushaltsführung - nachgehen kann (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6). Wenn die Behandlungen mindestens 25 Minuten dauern, so die Behauptung des Klägers im Berufungsverfahren, steht der Pflegeperson ausreichend Zeit zur Verfügung, andere Tätigkeiten auszuführen. In der Regel kann nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass eine Pflegeperson das Zeitfenster der Wartezeit während einer krankengymnastischen Behandlung sinnvoll für sich nutzen kann (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. September 2011 - L 8 P 38/10 - in juris). Auch ist nicht bei jeder Behandlung erforderlich, dass der Therapeut zusätzliche Informationen über erhebliche Veränderungen erhält. Bei zweimal wöchentlich stattfindenden Behandlungen ist auszuschließen, dass innerhalb dieses kurzen Zeitraumes sich wesentliche Änderungen ergeben, die für die Ausführung oder Fortführung der Behandlung von Bedeutung sind. Zudem muss der Behandler aufgrund seiner Ausbildung auch bei einem komplexen Krankheitsbild in der Lage sein, seine Behandlung auf ein solches Krankheitsbild und die sich daraus möglicherweise ergebenden Änderungen einzustellen sowie die sich aus dem jeweiligen Krankheitsbild ergebenden Besonderheiten (z.B. eine Sturzgefahr) bei der Behandlung zu berücksichtigen.
38 
c) Hinsichtlich der Schätzung des Zeitaufwands für das Anlegen der Orthesen ist der von der Sachverständigen geschätzte Zeitaufwand zu hoch. Der Senat hält allenfalls die Hälfte des von der Sachverständigen geschätzten Zeitaufwands von insgesamt 21 Minuten, mithin 10,5 Minuten für angemessen. Sie berücksichtigt insoweit zwar, dass beim Kläger Spastiken auftreten können, die vor dem Anlegen oder Ablegen zunächst gelöst werden müssen. Aus ihrem Gutachten und aus den vorliegenden ärztlichen Berichten ergibt sich nicht, dass der Kläger ständig an Spastiken leidet, die vor jedem Anlegen oder Ablegen der Orthese gelöst werden müssen. Vielmehr können diese nur auftreten. Die Beklagte und auch das SG verweisen insoweit zutreffend darauf, dass die Sachverständige beim Ankleiden einen deutlich geringeren Zeitwert berücksichtigt hat, obgleich auch insoweit sich die Problematik des Lösung von Spastiken stellen kann. Das Anlegen und Ablegen der Orthese ist sehr einfach. Dies ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Produktinformation, die ausdrücklich als einen der Vorteile dieser Orthesen die einfachste Handhabung im täglichen Gebrauch bezeichnet.
39 
d) Der von der Sachverständigen Ga.-Ge. in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12. Oktober 2010 zusätzlich angenommene Zeitaufwand von drei Minuten für Umlagern in einem Pflegebett, ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, nicht nachvollziehbar. Sie sah keinen Hilfebedarf bei der Verrichtung des Aufstehen und Zubettgehens. Ein solcher ist auch vom Kläger nicht behauptet worden. Daraus ist zu schließen, dass der Kläger sich selbstständig aus dem Bett erheben und in das Bett gehen kann. Weshalb dann Hilfe beim Umlagern erforderlich sein soll, erschließt sich nicht.
40 
e) Von dem von der Sachverständigen Ga.-Ge. geschätzten Zeitaufwand von 125 Minuten sind somit 39 Minuten (15 Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, 21 Minuten für das Anlegen und Ablegen der Orthesen sowie drei Minuten für das Umlagern) abzuziehen, so dass sich ein Zeitaufwand von 86 Minuten ergibt. Hinzuzurechnen sind stattdessen 10,5 Minuten für das Anlegen der Orthesen sowie für die Jahre 2009 und 2010 drei Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, so dass sich ein Zeitaufwand von gerundet 100 Minuten ergibt. Ab dem Jahr 2011 kommen weitere drei Minuten hinzu, so dass sich ein Zeitaufwand von gerundet 103 Minuten ergibt.
41 
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
42 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Tenor

