Landgericht Rostock Urteil, 12. Nov. 2008 - 4 O 189/08

bei uns veröffentlicht am12.11.2008

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalles vom 27.10.2007, für den sie eine Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht durch die Beklagte verantwortlich macht.

2

Im Oktober 2007 führte die P. GmbH - die Streitverkündete - Straßenbauarbeiten an der Straße zwischen D. und S. im Gebiet der beklagten Gemeinde durch; die Straße wurde dabei ca. 1 m tief ausgekoffert. Nach der verkehrsrechtlichen Anordnung des Landkreises G. vom 09.10.207 (Anlage B 1) war am Abzweig von der Landesstraße L 14 das Verkehrsschild "Sackgasse" anzubringen. Ferner waren direkt vor dem Baustellenbereich eine beleuchtete Warnschranke sowie das Zeichen 250 gemäß § 41 StVO "Verbot für Fahrzeuge aller Art" anzubringen. Der Zeuge B. kontrollierte am 17.10.2007 die Absicherung der Baustelle, diese entsprach der Anordnung des Landkreises G. Der Zeuge B. ist bei der Stadt L. angestellt, die geschäftsführende Gemeinde des Amtes L. ist, das wiederum die Verwaltung im Gebiet der beklagten Gemeinde führt.

3

Kurz vor dem 27.10.2007 entfernten Mitarbeiter der Streitverkündeten eigenmächtig die Absicherungseinrichtungen direkt vor der Baustelle. Bei Auswahl des Bauunternehmens gab es indes keine Bedenken gegen dessen Zuverlässigkeit.

4

Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen eines Unfallereignisses vom 27.10.2007 gegen 21.15 Uhr. Der Unfall an sich sowie der genaue Hergang sind streitig. Am Fahrzeug der Klägerin entstand jedenfalls ein gutachterlich festgestellter Sachschaden in Höhe von 2.050,- EUR (Anlage K 3). Die Sachverständigenkosten betrugen 332,93 EUR. Die Klägerin hat ferner die Erstattung einer Kostenpauschale von 25,- EUR sowie die Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 272,87 EUR (1,3-Gebühr gem. RVG) verlangt. Im laufenden Rechtsstreit hat die Streitverkündete sämtliche Forderungen in Höhe von 2.680,80 EUR gezahlt; die Klägerin hat daraufhin den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

5

Die Klägerin behauptet, der Zeuge F. sei am 27.10.2007 gegen 21.15 Uhr mit ihrem Pkw Ford Escort die Verbindungsstraße von Alt D. in Richtung S. entlang gefahren und mit dem Fahrzeug in den nicht abgesicherten, ca. 1 m tief ausgekofferten Straßenbereich gefahren; hierdurch seien die gutachterlich festgestellten Fahrzeugschäden entstanden.

6

Die Klägerin beantragt,

7

die Erledigung der Hauptsache festzustellen.

8

Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen und beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die gemäß §§ 256 Abs. 1, 264 Nr. 3 ZPO zulässige Feststellungsklage ist unbegründet. Eine Erledigung der Hauptsache ist durch die Zahlung der Streitverkündeten nicht eingetreten, weil die erhobene Zahlungsklage von vornherein unbegründet war.

11

1. Der Klägerin stand gegen die beklagte Gemeinde kein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG zu.

12

a) Die Beklagte war zum einen nicht passivlegitimiert.

13

Gem. Art. 34 S. 1 GG trifft, wenn ein Amtsträger in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Nach ständiger Rechtsprechung ist diejenige öffentlich-rechtliche Körperschaft passivlegitimiert, die dem Amtsträger das Amt, bei dessen Ausübung er fehlsam gehandelt hat, anvertraut hat; es haftet daher im Regelfall die Anstellungskörperschaft (vgl. BGHZ 99, 326).

