Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 30. März 2012 - L 4 P 342/10

bei uns veröffentlicht am30.03.2012

Tenor

Die Klage des Klägers gegen den Bescheid vom 18. Februar 2011 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I.
Der am 1960 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er leidet insbesondere an depressiven Störungen, die zu Angstzuständen, einer Antriebsminderung und auch schon zu Suizidversuchen führten. Außerdem bestehen der Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie, eine Adipositas und eine Lipoproteinstoffwechselstörung sowie seit August 2009 Gefühlsstörungen in den Beinen und chronische Schmerzen in Hüfte und Schultern. Seit 11. Oktober 2004 bestand beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 90. Seit 07. Dezember 2009 beträgt der GdB 100. Zusätzlich sind die Nachteilsausgleiche G, B und RF festgestellt (Bescheid des Landratsamts Ortenaukreis vom 11. Juni 2010).
Am 13. März 2008 beantragte der Kläger bei der beklagten Pflegekasse die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung in Form von Pflegegeld. Er fügte den Pflegebogen zur Vorlage beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) für den grundpflegerischen Hilfebedarf vom 12. März 2008 und auszugsweise den Entlassungsbericht des Zentrums für Psychiatrie E. vom 03. Dezember 2007 über seinen stationären Aufenthalt vom 14. bis 24. November 2007 wegen Suizidalität sowie ein ärztliches Attest des Arztes für Neurologie/Psychiatrie Dr. J. vom 11. März 2008, wonach er seit Jahren unter einer chronischen Depression und Angstzuständen leide und wegen latenter Suizidalität nicht alleine sein könne und auf die Betreuung seiner Ehefrau angewiesen sei, bei. Seine Ehefrau, die ihn pflegt, führte ergänzend aus, dass er sehr wacklig auf den Beinen sei und wegen ständiger Sturzgefahr von ihr geduscht und angekleidet werden müsse. Durch die seelische Erkrankung sei er stark antriebsgemindert, kraftlos und teilweise auch vergesslich. Ohne ihre, der Pflegeperson, Hilfe würde er seine Medikamente und sein Insulin und sogar das Essen nicht regelmäßig zu sich nehmen. Wenn die depressiven Schübe sehr stark seien, müsse sie die Haustüre abschließen, weil der Kläger sonst weglaufen und sich umbringen würde. Pflegefachkraft F. vom MDK untersuchte den Kläger daraufhin am 21. April 2008 und erstattete das Gutachten vom 24. April 2008. Sie führte aus, pflegebegründende Diagnosen seien chronisch therapieresistente Depressionen und Angstzustände, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie und eine Suizidgefährdung. Insgesamt betrage der Pflegebedarf in der Grundpflege 13 Minuten. Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege bestehe tagesdurchschnittlich im Umfang von zehn Minuten, und zwar sechsmal wöchentlich als Anleitung bei der Ganzkörperwäsche mit einem tagesdurchschnittlichen Zeitaufwand von sechs Minuten, einmal wöchentlich als Unterstützung und Beaufsichtigung beim Duschen mit einem tagesdurchschnittlichen Zeitaufwand von drei Minuten sowie zweimal täglich als Anleitung bei der Zahnpflege mit einem tagesdurchschnittlichen Zeitaufwand von einer Minute. Beim Kläger bestehe teilweise ein Selbstversorgungsdefizit, er müsse immer wieder zur Körperpflege animiert werden, die Durchführung gelinge selbstständig, ebenso verhalte es sich mit Blick auf die Zahnpflege. Die Toilettengänge würden komplett selbstständig bewältigt. Hilfebedarf im Bereich der Ernährung sei nicht erforderlich. Bei der Mobilität bestehe ein Zeitbedarf von drei Minuten tagesdurchschnittlich und zwar jeweils eine Minute Unterstützung tagesdurchschnittlich bezüglich der Anleitung beim Ankleiden und Entkleiden sowie zweimal wöchentlich mit einem tagesdurchschnittlichen Zeitbedarf von ebenfalls einer Minute Beaufsichtigung bei Stehen/Transfer. Es müsse auf regelmäßigen Wäschewechsel geachtet werden. An- und auskleiden könne sich der Kläger komplett selbstständig. Mit Bescheid vom 30. April 2008 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag ab.
Hiergegen legte der Kläger am 05. Mai 2008 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, die Beklagte habe keine fachliche Kompetenz, um darüber zu entscheiden, wie viel Pflege und Zeitaufwand ein schwer psychisch erkrankter Mensch überhaupt benötige. Seine Ehefrau müsse ihn 24 Stunden lang pflegen und betreuen. Morgens müsse sie ihm erst mal aus dem Bett helfen und ihn auskleiden. Dann müsse sie ihn mit sehr viel Zeitaufwand dazu bringen, dass er sich im Badezimmer hinsetze. Da er durch seine Krankheit stark schwitze, müsse sie ihn auskleiden und komplett (ganzer Körper) waschen. Dies sei schon allein wegen seiner Hautallergie notwendig. Er müsse rasiert werden, die Zähne müssten ihm geputzt, die Haare gekämmt und das Gesicht gewaschen werden. Er könne zwar seine Arme bewegen, aber er sei körperlich geschwächt und durch die schwere Depression antriebslos. Nach dem Waschen müsse seine Ehefrau ihn am Bauch und an den Oberschenkeln und Händen mit Kortisonsalbe einreiben, die Füße pflegen und gründlich auch zwischen den Zehen trocknen sowie nach Verletzungen schauen und eincremen. Dann müsse sie ihn komplett ankleiden und an den Frühstückstisch setzen. Dort gebe sie ihm die von ihr gerichteten Tabletten, messe den Blutzucker, spritze Insulin und richte ihm das Frühstück. Danach setze sie ihn in den Wohnzimmersessel. Sie müsse auch darauf achten, dass er genug trinke. Seine Ehefrau müsse ständig in der Nähe sein, weil er unter Angstzuständen und Suizidgedanken leide. Sie müsse ihn auch beim Einkaufen etc. mitnehmen, wo er dann im Auto auf sie warte. Während des Tages verlagere ihn seine Ehefrau, wenn er schlafen wolle, ins Bett. Zum Mittagessen müsse er von seiner Ehefrau wieder an den Tisch gesetzt werden. Bei allen Toilettengängen, Händewaschen usw. brauche er ihre Hilfe, weil er stark sturzgefährdet sei. Nach dem Mittagessen und der Tabletteneinnahme, dem Blutzuckermessen und Insulinspritzen kleide ihn seine Ehefrau um und bringe ihn zu Bett. Nach zwei Stunden setze sie ihn wieder in den Fernsehsessel. Dort bekomme er Kaffee und eine Zwischenmahlzeit. Außerdem müssten wieder Blutzucker gemessen und Insulin gespritzt werden. Zur Abendbrotzeit setze ihn seine Ehefrau an den Küchentisch und richte ihm das Abendessen wiederum mit Blutzuckermessen, Insulinspritzen und Tablettenrichten und -geben. Da er stark schwitze, müsse er auch gelegentlich mittags und immer abends komplett gewaschen und mit Kortisonsalbe eingerieben werden. Mehrmals täglich benutze seine Ehefrau auch Babysalbe zum Pflegen. Abends bringe ihn seine Ehefrau mit Umkleiden etc. ins Bett. Um 22:00 Uhr müsse sie ihn wecken, Blutzuckermessen und Nachtinsulin spritzen. Nachts brauche er auch Hilfe zum Toilettengang und beim Trinken. Wenn er ganz schlimme Depressionsschübe habe, müsse seine Ehefrau Türen und Fenster verschließen und Tabletten verstecken, dass er sich nichts antue. In dem daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 18. Juli 2008 aufgrund einer Untersuchung am 03. Juni 2008 nannte Pflegefachkraft S. als pflegebegründende Diagnose eine Antriebsminderung bei endogener Depression und als weitere Diagnosen einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus, Polyneuropathie, Bluthochdruck, Gicht, Zustand nach mehreren Suizidversuchen und Übergewicht. Er schätzte den Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege auf 16 Minuten (Körperpflege zwölf Minuten, Mobilität vier Minuten). Das Aufstehen vom Sitzen werde selbstständig und langsam durchgeführt. Der Kläger könne gut frei stehen, selbstständig und ohne Hilfsmittel mit einem sicheren Gangbild in seiner Wohnung gehen, außerhalb der Wohnung gehe er mit Gehstock und personeller Hilfe. Das Bücken im Sitzen gelinge ihm bis zu den Fußzehen. Beim Transfer in die Stehdusche werde er personell begleitet. Die grobe Kraft beim Händedruck sei normal, der Pinzettengriff werde korrekt durchgeführt, Faustschluss sei möglich, die Feinmotorik erhalten und auch Nacken- und Schürzengriff würden endgradig durchgeführt. Stuhlgang und Wasserlassen seien unauffällig. Der Kläger müsse immer wieder zur Körperpflege motiviert werden und brauche Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen im Sinne der Tagesstrukturierung. Kleidungsstücke müssten für ihn ausgewählt und angereicht werden. Das Einreiben der Haut mit Kortisonsalbe wegen eines allergischen Erythems sei Behandlungspflege, ebenso das Tablettenrichten und -geben, Blutzuckermessen und Insulinspritzen. Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 28. Juli 2008 zusätzliche Betreuungsleistungen bei häuslicher Pflege nach § 45b Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) bewilligt und ihn mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag außerdem über das Ergebnis des von Pflegefachkraft S. erstatteten Gutachtens unterrichtet hatte, wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2008 zurück. Der Hilfebedarf für die Pflegestufe I müsse mindestens 90 Minuten täglich umfassen, wobei die Grundpflege einen Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten in Anspruch nehmen müsse. Sowohl bei der Erst- als auch bei der Zweitbegutachtung durch den MDK habe ein solcher Hilfebedarf nicht festgestellt werden können. Der Kläger müsse wegen seiner schweren Depression sehr intensiv betreut und beaufsichtigt werden. Die allgemeine Betreuung und Beaufsichtigung könne jedoch nach den Begutachtungs-Richtlinien nicht als Pflegezeit berücksichtigt werden. Das Einreiben der Haut, das Richten der Tabletten, das Blutzuckermessen und Insulinspritzen sei dem Bereich der Behandlungspflege zuzuordnen und könne ebenfalls nicht als Hilfebedarf angerechnet werden.
Bereits am 04. August 2008 hatte der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Als Behinderter werde man in Deutschland ausgegrenzt und abgelehnt. Von den Gutachtern des MdK, die nicht geprüft hätten, ob er gangunsicher sei und wie lange er für die Körperpflege etc. brauche, sei er beschimpft worden. Man habe ihm gesagt, er solle sich zusammenreißen und seine Ehefrau solle ihn antreiben. Solche Aussagen seien menschenverachtend. Dies würden seine schwere Depression und die zusätzlichen Erkrankungen nicht zulassen. Seit 1999 sei er wegen Erwerbsunfähigkeit Rentner, sein Neurologe habe ihm schriftlich bestätigt, dass er betreut und gepflegt werden müsse, und der Beklagten liege auch der Entlassungsbericht der Psychiatrischen Klinik in E. vor. Er sei auf die dringende Hilfe seiner Ehefrau angewiesen. Diese habe deshalb ihren Beruf aufgeben müssen. Anlässlich der stationären Aufenthalte im Zentrum für Psychiatrie in E. sei sehr wohl seine durch die schwere Depression bedingte Antriebslosigkeit erkannt worden. Er habe dort nichts selbst gemacht. Bei seiner Entlassung habe er sich in einem verwahrlosten Zustand befunden. Aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Sc., Ärztlicher Direktor des Zentrums für Psychiatrie E., Abteilung Psychiatrie (hierzu im Folgenden) ergebe sich nichts anderes. Diese sage gerade nichts über seine Bedürftigkeit im häuslichen Bereich aus. Aus der - beigefügten - nervenärztlichen Bescheinigung des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K. vom 18. Januar 2000 ergebe sich, dass er, der Kläger, schon damals krankhaft antriebsgemindert gewesen sei und dies auch noch heute sei. Durch den zu spät behandelten Diabetes mellitus habe er Nervenschäden und schwere Gleichgewichtsstörungen und brauche daher Hilfe bei der Körperpflege und beim Ankleiden. Des Weiteren habe sich durch Beschwerden aufgrund eines Bandscheibenvorfalls und einer Wirbelsäulenverkrümmung sein Gesundheitszustand derart verschlechtert, dass beabsichtigt sei, eine Dauerschmerzmedikation durchzuführen. Zudem bestehe bei ihm nach wie vor eine Hüftarthrose beidseits und eine Kniearthrose und der - ebenfalls beigefügte - Arztbrief des Neurologen F. vom 06. August 2009 bestätige Drop-Attacks (am Ehesten sei von Drop-Attacks auszugehen, obwohl er, der Arzt, sonstige Hinweise für eine vertebro-basiläre Insuffizienz nicht finde). Wegen der Drop-Attacks sei ihm nunmehr ein Rollator verordnet worden. Trotzdem brauche er ständige Begleitung, und es sei auch eine permanente Anwesenheit der Pflegeperson erforderlich, weil er trotz Rollator die Stürze nicht verhindern könne und ein Sturz Verletzungen zur Folge haben könne. Dies müsse ebenfalls berücksichtigt werden. Im Übrigen ergebe sich auch aus dem Gutachten des Sachverständigen Ma. (hierzu im Folgenden), dass er ab 01. März 2008 Anspruch auf Leistungen nach Pflegestufe I habe. Er fügte weiter bei den Arztbrief des Dr. Nägele, Facharzt für Radiologische Diagnostik ohne Datum über eine Magnetresonanztomographie der Lendenwirbelsäule vom 01. September 2009 (Beurteilung: Protrusion mit Sequestration in der Etage LWK 5/SWK 1, leichte Vorwölbung der Bandscheibe LWK 4/5, keine Enge des Spinalkanals lumbal, Verlagerung, Irritation der Wurzel S1 links im Spinalkanal, etwas Reduktion lichte Weite Neuroforamen LWK 5 SWK 1 rechts im Entwicklungsgebiet der Wurzel L 5 rechts, keine Instabilität lumbal) und des Neurochirurgen Dr. Sm. vom 04. September 2009 (Diagnose: Chronisches Lumbalsyndrom, insulin- und metforminpflichtiger Diabetes mellitus, Adipositas permagna) sowie Atteste der Praktischen Ärztin Dr. Kr. vom 23. September 2009 (Kläger sei seit Jahrzehnten wegen wiederkehrender akuter Suizidalität im Rahmen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung und chronischen Depression auf eine 24-stündige, halt- und strukturgebende psychiatrische Pflege angewiesen) und des Praktischen Arztes V. vom 08. Oktober 2009 (Diagnosen: Arterielle Hypertonie, Depression, insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ II mit Folgeerkrankungen, Drop-Attacks; der Kläger benötige zur sicheren Fortbewegung bei Fallneigung und Gangunsicherheit einen Rollator).
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie trug zunächst vor, ausweislich der Gutachten der Pflegefachkräfte F. und S. lägen die zeitlichen Voraussetzungen für die Zubilligung der Pflegestufe I nicht vor. Die darüber hinausgehenden Zeiten der Beaufsichtigung könnten im Bereich der Grundpflege nicht berücksichtigt werden. Gegen das von dem Sachverständigen Ma. erstattete Gutachten wandte die Beklagte ein, dass die von dem Sachverständigen Ma. getroffenen Zeitansätze teilweise zu hoch seien, von einer vollen Übernahme der Verrichtungen ausgingen und lediglich pauschal mit allgemeinen Definitionen des Krankheitsbildes, jedoch nicht mit dem konkreten Hilfebedarf des Klägers begründet würden, weshalb das Gutachten keine geeignete Grundlage sei, um Leistungen der Pflegestufe I zu begründen. Mit Blick auf die von dem Sachverständigen Ma. wegen der Antriebslosigkeit des Klägers angenommene volle Übernahme der Grundpflege sehe der MDK in seinem Gutachten vom 30. Januar 2009 (hierzu im Folgenden) eine krankheitsbedingte Antriebslosigkeit beim Kläger nicht als gegeben an. Auch in den Entlassberichten des Zentrums für Psychiatrie in E. vom 2007 und Dezember 2008 (hierzu im Folgenden) werde eine krankheitsbedingte Antriebslosigkeit nicht beschrieben. Diesen Feststellungen widerspreche auch nicht die Darstellung der Ehefrau des Klägers, die dargelegt habe, dass sie den Kläger in einem nicht befriedigenden Pflegezustand nach Hause abgeholt habe. Die Ehefrau weise insbesondere auf einen festgestellten Mundgeruch durch mangelhafte Pflege von Mund und Zähnen sowie auf einen Körpergeruch und einen unzureichenden Wäschewechsel hin. Dies widerspreche jedoch nicht den Zeitansätzen und dem Hilfebedarf in Form der Anleitung und Motivation, wie er auch vom MDK festgestellt worden sei. Auch auf der Grundlage der Stellungnahme von Dr. Sc. könne eine Antriebslosigkeit, die einen besonderen Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege verursache, nicht bestätigt werden. Außerdem nehme der Sachverständige Ma. neben einer täglichen Teilwäsche des Oberkörpers mit dem vollen Zeitansatz von acht Minuten daneben auch ein tägliches Baden mit einem in Frage zu stellenden Zeitansatz von 15 Minuten an. Der MDK habe dagegen neben einer täglichen Ganzkörperwäsche alternativ ein Duschen angenommen. Zur Unterstützung ihrer Auffassung legte die Beklagte die auf ihre Veranlassung erstatteten Gutachten der Pflegefachkraft Dr. H., MDK, vom 30. Januar 2009 und 03. November 2009 sowie der Pflegefachkraft L., MDK, vom 26. Mai 2009 vor. Dr. H. schätzte in ihrem ersten Gutachten den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 17 (richtig 18) Minuten (Körperpflege zwölf Minuten, Mobilität fünf (richtig sechs) Minuten). Sie führte aus, wenn beim Kläger eine krankheitsbedingte Antriebslosigkeit vorliegen würde, würde sich die Antriebslosigkeit dadurch äußern, dass der Kläger die grundpflegerische Verrichtung - hier die Ganzkörperwäsche - durchführen wolle, aber nicht durchführen könne. Dann müsse er zu dieser Verrichtung konsequent angeleitet werden, indem die Pflegeperson die Verrichtung in viele kleine Einzelschritte unterteile und den Versicherten anleite. Unter Berücksichtigung dessen sei der von Gutachter S., MDK, im Gutachten vom 18. Juli 2008 festgestellte tägliche Hilfebedarf in Form einer Anleitung für die Ganzkörperwäsche/das Duschen/das Baden von neun Minuten pro Tag nachvollziehbar. Dieser Hilfebedarf spiegele den konkreten zeitlichen Anleitungsbedarf des Klägers wider, der krankheitsbedingt die Körperpflege etwas vernachlässige. Im Bereich der Körperpflege sei nicht nachvollziehbar, dass der Sachverständige Ma. keinen Hilfebedarf bei der Mund- und Zahnpflege und bei der Rasur des Bartes festgestellt habe. Die Tatsache, dass der Kläger die Zahnpflege nicht durchführen wolle, begründe nicht, dass hier kein Hilfebedarf für die Anleitung zur regelmäßigen Zahnpflege bestehe. Der bestehende Hilfebedarf müsse erfasst und dokumentiert werden, auch wenn die Hilfe nicht geleistet werde. Dieser Hilfebedarf sei mit zwei Minuten pro Tag für die Zahnpflege und mit einer Minute pro Tag für die Rasur des Bartes zu berücksichtigen. Nicht nachvollziehbar sei auch der vom Sachverständigen Ma. dokumentierte zeitliche Hilfebedarf von vier Minuten für das Aufstehen und Zubettgehen sowie von zwölf Minuten für die volle Übernahme des An- und Auskleidens. Der bewusstseinsklare und voll orientierte Kläger, der motorisch in der Lage sei, selbstständig aus dem Bett aufzustehen, benötige die personelle Unterstützung beim Aufstehen und Zubettgehen im Sinne einer Tagesstrukturierung, hierfür sei ein Hilfebedarf von zwei Minuten pro Tag ausreichend. Für das An- und Auskleiden sei der Bedarf mit zwei Minuten pro Tag angemessen berücksichtigt. Der vom Sachverständigen Ma. angesetzte Ansatz von einer Minute pro Tag für das Auffordern ins Bad zu gehen, zähle zum Hilfebedarf bei der Ganzkörperwäsche/dem Duschen/dem Baden und müsse somit bei dieser Verrichtung berücksichtigt werden. Aus gutachtlicher Sicht sei auch der vom Sachverständigen Ma. angesetzte zeitliche Hilfebedarf für den Transfer in die Badewanne von sieben Minuten pro Tag nicht nachvollziehbar. Der insoweit anfallende Gesamthilfebedarf betrage zwei Minuten. Pflegefachkraft L., MDK, schätzte in seinem Gutachten vom 26. Mai 2009 den grundpflegerischen Gesamthilfebedarf unter gutachterlicher Würdigung der pflegerelevanten Vorgeschichte und Befunde auf 17 Minuten täglich (Körperpflege zwölf Minuten, Mobilität fünf Minuten). Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. H. ein weiteres Gutachten nach Aktenlage vom 03. November 2009. Aufgrund der aufgetretenen Drop-Attacks unter Berücksichtigung eines Hilfebedarfs pro Vorgang von maximal einer Minuten und sieben täglich auftretenden Stürzen schätzte sie einen zusätzlichen Hilfebedarf von sieben Minuten pro Tag, weshalb der grundpflegerische Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege (weiterhin) zwölf Minuten und im Bereich der Mobilität ebenfalls zwölf (richtig dreizehn) Minuten betrage.