Die Klage des Klägers gegen den Bescheid vom 18. Februar 2011 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I.
Der am 1960 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er leidet insbesondere an depressiven Störungen, die zu Angstzuständen, einer Antriebsminderung und auch schon zu Suizidversuchen führten. Außerdem bestehen der Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie, eine Adipositas und eine Lipoproteinstoffwechselstörung sowie seit August 2009 Gefühlsstörungen in den Beinen und chronische Schmerzen in Hüfte und Schultern. Seit 11. Oktober 2004 bestand beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 90. Seit 07. Dezember 2009 beträgt der GdB 100. Zusätzlich sind die Nachteilsausgleiche G, B und RF festgestellt (Bescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 11. Juni 2010).
Am 13. März 2008 beantragte der Kläger bei der beklagten Pflegekasse die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung in Form von Pflegegeld. Er fügte den Pflegebogen zur Vorlage beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) für den grundpflegerischen Hilfebedarf vom 12. März 2008 und auszugsweise den Entlassungsbericht des Zentrums für Psychiatrie E. vom 03. Dezember 2007 über seinen stationären Aufenthalt vom 14. bis 24. November 2007 wegen Suizidalität sowie ein ärztliches Attest des Arztes für Neurologie/Psychiatrie Dr. J. vom 11. März 2008, wonach er seit Jahren unter einer chronischen Depression und Angstzuständen leide und wegen latenter Suizidalität nicht alleine sein könne und auf die Betreuung seiner Ehefrau angewiesen sei, bei. Seine Ehefrau, die ihn pflegt, führte ergänzend aus, dass er sehr wacklig auf den Beinen sei und wegen ständiger Sturzgefahr von ihr geduscht und angekleidet werden müsse. Durch die seelische Erkrankung sei er stark antriebsgemindert, kraftlos und teilweise auch vergesslich. Ohne ihre, der Pflegeperson, Hilfe würde er seine Medikamente und sein Insulin und sogar das Essen nicht regelmäßig zu sich nehmen. Wenn die depressiven Schübe sehr stark seien, müsse sie die Haustüre abschließen, weil der Kläger sonst weglaufen und sich umbringen würde. Pflegefachkraft F. vom MDK untersuchte den Kläger daraufhin am 21. April 2008 und erstattete das Gutachten vom 24. April 2008. Sie führte aus, pflegebegründende Diagnosen seien chronisch therapieresistente Depressionen und Angstzustände, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie und eine Suizidgefährdung. Insgesamt betrage der Pflegebedarf in der Grundpflege 13 Minuten. Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege bestehe tagesdurchschnittlich im Umfang von zehn Minuten, und zwar sechsmal wöchentlich als Anleitung bei der Ganzkörperwäsche mit einem tagesdurchschnittlichen Zeitaufwand von sechs Minuten, einmal wöchentlich als Unterstützung und Beaufsichtigung beim Duschen mit einem tagesdurchschnittlichen Zeitaufwand von drei Minuten sowie zweimal täglich als Anleitung bei der Zahnpflege mit einem tagesdurchschnittlichen Zeitaufwand von einer Minute. Beim Kläger bestehe teilweise ein Selbstversorgungsdefizit, er müsse immer wieder zur Körperpflege animiert werden, die Durchführung gelinge selbstständig, ebenso verhalte es sich mit Blick auf die Zahnpflege. Die Toilettengänge würden komplett selbstständig bewältigt. Hilfebedarf im Bereich der Ernährung sei nicht erforderlich. Bei der Mobilität bestehe ein Zeitbedarf von drei Minuten tagesdurchschnittlich und zwar jeweils eine Minute Unterstützung tagesdurchschnittlich bezüglich der Anleitung beim Ankleiden und Entkleiden sowie zweimal wöchentlich mit einem tagesdurchschnittlichen Zeitbedarf von ebenfalls einer Minute Beaufsichtigung bei Stehen/Transfer. Es müsse auf regelmäßigen Wäschewechsel geachtet werden. An- und auskleiden könne sich der Kläger komplett selbstständig. Mit Bescheid vom 30. April 2008 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag ab.
Hiergegen legte der Kläger am 05. Mai 2008 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, die Beklagte habe keine fachliche Kompetenz, um darüber zu entscheiden, wie viel Pflege und Zeitaufwand ein schwer psychisch erkrankter Mensch überhaupt benötige. Seine Ehefrau müsse ihn 24 Stunden lang pflegen und betreuen. Morgens müsse sie ihm erst mal aus dem Bett helfen und ihn auskleiden. Dann müsse sie ihn mit sehr viel Zeitaufwand dazu bringen, dass er sich im Badezimmer hinsetze. Da er durch seine Krankheit stark schwitze, müsse sie ihn auskleiden und komplett (ganzer Körper) waschen. Dies sei schon allein wegen seiner Hautallergie notwendig. Er müsse rasiert werden, die Zähne müssten ihm geputzt, die Haare gekämmt und das Gesicht gewaschen werden. Er könne zwar seine Arme bewegen, aber er sei körperlich geschwächt und durch die schwere Depression antriebslos. Nach dem Waschen müsse seine Ehefrau ihn am Bauch und an den Oberschenkeln und Händen mit Kortisonsalbe einreiben, die Füße pflegen und gründlich auch zwischen den Zehen trocknen sowie nach Verletzungen schauen und eincremen. Dann müsse sie ihn komplett ankleiden und an den Frühstückstisch setzen. Dort gebe sie ihm die von ihr gerichteten Tabletten, messe den Blutzucker, spritze Insulin und richte ihm das Frühstück. Danach setze sie ihn in den Wohnzimmersessel. Sie müsse auch darauf achten, dass er genug trinke. Seine Ehefrau müsse ständig in der Nähe sein, weil er unter Angstzuständen und Suizidgedanken leide. Sie müsse ihn auch beim Einkaufen etc. mitnehmen, wo er dann im Auto auf sie warte. Während des Tages verlagere ihn seine Ehefrau, wenn er schlafen wolle, ins Bett. Zum Mittagessen müsse er von seiner Ehefrau wieder an den Tisch gesetzt werden. Bei allen Toilettengängen, Händewaschen usw. brauche er ihre Hilfe, weil er stark sturzgefährdet sei. Nach dem Mittagessen und der Tabletteneinnahme, dem Blutzuckermessen und Insulinspritzen kleide ihn seine Ehefrau um und bringe ihn zu Bett. Nach zwei Stunden setze sie ihn wieder in den Fernsehsessel. Dort bekomme er Kaffee und eine Zwischenmahlzeit. Außerdem müssten wieder Blutzucker gemessen und Insulin gespritzt werden. Zur Abendbrotzeit setze ihn seine Ehefrau an den Küchentisch und richte ihm das Abendessen wiederum mit Blutzuckermessen, Insulinspritzen und Tablettenrichten und -geben. Da er stark schwitze, müsse er auch gelegentlich mittags und immer abends komplett gewaschen und mit Kortisonsalbe eingerieben werden. Mehrmals täglich benutze seine Ehefrau auch Babysalbe zum Pflegen. Abends bringe ihn seine Ehefrau mit Umkleiden etc. ins Bett. Um 22:00 Uhr müsse sie ihn wecken, Blutzuckermessen und Nachtinsulin spritzen. Nachts brauche er auch Hilfe zum Toilettengang und beim Trinken. Wenn er ganz schlimme Depressionsschübe habe, müsse seine Ehefrau Türen und Fenster verschließen und Tabletten verstecken, dass er sich nichts antue. In dem daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 18. Juli 2008 aufgrund einer Untersuchung am 03. Juni 2008 nannte Pflegefachkraft S. als pflegebegründende Diagnose eine Antriebsminderung bei endogener Depression und als weitere Diagnosen einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus, Polyneuropathie, Bluthochdruck, Gicht, Zustand nach mehreren Suizidversuchen und Übergewicht. Er schätzte den Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege auf 16 Minuten (Körperpflege zwölf Minuten, Mobilität vier Minuten). Das Aufstehen vom Sitzen werde selbstständig und langsam durchgeführt. Der Kläger könne gut frei stehen, selbstständig und ohne Hilfsmittel mit einem sicheren Gangbild in seiner Wohnung gehen, außerhalb der Wohnung gehe er mit Gehstock und personeller Hilfe. Das Bücken im Sitzen gelinge ihm bis zu den Fußzehen. Beim Transfer in die Stehdusche werde er personell begleitet. Die grobe Kraft beim Händedruck sei normal, der Pinzettengriff werde korrekt durchgeführt, Faustschluss sei möglich, die Feinmotorik erhalten und auch Nacken- und Schürzengriff würden endgradig durchgeführt. Stuhlgang und Wasserlassen seien unauffällig. Der Kläger müsse immer wieder zur Körperpflege motiviert werden und brauche Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen im Sinne der Tagesstrukturierung. Kleidungsstücke müssten für ihn ausgewählt und angereicht werden. Das Einreiben der Haut mit Kortisonsalbe wegen eines allergischen Erythems sei Behandlungspflege, ebenso das Tablettenrichten und -geben, Blutzuckermessen und Insulinspritzen. Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 28. Juli 2008 zusätzliche Betreuungsleistungen bei häuslicher Pflege nach § 45b Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) bewilligt und ihn mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag außerdem über das Ergebnis des von Pflegefachkraft S. erstatteten Gutachtens unterrichtet hatte, wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2008 zurück. Der Hilfebedarf für die Pflegestufe I müsse mindestens 90 Minuten täglich umfassen, wobei die Grundpflege einen Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten in Anspruch nehmen müsse. Sowohl bei der Erst- als auch bei der Zweitbegutachtung durch den MDK habe ein solcher Hilfebedarf nicht festgestellt werden können. Der Kläger müsse wegen seiner schweren Depression sehr intensiv betreut und beaufsichtigt werden. Die allgemeine Betreuung und Beaufsichtigung könne jedoch nach den Begutachtungs-Richtlinien nicht als Pflegezeit berücksichtigt werden. Das Einreiben der Haut, das Richten der Tabletten, das Blutzuckermessen und Insulinspritzen sei dem Bereich der Behandlungspflege zuzuordnen und könne ebenfalls nicht als Hilfebedarf angerechnet werden.
Bereits am 04. August 2008 hatte der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Als Behinderter werde man in Deutschland ausgegrenzt und abgelehnt. Von den Gutachtern des MdK, die nicht geprüft hätten, ob er gangunsicher sei und wie lange er für die Körperpflege etc. brauche, sei er beschimpft worden. Man habe ihm gesagt, er solle sich zusammenreißen und seine Ehefrau solle ihn antreiben. Solche Aussagen seien menschenverachtend. Dies würden seine schwere Depression und die zusätzlichen Erkrankungen nicht zulassen. Seit 1999 sei er wegen Erwerbsunfähigkeit Rentner, sein Neurologe habe ihm schriftlich bestätigt, dass er betreut und gepflegt werden müsse, und der Beklagten liege auch der Entlassungsbericht der Psychiatrischen Klinik in E. vor. Er sei auf die dringende Hilfe seiner Ehefrau angewiesen. Diese habe deshalb ihren Beruf aufgeben müssen. Anlässlich der stationären Aufenthalte im Zentrum für Psychiatrie in E. sei sehr wohl seine durch die schwere Depression bedingte Antriebslosigkeit erkannt worden. Er habe dort nichts selbst gemacht. Bei seiner Entlassung habe er sich in einem verwahrlosten Zustand befunden. Aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Sc., Ärztlicher Direktor des Zentrums für Psychiatrie E., Abteilung Psychiatrie (hierzu im Folgenden) ergebe sich nichts anderes. Diese sage gerade nichts über seine Bedürftigkeit im häuslichen Bereich aus. Aus der - beigefügten - nervenärztlichen Bescheinigung des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K. vom 18. Januar 2000 ergebe sich, dass er, der Kläger, schon damals krankhaft antriebsgemindert gewesen sei und dies auch noch heute sei. Durch den zu spät behandelten Diabetes mellitus habe er Nervenschäden und schwere Gleichgewichtsstörungen und brauche daher Hilfe bei der Körperpflege und beim Ankleiden. Des Weiteren habe sich durch Beschwerden aufgrund eines Bandscheibenvorfalls und einer Wirbelsäulenverkrümmung sein Gesundheitszustand derart verschlechtert, dass beabsichtigt sei, eine Dauerschmerzmedikation durchzuführen. Zudem bestehe bei ihm nach wie vor eine Hüftarthrose beidseits und eine Kniearthrose und der - ebenfalls beigefügte - Arztbrief des Neurologen F. vom 06. August 2009 bestätige Drop-Attacks (am Ehesten sei von Drop-Attacks auszugehen, obwohl er, der Arzt, sonstige Hinweise für eine vertebro-basiläre Insuffizienz nicht finde). Wegen der Drop-Attacks sei ihm nunmehr ein Rollator verordnet worden. Trotzdem brauche er ständige Begleitung, und es sei auch eine permanente Anwesenheit der Pflegeperson erforderlich, weil er trotz Rollator die Stürze nicht verhindern könne und ein Sturz Verletzungen zur Folge haben könne. Dies müsse ebenfalls berücksichtigt werden. Im Übrigen ergebe sich auch aus dem Gutachten des Sachverständigen Ma. (hierzu im Folgenden), dass er ab 01. März 2008 Anspruch auf Leistungen nach Pflegestufe I habe. Er fügte weiter bei den Arztbrief des Dr. Nägele, Facharzt für Radiologische Diagnostik ohne Datum über eine Magnetresonanztomographie der Lendenwirbelsäule vom 01. September 2009 (Beurteilung: Protrusion mit Sequestration in der Etage LWK 5/SWK 1, leichte Vorwölbung der Bandscheibe LWK 4/5, keine Enge des Spinalkanals lumbal, Verlagerung, Irritation der Wurzel S1 links im Spinalkanal, etwas Reduktion lichte Weite Neuroforamen LWK 5 SWK 1 rechts im Entwicklungsgebiet der Wurzel L 5 rechts, keine Instabilität lumbal) und des Neurochirurgen Dr. Sm. vom 04. September 2009 (Diagnose: Chronisches Lumbalsyndrom, insulin- und metforminpflichtiger Diabetes mellitus, Adipositas permagna) sowie Atteste der Praktischen Ärztin Dr. Kr. vom 23. September 2009 (Kläger sei seit Jahrzehnten wegen wiederkehrender akuter Suizidalität im Rahmen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung und chronischen Depression auf eine 24-stündige, halt- und strukturgebende psychiatrische Pflege angewiesen) und des Praktischen Arztes V. vom 08. Oktober 2009 (Diagnosen: Arterielle Hypertonie, Depression, insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ II mit Folgeerkrankungen, Drop-Attacks; der Kläger benötige zur sicheren Fortbewegung bei Fallneigung und Gangunsicherheit einen Rollator).
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie trug zunächst vor, ausweislich der Gutachten der Pflegefachkräfte F. und S. lägen die zeitlichen Voraussetzungen für die Zubilligung der Pflegestufe I nicht vor. Die darüber hinausgehenden Zeiten der Beaufsichtigung könnten im Bereich der Grundpflege nicht berücksichtigt werden. Gegen das von dem Sachverständigen Ma. erstattete Gutachten wandte die Beklagte ein, dass die von dem Sachverständigen Ma. getroffenen Zeitansätze teilweise zu hoch seien, von einer vollen Übernahme der Verrichtungen ausgingen und lediglich pauschal mit allgemeinen Definitionen des Krankheitsbildes, jedoch nicht mit dem konkreten Hilfebedarf des Klägers begründet würden, weshalb das Gutachten keine geeignete Grundlage sei, um Leistungen der Pflegestufe I zu begründen. Mit Blick auf die von dem Sachverständigen Ma. wegen der Antriebslosigkeit des Klägers angenommene volle Übernahme der Grundpflege sehe der MDK in seinem Gutachten vom 30. Januar 2009 (hierzu im Folgenden) eine krankheitsbedingte Antriebslosigkeit beim Kläger nicht als gegeben an. Auch in den Entlassberichten des Zentrums für Psychiatrie in E. vom 2007 und Dezember 2008 (hierzu im Folgenden) werde eine krankheitsbedingte Antriebslosigkeit nicht beschrieben. Diesen Feststellungen widerspreche auch nicht die Darstellung der Ehefrau des Klägers, die dargelegt habe, dass sie den Kläger in einem nicht befriedigenden Pflegezustand nach Hause abgeholt habe. Die Ehefrau weise insbesondere auf einen festgestellten Mundgeruch durch mangelhafte Pflege von Mund und Zähnen sowie auf einen Körpergeruch und einen unzureichenden Wäschewechsel hin. Dies widerspreche jedoch nicht den Zeitansätzen und dem Hilfebedarf in Form der Anleitung und Motivation, wie er auch vom MDK festgestellt worden sei. Auch auf der Grundlage der Stellungnahme von Dr. Sc. könne eine Antriebslosigkeit, die einen besonderen Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege verursache, nicht bestätigt werden. Außerdem nehme der Sachverständige Ma. neben einer täglichen Teilwäsche des Oberkörpers mit dem vollen Zeitansatz von acht Minuten daneben auch ein tägliches Baden mit einem in Frage zu stellenden Zeitansatz von 15 Minuten an. Der MDK habe dagegen neben einer täglichen Ganzkörperwäsche alternativ ein Duschen angenommen. Zur Unterstützung ihrer Auffassung legte die Beklagte die auf ihre Veranlassung erstatteten Gutachten der Pflegefachkraft Dr. H., MDK, vom 30. Januar 2009 und 03. November 2009 sowie der Pflegefachkraft L., MDK, vom 26. Mai 2009 vor. Dr. H. schätzte in ihrem ersten Gutachten den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 17 (richtig 18) Minuten (Körperpflege zwölf Minuten, Mobilität fünf (richtig sechs) Minuten). Sie führte aus, wenn beim Kläger eine krankheitsbedingte Antriebslosigkeit vorliegen würde, würde sich die Antriebslosigkeit dadurch äußern, dass der Kläger die grundpflegerische Verrichtung - hier die Ganzkörperwäsche - durchführen wolle, aber nicht durchführen könne. Dann müsse er zu dieser Verrichtung konsequent angeleitet werden, indem die Pflegeperson die Verrichtung in viele kleine Einzelschritte unterteile und den Versicherten anleite. Unter Berücksichtigung dessen sei der von Gutachter S., MDK, im Gutachten vom 18. Juli 2008 festgestellte tägliche Hilfebedarf in Form einer Anleitung für die Ganzkörperwäsche/das Duschen/das Baden von neun Minuten pro Tag nachvollziehbar. Dieser Hilfebedarf spiegele den konkreten zeitlichen Anleitungsbedarf des Klägers wider, der krankheitsbedingt die Körperpflege etwas vernachlässige. Im Bereich der Körperpflege sei nicht nachvollziehbar, dass der Sachverständige Ma. keinen Hilfebedarf bei der Mund- und Zahnpflege und bei der Rasur des Bartes festgestellt habe. Die Tatsache, dass der Kläger die Zahnpflege nicht durchführen wolle, begründe nicht, dass hier kein Hilfebedarf für die Anleitung zur regelmäßigen Zahnpflege bestehe. Der bestehende Hilfebedarf müsse erfasst und dokumentiert werden, auch wenn die Hilfe nicht geleistet werde. Dieser Hilfebedarf sei mit zwei Minuten pro Tag für die Zahnpflege und mit einer Minute pro Tag für die Rasur des Bartes zu berücksichtigen. Nicht nachvollziehbar sei auch der vom Sachverständigen Ma. dokumentierte zeitliche Hilfebedarf von vier Minuten für das Aufstehen und Zubettgehen sowie von zwölf Minuten für die volle Übernahme des An- und Auskleidens. Der bewusstseinsklare und voll orientierte Kläger, der motorisch in der Lage sei, selbstständig aus dem Bett aufzustehen, benötige die personelle Unterstützung beim Aufstehen und Zubettgehen im Sinne einer Tagesstrukturierung, hierfür sei ein Hilfebedarf von zwei Minuten pro Tag ausreichend. Für das An- und Auskleiden sei der Bedarf mit zwei Minuten pro Tag angemessen berücksichtigt. Der vom Sachverständigen Ma. angesetzte Ansatz von einer Minute pro Tag für das Auffordern ins Bad zu gehen, zähle zum Hilfebedarf bei der Ganzkörperwäsche/dem Duschen/dem Baden und müsse somit bei dieser Verrichtung berücksichtigt werden. Aus gutachtlicher Sicht sei auch der vom Sachverständigen Ma. angesetzte zeitliche Hilfebedarf für den Transfer in die Badewanne von sieben Minuten pro Tag nicht nachvollziehbar. Der insoweit anfallende Gesamthilfebedarf betrage zwei Minuten. Pflegefachkraft L., MDK, schätzte in seinem Gutachten vom 26. Mai 2009 den grundpflegerischen Gesamthilfebedarf unter gutachterlicher Würdigung der pflegerelevanten Vorgeschichte und Befunde auf 17 Minuten täglich (Körperpflege zwölf Minuten, Mobilität fünf Minuten). Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. H. ein weiteres Gutachten nach Aktenlage vom 03. November 2009. Aufgrund der aufgetretenen Drop-Attacks unter Berücksichtigung eines Hilfebedarfs pro Vorgang von maximal einer Minuten und sieben täglich auftretenden Stürzen schätzte sie einen zusätzlichen Hilfebedarf von sieben Minuten pro Tag, weshalb der grundpflegerische Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege (weiterhin) zwölf Minuten und im Bereich der Mobilität ebenfalls zwölf (richtig dreizehn) Minuten betrage.
Im Auftrag des SG erstattete Diplom-Pflegewirt (FH) Ma. das Gutachten vom 07. November 2008 aufgrund einer Untersuchung des Klägers im häuslichen Umfeld am 05. November 2008. Er schätzte den zeitlichen Aufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 53 Minuten täglich (Körperpflege 29 Minuten, Mobilität 24 Minuten). Die Antriebslosigkeit des Klägers sei symptomatisch für die bei ihm vorliegende Erkrankung rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode. Sie setze sich beim Kläger auch auf die Motivation zur Körperpflege fort. Bei der Untersuchung habe sich der Kläger als affektlabil, aggressiv und rigide dargestellt. Er sei schnell aggressiv geworden, aber auch schnell wieder auf einen vertretbaren Stimmungslevel zu bringen gewesen. Die Rigidität begründe sich in seinem starren Festhalten an der Meinung, nie mehr zu einem Zahnarzt zu gehen, seine Zähne zu putzen und sich selbstständig zu waschen. Der Diabetes mellitus habe Auswirkungen auf die Körperpflege. Wegen der trockenen Haut an den Füßen müssten dem Kläger nach dem Duschen die Füße eingecremt werden. Bei der Teilwäsche des Oberkörpers (sieben Mal pro Woche mit einem Zeitaufwand von acht Minuten täglich), der Hände/Gesicht (vier Mal täglich mit einem Zeitaufwand von vier Minuten täglich) sei ebenso wie beim Baden (ein Mal täglich mit einem Zeitaufwand von 15 Minuten täglich) und beim Eincremen der Füße (ein Mal täglich mit einem Zeitaufwand von zwei Minuten täglich) eine volle Übernahme erforderlich. Außerdem müsse das morgendliche Aufstehen, das Hinlegen zur Mittagsruhe, das anschließende Aufstehen und das Hinlegen zur Nachtruhe (jeweils eine Minute Zeitaufwand täglich) und das gesamte An- (Zeitaufwand von acht Minuten täglich) und Entkleiden (Zeitaufwand von vier Minuten täglich) ebenso wie die Aufforderung ins Bad zu gehen (sechs Mal täglich mit einem Zeitaufwand von einer Minute täglich) voll übernommen werden. Beim Ein- und Aussteigen aus der Badewanne benötige der Kläger wegen eines Bandscheibenvorfalls teilweise Unterstützung (sieben Mal pro Woche mit einem Zeitaufwand von sieben Minuten täglich). In der auf Veranlassung des SG abgegebenen ergänzenden Stellungnahme vom 11. Dezember 2008 gab der Sachverständige Ma. an, dass für das Ein-/Aussteigen in/aus der Badewanne insgesamt nur eine und nicht sieben Minuten täglich angenommen werden könne, weshalb der gesamte pflegerische Hilfebedarf 47 Minuten betrage. In der weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 04. Januar 2009 führte der Sachverständige aus, dass allgemein bekannt sei, dass Motivation und Anleitung zur Übernahme einer Verrichtung einen deutlich höheren Zeitaufwand bedeute als die bloße vollständige Übernahme, bei der es noch nicht einmal ein Widerstandsverhalten gebe. Es sei bei einem selbst vom MDK anerkannten Körpergewicht des Klägers von 120 kg und wegen der vegetativen Symptome, die bei Depressionen sehr körpernah erlebt würden, absolut nachvollziehbar, dass der Kläger einmal täglich geduscht werde und außerdem einmal am Tag noch den Oberkörper gewaschen bekomme. Mit einem Zeitwert von 15 Minuten für die Verrichtung Duschen habe er unter Berücksichtigung eines Körpergewichts des Klägers und einer Körpergröße von 191 cm, zumal gerade bei adipösen Menschen besonders auf die Pflege der Hautfalten zu achten sei, den unteren Korridorwert berücksichtigt.
Das SG zog die Entlassungsberichte des Zentrums für Psychiatrie E. über die stationären Aufenthalte des Klägers in der Zeit vom 14. bis 24. November 2007 und 25. bis 29. Dezember 2008 (Zustand nach Suizidversuch mit Überdosis Insulin, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode, insulinpflichtiger Diabetes mellitus, Hypertonie) bei und hörte Dr. J. und Dr. Sc. als sachverständige Zeugen. Dr. J. (Auskunft vom 04. März 2009) gab an, dass ihn der Kläger letztmals am 29. November 2007 aufgesucht und dabei erklärt habe, dass es ihm nach dem stationären Aufenthalt im Zentrum für Psychiatrie im November 2007 wieder „ganz gut“ gehe. Im Februar und Mai 2008 sei er in telefonischem Kontakt mit der Ehefrau des Klägers gestanden, und außerdem habe er am 28. Februar 2009 ein - beigefügtes - Schreiben des Klägers oder seiner Ehefrau erhalten. Dr. Sc. führte unter dem 20. Mai 2009 aus, dass anlässlich der stationären Aufenthalte des Klägers im Zentrum für Psychiatrie im November 2007 und Dezember 2008 die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung gestellt worden sei. Während des Aufenthalts seien keine Bewegungsstörungen aufgefallen, das Krankheitsbild sei geprägt von sozialen Ängsten und Unsicherheit sowie depressivem Erleben. Motorisch und vom Antrieb her sei der Kläger in der Lage gewesen, Essen zu sich zu nehmen, alleine ins Bett zu gehen, sich zu kleiden und die Toilette aufzusuchen. Inwieweit sich das Krankheitsbild des Klägers außerhalb der stationären Behandlung derart verschlechtere, dass er hierzu aufgrund einer schweren Antriebsstörung nicht mehr im Stande wäre, könne aufgrund der Unterlagen nicht beurteilt werden.
Mit Urteil vom 30. November 2009 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Zuordnung zur Pflegestufe I und Gewährung der entsprechenden Leistungen in Form von Pflegegeld. Zwar bestehe ein hinreichender Bedarf von 45 Minuten täglich im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung, jedoch erreiche das Maß der Hilfebedürftigkeit im Bereich der Grundpflege nicht mehr als 45 Minuten pro Tag. Die für diese Verrichtungen angesetzten Zeitwerte durch den Sachverständigen Ma. seien zu hoch, da die beim Kläger vorliegende Antriebsminderung nicht so erheblich sei, dass eine vollständige Übernahme der Verrichtungen im Bereich der Körperpflege oder des An- und Ausziehens erforderlich sei. Für die Annahme der Notwendigkeit einer vollständigen Übernahme dieser Tätigkeiten spreche zwar die plastische Schilderung des Sachverständigen wie die Körperpflege des Klägers am Tage der Begutachtung stattgefunden habe. Nach Ansicht der Kammer sei der Kläger jedoch trotzdem noch, auch psychisch, in der Lage, bei zumutbarer Willensanstrengung diese Verrichtungen selbst (zumindest teilweise) durchzuführen. Die Kammer komme zu diesem Schluss aufgrund des persönlichen Eindrucks, den sie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung, bei der der Antrieb des Klägers nicht erheblich gemindert gewirkt habe, gewonnen habe und der vorliegenden sachverständigen Zeugenaussagen. Der geringere Hilfebedarf ergebe sich auch daraus, dass nach den Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) bei den Verrichtungen der Grundpflege, bei denen der Kläger hilfebedürftig sei, geringere Zeitwerte anzusetzen seien als von dem Sachverständigen angenommen. Auch die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten stützten diese Ansicht. Hinreichend berücksichtigt sei hierbei sowohl das vom Sachverständigen Ma. angenommene Erfordernis, dass der Kläger neben einer Ganzkörperwäsche noch eine Teilwäsche des Oberkörpers am Nachmittag benötige, dem die Kammer folge. Die seit 2008 auftretenden Drop-Attacks seien zum Zeitpunkt der Begutachtung bereits bekannt gewesen. Für die Kammer sei nicht ersichtlich, welcher konkrete und medizinisch notwendige, bisher jedoch noch nicht berücksichtigte Hilfebedarf aus den Drop-Attacks folge. Hier sei auch auf den Einwand der Beklagten zu verweisen, dass Stürze aufgrund des plötzlichen Auftretens ohne Vorankündigung auch nicht durch ständige Begleitung vermieden werden könnten. Insofern könne auch die Begleitung bei Toilettengängen nicht berücksichtigt werden. Hierbei handele es sich um Pflege, die durch die engagierte Ehefrau des Klägers über das medizinisch Notwendige hinaus geleistet werde. Die Kammer verkenne auch nicht die weiteren Einwände des Klägers bezüglich des Richtens von Medikamenten und der Versorgung des Haushalts. Hierbei handele es sich jedoch um Verrichtungen der hauswirtschaftlichen Versorgung bzw. der Behandlungspflege, die nicht zu den Verrichtungen der Grundpflege gehörten.
10 
Mit Bescheid vom 09. Dezember 2009, der eine Rechtmittelbelehrung enthielt, wonach er mit dem Widerspruch anzufechten sei, lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des SG vom 30. November 2009 den vom Kläger am 24. November 2009 gestellten Antrag auf Pflegestufe II ab und hob mit weiterem Bescheid vom 09. Dezember 2009 die mit Bescheid vom 12. Februar 2009 vorläufige Zubilligung der Pflegestufe I für die Zeit vom 01. November 2008 mit Ablauf Dezember 2009 wieder auf.
11 
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 18. Januar 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Januar 2010 Berufung eingelegt. Die vom Sachverständigen Ma. angesetzten Zeiten seien richtig ermittelt. Sie seien plausibel und logisch und könnten nicht durch Beobachtungen der Kammer aufgrund eines kurzen nicht vollständigen Einblicks ersetzt werden. Der Sachverständige Ma., der ihn in seiner tagtäglichen Situation beobachtet habe, sei letztlich der einzige, der tatsächlich beurteilen könne, dass bei ihm der Hilfebedarf nach Pflegestufe I gegeben sei. Es handele sich bei ihm nicht nur um eine chronische Depression, sondern um eine therapieresistente chronische Depression und die Drop-Attacks würden darüber hinaus zwischenzeitlich nicht nur zeitweilig, sondern regelmäßig auftreten. Obwohl die Kammer anders als der Sachverständige Ma. selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfüge, um beurteilen zu können, ob er, der Kläger, ausreichend motiviert werden könne, die Grundpflege teilweise oder insgesamt selbst auszuführen, komme sie zu einem von einem Sachverständigen festgestellten abweichenden Ergebnis. Soweit das SG der Ansicht sei, der Sachverständige habe die erforderlichen Minuten für die Grundpflege zu hoch angesetzt, sei eine solche Einschätzung durch die Kammer gar nicht möglich, da sie selbst nie zugegen gewesen sei, wenn die Pflege vorgenommen worden sei. Selbst wenn man davon ausgehen wolle, die Kammer würde über die entsprechende Sachkunde verfügen, so sei allein der Eindruck der Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht geeignet, um abschließend seine Situation zu bewerten. Er habe vor der Verhandlung mehr als die doppelte Menge an Beruhigungsmitteln erhalten als ärztlicherseits verordnet. Als Nebenwirkung trete bei diesem Medikament dann eine sogenannte „Aufgedrehtheit“ auf. Tatsächlich sei seine Situation bei normaler Medikamentation gänzlich anders. Daran änderten auch die Stellungnahmen der sachverständigen Zeugen nichts. Diese hätten selbst mitgeteilt, dass der Antrieb zwar ungestört „wirkte“, jedoch eine abschließende Beurteilung gerade nicht möglich sei, weil man ihn, den Kläger, gerade nicht in seiner häuslichen Umgebung erlebt habe. Hinzu komme, dass er in einem verwahrlosten Zustand aus der Klinik gekommen sei. Ergänzend hat der Kläger vorgetragen, dass sich sein Gesundheitszustand mittlerweile weiter verschlechtert habe. Es hätten nunmehr alle seine Zähne gezogen werden müssen. Aufgrund der aktuellen Situation schaffe er häufig den Gang zur Toilette nicht mehr rechtzeitig, sodass ein erhöhter Aufwand bei der Reinigung notwendig sei. Von der Krankenkasse erhalte er nunmehr einen Rollstuhl, den er außerhalb der Wohnung nutzen könne. Dieser müsse von seiner Frau gefahren werden. Aufgrund der benötigten Medikamente sei er nicht in der Lage, einen Elektrorollstuhl sicher im öffentlichen Verkehr zu führen. In der rechten Schulter habe er außerdem einen großen Knochensporn, weshalb er am 19. Mai 2011 operiert werden müsse. In der linken Schulter habe er das gleiche Problem. Außerdem habe er beidseits eine starke Hüftarthrose, die ebenfalls dafür sorge, dass er ständig stürze und kaum ein paar Meter laufen könne. Er hat ein Pflegetagebuch mit der Beschreibung eines typischen Tages beigefügt.
