Landgericht Schwerin Beschluss, 23. März 2015 - 4 T 11/14

23.03.2015

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) wird der Beschluss des Notars       vom 14.11.2014 aufgehoben und der Notar angewiesen, den Antrag vom 27.10.2014      der Beschwerdeführerin zu 1) auf Auszahlung der hinterlegten Summe abzuweisen.

2. Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) wird zurückgewiesen.

3. Gerichtskosten für die Notarbeschwerde fallen nicht an, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

4. Der Beschwerdewert wird auf 600.000,00 € festgesetzt.

5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen (§§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNotO, 70 Abs. 1 FamFG).

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin zu 2) ist durch Vorbehaltsurteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 12.09.2013 (Az. 10 HK O 5/13) verurteilt worden, an den Kläger und hiesigen Beschwerdeführer zu 1) 500.000,00 € nebst Zinsen zu zahlen, wobei der Beschwerdeführerin zu 2), der Beklagten, gemäß §§ 708 Nr. 4, 711 ZPO nachgelassen worden ist, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden. Unter dem 11.11.2013 haben die Parteien eine Hinterlegungsvereinbarung getroffen, wonach die Beklagte, die Beschwerdeführerin zu 2, bei dem Notar einen Betrag von 600.000,00 € auf Anderkonto hinterlegt. Die Beteiligten wiesen den Notar übereinstimmend und unwiderruflich an, das Geld an die Beklagte auszuzahlen, wenn das Urteil „rechtskräftig wird“ oder „rechtskräftig aufgehoben wird“. Im Falle einer rechtskräftigen Abänderung des Urteils sollte die Auszahlung in Höhe des tenorierten Anspruches bzw. bei Beendigung durch bestandskräftigen Vergleich in Höhe des vereinbarten Anspruches erfolgen. Sollten die Auszahlungsvoraussetzungen nicht bis spätestens zum 31.12.2016 eintreten, sollte der Hinterlegungsbetrag an die Beklagte zurückgezahlt werden.

2

Inzwischen ist das Vorbehaltsurteil formell rechtskräftig (Urteil des OLG Rostock vom 16.7.2014, 1 U 126/13). Die Beschwerdeführerin zu 2) hat daraufhin die Auszahlung des hinterlegten Betrages an sich verlangt. Auf den Einwand des Beschwerdeführers zu 1) hat der Notar einen Feststellungsbeschluss vom 14.11.2014 erlassen, wonach er feststellt, dass die Voraussetzungen zur Auszahlung des Hinterlegungsbetrages erfüllt sind, weil das Rechtsmittelverfahren bezüglich des Vorbehaltsurteils endgültig abgeschlossen ist. Das Nachverfahren vor dem Landgericht Neubrandenburg ist gemäß Beschluss vom 9.10.2013 ausgesetzt worden bis zur Erledigung des Parallelrechtsstreites Landgericht Schwerin 5 0 74/12.

3

Der Beschwerdeführer zu 1) erhebt Beschwerde gegen den Beschluss des Notars, soweit die Wirksamkeit des Beschlusses bis zu dessen Rechtskraft ausgesetzt worden ist. Die Beschwerdeführerin zu 2) wendet sich gegen den Beschluss, weil sie der Ansicht ist, die Auszahlung könne nach der Hinterlegungsvereinbarung erst erfolgen, wenn das Nachverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei.

II.

4

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) ist begründet, die des Beschwerdeführers zu 1) ist unbegründet.

5

Die dem Gericht vorliegende Hinterlegungsvereinbarung vom 11.11.2013 kann nur dahingehend ausgelegt werden, dass eine Auszahlung erst erfolgen kann, wenn das Nachverfahren gemäß     § 600 ZPO rechtskräftig abgeschlossen ist. Im Einzelnen gilt Folgendes:

6

Zwar ist das Vorbehaltsurteil inzwischen formell rechtskräftig. Ist im Vorbehaltsurteil dem Beklagten gestattet worden, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, dann entfällt diese Befugnis, sobald das Vorbehaltsurteil rechtskräftig geworden ist, mag auch das Nachverfahren noch anhängig sein (vgl. BGHZ, 69, 270). Denn das Nachverfahren ist kein Rechtsmittel, so dass das Vorbehaltsurteil nach § 704 Abs. 1 ZPO mit Eintritt der äußeren Rechtskraft endgültig vollstreckbar ist.

7

Diese Situation kann aber sinnvollerweise mit der Hinterlegungsvereinbarung nicht gemeint sein. Denn bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Hinterlegungsvereinbarung im November 2013 war bereits Rechtsmittel gegen das Vorbehaltsurteil vom September 2013 eingelegt worden, so dass die Parteien davon ausgingen, das Verfahren würde sich durch Rechtsmittel noch weiter in die Länge ziehen. Es ging also nicht lediglich darum, eine Vollstreckung im Ausland, am Wohnsitz der Beklagten in Österreich, zu vermeiden.