Im Auftrag des SG erstattete Diplom-Pflegewirt (FH) Ma. das Gutachten vom 07. November 2008 aufgrund einer Untersuchung des Klägers im häuslichen Umfeld am 05. November 2008. Er schätzte den zeitlichen Aufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 53 Minuten täglich (Körperpflege 29 Minuten, Mobilität 24 Minuten). Die Antriebslosigkeit des Klägers sei symptomatisch für die bei ihm vorliegende Erkrankung rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode. Sie setze sich beim Kläger auch auf die Motivation zur Körperpflege fort. Bei der Untersuchung habe sich der Kläger als affektlabil, aggressiv und rigide dargestellt. Er sei schnell aggressiv geworden, aber auch schnell wieder auf einen vertretbaren Stimmungslevel zu bringen gewesen. Die Rigidität begründe sich in seinem starren Festhalten an der Meinung, nie mehr zu einem Zahnarzt zu gehen, seine Zähne zu putzen und sich selbstständig zu waschen. Der Diabetes mellitus habe Auswirkungen auf die Körperpflege. Wegen der trockenen Haut an den Füßen müssten dem Kläger nach dem Duschen die Füße eingecremt werden. Bei der Teilwäsche des Oberkörpers (sieben Mal pro Woche mit einem Zeitaufwand von acht Minuten täglich), der Hände/Gesicht (vier Mal täglich mit einem Zeitaufwand von vier Minuten täglich) sei ebenso wie beim Baden (ein Mal täglich mit einem Zeitaufwand von 15 Minuten täglich) und beim Eincremen der Füße (ein Mal täglich mit einem Zeitaufwand von zwei Minuten täglich) eine volle Übernahme erforderlich. Außerdem müsse das morgendliche Aufstehen, das Hinlegen zur Mittagsruhe, das anschließende Aufstehen und das Hinlegen zur Nachtruhe (jeweils eine Minute Zeitaufwand täglich) und das gesamte An- (Zeitaufwand von acht Minuten täglich) und Entkleiden (Zeitaufwand von vier Minuten täglich) ebenso wie die Aufforderung ins Bad zu gehen (sechs Mal täglich mit einem Zeitaufwand von einer Minute täglich) voll übernommen werden. Beim Ein- und Aussteigen aus der Badewanne benötige der Kläger wegen eines Bandscheibenvorfalls teilweise Unterstützung (sieben Mal pro Woche mit einem Zeitaufwand von sieben Minuten täglich). In der auf Veranlassung des SG abgegebenen ergänzenden Stellungnahme vom 11. Dezember 2008 gab der Sachverständige Ma. an, dass für das Ein-/Aussteigen in/aus der Badewanne insgesamt nur eine und nicht sieben Minuten täglich angenommen werden könne, weshalb der gesamte pflegerische Hilfebedarf 47 Minuten betrage. In der weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 04. Januar 2009 führte der Sachverständige aus, dass allgemein bekannt sei, dass Motivation und Anleitung zur Übernahme einer Verrichtung einen deutlich höheren Zeitaufwand bedeute als die bloße vollständige Übernahme, bei der es noch nicht einmal ein Widerstandsverhalten gebe. Es sei bei einem selbst vom MDK anerkannten Körpergewicht des Klägers von 120 kg und wegen der vegetativen Symptome, die bei Depressionen sehr körpernah erlebt würden, absolut nachvollziehbar, dass der Kläger einmal täglich geduscht werde und außerdem einmal am Tag noch den Oberkörper gewaschen bekomme. Mit einem Zeitwert von 15 Minuten für die Verrichtung Duschen habe er unter Berücksichtigung eines Körpergewichts des Klägers und einer Körpergröße von 191 cm, zumal gerade bei adipösen Menschen besonders auf die Pflege der Hautfalten zu achten sei, den unteren Korridorwert berücksichtigt.
Das SG zog die Entlassungsberichte des Zentrums für Psychiatrie E. über die stationären Aufenthalte des Klägers in der Zeit vom 14. bis 24. November 2007 und 25. bis 29. Dezember 2008 (Zustand nach Suizidversuch mit Überdosis Insulin, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode, insulinpflichtiger Diabetes mellitus, Hypertonie) bei und hörte Dr. J. und Dr. Sc. als sachverständige Zeugen. Dr. J. (Auskunft vom 04. März 2009) gab an, dass ihn der Kläger letztmals am 29. November 2007 aufgesucht und dabei erklärt habe, dass es ihm nach dem stationären Aufenthalt im Zentrum für Psychiatrie im November 2007 wieder „ganz gut“ gehe. Im Februar und Mai 2008 sei er in telefonischem Kontakt mit der Ehefrau des Klägers gestanden, und außerdem habe er am 28. Februar 2009 ein - beigefügtes - Schreiben des Klägers oder seiner Ehefrau erhalten. Dr. Sc. führte unter dem 20. Mai 2009 aus, dass anlässlich der stationären Aufenthalte des Klägers im Zentrum für Psychiatrie im November 2007 und Dezember 2008 die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung gestellt worden sei. Während des Aufenthalts seien keine Bewegungsstörungen aufgefallen, das Krankheitsbild sei geprägt von sozialen Ängsten und Unsicherheit sowie depressivem Erleben. Motorisch und vom Antrieb her sei der Kläger in der Lage gewesen, Essen zu sich zu nehmen, alleine ins Bett zu gehen, sich zu kleiden und die Toilette aufzusuchen. Inwieweit sich das Krankheitsbild des Klägers außerhalb der stationären Behandlung derart verschlechtere, dass er hierzu aufgrund einer schweren Antriebsstörung nicht mehr im Stande wäre, könne aufgrund der Unterlagen nicht beurteilt werden.
Mit Urteil vom 30. November 2009 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Zuordnung zur Pflegestufe I und Gewährung der entsprechenden Leistungen in Form von Pflegegeld. Zwar bestehe ein hinreichender Bedarf von 45 Minuten täglich im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung, jedoch erreiche das Maß der Hilfebedürftigkeit im Bereich der Grundpflege nicht mehr als 45 Minuten pro Tag. Die für diese Verrichtungen angesetzten Zeitwerte durch den Sachverständigen Ma. seien zu hoch, da die beim Kläger vorliegende Antriebsminderung nicht so erheblich sei, dass eine vollständige Übernahme der Verrichtungen im Bereich der Körperpflege oder des An- und Ausziehens erforderlich sei. Für die Annahme der Notwendigkeit einer vollständigen Übernahme dieser Tätigkeiten spreche zwar die plastische Schilderung des Sachverständigen wie die Körperpflege des Klägers am Tage der Begutachtung stattgefunden habe. Nach Ansicht der Kammer sei der Kläger jedoch trotzdem noch, auch psychisch, in der Lage, bei zumutbarer Willensanstrengung diese Verrichtungen selbst (zumindest teilweise) durchzuführen. Die Kammer komme zu diesem Schluss aufgrund des persönlichen Eindrucks, den sie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung, bei der der Antrieb des Klägers nicht erheblich gemindert gewirkt habe, gewonnen habe und der vorliegenden sachverständigen Zeugenaussagen. Der geringere Hilfebedarf ergebe sich auch daraus, dass nach den Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) bei den Verrichtungen der Grundpflege, bei denen der Kläger hilfebedürftig sei, geringere Zeitwerte anzusetzen seien als von dem Sachverständigen angenommen. Auch die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten stützten diese Ansicht. Hinreichend berücksichtigt sei hierbei sowohl das vom Sachverständigen Ma. angenommene Erfordernis, dass der Kläger neben einer Ganzkörperwäsche noch eine Teilwäsche des Oberkörpers am Nachmittag benötige, dem die Kammer folge. Die seit 2008 auftretenden Drop-Attacks seien zum Zeitpunkt der Begutachtung bereits bekannt gewesen. Für die Kammer sei nicht ersichtlich, welcher konkrete und medizinisch notwendige, bisher jedoch noch nicht berücksichtigte Hilfebedarf aus den Drop-Attacks folge. Hier sei auch auf den Einwand der Beklagten zu verweisen, dass Stürze aufgrund des plötzlichen Auftretens ohne Vorankündigung auch nicht durch ständige Begleitung vermieden werden könnten. Insofern könne auch die Begleitung bei Toilettengängen nicht berücksichtigt werden. Hierbei handele es sich um Pflege, die durch die engagierte Ehefrau des Klägers über das medizinisch Notwendige hinaus geleistet werde. Die Kammer verkenne auch nicht die weiteren Einwände des Klägers bezüglich des Richtens von Medikamenten und der Versorgung des Haushalts. Hierbei handele es sich jedoch um Verrichtungen der hauswirtschaftlichen Versorgung bzw. der Behandlungspflege, die nicht zu den Verrichtungen der Grundpflege gehörten.
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Mit Bescheid vom 09. Dezember 2009, der eine Rechtmittelbelehrung enthielt, wonach er mit dem Widerspruch anzufechten sei, lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des SG vom 30. November 2009 den vom Kläger am 24. November 2009 gestellten Antrag auf Pflegestufe II ab und hob mit weiterem Bescheid vom 09. Dezember 2009 die mit Bescheid vom 12. Februar 2009 vorläufige Zubilligung der Pflegestufe I für die Zeit vom 01. November 2008 mit Ablauf Dezember 2009 wieder auf.
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Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 18. Januar 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Januar 2010 Berufung eingelegt. Die vom Sachverständigen Ma. angesetzten Zeiten seien richtig ermittelt. Sie seien plausibel und logisch und könnten nicht durch Beobachtungen der Kammer aufgrund eines kurzen nicht vollständigen Einblicks ersetzt werden. Der Sachverständige Ma., der ihn in seiner tagtäglichen Situation beobachtet habe, sei letztlich der einzige, der tatsächlich beurteilen könne, dass bei ihm der Hilfebedarf nach Pflegestufe I gegeben sei. Es handele sich bei ihm nicht nur um eine chronische Depression, sondern um eine therapieresistente chronische Depression und die Drop-Attacks würden darüber hinaus zwischenzeitlich nicht nur zeitweilig, sondern regelmäßig auftreten. Obwohl die Kammer anders als der Sachverständige Ma. selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfüge, um beurteilen zu können, ob er, der Kläger, ausreichend motiviert werden könne, die Grundpflege teilweise oder insgesamt selbst auszuführen, komme sie zu einem von einem Sachverständigen festgestellten abweichenden Ergebnis. Soweit das SG der Ansicht sei, der Sachverständige habe die erforderlichen Minuten für die Grundpflege zu hoch angesetzt, sei eine solche Einschätzung durch die Kammer gar nicht möglich, da sie selbst nie zugegen gewesen sei, wenn die Pflege vorgenommen worden sei. Selbst wenn man davon ausgehen wolle, die Kammer würde über die entsprechende Sachkunde verfügen, so sei allein der Eindruck der Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht geeignet, um abschließend seine Situation zu bewerten. Er habe vor der Verhandlung mehr als die doppelte Menge an Beruhigungsmitteln erhalten als ärztlicherseits verordnet. Als Nebenwirkung trete bei diesem Medikament dann eine sogenannte „Aufgedrehtheit“ auf. Tatsächlich sei seine Situation bei normaler Medikamentation gänzlich anders. Daran änderten auch die Stellungnahmen der sachverständigen Zeugen nichts. Diese hätten selbst mitgeteilt, dass der Antrieb zwar ungestört „wirkte“, jedoch eine abschließende Beurteilung gerade nicht möglich sei, weil man ihn, den Kläger, gerade nicht in seiner häuslichen Umgebung erlebt habe. Hinzu komme, dass er in einem verwahrlosten Zustand aus der Klinik gekommen sei. Ergänzend hat der Kläger vorgetragen, dass sich sein Gesundheitszustand mittlerweile weiter verschlechtert habe. Es hätten nunmehr alle seine Zähne gezogen werden müssen. Aufgrund der aktuellen Situation schaffe er häufig den Gang zur Toilette nicht mehr rechtzeitig, sodass ein erhöhter Aufwand bei der Reinigung notwendig sei. Von der Krankenkasse erhalte er nunmehr einen Rollstuhl, den er außerhalb der Wohnung nutzen könne. Dieser müsse von seiner Frau gefahren werden. Aufgrund der benötigten Medikamente sei er nicht in der Lage, einen Elektrorollstuhl sicher im öffentlichen Verkehr zu führen. In der rechten Schulter habe er außerdem einen großen Knochensporn, weshalb er am 19. Mai 2011 operiert werden müsse. In der linken Schulter habe er das gleiche Problem. Außerdem habe er beidseits eine starke Hüftarthrose, die ebenfalls dafür sorge, dass er ständig stürze und kaum ein paar Meter laufen könne. Er hat ein Pflegetagebuch mit der Beschreibung eines typischen Tages beigefügt.
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Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Eine krankheitsbedingte Antriebslosigkeit des Klägers habe aufgrund der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen nicht festgestellt werden können. Dies ergebe sich schwerpunktmäßig vielmehr nur aus den subjektiven Schilderungen des Klägers und seiner Ehefrau, die allerdings angesichts der angespannten finanziellen Verhältnisse auch von dem Begehren getragen zu sein schienen, durch entsprechende Einlassungen Leistungen zumindest der Pflegestufe I zugebilligt zu erhalten. Die Bewertung des Sachverständigen Ma. sei im Wesentlichen davon geprägt, dass er die subjektiven Angaben des Klägers und seiner Ehefrau unkritisch seinem Gutachten zugrunde lege und im Übrigen in abstrakter Weise aus dem Vorliegen eines (angeblich) gesicherten Krankheitsbildes einer krankheitsbedingten geminderten Antriebslosigkeit einen Rückschluss auf einen erhöhten Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege ziehe. Diese Bewertung des Hilfebedarfs sei dabei jedoch nicht in ausreichender Weise durch eigene konkrete Feststellungen gedeckt, sondern in abstrakter Weise von dem Begriff der Antriebslosigkeit hergeleitet. Das persönliche Auftreten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem SG habe sehr deutlich gezeigt, dass dieser durchaus in der Lage sei, seine Lebenssituation zu beschreiben, folgerichtig zu handeln und selbst in großem Umfang initiativ zu werden. Auch von einer Notwendigkeit einer ständigen Begleitung des Klägers wegen drohender Drop-Attacks sei während der mündlichen Verhandlung vor dem SG nichts zu erkennen gewesen. Die Feststellungen des MDK in seinem Gutachten vom 26. Mai 2009 unter Auswertung der vorliegenden Krankenhausberichte bestätigten ausdrücklich, dass eine krankheitsbedingte Antriebsminderung gerade nicht festzustellen sei. Die Darstellung der Klägerseite, ein entsprechendes Verhalten sei ausschließlich auf die erhöhte Medikation am Verhandlungstag zurückzuführen, erscheine deshalb wenig überzeugend. Im Übrigen weise der MDK in seinem Gutachten vom 26. Mai 2009 auch zutreffend darauf hin, dass bei einer Depression immer die individuellen Symptome der Erkrankung sowie das Ausmaß daraus resultierender Funktionsstörungen zu berücksichtigen sei. Genau von diesen Anforderungen weiche der Sachverständige Ma. in seinem Gutachten ab. Es sei dem Kläger einzuräumen, dass zwischenzeitlich wohl eine Zunahme der Schulterbeschwerden eingetreten sei. Aufgrund der weiter eingeschränkten Schulterbeweglichkeit sei davon auszugehen, dass sich hierdurch auch die Notwendigkeit der erforderlichen Hilfe im Bereich der Grundpflege verändert habe und von einem erhöhten Hilfebedarf auszugehen sei. Nachdem über die Bewertung des erforderlichen Hilfebedarfs seitens des MDK jedoch keine Einigkeit habe erzielt werden können, halte sie zum jetzigen Zeitpunkt ein weiteres Gutachten mit Hausbesuch seitens des MDK nicht für zielführend.
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Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat der Kläger am 13. Januar 2011 erneut einen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung gestellt. Die Beklagte hat daraufhin Pflegefachkraft F. vom MDK mit der Erstattung eines weiteren Gutachtens beauftragt. Pflegefachkraft F. hat den Kläger am 10. Februar 2011 untersucht und am 14. Februar 2011 ihr Gutachten erstattet. Sie hat den Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege mit täglich 16 Minuten angegeben (Körperpflege neun Minuten, Mobilität sieben Minuten). Der Kläger sei liegend auf dem Sofa angetroffen worden, er habe sich unaufgefordert, selbstständig von der liegenden Position in die sitzende Position gebracht. Das Aufstehen von dem sehr niedrigen Sofa sei ihm sehr mühsam gelungen. Er habe sich dabei am Rollator festhalten müssen. Mit dem Rollator könne der Kläger selbstständig gehen. Sein Gangbild sei zum Begutachtungszeitpunkt sicher gewesen. Er könne auch frei stehen. Er habe angegeben, dass ihm mit Hilfe des Bettbügels das Aufstehen/Zubettgehen selbstständig gelinge. Beim Transfer in die Badewanne sei Hilfestellung erforderlich. Die Beine müssten in die Badewanne hinein und wieder herausgehoben werden. Während des Hausbesuchs habe der Kläger spontan (unaufgefordert) den rechten Socken ausgezogen und seine Knöchelgelenke gezeigt. Allen Anforderungen der Gutachterin sei der Kläger spontan nachgekommen. Vor einiger Zeit sei es nach dem Bericht des Klägers zu zweimaligem Einnässen gekommen, weshalb er jetzt öfter zur Toilette gehe. Die Toilettengänge bewältige er einschließlich der Intimhygiene und dem Richten der Bekleidung selbstständig. Die vollständige Übernahme der Körperpflege durch die Ehefrau des Klägers sei aus gutachtlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe keinerlei Bewegungseinschränkungen. Da er die Körperpflege vernachlässige, müsse er dazu aufgefordert werden. Nachvollziehbar sei nur, dass Rücken- und Füßewaschen von der Pflegeperson übernommen würden. Des Weiteren müsse er zur Zahnhygiene, zum Kämmen der Haare und zur Rasur aufgefordert werden. Unterstützung benötige er des Weiteren beim An- und Auskleiden im Bereich des Unterkörpers, dem Sockenanziehen und in die Hose einsteigen. Den Oberkörper könne er komplett selbstständig an- und auskleiden. Frische Kleidung müsse ihm gerichtet werden. Gestützt auf dieses Gutachten hat die Beklagte mit Bescheid vom 18. Februar 2011 den erneuten Antrag des Klägers auf Leistungen aus der Pflegeversicherung abgelehnt. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass die Entscheidung unmittelbar Gegenstand des Berufungsverfahrens werde.
14 
Der Senat hat die den Kläger betreffenden Akten des Landratsamts Ortenaukreis zur Einsicht beigezogen und hieraus Kopien gefertigt. Auf Bl. 28 bis 37 der LSG-Akte wird insoweit verwiesen.
15 
Sodann hat der Senat Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Ka. und Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. Da., Ortenauklinikum W. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. Ka. hat (Eingang beim Landessozialgericht am 24. August 2011) mitgeteilt, dass der Kläger an chronischen Depressionen leide, seine Beschwerden seien mit Medikamenten kaum beeinflussbar. Er traue sich nicht, die Wohnung zu verlassen. Die Mobilität habe sich auch verschlechtert, er stürze sehr oft. Sie hat ihre Unterlagen die Zeit vom 17. Juni 2002 bis 15. August 2011 betreffend beigefügt. Dr. Da. hat unter dem 13. September 2011 mitgeteilt, dass er den Kläger wegen eines Analekzems im Jahr 2008, nach Stürzen im August 2009 und Februar 2011 und im Mai 2011 wegen Schmerzen im Bereich der rechten Schulter bei subacromialem Impingement behandelt habe. Im Bereich der Schulter bestehe klinisch keine Bewegungseinschränkung, jedoch ein Impingementzeichen und Schmerzen bei der Hyperadduktion. Vereinbarte Operationstermine habe der Kläger verschoben und sich mittlerweile nicht mehr gemeldet.
16 
Schließlich hat der Senat von Amts wegen das Gutachten der Pflegeberaterin Dr. vom 24. Januar 2012 eingeholt. Sie hat den täglichen Zeitbedarf für Verrichtungen der Grundpflege auf insgesamt 37 Minuten (Körperpflege 25 Minuten, Mobilität zwölf Minuten) geschätzt. Der Antrieb des Klägers habe ungestört gewirkt. Er sei freundlich und kooperativ gewesen und habe bereitwillig Auskunft erteilt. Beim Waschen benötige der Kläger aufgrund seiner Adipositas, der eingeschränkten Beweglichkeit und des Diabetes sowie seines psychischen Zustands die vollständige Übernahme bezüglich des Ober- und Unterkörpers, des Rückens und der Beine. Geduscht werde dreimal täglich. Berücksichtigungsfähig seien pro Duschvorgang zehn Minuten täglich, allerdings könne nur die zweimal tägliche Durchführung berücksichtigt werden. Zusätzlich zu berücksichtigen sei die Teilwäsche von Hand und Gesicht von einer Minute täglich. Zwar führe der Kläger dies nicht durch, dies sei aber ein Sollhilfebedarf. Bezüglich der Zahnpflege und des Rasierens sei ein Hilfebedarf von jeweils zwei Minuten täglich erforderlich. Kämmen sei nicht berücksichtigungsfähig, da der Kläger einen extremen Kurzhaarschnitt habe. Bei der Darm- und Blasenentleerung habe der Kläger keine Probleme. Beim Aufstehen/Zubettgehen benötige der Kläger teilweise die Hilfe seiner Ehefrau. Hierfür seien im täglichen Schnitt zwei Minuten berücksichtigungsfähig. Für Ankleiden könnten ebenfalls zwei Minuten täglich, für das Entkleiden eine Minute täglich berücksichtigt werden. Ein Zeitaufwand für das Gehen müsse berücksichtigt werden, da sich der Kläger in der Wohnung seit März 2011 nur noch mit Hilfe des Rollstuhls bewege. Mit dem Rollstuhl fahre er nicht alleine, seine Ehefrau müsse ihn schieben. Als täglicher Gesamtaufwand seien insoweit fünf Minuten anrechenbar. Erforderlich sei im Zusammenhang mit dem Duschen auch zweimal täglich eine Hilfe beim Transfer vom Rollstuhl auf den Badelifter, hierfür sei ein Hilfebedarf von zwei Minuten täglich anzusetzen. Die Ehefrau des Klägers übernehme vollständig die pflegerischen Verrichtungen. Sie fordere den Kläger nicht auf, bestimmte Teile der Körperhygiene zu übernehmen. Abweichungen zu dem bereits vorliegenden Gutachten ergäben sich aus der Tatsache, dass sich der Kläger seit März 2011 nur noch mit Hilfe des Rollstuhls in der Wohnung fortbewegen lasse. Der erforderliche Zeitbedarf zum An- und Auskleiden sei aufgrund der vereinfachten Bekleidungsweise (Hose mit Gummizug) jedoch geringer als der festgestellte Zeitbedarf durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Ma. vom 07. November 2008. Die Beurteilung des damaligen Zeitbedarfs für diese Verrichtungen bei voller Übernahme ohne Abwehrverhalten und unter Berücksichtigung körperlicher Ressourcen für An- und Auskleiden erscheine ihr allerdings zu hoch. Die Zeitwerte für die Körperpflege seien alleine mit den körperlichen Einschränkungen (Adipositas, eingeschränkte Beweglichkeit, Diabetes) begründbar. Bei den sozialmedizinischen Gutachten werde nach ihrer Ansicht der pflegerische Hilfebedarf für die krankheitsbedingte Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege zu gering bewertet.