12 
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Eine krankheitsbedingte Antriebslosigkeit des Klägers habe aufgrund der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen nicht festgestellt werden können. Dies ergebe sich schwerpunktmäßig vielmehr nur aus den subjektiven Schilderungen des Klägers und seiner Ehefrau, die allerdings angesichts der angespannten finanziellen Verhältnisse auch von dem Begehren getragen zu sein schienen, durch entsprechende Einlassungen Leistungen zumindest der Pflegestufe I zugebilligt zu erhalten. Die Bewertung des Sachverständigen Ma. sei im Wesentlichen davon geprägt, dass er die subjektiven Angaben des Klägers und seiner Ehefrau unkritisch seinem Gutachten zugrunde lege und im Übrigen in abstrakter Weise aus dem Vorliegen eines (angeblich) gesicherten Krankheitsbildes einer krankheitsbedingten geminderten Antriebslosigkeit einen Rückschluss auf einen erhöhten Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege ziehe. Diese Bewertung des Hilfebedarfs sei dabei jedoch nicht in ausreichender Weise durch eigene konkrete Feststellungen gedeckt, sondern in abstrakter Weise von dem Begriff der Antriebslosigkeit hergeleitet. Das persönliche Auftreten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem SG habe sehr deutlich gezeigt, dass dieser durchaus in der Lage sei, seine Lebenssituation zu beschreiben, folgerichtig zu handeln und selbst in großem Umfang initiativ zu werden. Auch von einer Notwendigkeit einer ständigen Begleitung des Klägers wegen drohender Drop-Attacks sei während der mündlichen Verhandlung vor dem SG nichts zu erkennen gewesen. Die Feststellungen des MDK in seinem Gutachten vom 26. Mai 2009 unter Auswertung der vorliegenden Krankenhausberichte bestätigten ausdrücklich, dass eine krankheitsbedingte Antriebsminderung gerade nicht festzustellen sei. Die Darstellung der Klägerseite, ein entsprechendes Verhalten sei ausschließlich auf die erhöhte Medikation am Verhandlungstag zurückzuführen, erscheine deshalb wenig überzeugend. Im Übrigen weise der MDK in seinem Gutachten vom 26. Mai 2009 auch zutreffend darauf hin, dass bei einer Depression immer die individuellen Symptome der Erkrankung sowie das Ausmaß daraus resultierender Funktionsstörungen zu berücksichtigen sei. Genau von diesen Anforderungen weiche der Sachverständige Ma. in seinem Gutachten ab. Es sei dem Kläger einzuräumen, dass zwischenzeitlich wohl eine Zunahme der Schulterbeschwerden eingetreten sei. Aufgrund der weiter eingeschränkten Schulterbeweglichkeit sei davon auszugehen, dass sich hierdurch auch die Notwendigkeit der erforderlichen Hilfe im Bereich der Grundpflege verändert habe und von einem erhöhten Hilfebedarf auszugehen sei. Nachdem über die Bewertung des erforderlichen Hilfebedarfs seitens des MDK jedoch keine Einigkeit habe erzielt werden können, halte sie zum jetzigen Zeitpunkt ein weiteres Gutachten mit Hausbesuch seitens des MDK nicht für zielführend.
13 
Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat der Kläger am 13. Januar 2011 erneut einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung gestellt. Die Beklagte hat daraufhin Pflegefachkraft F. vom MDK mit der Erstattung eines weiteren Gutachtens beauftragt. Pflegefachkraft F. hat den Kläger am 10. Februar 2011 untersucht und am 14. Februar 2011 ihr Gutachten erstattet. Sie hat den Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege mit täglich 16 Minuten angegeben (Körperpflege neun Minuten, Mobilität sieben Minuten). Der Kläger sei liegend auf dem Sofa angetroffen worden, er habe sich unaufgefordert, selbstständig von der liegenden Position in die sitzende Position gebracht. Das Aufstehen von dem sehr niedrigen Sofa sei ihm sehr mühsam gelungen. Er habe sich dabei am Rollator festhalten müssen. Mit dem Rollator könne der Kläger selbstständig gehen. Sein Gangbild sei zum Begutachtungszeitpunkt sicher gewesen. Er könne auch frei stehen. Er habe angegeben, dass ihm mit Hilfe des Bettbügels das Aufstehen/Zubettgehen selbstständig gelinge. Beim Transfer in die Badewanne sei Hilfestellung erforderlich. Die Beine müssten in die Badewanne hinein und wieder herausgehoben werden. Während des Hausbesuchs habe der Kläger spontan (unaufgefordert) den rechten Socken ausgezogen und seine Knöchelgelenke gezeigt. Allen Anforderungen der Gutachterin sei der Kläger spontan nachgekommen. Vor einiger Zeit sei es nach dem Bericht des Klägers zu zweimaligem Einnässen gekommen, weshalb er jetzt öfter zur Toilette gehe. Die Toilettengänge bewältige er einschließlich der Intimhygiene und dem Richten der Bekleidung selbstständig. Die vollständige Übernahme der Körperpflege durch die Ehefrau des Klägers sei aus gutachtlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe keinerlei Bewegungseinschränkungen. Da er die Körperpflege vernachlässige, müsse er dazu aufgefordert werden. Nachvollziehbar sei nur, dass Rücken- und Füßewaschen von der Pflegeperson übernommen würden. Des Weiteren müsse er zur Zahnhygiene, zum Kämmen der Haare und zur Rasur aufgefordert werden. Unterstützung benötige er des Weiteren beim An- und Auskleiden im Bereich des Unterkörpers, dem Sockenanziehen und in die Hose einsteigen. Den Oberkörper könne er komplett selbstständig an- und auskleiden. Frische Kleidung müsse ihm gerichtet werden. Gestützt auf dieses Gutachten hat die Beklagte mit Bescheid vom 18. Februar 2011 den erneuten Antrag des Klägers auf Leistungen aus der Pflegeversicherung abgelehnt. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass die Entscheidung unmittelbar Gegenstand des Berufungsverfahrens werde.
14 
Der Senat hat die den Kläger betreffenden Akten des Landratsamts Ortenaukreis zur Einsicht beigezogen und hieraus Kopien gefertigt. Auf Bl. 28 bis 37 der LSG-Akte wird insoweit verwiesen.
15 
Sodann hat der Senat Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Ka. und Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. Da., Ortenauklinikum W. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. Ka. hat (Eingang beim Landessozialgericht am 24. August 2011) mitgeteilt, dass der Kläger an chronischen Depressionen leide, seine Beschwerden seien mit Medikamenten kaum beeinflussbar. Er traue sich nicht, die Wohnung zu verlassen. Die Mobilität habe sich auch verschlechtert, er stürze sehr oft. Sie hat ihre Unterlagen die Zeit vom 17. Juni 2002 bis 15. August 2011 betreffend beigefügt. Dr. Da. hat unter dem 13. September 2011 mitgeteilt, dass er den Kläger wegen eines Analekzems im Jahr 2008, nach Stürzen im August 2009 und Februar 2011 und im Mai 2011 wegen Schmerzen im Bereich der rechten Schulter bei subacromialem Impingement behandelt habe. Im Bereich der Schulter bestehe klinisch keine Bewegungseinschränkung, jedoch ein Impingementzeichen und Schmerzen bei der Hyperadduktion. Vereinbarte Operationstermine habe der Kläger verschoben und sich mittlerweile nicht mehr gemeldet.
16 
Schließlich hat der Senat von Amts wegen das Gutachten der Pflegeberaterin Dr. vom 24. Januar 2012 eingeholt. Sie hat den täglichen Zeitbedarf für Verrichtungen der Grundpflege auf insgesamt 37 Minuten (Körperpflege 25 Minuten, Mobilität zwölf Minuten) geschätzt. Der Antrieb des Klägers habe ungestört gewirkt. Er sei freundlich und kooperativ gewesen und habe bereitwillig Auskunft erteilt. Beim Waschen benötige der Kläger aufgrund seiner Adipositas, der eingeschränkten Beweglichkeit und des Diabetes sowie seines psychischen Zustands die vollständige Übernahme bezüglich des Ober- und Unterkörpers, des Rückens und der Beine. Geduscht werde dreimal täglich. Berücksichtigungsfähig seien pro Duschvorgang zehn Minuten täglich, allerdings könne nur die zweimal tägliche Durchführung berücksichtigt werden. Zusätzlich zu berücksichtigen sei die Teilwäsche von Hand und Gesicht von einer Minute täglich. Zwar führe der Kläger dies nicht durch, dies sei aber ein Sollhilfebedarf. Bezüglich der Zahnpflege und des Rasierens sei ein Hilfebedarf von jeweils zwei Minuten täglich erforderlich. Kämmen sei nicht berücksichtigungsfähig, da der Kläger einen extremen Kurzhaarschnitt habe. Bei der Darm- und Blasenentleerung habe der Kläger keine Probleme. Beim Aufstehen/Zubettgehen benötige der Kläger teilweise die Hilfe seiner Ehefrau. Hierfür seien im täglichen Schnitt zwei Minuten berücksichtigungsfähig. Für Ankleiden könnten ebenfalls zwei Minuten täglich, für das Entkleiden eine Minute täglich berücksichtigt werden. Ein Zeitaufwand für das Gehen müsse berücksichtigt werden, da sich der Kläger in der Wohnung seit März 2011 nur noch mit Hilfe des Rollstuhls bewege. Mit dem Rollstuhl fahre er nicht alleine, seine Ehefrau müsse ihn schieben. Als täglicher Gesamtaufwand seien insoweit fünf Minuten anrechenbar. Erforderlich sei im Zusammenhang mit dem Duschen auch zweimal täglich eine Hilfe beim Transfer vom Rollstuhl auf den Badelifter, hierfür sei ein Hilfebedarf von zwei Minuten täglich anzusetzen. Die Ehefrau des Klägers übernehme vollständig die pflegerischen Verrichtungen. Sie fordere den Kläger nicht auf, bestimmte Teile der Körperhygiene zu übernehmen. Abweichungen zu dem bereits vorliegenden Gutachten ergäben sich aus der Tatsache, dass sich der Kläger seit März 2011 nur noch mit Hilfe des Rollstuhls in der Wohnung fortbewegen lasse. Der erforderliche Zeitbedarf zum An- und Auskleiden sei aufgrund der vereinfachten Bekleidungsweise (Hose mit Gummizug) jedoch geringer als der festgestellte Zeitbedarf durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Ma. vom 07. November 2008. Die Beurteilung des damaligen Zeitbedarfs für diese Verrichtungen bei voller Übernahme ohne Abwehrverhalten und unter Berücksichtigung körperlicher Ressourcen für An- und Auskleiden erscheine ihr allerdings zu hoch. Die Zeitwerte für die Körperpflege seien alleine mit den körperlichen Einschränkungen (Adipositas, eingeschränkte Beweglichkeit, Diabetes) begründbar. Bei den sozialmedizinischen Gutachten werde nach ihrer Ansicht der pflegerische Hilfebedarf für die krankheitsbedingte Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege zu gering bewertet.
17 
Der Kläger hat dagegen vorgetragen, dass er das Gutachten der Sachverständigen Dr. keineswegs akzeptieren könne. Die Behauptung, dass sein Antrieb ungestört gewirkt habe, sei unwahr und eine Frechheit. Auch seien die pflegerischen Hilfeleistungen viel zu kurz berechnet worden.
18 
Der Kläger beantragt nunmehr (sachgerecht gefasst),
19 
den Bescheid vom 18. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. März 2008 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu gewähren.
20 
Die Beklagte beantragt (sachgerecht gefasst),
21 
die Klage abzuweisen.
22 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
23 
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten in beiden Instanzenzügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Denn der Kläger begehrt wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
25 
Streitgegenstand ist vorliegend allein der Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2011. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte - wie schon zuvor durch den Bescheid vom 30. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2008 und den Bescheid vom 09. Dezember 2009 - erneut den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld abgelehnt. Infolgedessen hat sie mit dem Bescheid vom 18. Februar 2011 eine neue sachliche Entscheidung im Sinne eines sogenannten Zweitbescheides erteilt, der den Klageweg (neu) eröffnet hat (BSG, Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 8/98 R - SozR 3-8100 Art 19 Nr. 5; Urteil vom 12. Dezember 1991 - 7 RAr 26/90 - SozR 3-4100 § 94 Nr. 1). Die schon früher ergangenen Bescheide der Beklagten vom 30. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2008 und der - mittlerweile - bestandskräftige Bescheid vom 09. Dezember 2009 sind nicht Gegenstand des hier geführten Rechtsstreits. Zwar hatten diese Bescheide ebenfalls den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld abgelehnt. Jedoch sind diese früheren Bescheide nicht mehr wirksam, weil sie auf andere Weise erledigt sind (§ 39 Abs. 2 SGB X). Die Steuerungsfunktion des Verwaltungsakts geht nämlich auch verloren, wenn die an einem Verwaltungsakt Beteiligten - sei es als Behörde, als Adressat oder als unmittelbar oder nur mittelbar Betroffener - übereinstimmend dem ursprünglichen Verwaltungsakt keinerlei tatsächliche oder rechtliche Bedeutung mehr beimessen. Das setzt keinen Verzichtswillen voraus, sondern nur „konsensuales“ Verhalten. Ähnlich dem Verlust der Wirksamkeit durch Zeitablauf, stellen sich die Beteiligten bewusst auf eine neue, veränderte Sachlage ein, die sie ihrem weiteren Verhalten nunmehr zugrunde legen. Sie verändern übereinstimmend gleichsam die „Geschäftsgrundlage“ (Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, Urteil vom 27. März 1998 -4 C 11/97 - NVwZ 1998, 729). So liegt der Fall hier. Kläger und Beklagte gehen erkennbar davon aus, dass die Frage, ob dem Kläger ab 01. März 2008 Pflegegeld zusteht, sich anhand des Bescheids vom 18. Februar 2011 abschließend neu beurteilt. Die Beklagte hat dies zu erkennen gegeben, indem sie im Bescheid vom 18. Februar 2011 ausführte, dass „weiterhin keine Zubilligung von Leistungen der Pflegestufe I möglich“ sei und der Bescheid unmittelbar Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens werde. Dies kann nur so verstanden werden, dass der Bescheid vom 18. Februar 2011 die Entscheidung über die Gewährung von Pflegegeld nochmals gänzlich neu treffen soll. Dem Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, dass er auch den Bescheid vom 18. Februar 2011 für fehlerhaft hält und dass er nunmehr diesen Bescheid angreift (anderer Ansicht: Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 1 P 3/10; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. März 2011 -L 2 P 52/09-, wonach nachfolgende Ablehnungsbescheide den vorherigen Ablehnungsbescheid nicht ersetzen und ihn auch nicht abändern; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 07. Mai 2008 - L 2 P 24/07 und vom 12. Oktober 2011 - L 2 P 70/11; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. März 2011, -L 4 P 8/07-; wonach alle Bescheide Gegenstand des Verfahrens sind; jeweils in juris). Über den Bescheid vom 18. Februar 2011 entscheidet der Senat auf Klage.
26 
Die Klage ist nicht begründet. In der Sache steht dem Kläger ab 01. März 2008 Pflegegeld nach der Pflegestufe I nicht zu.
27 
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven („abstrakten“) Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI stellt allein auf den „Bedarf“ an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, veröffentlicht in juris).
28 
Der mithin für einen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I vorausgesetzte Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mindestens 46 Minuten täglich ist für den Kläger seit 01. März 2008 zu keinem Zeitpunkt regelmäßig erreicht worden. Bei dem Kläger bestehen eine chronische Depression und der Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, die zu einer Antriebsminderung und insbesondere auch einer Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege führen, sowie ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie, eine Polyneuropathie und ein chronisches Lumbalsyndrom. Außerdem leidet er unter Drop-Attacks und unter Schmerzen im Bereich der Schultern bei subacromialem Impingement, die jedoch zu keiner Bewegungseinschränkung führen. Des weiteren bestehen chronische Schmerzen in der Hüfte. Darüber hinaus ist der Kläger übergewichtig.
29 
Trotz dieser Erkrankungen kann der Kläger beide Arme nach oben anheben und im Sitzen die Beine nach vorne hoch strecken. Bis zumindest Februar 2011 konnte er frei stehen und mit dem ihm im August 2009 verordneten Rollator selbständig gehen. Seit März 2011 benutzt er einen Rollstuhl. Mit Hilfe seiner Ehefrau (Griff unter den linken Oberarm und Hochziehen) ist er in der Lage, aus dem Rollstuhl aufzustehen und anschließend mit Festhalten wenige Schritte zu gehen und sich wieder hinzusetzen. Am Waschbecken kann er mit Abstützen der rechten Hand am Waschbecken vom Stuhl selbständig zum Stehen kommen. Er setzt sich auch mit Abstützen selbständig auf die Toilette und steht anschließend wieder alleine auf. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. und den Gutachten der Pflegefachkräfte F. vom 24. April 2008 und 14. Februar 2011, S. vom 18. Juli 2008, Dr. H. vom 30. Januar 2009 und 03. November 2009 sowie L. vom 26. Mai 2009. Bezüglich der Funktionseinschränkungen stehen diese Gutachten auch im Einklang mit dem von Pflegewirt Ma. erstatteten Gutachten vom 07. November 2008. Das im Klageverfahren vorgelegte Attest des Praktischen Arztes V. vom 08. Oktober 2009 bestätigt die Gangunsicherheit und Fallneigung des Klägers, weshalb er zur sicheren Fortbewegung einen Rollator benötige. Ebenso verhält es sich im Hinblick auf die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. Ka., die am 24. August 2011 beim Landessozialgericht einging und auch aus der sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. Da. vom 13. September 2011 gehen Behandlungen nach Stürzen und Beschwerden im Bereich der rechten Schulter ohne Bewegungseinschränkung hervor. Durch die Antriebsstörung und die Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege bedarf der Kläger darüber hinaus der Aufforderung die Körperpflege vorzunehmen, teilweise muss die Körperpflege auch von der Pflegekraft vorgenommen werden. Dies steht zur Überzeugung des Senats ebenfalls insbesondere aufgrund des Gutachtens der Sachverständigen Dr. fest. Hiervon gingen auch, wenn auch in geringerem Umfang, die Gutachter des MDK jeweils aus. Soweit der Sachverständige Ma. in seinem Gutachten vom 07. November 2008 im Gegensatz dazu eine so starke Antriebslosigkeit des Klägers sah, dass bei ihm eine vollständige Übernahme eines großen Teils der Grundpflege erforderlich sei, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Dies steht im Widerspruch damit, dass der Kläger anlässlich der stationären Aufenthalte im Zentrum für Psychiatrie im November 2007 und Dezember 2008 vom Antrieb her in der Lage war, sich zu kleiden, das Essen zu sich zu nehmen und alleine ins Bett zu gehen. Zwar hat Dr. Sc. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 20. Mai 2009 insoweit angeführt, dass er aufgrund der Unterlagen nicht beurteilen könne, ob sich das Krankheitsbild des Klägers außerhalb der stationären Behandlung derart verschlechtere, dass er hierzu aufgrund einer schweren Antriebsstörung nicht mehr im Stande wäre. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass der Kläger nach den Ausführungen des SG im Urteil vom 30. November 2009 anlässlich der mündlichen Verhandlung nicht antriebsgemindert war und bei den im Laufe des Verfahrens durchgeführten Begutachtungen jeweils selbst Kontakt mit den Gutachtern und Sachverständigen aufnahm, in der Lage war, den Aufforderungen nachzukommen und selbst zu demonstrieren, über welche Fähigkeiten er noch verfügt und wie die jeweiligen Tätigkeiten von ihm verrichtet werden. Auch bei der letzten Untersuchung durch Pflegeberaterin Dr. am 16. Dezember 2011 wirkte der Antrieb des Klägers nach den Ausführungen der Sachverständigen ungestört, er war freundlich und kooperativ und erteilte der Sachverständigen bereitwillig Auskunft, weshalb eine Antriebslosigkeit in dem vom Sachverständigen Ma. angenommenen Umfang nach Überzeugung des Senats nicht feststeht.
30 
Dass unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen des Klägers ein erforderlicher Zeitaufwand für die im Gesetz abschließend genannten Verrichtungen der Grundpflege von mindestens 46 Minuten täglich nicht besteht, ergibt sich vorrangig aus dem Gutachten der Pflegeberaterin Dr. (37 Minuten) aber auch aus den Gutachten der Pflegefachkräfte F. (13 Minuten bzw. 16 Minuten), S. (16 Minuten) Dr. H. (18 Minuten bzw. 25 Minuten) und L. (17 Minuten). Die Schätzung des Zeitbedarfs für die Hilfe bei den einzelnen Verrichtungen insbesondere durch die Pflegeberaterin Dr. sind aufgrund der zuvor genannten erhobenen Befunde und der sich hieraus ergebenden Einschränkungen insbesondere auch unter Berücksichtigung der Vernachlässigungstendenz des Klägers bezüglich der Körperpflege und Verschlechterung des Gangvermögens plausibel und keineswegs grob fehlerhaft, so dass sie der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt. Die Schätzungen der Zeitbedarfe durch die Gutachter des MDK sind in Anbetracht dessen, dass die Antriebsstörung und die krankheitsbedingte Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege in geringerem Umfang berücksichtigt wurden, wohl zu niedrig. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, denn auch wenn insoweit ein höherer Zeitbedarf angenommen wird, ergibt sich mit Blick auf die geschätzten zeitlichen Werte der Gutachter keinesfalls ein Zeitaufwand für die Grundpflege von mindestens 46 Minuten. Die vom Kläger gegen das Gutachten der Sachverständigen Dr. erhobenen Einwände greifen nicht durch. Soweit der Kläger vorträgt, dass die Behauptung, dass sein Antrieb ungestört gewirkt habe, der Unwahrheit entspreche, ist insoweit zu berücksichtigen, dass es um den subjektiven Eindruck handelt, den die Sachverständige vom Kläger hatte. Dieser Eindruck der Sachverständigen wird durch die weiteren Ausführungen im Gutachten, wonach eine Kommunikation mit dem Kläger problemlos möglich gewesen sei, bestätigt. Soweit der Kläger hinsichtlich des Punktes der Kommunikation vorbringt, dass diese nicht problemlos möglich gewesen sei, weil er die letzten Arztbesuche usw. nicht mit genauem Datum habe benennen können, hat dies nicht zur Folge, dass deshalb die Kommunikation nicht problemlos möglich wäre. Erinnerungslücken, zumal wenn es sich um Angabe von Daten handelt, wirken sich auf die Möglichkeit der Kommunikation grundsätzlich nicht aus. Im Übrigen hat die Sachverständige Dr. die beim Kläger notwendigen Hilfebedarfe sogar höher angesetzt als die Gutachter des MDK. Angesichts der beim Kläger noch vorhandenen Ressourcen sind sie für den Senat auch nachvollziehbar und allein durch den Vortrag des Klägers, dass sie „viel zu kurz berechnet“ seien, nicht widerlegt.
31 
Ein höherer Hilfebedarf lässt sich auch nicht auf das Gutachten des Sachverständigen Ma. stützen. Zwar hat dieser in seinem Gutachten vom 07. November 2008 mit den ergänzenden Stellungnahmen vom 11. Dezember 2008 und 04. Januar 2009 angegeben, dass der gesamte pflegerische Hilfebedarf 47 Minuten betrage. Der Senat vermag die vom Sachverständigen Ma. angesetzten Werte jedoch nicht nachzuvollziehen. Insbesondere der von ihm angenommene Wert von zwölf Minuten für das An- und Auskleiden, erscheint zu hoch, nachdem der Kläger hierbei zumindest mithelfen kann. Der von der Sachverständigen Dr. genannte Wert von drei Minuten erscheint insoweit auf jeden Fall ausreichend. Auch ist mit Blick auf ein tägliches Bad (Zeitbedarf 15 Minuten täglich) die zusätzliche tägliche Teilwäsche des Oberkörpers mit einem weiteren Zeitaufwand von 8 Minuten täglich nicht nachvollziehbar. Der von der Sachverständigen Dr. für zweimal tägliches Duschen angegebene Wert von jeweils zehn Minuten ist insoweit angemessen. Dies hat zur Folge, dass der tägliche Hilfebedarf auch nach dem vom Sachverständigen Ma. erstatteten Gutachten unter Zugrundelegung der nach Überzeugung des Senats in Abzug zu bringenden Hilfebedarfe von jedenfalls zwölf Minuten unter 46 Minuten täglich liegt und mit einem Wert von 35 Minuten nahezu dem von der Sachverständigen Dr. angegebenen Wert von 37 Minuten entspricht.
32 
Aufgrund der Gangunsicherheit des Klägers, der Schmerzen im Bereich der Schultern und der Wirbelsäule, der Adipositas und der Tendenz des Klägers zur Vernachlässigung der körperlichen Hygiene ist es nachvollziehbar, dass im Bereich der Körperpflege ein Hilfebedarf beim Duschen, bei der Zahn- und Gebisspflege und beim Rasieren besteht. Außerdem bedarf der Kläger mit Blick auf die Mobilität der teilweisen Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen sowie beim An- und Entkleiden und bei den Transfers zur Toilette sowie in die Dusche. Hierfür sind die von der Sachverständigen Dr. geschätzten Zeiten von 20 Minuten täglich für das Duschen unter Zugrundelegung eines zweimaligen Duschens täglich, was auch unter Berücksichtigung der Adipositas des Klägers und vermehrten Schwitzens aufgrund der psychischen Erkrankung, auf jeden Fall ausreichend ist, mit Blick auf das Zähneputzen von zwei Minuten und des Rasierens von ebenfalls zwei Minuten sowie eines Sollhilfebedarfs von einer Minute täglich für Hände- und Gesichtwaschen, zumal der Kläger teilweise mithilft und teilweise nur der Anleitung und Überwachung bedarf, schlüssig.
33 
Ebenso verhält es sich auch bezüglich der Mobilität. Auch insoweit sind, zumal keine vollständige Übernahme dieser Verrichtungen erforderlich ist, die von der Sachverständigen Dr. geschätzten Zeiten von zwei Minuten für Aufstehen/Zubettgehen, drei Minuten für An- und Auskleiden, fünf Minuten für Gehen und zwei Minuten für Transfers unter Berücksichtigung der in den Begutachtungsrichtlinien genannten Zeitkorridore für die einfache Hilfe zum Aufstehen/Zubettgehen von ein bis zwei Minuten und die volle Übernahme des Ankleidens von acht bis zehn Minuten und Entkleidens von vier bis sechs Minuten ebenfalls schlüssig.
34 
Ein Hilfebedarf beim Toilettengang und beim anschließenden Richten der Kleidung ist nachvollziehbar nicht berücksichtigt worden. Denn aufgrund der erhobenen Befunde ist der Kläger in der Lage, sich auch mit Blick auf die Toilette selbständig auf- und abzusetzen, die Intimhygiene durchzuführen und anschließend auch die Kleidung wieder zu richten. Anlässlich der Begutachtung durch die Sachverständige Dr. gab der Kläger auch selbst an, er würde die Toilettengänge selbständig durchführen. Er hat dies auch entsprechend demonstriert.
35 
Zutreffend sind die Sachverständigen und Gutachter auch davon ausgegangen, dass ein Zeitbedarf für die Verrichtungen des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung nicht zu berücksichtigen ist. Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationären Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist unter anderem nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist. Dies ist hier nicht der Fall.
36 
Da der Kläger selbständig essen kann, ist ein Zeitbedarf für die Ernährung nicht zu berücksichtigen.
37 
Berücksichtigungsfähig sind im Übrigen nur die bei den Katalogverrichtungen anfallenden notwendigen Hilfeleistungen. Soweit der Kläger geltend macht, dass er generell Beaufsichtigungsbedarf habe und nicht alleine sein könne, ist dies nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2001 in - B 3 P 7/00 R - SozR 3-3300 § 43 a Nr. 5). Nicht verrichtungsbezogener Aufsichtsbedarf („allgemeiner Aufsichts- und Betreuungsbedarf) bleibt bei der Ermittlung des Pflegebedarfs außer Ansatz (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 8).
38 
Zusätzlicher bisher nicht berücksichtigter Hilfebedarf folgt auch nicht aus der vom Kläger geschilderten Sturzgefahr. Voraussetzung für die Annahme der Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB XI ist nämlich ein auf Dauer bestehender Pflegebedarf für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, wie sie in § 14 Abs. 4 SGB 11 im Einzelnen für die Bereiche der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung benannt sind. Unberücksichtigt bleibt - wie ausgeführt - in jedem Fall die örtliche Bindung von Pflegepersonen in der Nähe des Betroffen, um jeder Zeit eingreifen zu können („prophylaktische Anwesenheit“). Bereits aus diesem Grund kann die vom Kläger als notwendig empfundene Anwesenheit der Ehefrau, um bei etwaigen Stürzen eingreifen zu können, nicht als Pflegeverrichtung bei der Bemessung des erforderlichen Zeitaufwands pflegerelevant berücksichtigt werden. Zudem fehlt es an der Regelmäßigkeit des Hilfebedarfs. Eine permanente Sturzgefahr, die eine ständige Anwesenheit einer anderen Person zur Vermeidung von Stürzen erforderlich machen würde, ist, zumal der Kläger nunmehr den Rollstuhl benutzt, gerade nicht ersichtlich. Auch solange er sich noch mit dem Rollator fortbewegte, sind nach der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Da. nur zwei Stürze im August 2009 und Februar 2011, die zu einem Behandlungsbedarf führten, belegt. Im Übrigen hat der den Kläger behandelnde Arzt V. in seinem Attest von 08. Oktober 2009 ausgeführt, dass der Kläger zur sicheren Fortbewegung bei Fallneigung und Gangunsicherheit einen Rollator benötige, über Stürze hat er nicht berichtet. Die Angaben von Dr. Ka. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft, die am 24. August 2011 beim Landessozialgericht einging, wonach der Kläger sehr oft stürze, sind nicht weiter belegt.
39 
Ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig ist der erforderliche Zeitbedarf für das Richten der Medikamente, die Gabe der Medikamente oder die Überwachung der Einnahme, denn dies gehört zur Behandlungspflege und ist im Rahmen der Grundpflege nicht berücksichtigungsfähig. Ebenso verhält es sich hinsichtlich des Blutzuckermessens und des Spritzens von Insulin.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
41 
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehe nicht.

