Landgericht Stuttgart Beschluss, 10. Juli 2006 - 10 T 126/06

bei uns veröffentlicht am10.07.2006

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG Nürtingen vom 30.03.2006, Az. 12 H 38/04, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

3. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Beschwerdewert: 1 000 EUR

Gründe

 
I.
Die Antragsteller beantragten mit Schriftsatz vom 29.12.2004 beim Amtsgericht Nürtingen die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens. Das Gericht beauftragte hierzu den Sachverständigen Dipl.-Ing. K. D.. Mit Schriftsatz vom 07.04.2005 (Bl. 26 ff. der Akten) lehnte der Antragsgegnervertreter den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Mit Beschluss vom 22.04.2005 wies das Amtsgericht diesen Antrag zurück (Bl. 45 ff. der Akten), was vom Landgericht in der Beschwerdeinstanz mit Beschluss vom 22.07.2005 bestätigt wurde (Bl. 67 ff. der Akten). Mit Schriftsatz vom 31.10.2005 lehnte der Antragsgegnervertreter den Sachverständigen erneut wegen Besorgnis des Befangenheit ab (Bl. 115 der Akten). Auch diesen Antrag wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 15.11.2005 zurück (Bl. 118 ff. der Akten). Mit Schriftsatz vom 21.03.2006 verkündete der Antragsgegnervertreter dem vom Gericht beauftragten Sachverständigen den Streit (Bl. 183 f. der Akten), weil sich herausgestellt habe, dass das Gutachten des Sachverständigen an erheblichen Mängeln leide. Aufgrund seiner Fachkunde sei der Sachverständige nicht in der Lage, entsprechende Gutachten zu den einzelnen Themen zu erstatten. Insoweit werde auf § 839a BGB verwiesen. Dem Sachverständigen sei mindestens grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
Das Amtsgericht wies mit Beschluss vom 30.03.2006 die Streitverkündung des Antragsgegnervertreters als unzulässig zurück und stellte die Streitverkündungsschrift nicht zu (Bl. 185 ff. der Akten). Die Streitverkündung sei rechtsmissbräuchlich erfolgt, weil die Antragsgegner mit ihr nur das Ziel verfolgten, den Sachverständigen aus dem Verfahren zu entfernen, was sich bereits an den erfolglosen Befangenheitsanträgen zeige. Weiterhin könne der Sachverständige dem Streit nicht ohne weiteres beitreten; andernfalls riskiere er seine Ablehnung gemäß §§ 406, 41 ff. ZPO. Trete er wiederum nicht bei, so verliere er sein Recht auf rechtliches Gehör. Die Fürsorgepflicht gegenüber dem Sachverständigen gebiete die Klarstellung, dass eine Streitverkündung deshalb unzulässig sei. Im Übrigen sei der Sachverständige nicht Dritter im Sinne von § 72 ZPO, sondern Helfer des Gerichts.
Gegen diesen am 05.04.2006 zugestellten Beschluss legte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 06.04.2006 „Rechtsmittel“ ein (Bl. 189 f. der Akten). Das Amtsgericht half dem Begehren der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 06.04.2006 nicht ab und legte die Akten dem Landgericht vor (Bl. 193 f. der Akten).
Mit Beschluss vom 25.04.2006 übertrug die Einzelrichterin das Verfahren auf die Kammer. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den schriftsätzlichen Inhalt der Akte verwiesen.
II.
Das Begehren des Antragsgegnervertreters ist als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürtingen vom 30.03.2006 auszulegen. Diese ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig und insbesondere fristgemäß eingelegt. Mit seinem Beschluss vom 30.03.2006 wies das Amtsgericht die Streitverkündung der Antragsgegnerin als unzulässig zurück und verweigerte damit die Zustellung der Streitverkündungsschrift. Diese Ablehnung der von Amts wegen vorzunehmenden Zustellung steht der Zurückweisung eines Verfahrensgesuchs gleich (so OLG Celle, Beschluss vom 24.08.2005, BauR 2006, 140 ff., 141 mwN).
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat aber in der Sache keinen Erfolg. Denn das Amtsgericht war nach Ansicht der Kammer dazu berechtigt, die Zustellung der Streitverkündung zu verweigern.
In Rechtsprechung und Literatur herrscht bislang Uneinigkeit darüber, ob die Zustellung einer Streitverkündungsschrift an einen Sachverständigen vom Gericht abgelehnt werden darf oder nicht. Teilweise wird vertreten, dass die Zulässigkeit der Streitverkündung erst vom Folgegericht geprüft werden dürfe; das Gericht der Hauptsache fungiere lediglich als Zustellungsgehilfe und müsse von Amts wegen die Zustellung dieses bestimmenden Schriftsatzes gemäß §§ 73 Satz 2, 166 Abs. 2 ZPO ohne weitere Prüfung einer Zulässigkeit der Streitverkündung veranlassen (so OLG Celle, Beschluss vom 24. 08.2005, BauR 2006, 140 ff.; zustimmend Ulrich, BauR 2006, S. 724, 726 f.).  Die Gegenauffassung hält jedenfalls dann die Verweigerung des Hauptsachegerichts, die Streitverkündungsschrift zuzustellen, für berechtigt, wenn ausnahmsweise ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Antragstellers auf der Hand liege (in dieser Weise einschränkend  OLG Celle, Beschluss vom 14.11.2005, BauR 2006, 722 ff.). Vertreten wird aber auch die Auffassung, dass eine Streitverkündung an den vom Gericht beauftragten Sachverständigen generell unzulässig sei, als rechtsmissbräuchlich angesehen werden müsse und deshalb die Streitverkündungsschrift nicht zuzustellen sei. Ihre Zustellung ist hiernach sogar rechtswidrig (so OLG Stuttgart, Beschluss v. 22.03.2006, Az. 6 W 7/06, IBR 2006, 305; OLG Koblenz, Beschluss vom 28.09.2005, BauR 2006, 144 ff.; in der Sache ebenso OLG München, Beschluss vom 29.07.2005, IBR 2006, 239; eine Streitverkündung ebenfalls ablehnend OLG Bamberg, Beschluss vom 09.01.2006, Az. 4 U 186/05, IBR 2006, 306; zustimmend Kamphausen, BauR 2006, S. 142 ff.; ders. IBR-Online 2006, 121 - Anmerkung; ders. IBR 2006, 239 - Anmerkung; mit ausführlicher dogmatischer Begründung Böckermann, MDR 2002, 1348 ff., 1351).