17 
Der Kläger hat dagegen vorgetragen, dass er das Gutachten der Sachverständigen Dr. keineswegs akzeptieren könne. Die Behauptung, dass sein Antrieb ungestört gewirkt habe, sei unwahr und eine Frechheit. Auch seien die pflegerischen Hilfeleistungen viel zu kurz berechnet worden.
18 
Der Kläger beantragt nunmehr (sachgerecht gefasst),
19 
den Bescheid vom 18. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. März 2008 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu gewähren.
20 
Die Beklagte beantragt (sachgerecht gefasst),
21 
die Klage abzuweisen.
22 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
23 
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten in beiden Instanzenzügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Denn der Kläger begehrt wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
25 
Streitgegenstand ist vorliegend allein der Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2011. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte - wie schon zuvor durch den Bescheid vom 30. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2008 und den Bescheid vom 09. Dezember 2009 - erneut den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld abgelehnt. Infolgedessen hat sie mit dem Bescheid vom 18. Februar 2011 eine neue sachliche Entscheidung im Sinne eines sogenannten Zweitbescheides erteilt, der den Klageweg (neu) eröffnet hat (BSG, Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 8/98 R - SozR 3-8100 Art 19 Nr. 5; Urteil vom 12. Dezember 1991 - 7 RAr 26/90 - SozR 3-4100 § 94 Nr. 1). Die schon früher ergangenen Bescheide der Beklagten vom 30. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2008 und der - mittlerweile - bestandskräftige Bescheid vom 09. Dezember 2009 sind nicht Gegenstand des hier geführten Rechtsstreits. Zwar hatten diese Bescheide ebenfalls den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld abgelehnt. Jedoch sind diese früheren Bescheide nicht mehr wirksam, weil sie auf andere Weise erledigt sind (§ 39 Abs. 2 SGB X). Die Steuerungsfunktion des Verwaltungsakts geht nämlich auch verloren, wenn die an einem Verwaltungsakt Beteiligten - sei es als Behörde, als Adressat oder als unmittelbar oder nur mittelbar Betroffener - übereinstimmend dem ursprünglichen Verwaltungsakt keinerlei tatsächliche oder rechtliche Bedeutung mehr beimessen. Das setzt keinen Verzichtswillen voraus, sondern nur „konsensuales“ Verhalten. Ähnlich dem Verlust der Wirksamkeit durch Zeitablauf, stellen sich die Beteiligten bewusst auf eine neue, veränderte Sachlage ein, die sie ihrem weiteren Verhalten nunmehr zugrunde legen. Sie verändern übereinstimmend gleichsam die „Geschäftsgrundlage“ (Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, Urteil vom 27. März 1998 -4 C 11/97 - NVwZ 1998, 729). So liegt der Fall hier. Kläger und Beklagte gehen erkennbar davon aus, dass die Frage, ob dem Kläger ab 01. März 2008 Pflegegeld zusteht, sich anhand des Bescheids vom 18. Februar 2011 abschließend neu beurteilt. Die Beklagte hat dies zu erkennen gegeben, indem sie im Bescheid vom 18. Februar 2011 ausführte, dass „weiterhin keine Zubilligung von Leistungen der Pflegestufe I möglich“ sei und der Bescheid unmittelbar Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens werde. Dies kann nur so verstanden werden, dass der Bescheid vom 18. Februar 2011 die Entscheidung über die Gewährung von Pflegegeld nochmals gänzlich neu treffen soll. Dem Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, dass er auch den Bescheid vom 18. Februar 2011 für fehlerhaft hält und dass er nunmehr diesen Bescheid angreift (anderer Ansicht: Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 1 P 3/10; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. März 2011 -L 2 P 52/09-, wonach nachfolgende Ablehnungsbescheide den vorherigen Ablehnungsbescheid nicht ersetzen und ihn auch nicht abändern; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 07. Mai 2008 - L 2 P 24/07 und vom 12. Oktober 2011 - L 2 P 70/11; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. März 2011, -L 4 P 8/07-; wonach alle Bescheide Gegenstand des Verfahrens sind; jeweils in juris). Über den Bescheid vom 18. Februar 2011 entscheidet der Senat auf Klage.
26 
Die Klage ist nicht begründet. In der Sache steht dem Kläger ab 01. März 2008 Pflegegeld nach der Pflegestufe I nicht zu.
27 
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven („abstrakten“) Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI stellt allein auf den „Bedarf“ an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, veröffentlicht in juris).
28 
Der mithin für einen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I vorausgesetzte Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mindestens 46 Minuten täglich ist für den Kläger seit 01. März 2008 zu keinem Zeitpunkt regelmäßig erreicht worden. Bei dem Kläger bestehen eine chronische Depression und der Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, die zu einer Antriebsminderung und insbesondere auch einer Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege führen, sowie ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie, eine Polyneuropathie und ein chronisches Lumbalsyndrom. Außerdem leidet er unter Drop-Attacks und unter Schmerzen im Bereich der Schultern bei subacromialem Impingement, die jedoch zu keiner Bewegungseinschränkung führen. Des weiteren bestehen chronische Schmerzen in der Hüfte. Darüber hinaus ist der Kläger übergewichtig.
29 
Trotz dieser Erkrankungen kann der Kläger beide Arme nach oben anheben und im Sitzen die Beine nach vorne hoch strecken. Bis zumindest Februar 2011 konnte er frei stehen und mit dem ihm im August 2009 verordneten Rollator selbständig gehen. Seit März 2011 benutzt er einen Rollstuhl. Mit Hilfe seiner Ehefrau (Griff unter den linken Oberarm und Hochziehen) ist er in der Lage, aus dem Rollstuhl aufzustehen und anschließend mit Festhalten wenige Schritte zu gehen und sich wieder hinzusetzen. Am Waschbecken kann er mit Abstützen der rechten Hand am Waschbecken vom Stuhl selbständig zum Stehen kommen. Er setzt sich auch mit Abstützen selbständig auf die Toilette und steht anschließend wieder alleine auf. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. und den Gutachten der Pflegefachkräfte F. vom 24. April 2008 und 14. Februar 2011, S. vom 18. Juli 2008, Dr. H. vom 30. Januar 2009 und 03. November 2009 sowie L. vom 26. Mai 2009. Bezüglich der Funktionseinschränkungen stehen diese Gutachten auch im Einklang mit dem von Pflegewirt Ma. erstatteten Gutachten vom 07. November 2008. Das im Klageverfahren vorgelegte Attest des Praktischen Arztes V. vom 08. Oktober 2009 bestätigt die Gangunsicherheit und Fallneigung des Klägers, weshalb er zur sicheren Fortbewegung einen Rollator benötige. Ebenso verhält es sich im Hinblick auf die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. Ka., die am 24. August 2011 beim Landessozialgericht einging und auch aus der sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. Da. vom 13. September 2011 gehen Behandlungen nach Stürzen und Beschwerden im Bereich der rechten Schulter ohne Bewegungseinschränkung hervor. Durch die Antriebsstörung und die Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege bedarf der Kläger darüber hinaus der Aufforderung die Körperpflege vorzunehmen, teilweise muss die Körperpflege auch von der Pflegekraft vorgenommen werden. Dies steht zur Überzeugung des Senats ebenfalls insbesondere aufgrund des Gutachtens der Sachverständigen Dr. fest. Hiervon gingen auch, wenn auch in geringerem Umfang, die Gutachter des MDK jeweils aus. Soweit der Sachverständige Ma. in seinem Gutachten vom 07. November 2008 im Gegensatz dazu eine so starke Antriebslosigkeit des Klägers sah, dass bei ihm eine vollständige Übernahme eines großen Teils der Grundpflege erforderlich sei, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Dies steht im Widerspruch damit, dass der Kläger anlässlich der stationären Aufenthalte im Zentrum für Psychiatrie im November 2007 und Dezember 2008 vom Antrieb her in der Lage war, sich zu kleiden, das Essen zu sich zu nehmen und alleine ins Bett zu gehen. Zwar hat Dr. Sc. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 20. Mai 2009 insoweit angeführt, dass er aufgrund der Unterlagen nicht beurteilen könne, ob sich das Krankheitsbild des Klägers außerhalb der stationären Behandlung derart verschlechtere, dass er hierzu aufgrund einer schweren Antriebsstörung nicht mehr im Stande wäre. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass der Kläger nach den Ausführungen des SG im Urteil vom 30. November 2009 anlässlich der mündlichen Verhandlung nicht antriebsgemindert war und bei den im Laufe des Verfahrens durchgeführten Begutachtungen jeweils selbst Kontakt mit den Gutachtern und Sachverständigen aufnahm, in der Lage war, den Aufforderungen nachzukommen und selbst zu demonstrieren, über welche Fähigkeiten er noch verfügt und wie die jeweiligen Tätigkeiten von ihm verrichtet werden. Auch bei der letzten Untersuchung durch Pflegeberaterin Dr. am 16. Dezember 2011 wirkte der Antrieb des Klägers nach den Ausführungen der Sachverständigen ungestört, er war freundlich und kooperativ und erteilte der Sachverständigen bereitwillig Auskunft, weshalb eine Antriebslosigkeit in dem vom Sachverständigen Ma. angenommenen Umfang nach Überzeugung des Senats nicht feststeht.
30 
Dass unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen des Klägers ein erforderlicher Zeitaufwand für die im Gesetz abschließend genannten Verrichtungen der Grundpflege von mindestens 46 Minuten täglich nicht besteht, ergibt sich vorrangig aus dem Gutachten der Pflegeberaterin Dr. (37 Minuten) aber auch aus den Gutachten der Pflegefachkräfte F. (13 Minuten bzw. 16 Minuten), S. (16 Minuten) Dr. H. (18 Minuten bzw. 25 Minuten) und L. (17 Minuten). Die Schätzung des Zeitbedarfs für die Hilfe bei den einzelnen Verrichtungen insbesondere durch die Pflegeberaterin Dr. sind aufgrund der zuvor genannten erhobenen Befunde und der sich hieraus ergebenden Einschränkungen insbesondere auch unter Berücksichtigung der Vernachlässigungstendenz des Klägers bezüglich der Körperpflege und Verschlechterung des Gangvermögens plausibel und keineswegs grob fehlerhaft, so dass sie der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt. Die Schätzungen der Zeitbedarfe durch die Gutachter des MDK sind in Anbetracht dessen, dass die Antriebsstörung und die krankheitsbedingte Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege in geringerem Umfang berücksichtigt wurden, wohl zu niedrig. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, denn auch wenn insoweit ein höherer Zeitbedarf angenommen wird, ergibt sich mit Blick auf die geschätzten zeitlichen Werte der Gutachter keinesfalls ein Zeitaufwand für die Grundpflege von mindestens 46 Minuten. Die vom Kläger gegen das Gutachten der Sachverständigen Dr. erhobenen Einwände greifen nicht durch. Soweit der Kläger vorträgt, dass die Behauptung, dass sein Antrieb ungestört gewirkt habe, der Unwahrheit entspreche, ist insoweit zu berücksichtigen, dass es um den subjektiven Eindruck handelt, den die Sachverständige vom Kläger hatte. Dieser Eindruck der Sachverständigen wird durch die weiteren Ausführungen im Gutachten, wonach eine Kommunikation mit dem Kläger problemlos möglich gewesen sei, bestätigt. Soweit der Kläger hinsichtlich des Punktes der Kommunikation vorbringt, dass diese nicht problemlos möglich gewesen sei, weil er die letzten Arztbesuche usw. nicht mit genauem Datum habe benennen können, hat dies nicht zur Folge, dass deshalb die Kommunikation nicht problemlos möglich wäre. Erinnerungslücken, zumal wenn es sich um Angabe von Daten handelt, wirken sich auf die Möglichkeit der Kommunikation grundsätzlich nicht aus. Im Übrigen hat die Sachverständige Dr. die beim Kläger notwendigen Hilfebedarfe sogar höher angesetzt als die Gutachter des MDK. Angesichts der beim Kläger noch vorhandenen Ressourcen sind sie für den Senat auch nachvollziehbar und allein durch den Vortrag des Klägers, dass sie „viel zu kurz berechnet“ seien, nicht widerlegt.
31 
Ein höherer Hilfebedarf lässt sich auch nicht auf das Gutachten des Sachverständigen Ma. stützen. Zwar hat dieser in seinem Gutachten vom 07. November 2008 mit den ergänzenden Stellungnahmen vom 11. Dezember 2008 und 04. Januar 2009 angegeben, dass der gesamte pflegerische Hilfebedarf 47 Minuten betrage. Der Senat vermag die vom Sachverständigen Ma. angesetzten Werte jedoch nicht nachzuvollziehen. Insbesondere der von ihm angenommene Wert von zwölf Minuten für das An- und Auskleiden, erscheint zu hoch, nachdem der Kläger hierbei zumindest mithelfen kann. Der von der Sachverständigen Dr. genannte Wert von drei Minuten erscheint insoweit auf jeden Fall ausreichend. Auch ist mit Blick auf ein tägliches Bad (Zeitbedarf 15 Minuten täglich) die zusätzliche tägliche Teilwäsche des Oberkörpers mit einem weiteren Zeitaufwand von 8 Minuten täglich nicht nachvollziehbar. Der von der Sachverständigen Dr. für zweimal tägliches Duschen angegebene Wert von jeweils zehn Minuten ist insoweit angemessen. Dies hat zur Folge, dass der tägliche Hilfebedarf auch nach dem vom Sachverständigen Ma. erstatteten Gutachten unter Zugrundelegung der nach Überzeugung des Senats in Abzug zu bringenden Hilfebedarfe von jedenfalls zwölf Minuten unter 46 Minuten täglich liegt und mit einem Wert von 35 Minuten nahezu dem von der Sachverständigen Dr. angegebenen Wert von 37 Minuten entspricht.
32 
Aufgrund der Gangunsicherheit des Klägers, der Schmerzen im Bereich der Schultern und der Wirbelsäule, der Adipositas und der Tendenz des Klägers zur Vernachlässigung der körperlichen Hygiene ist es nachvollziehbar, dass im Bereich der Körperpflege ein Hilfebedarf beim Duschen, bei der Zahn- und Gebisspflege und beim Rasieren besteht. Außerdem bedarf der Kläger mit Blick auf die Mobilität der teilweisen Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen sowie beim An- und Entkleiden und bei den Transfers zur Toilette sowie in die Dusche. Hierfür sind die von der Sachverständigen Dr. geschätzten Zeiten von 20 Minuten täglich für das Duschen unter Zugrundelegung eines zweimaligen Duschens täglich, was auch unter Berücksichtigung der Adipositas des Klägers und vermehrten Schwitzens aufgrund der psychischen Erkrankung, auf jeden Fall ausreichend ist, mit Blick auf das Zähneputzen von zwei Minuten und des Rasierens von ebenfalls zwei Minuten sowie eines Sollhilfebedarfs von einer Minute täglich für Hände- und Gesichtwaschen, zumal der Kläger teilweise mithilft und teilweise nur der Anleitung und Überwachung bedarf, schlüssig.
33 
Ebenso verhält es sich auch bezüglich der Mobilität. Auch insoweit sind, zumal keine vollständige Übernahme dieser Verrichtungen erforderlich ist, die von der Sachverständigen Dr. geschätzten Zeiten von zwei Minuten für Aufstehen/Zubettgehen, drei Minuten für An- und Auskleiden, fünf Minuten für Gehen und zwei Minuten für Transfers unter Berücksichtigung der in den Begutachtungsrichtlinien genannten Zeitkorridore für die einfache Hilfe zum Aufstehen/Zubettgehen von ein bis zwei Minuten und die volle Übernahme des Ankleidens von acht bis zehn Minuten und Entkleidens von vier bis sechs Minuten ebenfalls schlüssig.
34 
Ein Hilfebedarf beim Toilettengang und beim anschließenden Richten der Kleidung ist nachvollziehbar nicht berücksichtigt worden. Denn aufgrund der erhobenen Befunde ist der Kläger in der Lage, sich auch mit Blick auf die Toilette selbständig auf- und abzusetzen, die Intimhygiene durchzuführen und anschließend auch die Kleidung wieder zu richten. Anlässlich der Begutachtung durch die Sachverständige Dr. gab der Kläger auch selbst an, er würde die Toilettengänge selbständig durchführen. Er hat dies auch entsprechend demonstriert.
35 
Zutreffend sind die Sachverständigen und Gutachter auch davon ausgegangen, dass ein Zeitbedarf für die Verrichtungen des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung nicht zu berücksichtigen ist. Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationären Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist unter anderem nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist. Dies ist hier nicht der Fall.
36 
Da der Kläger selbständig essen kann, ist ein Zeitbedarf für die Ernährung nicht zu berücksichtigen.
37 
Berücksichtigungsfähig sind im Übrigen nur die bei den Katalogverrichtungen anfallenden notwendigen Hilfeleistungen. Soweit der Kläger geltend macht, dass er generell Beaufsichtigungsbedarf habe und nicht alleine sein könne, ist dies nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2001 in - B 3 P 7/00 R - SozR 3-3300 § 43 a Nr. 5). Nicht verrichtungsbezogener Aufsichtsbedarf („allgemeiner Aufsichts- und Betreuungsbedarf) bleibt bei der Ermittlung des Pflegebedarfs außer Ansatz (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 8).
38 
Zusätzlicher bisher nicht berücksichtigter Hilfebedarf folgt auch nicht aus der vom Kläger geschilderten Sturzgefahr. Voraussetzung für die Annahme der Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB XI ist nämlich ein auf Dauer bestehender Pflegebedarf für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, wie sie in § 14 Abs. 4 SGB 11 im Einzelnen für die Bereiche der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung benannt sind. Unberücksichtigt bleibt - wie ausgeführt - in jedem Fall die örtliche Bindung von Pflegepersonen in der Nähe des Betroffen, um jeder Zeit eingreifen zu können („prophylaktische Anwesenheit“). Bereits aus diesem Grund kann die vom Kläger als notwendig empfundene Anwesenheit der Ehefrau, um bei etwaigen Stürzen eingreifen zu können, nicht als Pflegeverrichtung bei der Bemessung des erforderlichen Zeitaufwands pflegerelevant berücksichtigt werden. Zudem fehlt es an der Regelmäßigkeit des Hilfebedarfs. Eine permanente Sturzgefahr, die eine ständige Anwesenheit einer anderen Person zur Vermeidung von Stürzen erforderlich machen würde, ist, zumal der Kläger nunmehr den Rollstuhl benutzt, gerade nicht ersichtlich. Auch solange er sich noch mit dem Rollator fortbewegte, sind nach der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Da. nur zwei Stürze im August 2009 und Februar 2011, die zu einem Behandlungsbedarf führten, belegt. Im Übrigen hat der den Kläger behandelnde Arzt V. in seinem Attest von 08. Oktober 2009 ausgeführt, dass der Kläger zur sicheren Fortbewegung bei Fallneigung und Gangunsicherheit einen Rollator benötige, über Stürze hat er nicht berichtet. Die Angaben von Dr. Ka. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft, die am 24. August 2011 beim Landessozialgericht einging, wonach der Kläger sehr oft stürze, sind nicht weiter belegt.
39 
Ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig ist der erforderliche Zeitbedarf für das Richten der Medikamente, die Gabe der Medikamente oder die Überwachung der Einnahme, denn dies gehört zur Behandlungspflege und ist im Rahmen der Grundpflege nicht berücksichtigungsfähig. Ebenso verhält es sich hinsichtlich des Blutzuckermessens und des Spritzens von Insulin.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
41 
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehe nicht.