Gründe

 
24 
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Denn der Kläger begehrt wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
25 
Streitgegenstand ist vorliegend allein der Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2011. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte - wie schon zuvor durch den Bescheid vom 30. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2008 und den Bescheid vom 09. Dezember 2009 - erneut den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld abgelehnt. Infolgedessen hat sie mit dem Bescheid vom 18. Februar 2011 eine neue sachliche Entscheidung im Sinne eines sogenannten Zweitbescheides erteilt, der den Klageweg (neu) eröffnet hat (BSG, Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 8/98 R - SozR 3-8100 Art 19 Nr. 5; Urteil vom 12. Dezember 1991 - 7 RAr 26/90 - SozR 3-4100 § 94 Nr. 1). Die schon früher ergangenen Bescheide der Beklagten vom 30. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2008 und der - mittlerweile - bestandskräftige Bescheid vom 09. Dezember 2009 sind nicht Gegenstand des hier geführten Rechtsstreits. Zwar hatten diese Bescheide ebenfalls den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld abgelehnt. Jedoch sind diese früheren Bescheide nicht mehr wirksam, weil sie auf andere Weise erledigt sind (§ 39 Abs. 2 SGB X). Die Steuerungsfunktion des Verwaltungsakts geht nämlich auch verloren, wenn die an einem Verwaltungsakt Beteiligten - sei es als Behörde, als Adressat oder als unmittelbar oder nur mittelbar Betroffener - übereinstimmend dem ursprünglichen Verwaltungsakt keinerlei tatsächliche oder rechtliche Bedeutung mehr beimessen. Das setzt keinen Verzichtswillen voraus, sondern nur „konsensuales“ Verhalten. Ähnlich dem Verlust der Wirksamkeit durch Zeitablauf, stellen sich die Beteiligten bewusst auf eine neue, veränderte Sachlage ein, die sie ihrem weiteren Verhalten nunmehr zugrunde legen. Sie verändern übereinstimmend gleichsam die „Geschäftsgrundlage“ (Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, Urteil vom 27. März 1998 -4 C 11/97 - NVwZ 1998, 729). So liegt der Fall hier. Kläger und Beklagte gehen erkennbar davon aus, dass die Frage, ob dem Kläger ab 01. März 2008 Pflegegeld zusteht, sich anhand des Bescheids vom 18. Februar 2011 abschließend neu beurteilt. Die Beklagte hat dies zu erkennen gegeben, indem sie im Bescheid vom 18. Februar 2011 ausführte, dass „weiterhin keine Zubilligung von Leistungen der Pflegestufe I möglich“ sei und der Bescheid unmittelbar Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens werde. Dies kann nur so verstanden werden, dass der Bescheid vom 18. Februar 2011 die Entscheidung über die Gewährung von Pflegegeld nochmals gänzlich neu treffen soll. Dem Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, dass er auch den Bescheid vom 18. Februar 2011 für fehlerhaft hält und dass er nunmehr diesen Bescheid angreift (anderer Ansicht: Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 1 P 3/10; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. März 2011 -L 2 P 52/09-, wonach nachfolgende Ablehnungsbescheide den vorherigen Ablehnungsbescheid nicht ersetzen und ihn auch nicht abändern; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 07. Mai 2008 - L 2 P 24/07 und vom 12. Oktober 2011 - L 2 P 70/11; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. März 2011, -L 4 P 8/07-; wonach alle Bescheide Gegenstand des Verfahrens sind; jeweils in juris). Über den Bescheid vom 18. Februar 2011 entscheidet der Senat auf Klage.
26 
Die Klage ist nicht begründet. In der Sache steht dem Kläger ab 01. März 2008 Pflegegeld nach der Pflegestufe I nicht zu.
27 
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven („abstrakten“) Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI stellt allein auf den „Bedarf“ an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, veröffentlicht in juris).
28 
Der mithin für einen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I vorausgesetzte Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mindestens 46 Minuten täglich ist für den Kläger seit 01. März 2008 zu keinem Zeitpunkt regelmäßig erreicht worden. Bei dem Kläger bestehen eine chronische Depression und der Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, die zu einer Antriebsminderung und insbesondere auch einer Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege führen, sowie ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie, eine Polyneuropathie und ein chronisches Lumbalsyndrom. Außerdem leidet er unter Drop-Attacks und unter Schmerzen im Bereich der Schultern bei subacromialem Impingement, die jedoch zu keiner Bewegungseinschränkung führen. Des weiteren bestehen chronische Schmerzen in der Hüfte. Darüber hinaus ist der Kläger übergewichtig.
29 
Trotz dieser Erkrankungen kann der Kläger beide Arme nach oben anheben und im Sitzen die Beine nach vorne hoch strecken. Bis zumindest Februar 2011 konnte er frei stehen und mit dem ihm im August 2009 verordneten Rollator selbständig gehen. Seit März 2011 benutzt er einen Rollstuhl. Mit Hilfe seiner Ehefrau (Griff unter den linken Oberarm und Hochziehen) ist er in der Lage, aus dem Rollstuhl aufzustehen und anschließend mit Festhalten wenige Schritte zu gehen und sich wieder hinzusetzen. Am Waschbecken kann er mit Abstützen der rechten Hand am Waschbecken vom Stuhl selbständig zum Stehen kommen. Er setzt sich auch mit Abstützen selbständig auf die Toilette und steht anschließend wieder alleine auf. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. und den Gutachten der Pflegefachkräfte F. vom 24. April 2008 und 14. Februar 2011, S. vom 18. Juli 2008, Dr. H. vom 30. Januar 2009 und 03. November 2009 sowie L. vom 26. Mai 2009. Bezüglich der Funktionseinschränkungen stehen diese Gutachten auch im Einklang mit dem von Pflegewirt Ma. erstatteten Gutachten vom 07. November 2008. Das im Klageverfahren vorgelegte Attest des Praktischen Arztes V. vom 08. Oktober 2009 bestätigt die Gangunsicherheit und Fallneigung des Klägers, weshalb er zur sicheren Fortbewegung einen Rollator benötige. Ebenso verhält es sich im Hinblick auf die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. Ka., die am 24. August 2011 beim Landessozialgericht einging und auch aus der sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. Da. vom 13. September 2011 gehen Behandlungen nach Stürzen und Beschwerden im Bereich der rechten Schulter ohne Bewegungseinschränkung hervor. Durch die Antriebsstörung und die Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege bedarf der Kläger darüber hinaus der Aufforderung die Körperpflege vorzunehmen, teilweise muss die Körperpflege auch von der Pflegekraft vorgenommen werden. Dies steht zur Überzeugung des Senats ebenfalls insbesondere aufgrund des Gutachtens der Sachverständigen Dr. fest. Hiervon gingen auch, wenn auch in geringerem Umfang, die Gutachter des MDK jeweils aus. Soweit der Sachverständige Ma. in seinem Gutachten vom 07. November 2008 im Gegensatz dazu eine so starke Antriebslosigkeit des Klägers sah, dass bei ihm eine vollständige Übernahme eines großen Teils der Grundpflege erforderlich sei, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Dies steht im Widerspruch damit, dass der Kläger anlässlich der stationären Aufenthalte im Zentrum für Psychiatrie im November 2007 und Dezember 2008 vom Antrieb her in der Lage war, sich zu kleiden, das Essen zu sich zu nehmen und alleine ins Bett zu gehen. Zwar hat Dr. Sc. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 20. Mai 2009 insoweit angeführt, dass er aufgrund der Unterlagen nicht beurteilen könne, ob sich das Krankheitsbild des Klägers außerhalb der stationären Behandlung derart verschlechtere, dass er hierzu aufgrund einer schweren Antriebsstörung nicht mehr im Stande wäre. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass der Kläger nach den Ausführungen des SG im Urteil vom 30. November 2009 anlässlich der mündlichen Verhandlung nicht antriebsgemindert war und bei den im Laufe des Verfahrens durchgeführten Begutachtungen jeweils selbst Kontakt mit den Gutachtern und Sachverständigen aufnahm, in der Lage war, den Aufforderungen nachzukommen und selbst zu demonstrieren, über welche Fähigkeiten er noch verfügt und wie die jeweiligen Tätigkeiten von ihm verrichtet werden. Auch bei der letzten Untersuchung durch Pflegeberaterin Dr. am 16. Dezember 2011 wirkte der Antrieb des Klägers nach den Ausführungen der Sachverständigen ungestört, er war freundlich und kooperativ und erteilte der Sachverständigen bereitwillig Auskunft, weshalb eine Antriebslosigkeit in dem vom Sachverständigen Ma. angenommenen Umfang nach Überzeugung des Senats nicht feststeht.
30 
Dass unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen des Klägers ein erforderlicher Zeitaufwand für die im Gesetz abschließend genannten Verrichtungen der Grundpflege von mindestens 46 Minuten täglich nicht besteht, ergibt sich vorrangig aus dem Gutachten der Pflegeberaterin Dr. (37 Minuten) aber auch aus den Gutachten der Pflegefachkräfte F. (13 Minuten bzw. 16 Minuten), S. (16 Minuten) Dr. H. (18 Minuten bzw. 25 Minuten) und L. (17 Minuten). Die Schätzung des Zeitbedarfs für die Hilfe bei den einzelnen Verrichtungen insbesondere durch die Pflegeberaterin Dr. sind aufgrund der zuvor genannten erhobenen Befunde und der sich hieraus ergebenden Einschränkungen insbesondere auch unter Berücksichtigung der Vernachlässigungstendenz des Klägers bezüglich der Körperpflege und Verschlechterung des Gangvermögens plausibel und keineswegs grob fehlerhaft, so dass sie der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt. Die Schätzungen der Zeitbedarfe durch die Gutachter des MDK sind in Anbetracht dessen, dass die Antriebsstörung und die krankheitsbedingte Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege in geringerem Umfang berücksichtigt wurden, wohl zu niedrig. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, denn auch wenn insoweit ein höherer Zeitbedarf angenommen wird, ergibt sich mit Blick auf die geschätzten zeitlichen Werte der Gutachter keinesfalls ein Zeitaufwand für die Grundpflege von mindestens 46 Minuten. Die vom Kläger gegen das Gutachten der Sachverständigen Dr. erhobenen Einwände greifen nicht durch. Soweit der Kläger vorträgt, dass die Behauptung, dass sein Antrieb ungestört gewirkt habe, der Unwahrheit entspreche, ist insoweit zu berücksichtigen, dass es um den subjektiven Eindruck handelt, den die Sachverständige vom Kläger hatte. Dieser Eindruck der Sachverständigen wird durch die weiteren Ausführungen im Gutachten, wonach eine Kommunikation mit dem Kläger problemlos möglich gewesen sei, bestätigt. Soweit der Kläger hinsichtlich des Punktes der Kommunikation vorbringt, dass diese nicht problemlos möglich gewesen sei, weil er die letzten Arztbesuche usw. nicht mit genauem Datum habe benennen können, hat dies nicht zur Folge, dass deshalb die Kommunikation nicht problemlos möglich wäre. Erinnerungslücken, zumal wenn es sich um Angabe von Daten handelt, wirken sich auf die Möglichkeit der Kommunikation grundsätzlich nicht aus. Im Übrigen hat die Sachverständige Dr. die beim Kläger notwendigen Hilfebedarfe sogar höher angesetzt als die Gutachter des MDK. Angesichts der beim Kläger noch vorhandenen Ressourcen sind sie für den Senat auch nachvollziehbar und allein durch den Vortrag des Klägers, dass sie „viel zu kurz berechnet“ seien, nicht widerlegt.
31 
Ein höherer Hilfebedarf lässt sich auch nicht auf das Gutachten des Sachverständigen Ma. stützen. Zwar hat dieser in seinem Gutachten vom 07. November 2008 mit den ergänzenden Stellungnahmen vom 11. Dezember 2008 und 04. Januar 2009 angegeben, dass der gesamte pflegerische Hilfebedarf 47 Minuten betrage. Der Senat vermag die vom Sachverständigen Ma. angesetzten Werte jedoch nicht nachzuvollziehen. Insbesondere der von ihm angenommene Wert von zwölf Minuten für das An- und Auskleiden, erscheint zu hoch, nachdem der Kläger hierbei zumindest mithelfen kann. Der von der Sachverständigen Dr. genannte Wert von drei Minuten erscheint insoweit auf jeden Fall ausreichend. Auch ist mit Blick auf ein tägliches Bad (Zeitbedarf 15 Minuten täglich) die zusätzliche tägliche Teilwäsche des Oberkörpers mit einem weiteren Zeitaufwand von 8 Minuten täglich nicht nachvollziehbar. Der von der Sachverständigen Dr. für zweimal tägliches Duschen angegebene Wert von jeweils zehn Minuten ist insoweit angemessen. Dies hat zur Folge, dass der tägliche Hilfebedarf auch nach dem vom Sachverständigen Ma. erstatteten Gutachten unter Zugrundelegung der nach Überzeugung des Senats in Abzug zu bringenden Hilfebedarfe von jedenfalls zwölf Minuten unter 46 Minuten täglich liegt und mit einem Wert von 35 Minuten nahezu dem von der Sachverständigen Dr. angegebenen Wert von 37 Minuten entspricht.
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Aufgrund der Gangunsicherheit des Klägers, der Schmerzen im Bereich der Schultern und der Wirbelsäule, der Adipositas und der Tendenz des Klägers zur Vernachlässigung der körperlichen Hygiene ist es nachvollziehbar, dass im Bereich der Körperpflege ein Hilfebedarf beim Duschen, bei der Zahn- und Gebisspflege und beim Rasieren besteht. Außerdem bedarf der Kläger mit Blick auf die Mobilität der teilweisen Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen sowie beim An- und Entkleiden und bei den Transfers zur Toilette sowie in die Dusche. Hierfür sind die von der Sachverständigen Dr. geschätzten Zeiten von 20 Minuten täglich für das Duschen unter Zugrundelegung eines zweimaligen Duschens täglich, was auch unter Berücksichtigung der Adipositas des Klägers und vermehrten Schwitzens aufgrund der psychischen Erkrankung, auf jeden Fall ausreichend ist, mit Blick auf das Zähneputzen von zwei Minuten und des Rasierens von ebenfalls zwei Minuten sowie eines Sollhilfebedarfs von einer Minute täglich für Hände- und Gesichtwaschen, zumal der Kläger teilweise mithilft und teilweise nur der Anleitung und Überwachung bedarf, schlüssig.
33 
Ebenso verhält es sich auch bezüglich der Mobilität. Auch insoweit sind, zumal keine vollständige Übernahme dieser Verrichtungen erforderlich ist, die von der Sachverständigen Dr. geschätzten Zeiten von zwei Minuten für Aufstehen/Zubettgehen, drei Minuten für An- und Auskleiden, fünf Minuten für Gehen und zwei Minuten für Transfers unter Berücksichtigung der in den Begutachtungsrichtlinien genannten Zeitkorridore für die einfache Hilfe zum Aufstehen/Zubettgehen von ein bis zwei Minuten und die volle Übernahme des Ankleidens von acht bis zehn Minuten und Entkleidens von vier bis sechs Minuten ebenfalls schlüssig.
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Ein Hilfebedarf beim Toilettengang und beim anschließenden Richten der Kleidung ist nachvollziehbar nicht berücksichtigt worden. Denn aufgrund der erhobenen Befunde ist der Kläger in der Lage, sich auch mit Blick auf die Toilette selbständig auf- und abzusetzen, die Intimhygiene durchzuführen und anschließend auch die Kleidung wieder zu richten. Anlässlich der Begutachtung durch die Sachverständige Dr. gab der Kläger auch selbst an, er würde die Toilettengänge selbständig durchführen. Er hat dies auch entsprechend demonstriert.
35 
Zutreffend sind die Sachverständigen und Gutachter auch davon ausgegangen, dass ein Zeitbedarf für die Verrichtungen des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung nicht zu berücksichtigen ist. Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationären Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist unter anderem nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist. Dies ist hier nicht der Fall.
36 
Da der Kläger selbständig essen kann, ist ein Zeitbedarf für die Ernährung nicht zu berücksichtigen.
37 
Berücksichtigungsfähig sind im Übrigen nur die bei den Katalogverrichtungen anfallenden notwendigen Hilfeleistungen. Soweit der Kläger geltend macht, dass er generell Beaufsichtigungsbedarf habe und nicht alleine sein könne, ist dies nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2001 in - B 3 P 7/00 R - SozR 3-3300 § 43 a Nr. 5). Nicht verrichtungsbezogener Aufsichtsbedarf („allgemeiner Aufsichts- und Betreuungsbedarf) bleibt bei der Ermittlung des Pflegebedarfs außer Ansatz (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 8).
38 
Zusätzlicher bisher nicht berücksichtigter Hilfebedarf folgt auch nicht aus der vom Kläger geschilderten Sturzgefahr. Voraussetzung für die Annahme der Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB XI ist nämlich ein auf Dauer bestehender Pflegebedarf für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, wie sie in § 14 Abs. 4 SGB 11 im Einzelnen für die Bereiche der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung benannt sind. Unberücksichtigt bleibt - wie ausgeführt - in jedem Fall die örtliche Bindung von Pflegepersonen in der Nähe des Betroffen, um jeder Zeit eingreifen zu können („prophylaktische Anwesenheit“). Bereits aus diesem Grund kann die vom Kläger als notwendig empfundene Anwesenheit der Ehefrau, um bei etwaigen Stürzen eingreifen zu können, nicht als Pflegeverrichtung bei der Bemessung des erforderlichen Zeitaufwands pflegerelevant berücksichtigt werden. Zudem fehlt es an der Regelmäßigkeit des Hilfebedarfs. Eine permanente Sturzgefahr, die eine ständige Anwesenheit einer anderen Person zur Vermeidung von Stürzen erforderlich machen würde, ist, zumal der Kläger nunmehr den Rollstuhl benutzt, gerade nicht ersichtlich. Auch solange er sich noch mit dem Rollator fortbewegte, sind nach der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Da. nur zwei Stürze im August 2009 und Februar 2011, die zu einem Behandlungsbedarf führten, belegt. Im Übrigen hat der den Kläger behandelnde Arzt V. in seinem Attest von 08. Oktober 2009 ausgeführt, dass der Kläger zur sicheren Fortbewegung bei Fallneigung und Gangunsicherheit einen Rollator benötige, über Stürze hat er nicht berichtet. Die Angaben von Dr. Ka. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft, die am 24. August 2011 beim Landessozialgericht einging, wonach der Kläger sehr oft stürze, sind nicht weiter belegt.
39 
Ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig ist der erforderliche Zeitbedarf für das Richten der Medikamente, die Gabe der Medikamente oder die Überwachung der Einnahme, denn dies gehört zur Behandlungspflege und ist im Rahmen der Grundpflege nicht berücksichtigungsfähig. Ebenso verhält es sich hinsichtlich des Blutzuckermessens und des Spritzens von Insulin.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
41 
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehe nicht.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 7. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt Pflegegeld nach der Pflegestufe II ab 1. Dezember 2008.
Der am 1987 geborene Kläger ist seit 4. November 1996 Mitglied der beklagten Pflegekasse. Bei ihm wurde im sechsten Lebensmonat ein Hydrocephalus festgestellt, der im November 1989 mit einer Shunt-Operation versorgt wurde. Es besteht eine spastische Tetraparese. Von Oktober 2005 bis Juli 2008 absolvierte er in der kaufmännischen Berufsausbildungsstätte des Diakonischen Werks L. eine Ausbildung als "Bürohelfer". Danach bestand Arbeitslosigkeit. Beim Kläger sind seit 10. Dezember 2008 ein Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen G und B sowie nach seinen Angaben seit 17. März 2010 auch das Merkzeichen H festgestellt. Die Pflegekasse, deren Mitglied der Kläger vor dem 4. November 1996 war, bewilligte ihm ab 1. April 1995 Pflegegeld nach der Pflegestufe I (Bescheid vom 8. April 1995). Nach dem Wechsel zur Beklagten bewilligte diese ab 4. November 1996 Pflegegeld nach der Pflegestufe I (Bescheid vom 13. Dezember 1996). Dieser Bewilligung ging nach Angabe der Beklagten keine gutachterliche Untersuchung voraus.
Vom 27. November bis 24. Dezember 2008 befand sich der Kläger in einer stationären medizinischen Rehabilitationsbehandlung, welche ihm vom Rentenversicherungsträger bewilligt worden war. Im intensiven stationären Setting habe eine Verbesserung der Kraft, Ausdauerbelastbarkeit und Beweglichkeit sowie der Pflegebedürftigkeit erreicht werden können. Der Kläger sei selbstständig beim Essen und Trinken sowie bei der persönlichen Pflege. Er benötige lediglich noch leichte Unterstützung beim Baden und beim An- und Ausziehen. Zur Verbesserung des Gangs seien zwei Redredynschienen (Knöchel-Fuß-Orthesen) verordnet worden. Der Kläger sei in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine überwiegend sitzende Tätigkeit in Vollzeit auszuüben. Geeignet erscheine ein angepasster Arbeitsplatz, z.B. in einer Werkstätte für behinderte Menschen. Ein Antrag auf Höherstufung der Pflegestufe lasse sich nicht ausreichend begründen (Entlassungsbericht des Arztes für Neurologie Dr. L. vom 24. Dezember 2008).
Der Kläger beantragte am 1. Dezember 2008 eine Höherstufung. Arzt Dr. G., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), nannte im Gutachten nach Aktenlage vom 19. Dezember 2008 als pflegebegründende Diagnose einen Hydrocephalus mit Gehschwäche und schätzte den grundpflegerischen Hilfebedarf auf 55 Minuten täglich (Körperpflege 35 Minuten, Ernährung fünf Minuten, Mobilität 15 Minuten). Der Kläger habe Spastiken in den Beinen und feinmotorische Störungen in den Händen. Er sei nicht bettlägerig, nicht verwirrt und habe keine Schluckstörungen sowie keine Blasen- oder Darmschwäche. Er benötige Hilfe beim Waschen, Kämmen, Rasieren, auf der Toilette und beim Kleiden. Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 20. Februar 2009 ab, höheres Pflegegeld nach der Pflegestufe II zu zahlen.
Der Kläger erhob Widerspruch und legte mehrere Befundberichte vor. Sein Hilfebedarf betrage ca. sechs Stunden täglich, Körperpflege ca. drei Stunden, Ernährung und hauswirtschaftliche Versorgung ca. ein bis zwei Stunden und Mobilität ca. zwei Stunden. Wegen starken Zitterns und mangelhafter Feinmotorik benötige er kontinuierliche Hilfestellung beim Waschen (jeweils morgens Baden), bei der Zahnpflege, beim Rasieren, beim Kämmen, beim Schneiden der Nägel, beim Ankleiden und Umziehen sowie beim Anlegen der verordneten Gehschienen. Wegen starken Schwitzens müssten Rücken und Oberkörper mindestens einmal am Tag mit einem feuchten Lappen abgewischt und mindestens zweimal täglich müsse er deshalb neu angekleidet werden. Nach jedem Stuhlgang (mindestens dreimal täglich) müssten die Genitalien gewaschen werden. Ferner müssten Lebensmittel geschnitten und besonders aufbereitet sowie Verpackungen geöffnet werden. Wegen eines Tremors sei er nicht in der Lage, ein Glas Wasser ordentlich einzuschenken. Heiße Getränke könne er wegen Verletzungsgefahr nicht zu sich nehmen. Er verschmutze bei jedem Essen die Oberbekleidung, so dass diese danach fünfmal täglich gewechselt werden müsse. Die hauswirtschaftliche Versorgung erledige sein Vater. Sein Bewegungsmuster sei erheblich eingeschränkt. Er brauche wegen häufiger Stürze beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung eine Begleitperson. Es bestehe Verletzungsgefahr beim Gehen, Treppensteigen, An- und Auskleiden. Pflegefachkraft E. nannte in ihrem Gutachten vom 7. April 2009 nach einer Untersuchung des Klägers als pflegebegründende Diagnose einen Hydrocephalus internus mit Gehschwäche sowie motorische Störungen beider Hände und schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 65 Minuten täglich (Körperpflege 44 Minuten, Ernährung fünf Minuten, Mobilität 16 Minuten). Der Kläger stehe selbstständig auf und gehe kleinschrittig und ausreichend sicher. Aus dem Bett könne er alleine aufstehen. Beim Transfer in die Badewanne seien Hilfen erforderlich. Er sei kontinent mit regelmäßiger Verdauung. Die Reinigung nach Darmentleerung führe er unzureichend durch, weshalb nachgereinigt werden müsse. Abends werde eine Intimwäsche durchgeführt. Erforderlich sei Hilfe beim Waschen von Rücken und Unterkörper. Die Zahnputzutensilien würden vor- und nachbereitet. Die Zähne würden nachgebürstet. Die Nassrasur werde komplett übernommen. Bei Toilettengängen würden Hosenknopf oder Gürtel geöffnet und geschlossen. Fleisch und Obst werde in Stücke geschnitten. Mehrmals täglich würden Getränke eingegossen. Das Kleiden "von unten" (gemeint wohl des Unterkörpers) werde übernommen. Hemdknöpfe würden geschlossen. Zweimal wöchentlich erfolge Hilfe beim Ein- und Aussteigen in den bzw. aus dem Pkw für die Fahrt zur Krankengymnastik. Die im Widerspruch überwiegend geltend gemachten Hilfen bezögen sich hauptsächlich auf die hauswirtschaftliche Versorgung, die mit 60 Minuten ausreichend berücksichtigt sei. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2009). Die Voraussetzungen der Pflegestufe II seien in den eingeholten Gutachten des MDK verneint worden. Diese hätten den Hilfebedarf vollständig erfasst und im Bereich der Grundpflege von ca. 65 Minuten weitestgehend korrekt bewertet. Die vom Kläger angegebenen Zeiten für die Hilfen bei der Grundpflege seien nicht nachvollziehbar hoch angesetzt. Auch die Rehabilitationsklinik, in der der Kläger vom 27. November bis 24. Dezember 2008 stationär behandelt worden sei, habe keinen Hilfebedarf erkennen können, der eine Höherstufung rechtfertige.
Der Kläger erhob am 28. Juli 2009 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Die Rehabilitationsklinik dürfe keine Aussage über seine Pflegebedürftigkeit treffen. Pflegepersonal sei nicht anwesend gewesen, weil sein Vater für die Versorgung und persönliche Pflege zuständig gewesen sei. Es bestehe ein Hilfebedarf in allen drei Bereichen der Grundpflege von 337 Minuten (Körperpflege 192 Minuten, Ernährung 15 Minuten, Mobilität 130 Minuten). Der pflegerische Bedarf bestehe nicht nur in Form einer Teilübernahme, sondern in Form einer vollständigen Übernahme. Aufgrund starken Schwitzens, eines Schilddrüsenleidens und Übergewichts werde er morgens täglich gebadet (25 Minuten). Ferner erfolge einmal täglich eine Ganzkörperwäsche (25 Minuten) und mehrmals täglich eine Teilwäsche (Oberkörper einmal täglich zehn Minuten, Unterkörper dreimal täglich insgesamt 45 Minuten, Hände/Gesicht viermal täglich insgesamt vier Minuten). Auch sei nach jeder Mahlzeit eine Zahnpflege notwendig (fünfmal täglich insgesamt 25 Minuten). Beim Wasserlassen (sechs- bis siebenmal täglich) und Stuhlgang (dreimal täglich) sei die volle Übernahme der Reinigung der Toilette erforderlich (insgesamt 36 Minuten) erforderlich. Drei Hauptmahlzeiten und zwei Zwischenmahlzeiten inklusive Getränke müssten ihm zubereitet und mundgerecht serviert werden (insgesamt 15 Minuten). Voll übernommen werden müssten auch das täglich fünfmalige An- und Auskleiden des Oberkörpers (insgesamt 68 Minuten) sowie das täglich dreimalige An- und Auskleiden des Unterkörpers (insgesamt 30 Minuten). Bei der Verrichtung des Stehens sei der für die dreimal täglich erfolgende Reinigung des Unterkörpers erforderliche Transfer in und aus der Badewanne zu berücksichtigen (insgesamt acht Minuten). Schließlich seien auch Therapiebesuche (Krankengymnastik zweimal wöchentlich als Einzelbehandlung und einmal wöchentlich als Gruppenbehandlung) zu berücksichtigen (insgesamt acht Minuten). Der Kläger legte vor mehrere ausführliche Stellungnahmen zu seinem Hilfebedarf, verschiedene Bestätigungen des Therapiezentrums Grauer, Heilbronn, über insgesamt 20 Behandlungstermine in der Zeit vom 14. Mai bis 11. September 2009 und vom 11. Januar bis 11. Mai 2010 sowie die anlässlich eines von ihm gestellten Antrags auf Rente wegen Erwerbsminderung erstellten Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. W. vom 25. September 2009 und des Orthopäden Dr. Gr. vom 29. Oktober 2009, wonach der Kläger nicht mehr in der Lage sei, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mehr als drei Stunden täglich zu verrichten.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der vom Kläger behauptete Hilfebedarf lasse sich mit den vorliegenden Beeinträchtigungen der Fähigkeiten und Störungen nicht begründen. Zum Hilfebedarf mache der Kläger immer neue, einander teilweise erheblich widersprechende und inhaltlich nicht nachvollziehbare Angaben. Nach ihren Abrechnungsunterlagen sei lediglich von Januar bis Dezember 2009 sechsmal Krankengymnastik durchgeführt worden, nicht jedoch regelmäßig und auf Dauer. Die Therapien müssten nicht in Heilbronn, sondern könnten in den Nachbargemeinden des Wohnorts des Klägers erfolgen. Berücksichtige man die Begleitung zu den Therapien, führe dies lediglich zu einer nicht relevanten Erhöhung der Pflegezeit um täglich ca. fünf Minuten.
Ärztin für Allgemeinmedizin Gra. gab auf Anfrage des SG als sachverständige Zeugin an (Auskunft vom 18. Dezember 2009), durch die spastische Tetraparese sei der Kläger zur selbstständigen Mobilität ohne Hilfe anderer nicht in der Lage. Auch eine selbstständige Nahrungsaufnahme sei ohne Hilfe nicht möglich. Ihrer Auskunft fügte sie ihr zugegangene Arztbriefe sowie das Gutachten des Dr. Ge., MDK, vom 21. April 2009 zur Prüfung weiterhin bestehender Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Folgen eines Sturzes mit Beteiligung der Brustwirbelsäule am 13. Januar 2009 bei.
Im Auftrag des SG erstattete Pflegesachverständige Ga.-Ge., Fachschwester für Anästhesie und Intensivmedizin, das Gutachten vom 25. August 2010. Sie schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 122 Minuten (Körperpflege 58 Minuten, Ernährung zehn Minuten, Mobilität 33 Minuten, An- und Ablegen der Orthesen 21 Minuten).
10 
Verrichtung
Anzahl
Zeit in Minuten
Baden 
Zweimal täglich
40    
Zahnpflege
Zweimal täglich
2       
Kämmen
Zweimal täglich
4       
Rasieren
Einmal täglich
5       
Stuhlgang
Einmal täglich
4       
Richten der Bekleidung
Sechsmal täglich
3       
mundgerechte Zubereitung
der Nahrung
Achtmal täglich
10    
Ankleiden gesamt
Einmal täglich
6       
Ankleiden Ober-/Unterkörper
Einmal täglich
3       
Entkleiden gesamt
Einmal täglich
4       
Entkleiden Ober-/Unterkörper
Einmal täglich
1       
Stehen
Zweimal täglich
4       
Verlassen/Wiederaufsuchen
der Wohnung
Zweimal wöchentlich
15    
Anlegen der Orthesen
Einmal täglich
15    
Ablegen der Orthesen
Einmal täglich
6       
11 
Der Kläger müsse zweimal täglich gebadet werden, da eine ausreichende Intimhygiene und Intimwäsche wegen der Spastik und der starken Körperbehaarung im Intimbereich nicht möglich sei. Die Zahnpflege sei teilweise zu übernehmen in Form von Auftragen der Zahnpasta auf die Bürste, das Befüllen des Zahnbechers mit Wasser und das Anreichen der vorbereiteten Zahnbürste. Wegen Zitterns der Hände schon bei kleinster Anstrengung müsse die Rasur voll übernommen werden. Nach dem Stuhlgang sei eine Teilhilfe in Form von Intimhygiene oder Intimwäsche erforderlich. Die Mahlzeiten müssten mundgerecht zubereitet sowie Getränke über den Tag hinweg bereitgestellt und eingeschenkt werden. Beim Vorrichten der benötigten Kleidung sei der Kläger zu unterstützen. Das Über-den-Kopfziehen der Oberteile sowie das An- und Entkleiden des Unterkörpers sei teilweise zu übernehmen. Zweimal wöchentlich sei Hilfe beim Treppensteigen (vier Minuten) und beim Ein- und Aussteigen in den bzw. aus dem Pkw für Fahrten zur Physiotherapie (vier Minuten) einschließlich Wartezeiten (45 Minuten) erforderlich. Unter Würdigung der zwischenzeitlichen gesundheitlichen Entwicklung, die sich seit der letzten Begutachtung im April 2009 stetig verschlechtert habe, bestehe der festgestellte Hilfebedarf seit dem letzten Sturzereignis im Juni 2010. Der Kläger fühle sich beim Gehen nur noch mit personeller Hilfe relativ sicher. Pflegeerschwerende Faktoren seien die Tetraparese mit Spastik sowie trotz Schmerztherapie dauerhaft bestehende Schmerzen.
12 
Die Beklagte erhob gegen das Gutachten Einwände hinsichtlich des von der Sachverständigen angenommenen zweiten Bades, der Wartezeit der Pflegeperson während des Aufenthalts in der Praxis des Krankengymnasten sowie des An- und Ablegens der Orthesen. Sie (die Beklagte) habe zudem zwischenzeitlich neben einem Krankenpflegebett auch eine Toilettensitzerhöhung und einen Badewannenlift genehmigt, was die von der Sachverständigen angegebenen Pflegezeiten weiterhin erheblich vermindere. Die verordneten Orthesen seien nach der (vorgelegten) Produktinformation einfach zu handhaben.
13 
Die Sachverständige Ga.-Ge. schätzte in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12. Oktober 2010 den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 125 Minuten. Ein Pflegebett, dessen Bettrost manuell zu verstellen sei, führe zu einer Erhöhung im Bereich der Mobilität bei der Verrichtung des Umlagerns (dreimal täglich) um drei Minuten. Das zweite Vollbad sei im Zusammenhang mit den individuellen Lebensgewohnheiten des Klägers sowie seiner Neigung zu starkem Schwitzen zu sehen. Der behandelnde Physiotherapeut sei auf die Auskünfte der Pflegeperson (der Vater des Klägers) für eine sinnvolle und ziel- gerichtete Therapie angewiesen. Die theoretisch einfache Handhabung der dem Kläger verordneten Gehschienen stehe außer Frage. Der ermittelte Zeitwert für das Anlegen der Gehschienen begründe sich auch aus der Zeit, die benötigt werde, um eine Spastik zu lösen. Spastiken, deren Auftreten und Häufigkeit im Tagesverlauf nicht vorhersehbar sei, behinderten in hohem Maße die Pflegehandlungen und würden Probleme bei der Hygiene, Sitzhaltung und anderem schaffen.
14 
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 7. Oktober 2011 ab. Es (das SG) könne dem Gutachten der Sachverständigen nicht in vollem Umfang folgen. Unter kritischer Würdigung des Gutachtens ergebe sich ein täglicher grundpflegerischer Hilfebedarf von 101 Minuten. Wegen des starken Schwitzens und der mangelnden Intimhygiene nach dem Stuhlgang lasse sich die Notwendigkeit eines zweiten Vollbades begründen. Der hierfür angesetzte Zeitwert von 20 Minuten sei zumindest um drei Minuten zu reduzieren. Eine zweite Haarwäsche pro Tag lasse sich auch wegen des starken Schwitzens weder medizinisch noch pflegerisch begründen. Zudem lasse sich weder den Ausführungen der Sachverständigen noch denen des Klägers entnehmen, dass am Abend noch einmal die Haare gewaschen würden. Es erschließe sich nicht, weshalb für das Kämmen der Haare jeweils zweimal zwei Minuten in Ansatz gebracht würden. Nach den Ausführungen der Sachverständigen könne sich der Kläger die Zähne weitgehend alleine putzen. Ein Hilfebedarf (beim Kämmen) von jeweils einer Minuten sei ausreichend und angemessen. Der Hilfebedarf von vier Minuten für die Intimhygiene nach Stuhlgang sei nicht berücksichtigungsfähig, da nach dem Stuhlgang weder durch den Kläger selbst noch durch die Pflegeperson eine Reinigung stattfinde, sondern ein zweites Bad am Abend erfolge, mit welchem die objektiv erforderliche Intimhygiene nach Stuhlgang kompensiert werde. Der von der Sachverständigen in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme angenommene Hilfebedarf für das Umlagern von drei Minuten sei widersprüchlich, da sie in ihrem Gutachten hierfür keinen Hilfebedarf festgestellt habe, obwohl der Kläger zu diesem Zeitpunkt lediglich mit einem handelsüblichen Bett versorgt gewesen sei. Ebenfalls habe sie keinen Hilfebedarf für das Aufstehen und Zubettgehen aufgeführt. Die von der Sachverständigen angenommene Wartezeit bei den Therapiebesuchen könne nicht berücksichtigt werden. Es sei nicht erkennbar, dass der Kläger die Situation nicht erfassen oder die Behandlungen nicht eigenständig durchführen könne. Zudem sei eine kurze Information seitens der Pflegeperson zum Gesundheitszustand des Klägers zu Beginn jeder Behandlung als ausreichend anzusehen und der Physiotherapeut sei aufgrund seiner Sachkunde auch selbst in der Lage, Fort- oder Rückschritte während der Behandlung in Erfahrung zu bringen. Weiter sei es der Pflegeperson (dem Vater des Klägers) durchaus möglich und zumutbar, während der Behandlungen Einkäufe oder Behördengänge zu erledigen. Der tägliche Hilfebedarf pro Therapiebesuch betrage 38 Minuten, bei zwei Therapiebesuchen pro Woche mithin aufgerundet elf Minuten. Schließlich sei bei großzügiger Betrachtung ein Hilfebedarf für das Anlegen der Orthesen von zehn Minuten und für das Ablegen der Orthesen von drei Minuten angemessen. Der von der Sachverständigen hierfür angenommene Hilfebedarf sei im Vergleich zu dem von ihr für das An- und Entkleiden in Ansatz gebrachten Zeitwert von insgesamt zehn Minuten widersprüchlich.
15 
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 3. November 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. Dezember 2011 Berufung eingelegt. Er verweist auf das Gutachten der Sachverständigen Ga.-Ge.. Den bei ihm bestehenden Hilfebedarf hat er zuletzt auf 207 Minuten täglich (Körperpflege 94 Minuten, Ernährung zehn Minuten, Mobilität 103 Minuten) beziffert. Mehrmaliges Haarewaschen am Tag (manchmal dreimal täglich) sei aufgrund des Asthma und außerordentlich fettiger Haare unabdingbar. Der Zeitaufwand für das Baden betrage 26 Minuten. Wegen der fehlenden Fein- und Grobmotorik müsse beim Reinigen der Zähne nachgereinigt werden. Deswegen könne er sich auch nicht richtig kämmen. Nach dem zweimal täglichen Stuhlgang erfolge eine grobe Reinigung, weil er nicht in der Lage sei, sich ausreichend vornüber zu beugen, um den Genitalbereich komplett säubern zu lassen. Hierfür seien insgesamt acht Minuten anzusetzen. Während der Therapien (seit 1991 Krankengymnastik, seit 2010 zweimal wöchentlich), die mindestens 25 Minuten dauerten, könne die Pflegeperson keiner anderen Tätigkeit nachgehen, weil deren Präsenz aus medizinischen Sicherheitsgründen notwendig sei sowie die Wartezeit zu kurz sei, um Einkäufe oder Behördengänge zu erledigen. Zudem nehme er seit Mitte 2008 einmal wöchentlich mit Ausnahme der Ferienzeiten an physiotherapeutischen Maßnahmen als Gruppenbehandlung bei der Volkshochschule teil. Die von der Sachverständigen Ga.-Ge. angenommenen Zeitwerte für das An- und Entkleiden seien zu gering und müssten verdoppelt werden. Das An- und Ablegen der Orthesen seien sehr komplexe Vorgänge (29 Minuten). Des Weiteren seien die von der Sachverständigen Ga.-Ge. auch bei anderen Verrichtungen angesetzten Zeitwerte zu gering oder sie habe - wie bei der Teilwäsche des Unterkörpers mit acht Minuten - vergessen, einen Hilfebedarf zu berücksichtigen. Der Kläger hat den Arztbrief des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. B. vom 26. Juli 2011 vorgelegt, der u.a. eine milbenallergische Rhinitis diagnostiziert hat.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 7. Oktober 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Dezember 2008 Pflegegeld nach der Pflegestufe II zu zahlen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Sie ist der Auffassung, es ergebe sich ein Zeitaufwand für die Grundpflege von maximal ca. 90 Minuten täglich. Nicht plausibel sei die vollständige Übernahme des Kämmens, der Zeitansatz für das An- und Ablegen der Orthesen sowie der Zeitaufwand von täglich acht Minuten für die Intimwäsche nach Stuhlgang und zusätzlich ein zweites Vollbad mit täglich 20 Minuten. Selbst wenn die Notwendigkeit einer weiteren, abendlichen Intimtoilette in der Badewanne bestehen sollte, wäre hierfür kein Vollbad notwendig. Hinsichtlich des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung zu Therapien könne der damit zusammenhängende Hilfebedarf frühestens ab Dezember 2010 berücksichtigt werden, weil erst ab diesem Zeitpunkt von einem regelmäßig anfallenden Hilfebedarf auszugehen sei. Fahrzeiten zu den Therapien könnten nicht berücksichtigt werden, weil die Pflegekraft des Klägers (sein Vater) als "Fahrer" tätig sei. Auch gebe es näher gelegene Behandlungsmöglichkeiten. Berücksichtigungsfähig sei allenfalls ein Zeitaufwand von ca. fünf Minuten täglich. Die Beklagte hat eine Aufstellung der von Dezember 2008 bis Januar 2012 ärztlich verordneten und abgerechneten krankengymnastischen Behandlungen vorgelegt (28. Januar bis 9. Dezember 2009 46 Therapien, 11. Januar 2010 bis 3. Januar 2011 72 Therapien, 5. Januar 2011 bis 17. Januar 2012 116 Therapien).