8

Vielmehr ist davon auszugehen, dass mit Rechtskraft des Urteils gemäß der Hinterlegungsvereinbarung materielle Rechtskraft gemeint ist. Materiell rechtskräftig wird ein Vorbehaltsurteil erst durch Bestätigung im Nachverfahren (RGZ, 47,190). Die Vollstreckbarkeit eines formell rechtskräftigen Vorbehaltsurteils endet, sobald im Nachverfahren ein abänderndes Urteil ergeht (vgl. Zöller, ZPO, 30. Auflage, § 599 Rdnr. 18). Denn die Parteien haben nicht nur den Fall der Aufhebung oder Bestätigung des (Vorbehalts-)Urteils geregelt, sondern auch die Beendigung durch bestandskräftigen Vergleich. Dieser kann aber nur dann sinnvoll abgeschlossen werden, wenn das materielle Rechtsverhältnis damit endgültig geklärt ist. Das ist aber nur dann der Fall, wenn die Parteien auch ein eventuelles Nachverfahren beenden, sofern es durchgeführt worden ist.

9

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Hinterlegungsvereinbarung spätestens zum 31.12.2016 aufgehoben werden sollte, woraus ebenfalls zu ersehen ist, dass die Parteien mit einer Regelung erst im Nachverfahren gerechnet haben.

10

Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) ist zurückzuweisen. Das Gericht hat den Beschluss des Notars aufgehoben, so dass dieser nicht rechtskräftig geworden ist.

11

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Gerichtskosten auf § 25 Abs. 1 GNotKG). Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat grundsätzlich jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten allein zu tragen (§ 81 FamFG).

12

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 3 ZPO, wobei das Gericht von dem geltend gemachten Auszahlungsanspruch in Höhe von 600.000,00 € ausgegangen ist.

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG | § 25 Kostenschuldner im Rechtsmittelverfahren, Gehörsrüge


(1) Die nach § 22 Absatz 1 begründete Haftung für die Kosten eines Rechtsmittelverfahrens erlischt, wenn das Rechtsmittel ganz oder teilweise mit Erfolg eingelegt worden ist und das Gericht nicht über die Kosten entschieden hat oder die Kosten nicht

Zivilprozessordnung - ZPO | § 704 Vollstreckbare Endurteile


Die Zwangsvollstreckung findet statt aus Endurteilen, die rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind.

Bundesnotarordnung - BNotO | § 15 Verweigerung der Amtstätigkeit


(1) Der Notar darf seine Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern. Zu einer Beurkundung in einer anderen als der deutschen Sprache ist er nicht verpflichtet. (2) Gegen die Verweigerung der Urkunds- oder sonstigen Tätigkeit des N

Zivilprozessordnung - ZPO | § 600 Nachverfahren


(1) Wird dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte vorbehalten, so bleibt der Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren anhängig. (2) Soweit sich in diesem Verfahren ergibt, dass der Anspruch des Klägers unbegründet war, gelten die Vorschriften des

Referenzen

(1) Der Notar darf seine Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern. Zu einer Beurkundung in einer anderen als der deutschen Sprache ist er nicht verpflichtet.

(2) Gegen die Verweigerung der Urkunds- oder sonstigen Tätigkeit des Notars findet die Beschwerde statt. Beschwerdegericht ist eine Zivilkammer des Landgerichts, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Wird dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte vorbehalten, so bleibt der Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren anhängig.

(2) Soweit sich in diesem Verfahren ergibt, dass der Anspruch des Klägers unbegründet war, gelten die Vorschriften des § 302 Abs. 4 Satz 2 bis 4.

(3) Erscheint in diesem Verfahren eine Partei nicht, so sind die Vorschriften über das Versäumnisurteil entsprechend anzuwenden.

Die Zwangsvollstreckung findet statt aus Endurteilen, die rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind.

(1) Die nach § 22 Absatz 1 begründete Haftung für die Kosten eines Rechtsmittelverfahrens erlischt, wenn das Rechtsmittel ganz oder teilweise mit Erfolg eingelegt worden ist und das Gericht nicht über die Kosten entschieden hat oder die Kosten nicht von einem anderen Beteiligten übernommen worden sind.

(2) Richtet sich eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des Betreuungsgerichts und ist sie von dem Betreuten oder dem Pflegling oder im Interesse dieser Personen eingelegt, so schuldet die Kosten nur derjenige, dem das Gericht die Kosten auferlegt hat. Entsprechendes gilt für ein sich anschließendes Rechtsbeschwerdeverfahren und für das Verfahren über die Rüge wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

(3) Die §§ 23 und 24 gelten nicht im Rechtsmittelverfahren.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.