Gründe

 
24 
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Denn der Kläger begehrt wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
25 
Streitgegenstand ist vorliegend allein der Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2011. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte - wie schon zuvor durch den Bescheid vom 30. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2008 und den Bescheid vom 09. Dezember 2009 - erneut den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld abgelehnt. Infolgedessen hat sie mit dem Bescheid vom 18. Februar 2011 eine neue sachliche Entscheidung im Sinne eines sogenannten Zweitbescheides erteilt, der den Klageweg (neu) eröffnet hat (BSG, Urteil vom 23. März 1999 - B 2 U 8/98 R - SozR 3-8100 Art 19 Nr. 5; Urteil vom 12. Dezember 1991 - 7 RAr 26/90 - SozR 3-4100 § 94 Nr. 1). Die schon früher ergangenen Bescheide der Beklagten vom 30. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2008 und der - mittlerweile - bestandskräftige Bescheid vom 09. Dezember 2009 sind nicht Gegenstand des hier geführten Rechtsstreits. Zwar hatten diese Bescheide ebenfalls den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld abgelehnt. Jedoch sind diese früheren Bescheide nicht mehr wirksam, weil sie auf andere Weise erledigt sind (§ 39 Abs. 2 SGB X). Die Steuerungsfunktion des Verwaltungsakts geht nämlich auch verloren, wenn die an einem Verwaltungsakt Beteiligten - sei es als Behörde, als Adressat oder als unmittelbar oder nur mittelbar Betroffener - übereinstimmend dem ursprünglichen Verwaltungsakt keinerlei tatsächliche oder rechtliche Bedeutung mehr beimessen. Das setzt keinen Verzichtswillen voraus, sondern nur „konsensuales“ Verhalten. Ähnlich dem Verlust der Wirksamkeit durch Zeitablauf, stellen sich die Beteiligten bewusst auf eine neue, veränderte Sachlage ein, die sie ihrem weiteren Verhalten nunmehr zugrunde legen. Sie verändern übereinstimmend gleichsam die „Geschäftsgrundlage“ (Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, Urteil vom 27. März 1998 -4 C 11/97 - NVwZ 1998, 729). So liegt der Fall hier. Kläger und Beklagte gehen erkennbar davon aus, dass die Frage, ob dem Kläger ab 01. März 2008 Pflegegeld zusteht, sich anhand des Bescheids vom 18. Februar 2011 abschließend neu beurteilt. Die Beklagte hat dies zu erkennen gegeben, indem sie im Bescheid vom 18. Februar 2011 ausführte, dass „weiterhin keine Zubilligung von Leistungen der Pflegestufe I möglich“ sei und der Bescheid unmittelbar Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens werde. Dies kann nur so verstanden werden, dass der Bescheid vom 18. Februar 2011 die Entscheidung über die Gewährung von Pflegegeld nochmals gänzlich neu treffen soll. Dem Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, dass er auch den Bescheid vom 18. Februar 2011 für fehlerhaft hält und dass er nunmehr diesen Bescheid angreift (anderer Ansicht: Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 1 P 3/10; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. März 2011 -L 2 P 52/09-, wonach nachfolgende Ablehnungsbescheide den vorherigen Ablehnungsbescheid nicht ersetzen und ihn auch nicht abändern; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 07. Mai 2008 - L 2 P 24/07 und vom 12. Oktober 2011 - L 2 P 70/11; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. März 2011, -L 4 P 8/07-; wonach alle Bescheide Gegenstand des Verfahrens sind; jeweils in juris). Über den Bescheid vom 18. Februar 2011 entscheidet der Senat auf Klage.
26 
Die Klage ist nicht begründet. In der Sache steht dem Kläger ab 01. März 2008 Pflegegeld nach der Pflegestufe I nicht zu.
27 
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven („abstrakten“) Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI stellt allein auf den „Bedarf“ an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, veröffentlicht in juris).
28 
Der mithin für einen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I vorausgesetzte Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mindestens 46 Minuten täglich ist für den Kläger seit 01. März 2008 zu keinem Zeitpunkt regelmäßig erreicht worden. Bei dem Kläger bestehen eine chronische Depression und der Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, die zu einer Antriebsminderung und insbesondere auch einer Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege führen, sowie ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie, eine Polyneuropathie und ein chronisches Lumbalsyndrom. Außerdem leidet er unter Drop-Attacks und unter Schmerzen im Bereich der Schultern bei subacromialem Impingement, die jedoch zu keiner Bewegungseinschränkung führen. Des weiteren bestehen chronische Schmerzen in der Hüfte. Darüber hinaus ist der Kläger übergewichtig.
29 
Trotz dieser Erkrankungen kann der Kläger beide Arme nach oben anheben und im Sitzen die Beine nach vorne hoch strecken. Bis zumindest Februar 2011 konnte er frei stehen und mit dem ihm im August 2009 verordneten Rollator selbständig gehen. Seit März 2011 benutzt er einen Rollstuhl. Mit Hilfe seiner Ehefrau (Griff unter den linken Oberarm und Hochziehen) ist er in der Lage, aus dem Rollstuhl aufzustehen und anschließend mit Festhalten wenige Schritte zu gehen und sich wieder hinzusetzen. Am Waschbecken kann er mit Abstützen der rechten Hand am Waschbecken vom Stuhl selbständig zum Stehen kommen. Er setzt sich auch mit Abstützen selbständig auf die Toilette und steht anschließend wieder alleine auf. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. und den Gutachten der Pflegefachkräfte F. vom 24. April 2008 und 14. Februar 2011, S. vom 18. Juli 2008, Dr. H. vom 30. Januar 2009 und 03. November 2009 sowie L. vom 26. Mai 2009. Bezüglich der Funktionseinschränkungen stehen diese Gutachten auch im Einklang mit dem von Pflegewirt Ma. erstatteten Gutachten vom 07. November 2008. Das im Klageverfahren vorgelegte Attest des Praktischen Arztes V. vom 08. Oktober 2009 bestätigt die Gangunsicherheit und Fallneigung des Klägers, weshalb er zur sicheren Fortbewegung einen Rollator benötige. Ebenso verhält es sich im Hinblick auf die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. Ka., die am 24. August 2011 beim Landessozialgericht einging und auch aus der sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. Da. vom 13. September 2011 gehen Behandlungen nach Stürzen und Beschwerden im Bereich der rechten Schulter ohne Bewegungseinschränkung hervor. Durch die Antriebsstörung und die Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege bedarf der Kläger darüber hinaus der Aufforderung die Körperpflege vorzunehmen, teilweise muss die Körperpflege auch von der Pflegekraft vorgenommen werden. Dies steht zur Überzeugung des Senats ebenfalls insbesondere aufgrund des Gutachtens der Sachverständigen Dr. fest. Hiervon gingen auch, wenn auch in geringerem Umfang, die Gutachter des MDK jeweils aus. Soweit der Sachverständige Ma. in seinem Gutachten vom 07. November 2008 im Gegensatz dazu eine so starke Antriebslosigkeit des Klägers sah, dass bei ihm eine vollständige Übernahme eines großen Teils der Grundpflege erforderlich sei, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Dies steht im Widerspruch damit, dass der Kläger anlässlich der stationären Aufenthalte im Zentrum für Psychiatrie im November 2007 und Dezember 2008 vom Antrieb her in der Lage war, sich zu kleiden, das Essen zu sich zu nehmen und alleine ins Bett zu gehen. Zwar hat Dr. Sc. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 20. Mai 2009 insoweit angeführt, dass er aufgrund der Unterlagen nicht beurteilen könne, ob sich das Krankheitsbild des Klägers außerhalb der stationären Behandlung derart verschlechtere, dass er hierzu aufgrund einer schweren Antriebsstörung nicht mehr im Stande wäre. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass der Kläger nach den Ausführungen des SG im Urteil vom 30. November 2009 anlässlich der mündlichen Verhandlung nicht antriebsgemindert war und bei den im Laufe des Verfahrens durchgeführten Begutachtungen jeweils selbst Kontakt mit den Gutachtern und Sachverständigen aufnahm, in der Lage war, den Aufforderungen nachzukommen und selbst zu demonstrieren, über welche Fähigkeiten er noch verfügt und wie die jeweiligen Tätigkeiten von ihm verrichtet werden. Auch bei der letzten Untersuchung durch Pflegeberaterin Dr. am 16. Dezember 2011 wirkte der Antrieb des Klägers nach den Ausführungen der Sachverständigen ungestört, er war freundlich und kooperativ und erteilte der Sachverständigen bereitwillig Auskunft, weshalb eine Antriebslosigkeit in dem vom Sachverständigen Ma. angenommenen Umfang nach Überzeugung des Senats nicht feststeht.
30 
Dass unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen des Klägers ein erforderlicher Zeitaufwand für die im Gesetz abschließend genannten Verrichtungen der Grundpflege von mindestens 46 Minuten täglich nicht besteht, ergibt sich vorrangig aus dem Gutachten der Pflegeberaterin Dr. (37 Minuten) aber auch aus den Gutachten der Pflegefachkräfte F. (13 Minuten bzw. 16 Minuten), S. (16 Minuten) Dr. H. (18 Minuten bzw. 25 Minuten) und L. (17 Minuten). Die Schätzung des Zeitbedarfs für die Hilfe bei den einzelnen Verrichtungen insbesondere durch die Pflegeberaterin Dr. sind aufgrund der zuvor genannten erhobenen Befunde und der sich hieraus ergebenden Einschränkungen insbesondere auch unter Berücksichtigung der Vernachlässigungstendenz des Klägers bezüglich der Körperpflege und Verschlechterung des Gangvermögens plausibel und keineswegs grob fehlerhaft, so dass sie der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt. Die Schätzungen der Zeitbedarfe durch die Gutachter des MDK sind in Anbetracht dessen, dass die Antriebsstörung und die krankheitsbedingte Tendenz zur Vernachlässigung der Körperpflege in geringerem Umfang berücksichtigt wurden, wohl zu niedrig. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, denn auch wenn insoweit ein höherer Zeitbedarf angenommen wird, ergibt sich mit Blick auf die geschätzten zeitlichen Werte der Gutachter keinesfalls ein Zeitaufwand für die Grundpflege von mindestens 46 Minuten. Die vom Kläger gegen das Gutachten der Sachverständigen Dr. erhobenen Einwände greifen nicht durch. Soweit der Kläger vorträgt, dass die Behauptung, dass sein Antrieb ungestört gewirkt habe, der Unwahrheit entspreche, ist insoweit zu berücksichtigen, dass es um den subjektiven Eindruck handelt, den die Sachverständige vom Kläger hatte. Dieser Eindruck der Sachverständigen wird durch die weiteren Ausführungen im Gutachten, wonach eine Kommunikation mit dem Kläger problemlos möglich gewesen sei, bestätigt. Soweit der Kläger hinsichtlich des Punktes der Kommunikation vorbringt, dass diese nicht problemlos möglich gewesen sei, weil er die letzten Arztbesuche usw. nicht mit genauem Datum habe benennen können, hat dies nicht zur Folge, dass deshalb die Kommunikation nicht problemlos möglich wäre. Erinnerungslücken, zumal wenn es sich um Angabe von Daten handelt, wirken sich auf die Möglichkeit der Kommunikation grundsätzlich nicht aus. Im Übrigen hat die Sachverständige Dr. die beim Kläger notwendigen Hilfebedarfe sogar höher angesetzt als die Gutachter des MDK. Angesichts der beim Kläger noch vorhandenen Ressourcen sind sie für den Senat auch nachvollziehbar und allein durch den Vortrag des Klägers, dass sie „viel zu kurz berechnet“ seien, nicht widerlegt.
31 
Ein höherer Hilfebedarf lässt sich auch nicht auf das Gutachten des Sachverständigen Ma. stützen. Zwar hat dieser in seinem Gutachten vom 07. November 2008 mit den ergänzenden Stellungnahmen vom 11. Dezember 2008 und 04. Januar 2009 angegeben, dass der gesamte pflegerische Hilfebedarf 47 Minuten betrage. Der Senat vermag die vom Sachverständigen Ma. angesetzten Werte jedoch nicht nachzuvollziehen. Insbesondere der von ihm angenommene Wert von zwölf Minuten für das An- und Auskleiden, erscheint zu hoch, nachdem der Kläger hierbei zumindest mithelfen kann. Der von der Sachverständigen Dr. genannte Wert von drei Minuten erscheint insoweit auf jeden Fall ausreichend. Auch ist mit Blick auf ein tägliches Bad (Zeitbedarf 15 Minuten täglich) die zusätzliche tägliche Teilwäsche des Oberkörpers mit einem weiteren Zeitaufwand von 8 Minuten täglich nicht nachvollziehbar. Der von der Sachverständigen Dr. für zweimal tägliches Duschen angegebene Wert von jeweils zehn Minuten ist insoweit angemessen. Dies hat zur Folge, dass der tägliche Hilfebedarf auch nach dem vom Sachverständigen Ma. erstatteten Gutachten unter Zugrundelegung der nach Überzeugung des Senats in Abzug zu bringenden Hilfebedarfe von jedenfalls zwölf Minuten unter 46 Minuten täglich liegt und mit einem Wert von 35 Minuten nahezu dem von der Sachverständigen Dr. angegebenen Wert von 37 Minuten entspricht.
32 
Aufgrund der Gangunsicherheit des Klägers, der Schmerzen im Bereich der Schultern und der Wirbelsäule, der Adipositas und der Tendenz des Klägers zur Vernachlässigung der körperlichen Hygiene ist es nachvollziehbar, dass im Bereich der Körperpflege ein Hilfebedarf beim Duschen, bei der Zahn- und Gebisspflege und beim Rasieren besteht. Außerdem bedarf der Kläger mit Blick auf die Mobilität der teilweisen Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen sowie beim An- und Entkleiden und bei den Transfers zur Toilette sowie in die Dusche. Hierfür sind die von der Sachverständigen Dr. geschätzten Zeiten von 20 Minuten täglich für das Duschen unter Zugrundelegung eines zweimaligen Duschens täglich, was auch unter Berücksichtigung der Adipositas des Klägers und vermehrten Schwitzens aufgrund der psychischen Erkrankung, auf jeden Fall ausreichend ist, mit Blick auf das Zähneputzen von zwei Minuten und des Rasierens von ebenfalls zwei Minuten sowie eines Sollhilfebedarfs von einer Minute täglich für Hände- und Gesichtwaschen, zumal der Kläger teilweise mithilft und teilweise nur der Anleitung und Überwachung bedarf, schlüssig.
33 
Ebenso verhält es sich auch bezüglich der Mobilität. Auch insoweit sind, zumal keine vollständige Übernahme dieser Verrichtungen erforderlich ist, die von der Sachverständigen Dr. geschätzten Zeiten von zwei Minuten für Aufstehen/Zubettgehen, drei Minuten für An- und Auskleiden, fünf Minuten für Gehen und zwei Minuten für Transfers unter Berücksichtigung der in den Begutachtungsrichtlinien genannten Zeitkorridore für die einfache Hilfe zum Aufstehen/Zubettgehen von ein bis zwei Minuten und die volle Übernahme des Ankleidens von acht bis zehn Minuten und Entkleidens von vier bis sechs Minuten ebenfalls schlüssig.
34 
Ein Hilfebedarf beim Toilettengang und beim anschließenden Richten der Kleidung ist nachvollziehbar nicht berücksichtigt worden. Denn aufgrund der erhobenen Befunde ist der Kläger in der Lage, sich auch mit Blick auf die Toilette selbständig auf- und abzusetzen, die Intimhygiene durchzuführen und anschließend auch die Kleidung wieder zu richten. Anlässlich der Begutachtung durch die Sachverständige Dr. gab der Kläger auch selbst an, er würde die Toilettengänge selbständig durchführen. Er hat dies auch entsprechend demonstriert.
35 
Zutreffend sind die Sachverständigen und Gutachter auch davon ausgegangen, dass ein Zeitbedarf für die Verrichtungen des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung nicht zu berücksichtigen ist. Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationären Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 5 und 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist unter anderem nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist. Dies ist hier nicht der Fall.
36 
Da der Kläger selbständig essen kann, ist ein Zeitbedarf für die Ernährung nicht zu berücksichtigen.
37 
Berücksichtigungsfähig sind im Übrigen nur die bei den Katalogverrichtungen anfallenden notwendigen Hilfeleistungen. Soweit der Kläger geltend macht, dass er generell Beaufsichtigungsbedarf habe und nicht alleine sein könne, ist dies nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2001 in - B 3 P 7/00 R - SozR 3-3300 § 43 a Nr. 5). Nicht verrichtungsbezogener Aufsichtsbedarf („allgemeiner Aufsichts- und Betreuungsbedarf) bleibt bei der Ermittlung des Pflegebedarfs außer Ansatz (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 8).
38 
Zusätzlicher bisher nicht berücksichtigter Hilfebedarf folgt auch nicht aus der vom Kläger geschilderten Sturzgefahr. Voraussetzung für die Annahme der Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB XI ist nämlich ein auf Dauer bestehender Pflegebedarf für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, wie sie in § 14 Abs. 4 SGB 11 im Einzelnen für die Bereiche der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung benannt sind. Unberücksichtigt bleibt - wie ausgeführt - in jedem Fall die örtliche Bindung von Pflegepersonen in der Nähe des Betroffen, um jeder Zeit eingreifen zu können („prophylaktische Anwesenheit“). Bereits aus diesem Grund kann die vom Kläger als notwendig empfundene Anwesenheit der Ehefrau, um bei etwaigen Stürzen eingreifen zu können, nicht als Pflegeverrichtung bei der Bemessung des erforderlichen Zeitaufwands pflegerelevant berücksichtigt werden. Zudem fehlt es an der Regelmäßigkeit des Hilfebedarfs. Eine permanente Sturzgefahr, die eine ständige Anwesenheit einer anderen Person zur Vermeidung von Stürzen erforderlich machen würde, ist, zumal der Kläger nunmehr den Rollstuhl benutzt, gerade nicht ersichtlich. Auch solange er sich noch mit dem Rollator fortbewegte, sind nach der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Da. nur zwei Stürze im August 2009 und Februar 2011, die zu einem Behandlungsbedarf führten, belegt. Im Übrigen hat der den Kläger behandelnde Arzt V. in seinem Attest von 08. Oktober 2009 ausgeführt, dass der Kläger zur sicheren Fortbewegung bei Fallneigung und Gangunsicherheit einen Rollator benötige, über Stürze hat er nicht berichtet. Die Angaben von Dr. Ka. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft, die am 24. August 2011 beim Landessozialgericht einging, wonach der Kläger sehr oft stürze, sind nicht weiter belegt.
39 
Ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig ist der erforderliche Zeitbedarf für das Richten der Medikamente, die Gabe der Medikamente oder die Überwachung der Einnahme, denn dies gehört zur Behandlungspflege und ist im Rahmen der Grundpflege nicht berücksichtigungsfähig. Ebenso verhält es sich hinsichtlich des Blutzuckermessens und des Spritzens von Insulin.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
41 
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehe nicht.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 30. März 2012 - L 4 P 342/10