21 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
22 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) entschieden hat, ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Der Kläger begehrt (höhere) Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
24 
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er hat für die Zeit seit 1. Dezember 2008 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Gegenüber der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I ist eine wesentliche Änderung nicht eingetreten. Es mag sein, dass sich der Zeitaufwand des Hilfebedarfs seit der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I durch die Beklagte am 4. November 1996 erhöht hat. Der Hilfebedarf erreicht aber mit ca. 100 Minuten, ab dem Jahr 2011 mit ca. 103 Minuten derzeit nicht den für die Pflegestufe II notwendigen Zeitaufwand von mindestens 120 Minuten.
25 
Nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 19. Februar 1986 - 7 RAr 55/84 - SozR 1300 § 48 Nr. 22 und 8. September 2010 - B 11 AL 4/09 R - in juris). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 - B 3 P 8/04 R - SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen und damit der maßgebliche Vergleichszeitpunkt ist vorliegend die durch Bescheid vom Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 1996 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Diese Bewilligung erfolgte, ohne dass die Beklagte ein Gutachten eingeholt hatte.
26 
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).
27 
1. Beim Kläger besteht ein Hydrocephalus, der mit einem Shunt operativ versorgt ist, mit zentralen nervösen Ausfallerscheinungen in Form einer spastischen Tetraparese. Wegen der aufgrund dieser Erkrankung bestehenden Spastiken in den unteren Extremitäten und Gleichgewichtsstörungen ist die Gehfähigkeit des Kläger eingeschränkt. Das Gangbild ist kleinschrittig und ataktisch. Das unsichere Gangbild führte auch zu Stürzen mit Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule. Zur Verbesserung des Gangbildes erhielt der Kläger in der stationären Rehabilitationsbehandlung im Dezember 2008 Orthesen (Redredynschienen) verordnet. Des Weiteren ist die Feinmotorik der rechten Hand eingeschränkt. Dies ergibt sich aus den Gutachten des Dr. G. vom 19. Dezember 2008, der Pflegefachkraft E. vom 7. April 2009 und der Sachverständigen Ga.-Ge. vom 25. August 2010 sowie aus denen Akten befindlichen ärztlichen Berichten, insbesondere der sachverständigen Zeugenauskunft der Ärztin Gra. sowie dem Entlassungsbericht des Dr. L. vom 24. Dezember 2008.
28 
Aufgrund der genannten Erkrankungen bedarf der Kläger bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe. Der erforderliche Hilfebedarf beträgt seit 1. Dezember 2008 jedoch weniger als 120 Minuten täglich. Der Senat folgt der Schätzung des zeitlichen Hilfebedarfs durch die Sachverständige Ga.-Ge. (a), mit Ausnahme der Schätzung des Zeitaufwands hinsichtlich des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung (b), des Anlegens der Orthesen (c) und des Umlagerns (d).
29 
a) Der Senat folgt der Sachverständigen Ga.-Ge. darin, dass bei der Ganzkörperwäsche, die durch Baden erfolgt, ein Hilfebedarf von 40 Minuten täglich besteht. Insoweit ist eine vollständige Übernahme durch die Pflegefachkraft erforderlich. Die Sachverständige Ga.-Ge. hat im Hinblick auf die beim Kläger bestehende Tetraparese und die Folgen von Verletzungen der Wirbelsäule nach Stürzen nachvollziehbar dargelegt, der Kläger könne sich nur in die Badewanne hineinlegen, jedoch keine aufrechte Sitzposition einnehmen. Insoweit ist auch die Schätzung des Zeitaufwands der Sachverständigen mit 20 Minuten pro Baden plausibel und entspricht dem Orientierungswert in der Begutachtungs-Richtlinie von 20 bis 25 Minuten. Wie die Sachverständige Ga.-Ge. nimmt auch der Senat einen Hilfebedarf für zweimal Baden täglich an. Jedenfalls erscheint es nicht völlig abwegig, dass aufgrund der beim Kläger bestehenden Spastiken auch abends eine gründliche Reinigung des Intimbereichs erforderlich ist. Auch seine Behauptung, er schwitze stark, wird im Entlassungsbericht des Dr. L. vom 24. Dezember 2008 bestätigt, der eine vermehrte Schweißsekretion beschrieb.
30 
Bei einem zweimaligen Baden täglich kann dann aber kein Hilfebedarf mehr bei der Teilwäsche des Oberkörpers oder des Unterkörpers angenommen werden, wie dies folgerichtig auch seitens der Sachverständigen Ga.-Ge. erfolgte. Denn ausgehend von dem Vortrag des Klägers, die Reinigung des Intimbereichs sei erschwert, weil er die Beine nicht auseinander bekomme und sich nicht ausreichend vornüber beugen könne sowie wegen der Spastiken, erfolgt die gründliche Reinigung des Intimbereichs abends mit dem zweiten Bad. Gleichzeitig kann dann auch die Reinigung wegen des starken Schwitzens erfolgen sowie weiter auch die Haarwäsche.
31 
Ein wesentlich abweichender Zeitaufwand ergäbe sich allerdings nicht, wenn man die Notwendigkeit des zweiten Bades am Abend verneinte. Der Kläger behauptete erstmals im Klageverfahren, zweimal am Tag zu baden. Noch in der ergänzenden Begründung des Widerspruchs war nur von einer einmal täglichen Ganzkörperwäsche in die Rede. Hinsichtlich des starken Schwitzens behauptete der Kläger dort, Rücken und Oberkörper würden mit einem feuchten Lappen abgewischt. Auch im Berufungsverfahren trug er insoweit wieder vor, es erfolge eine Teilwäsche des Unterkörpers wegen des starken Schwitzens. Ginge man davon aus, dass nur ein Bad täglich erforderlich wäre, müsste dann aber ein Zeitaufwand für einen Hilfebedarf bei der Teilwäsche des Unterkörpers zur Reinigung des Intimbereichs und des Oberkörpers wegen des starken Schwitzens berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung der Orientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinie (Teilwäsche Unterkörper zwölf bis 15 Minuten; Teilwäsche Oberkörper acht bis zehn Minuten) würde der Zeitaufwand für diese Teilwäschen den Zeitaufwand für das angenommene zweite Bad am Abend von 20 Minuten nicht oder nur geringfügig überschreiten. Der Kläger selbst nannte zuletzt für die Teilwäsche des Unterkörpers zweimal täglich einen Zeitaufwand von 16 Minuten.
32 
Der vom Kläger in den zahlreichen Stellungnahmen angegebene Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege ist überzogen. Der Kläger übersieht, dass für die Ermittlung des Zeitaufwands des Hilfebedarfs in der soziale Pflegeversicherung nicht alle anfallenden Tätigkeiten berücksichtigungsfähig sind. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB XI ergänzen bei häuslicher und teilstationärer Pflege die Leistungen der Pflegeversicherung die familiäre, nachbarschaftliche oder sonstige ehrenamtliche Pflege und Betreuung. § 4 Abs. 2 SGB XI als Grundnorm verdeutlicht, dass die Leistungen der Pflegeversicherung (lediglich) eine soziale Grundsicherung in Form von unterstützenden Hilfeleistungen darstellen sollen, eine Vollversorgung des Pflegebedürftigen indessen nicht angestrebt wird. Im ambulanten Bereich obliegt es den Versicherten, einen durch die Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckten Pflege- und Betreuungsaufwand selbst sicherzustellen (vgl. Bundestags-Drucksachen 12/5262 S. 90 und 16/7439, S. 44; siehe auch BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 12 R 6/09 R - SozR 4-2600 § 3 Nr. 5). So gehört etwa zur mundgerechten Zubereitung der Nahrung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI, dass die zubereitete Nahrung so aufbereitet wird, dass der Pflegebedürftige sie greifen, zum Mund führen, zerkauen und schlucken kann. Es geht mithin um die letzte Maßnahme vor der Nahrungsaufnahme (BSG, Urteile vom 17. Juni 1999 - B 3 P 10/98 R - SozR 3-3300 § 15 Nr. 7 und 28. Juni 2001 - B 3 P 12/00 R - in juris; Abschnitt D 4.2 Nr. 8 Begutachtungs-Richtlinie). Dazu gehört etwa das mundgerechte Zerkleinern von Nahrung, das Heraustrennen von Knochen und Gräten sowie das Einschenken von Getränken in ein Trinkgefäß. Daraus ergibt sich, dass zahlreiche auf Seite 2/3 der dem SG vorgelegten Stellungnahme vom 31. Mai 2010 genannte Tätigkeiten nicht dieser Verrichtung zugeordnet werden können und deshalb insoweit auch kein Zeitaufwand berücksichtigungsfähig ist. Soweit der Kläger in der zuletzt im Berufungsverfahren vorgelegten Aufstellung (Bl. 59 der LSG-Akte) nach den dort gemachten Bemerkungen beim An- und Entkleiden des Unterkörpers einen Zeitaufwand von insgesamt sechs Minuten nach jedem Stuhlgang berücksichtigt haben will, kann dies nicht erfolgen. Dies ist bereits bei der Verrichtung des Richten der Bekleidung mit diesem Zeitaufwand erfolgt. Aufgrund der beim Kläger vorliegenden Funktionsstörungen ist auch nicht bei jeder Verrichtung eine vollständige Übernahme durch die Pflegeperson notwendig, sondern es besteht ein Hilfebedarf in Form einer teilweisen Übernahme durch die Pflegeperson, weil der Kläger in der Lage ist, bei den überwiegenden Verrichtungen einzelne Tätigkeit selbst auszuführen. Es ist deshalb schlüssig, dass die Sachverständige bei den überwiegenden Tätigkeiten lediglich von einem solchen Hilfebedarf ausging. So hat beispielsweise die Sachverständige schlüssig dargelegt, dass der Kläger in der Lage ist, trotz eines Zittern der Hände sich die Zähne selbstständig zu reinigen. Erforderlich ist insoweit, dass ihm die Utensilien für die Zahnpflege gerichtet und gereicht werden. Der von der Sachverständigen geschätzte Zeitaufwand des Hilfebedarfs bei der Zahnpflege von zwei Minuten täglich ist nachvollziehbar.
33 
b) Ein Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist erst ab 28. Januar 2009 dem Grunde nach berücksichtigungsfähig, zunächst bis zum Ende des Jahres 2010 mit drei Minuten täglich, ab dem Jahr 2011 mit sechs Minuten täglich. Der Senat vermag der Schätzung des Zeitaufwands durch die Sachverständige Ga.-Ge. schon aus rechtlichen Gründen nicht zu folgen.
34 
Hinsichtlich der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung hat das BSG bereits mehrmals entschieden, dass Hilfeleistungen auf Wegen außerhalb der Wohnung nur in begrenztem Maße im Bereich der Mobilität zu berücksichtigen sind, weil sie in der Regel anderen Lebensbereichen zuordnen sind (BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5, vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6, vom 10. Oktober 2000 - B 3 P 15/99 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 16, vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19 und vom 28. Mai 2003 - B 3 P 6/02 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 1 sowie Beschluss vom 18. August 2011 - B 3 P 10/11 B -, nicht veröffentlicht). Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist u.a. nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist, weil nur dann dieser Hilfebedarf "regelmäßig" im Sinne von § 14 SGB XI ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 1999 - B 3 P 7/98 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 10; Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R -).
35 
Für die Zeit vor dem 28. Januar 2009 bestand kein Hilfebedarf bei der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung, weil bis zu diesem Tag krankengymnastische Behandlungen aufgrund ärztlicher Verordnung nicht belegt sind. Weder aus der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Zusammenstellung (Bl. 38 LSG-Akte) noch aus den vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten Bestätigungen des Herrn Grauer (Bl. 20/21 SG-Akte) ergeben sich solche, sondern erst ab 28. Januar 2009 (Aufstellung der Beklagten) oder Mai 2009 (Bestätigungen des Herrn Grauer). Erst ab 28. Januar 2009 lässt sich eine mindestens einmal wöchentliche ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlung feststellen. Der Senat geht von der Aufstellung der Beklagten aus. Diese stimmt hinsichtlich des Zeitraums vom 14. Mai bis 11. September 2009 mit der Bestätigung des Herrn Grauer überein. Vom 28. Januar 2009 bis 9. Dezember 2009 (46 Wochen) erfolgten 46 Therapien. Auch für das Jahr 2010 lässt sich allenfalls eine wöchentliche ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlung feststellen. In der Zeit vom 1. Januar 2010 bis 3. Januar 2011 (51 Wochen) erfolgten 72 Therapien, mithin 1,4 pro Woche. Im Hinblick auf die sich aus der Aufstellung der Beklagten ergebenden zum Teil längeren Therapiepausen (z.B. 19. Juni bis 8. August 2010) mag zwar in zahlreichen Wochen die krankengymnastische Behandlung zweimal erfolgt sein. Da § 14 Abs. 1 SGB XI aber einen auf Dauer bestehenden Hilfebedarf, d.h. voraussichtlich mindestens sechs Monate (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R - SozR 4-3300 § 45b Nr. 1), verlangt, hält es der Senat für angemessen, auf den durchschnittlichen Anfall der krankengymnastischen Behandlungen eines Jahres abzustellen. Dies begünstigt den Kläger. Denn angesichts der Therapiepausen müsste ansonsten die Dauerhaftigkeit des Hilfebedarfs infrage gestellt werden. Erst für das Jahr 2011 lässt sich eine Frequenz der ärztlich verordneten krankengymnastischen Behandlungen von zweimal wöchentlich feststellen. Denn im Zeitraum vom 5. Januar 2011 bis 17. Januar 2012 (54 Wochen) erfolgten 116 Therapien, mithin gerundet 2,2 wöchentlich.
36 
Die vom Kläger behauptete Teilnahme an wöchentlichen physiotherapeutischen Maßnahmen in einer Gruppe (Krankengymnastik für behinderte Menschen bei der Volkshochschule) kann keinen berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf begründen. Insoweit fehlt es bereits an einer ärztlichen Verordnung.
37 
Der erforderliche Hilfebedarf im Zusammenhang mit einer krankengymnastischen Behandlung beträgt 23 Minuten, mithin wöchentlich bei einer Therapie gerundet drei Minuten (23 : 7) und sechs Minuten bei zwei Therapien wöchentlich. Für die Wege zu einer krankengymnastischen Behandlung benötigt der Kläger Hilfe beim Treppensteigen (Zugang zur Wohnung nur über Treppen) sowie beim Ein- und Aussteigen aus dem Pkw. Die Schätzung des Zeitaufwands der Sachverständigen von jeweils insgesamt vier Minuten ist nachvollziehbar. Hinsichtlich der Wegezeit kann allerdings nicht diejenige für die Fahrten zu dem in Anspruch genommenen Therapeuten Grauer, der in Heilbronn niedergelassen ist, berücksichtigt werden, sondern nur der Zeitaufwand für den Hilfebedarf beim nächsterreichbaren Behandler. Denn der Hilfebedarf richtet sich nach objektiven Kriterien und nicht, wie er tatsächlich gedeckt wird. Demgemäß kann nur der Weg zur Krankengymnastik in die Nachbargemeinden des Wohnorts des Klägers (E.), von denen z.B. W. ca. vier km entfernt ist. Die Fahrzeit für Hin- und Rückweg von insgesamt acht km beträgt insgesamt ca. 15 Minuten (vgl. Routenplaner des ADAC). Eine Wartezeit der Pflegeperson ist nicht berücksichtigungsfähig. Für die Bemessung des zeitlichen Umfangs des Pflegebedarfs ist von der zeitlichen und örtlichen Gebundenheit der Pflegeperson auszugehen; d.h. maßgebend ist die Zeit, die die Pflegeperson ausschließlich für die Abwicklung einer Hilfeleistung benötigt und während der sie keiner anderen Tätigkeit - etwa auch keiner solchen im Bereich der allgemeinen Haushaltsführung - nachgehen kann (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6). Wenn die Behandlungen mindestens 25 Minuten dauern, so die Behauptung des Klägers im Berufungsverfahren, steht der Pflegeperson ausreichend Zeit zur Verfügung, andere Tätigkeiten auszuführen. In der Regel kann nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass eine Pflegeperson das Zeitfenster der Wartezeit während einer krankengymnastischen Behandlung sinnvoll für sich nutzen kann (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. September 2011 - L 8 P 38/10 - in juris). Auch ist nicht bei jeder Behandlung erforderlich, dass der Therapeut zusätzliche Informationen über erhebliche Veränderungen erhält. Bei zweimal wöchentlich stattfindenden Behandlungen ist auszuschließen, dass innerhalb dieses kurzen Zeitraumes sich wesentliche Änderungen ergeben, die für die Ausführung oder Fortführung der Behandlung von Bedeutung sind. Zudem muss der Behandler aufgrund seiner Ausbildung auch bei einem komplexen Krankheitsbild in der Lage sein, seine Behandlung auf ein solches Krankheitsbild und die sich daraus möglicherweise ergebenden Änderungen einzustellen sowie die sich aus dem jeweiligen Krankheitsbild ergebenden Besonderheiten (z.B. eine Sturzgefahr) bei der Behandlung zu berücksichtigen.
38 
c) Hinsichtlich der Schätzung des Zeitaufwands für das Anlegen der Orthesen ist der von der Sachverständigen geschätzte Zeitaufwand zu hoch. Der Senat hält allenfalls die Hälfte des von der Sachverständigen geschätzten Zeitaufwands von insgesamt 21 Minuten, mithin 10,5 Minuten für angemessen. Sie berücksichtigt insoweit zwar, dass beim Kläger Spastiken auftreten können, die vor dem Anlegen oder Ablegen zunächst gelöst werden müssen. Aus ihrem Gutachten und aus den vorliegenden ärztlichen Berichten ergibt sich nicht, dass der Kläger ständig an Spastiken leidet, die vor jedem Anlegen oder Ablegen der Orthese gelöst werden müssen. Vielmehr können diese nur auftreten. Die Beklagte und auch das SG verweisen insoweit zutreffend darauf, dass die Sachverständige beim Ankleiden einen deutlich geringeren Zeitwert berücksichtigt hat, obgleich auch insoweit sich die Problematik des Lösung von Spastiken stellen kann. Das Anlegen und Ablegen der Orthese ist sehr einfach. Dies ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Produktinformation, die ausdrücklich als einen der Vorteile dieser Orthesen die einfachste Handhabung im täglichen Gebrauch bezeichnet.
39 
d) Der von der Sachverständigen Ga.-Ge. in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12. Oktober 2010 zusätzlich angenommene Zeitaufwand von drei Minuten für Umlagern in einem Pflegebett, ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, nicht nachvollziehbar. Sie sah keinen Hilfebedarf bei der Verrichtung des Aufstehen und Zubettgehens. Ein solcher ist auch vom Kläger nicht behauptet worden. Daraus ist zu schließen, dass der Kläger sich selbstständig aus dem Bett erheben und in das Bett gehen kann. Weshalb dann Hilfe beim Umlagern erforderlich sein soll, erschließt sich nicht.
40 
e) Von dem von der Sachverständigen Ga.-Ge. geschätzten Zeitaufwand von 125 Minuten sind somit 39 Minuten (15 Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, 21 Minuten für das Anlegen und Ablegen der Orthesen sowie drei Minuten für das Umlagern) abzuziehen, so dass sich ein Zeitaufwand von 86 Minuten ergibt. Hinzuzurechnen sind stattdessen 10,5 Minuten für das Anlegen der Orthesen sowie für die Jahre 2009 und 2010 drei Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, so dass sich ein Zeitaufwand von gerundet 100 Minuten ergibt. Ab dem Jahr 2011 kommen weitere drei Minuten hinzu, so dass sich ein Zeitaufwand von gerundet 103 Minuten ergibt.
41 
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
42 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
23 
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) entschieden hat, ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Der Kläger begehrt (höhere) Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
24 
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er hat für die Zeit seit 1. Dezember 2008 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Gegenüber der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I ist eine wesentliche Änderung nicht eingetreten. Es mag sein, dass sich der Zeitaufwand des Hilfebedarfs seit der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I durch die Beklagte am 4. November 1996 erhöht hat. Der Hilfebedarf erreicht aber mit ca. 100 Minuten, ab dem Jahr 2011 mit ca. 103 Minuten derzeit nicht den für die Pflegestufe II notwendigen Zeitaufwand von mindestens 120 Minuten.
25 
Nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 19. Februar 1986 - 7 RAr 55/84 - SozR 1300 § 48 Nr. 22 und 8. September 2010 - B 11 AL 4/09 R - in juris). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005 - B 3 P 8/04 R - SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen und damit der maßgebliche Vergleichszeitpunkt ist vorliegend die durch Bescheid vom Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 1996 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Diese Bewilligung erfolgte, ohne dass die Beklagte ein Gutachten eingeholt hatte.
26 
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG, Urteil 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R - SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 4).
27 
1. Beim Kläger besteht ein Hydrocephalus, der mit einem Shunt operativ versorgt ist, mit zentralen nervösen Ausfallerscheinungen in Form einer spastischen Tetraparese. Wegen der aufgrund dieser Erkrankung bestehenden Spastiken in den unteren Extremitäten und Gleichgewichtsstörungen ist die Gehfähigkeit des Kläger eingeschränkt. Das Gangbild ist kleinschrittig und ataktisch. Das unsichere Gangbild führte auch zu Stürzen mit Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule. Zur Verbesserung des Gangbildes erhielt der Kläger in der stationären Rehabilitationsbehandlung im Dezember 2008 Orthesen (Redredynschienen) verordnet. Des Weiteren ist die Feinmotorik der rechten Hand eingeschränkt. Dies ergibt sich aus den Gutachten des Dr. G. vom 19. Dezember 2008, der Pflegefachkraft E. vom 7. April 2009 und der Sachverständigen Ga.-Ge. vom 25. August 2010 sowie aus denen Akten befindlichen ärztlichen Berichten, insbesondere der sachverständigen Zeugenauskunft der Ärztin Gra. sowie dem Entlassungsbericht des Dr. L. vom 24. Dezember 2008.
28 
Aufgrund der genannten Erkrankungen bedarf der Kläger bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe. Der erforderliche Hilfebedarf beträgt seit 1. Dezember 2008 jedoch weniger als 120 Minuten täglich. Der Senat folgt der Schätzung des zeitlichen Hilfebedarfs durch die Sachverständige Ga.-Ge. (a), mit Ausnahme der Schätzung des Zeitaufwands hinsichtlich des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung (b), des Anlegens der Orthesen (c) und des Umlagerns (d).
29 
a) Der Senat folgt der Sachverständigen Ga.-Ge. darin, dass bei der Ganzkörperwäsche, die durch Baden erfolgt, ein Hilfebedarf von 40 Minuten täglich besteht. Insoweit ist eine vollständige Übernahme durch die Pflegefachkraft erforderlich. Die Sachverständige Ga.-Ge. hat im Hinblick auf die beim Kläger bestehende Tetraparese und die Folgen von Verletzungen der Wirbelsäule nach Stürzen nachvollziehbar dargelegt, der Kläger könne sich nur in die Badewanne hineinlegen, jedoch keine aufrechte Sitzposition einnehmen. Insoweit ist auch die Schätzung des Zeitaufwands der Sachverständigen mit 20 Minuten pro Baden plausibel und entspricht dem Orientierungswert in der Begutachtungs-Richtlinie von 20 bis 25 Minuten. Wie die Sachverständige Ga.-Ge. nimmt auch der Senat einen Hilfebedarf für zweimal Baden täglich an. Jedenfalls erscheint es nicht völlig abwegig, dass aufgrund der beim Kläger bestehenden Spastiken auch abends eine gründliche Reinigung des Intimbereichs erforderlich ist. Auch seine Behauptung, er schwitze stark, wird im Entlassungsbericht des Dr. L. vom 24. Dezember 2008 bestätigt, der eine vermehrte Schweißsekretion beschrieb.
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Bei einem zweimaligen Baden täglich kann dann aber kein Hilfebedarf mehr bei der Teilwäsche des Oberkörpers oder des Unterkörpers angenommen werden, wie dies folgerichtig auch seitens der Sachverständigen Ga.-Ge. erfolgte. Denn ausgehend von dem Vortrag des Klägers, die Reinigung des Intimbereichs sei erschwert, weil er die Beine nicht auseinander bekomme und sich nicht ausreichend vornüber beugen könne sowie wegen der Spastiken, erfolgt die gründliche Reinigung des Intimbereichs abends mit dem zweiten Bad. Gleichzeitig kann dann auch die Reinigung wegen des starken Schwitzens erfolgen sowie weiter auch die Haarwäsche.
31 
Ein wesentlich abweichender Zeitaufwand ergäbe sich allerdings nicht, wenn man die Notwendigkeit des zweiten Bades am Abend verneinte. Der Kläger behauptete erstmals im Klageverfahren, zweimal am Tag zu baden. Noch in der ergänzenden Begründung des Widerspruchs war nur von einer einmal täglichen Ganzkörperwäsche in die Rede. Hinsichtlich des starken Schwitzens behauptete der Kläger dort, Rücken und Oberkörper würden mit einem feuchten Lappen abgewischt. Auch im Berufungsverfahren trug er insoweit wieder vor, es erfolge eine Teilwäsche des Unterkörpers wegen des starken Schwitzens. Ginge man davon aus, dass nur ein Bad täglich erforderlich wäre, müsste dann aber ein Zeitaufwand für einen Hilfebedarf bei der Teilwäsche des Unterkörpers zur Reinigung des Intimbereichs und des Oberkörpers wegen des starken Schwitzens berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung der Orientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinie (Teilwäsche Unterkörper zwölf bis 15 Minuten; Teilwäsche Oberkörper acht bis zehn Minuten) würde der Zeitaufwand für diese Teilwäschen den Zeitaufwand für das angenommene zweite Bad am Abend von 20 Minuten nicht oder nur geringfügig überschreiten. Der Kläger selbst nannte zuletzt für die Teilwäsche des Unterkörpers zweimal täglich einen Zeitaufwand von 16 Minuten.
32 
Der vom Kläger in den zahlreichen Stellungnahmen angegebene Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege ist überzogen. Der Kläger übersieht, dass für die Ermittlung des Zeitaufwands des Hilfebedarfs in der soziale Pflegeversicherung nicht alle anfallenden Tätigkeiten berücksichtigungsfähig sind. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB XI ergänzen bei häuslicher und teilstationärer Pflege die Leistungen der Pflegeversicherung die familiäre, nachbarschaftliche oder sonstige ehrenamtliche Pflege und Betreuung. § 4 Abs. 2 SGB XI als Grundnorm verdeutlicht, dass die Leistungen der Pflegeversicherung (lediglich) eine soziale Grundsicherung in Form von unterstützenden Hilfeleistungen darstellen sollen, eine Vollversorgung des Pflegebedürftigen indessen nicht angestrebt wird. Im ambulanten Bereich obliegt es den Versicherten, einen durch die Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckten Pflege- und Betreuungsaufwand selbst sicherzustellen (vgl. Bundestags-Drucksachen 12/5262 S. 90 und 16/7439, S. 44; siehe auch BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 12 R 6/09 R - SozR 4-2600 § 3 Nr. 5). So gehört etwa zur mundgerechten Zubereitung der Nahrung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI, dass die zubereitete Nahrung so aufbereitet wird, dass der Pflegebedürftige sie greifen, zum Mund führen, zerkauen und schlucken kann. Es geht mithin um die letzte Maßnahme vor der Nahrungsaufnahme (BSG, Urteile vom 17. Juni 1999 - B 3 P 10/98 R - SozR 3-3300 § 15 Nr. 7 und 28. Juni 2001 - B 3 P 12/00 R - in juris; Abschnitt D 4.2 Nr. 8 Begutachtungs-Richtlinie). Dazu gehört etwa das mundgerechte Zerkleinern von Nahrung, das Heraustrennen von Knochen und Gräten sowie das Einschenken von Getränken in ein Trinkgefäß. Daraus ergibt sich, dass zahlreiche auf Seite 2/3 der dem SG vorgelegten Stellungnahme vom 31. Mai 2010 genannte Tätigkeiten nicht dieser Verrichtung zugeordnet werden können und deshalb insoweit auch kein Zeitaufwand berücksichtigungsfähig ist. Soweit der Kläger in der zuletzt im Berufungsverfahren vorgelegten Aufstellung (Bl. 59 der LSG-Akte) nach den dort gemachten Bemerkungen beim An- und Entkleiden des Unterkörpers einen Zeitaufwand von insgesamt sechs Minuten nach jedem Stuhlgang berücksichtigt haben will, kann dies nicht erfolgen. Dies ist bereits bei der Verrichtung des Richten der Bekleidung mit diesem Zeitaufwand erfolgt. Aufgrund der beim Kläger vorliegenden Funktionsstörungen ist auch nicht bei jeder Verrichtung eine vollständige Übernahme durch die Pflegeperson notwendig, sondern es besteht ein Hilfebedarf in Form einer teilweisen Übernahme durch die Pflegeperson, weil der Kläger in der Lage ist, bei den überwiegenden Verrichtungen einzelne Tätigkeit selbst auszuführen. Es ist deshalb schlüssig, dass die Sachverständige bei den überwiegenden Tätigkeiten lediglich von einem solchen Hilfebedarf ausging. So hat beispielsweise die Sachverständige schlüssig dargelegt, dass der Kläger in der Lage ist, trotz eines Zittern der Hände sich die Zähne selbstständig zu reinigen. Erforderlich ist insoweit, dass ihm die Utensilien für die Zahnpflege gerichtet und gereicht werden. Der von der Sachverständigen geschätzte Zeitaufwand des Hilfebedarfs bei der Zahnpflege von zwei Minuten täglich ist nachvollziehbar.
33 
b) Ein Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist erst ab 28. Januar 2009 dem Grunde nach berücksichtigungsfähig, zunächst bis zum Ende des Jahres 2010 mit drei Minuten täglich, ab dem Jahr 2011 mit sechs Minuten täglich. Der Senat vermag der Schätzung des Zeitaufwands durch die Sachverständige Ga.-Ge. schon aus rechtlichen Gründen nicht zu folgen.
34 
Hinsichtlich der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung hat das BSG bereits mehrmals entschieden, dass Hilfeleistungen auf Wegen außerhalb der Wohnung nur in begrenztem Maße im Bereich der Mobilität zu berücksichtigen sind, weil sie in der Regel anderen Lebensbereichen zuordnen sind (BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5, vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6, vom 10. Oktober 2000 - B 3 P 15/99 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 16, vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 19 und vom 28. Mai 2003 - B 3 P 6/02 R - SozR 4-3300 § 15 Nr. 1 sowie Beschluss vom 18. August 2011 - B 3 P 10/11 B -, nicht veröffentlicht). Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist u.a. nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist, weil nur dann dieser Hilfebedarf "regelmäßig" im Sinne von § 14 SGB XI ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 1999 - B 3 P 7/98 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 10; Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R -).
35 
Für die Zeit vor dem 28. Januar 2009 bestand kein Hilfebedarf bei der Verrichtung des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung, weil bis zu diesem Tag krankengymnastische Behandlungen aufgrund ärztlicher Verordnung nicht belegt sind. Weder aus der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Zusammenstellung (Bl. 38 LSG-Akte) noch aus den vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten Bestätigungen des Herrn Grauer (Bl. 20/21 SG-Akte) ergeben sich solche, sondern erst ab 28. Januar 2009 (Aufstellung der Beklagten) oder Mai 2009 (Bestätigungen des Herrn Grauer). Erst ab 28. Januar 2009 lässt sich eine mindestens einmal wöchentliche ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlung feststellen. Der Senat geht von der Aufstellung der Beklagten aus. Diese stimmt hinsichtlich des Zeitraums vom 14. Mai bis 11. September 2009 mit der Bestätigung des Herrn Grauer überein. Vom 28. Januar 2009 bis 9. Dezember 2009 (46 Wochen) erfolgten 46 Therapien. Auch für das Jahr 2010 lässt sich allenfalls eine wöchentliche ärztlich verordnete krankengymnastische Behandlung feststellen. In der Zeit vom 1. Januar 2010 bis 3. Januar 2011 (51 Wochen) erfolgten 72 Therapien, mithin 1,4 pro Woche. Im Hinblick auf die sich aus der Aufstellung der Beklagten ergebenden zum Teil längeren Therapiepausen (z.B. 19. Juni bis 8. August 2010) mag zwar in zahlreichen Wochen die krankengymnastische Behandlung zweimal erfolgt sein. Da § 14 Abs. 1 SGB XI aber einen auf Dauer bestehenden Hilfebedarf, d.h. voraussichtlich mindestens sechs Monate (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2010 - B 3 P 3/09 R - SozR 4-3300 § 45b Nr. 1), verlangt, hält es der Senat für angemessen, auf den durchschnittlichen Anfall der krankengymnastischen Behandlungen eines Jahres abzustellen. Dies begünstigt den Kläger. Denn angesichts der Therapiepausen müsste ansonsten die Dauerhaftigkeit des Hilfebedarfs infrage gestellt werden. Erst für das Jahr 2011 lässt sich eine Frequenz der ärztlich verordneten krankengymnastischen Behandlungen von zweimal wöchentlich feststellen. Denn im Zeitraum vom 5. Januar 2011 bis 17. Januar 2012 (54 Wochen) erfolgten 116 Therapien, mithin gerundet 2,2 wöchentlich.
36 
Die vom Kläger behauptete Teilnahme an wöchentlichen physiotherapeutischen Maßnahmen in einer Gruppe (Krankengymnastik für behinderte Menschen bei der Volkshochschule) kann keinen berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf begründen. Insoweit fehlt es bereits an einer ärztlichen Verordnung.
37 
Der erforderliche Hilfebedarf im Zusammenhang mit einer krankengymnastischen Behandlung beträgt 23 Minuten, mithin wöchentlich bei einer Therapie gerundet drei Minuten (23 : 7) und sechs Minuten bei zwei Therapien wöchentlich. Für die Wege zu einer krankengymnastischen Behandlung benötigt der Kläger Hilfe beim Treppensteigen (Zugang zur Wohnung nur über Treppen) sowie beim Ein- und Aussteigen aus dem Pkw. Die Schätzung des Zeitaufwands der Sachverständigen von jeweils insgesamt vier Minuten ist nachvollziehbar. Hinsichtlich der Wegezeit kann allerdings nicht diejenige für die Fahrten zu dem in Anspruch genommenen Therapeuten Grauer, der in Heilbronn niedergelassen ist, berücksichtigt werden, sondern nur der Zeitaufwand für den Hilfebedarf beim nächsterreichbaren Behandler. Denn der Hilfebedarf richtet sich nach objektiven Kriterien und nicht, wie er tatsächlich gedeckt wird. Demgemäß kann nur der Weg zur Krankengymnastik in die Nachbargemeinden des Wohnorts des Klägers (E.), von denen z.B. W. ca. vier km entfernt ist. Die Fahrzeit für Hin- und Rückweg von insgesamt acht km beträgt insgesamt ca. 15 Minuten (vgl. Routenplaner des ADAC). Eine Wartezeit der Pflegeperson ist nicht berücksichtigungsfähig. Für die Bemessung des zeitlichen Umfangs des Pflegebedarfs ist von der zeitlichen und örtlichen Gebundenheit der Pflegeperson auszugehen; d.h. maßgebend ist die Zeit, die die Pflegeperson ausschließlich für die Abwicklung einer Hilfeleistung benötigt und während der sie keiner anderen Tätigkeit - etwa auch keiner solchen im Bereich der allgemeinen Haushaltsführung - nachgehen kann (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R - SozR 3-3300 § 14 Nr. 6). Wenn die Behandlungen mindestens 25 Minuten dauern, so die Behauptung des Klägers im Berufungsverfahren, steht der Pflegeperson ausreichend Zeit zur Verfügung, andere Tätigkeiten auszuführen. In der Regel kann nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass eine Pflegeperson das Zeitfenster der Wartezeit während einer krankengymnastischen Behandlung sinnvoll für sich nutzen kann (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. September 2011 - L 8 P 38/10 - in juris). Auch ist nicht bei jeder Behandlung erforderlich, dass der Therapeut zusätzliche Informationen über erhebliche Veränderungen erhält. Bei zweimal wöchentlich stattfindenden Behandlungen ist auszuschließen, dass innerhalb dieses kurzen Zeitraumes sich wesentliche Änderungen ergeben, die für die Ausführung oder Fortführung der Behandlung von Bedeutung sind. Zudem muss der Behandler aufgrund seiner Ausbildung auch bei einem komplexen Krankheitsbild in der Lage sein, seine Behandlung auf ein solches Krankheitsbild und die sich daraus möglicherweise ergebenden Änderungen einzustellen sowie die sich aus dem jeweiligen Krankheitsbild ergebenden Besonderheiten (z.B. eine Sturzgefahr) bei der Behandlung zu berücksichtigen.
38 
c) Hinsichtlich der Schätzung des Zeitaufwands für das Anlegen der Orthesen ist der von der Sachverständigen geschätzte Zeitaufwand zu hoch. Der Senat hält allenfalls die Hälfte des von der Sachverständigen geschätzten Zeitaufwands von insgesamt 21 Minuten, mithin 10,5 Minuten für angemessen. Sie berücksichtigt insoweit zwar, dass beim Kläger Spastiken auftreten können, die vor dem Anlegen oder Ablegen zunächst gelöst werden müssen. Aus ihrem Gutachten und aus den vorliegenden ärztlichen Berichten ergibt sich nicht, dass der Kläger ständig an Spastiken leidet, die vor jedem Anlegen oder Ablegen der Orthese gelöst werden müssen. Vielmehr können diese nur auftreten. Die Beklagte und auch das SG verweisen insoweit zutreffend darauf, dass die Sachverständige beim Ankleiden einen deutlich geringeren Zeitwert berücksichtigt hat, obgleich auch insoweit sich die Problematik des Lösung von Spastiken stellen kann. Das Anlegen und Ablegen der Orthese ist sehr einfach. Dies ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Produktinformation, die ausdrücklich als einen der Vorteile dieser Orthesen die einfachste Handhabung im täglichen Gebrauch bezeichnet.
39 
d) Der von der Sachverständigen Ga.-Ge. in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 12. Oktober 2010 zusätzlich angenommene Zeitaufwand von drei Minuten für Umlagern in einem Pflegebett, ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, nicht nachvollziehbar. Sie sah keinen Hilfebedarf bei der Verrichtung des Aufstehen und Zubettgehens. Ein solcher ist auch vom Kläger nicht behauptet worden. Daraus ist zu schließen, dass der Kläger sich selbstständig aus dem Bett erheben und in das Bett gehen kann. Weshalb dann Hilfe beim Umlagern erforderlich sein soll, erschließt sich nicht.
40 
e) Von dem von der Sachverständigen Ga.-Ge. geschätzten Zeitaufwand von 125 Minuten sind somit 39 Minuten (15 Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, 21 Minuten für das Anlegen und Ablegen der Orthesen sowie drei Minuten für das Umlagern) abzuziehen, so dass sich ein Zeitaufwand von 86 Minuten ergibt. Hinzuzurechnen sind stattdessen 10,5 Minuten für das Anlegen der Orthesen sowie für die Jahre 2009 und 2010 drei Minuten für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, so dass sich ein Zeitaufwand von gerundet 100 Minuten ergibt. Ab dem Jahr 2011 kommen weitere drei Minuten hinzu, so dass sich ein Zeitaufwand von gerundet 103 Minuten ergibt.
41 
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
42 
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Tatbestand