14

Die Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflicht obliegt hier nicht der amtsangehörigen beklagten Gemeinde, sondern wegen der in § 127 Abs. 1 S. 2 KV M-V geregelten gesetzlichen Aufgabendelegation (vgl. hierzu OVG Lüneburg, OVGE 26, 499; VG Schwerin, Urt. v. 30.5.05 - 3 A 851/02, juris) dem Amt L., einer rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts. Durch §§ 11 - 14 StrWG-MV wird lediglich bestimmt, welche Gebietskörperschaft verantwortlich ist, in §§ 127 f. KV M-V ist indes geregelt, wann das Amt für die durch das Fachrecht als zuständig bestimmte Gemeinde die Aufgabe wahrnimmt (vgl. Sauthoff/Witting, StrWG-MV, Stand 12/06, § 10 Rn. 31). Für Amtspflichtverletzungen bei Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflicht im Gebiet amtsangehöriger Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern haftet wegen der in § 127 Abs. 1 S. 2 KV M-V geregelten gesetzlichen Aufgabendelegation deshalb das Amt und nicht die Gemeinde (vgl. Kammer, Urt. v. 26.04.07 - 4 O 326/06, VersR 2007, 1564 mit zustimmender Anm. Lühmann, NJ 2007, 422; Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Komm. der KV M-V, 3. Aufl., § 127 Rn. 5; Schröter/Willner/Wollenteit/u.a., KV M-V, 17. Lieferung 7/08, § 127 Anm. 7; [für SH] von Mutius/Rentsch, Kommunalverfassungsrecht SH, Bd. II, 6. Aufl., § 3 AO Rn. 2 u. 6; a.A. OLG Rostock, Urt. v. 4.4.08 - 5 U 10/08, OLGR 2008, 459; Urt. v. 24.9.98 - 1 U 174/97, OLGR 1999, 112).

15

Im vorliegenden Fall besteht indes die Besonderheit, dass der zuständige Mitarbeiter des Amtes L., der Zeuge B., bei der Stadt L. angestellt ist, da die Stadt L. die geschäftsführende Gemeinde (§§ 126 Abs. 1 Nr. 1, 148 KV M-V) des Amtes L. ist, sich das Amt L. also des Verwaltungsapparates der Stadt L. bedient. Anstellungskörperschaft des vermeintlich fehlsam handelnden Beamten ist damit die Stadt L., die deshalb allein passivlegitimiert wäre (so auch Hinweis des OLG Rostock, 1 U 81/07). Einer amtsangehörigen Gemeinde ist die Einrichtung eines eigenen Verwaltungsapparates grds. untersagt, wenn sie nicht ausnahmsweise geschäftsführende Gemeinde des Amtes ist. Beschäftigt aber - wie hier die Beklagte - eine amtsangehörige Gemeinde keine hauptamtlichen Beamten oder Angestellten, kann es insoweit zu keiner Haftungsübernahme gemäß Art. 34 GG kommen. Die Amtshaftung gemäß § 839 BGB ist im Grundsatz eine persönliche Haftung des Beamten, die gemäß Art. 34 GG lediglich auf die Anstellungskörperschaft übergeht. Die persönliche Haftung eines Beamten oder Angestellten einer amtsangehörigen, nicht geschäftsführenden Gemeinde gemäß § 839 BGB kann es nicht geben, weil die amtsangehörige Gemeinde keine in Frage kommenden Beamten oder Angestellten beschäftigt. Die amtsangehörige Gemeinde kann deshalb nur für Amtspflichtverletzungen des ehrenamtlichen Bürgermeisters oder des ehrenamtlichen Gemeinderates haften.

16

Die in § 127 Abs. 1 Satz 6 KV M-V geregelte Vertretungsbefugnis des Amtes in gerichtlichen Verfahren, an denen die Gemeinde beteiligt ist, und die umstrittene Frage, ob sich hieraus eine Prozessführungsbefugnis des Amtes für die Gemeinde herleiten lässt (vgl. OLG Rostock, aaO.; OVG Greifswald, LKV 1995, 252 u. LKV 1999, 515; VG Schwerin, LKV 1999, 516; auch OLG Brandenburg, LKV 1998, 327; OLG Schleswig, NVwZ-RR 1992, 167 und OLGR Schleswig 1996, 333), haben mit der nach Art. 34 S. 1 GG zu bestimmenden Passivlegitimation nichts zu tun.

17

b) Amtshaftungsansprüche scheiden zum anderen deshalb aus, weil das Amt L. die ihm übertragene Straßenverkehrssicherungspflicht nicht verletzt hat.

18

Die Straßenverkehrssicherungspflicht für die Baustelle wurde unstreitig auf die Streitverkündete übertragen. Im Falle der Delegierung der Verkehrssicherungspflicht verbleibt beim ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen lediglich eine Auswahl- und Überwachungspflicht, die im vorliegenden Fall jedoch nicht verletzt wurde. Das Amt Laage hat ein zuverlässiges Bauunternehmen ausgewählt und eine Erstüberprüfung der Baustelle am 17.10.2007 durchgeführt. Bei dieser Überprüfung wurden die Anordnungen des Landkreises Güstrow vom 09.10.2007 bezüglich der Absicherung und Beschilderung vollumfänglich umgesetzt. Da es sich um eine simple Beschilderung handelte, waren weitere Kontrollen zwischen dem 17.10. und 27.10.2007 nicht erforderlich. Für die eigenmächtige Entfernung der beleuchteten Warnschranke und der Beschilderung haftet deshalb allein das Bauunternehmen gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Das Bauunternehmen kann mangels verbindlicher Vorgabe insoweit auch nicht als Verwaltungshelfer bzw. Werkzeug angesehen werden.