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 30. März 2012 - L 4 P 342/10 zitiert 10 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 39 Wirksamkeit des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 15 Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit, Begutachtungsinstrument


(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments er

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 14 Begriff der Pflegebedürftigkeit


(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 37 Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen


(1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 können anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderlichen körperbezogenen P

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 45b Entlastungsbetrag


(1) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege haben Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich. Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleic

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Bundessozialgericht Urteil, 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R

bei uns veröffentlicht am 10.03.2010

Tatbestand 1 Streitig ist die Bemessung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen im Rahmen des Anspruchs auf Zuerkennung von Leistungen nach der Pflegestufe II im Zeit
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 30. März 2012 - L 4 P 342/10.

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 26. Okt. 2016 - L 4 P 2609/16

bei uns veröffentlicht am 26.10.2016

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Juni 2016 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Gründe

Referenzen

(1) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege haben Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich. Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegende sowie zur Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags. Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die den Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von

1.
Leistungen der Tages- oder Nachtpflege,
2.
Leistungen der Kurzzeitpflege,
3.
Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36, in den Pflegegraden 2 bis 5 jedoch nicht von Leistungen im Bereich der Selbstversorgung,
4.
Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a.
Die Erstattung der Aufwendungen erfolgt auch, wenn für die Finanzierung der in Satz 3 genannten Leistungen Mittel der Verhinderungspflege gemäß § 39 eingesetzt werden. Die Leistung nach Satz 1 kann innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres in Anspruch genommen werden; wird die Leistung in einem Kalenderjahr nicht ausgeschöpft, kann der nicht verbrauchte Betrag in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden.

(2) Der Anspruch auf den Entlastungsbetrag entsteht, sobald die in Absatz 1 Satz 1 genannten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, ohne dass es einer vorherigen Antragstellung bedarf. Die Kostenerstattung in Höhe des Entlastungsbetrags nach Absatz 1 erhalten die Pflegebedürftigen von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel gegen Vorlage entsprechender Belege über entstandene Eigenbelastungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der in Absatz 1 Satz 3 genannten Leistungen. Für Zwecke der statistischen Erfassung bei den Pflegekassen und den privaten Versicherungsunternehmen muss auf den Belegen eindeutig und deutlich erkennbar angegeben sein, im Zusammenhang mit welcher der in Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 genannten Leistungen die Aufwendungen jeweils entstanden sind.

(3) Der Entlastungsbetrag nach Absatz 1 Satz 1 findet bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege nach § 13 Absatz 3 Satz 1 keine Berücksichtigung. § 63b Absatz 1 des Zwölften Buches findet auf den Entlastungsbetrag keine Anwendung. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 darf der Entlastungsbetrag hinsichtlich der Leistungen nach § 64i oder § 66 des Zwölften Buches bei der Hilfe zur Pflege Berücksichtigung finden, soweit nach diesen Vorschriften Leistungen zu gewähren sind, deren Inhalte den Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 entsprechen.

(4) Die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 bis 4 verlangte Vergütung darf die Preise für vergleichbare Sachleistungen von zugelassenen Pflegeeinrichtungen nicht übersteigen. Näheres zur Ausgestaltung einer entsprechenden Begrenzung der Vergütung, die für die Erbringung von Leistungen nach Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 durch nach Landesrecht anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag verlangt werden darf, können die Landesregierungen in der Rechtsverordnung nach § 45a Absatz 3 bestimmen.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 können anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderlichen körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Das Pflegegeld beträgt je Kalendermonat

1.
316 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 2,
2.
545 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 3,
3.
728 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 4,
4.
901 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 5.

(2) Besteht der Anspruch nach Absatz 1 nicht für den vollen Kalendermonat, ist der Geldbetrag entsprechend zu kürzen; dabei ist der Kalendermonat mit 30 Tagen anzusetzen. Die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes wird während einer Kurzzeitpflege nach § 42 für bis zu acht Wochen und während einer Verhinderungspflege nach § 39 für bis zu sechs Wochen je Kalenderjahr fortgewährt. Das Pflegegeld wird bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem der Pflegebedürftige gestorben ist. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches gilt entsprechend, wenn für die Zeit nach dem Monat, in dem der Pflegebedürftige verstorben ist, Pflegegeld überwiesen wurde.

(3) Pflegebedürftige, die Pflegegeld nach Absatz 1 beziehen, haben in folgenden Intervallen eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen:

1.
bei den Pflegegraden 2 und 3 halbjährlich einmal,
2.
bei den Pflegegraden 4 und 5 vierteljährlich einmal.
Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 haben Anspruch, halbjährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen. Beziehen Pflegebedürftige von einem ambulanten Pflegedienst Pflegesachleistungen, können sie ebenfalls halbjährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit in Anspruch nehmen. Auf Wunsch der pflegebedürftigen Person erfolgt im Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis einschließlich 30. Juni 2024 jede zweite Beratung abweichend von den Sätzen 1 bis 3 per Videokonferenz. Bei der Durchführung der Videokonferenz sind die nach § 365 Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches vereinbarten Anforderungen an die technischen Verfahren zu Videosprechstunden einzuhalten. Die erstmalige Beratung nach den Sätzen 1 bis 3 hat in der eigenen Häuslichkeit zu erfolgen.

(3a) Die Beratung nach Absatz 3 dient der Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege und der regelmäßigen Hilfestellung und praktischen pflegefachlichen Unterstützung der häuslich Pflegenden. Die Pflegebedürftigen und die häuslich Pflegenden sind bei der Beratung auch auf die Auskunfts-, Beratungs- und Unterstützungsangebote des für sie zuständigen Pflegestützpunktes sowie auf die Pflegeberatung nach § 7a hinzuweisen.

(3b) Die Beratung nach Absatz 3 kann durchgeführt werden durch

1.
einen zugelassenen Pflegedienst,
2.
eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz oder
3.
eine von der Pflegekasse beauftragte, jedoch von ihr nicht beschäftigte Pflegefachkraft, sofern die Durchführung der Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst vor Ort oder eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz nicht gewährleistet werden kann.

(3c) Die Vergütung für die Beratung nach Absatz 3 ist von der zuständigen Pflegekasse, bei privat Pflegeversicherten von dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen zu tragen, im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von dem zuständigen Beihilfeträger. Die Höhe der Vergütung für die Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst oder durch eine von der Pflegekasse beauftragte Pflegefachkraft vereinbaren die Pflegekassen oder deren Arbeitsgemeinschaften in entsprechender Anwendung des § 89 Absatz 1 und 3 mit dem Träger des zugelassenen Pflegedienstes oder mit der von der Pflegekasse beauftragten Pflegefachkraft unter Berücksichtigung der Empfehlungen nach Absatz 5. Die Vergütung kann nach Pflegegraden gestaffelt werden. Über die Höhe der Vergütung anerkannter Beratungsstellen und von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften entscheiden die Landesverbände der Pflegekassen unter Zugrundelegung der im jeweiligen Land nach den Sätzen 2 und 4 vereinbarten Vergütungssätze jeweils für die Dauer eines Jahres. Die Landesverbände haben die jeweilige Festlegung der Vergütungshöhe in geeigneter Weise zu veröffentlichen.

(4) Die Pflegedienste und die anerkannten Beratungsstellen sowie die beauftragten Pflegefachkräfte haben die Durchführung der Beratungseinsätze gegenüber der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen zu bestätigen sowie die bei dem Beratungsbesuch gewonnenen Erkenntnisse über die Möglichkeiten der Verbesserung der häuslichen Pflegesituation dem Pflegebedürftigen und mit dessen Einwilligung der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen mitzuteilen, im Fall der Beihilfeberechtigung auch der zuständigen Beihilfefestsetzungsstelle. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen stellen ihnen für diese Mitteilung ein einheitliches Formular zur Verfügung. Erteilt die pflegebedürftige Person die Einwilligung nicht, ist jedoch nach Überzeugung der Beratungsperson eine weitergehende Beratung angezeigt, übermittelt die jeweilige Beratungsstelle diese Einschätzung über die Erforderlichkeit einer weitergehenden Beratung der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen. Diese haben eine weitergehende Beratung nach § 7a anzubieten. Der beauftragte Pflegedienst und die anerkannte Beratungsstelle haben dafür Sorge zu tragen, dass für einen Beratungsbesuch im häuslichen Bereich Pflegekräfte eingesetzt werden, die spezifisches Wissen zu dem Krankheits- und Behinderungsbild sowie des sich daraus ergebenden Hilfebedarfs des Pflegebedürftigen mitbringen und über besondere Beratungskompetenz verfügen. Zudem soll bei der Planung für die Beratungsbesuche weitestgehend sichergestellt werden, dass der Beratungsbesuch bei einem Pflegebedürftigen möglichst auf Dauer von derselben Pflegekraft durchgeführt wird.

(5) Die Vertragsparteien nach § 113 beschließen gemäß § 113b bis zum 1. Januar 2018 unter Beachtung der in Absatz 4 festgelegten Anforderungen Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 3. Die Empfehlungen enthalten Ausführungen wenigstens

1.
zu Beratungsstandards,
2.
zur erforderlichen Qualifikation der Beratungspersonen sowie
3.
zu erforderlichenfalls einzuleitenden Maßnahmen im Einzelfall.
Fordert das Bundesministerium für Gesundheit oder eine Vertragspartei nach § 113 im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit die Vertragsparteien schriftlich zum Beschluss neuer Empfehlungen nach Satz 1 auf, sind diese innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Aufforderung neu zu beschließen. Die Empfehlungen gelten für die anerkannten Beratungsstellen entsprechend.

(5a) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen beschließt mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. bis zum 1. Januar 2020 Richtlinien zur Aufbereitung, Bewertung und standardisierten Dokumentation der Erkenntnisse aus dem jeweiligen Beratungsbesuch durch die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen. Die Richtlinien werden erst wirksam, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie genehmigt. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn die Richtlinien nicht innerhalb von zwei Monaten, nachdem sie dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt worden sind, beanstandet werden. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben.