1

Streitig ist die Bemessung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen im Rahmen des Anspruchs auf Zuerkennung von Leistungen nach der Pflegestufe II im Zeitraum 1.3.2006 bis 30.11.2008.

2

Die 1923 geborene Klägerin ist bei der beklagten Pflegekasse gesetzlich pflegeversichert. Sie leidet gesundheitlich im Wesentlichen an einer im streitigen Zeitraum noch mittelgradigen Demenz mit halluzinatorischer Symptomatik sowie einem beidseitigen Glaukom mit erheblicher Beeinträchtigung der Sehkraft. Seit dem 9.2.2006 ist sie vollstationär in einem Seniorenzentrum untergebracht. Die Beklagte gewährte zunächst Pflegeleistungen bei vollstationärer Pflege nach der Pflegestufe I und seit dem 1.12.2008 nach der Pflegestufe II (Bescheid vom 10.3.2009). Einen früheren Höherstufungsantrag der Klägerin vom 1.3.2006 lehnte die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab und führte zur Begründung aus, der durchschnittliche Hilfebedarf in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität betrage lediglich 66 Minuten (Bescheid vom 16.6.2006). Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27.9.2006).

3

Das von der Klägerin angerufene SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens vom 2.4.2007, ausweislich dessen ein Hilfebedarf im Bereich Hauswirtschaft von mindestens 60 Minuten täglich und ein grundpflegerischer Hilfebedarf im Umfang von 109 Minuten täglich bestanden hat (Körperpflege 55 Minuten, Ernährung 24 Minuten und Mobilität 30 Minuten). Für die Bemessung des Hilfebedarfs beim Gehen wurden dabei 25 bis 27 Wegstrecken für die Hin- und Rückwege zu den Mahlzeiten, zur Toilette und zur Dusche sowie dem abendlichen Zubettgehen zugrunde gelegt. Bei einer nach den Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit (BRi) anzunehmenden durchschnittlichen Wegstrecke von acht Metern benötige die Klägerin hierfür pro Weg eine halbe Minute. Insgesamt sei daher für die Hilfe beim Gehen ein durchschnittlicher täglicher Zeitbedarf von 13 Minuten (26 x ½ Minute) festzustellen. Das SG hat der Klage mit Urteil vom 20.11.2007 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1.3.2006 Leistungen nach Pflegestufe II zu gewähren. Über die Feststellungen im Gutachten vom 2.4.2007 hinaus seien weitere 14 Minuten Hilfebedarf (insgesamt 123 Minuten Grundpflege) anzurechnen: Eine Minute davon entfalle auf das Aufstehen und Zubettgehen und 13 Minuten auf die Verrichtung des "Gehens". Nach den BRi sei der Wert der Verrichtungen jeweils mit mindestens einer Minute zu berücksichtigen - daher müsse jede einzelne Wegstrecke mit einem Hilfebedarf von einer Minute bemessen werden.