Im vorliegenden Fall erfolgte die Streitverkündung nach Ansicht der Kammer rechtsmissbräuchlich. Denn nach dem bisherigen Verfahrensverlauf hatte der Antragsgegnervertreter bislang zweimal vergeblich versucht, den Sachverständigen durch Befangenheitsanträge vom Verfahren auszuschließen. Als sich die Fortsetzung des Verfahrens mit demselben Sachverständigen abzeichnete, erklärte der Antragsgegnervertreter die Streitverkündung an den Sachverständigen. Zu diesem Zeitpunkt war das Verfahren nicht abgeschlossen; ganz im Gegenteil sollten weitere Ausführungen des Sachverständigen folgen. Nach Ansicht der Kammer zeigt sich an dem bisherigen Verfahrensverlauf, dass der Antragsgegnervertreter mit seiner Streitverkündung kein sachliches Ziel verfolgte. Er wollte vielmehr - gleichsam über die Hintertür der Streitverkündung - seinen bislang erfolglosen Versuchen, den Sachverständigen vom Verfahren auszuschließen, endlich zum Erfolg verhelfen. Schon aufgrund dieser besonderen Umstände war das Amtsgericht nicht dazu verpflichtet, die Streitverkündungsschrift zustellen zu lassen, sondern durfte die Zustellung wegen Rechtsmissbrauchs verweigern.
Die Kammer ist weiterhin - unabhängig von der im vorliegenden Verfahren gewonnenen Überzeugung konkret rechtsmissbräuchlichen Verhaltens - der Ansicht, dass eine Streitverkündungsschrift an einen Sachverständigen auch generell nicht zuzustellen ist, weil eine solche Zustellung rechtswidrig wäre. Denn  eine Streitverkündung gegenüber einem gerichtlich bestellten Sachverständigen ist ebenso wie eine Streitverkündung gegenüber einem erkennenden Richter nach Ansicht der Kammer unzulässig und widerspricht den elementaren Grundsätzen der Zivilprozessordnung („Systemwiderspruch“ nach OLG Stuttgart, a.a.O.).  Mit der Streitverkündung benachrichtigt eine verfahrensbeteiligte Partei einen „Dritten“ vom Schweben des Prozesses, um auf diese Weise ihre Position gegenüber dem „Dritten“ zu verbessern, als nunmehr die gesetzlichen Vorschriften über die Nebeninterventionswirkung eingreifen. Als Ausgleich hierfür wird dem „Dritten“ die Möglichkeit eröffnet, sich an dem schwebenden Prozeß aktiv zu beteiligen, um darauf in seinem Sinne und damit parteilich Einfluß zu nehmen (zum Ganzen Stein/Jonas/Bork, 22. Auflage 2004, § 72 Rn. 1). Eine solche Position eines „Dritten“ wird aber weder der erkennende Richter noch ein Sachverständige einnehmen können. Denn dieser einseitigen Interessenvertretung widerspricht die zwingend auf Unparteilichkeit angelegte Funktion des erkennenden Richters ebenso wie des Sachverständigen. Mag zwar letzterer nach der Zivilprozessordnung als „Beweismittel“ vorgesehen sein. Mit ihm hilft sich das Gericht aber seinerseits über die fehlende eigene Sachkunde hinweg und er wird - trotz Beweismittel - zugleich „Gehilfe des Gerichts“ (dazu Damrau, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Auflage 2000, § 402 Rn. 2). Seine Unparteilichkeit leitet sich damit aus seiner Stellung im Rahmen des Prozesses ab und wird durch § 406 ZPO, der die Ablehnung des Sachverständigen bei Zweifeln an dieser Unabhängigkeit vorsieht, ausdrücklich manifestiert. Mit dieser Vorgabe unvereinbar ist demgegenüber die Interessenvertretung im Rahmen der Streitverkündung, die aber im Sinne einer Waffengleichheit gegenüber der einseitig, durch bloße Zustellung der Streitverkündungsschrift hergestellten Nebeninterventionswirkung, notwendig ist.  Der Sachverständige ist deshalb nicht „Dritter“ im Sinne von § 72 ZPO. Dieser offensichtliche und elementare Widerspruch führt aber, auch zur Sicherung des weiteren Verfahrensablaufs, dazu, dass eine Zustellung der Streitverkündungsschrift ausnahmsweise rechtswidrig wäre (zur weiteren dogmatischen Begründung ausführlich Böckermann, a.a.O.) und wurde deshalb vom Amtsgericht zu Recht verweigert wurde.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Rechtsbeschwerde wurde gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 iVm. Abs. 2 ZPO zugelassen, weil der diesem Verfahren zugrundeliegenden Rechtsfrage, nämlich Streitverkündung an einen gerichtlich bestellten Sachverständigen sowie Verweigerung der Zustellung der Streitverkündungsschrift durch das Prozessgericht nicht nur grundsätzliche Bedeutung nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zukommt, sondern hierzu auch eine bislang uneinheitliche Entscheidungspraxis innerhalb der Oberlandesgerichte festzustellen ist, die nach Ansicht der Kammer einer Klärung durch eine diese Rechtsfrage behandelnde Entscheidung des Bundesgerichtshofs bedarf, § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 567 Sofortige Beschwerde; Anschlussbeschwerde