(6) Rufen Pflegebedürftige die Beratung nach Absatz 3 Satz 1 nicht ab, hat die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen das Pflegegeld angemessen zu kürzen und im Wiederholungsfall zu entziehen.

(7) Die Landesverbände der Pflegekassen haben neutrale und unabhängige Beratungsstellen zur Durchführung der Beratung nach den Absätzen 3 bis 4 anzuerkennen. Dem Antrag auf Anerkennung ist ein Nachweis über die erforderliche pflegefachliche Kompetenz der Beratungsstelle und ein Konzept zur Qualitätssicherung des Beratungsangebotes beizufügen. Die Landesverbände der Pflegekassen regeln das Nähere zur Anerkennung der Beratungsstellen.

(8) Die Beratungsbesuche nach Absatz 3 können auch von Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern im Sinne des § 7a oder von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften, die die erforderliche pflegefachliche Kompetenz aufweisen, durchgeführt werden. Absatz 4 findet entsprechende Anwendung. Die Inhalte der Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 5 sind zu beachten.

(9) Beratungsbesuche nach Absatz 3 dürfen von Betreuungsdiensten im Sinne des § 71 Absatz 1a nicht durchgeführt werden.

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.

(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:

1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und
5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet. Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet:
1.
Mobilität mit 10 Prozent,
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent,
3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent,
4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent,
5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.

(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.

(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.

(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.

(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4,
4.
ab 70 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5.

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Bemessung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen im Rahmen des Anspruchs auf Zuerkennung von Leistungen nach der Pflegestufe II im Zeitraum 1.3.2006 bis 30.11.2008.

2

Die 1923 geborene Klägerin ist bei der beklagten Pflegekasse gesetzlich pflegeversichert. Sie leidet gesundheitlich im Wesentlichen an einer im streitigen Zeitraum noch mittelgradigen Demenz mit halluzinatorischer Symptomatik sowie einem beidseitigen Glaukom mit erheblicher Beeinträchtigung der Sehkraft. Seit dem 9.2.2006 ist sie vollstationär in einem Seniorenzentrum untergebracht. Die Beklagte gewährte zunächst Pflegeleistungen bei vollstationärer Pflege nach der Pflegestufe I und seit dem 1.12.2008 nach der Pflegestufe II (Bescheid vom 10.3.2009). Einen früheren Höherstufungsantrag der Klägerin vom 1.3.2006 lehnte die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab und führte zur Begründung aus, der durchschnittliche Hilfebedarf in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität betrage lediglich 66 Minuten (Bescheid vom 16.6.2006). Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27.9.2006).

3

Das von der Klägerin angerufene SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens vom 2.4.2007, ausweislich dessen ein Hilfebedarf im Bereich Hauswirtschaft von mindestens 60 Minuten täglich und ein grundpflegerischer Hilfebedarf im Umfang von 109 Minuten täglich bestanden hat (Körperpflege 55 Minuten, Ernährung 24 Minuten und Mobilität 30 Minuten). Für die Bemessung des Hilfebedarfs beim Gehen wurden dabei 25 bis 27 Wegstrecken für die Hin- und Rückwege zu den Mahlzeiten, zur Toilette und zur Dusche sowie dem abendlichen Zubettgehen zugrunde gelegt. Bei einer nach den Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit (BRi) anzunehmenden durchschnittlichen Wegstrecke von acht Metern benötige die Klägerin hierfür pro Weg eine halbe Minute. Insgesamt sei daher für die Hilfe beim Gehen ein durchschnittlicher täglicher Zeitbedarf von 13 Minuten (26 x ½ Minute) festzustellen. Das SG hat der Klage mit Urteil vom 20.11.2007 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1.3.2006 Leistungen nach Pflegestufe II zu gewähren. Über die Feststellungen im Gutachten vom 2.4.2007 hinaus seien weitere 14 Minuten Hilfebedarf (insgesamt 123 Minuten Grundpflege) anzurechnen: Eine Minute davon entfalle auf das Aufstehen und Zubettgehen und 13 Minuten auf die Verrichtung des "Gehens". Nach den BRi sei der Wert der Verrichtungen jeweils mit mindestens einer Minute zu berücksichtigen - daher müsse jede einzelne Wegstrecke mit einem Hilfebedarf von einer Minute bemessen werden.

4

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.8.2008). Verrichtung im Sinne der BRi sei nicht jeder einzelne Weg, sondern das Gehen an sich. Die in den BRi enthaltene Regelung, wonach für jede Verrichtung volle Minutenwerte anzugeben sind, beziehe sich nicht auf einzelne Tätigkeiten oder "Einzelverrichtungen", sondern nur auf die Tagesdurchschnittsbemessung.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. § 14 Abs 4 SGB XI sei für die Frage, welche Verrichtungen berücksichtigungsfähig seien, nicht in jedem Fall als abschließende Regelung zu betrachten. Offensichtlich irrtümlich habe der Gesetzgeber den Toilettengang nicht als Verrichtung aufgeführt. Zudem sei jeder Gang zur bzw von der Toilette jeweils mit einer vollen Minute anzusetzen. Es sei einem Pflegenden nicht zuzumuten, quasi mit der Stoppuhr den Hilfebedarf sekundengenau zu dokumentieren.

6

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.8.2008 mit der Maßgabe zu ändern, dass nur noch Leistungen der Pflegestufe II für die Zeit vom 1.3.2006 bis 30.11.2008 begehrt werden, und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Duisburg vom 20.11.2007 insoweit zurückzuweisen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass ein Anspruch auf Pflegeleistungen bei vollstationärer Pflege nach der Pflegestufe II für den Zeitraum vom 1.3.2006 bis 30.11.2008 nicht bestanden hat, sondern nur - wie bereits zuerkannt - nach der Pflegestufe I.

9

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs für die Zeit von März 2006 bis Juni 2007 ist § 43 Abs 5 Satz 1 Nr 2 SGB XI in der bis zum 31.3.2007 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23.10.2001 (BGBl I 2702), für die Zeit von Juli 2007 bis Juni 2008 § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XI in der bis zum 30.6.2008 geltenden Fassung des Gesetzes vom 26.3.2007 (BGBl I 378) und für die Zeit von Juli bis November 2008 in der aktuellen Fassung des § 43 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB XI(Gesetz vom 28.5.2008, BGBl I 874) - jeweils iVm § 14, § 15 Abs 1 Nr 2 und § 15 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB XI.

10

2. Für Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen übernimmt die Pflegekasse gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XI im Rahmen von pauschalen Leistungsbeträgen die pflegebedingten Aufwendungen sowie die Aufwendungen der sozialen Betreuung und für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Die monatliche Leistungshöhe hängt von der Pflegestufe iS des § 15 SGB XI ab und beträgt für Pflegebedürftige der Pflegestufe II damals wie heute 1279 Euro. Nach § 14 Abs 1 SGB XI sind Personen pflegebedürftig, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Gemäß § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XI ist schwerpflegebedürftig und damit der Pflegestufe II zuzuordnen, wer bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung bedarf. Diese Vorschrift wird durch § 15 Abs 3 Satz 1 SGB XI insofern konkretisiert, als der Zeitaufwand für die Hilfen täglich im Wochendurchschnitt(die Formulierung in § 15 Abs 3 Satz 1 SGB XI "wöchentlich im Tagesdurchschnitt" ist so gemeint, vgl BSG SozR 4-3300 § 14 Nr 3 RdNr 9) bei der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen muss, von denen wiederum mindestens zwei Stunden auf die Grundpflege entfallen müssen. Die Grundpflege erfasst diejenigen Verrichtungen, die für die Körperpflege, die Ernährung und die Mobilität iS von § 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI erforderlich sind(BSG SozR 4-3300 § 14 Nr 7 RdNr 9).

11

3. Ein die Zuordnung zur Pflegestufe II begründender Grundpflegebedarf bestand in dem hier zur Entscheidung stehenden Zeitraum nicht. Nach den unangegriffenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG betrug der tägliche Hilfebedarf der Klägerin für die Körperpflege 55 Minuten und für die Ernährung 24 Minuten (zusammen 79 Minuten). Der im Hinblick auf die Pflegestufe II erforderliche Grundpflegebedarf von zumindest 120 Minuten wurde aber nicht erreicht, weil die Klägerin in Bezug auf ihre Mobilität keiner Hilfe im Umfang von weiteren zumindest 41 Minuten bedurfte. Der mobilitätsbedingte und im Gutachten vom 2.4.2007 festgestellte Hilfebedarf von 30 Minuten ist nicht um weitere 13 Minuten wegen zusätzlicher Hilfezeiten beim Gehen zu erhöhen (dazu unter a). Ob darüber hinaus - wie vom SG angenommen - wegen der Hilfe beim Aufstehen/Zubettgehen der Hilfebedarf um eine weitere Minute zu erhöhen ist, bedarf daher keiner Entscheidung (dazu unter b).

12

a) Das LSG hat den Hilfebedarf beim Gehen zu Recht nur insoweit anerkannt, als die Wege zu und von der Toilette, zu und von den Mahlzeiten sowie beim Zubettgehen zu berücksichtigen waren (dazu unter aa); bezüglich des Gehens hat es seiner Entscheidung ebenfalls zu Recht nur die einfache Wegstrecke von pauschal acht Metern zugrunde gelegt (dazu unter bb) und die dabei benötigte Hilfe zeitlich auch nicht auf eine volle Minute pro Wegstrecke aufgerundet (dazu unter cc).

13

aa) Der Hilfebedarf beim Gehen (§ 14 Abs 4 Nr 3 SGB XI) ist dem Grunde nach nur im Hinblick auf die Wege zu und von der Toilette, zu und von den Mahlzeiten und beim Zubettgehen anzuerkennen. Denn die notwendige Hilfe beim Gehen ist nur dann zu berücksichtigen, wenn sie im Zusammenhang mit den anderen in § 14 Abs 4 SGB XI genannten zielgerichteten Verrichtungen - dh Körperpflege, Ernährung und hauswirtschaftliche Versorgung - erfolgt (so schon BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 10 S 70 f; zustimmend: Wagner in Hauck/Noftz, SGB XI, Stand März 2010, K § 14 RdNr 47; kritisch: Klie in LPK SGB XI, 3. Aufl 2009, § 14 RdNr 12). Der Verrichtungskatalog des § 14 Abs 4 SGB XI ist grundsätzlich abschließend und auf bestimmte elementare Lebensbereiche beschränkt (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 9 S 58 f; vgl zur "offensichtlichen Lücke des Gesetzes" zur Hilfe beim Liegen und Sitzen aber: BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14 S 91 f). Die Auffassung der Klägerin, die Wege von und zur Toilette seien nicht der Verrichtung "Gehen" zuzuordnen, sondern über den Wortlaut des § 14 Abs 4 SGB XI hinaus ebenfalls als eigenständige Verrichtung zu erfassen, ist unzutreffend, da schon keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke besteht. Die Darm- und Blasenentleerung in Form des hygienischen Vorgangs ist eine für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit relevante Verrichtung der Körperpflege (§ 14 Abs 4 Nr 1 SGB XI),so dass der Hilfebedarf für die Wege zur bzw von der Toilette im Rahmen der Mobilität über die Verrichtung des Gehens vollständig erfasst wird.

14

bb) Ebenfalls zutreffend hat das LSG bezüglich des zeitlichen Umfangs der Hilfe beim Gehen auf das individuelle Gehvermögen der Klägerin abgestellt und dabei für eine einfache Wegstrecke pauschal acht Meter zugrunde gelegt.

15

(1) Ausgangspunkt für die Ermittlung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen ist auch bei stationärer Pflege die Dauer, die eine - nicht als Pflegekraft ausgebildete, also nicht professionelle - durchschnittliche Pflegeperson iS von § 19 SGB XI für die Hilfe angesichts des individuellen Gehvermögens des Pflegebedürftigen benötigt(§ 15 Abs 3 Satz 1 SGB XI). Entscheidend ist der individuelle, sachlich begründete Bedarf aus Sicht des zu Pflegenden (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 9 S 61), wobei sich das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit nicht pauschal nach Krankheitsbildern oder Funktionsstörungen, sondern danach richtet, welcher Zeitaufwand in Bezug auf den individuellen Pflegebedarf konkret erforderlich ist (Udsching, SGB XI, 3. Aufl 2010, § 15 RdNr 4). Dementsprechend ist in dem vom SG eingeholten Sachverständigengutachten vom 2.4.2007 (aaO, S 21) zutreffend auf die individuelle Bewegungsfähigkeit der Klägerin abgestellt und festgestellt worden, dass ein Zeitaufwand von jeweils einer Minute zu hoch und nur eine geringere Zeit pro Wegstrecke angemessen ist.

16

(2) Die Ermittlung des maßgeblichen Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen hängt jedoch nicht nur vom individuellen Gehvermögen des Pflegebedürftigen ab, sondern auch von den örtlich-räumlichen Verhältnissen. Hierfür und somit für die Länge der zurückzulegenden Wege stellt der Gesetzgeber grundsätzlich auf die Pflege in häuslicher Umgebung ab (§§ 3, 19 Satz 1 SGB XI); maßgeblich sind also die in einer Wohnung üblicherweise zurückzulegenden Wegstrecken. Dies entspricht dem vom Gesetzgeber gewollten Vorrang der häuslichen vor der stationären Pflege und stellt einen wesentlichen Grundsatz der sozialen Pflegeversicherung dar (BT-Drucks 12/5262, S 89 f). Mit dem Abstellen auf die individuellen Wohngegebenheiten bei der Bemessung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen wird dieses Grundprinzip bestätigt; eine rein pauschalierte Betrachtungsweise würde dem widersprechen. Bei der vollstationären Pflege sind solch individualisierte Feststellungen indes nicht möglich, weil es eine "Pflege in häuslicher Umgebung" und damit auch den in § 3 Satz 1 SGB XI normierten Vorrang gerade nicht mehr gibt. Trotz Fehlens von "häuslich"-geprägten Rahmenbedingungen hat der Gesetzgeber gleichwohl auch für die Leistungen bei vollstationärer Pflege eine Feststellung der Pflegestufen nach Maßgabe der §§ 15 ff SGB XI angeordnet, ohne hierfür eine eigenständige und auf die stationäre Pflege zugeschnittene Regelung zu schaffen. Der Senat teilt deshalb den rechtlichen Ausgangspunkt des LSG, dass der Zeitaufwand für die Hilfe beim Gehen bei dauerhaft vollstationärer Pflege mangels anderer Anhaltspunkte auf der Grundlage pauschalierter Wegstrecken im Heim festgestellt werden kann.

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(3) Der Senat sieht die vom LSG zugrunde gelegte Strecke von acht Metern pro Weg im vorliegenden Fall als sachgerecht an; Bedenken hiergegen sind von der Klägerin selbst nicht vorgebracht worden. Ausgangspunkt des LSG für den hier streitgegenständlichen Zeitraum sind die "Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch Sozialgesetzbuch" (BRi - vom 21.3.1997 idF des Beschlusses vom 11.5.2006, abgedruckt etwa bei Aichberger-Engelmann, Ergänzungsband "Gesetzliche Krankenversicherung, Soziale Pflegeversicherung", GlNr 1610). Diese nach §§ 17, 53a SGB XI erlassenen BRi erläutern die Begutachtungskriterien und das Begutachtungsverfahren und sollen bundesweit einheitliche Maßstäbe für die Pflege-Begutachtung sichern. Für die Festlegung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen sehen sie als Maß sowohl für die durchschnittliche häusliche Wohnsituation als auch bei dauerhaft stationärer Unterbringung eine einfache Wegstrecke von acht Metern vor (BRi Teil C Ziff 2.4, Teil D Ziff 4.3 Nr 12; abgedruckt bei Aichberger-Engelmann, aaO, S 11, 50). Diese für den MDK gemäß § 53a Satz 3 SGB XI verbindlichen Richtlinien sind allerdings für das gerichtliche Verfahren nicht bindend. Denn die §§ 17, 53a SGB XI enthalten keine normative Ermächtigung der Spitzenverbände, Voraussetzungen und Ausmaß der Pflegebedürftigkeit mit Wirkung für außerhalb der Verwaltung stehende Personen oder die Gerichte festzulegen(BSG SozR 3-3300 § 15 Nr 1 S 5; Udsching, aaO, § 17 RdNr 4; ders in: Festschrift Krasney, München 1997, S 677, 683 f; Wagner, aaO, K § 17 RdNr 5). Sie stellen nur sog Verwaltungs-Binnenrecht dar und werden von den Gerichten auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung und den Gesetzen sowie auf ihre sachliche Vertretbarkeit überprüft (ähnlich vgl etwa BSG SozR 3-3300 § 15 Nr 1 S 5; BSG SozR 3-3300 § 15 Nr 5 S 16; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 10 S 77 mwN; zur Kasuistik zusammenfassend Udsching, aaO, § 17 RdNr 6). Nicht zu entscheiden war hier indes, ob bei der Festlegung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen in der durchschnittlichen häuslichen Wohnsituation trotz des Individualisierungsgebots (vgl oben unter 3. a bb <2>) entsprechend den BRi regelmäßig eine einfache Wegstrecke von acht Metern zugrunde gelegt werden darf, denn die Klägerin ist stationär untergebracht. Der Senat kann aber auch offenlassen, ob und inwieweit der MDK bei seiner Begutachtung im stationären Bereich grundsätzlich eine Wegstrecke von acht Metern berücksichtigen darf bzw welche Gehstrecke ansonsten angemessen wäre. Denn im vorliegenden Fall sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der sachverständig zugrunde gelegte Wert nicht mit den Gegebenheiten im Seniorenzentrum der Klägerin übereinstimmt - dies hat die Klägerin auch selbst nicht behauptet.

18

cc) Zu Recht hat das LSG den tatsächlichen Hilfebedarf von jeweils einer halben Minute nicht auf eine volle Minute pro zu berücksichtigendem Weg aufgerundet. Eine Rundungsvorschrift, wonach der tatsächlich bestehende Pflegebedarf - in welcher Weise auch immer - auf- oder abzurunden wäre, enthält das SGB XI nicht. Ein Anspruch auf Rundung aus Gründen der Gleichbehandlung ergibt sich auch nicht aus Art 3 GG iVm den nach §§ 17, 53a SGB XI erlassenen BRi.