4

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.8.2008). Verrichtung im Sinne der BRi sei nicht jeder einzelne Weg, sondern das Gehen an sich. Die in den BRi enthaltene Regelung, wonach für jede Verrichtung volle Minutenwerte anzugeben sind, beziehe sich nicht auf einzelne Tätigkeiten oder "Einzelverrichtungen", sondern nur auf die Tagesdurchschnittsbemessung.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. § 14 Abs 4 SGB XI sei für die Frage, welche Verrichtungen berücksichtigungsfähig seien, nicht in jedem Fall als abschließende Regelung zu betrachten. Offensichtlich irrtümlich habe der Gesetzgeber den Toilettengang nicht als Verrichtung aufgeführt. Zudem sei jeder Gang zur bzw von der Toilette jeweils mit einer vollen Minute anzusetzen. Es sei einem Pflegenden nicht zuzumuten, quasi mit der Stoppuhr den Hilfebedarf sekundengenau zu dokumentieren.

6

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.8.2008 mit der Maßgabe zu ändern, dass nur noch Leistungen der Pflegestufe II für die Zeit vom 1.3.2006 bis 30.11.2008 begehrt werden, und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Duisburg vom 20.11.2007 insoweit zurückzuweisen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass ein Anspruch auf Pflegeleistungen bei vollstationärer Pflege nach der Pflegestufe II für den Zeitraum vom 1.3.2006 bis 30.11.2008 nicht bestanden hat, sondern nur - wie bereits zuerkannt - nach der Pflegestufe I.

9

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs für die Zeit von März 2006 bis Juni 2007 ist § 43 Abs 5 Satz 1 Nr 2 SGB XI in der bis zum 31.3.2007 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23.10.2001 (BGBl I 2702), für die Zeit von Juli 2007 bis Juni 2008 § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XI in der bis zum 30.6.2008 geltenden Fassung des Gesetzes vom 26.3.2007 (BGBl I 378) und für die Zeit von Juli bis November 2008 in der aktuellen Fassung des § 43 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB XI(Gesetz vom 28.5.2008, BGBl I 874) - jeweils iVm § 14, § 15 Abs 1 Nr 2 und § 15 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB XI.

10

2. Für Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen übernimmt die Pflegekasse gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XI im Rahmen von pauschalen Leistungsbeträgen die pflegebedingten Aufwendungen sowie die Aufwendungen der sozialen Betreuung und für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Die monatliche Leistungshöhe hängt von der Pflegestufe iS des § 15 SGB XI ab und beträgt für Pflegebedürftige der Pflegestufe II damals wie heute 1279 Euro. Nach § 14 Abs 1 SGB XI sind Personen pflegebedürftig, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Gemäß § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XI ist schwerpflegebedürftig und damit der Pflegestufe II zuzuordnen, wer bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung bedarf. Diese Vorschrift wird durch § 15 Abs 3 Satz 1 SGB XI insofern konkretisiert, als der Zeitaufwand für die Hilfen täglich im Wochendurchschnitt(die Formulierung in § 15 Abs 3 Satz 1 SGB XI "wöchentlich im Tagesdurchschnitt" ist so gemeint, vgl BSG SozR 4-3300 § 14 Nr 3 RdNr 9) bei der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen muss, von denen wiederum mindestens zwei Stunden auf die Grundpflege entfallen müssen. Die Grundpflege erfasst diejenigen Verrichtungen, die für die Körperpflege, die Ernährung und die Mobilität iS von § 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI erforderlich sind(BSG SozR 4-3300 § 14 Nr 7 RdNr 9).

11

3. Ein die Zuordnung zur Pflegestufe II begründender Grundpflegebedarf bestand in dem hier zur Entscheidung stehenden Zeitraum nicht. Nach den unangegriffenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG betrug der tägliche Hilfebedarf der Klägerin für die Körperpflege 55 Minuten und für die Ernährung 24 Minuten (zusammen 79 Minuten). Der im Hinblick auf die Pflegestufe II erforderliche Grundpflegebedarf von zumindest 120 Minuten wurde aber nicht erreicht, weil die Klägerin in Bezug auf ihre Mobilität keiner Hilfe im Umfang von weiteren zumindest 41 Minuten bedurfte. Der mobilitätsbedingte und im Gutachten vom 2.4.2007 festgestellte Hilfebedarf von 30 Minuten ist nicht um weitere 13 Minuten wegen zusätzlicher Hilfezeiten beim Gehen zu erhöhen (dazu unter a). Ob darüber hinaus - wie vom SG angenommen - wegen der Hilfe beim Aufstehen/Zubettgehen der Hilfebedarf um eine weitere Minute zu erhöhen ist, bedarf daher keiner Entscheidung (dazu unter b).

12

a) Das LSG hat den Hilfebedarf beim Gehen zu Recht nur insoweit anerkannt, als die Wege zu und von der Toilette, zu und von den Mahlzeiten sowie beim Zubettgehen zu berücksichtigen waren (dazu unter aa); bezüglich des Gehens hat es seiner Entscheidung ebenfalls zu Recht nur die einfache Wegstrecke von pauschal acht Metern zugrunde gelegt (dazu unter bb) und die dabei benötigte Hilfe zeitlich auch nicht auf eine volle Minute pro Wegstrecke aufgerundet (dazu unter cc).

13

aa) Der Hilfebedarf beim Gehen (§ 14 Abs 4 Nr 3 SGB XI) ist dem Grunde nach nur im Hinblick auf die Wege zu und von der Toilette, zu und von den Mahlzeiten und beim Zubettgehen anzuerkennen. Denn die notwendige Hilfe beim Gehen ist nur dann zu berücksichtigen, wenn sie im Zusammenhang mit den anderen in § 14 Abs 4 SGB XI genannten zielgerichteten Verrichtungen - dh Körperpflege, Ernährung und hauswirtschaftliche Versorgung - erfolgt (so schon BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 10 S 70 f; zustimmend: Wagner in Hauck/Noftz, SGB XI, Stand März 2010, K § 14 RdNr 47; kritisch: Klie in LPK SGB XI, 3. Aufl 2009, § 14 RdNr 12). Der Verrichtungskatalog des § 14 Abs 4 SGB XI ist grundsätzlich abschließend und auf bestimmte elementare Lebensbereiche beschränkt (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 9 S 58 f; vgl zur "offensichtlichen Lücke des Gesetzes" zur Hilfe beim Liegen und Sitzen aber: BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14 S 91 f). Die Auffassung der Klägerin, die Wege von und zur Toilette seien nicht der Verrichtung "Gehen" zuzuordnen, sondern über den Wortlaut des § 14 Abs 4 SGB XI hinaus ebenfalls als eigenständige Verrichtung zu erfassen, ist unzutreffend, da schon keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke besteht. Die Darm- und Blasenentleerung in Form des hygienischen Vorgangs ist eine für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit relevante Verrichtung der Körperpflege (§ 14 Abs 4 Nr 1 SGB XI),so dass der Hilfebedarf für die Wege zur bzw von der Toilette im Rahmen der Mobilität über die Verrichtung des Gehens vollständig erfasst wird.

14

bb) Ebenfalls zutreffend hat das LSG bezüglich des zeitlichen Umfangs der Hilfe beim Gehen auf das individuelle Gehvermögen der Klägerin abgestellt und dabei für eine einfache Wegstrecke pauschal acht Meter zugrunde gelegt.

15

(1) Ausgangspunkt für die Ermittlung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen ist auch bei stationärer Pflege die Dauer, die eine - nicht als Pflegekraft ausgebildete, also nicht professionelle - durchschnittliche Pflegeperson iS von § 19 SGB XI für die Hilfe angesichts des individuellen Gehvermögens des Pflegebedürftigen benötigt(§ 15 Abs 3 Satz 1 SGB XI). Entscheidend ist der individuelle, sachlich begründete Bedarf aus Sicht des zu Pflegenden (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 9 S 61), wobei sich das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit nicht pauschal nach Krankheitsbildern oder Funktionsstörungen, sondern danach richtet, welcher Zeitaufwand in Bezug auf den individuellen Pflegebedarf konkret erforderlich ist (Udsching, SGB XI, 3. Aufl 2010, § 15 RdNr 4). Dementsprechend ist in dem vom SG eingeholten Sachverständigengutachten vom 2.4.2007 (aaO, S 21) zutreffend auf die individuelle Bewegungsfähigkeit der Klägerin abgestellt und festgestellt worden, dass ein Zeitaufwand von jeweils einer Minute zu hoch und nur eine geringere Zeit pro Wegstrecke angemessen ist.

16

(2) Die Ermittlung des maßgeblichen Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen hängt jedoch nicht nur vom individuellen Gehvermögen des Pflegebedürftigen ab, sondern auch von den örtlich-räumlichen Verhältnissen. Hierfür und somit für die Länge der zurückzulegenden Wege stellt der Gesetzgeber grundsätzlich auf die Pflege in häuslicher Umgebung ab (§§ 3, 19 Satz 1 SGB XI); maßgeblich sind also die in einer Wohnung üblicherweise zurückzulegenden Wegstrecken. Dies entspricht dem vom Gesetzgeber gewollten Vorrang der häuslichen vor der stationären Pflege und stellt einen wesentlichen Grundsatz der sozialen Pflegeversicherung dar (BT-Drucks 12/5262, S 89 f). Mit dem Abstellen auf die individuellen Wohngegebenheiten bei der Bemessung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen wird dieses Grundprinzip bestätigt; eine rein pauschalierte Betrachtungsweise würde dem widersprechen. Bei der vollstationären Pflege sind solch individualisierte Feststellungen indes nicht möglich, weil es eine "Pflege in häuslicher Umgebung" und damit auch den in § 3 Satz 1 SGB XI normierten Vorrang gerade nicht mehr gibt. Trotz Fehlens von "häuslich"-geprägten Rahmenbedingungen hat der Gesetzgeber gleichwohl auch für die Leistungen bei vollstationärer Pflege eine Feststellung der Pflegestufen nach Maßgabe der §§ 15 ff SGB XI angeordnet, ohne hierfür eine eigenständige und auf die stationäre Pflege zugeschnittene Regelung zu schaffen. Der Senat teilt deshalb den rechtlichen Ausgangspunkt des LSG, dass der Zeitaufwand für die Hilfe beim Gehen bei dauerhaft vollstationärer Pflege mangels anderer Anhaltspunkte auf der Grundlage pauschalierter Wegstrecken im Heim festgestellt werden kann.

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(3) Der Senat sieht die vom LSG zugrunde gelegte Strecke von acht Metern pro Weg im vorliegenden Fall als sachgerecht an; Bedenken hiergegen sind von der Klägerin selbst nicht vorgebracht worden. Ausgangspunkt des LSG für den hier streitgegenständlichen Zeitraum sind die "Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch Sozialgesetzbuch" (BRi - vom 21.3.1997 idF des Beschlusses vom 11.5.2006, abgedruckt etwa bei Aichberger-Engelmann, Ergänzungsband "Gesetzliche Krankenversicherung, Soziale Pflegeversicherung", GlNr 1610). Diese nach §§ 17, 53a SGB XI erlassenen BRi erläutern die Begutachtungskriterien und das Begutachtungsverfahren und sollen bundesweit einheitliche Maßstäbe für die Pflege-Begutachtung sichern. Für die Festlegung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen sehen sie als Maß sowohl für die durchschnittliche häusliche Wohnsituation als auch bei dauerhaft stationärer Unterbringung eine einfache Wegstrecke von acht Metern vor (BRi Teil C Ziff 2.4, Teil D Ziff 4.3 Nr 12; abgedruckt bei Aichberger-Engelmann, aaO, S 11, 50). Diese für den MDK gemäß § 53a Satz 3 SGB XI verbindlichen Richtlinien sind allerdings für das gerichtliche Verfahren nicht bindend. Denn die §§ 17, 53a SGB XI enthalten keine normative Ermächtigung der Spitzenverbände, Voraussetzungen und Ausmaß der Pflegebedürftigkeit mit Wirkung für außerhalb der Verwaltung stehende Personen oder die Gerichte festzulegen(BSG SozR 3-3300 § 15 Nr 1 S 5; Udsching, aaO, § 17 RdNr 4; ders in: Festschrift Krasney, München 1997, S 677, 683 f; Wagner, aaO, K § 17 RdNr 5). Sie stellen nur sog Verwaltungs-Binnenrecht dar und werden von den Gerichten auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung und den Gesetzen sowie auf ihre sachliche Vertretbarkeit überprüft (ähnlich vgl etwa BSG SozR 3-3300 § 15 Nr 1 S 5; BSG SozR 3-3300 § 15 Nr 5 S 16; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 10 S 77 mwN; zur Kasuistik zusammenfassend Udsching, aaO, § 17 RdNr 6). Nicht zu entscheiden war hier indes, ob bei der Festlegung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen in der durchschnittlichen häuslichen Wohnsituation trotz des Individualisierungsgebots (vgl oben unter 3. a bb <2>) entsprechend den BRi regelmäßig eine einfache Wegstrecke von acht Metern zugrunde gelegt werden darf, denn die Klägerin ist stationär untergebracht. Der Senat kann aber auch offenlassen, ob und inwieweit der MDK bei seiner Begutachtung im stationären Bereich grundsätzlich eine Wegstrecke von acht Metern berücksichtigen darf bzw welche Gehstrecke ansonsten angemessen wäre. Denn im vorliegenden Fall sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der sachverständig zugrunde gelegte Wert nicht mit den Gegebenheiten im Seniorenzentrum der Klägerin übereinstimmt - dies hat die Klägerin auch selbst nicht behauptet.

18

cc) Zu Recht hat das LSG den tatsächlichen Hilfebedarf von jeweils einer halben Minute nicht auf eine volle Minute pro zu berücksichtigendem Weg aufgerundet. Eine Rundungsvorschrift, wonach der tatsächlich bestehende Pflegebedarf - in welcher Weise auch immer - auf- oder abzurunden wäre, enthält das SGB XI nicht. Ein Anspruch auf Rundung aus Gründen der Gleichbehandlung ergibt sich auch nicht aus Art 3 GG iVm den nach §§ 17, 53a SGB XI erlassenen BRi.

19

(1) Die BRi verlangen bereits dem Wortlaut nach keine Rundung auf volle Minuten für jeden abgrenzbaren Einzelvorgang, der im Rahmen der Verrichtungen möglicherweise mehrmals täglich anfällt. Die BRi sehen in Teil F - Orientierungswerte zur Pflegezeitbemessung - zwar vor, dass der Hilfebedarf "für jede Verrichtung der Grundpflege stets in vollen Minutenwerten anzugeben" ist (abgedruckt bei Aichberger-Engelmann, aaO, S 79). Diese Formulierung ist aber so zu verstehen, dass für jede der in § 14 Abs 4 SGB XI genannten Verrichtungen in der jeweiligen Summe und bezogen auf den Tagesdurchschnitt volle Minutenwerte anzugeben sind. Wenn die BRi von "Verrichtung" sprechen, beziehen sie sich lediglich auf die in § 14 Abs 4 SGB XI aufgelisteten Handlungsbereiche und nicht auf jeden Einzelvorgang, der innerhalb dieses Handlungsbereichs möglicherweise mehrmals täglich anfällt. Sprachlich unterscheiden die BRi nämlich konsequent zwischen der Verrichtung und den innerhalb der jeweiligen Verrichtung erforderlichen Handlungen. Wenn es um Einzelvorgänge geht, die einer bestimmten Verrichtung zuzuordnen sind, sprechen die BRi nicht von Verrichtung, sondern zB von einzelnen "Transferleistungen" die "nur Sekunden in Anspruch" nehmen (BRi Teil D Ziff 4.0/III./9.; abgedruckt bei Aichberger-Engelmann, aaO, S 42). Dass sich die Rundungsvorschrift nur auf die pro Tag durchschnittlich erforderliche Hilfe bezieht, legt auch die sich der Rundungsvorgabe unmittelbar anschließende Regelung zur Berechnung der nicht täglich erfolgenden Verrichtungen nahe: Auch hier wird eine auf den Tag bezogene Umrechnung des wöchentlichen Zeitaufwandes vorgesehen. Bei nicht täglich anfallenden Pflegeleistungen wie etwa dem Baden wäre es wenig zielführend, wenn zunächst die Hilfeleistung pro Einzelvorgang auf volle Minuten gerundet würde. Denn bei der danach erforderlichen Umrechnung des Zeitbedarfes auf einen Tag (Hilfeleistung pro Woche geteilt durch sieben; vgl zur Berechnung der nicht täglich anfallenden Verrichtungen: BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 10 S 75) - auf diesen kommt es für die Zuordnung im Rahmen von § 15 Abs 3 SGB XI an - würde in den meisten Fällen ein rechnerisches Ergebnis produziert, welches keine vollen Minuten ergäbe - gerade das will die Rundungsvorschrift aber vermeiden.

20

(2) Etwas anderes ergibt sich - anders als die Klägerin meint - auch nicht daraus, dass in den BRi betreffend der Hilfe zum Stehen/Transfer und der Hilfe zum Gehen festgelegt wird, dass jeder Transfer/jeder Weg "einzeln zu berücksichtigen" ist (BRi Teil F Ziff 4.3/Teil D Ziff 4.3 abgedruckt bei Aichberger-Engelmann, aaO, S 50 und 83) . Die Häufigkeitsangabe der einzelnen Hilfeleistungen im Gutachten ist notwendig, da der Gesetzgeber in § 15 Abs 1 S 1 SGB XI die Pflegestufen auch von der Häufigkeit der Hilfeleistungen abhängig macht. Allein in diesem Sinne sind die in den BRi enthaltenen Maßgaben zur "Zählweise" zu lesen; dies hat keine Relevanz für die Dauer der Hilfeleistung und steht daher auch nicht in Zusammenhang mit etwaigen Rundungsschritten. Eine Rundung bereits bei jeder Einzeltätigkeit und die damit gegebenenfalls einhergehende erhebliche Ungenauigkeit wäre zudem nicht mit der gesetzlichen Vorgabe vereinbar, den Pflegebedarf angesichts der individuellen Situation des zu Pflegenden - einzelfallbezogen - so genau wie möglich festzustellen (hierzu: BSG SozR 4-3300 § 15 Nr 1 RdNr 13). Das Anliegen einer möglichst großen Praktikabilität - und nur damit lässt sich eine Rundung der festzustellenden Hilfeleistung rechtfertigen - kann nicht dazu führen, Abweichungen von den gesetzlichen Vorgaben in Kauf zu nehmen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 10 S 78). Zwar beruhen die von medizinischen Sachverständigen festzustellenden Zeitwerte regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (BSGE 95, 57 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6 RdNr 25 ff). Mit dem Individualisierungsgebot des SGB XI wäre es aber nicht vereinbar, solche Unschärfen sehenden Auges in verstärktem Maße durch Rundungsschritte bereits bei jeder einzelnen Hilfeleistung zu produzieren. Derartig gesteigerte Unschärfen würden sich im Übrigen nicht zwangsläufig zugunsten der Versicherten auswirken; die BRi sprechen keineswegs zwingend von einer Aufrundung, sondern erlauben mit der Formulierung "in vollen Minuten" durchaus auch, eine Abrundung vorzunehmen.

21

(3) Die zwischenzeitlich mit Beschluss vom 8.6.2009 neu gefassten BRi (abgedruckt bei Udsching, aaO, Anhang 4, S 553) sind daher lediglich als Klarstellung zu verstehen, wenn dort nunmehr in den Orientierungswerten (Teil F, aaO, S 601) bestimmt ist: "Der Zeitaufwand für die jeweilige Verrichtung der Grundpflege ist pro Tag, gerundet auf volle Minuten anzugeben. Dabei erfolgt die Rundung nur im Zusammenhang mit der Ermittlung des Gesamtzeitaufwands pro Tag und nicht für jede Hilfeleistung, deren Zeitaufwand weniger als eine Minute beträgt.“ Dies galt auch schon im hier streitigen Zeitraum unter Geltung der früheren BRi idF vom 11.5.2006; eine inhaltliche Änderung betreffend die Rundungsregel ist mit den seit 2009 gültigen BRi nicht verbunden.

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b) Einer Entscheidung des Senats zu der Frage, ob dem Grundpflegebedarf im Bereich Mobilität eine weitere Minute für die Hilfe beim Aufstehen bzw Zubettgehen hinzuzufügen ist, wie es das SG angenommen hat, bedurfte es nicht. Durch Hinzufügen einer weiteren Minute würde sich der Hilfebedarf der Klägerin nicht dergestalt erhöhen, dass allein dadurch ein Grundpflegebedarf von zumindest 120 Minuten festzustellen wäre.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

                          

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 29. November 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

Mit Urteil vom 29.11.2012 hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 80 sowie auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G" und "RF" ab dem 26.4.2005 verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die er mit dem Vorliegen von Verfahrensmängeln begründet.

2

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere hat der Kläger den Begründungsanforderungen nach § 160 Abs 2 S 3 SGG Genüge getan.

3

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie vorliegend - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 S 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

4

Diesen Anforderungen hat der Kläger hinreichend Rechnung getragen, soweit er eine Verletzung von § 118 Abs 1 SGG iVm § 407a ZPO rügt. Gemäß § 407a Abs 2 S 1 ZPO ist der Sachverständige nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Soweit er sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt (§ 407a Abs 2 S 2 ZPO). Dazu hat der Kläger vorgetragen, das LSG hätte das im Verwaltungsverfahren bei Prof. Dr. B. eingeholte Gutachten vom 11.12.2006 nicht verwerten dürfen, weil der Sachverständige dieses Gutachten von seinem Oberarzt und der Assistenzärztin habe erstellen lassen.

5

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch begründet. Der gerügte Verfahrensmangel liegt vor. Durch die Verwertung des bereits im Verwaltungsverfahren bei Prof. Dr. B.
eingeholten Gutachtens vom 11.12.2006 hat das LSG § 118 Abs 1 SGG iVm § 407a Abs 2 ZPO verletzt. Die letztgenannte Vorschrift betrifft zwar unmittelbar nur die Einholung von Sachverständigengutachten durch das Gericht. Aber auch für die Einholung eines Gutachtens durch die Verwaltung gelten gemäß § 21 SGB X ähnliche Grundsätze(s auch § 26 Verwaltungsverfahrensgesetz). Danach besteht für Sachverständige die Pflicht zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschriften vorgesehen ist (§ 21 Abs 3 S 1 SGB X). Zudem muss der Sachverständige unparteiisch sein. Er darf von der Teilnahme am Verwaltungsverfahren weder kraft Gesetzes noch wegen Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen sein (§§ 16, 17 SGB X; s auch §§ 20, 21 VwVfG, dazu Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl 2013, § 26 RdNr 31). Auch die inhaltlichen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Sachverständigengutachten, wie sie § 407a Abs 2 ZPO normiert, muss ein im Verwaltungsverfahren eingeholtes Gutachten grundsätzlich erfüllen(vgl Senatsbeschluss vom 17.4.2013 - B 9 V 36/12 B - SozR 4-1500 § 118 Nr 3 RdNr 5; Ramsauer, aaO, RdNr 30).

6

Jedenfalls hat ein Gericht, welches unter Verzicht auf Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zulässigerweise ein bereits im Verwaltungsverfahren erstattetes Sachverständigengutachten (§ 21 Abs 1 S 2 Nr 2, Abs 3 SGB X) im Wege des Urkundsbeweises (s Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 128 RdNr 7f mwN; BSG Urteil vom 8.12.1988 - 2/9b RU 66/87 - Juris) verwerten will, sicherzustellen, dass der das Gutachten verantwortlich Unterzeichnende die Vorschriften des § 407a Abs 2 ZPO beachtet hat. Dies folgt schon daraus, dass im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten in der Regel kein geringerer Beweiswert beizumessen ist als gerichtlich eingeholten Gutachten (Keller, aaO, mwN; vgl insgesamt Senatsbeschluss vom 17.4.2013 - B 9 V 36/12 B -, aaO, RdNr 5 ff). Durch die Verwertung von im Verwaltungsverfahren erstatteten Sachverständigengutachten im Wege des Urkundsbeweises kann die Vorschrift des § 407a Abs 2 ZPO nicht umgangen werden.

7

Nach der zu § 407a Abs 2 ZPO ergangenen Rechtsprechung des BSG muss der Sachverständige die zentralen Aufgaben der Begutachtung selbst erbringen(vgl BSG Beschluss vom 5.5.2009 - B 13 R 535/08 B - Juris RdNr 12 mwN; Keller, aaO, § 118 RdNr 11h mwN). Inwieweit die Durchführung der persönlichen Untersuchung des Probanden zum sog unverzichtbaren Kern der vom Sachverständigen selbst zu erfüllenden Zentralaufgaben zählt, hängt von der Art der Untersuchung ab. Je stärker die Untersuchung auf objektivierbare und dokumentierbare organmedizinische Befunde bezogen ist, umso eher ist der Einsatz von Mitarbeitern möglich (Keller, aaO). Der unverzichtbare Kern ist in jedem Falle betroffen, wenn sich der Sachverständige, wie vorliegend, überhaupt nicht persönlich mit der zu begutachtenden Person befasst.

8

Danach ist das Gutachten vom 11.12.2006 unter Verstoß gegen § 407a Abs 2 ZPO zustande gekommen. Es ist nicht von dem damit beauftragten Prof. Dr. B. erstellt worden, sondern von dem Oberarzt Dr. V. und der Assistenzärztin W. Der Kläger ist - wovon auch das LSG ausgegangen ist - von Prof. Dr. B. nicht persönlich untersucht worden. Der Umstand, dass Prof. Dr. B. nach den Feststellungen des LSG das Gutachten mit seinem Zustimmungsvermerk unterzeichnet hat (s Urteil S 13), ändert daran nichts.