(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde E

Zivilprozessordnung - ZPO | § 406 Ablehnung eines Sachverständigen


(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist. (2) Der A

Zivilprozessordnung - ZPO | § 72 Zulässigkeit der Streitverkündung


(1) Eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, kann bis zur rechtskräftige

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 839a Haftung des gerichtlichen Sachverständigen


(1) Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 73 Form der Streitverkündung


Zum Zwecke der Streitverkündung hat die Partei einen Schriftsatz einzureichen, in dem der Grund der Streitverkündung und die Lage des Rechtsstreits anzugeben ist. Der Schriftsatz ist dem Dritten zuzustellen und dem Gegner des Streitverkünders in Absc

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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 22. März 2006 - 6 W 7/06

bei uns veröffentlicht am 22.03.2006

Tenor 1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 4. Januar 2006 - 23 O 264/05 - wird zurückgewiesen .

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(1) Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.

(2) § 839 Abs. 3 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits dem Dritten gerichtlich den Streit verkünden.

(2) Das Gericht und ein vom Gericht ernannter Sachverständiger sind nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift. § 73 Satz 2 ist nicht anzuwenden.

(3) Der Dritte ist zu einer weiteren Streitverkündung berechtigt.

(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.

(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Zum Zwecke der Streitverkündung hat die Partei einen Schriftsatz einzureichen, in dem der Grund der Streitverkündung und die Lage des Rechtsstreits anzugeben ist. Der Schriftsatz ist dem Dritten zuzustellen und dem Gegner des Streitverkünders in Abschrift mitzuteilen. Die Streitverkündung wird erst mit der Zustellung an den Dritten wirksam.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 4. Januar 2006 - 23 O 264/05 - wird

zurückgewiesen .