19

(1) Die BRi verlangen bereits dem Wortlaut nach keine Rundung auf volle Minuten für jeden abgrenzbaren Einzelvorgang, der im Rahmen der Verrichtungen möglicherweise mehrmals täglich anfällt. Die BRi sehen in Teil F - Orientierungswerte zur Pflegezeitbemessung - zwar vor, dass der Hilfebedarf "für jede Verrichtung der Grundpflege stets in vollen Minutenwerten anzugeben" ist (abgedruckt bei Aichberger-Engelmann, aaO, S 79). Diese Formulierung ist aber so zu verstehen, dass für jede der in § 14 Abs 4 SGB XI genannten Verrichtungen in der jeweiligen Summe und bezogen auf den Tagesdurchschnitt volle Minutenwerte anzugeben sind. Wenn die BRi von "Verrichtung" sprechen, beziehen sie sich lediglich auf die in § 14 Abs 4 SGB XI aufgelisteten Handlungsbereiche und nicht auf jeden Einzelvorgang, der innerhalb dieses Handlungsbereichs möglicherweise mehrmals täglich anfällt. Sprachlich unterscheiden die BRi nämlich konsequent zwischen der Verrichtung und den innerhalb der jeweiligen Verrichtung erforderlichen Handlungen. Wenn es um Einzelvorgänge geht, die einer bestimmten Verrichtung zuzuordnen sind, sprechen die BRi nicht von Verrichtung, sondern zB von einzelnen "Transferleistungen" die "nur Sekunden in Anspruch" nehmen (BRi Teil D Ziff 4.0/III./9.; abgedruckt bei Aichberger-Engelmann, aaO, S 42). Dass sich die Rundungsvorschrift nur auf die pro Tag durchschnittlich erforderliche Hilfe bezieht, legt auch die sich der Rundungsvorgabe unmittelbar anschließende Regelung zur Berechnung der nicht täglich erfolgenden Verrichtungen nahe: Auch hier wird eine auf den Tag bezogene Umrechnung des wöchentlichen Zeitaufwandes vorgesehen. Bei nicht täglich anfallenden Pflegeleistungen wie etwa dem Baden wäre es wenig zielführend, wenn zunächst die Hilfeleistung pro Einzelvorgang auf volle Minuten gerundet würde. Denn bei der danach erforderlichen Umrechnung des Zeitbedarfes auf einen Tag (Hilfeleistung pro Woche geteilt durch sieben; vgl zur Berechnung der nicht täglich anfallenden Verrichtungen: BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 10 S 75) - auf diesen kommt es für die Zuordnung im Rahmen von § 15 Abs 3 SGB XI an - würde in den meisten Fällen ein rechnerisches Ergebnis produziert, welches keine vollen Minuten ergäbe - gerade das will die Rundungsvorschrift aber vermeiden.

20

(2) Etwas anderes ergibt sich - anders als die Klägerin meint - auch nicht daraus, dass in den BRi betreffend der Hilfe zum Stehen/Transfer und der Hilfe zum Gehen festgelegt wird, dass jeder Transfer/jeder Weg "einzeln zu berücksichtigen" ist (BRi Teil F Ziff 4.3/Teil D Ziff 4.3 abgedruckt bei Aichberger-Engelmann, aaO, S 50 und 83) . Die Häufigkeitsangabe der einzelnen Hilfeleistungen im Gutachten ist notwendig, da der Gesetzgeber in § 15 Abs 1 S 1 SGB XI die Pflegestufen auch von der Häufigkeit der Hilfeleistungen abhängig macht. Allein in diesem Sinne sind die in den BRi enthaltenen Maßgaben zur "Zählweise" zu lesen; dies hat keine Relevanz für die Dauer der Hilfeleistung und steht daher auch nicht in Zusammenhang mit etwaigen Rundungsschritten. Eine Rundung bereits bei jeder Einzeltätigkeit und die damit gegebenenfalls einhergehende erhebliche Ungenauigkeit wäre zudem nicht mit der gesetzlichen Vorgabe vereinbar, den Pflegebedarf angesichts der individuellen Situation des zu Pflegenden - einzelfallbezogen - so genau wie möglich festzustellen (hierzu: BSG SozR 4-3300 § 15 Nr 1 RdNr 13). Das Anliegen einer möglichst großen Praktikabilität - und nur damit lässt sich eine Rundung der festzustellenden Hilfeleistung rechtfertigen - kann nicht dazu führen, Abweichungen von den gesetzlichen Vorgaben in Kauf zu nehmen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 10 S 78). Zwar beruhen die von medizinischen Sachverständigen festzustellenden Zeitwerte regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (BSGE 95, 57 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6 RdNr 25 ff). Mit dem Individualisierungsgebot des SGB XI wäre es aber nicht vereinbar, solche Unschärfen sehenden Auges in verstärktem Maße durch Rundungsschritte bereits bei jeder einzelnen Hilfeleistung zu produzieren. Derartig gesteigerte Unschärfen würden sich im Übrigen nicht zwangsläufig zugunsten der Versicherten auswirken; die BRi sprechen keineswegs zwingend von einer Aufrundung, sondern erlauben mit der Formulierung "in vollen Minuten" durchaus auch, eine Abrundung vorzunehmen.

21

(3) Die zwischenzeitlich mit Beschluss vom 8.6.2009 neu gefassten BRi (abgedruckt bei Udsching, aaO, Anhang 4, S 553) sind daher lediglich als Klarstellung zu verstehen, wenn dort nunmehr in den Orientierungswerten (Teil F, aaO, S 601) bestimmt ist: "Der Zeitaufwand für die jeweilige Verrichtung der Grundpflege ist pro Tag, gerundet auf volle Minuten anzugeben. Dabei erfolgt die Rundung nur im Zusammenhang mit der Ermittlung des Gesamtzeitaufwands pro Tag und nicht für jede Hilfeleistung, deren Zeitaufwand weniger als eine Minute beträgt.“ Dies galt auch schon im hier streitigen Zeitraum unter Geltung der früheren BRi idF vom 11.5.2006; eine inhaltliche Änderung betreffend die Rundungsregel ist mit den seit 2009 gültigen BRi nicht verbunden.

22

b) Einer Entscheidung des Senats zu der Frage, ob dem Grundpflegebedarf im Bereich Mobilität eine weitere Minute für die Hilfe beim Aufstehen bzw Zubettgehen hinzuzufügen ist, wie es das SG angenommen hat, bedurfte es nicht. Durch Hinzufügen einer weiteren Minute würde sich der Hilfebedarf der Klägerin nicht dergestalt erhöhen, dass allein dadurch ein Grundpflegebedarf von zumindest 120 Minuten festzustellen wäre.

23

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

                          

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 können anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderlichen körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Das Pflegegeld beträgt je Kalendermonat

1.
316 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 2,
2.
545 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 3,
3.
728 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 4,
4.
901 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 5.

(2) Besteht der Anspruch nach Absatz 1 nicht für den vollen Kalendermonat, ist der Geldbetrag entsprechend zu kürzen; dabei ist der Kalendermonat mit 30 Tagen anzusetzen. Die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes wird während einer Kurzzeitpflege nach § 42 für bis zu acht Wochen und während einer Verhinderungspflege nach § 39 für bis zu sechs Wochen je Kalenderjahr fortgewährt. Das Pflegegeld wird bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem der Pflegebedürftige gestorben ist. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches gilt entsprechend, wenn für die Zeit nach dem Monat, in dem der Pflegebedürftige verstorben ist, Pflegegeld überwiesen wurde.

(3) Pflegebedürftige, die Pflegegeld nach Absatz 1 beziehen, haben in folgenden Intervallen eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen:

1.
bei den Pflegegraden 2 und 3 halbjährlich einmal,
2.
bei den Pflegegraden 4 und 5 vierteljährlich einmal.
Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 haben Anspruch, halbjährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen. Beziehen Pflegebedürftige von einem ambulanten Pflegedienst Pflegesachleistungen, können sie ebenfalls halbjährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit in Anspruch nehmen. Auf Wunsch der pflegebedürftigen Person erfolgt im Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis einschließlich 30. Juni 2024 jede zweite Beratung abweichend von den Sätzen 1 bis 3 per Videokonferenz. Bei der Durchführung der Videokonferenz sind die nach § 365 Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches vereinbarten Anforderungen an die technischen Verfahren zu Videosprechstunden einzuhalten. Die erstmalige Beratung nach den Sätzen 1 bis 3 hat in der eigenen Häuslichkeit zu erfolgen.

(3a) Die Beratung nach Absatz 3 dient der Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege und der regelmäßigen Hilfestellung und praktischen pflegefachlichen Unterstützung der häuslich Pflegenden. Die Pflegebedürftigen und die häuslich Pflegenden sind bei der Beratung auch auf die Auskunfts-, Beratungs- und Unterstützungsangebote des für sie zuständigen Pflegestützpunktes sowie auf die Pflegeberatung nach § 7a hinzuweisen.

(3b) Die Beratung nach Absatz 3 kann durchgeführt werden durch

1.
einen zugelassenen Pflegedienst,
2.
eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz oder
3.
eine von der Pflegekasse beauftragte, jedoch von ihr nicht beschäftigte Pflegefachkraft, sofern die Durchführung der Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst vor Ort oder eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz nicht gewährleistet werden kann.

(3c) Die Vergütung für die Beratung nach Absatz 3 ist von der zuständigen Pflegekasse, bei privat Pflegeversicherten von dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen zu tragen, im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von dem zuständigen Beihilfeträger. Die Höhe der Vergütung für die Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst oder durch eine von der Pflegekasse beauftragte Pflegefachkraft vereinbaren die Pflegekassen oder deren Arbeitsgemeinschaften in entsprechender Anwendung des § 89 Absatz 1 und 3 mit dem Träger des zugelassenen Pflegedienstes oder mit der von der Pflegekasse beauftragten Pflegefachkraft unter Berücksichtigung der Empfehlungen nach Absatz 5. Die Vergütung kann nach Pflegegraden gestaffelt werden. Über die Höhe der Vergütung anerkannter Beratungsstellen und von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften entscheiden die Landesverbände der Pflegekassen unter Zugrundelegung der im jeweiligen Land nach den Sätzen 2 und 4 vereinbarten Vergütungssätze jeweils für die Dauer eines Jahres. Die Landesverbände haben die jeweilige Festlegung der Vergütungshöhe in geeigneter Weise zu veröffentlichen.

(4) Die Pflegedienste und die anerkannten Beratungsstellen sowie die beauftragten Pflegefachkräfte haben die Durchführung der Beratungseinsätze gegenüber der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen zu bestätigen sowie die bei dem Beratungsbesuch gewonnenen Erkenntnisse über die Möglichkeiten der Verbesserung der häuslichen Pflegesituation dem Pflegebedürftigen und mit dessen Einwilligung der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen mitzuteilen, im Fall der Beihilfeberechtigung auch der zuständigen Beihilfefestsetzungsstelle. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen stellen ihnen für diese Mitteilung ein einheitliches Formular zur Verfügung. Erteilt die pflegebedürftige Person die Einwilligung nicht, ist jedoch nach Überzeugung der Beratungsperson eine weitergehende Beratung angezeigt, übermittelt die jeweilige Beratungsstelle diese Einschätzung über die Erforderlichkeit einer weitergehenden Beratung der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen. Diese haben eine weitergehende Beratung nach § 7a anzubieten. Der beauftragte Pflegedienst und die anerkannte Beratungsstelle haben dafür Sorge zu tragen, dass für einen Beratungsbesuch im häuslichen Bereich Pflegekräfte eingesetzt werden, die spezifisches Wissen zu dem Krankheits- und Behinderungsbild sowie des sich daraus ergebenden Hilfebedarfs des Pflegebedürftigen mitbringen und über besondere Beratungskompetenz verfügen. Zudem soll bei der Planung für die Beratungsbesuche weitestgehend sichergestellt werden, dass der Beratungsbesuch bei einem Pflegebedürftigen möglichst auf Dauer von derselben Pflegekraft durchgeführt wird.

(5) Die Vertragsparteien nach § 113 beschließen gemäß § 113b bis zum 1. Januar 2018 unter Beachtung der in Absatz 4 festgelegten Anforderungen Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 3. Die Empfehlungen enthalten Ausführungen wenigstens

1.
zu Beratungsstandards,
2.
zur erforderlichen Qualifikation der Beratungspersonen sowie
3.
zu erforderlichenfalls einzuleitenden Maßnahmen im Einzelfall.
Fordert das Bundesministerium für Gesundheit oder eine Vertragspartei nach § 113 im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit die Vertragsparteien schriftlich zum Beschluss neuer Empfehlungen nach Satz 1 auf, sind diese innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Aufforderung neu zu beschließen. Die Empfehlungen gelten für die anerkannten Beratungsstellen entsprechend.

(5a) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen beschließt mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. bis zum 1. Januar 2020 Richtlinien zur Aufbereitung, Bewertung und standardisierten Dokumentation der Erkenntnisse aus dem jeweiligen Beratungsbesuch durch die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen. Die Richtlinien werden erst wirksam, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie genehmigt. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn die Richtlinien nicht innerhalb von zwei Monaten, nachdem sie dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt worden sind, beanstandet werden. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben.

(6) Rufen Pflegebedürftige die Beratung nach Absatz 3 Satz 1 nicht ab, hat die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen das Pflegegeld angemessen zu kürzen und im Wiederholungsfall zu entziehen.

(7) Die Landesverbände der Pflegekassen haben neutrale und unabhängige Beratungsstellen zur Durchführung der Beratung nach den Absätzen 3 bis 4 anzuerkennen. Dem Antrag auf Anerkennung ist ein Nachweis über die erforderliche pflegefachliche Kompetenz der Beratungsstelle und ein Konzept zur Qualitätssicherung des Beratungsangebotes beizufügen. Die Landesverbände der Pflegekassen regeln das Nähere zur Anerkennung der Beratungsstellen.

(8) Die Beratungsbesuche nach Absatz 3 können auch von Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern im Sinne des § 7a oder von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften, die die erforderliche pflegefachliche Kompetenz aufweisen, durchgeführt werden. Absatz 4 findet entsprechende Anwendung. Die Inhalte der Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 5 sind zu beachten.

(9) Beratungsbesuche nach Absatz 3 dürfen von Betreuungsdiensten im Sinne des § 71 Absatz 1a nicht durchgeführt werden.

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.

(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:

1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und
5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet. Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet:
1.
Mobilität mit 10 Prozent,
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent,
3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent,
4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent,
5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.

(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.

(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.

(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.

(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4,
4.
ab 70 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5.

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Bemessung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen im Rahmen des Anspruchs auf Zuerkennung von Leistungen nach der Pflegestufe II im Zeitraum 1.3.2006 bis 30.11.2008.

2

Die 1923 geborene Klägerin ist bei der beklagten Pflegekasse gesetzlich pflegeversichert. Sie leidet gesundheitlich im Wesentlichen an einer im streitigen Zeitraum noch mittelgradigen Demenz mit halluzinatorischer Symptomatik sowie einem beidseitigen Glaukom mit erheblicher Beeinträchtigung der Sehkraft. Seit dem 9.2.2006 ist sie vollstationär in einem Seniorenzentrum untergebracht. Die Beklagte gewährte zunächst Pflegeleistungen bei vollstationärer Pflege nach der Pflegestufe I und seit dem 1.12.2008 nach der Pflegestufe II (Bescheid vom 10.3.2009). Einen früheren Höherstufungsantrag der Klägerin vom 1.3.2006 lehnte die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab und führte zur Begründung aus, der durchschnittliche Hilfebedarf in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität betrage lediglich 66 Minuten (Bescheid vom 16.6.2006). Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27.9.2006).

3

Das von der Klägerin angerufene SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens vom 2.4.2007, ausweislich dessen ein Hilfebedarf im Bereich Hauswirtschaft von mindestens 60 Minuten täglich und ein grundpflegerischer Hilfebedarf im Umfang von 109 Minuten täglich bestanden hat (Körperpflege 55 Minuten, Ernährung 24 Minuten und Mobilität 30 Minuten). Für die Bemessung des Hilfebedarfs beim Gehen wurden dabei 25 bis 27 Wegstrecken für die Hin- und Rückwege zu den Mahlzeiten, zur Toilette und zur Dusche sowie dem abendlichen Zubettgehen zugrunde gelegt. Bei einer nach den Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit (BRi) anzunehmenden durchschnittlichen Wegstrecke von acht Metern benötige die Klägerin hierfür pro Weg eine halbe Minute. Insgesamt sei daher für die Hilfe beim Gehen ein durchschnittlicher täglicher Zeitbedarf von 13 Minuten (26 x ½ Minute) festzustellen. Das SG hat der Klage mit Urteil vom 20.11.2007 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1.3.2006 Leistungen nach Pflegestufe II zu gewähren. Über die Feststellungen im Gutachten vom 2.4.2007 hinaus seien weitere 14 Minuten Hilfebedarf (insgesamt 123 Minuten Grundpflege) anzurechnen: Eine Minute davon entfalle auf das Aufstehen und Zubettgehen und 13 Minuten auf die Verrichtung des "Gehens". Nach den BRi sei der Wert der Verrichtungen jeweils mit mindestens einer Minute zu berücksichtigen - daher müsse jede einzelne Wegstrecke mit einem Hilfebedarf von einer Minute bemessen werden.

4

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.8.2008). Verrichtung im Sinne der BRi sei nicht jeder einzelne Weg, sondern das Gehen an sich. Die in den BRi enthaltene Regelung, wonach für jede Verrichtung volle Minutenwerte anzugeben sind, beziehe sich nicht auf einzelne Tätigkeiten oder "Einzelverrichtungen", sondern nur auf die Tagesdurchschnittsbemessung.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. § 14 Abs 4 SGB XI sei für die Frage, welche Verrichtungen berücksichtigungsfähig seien, nicht in jedem Fall als abschließende Regelung zu betrachten. Offensichtlich irrtümlich habe der Gesetzgeber den Toilettengang nicht als Verrichtung aufgeführt. Zudem sei jeder Gang zur bzw von der Toilette jeweils mit einer vollen Minute anzusetzen. Es sei einem Pflegenden nicht zuzumuten, quasi mit der Stoppuhr den Hilfebedarf sekundengenau zu dokumentieren.

6

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.8.2008 mit der Maßgabe zu ändern, dass nur noch Leistungen der Pflegestufe II für die Zeit vom 1.3.2006 bis 30.11.2008 begehrt werden, und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Duisburg vom 20.11.2007 insoweit zurückzuweisen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass ein Anspruch auf Pflegeleistungen bei vollstationärer Pflege nach der Pflegestufe II für den Zeitraum vom 1.3.2006 bis 30.11.2008 nicht bestanden hat, sondern nur - wie bereits zuerkannt - nach der Pflegestufe I.

9

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs für die Zeit von März 2006 bis Juni 2007 ist § 43 Abs 5 Satz 1 Nr 2 SGB XI in der bis zum 31.3.2007 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23.10.2001 (BGBl I 2702), für die Zeit von Juli 2007 bis Juni 2008 § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XI in der bis zum 30.6.2008 geltenden Fassung des Gesetzes vom 26.3.2007 (BGBl I 378) und für die Zeit von Juli bis November 2008 in der aktuellen Fassung des § 43 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB XI(Gesetz vom 28.5.2008, BGBl I 874) - jeweils iVm § 14, § 15 Abs 1 Nr 2 und § 15 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB XI.