9

Der Kläger hat das Recht zur Rüge dieses Mangels des Gutachtens des Prof. Dr. B.
 auch nicht im laufenden Gerichtsverfahren verloren. Nach § 295 ZPO, der gemäß § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar ist(BSG SozR 1500 § 160a Nr 61 mwN), kann die Verletzung einer das Verfahren betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung (…) den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste. Hierzu hat das LSG in seiner Entscheidung ausdrücklich festgestellt, dass der Kläger bereits im Verfahren vor dem SG Braunschweig den Mangel gerügt und das daraus folgende Verwertungsverbot geltend gemacht hat.

10

Auf dem gerügten Verfahrensmangel kann das angegriffene Berufungsurteil beruhen, weil sich das LSG für seine Feststellung, dass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 80 sowie auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G" und "RF" habe, ausdrücklich auch auf das Gutachten vom 11.12.2006 aus der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde der Universität M. gestützt und dieses seiner Entscheidung mit zugrunde gelegt hat.

11

Gemäß § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Der Senat macht auch zur Beschleunigung des Verfahrens von dieser Möglichkeit hinsichtlich des angefochtenen Urteils Gebrauch, da dieses von dem erfolgreich gerügten Verfahrensmangel insgesamt betroffen ist. Unter diesen Umständen kann es hier dahinstehen, ob auch die weiteren vom Kläger gerügten Verfahrensmängel vorliegen.

12

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren bleibt dem LSG vorbehalten.

(1) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege haben Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich. Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegende sowie zur Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags. Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die den Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von

1.
Leistungen der Tages- oder Nachtpflege,
2.
Leistungen der Kurzzeitpflege,
3.
Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36, in den Pflegegraden 2 bis 5 jedoch nicht von Leistungen im Bereich der Selbstversorgung,
4.
Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a.
Die Erstattung der Aufwendungen erfolgt auch, wenn für die Finanzierung der in Satz 3 genannten Leistungen Mittel der Verhinderungspflege gemäß § 39 eingesetzt werden. Die Leistung nach Satz 1 kann innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres in Anspruch genommen werden; wird die Leistung in einem Kalenderjahr nicht ausgeschöpft, kann der nicht verbrauchte Betrag in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden.

(2) Der Anspruch auf den Entlastungsbetrag entsteht, sobald die in Absatz 1 Satz 1 genannten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, ohne dass es einer vorherigen Antragstellung bedarf. Die Kostenerstattung in Höhe des Entlastungsbetrags nach Absatz 1 erhalten die Pflegebedürftigen von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel gegen Vorlage entsprechender Belege über entstandene Eigenbelastungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der in Absatz 1 Satz 3 genannten Leistungen. Für Zwecke der statistischen Erfassung bei den Pflegekassen und den privaten Versicherungsunternehmen muss auf den Belegen eindeutig und deutlich erkennbar angegeben sein, im Zusammenhang mit welcher der in Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 genannten Leistungen die Aufwendungen jeweils entstanden sind.

(3) Der Entlastungsbetrag nach Absatz 1 Satz 1 findet bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach § 13 Absatz 3 Satz 1 keine Berücksichtigung. § 63b Absatz 1 des Zwölften Buches findet auf den Entlastungsbetrag keine Anwendung. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 darf der Entlastungsbetrag hinsichtlich der Leistungen nach § 64i oder § 66 des Zwölften Buches bei der Hilfe zur Pflege Berücksichtigung finden, soweit nach diesen Vorschriften Leistungen zu gewähren sind, deren Inhalte den Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 entsprechen.

(4) Die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 verlangte Vergütung darf die Preise für vergleichbare Sachleistungen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen nicht übersteigen. Näheres zur Ausgestaltung einer entsprechenden Begrenzung der Vergütung, die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 durch nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag verlangt werden darf, können die Landesregierungen in der Rechtsverordnung nach § 45a Absatz 3 bestimmen.

(1) Angebote zur Unterstützung im Alltag tragen dazu bei, Pflegepersonen zu entlasten, und helfen Pflegebedürftigen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und ihren Alltag weiterhin möglichst selbständig bewältigen zu können. Angebote zur Unterstützung im Alltag sind

1.
Angebote, in denen insbesondere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung von Pflegebedürftigen mit allgemeinem oder mit besonderem Betreuungsbedarf in Gruppen oder im häuslichen Bereich übernehmen (Betreuungsangebote),
2.
Angebote, die der gezielten Entlastung und beratenden Unterstützung von pflegenden Angehörigen und vergleichbar nahestehenden Pflegepersonen in ihrer Eigenschaft als Pflegende dienen (Angebote zur Entlastung von Pflegenden),
3.
Angebote, die dazu dienen, die Pflegebedürftigen bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder im Haushalt, insbesondere bei der Haushaltsführung, oder bei der eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen zu unterstützen (Angebote zur Entlastung im Alltag).
Die Angebote benötigen eine Anerkennung durch die zuständige Behörde nach Maßgabe des gemäß Absatz 3 erlassenen Landesrechts. Durch ein Angebot zur Unterstützung im Alltag können auch mehrere der in Satz 2 Nummer 1 bis 3 genannten Bereiche abgedeckt werden. In Betracht kommen als Angebote zur Unterstützung im Alltag insbesondere Betreuungsgruppen für an Demenz erkrankte Menschen, Helferinnen- und Helferkreise zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger oder vergleichbar nahestehender Pflegepersonen im häuslichen Bereich, die Tagesbetreuung in Kleingruppen oder Einzelbetreuung durch anerkannte Helferinnen oder Helfer, Agenturen zur Vermittlung von Betreuungs- und Entlastungsleistungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige sowie vergleichbar nahestehende Pflegepersonen, Familienentlastende Dienste, Alltagsbegleiter, Pflegebegleiter und Serviceangebote für haushaltsnahe Dienstleistungen.

(2) Angebote zur Unterstützung im Alltag beinhalten die Übernahme von Betreuung und allgemeiner Beaufsichtigung, eine die vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten stärkende oder stabilisierende Alltagsbegleitung, Unterstützungsleistungen für Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende zur besseren Bewältigung des Pflegealltags, die Erbringung von Dienstleistungen, organisatorische Hilfestellungen oder andere geeignete Maßnahmen. Die Angebote verfügen über ein Konzept, das Angaben zur Qualitätssicherung des Angebots sowie eine Übersicht über die Leistungen, die angeboten werden sollen, und die Höhe der den Pflegebedürftigen hierfür in Rechnung gestellten Kosten enthält. Das Konzept umfasst ferner Angaben zur zielgruppen- und tätigkeitsgerechten Qualifikation der Helfenden und zu dem Vorhandensein von Grund- und Notfallwissen im Umgang mit Pflegebedürftigen sowie dazu, wie eine angemessene Schulung und Fortbildung der Helfenden sowie eine kontinuierliche fachliche Begleitung und Unterstützung insbesondere von ehrenamtlich Helfenden in ihrer Arbeit gesichert werden. Bei wesentlichen Änderungen hinsichtlich der angebotenen Leistungen ist das Konzept entsprechend fortzuschreiben; bei Änderung der hierfür in Rechnung gestellten Kosten sind die entsprechenden Angaben zu aktualisieren.

(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Anerkennung der Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne der Absätze 1 und 2 einschließlich der Vorgaben zur regelmäßigen Qualitätssicherung der Angebote und zur regelmäßigen Übermittlung einer Übersicht über die aktuell angebotenen Leistungen und die Höhe der hierfür erhobenen Kosten zu bestimmen. Beim Erlass der Rechtsverordnung sollen sie die gemäß § 45c Absatz 7 beschlossenen Empfehlungen berücksichtigen.

(4) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege mit mindestens Pflegegrad 2 können eine Kostenerstattung zum Ersatz von Aufwendungen für Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag unter Anrechnung auf ihren Anspruch auf ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 erhalten, soweit für den entsprechenden Leistungsbetrag nach § 36 in dem jeweiligen Kalendermonat keine ambulanten Pflegesachleistungen bezogen wurden. Der hierfür verwendete Betrag darf je Kalendermonat 40 Prozent des nach § 36 für den jeweiligen Pflegegrad vorgesehenen Höchstleistungsbetrags nicht überschreiten. Zur Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 bedarf es keiner vorherigen Antragstellung. Die Anspruchsberechtigten erhalten die Kostenerstattung nach Satz 1 bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle gegen Vorlage entsprechender Belege über Eigenbelastungen, die ihnen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Leistungen der Angebote zur Unterstützung im Alltag entstanden sind. Die Vergütungen für ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 sind vorrangig abzurechnen. Im Rahmen der Kombinationsleistung nach § 38 gilt die Erstattung der Aufwendungen nach Satz 1 als Inanspruchnahme der dem Anspruchsberechtigten nach § 36 Absatz 3 zustehenden Sachleistung. Ist vor der Auszahlung der Kostenerstattung nach Satz 1 für den jeweiligen Kalendermonat bereits mehr Pflegegeld oder anteiliges Pflegegeld an den Pflegebedürftigen ausgezahlt worden, als er nach Berücksichtigung des Betrags der zu erstattenden Aufwendungen beanspruchen kann, wird der Kostenerstattungsbetrag insoweit mit dem bereits ausgezahlten Pflegegeldbetrag verrechnet. Beziehen Anspruchsberechtigte die Leistung nach Satz 1, findet § 37 Absatz 3 bis 5 und 7 bis 9 Anwendung; § 37 Absatz 6 findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass eine Kürzung oder Entziehung in Bezug auf die Kostenerstattung nach Satz 1 erfolgt. Die Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 und die Inanspruchnahme des Entlastungsbetrags nach § 45b erfolgen unabhängig voneinander.

(1) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege haben Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich. Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegende sowie zur Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags. Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die den Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von

1.
Leistungen der Tages- oder Nachtpflege,
2.
Leistungen der Kurzzeitpflege,
3.
Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36, in den Pflegegraden 2 bis 5 jedoch nicht von Leistungen im Bereich der Selbstversorgung,
4.
Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a.
Die Erstattung der Aufwendungen erfolgt auch, wenn für die Finanzierung der in Satz 3 genannten Leistungen Mittel der Verhinderungspflege gemäß § 39 eingesetzt werden. Die Leistung nach Satz 1 kann innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres in Anspruch genommen werden; wird die Leistung in einem Kalenderjahr nicht ausgeschöpft, kann der nicht verbrauchte Betrag in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden.

(2) Der Anspruch auf den Entlastungsbetrag entsteht, sobald die in Absatz 1 Satz 1 genannten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, ohne dass es einer vorherigen Antragstellung bedarf. Die Kostenerstattung in Höhe des Entlastungsbetrags nach Absatz 1 erhalten die Pflegebedürftigen von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel gegen Vorlage entsprechender Belege über entstandene Eigenbelastungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der in Absatz 1 Satz 3 genannten Leistungen. Für Zwecke der statistischen Erfassung bei den Pflegekassen und den privaten Versicherungsunternehmen muss auf den Belegen eindeutig und deutlich erkennbar angegeben sein, im Zusammenhang mit welcher der in Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 genannten Leistungen die Aufwendungen jeweils entstanden sind.

(3) Der Entlastungsbetrag nach Absatz 1 Satz 1 findet bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach § 13 Absatz 3 Satz 1 keine Berücksichtigung. § 63b Absatz 1 des Zwölften Buches findet auf den Entlastungsbetrag keine Anwendung. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 darf der Entlastungsbetrag hinsichtlich der Leistungen nach § 64i oder § 66 des Zwölften Buches bei der Hilfe zur Pflege Berücksichtigung finden, soweit nach diesen Vorschriften Leistungen zu gewähren sind, deren Inhalte den Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 entsprechen.

(4) Die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 verlangte Vergütung darf die Preise für vergleichbare Sachleistungen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen nicht übersteigen. Näheres zur Ausgestaltung einer entsprechenden Begrenzung der Vergütung, die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 durch nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag verlangt werden darf, können die Landesregierungen in der Rechtsverordnung nach § 45a Absatz 3 bestimmen.

(1) Angebote zur Unterstützung im Alltag tragen dazu bei, Pflegepersonen zu entlasten, und helfen Pflegebedürftigen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und ihren Alltag weiterhin möglichst selbständig bewältigen zu können. Angebote zur Unterstützung im Alltag sind

1.
Angebote, in denen insbesondere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung von Pflegebedürftigen mit allgemeinem oder mit besonderem Betreuungsbedarf in Gruppen oder im häuslichen Bereich übernehmen (Betreuungsangebote),
2.
Angebote, die der gezielten Entlastung und beratenden Unterstützung von pflegenden Angehörigen und vergleichbar nahestehenden Pflegepersonen in ihrer Eigenschaft als Pflegende dienen (Angebote zur Entlastung von Pflegenden),
3.
Angebote, die dazu dienen, die Pflegebedürftigen bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder im Haushalt, insbesondere bei der Haushaltsführung, oder bei der eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen zu unterstützen (Angebote zur Entlastung im Alltag).
Die Angebote benötigen eine Anerkennung durch die zuständige Behörde nach Maßgabe des gemäß Absatz 3 erlassenen Landesrechts. Durch ein Angebot zur Unterstützung im Alltag können auch mehrere der in Satz 2 Nummer 1 bis 3 genannten Bereiche abgedeckt werden. In Betracht kommen als Angebote zur Unterstützung im Alltag insbesondere Betreuungsgruppen für an Demenz erkrankte Menschen, Helferinnen- und Helferkreise zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger oder vergleichbar nahestehender Pflegepersonen im häuslichen Bereich, die Tagesbetreuung in Kleingruppen oder Einzelbetreuung durch anerkannte Helferinnen oder Helfer, Agenturen zur Vermittlung von Betreuungs- und Entlastungsleistungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige sowie vergleichbar nahestehende Pflegepersonen, Familienentlastende Dienste, Alltagsbegleiter, Pflegebegleiter und Serviceangebote für haushaltsnahe Dienstleistungen.

(2) Angebote zur Unterstützung im Alltag beinhalten die Übernahme von Betreuung und allgemeiner Beaufsichtigung, eine die vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten stärkende oder stabilisierende Alltagsbegleitung, Unterstützungsleistungen für Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende zur besseren Bewältigung des Pflegealltags, die Erbringung von Dienstleistungen, organisatorische Hilfestellungen oder andere geeignete Maßnahmen. Die Angebote verfügen über ein Konzept, das Angaben zur Qualitätssicherung des Angebots sowie eine Übersicht über die Leistungen, die angeboten werden sollen, und die Höhe der den Pflegebedürftigen hierfür in Rechnung gestellten Kosten enthält. Das Konzept umfasst ferner Angaben zur zielgruppen- und tätigkeitsgerechten Qualifikation der Helfenden und zu dem Vorhandensein von Grund- und Notfallwissen im Umgang mit Pflegebedürftigen sowie dazu, wie eine angemessene Schulung und Fortbildung der Helfenden sowie eine kontinuierliche fachliche Begleitung und Unterstützung insbesondere von ehrenamtlich Helfenden in ihrer Arbeit gesichert werden. Bei wesentlichen Änderungen hinsichtlich der angebotenen Leistungen ist das Konzept entsprechend fortzuschreiben; bei Änderung der hierfür in Rechnung gestellten Kosten sind die entsprechenden Angaben zu aktualisieren.

(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Anerkennung der Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne der Absätze 1 und 2 einschließlich der Vorgaben zur regelmäßigen Qualitätssicherung der Angebote und zur regelmäßigen Übermittlung einer Übersicht über die aktuell angebotenen Leistungen und die Höhe der hierfür erhobenen Kosten zu bestimmen. Beim Erlass der Rechtsverordnung sollen sie die gemäß § 45c Absatz 7 beschlossenen Empfehlungen berücksichtigen.

(4) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege mit mindestens Pflegegrad 2 können eine Kostenerstattung zum Ersatz von Aufwendungen für Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag unter Anrechnung auf ihren Anspruch auf ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 erhalten, soweit für den entsprechenden Leistungsbetrag nach § 36 in dem jeweiligen Kalendermonat keine ambulanten Pflegesachleistungen bezogen wurden. Der hierfür verwendete Betrag darf je Kalendermonat 40 Prozent des nach § 36 für den jeweiligen Pflegegrad vorgesehenen Höchstleistungsbetrags nicht überschreiten. Zur Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 bedarf es keiner vorherigen Antragstellung. Die Anspruchsberechtigten erhalten die Kostenerstattung nach Satz 1 bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle gegen Vorlage entsprechender Belege über Eigenbelastungen, die ihnen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Leistungen der Angebote zur Unterstützung im Alltag entstanden sind. Die Vergütungen für ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 sind vorrangig abzurechnen. Im Rahmen der Kombinationsleistung nach § 38 gilt die Erstattung der Aufwendungen nach Satz 1 als Inanspruchnahme der dem Anspruchsberechtigten nach § 36 Absatz 3 zustehenden Sachleistung. Ist vor der Auszahlung der Kostenerstattung nach Satz 1 für den jeweiligen Kalendermonat bereits mehr Pflegegeld oder anteiliges Pflegegeld an den Pflegebedürftigen ausgezahlt worden, als er nach Berücksichtigung des Betrags der zu erstattenden Aufwendungen beanspruchen kann, wird der Kostenerstattungsbetrag insoweit mit dem bereits ausgezahlten Pflegegeldbetrag verrechnet. Beziehen Anspruchsberechtigte die Leistung nach Satz 1, findet § 37 Absatz 3 bis 5 und 7 bis 9 Anwendung; § 37 Absatz 6 findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass eine Kürzung oder Entziehung in Bezug auf die Kostenerstattung nach Satz 1 erfolgt. Die Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 und die Inanspruchnahme des Entlastungsbetrags nach § 45b erfolgen unabhängig voneinander.

(1) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege haben Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich. Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegende sowie zur Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags. Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die den Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von

1.
Leistungen der Tages- oder Nachtpflege,
2.
Leistungen der Kurzzeitpflege,
3.
Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36, in den Pflegegraden 2 bis 5 jedoch nicht von Leistungen im Bereich der Selbstversorgung,
4.
Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a.
Die Erstattung der Aufwendungen erfolgt auch, wenn für die Finanzierung der in Satz 3 genannten Leistungen Mittel der Verhinderungspflege gemäß § 39 eingesetzt werden. Die Leistung nach Satz 1 kann innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres in Anspruch genommen werden; wird die Leistung in einem Kalenderjahr nicht ausgeschöpft, kann der nicht verbrauchte Betrag in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden.

(2) Der Anspruch auf den Entlastungsbetrag entsteht, sobald die in Absatz 1 Satz 1 genannten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, ohne dass es einer vorherigen Antragstellung bedarf. Die Kostenerstattung in Höhe des Entlastungsbetrags nach Absatz 1 erhalten die Pflegebedürftigen von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel gegen Vorlage entsprechender Belege über entstandene Eigenbelastungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der in Absatz 1 Satz 3 genannten Leistungen. Für Zwecke der statistischen Erfassung bei den Pflegekassen und den privaten Versicherungsunternehmen muss auf den Belegen eindeutig und deutlich erkennbar angegeben sein, im Zusammenhang mit welcher der in Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 genannten Leistungen die Aufwendungen jeweils entstanden sind.

(3) Der Entlastungsbetrag nach Absatz 1 Satz 1 findet bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach § 13 Absatz 3 Satz 1 keine Berücksichtigung. § 63b Absatz 1 des Zwölften Buches findet auf den Entlastungsbetrag keine Anwendung. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 darf der Entlastungsbetrag hinsichtlich der Leistungen nach § 64i oder § 66 des Zwölften Buches bei der Hilfe zur Pflege Berücksichtigung finden, soweit nach diesen Vorschriften Leistungen zu gewähren sind, deren Inhalte den Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 entsprechen.

(4) Die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 verlangte Vergütung darf die Preise für vergleichbare Sachleistungen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen nicht übersteigen. Näheres zur Ausgestaltung einer entsprechenden Begrenzung der Vergütung, die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 durch nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag verlangt werden darf, können die Landesregierungen in der Rechtsverordnung nach § 45a Absatz 3 bestimmen.

(1) Angebote zur Unterstützung im Alltag tragen dazu bei, Pflegepersonen zu entlasten, und helfen Pflegebedürftigen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und ihren Alltag weiterhin möglichst selbständig bewältigen zu können. Angebote zur Unterstützung im Alltag sind

1.
Angebote, in denen insbesondere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung von Pflegebedürftigen mit allgemeinem oder mit besonderem Betreuungsbedarf in Gruppen oder im häuslichen Bereich übernehmen (Betreuungsangebote),
2.
Angebote, die der gezielten Entlastung und beratenden Unterstützung von pflegenden Angehörigen und vergleichbar nahestehenden Pflegepersonen in ihrer Eigenschaft als Pflegende dienen (Angebote zur Entlastung von Pflegenden),
3.
Angebote, die dazu dienen, die Pflegebedürftigen bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder im Haushalt, insbesondere bei der Haushaltsführung, oder bei der eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen zu unterstützen (Angebote zur Entlastung im Alltag).
Die Angebote benötigen eine Anerkennung durch die zuständige Behörde nach Maßgabe des gemäß Absatz 3 erlassenen Landesrechts. Durch ein Angebot zur Unterstützung im Alltag können auch mehrere der in Satz 2 Nummer 1 bis 3 genannten Bereiche abgedeckt werden. In Betracht kommen als Angebote zur Unterstützung im Alltag insbesondere Betreuungsgruppen für an Demenz erkrankte Menschen, Helferinnen- und Helferkreise zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger oder vergleichbar nahestehender Pflegepersonen im häuslichen Bereich, die Tagesbetreuung in Kleingruppen oder Einzelbetreuung durch anerkannte Helferinnen oder Helfer, Agenturen zur Vermittlung von Betreuungs- und Entlastungsleistungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige sowie vergleichbar nahestehende Pflegepersonen, Familienentlastende Dienste, Alltagsbegleiter, Pflegebegleiter und Serviceangebote für haushaltsnahe Dienstleistungen.

(2) Angebote zur Unterstützung im Alltag beinhalten die Übernahme von Betreuung und allgemeiner Beaufsichtigung, eine die vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten stärkende oder stabilisierende Alltagsbegleitung, Unterstützungsleistungen für Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende zur besseren Bewältigung des Pflegealltags, die Erbringung von Dienstleistungen, organisatorische Hilfestellungen oder andere geeignete Maßnahmen. Die Angebote verfügen über ein Konzept, das Angaben zur Qualitätssicherung des Angebots sowie eine Übersicht über die Leistungen, die angeboten werden sollen, und die Höhe der den Pflegebedürftigen hierfür in Rechnung gestellten Kosten enthält. Das Konzept umfasst ferner Angaben zur zielgruppen- und tätigkeitsgerechten Qualifikation der Helfenden und zu dem Vorhandensein von Grund- und Notfallwissen im Umgang mit Pflegebedürftigen sowie dazu, wie eine angemessene Schulung und Fortbildung der Helfenden sowie eine kontinuierliche fachliche Begleitung und Unterstützung insbesondere von ehrenamtlich Helfenden in ihrer Arbeit gesichert werden. Bei wesentlichen Änderungen hinsichtlich der angebotenen Leistungen ist das Konzept entsprechend fortzuschreiben; bei Änderung der hierfür in Rechnung gestellten Kosten sind die entsprechenden Angaben zu aktualisieren.

(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Anerkennung der Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne der Absätze 1 und 2 einschließlich der Vorgaben zur regelmäßigen Qualitätssicherung der Angebote und zur regelmäßigen Übermittlung einer Übersicht über die aktuell angebotenen Leistungen und die Höhe der hierfür erhobenen Kosten zu bestimmen. Beim Erlass der Rechtsverordnung sollen sie die gemäß § 45c Absatz 7 beschlossenen Empfehlungen berücksichtigen.

(4) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege mit mindestens Pflegegrad 2 können eine Kostenerstattung zum Ersatz von Aufwendungen für Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag unter Anrechnung auf ihren Anspruch auf ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 erhalten, soweit für den entsprechenden Leistungsbetrag nach § 36 in dem jeweiligen Kalendermonat keine ambulanten Pflegesachleistungen bezogen wurden. Der hierfür verwendete Betrag darf je Kalendermonat 40 Prozent des nach § 36 für den jeweiligen Pflegegrad vorgesehenen Höchstleistungsbetrags nicht überschreiten. Zur Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 bedarf es keiner vorherigen Antragstellung. Die Anspruchsberechtigten erhalten die Kostenerstattung nach Satz 1 bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle gegen Vorlage entsprechender Belege über Eigenbelastungen, die ihnen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Leistungen der Angebote zur Unterstützung im Alltag entstanden sind. Die Vergütungen für ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 sind vorrangig abzurechnen. Im Rahmen der Kombinationsleistung nach § 38 gilt die Erstattung der Aufwendungen nach Satz 1 als Inanspruchnahme der dem Anspruchsberechtigten nach § 36 Absatz 3 zustehenden Sachleistung. Ist vor der Auszahlung der Kostenerstattung nach Satz 1 für den jeweiligen Kalendermonat bereits mehr Pflegegeld oder anteiliges Pflegegeld an den Pflegebedürftigen ausgezahlt worden, als er nach Berücksichtigung des Betrags der zu erstattenden Aufwendungen beanspruchen kann, wird der Kostenerstattungsbetrag insoweit mit dem bereits ausgezahlten Pflegegeldbetrag verrechnet. Beziehen Anspruchsberechtigte die Leistung nach Satz 1, findet § 37 Absatz 3 bis 5 und 7 bis 9 Anwendung; § 37 Absatz 6 findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass eine Kürzung oder Entziehung in Bezug auf die Kostenerstattung nach Satz 1 erfolgt. Die Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 und die Inanspruchnahme des Entlastungsbetrags nach § 45b erfolgen unabhängig voneinander.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.