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Wert des Beschwerdeverfahrens: bis 16.000,- EUR

Gründe

 
I.
Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts, mit dem die Zustellung der Streitverkündungsschrift an den Sachverständigen, Dipl. Ing. ..., abgelehnt wurde, ist fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
1.
Die Streitverkündung an den gerichtlichen Sachverständigen des laufenden Prozesses ist unzulässig, weil der Sachverständige nicht Dritter im Sinne von § 72 ZPO ist (Zöller/Vollkommer, 25. Aufl. § 72 ZPO Rn 1; Stein/Jonas/Bork, 22. Aufl. § 72 ZPO Rn 3; Musielak/Weth, 4. Aufl. § 72 ZPO Rn 6a).
Tauglicher Streitverkündungsempfänger und damit Dritter im Sinne von § 72 ZPO kann nur derjenige sein, der gemäß §§ 66, 67 ZPO als Streitgehilfe einer Prozesspartei auftreten kann (Stein/Jonas/Bork, a.a.O.).
Der vom Gericht bestellte Sachverständige kann nicht als Streithelfer auftreten, weil dies mit dem System des Zivilprozesses nicht vereinbar ist: Der Sachverständige ist Helfer des Gerichts und damit - wie der Richter selbst - notwendiger Verfahrensbeteiligter. Aufgrund dieser Funktion und der mit ihr verknüpften Verpflichtung zur Unparteilichkeit darf er naturgemäß kein rechtliches Interesse daran haben, dass eine der Prozessparteien obsiegt.
2.
Bei unzulässiger Streitverkündung gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen ist schon die Zustellung der Streitverkündungsschrift unzulässig (vgl. OLG Koblenz, BauR 2006, 144, das zu dem Ergebnis kommt, dass die Zustellung rechtswidrig ist), weil sie in jedem Fall zu einer untragbaren prozessualen Situation führen würde:
Tritt der Sachverständige dem Rechtsstreit auf Seiten einer Partei bei, so ist er entweder in entsprechender Anwendung von § 41 Nr. 1 ZPO von Gesetzes wegen von der Ausübung der Gutachtertätigkeit ausgeschlossen (vgl. OLG Frankfurt am Main 1 U 78/01 v. 15.7.2004, zitiert nach Volze in IBR 2005, 124), jedenfalls aber auf den Ablehnungsantrag der anderen Partei gemäß §§ 406 Abs. 1, 41 Nr. 1 ZPO oder gemäß §§ 406 Abs. 1, 42 ZPO, wegen Besorgnis der Befangenheit, vom Prozess auszuschließen; bei einem Ausschluss des Sachverständigen besteht die Gefahr, dass sein Honoraranspruch in Frage gestellt wird. Tritt er nicht bei, muss er unter dem "Damoklesschwert" der Streitverkündungswirkung, §§ 68, 74 ZPO, weiter arbeiten. Beides steht in unlösbarem Widerspruch zur prozessualen Stellung des Sachverständigen als neutralem Entscheidungshelfer des Gerichts.
3.
Über die Zulässigkeit der Zustellung der Streitverkündungsschrift ist schon im laufenden Rechtsstreit und nicht erst im Regressprozess zu entscheiden.
Zwar ist nach allgemeiner Meinung aus § 74 Abs. 2 ZPO abzuleiten, dass Zulässigkeit und Begründetheit der Streitverkündung in der Regel erst vom Gericht des Folgeprozesses zu prüfen sind (Zöller/Vollkommer, 25. Aufl. § 72 ZPO Rn 1, § 73 ZPO Rn 1, § 74 ZPO Rn 5). Weil die den gerichtlichen Sachverständigen sowie den Prozess unzumutbar belastenden Auswirkungen der Streitverkündung bereits mit Zustellung der Streitverkündungsschrift im laufenden Prozess eintreten, ist es jedoch unerlässlich, von der Regel abzuweichen und über Zulässigkeit der Streitverkündung und Zustellung der Streitverkündungsschrift schon im laufenden Prozess zu entscheiden.
II.
Die Beklagte als Beschwerdeführerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
10 
Die Festsetzung des Gegenstandswertes der Beschwerde beruht auf § 3 ZPO. Für den Fall des Unterliegens im vorliegenden Rechtsstreit zieht die Beklagte einen Regressprozess gegen den Sachverständigen in Erwägung, dessen Erfolg sie durch die Streitverkündung absichern will. Das wirtschaftliche Interesse der Beklagten an der Streitverkündung ist deshalb am Streitwert des laufenden Prozesses zu orientieren.

(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.

(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.

(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits dem Dritten gerichtlich den Streit verkünden.

(2) Das Gericht und ein vom Gericht ernannter Sachverständiger sind nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift. § 73 Satz 2 ist nicht anzuwenden.

(3) Der Dritte ist zu einer weiteren Streitverkündung berechtigt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.