10

2. Für Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen übernimmt die Pflegekasse gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XI im Rahmen von pauschalen Leistungsbeträgen die pflegebedingten Aufwendungen sowie die Aufwendungen der sozialen Betreuung und für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Die monatliche Leistungshöhe hängt von der Pflegestufe iS des § 15 SGB XI ab und beträgt für Pflegebedürftige der Pflegestufe II damals wie heute 1279 Euro. Nach § 14 Abs 1 SGB XI sind Personen pflegebedürftig, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Gemäß § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XI ist schwerpflegebedürftig und damit der Pflegestufe II zuzuordnen, wer bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung bedarf. Diese Vorschrift wird durch § 15 Abs 3 Satz 1 SGB XI insofern konkretisiert, als der Zeitaufwand für die Hilfen täglich im Wochendurchschnitt(die Formulierung in § 15 Abs 3 Satz 1 SGB XI "wöchentlich im Tagesdurchschnitt" ist so gemeint, vgl BSG SozR 4-3300 § 14 Nr 3 RdNr 9) bei der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen muss, von denen wiederum mindestens zwei Stunden auf die Grundpflege entfallen müssen. Die Grundpflege erfasst diejenigen Verrichtungen, die für die Körperpflege, die Ernährung und die Mobilität iS von § 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI erforderlich sind(BSG SozR 4-3300 § 14 Nr 7 RdNr 9).

11

3. Ein die Zuordnung zur Pflegestufe II begründender Grundpflegebedarf bestand in dem hier zur Entscheidung stehenden Zeitraum nicht. Nach den unangegriffenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG betrug der tägliche Hilfebedarf der Klägerin für die Körperpflege 55 Minuten und für die Ernährung 24 Minuten (zusammen 79 Minuten). Der im Hinblick auf die Pflegestufe II erforderliche Grundpflegebedarf von zumindest 120 Minuten wurde aber nicht erreicht, weil die Klägerin in Bezug auf ihre Mobilität keiner Hilfe im Umfang von weiteren zumindest 41 Minuten bedurfte. Der mobilitätsbedingte und im Gutachten vom 2.4.2007 festgestellte Hilfebedarf von 30 Minuten ist nicht um weitere 13 Minuten wegen zusätzlicher Hilfezeiten beim Gehen zu erhöhen (dazu unter a). Ob darüber hinaus - wie vom SG angenommen - wegen der Hilfe beim Aufstehen/Zubettgehen der Hilfebedarf um eine weitere Minute zu erhöhen ist, bedarf daher keiner Entscheidung (dazu unter b).

12

a) Das LSG hat den Hilfebedarf beim Gehen zu Recht nur insoweit anerkannt, als die Wege zu und von der Toilette, zu und von den Mahlzeiten sowie beim Zubettgehen zu berücksichtigen waren (dazu unter aa); bezüglich des Gehens hat es seiner Entscheidung ebenfalls zu Recht nur die einfache Wegstrecke von pauschal acht Metern zugrunde gelegt (dazu unter bb) und die dabei benötigte Hilfe zeitlich auch nicht auf eine volle Minute pro Wegstrecke aufgerundet (dazu unter cc).

13

aa) Der Hilfebedarf beim Gehen (§ 14 Abs 4 Nr 3 SGB XI) ist dem Grunde nach nur im Hinblick auf die Wege zu und von der Toilette, zu und von den Mahlzeiten und beim Zubettgehen anzuerkennen. Denn die notwendige Hilfe beim Gehen ist nur dann zu berücksichtigen, wenn sie im Zusammenhang mit den anderen in § 14 Abs 4 SGB XI genannten zielgerichteten Verrichtungen - dh Körperpflege, Ernährung und hauswirtschaftliche Versorgung - erfolgt (so schon BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 10 S 70 f; zustimmend: Wagner in Hauck/Noftz, SGB XI, Stand März 2010, K § 14 RdNr 47; kritisch: Klie in LPK SGB XI, 3. Aufl 2009, § 14 RdNr 12). Der Verrichtungskatalog des § 14 Abs 4 SGB XI ist grundsätzlich abschließend und auf bestimmte elementare Lebensbereiche beschränkt (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 9 S 58 f; vgl zur "offensichtlichen Lücke des Gesetzes" zur Hilfe beim Liegen und Sitzen aber: BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14 S 91 f). Die Auffassung der Klägerin, die Wege von und zur Toilette seien nicht der Verrichtung "Gehen" zuzuordnen, sondern über den Wortlaut des § 14 Abs 4 SGB XI hinaus ebenfalls als eigenständige Verrichtung zu erfassen, ist unzutreffend, da schon keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke besteht. Die Darm- und Blasenentleerung in Form des hygienischen Vorgangs ist eine für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit relevante Verrichtung der Körperpflege (§ 14 Abs 4 Nr 1 SGB XI),so dass der Hilfebedarf für die Wege zur bzw von der Toilette im Rahmen der Mobilität über die Verrichtung des Gehens vollständig erfasst wird.

14

bb) Ebenfalls zutreffend hat das LSG bezüglich des zeitlichen Umfangs der Hilfe beim Gehen auf das individuelle Gehvermögen der Klägerin abgestellt und dabei für eine einfache Wegstrecke pauschal acht Meter zugrunde gelegt.

15

(1) Ausgangspunkt für die Ermittlung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen ist auch bei stationärer Pflege die Dauer, die eine - nicht als Pflegekraft ausgebildete, also nicht professionelle - durchschnittliche Pflegeperson iS von § 19 SGB XI für die Hilfe angesichts des individuellen Gehvermögens des Pflegebedürftigen benötigt(§ 15 Abs 3 Satz 1 SGB XI). Entscheidend ist der individuelle, sachlich begründete Bedarf aus Sicht des zu Pflegenden (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 9 S 61), wobei sich das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit nicht pauschal nach Krankheitsbildern oder Funktionsstörungen, sondern danach richtet, welcher Zeitaufwand in Bezug auf den individuellen Pflegebedarf konkret erforderlich ist (Udsching, SGB XI, 3. Aufl 2010, § 15 RdNr 4). Dementsprechend ist in dem vom SG eingeholten Sachverständigengutachten vom 2.4.2007 (aaO, S 21) zutreffend auf die individuelle Bewegungsfähigkeit der Klägerin abgestellt und festgestellt worden, dass ein Zeitaufwand von jeweils einer Minute zu hoch und nur eine geringere Zeit pro Wegstrecke angemessen ist.

16

(2) Die Ermittlung des maßgeblichen Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen hängt jedoch nicht nur vom individuellen Gehvermögen des Pflegebedürftigen ab, sondern auch von den örtlich-räumlichen Verhältnissen. Hierfür und somit für die Länge der zurückzulegenden Wege stellt der Gesetzgeber grundsätzlich auf die Pflege in häuslicher Umgebung ab (§§ 3, 19 Satz 1 SGB XI); maßgeblich sind also die in einer Wohnung üblicherweise zurückzulegenden Wegstrecken. Dies entspricht dem vom Gesetzgeber gewollten Vorrang der häuslichen vor der stationären Pflege und stellt einen wesentlichen Grundsatz der sozialen Pflegeversicherung dar (BT-Drucks 12/5262, S 89 f). Mit dem Abstellen auf die individuellen Wohngegebenheiten bei der Bemessung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen wird dieses Grundprinzip bestätigt; eine rein pauschalierte Betrachtungsweise würde dem widersprechen. Bei der vollstationären Pflege sind solch individualisierte Feststellungen indes nicht möglich, weil es eine "Pflege in häuslicher Umgebung" und damit auch den in § 3 Satz 1 SGB XI normierten Vorrang gerade nicht mehr gibt. Trotz Fehlens von "häuslich"-geprägten Rahmenbedingungen hat der Gesetzgeber gleichwohl auch für die Leistungen bei vollstationärer Pflege eine Feststellung der Pflegestufen nach Maßgabe der §§ 15 ff SGB XI angeordnet, ohne hierfür eine eigenständige und auf die stationäre Pflege zugeschnittene Regelung zu schaffen. Der Senat teilt deshalb den rechtlichen Ausgangspunkt des LSG, dass der Zeitaufwand für die Hilfe beim Gehen bei dauerhaft vollstationärer Pflege mangels anderer Anhaltspunkte auf der Grundlage pauschalierter Wegstrecken im Heim festgestellt werden kann.

17

(3) Der Senat sieht die vom LSG zugrunde gelegte Strecke von acht Metern pro Weg im vorliegenden Fall als sachgerecht an; Bedenken hiergegen sind von der Klägerin selbst nicht vorgebracht worden. Ausgangspunkt des LSG für den hier streitgegenständlichen Zeitraum sind die "Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch Sozialgesetzbuch" (BRi - vom 21.3.1997 idF des Beschlusses vom 11.5.2006, abgedruckt etwa bei Aichberger-Engelmann, Ergänzungsband "Gesetzliche Krankenversicherung, Soziale Pflegeversicherung", GlNr 1610). Diese nach §§ 17, 53a SGB XI erlassenen BRi erläutern die Begutachtungskriterien und das Begutachtungsverfahren und sollen bundesweit einheitliche Maßstäbe für die Pflege-Begutachtung sichern. Für die Festlegung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen sehen sie als Maß sowohl für die durchschnittliche häusliche Wohnsituation als auch bei dauerhaft stationärer Unterbringung eine einfache Wegstrecke von acht Metern vor (BRi Teil C Ziff 2.4, Teil D Ziff 4.3 Nr 12; abgedruckt bei Aichberger-Engelmann, aaO, S 11, 50). Diese für den MDK gemäß § 53a Satz 3 SGB XI verbindlichen Richtlinien sind allerdings für das gerichtliche Verfahren nicht bindend. Denn die §§ 17, 53a SGB XI enthalten keine normative Ermächtigung der Spitzenverbände, Voraussetzungen und Ausmaß der Pflegebedürftigkeit mit Wirkung für außerhalb der Verwaltung stehende Personen oder die Gerichte festzulegen(BSG SozR 3-3300 § 15 Nr 1 S 5; Udsching, aaO, § 17 RdNr 4; ders in: Festschrift Krasney, München 1997, S 677, 683 f; Wagner, aaO, K § 17 RdNr 5). Sie stellen nur sog Verwaltungs-Binnenrecht dar und werden von den Gerichten auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung und den Gesetzen sowie auf ihre sachliche Vertretbarkeit überprüft (ähnlich vgl etwa BSG SozR 3-3300 § 15 Nr 1 S 5; BSG SozR 3-3300 § 15 Nr 5 S 16; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 10 S 77 mwN; zur Kasuistik zusammenfassend Udsching, aaO, § 17 RdNr 6). Nicht zu entscheiden war hier indes, ob bei der Festlegung des Zeitaufwandes für die Hilfe beim Gehen in der durchschnittlichen häuslichen Wohnsituation trotz des Individualisierungsgebots (vgl oben unter 3. a bb <2>) entsprechend den BRi regelmäßig eine einfache Wegstrecke von acht Metern zugrunde gelegt werden darf, denn die Klägerin ist stationär untergebracht. Der Senat kann aber auch offenlassen, ob und inwieweit der MDK bei seiner Begutachtung im stationären Bereich grundsätzlich eine Wegstrecke von acht Metern berücksichtigen darf bzw welche Gehstrecke ansonsten angemessen wäre. Denn im vorliegenden Fall sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der sachverständig zugrunde gelegte Wert nicht mit den Gegebenheiten im Seniorenzentrum der Klägerin übereinstimmt - dies hat die Klägerin auch selbst nicht behauptet.

18

cc) Zu Recht hat das LSG den tatsächlichen Hilfebedarf von jeweils einer halben Minute nicht auf eine volle Minute pro zu berücksichtigendem Weg aufgerundet. Eine Rundungsvorschrift, wonach der tatsächlich bestehende Pflegebedarf - in welcher Weise auch immer - auf- oder abzurunden wäre, enthält das SGB XI nicht. Ein Anspruch auf Rundung aus Gründen der Gleichbehandlung ergibt sich auch nicht aus Art 3 GG iVm den nach §§ 17, 53a SGB XI erlassenen BRi.

19

(1) Die BRi verlangen bereits dem Wortlaut nach keine Rundung auf volle Minuten für jeden abgrenzbaren Einzelvorgang, der im Rahmen der Verrichtungen möglicherweise mehrmals täglich anfällt. Die BRi sehen in Teil F - Orientierungswerte zur Pflegezeitbemessung - zwar vor, dass der Hilfebedarf "für jede Verrichtung der Grundpflege stets in vollen Minutenwerten anzugeben" ist (abgedruckt bei Aichberger-Engelmann, aaO, S 79). Diese Formulierung ist aber so zu verstehen, dass für jede der in § 14 Abs 4 SGB XI genannten Verrichtungen in der jeweiligen Summe und bezogen auf den Tagesdurchschnitt volle Minutenwerte anzugeben sind. Wenn die BRi von "Verrichtung" sprechen, beziehen sie sich lediglich auf die in § 14 Abs 4 SGB XI aufgelisteten Handlungsbereiche und nicht auf jeden Einzelvorgang, der innerhalb dieses Handlungsbereichs möglicherweise mehrmals täglich anfällt. Sprachlich unterscheiden die BRi nämlich konsequent zwischen der Verrichtung und den innerhalb der jeweiligen Verrichtung erforderlichen Handlungen. Wenn es um Einzelvorgänge geht, die einer bestimmten Verrichtung zuzuordnen sind, sprechen die BRi nicht von Verrichtung, sondern zB von einzelnen "Transferleistungen" die "nur Sekunden in Anspruch" nehmen (BRi Teil D Ziff 4.0/III./9.; abgedruckt bei Aichberger-Engelmann, aaO, S 42). Dass sich die Rundungsvorschrift nur auf die pro Tag durchschnittlich erforderliche Hilfe bezieht, legt auch die sich der Rundungsvorgabe unmittelbar anschließende Regelung zur Berechnung der nicht täglich erfolgenden Verrichtungen nahe: Auch hier wird eine auf den Tag bezogene Umrechnung des wöchentlichen Zeitaufwandes vorgesehen. Bei nicht täglich anfallenden Pflegeleistungen wie etwa dem Baden wäre es wenig zielführend, wenn zunächst die Hilfeleistung pro Einzelvorgang auf volle Minuten gerundet würde. Denn bei der danach erforderlichen Umrechnung des Zeitbedarfes auf einen Tag (Hilfeleistung pro Woche geteilt durch sieben; vgl zur Berechnung der nicht täglich anfallenden Verrichtungen: BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 10 S 75) - auf diesen kommt es für die Zuordnung im Rahmen von § 15 Abs 3 SGB XI an - würde in den meisten Fällen ein rechnerisches Ergebnis produziert, welches keine vollen Minuten ergäbe - gerade das will die Rundungsvorschrift aber vermeiden.

20

(2) Etwas anderes ergibt sich - anders als die Klägerin meint - auch nicht daraus, dass in den BRi betreffend der Hilfe zum Stehen/Transfer und der Hilfe zum Gehen festgelegt wird, dass jeder Transfer/jeder Weg "einzeln zu berücksichtigen" ist (BRi Teil F Ziff 4.3/Teil D Ziff 4.3 abgedruckt bei Aichberger-Engelmann, aaO, S 50 und 83) . Die Häufigkeitsangabe der einzelnen Hilfeleistungen im Gutachten ist notwendig, da der Gesetzgeber in § 15 Abs 1 S 1 SGB XI die Pflegestufen auch von der Häufigkeit der Hilfeleistungen abhängig macht. Allein in diesem Sinne sind die in den BRi enthaltenen Maßgaben zur "Zählweise" zu lesen; dies hat keine Relevanz für die Dauer der Hilfeleistung und steht daher auch nicht in Zusammenhang mit etwaigen Rundungsschritten. Eine Rundung bereits bei jeder Einzeltätigkeit und die damit gegebenenfalls einhergehende erhebliche Ungenauigkeit wäre zudem nicht mit der gesetzlichen Vorgabe vereinbar, den Pflegebedarf angesichts der individuellen Situation des zu Pflegenden - einzelfallbezogen - so genau wie möglich festzustellen (hierzu: BSG SozR 4-3300 § 15 Nr 1 RdNr 13). Das Anliegen einer möglichst großen Praktikabilität - und nur damit lässt sich eine Rundung der festzustellenden Hilfeleistung rechtfertigen - kann nicht dazu führen, Abweichungen von den gesetzlichen Vorgaben in Kauf zu nehmen (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 10 S 78). Zwar beruhen die von medizinischen Sachverständigen festzustellenden Zeitwerte regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (BSGE 95, 57 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6 RdNr 25 ff). Mit dem Individualisierungsgebot des SGB XI wäre es aber nicht vereinbar, solche Unschärfen sehenden Auges in verstärktem Maße durch Rundungsschritte bereits bei jeder einzelnen Hilfeleistung zu produzieren. Derartig gesteigerte Unschärfen würden sich im Übrigen nicht zwangsläufig zugunsten der Versicherten auswirken; die BRi sprechen keineswegs zwingend von einer Aufrundung, sondern erlauben mit der Formulierung "in vollen Minuten" durchaus auch, eine Abrundung vorzunehmen.

21

(3) Die zwischenzeitlich mit Beschluss vom 8.6.2009 neu gefassten BRi (abgedruckt bei Udsching, aaO, Anhang 4, S 553) sind daher lediglich als Klarstellung zu verstehen, wenn dort nunmehr in den Orientierungswerten (Teil F, aaO, S 601) bestimmt ist: "Der Zeitaufwand für die jeweilige Verrichtung der Grundpflege ist pro Tag, gerundet auf volle Minuten anzugeben. Dabei erfolgt die Rundung nur im Zusammenhang mit der Ermittlung des Gesamtzeitaufwands pro Tag und nicht für jede Hilfeleistung, deren Zeitaufwand weniger als eine Minute beträgt.“ Dies galt auch schon im hier streitigen Zeitraum unter Geltung der früheren BRi idF vom 11.5.2006; eine inhaltliche Änderung betreffend die Rundungsregel ist mit den seit 2009 gültigen BRi nicht verbunden.

22

b) Einer Entscheidung des Senats zu der Frage, ob dem Grundpflegebedarf im Bereich Mobilität eine weitere Minute für die Hilfe beim Aufstehen bzw Zubettgehen hinzuzufügen ist, wie es das SG angenommen hat, bedurfte es nicht. Durch Hinzufügen einer weiteren Minute würde sich der Hilfebedarf der Klägerin nicht dergestalt erhöhen, dass allein dadurch ein Grundpflegebedarf von zumindest 120 Minuten festzustellen wäre.

23

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

                          

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.