19

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

20

3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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(1) Wer am Verkehr teilnimmt, hat die durch Vorschriftzeichen nach Anlage 2 angeordneten Ge- oder Verbote zu befolgen.

(2) Vorschriftzeichen stehen vorbehaltlich des Satzes 2 dort, wo oder von wo an die Anordnung zu befolgen ist. Soweit die Zeichen aus Gründen der Leichtigkeit oder der Sicherheit des Verkehrs in einer bestimmten Entfernung zum Beginn der Befolgungspflicht stehen, ist die Entfernung zu dem maßgeblichen Ort auf einem Zusatzzeichen angegeben. Andere Zusatzzeichen enthalten nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen. Die besonderen Zusatzzeichen zu den Zeichen 283, 286, 277, 290.1 und 290.2 können etwas anderes bestimmen, zum Beispiel den Geltungsbereich erweitern.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits und die durch die Nebenintervention verursachten Kosten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten und des Nebenintervenienten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des insgesamt aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte bzw. der Nebenintervenient vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt wegen eines mangelhaften Straßenzustandes Schadensersatz aus Amtshaftung.

2

In Groß P. im Gemeindegebiet der amtsangehörigen beklagten Gemeinde befindet sich zwischen der D. -Straße und der Straße Am D. eine spitzwinklige Kurve. Zwischen den Fahrbahnschenkeln befindet sich ein ausgefahrenes und ausgewaschenes, unbefestigtes Bankett, das einen Höhenunterschied von 20 cm zur asphaltierten Fahrbahndecke aufweist. Wegen der Örtlichkeit wird auf die mit der Klage eingereichten Fotos verwiesen (Anl. K 1, Bl. 9/10 d.A.).

3

Der Kläger behauptet, die Zeugin B. sei am 12.08.2005 gegen 23.00 Uhr mit seinem PKW Volvo V 40, Kennzeichen ..., von der D. -Straße kommend in diese spitzwinklige Kurve nach links abgebogen. Beim Schneiden der Kurve sei der PKW mit Schrittgeschwindigkeit über das unbefestigte Bankett gefahren und wegen des Höhenunterschiedes mit dem Frontbereich gegen die Fahrbahnkante gestoßen.

4

Der Kläger ließ die entstandenen Fahrzeugschäden für 4.112,51 € reparieren (Anl. K 2). Nach Kostenerstattung durch seine Kaskoversicherung verlangt er nunmehr wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte die Erstattung der Selbstbeteiligung von 300,- €, des Höherstufungsschadens von 232,56 € für den Zeitraum 1/06 - 9/06, der Mietwagenkosten von 99,84 € für die Reparaturzeit und einer Kostenpauschale von 25,- €.

5

Der Kläger beantragt,

6

die Beklagte zu verurteilen,

7

1. an den Kläger 657,40 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.06.2006 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 117,32 € zu zahlen,

8

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den durch die Inanspruchnahme seiner Kaskoversicherung entstandenen Verlust des Schadensfreiheitsrabattes wegen des Unfallereignisses vom 12.08.2005 ab dem 01.10.2006 zu erstatten.

9

Die Beklagte und der Nebenintervenient beantragen,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte sieht keine Verletzung ihrer Straßenverkehrssicherungspflicht, weil das vertiefte Bankett - auch aufgrund der intakten Straßenbeleuchtung - gut zu sehen gewesen sei und sich die Fahrerin deshalb bewusst eigengefährdet habe.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Klage ist unbegründet.

13

Dem Kläger steht unabhängig von der Frage der Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht kein Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB iVm. Art. 34 GG zu, weil die Beklagte nicht passivlegitimiert ist.

14

Die Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern sind zwar grundsätzlich für die in ihrem Gebiet befindlichen Gemeindestraßen verkehrssicherungspflichtig (dazu 1.), passivlegitimiert ist bei amtsangehörigen Gemeinden entgegen der herrschenden Meinung (vgl. OLG Rostock, OLG-NL 1999, 111; Bergmann/Schumacher, Die Kommunalhaftung, 4. Aufl. [2007] Rn. 917) aber gleichwohl das Amt, da dessen Mitarbeitern die Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflicht als delegierte Aufgabe obliegt (dazu 2.).

15

1. Die grundsätzliche Verkehrssicherungspflicht der Gemeinden für Gemeindestraßen ergibt sich aus §§ 10 und 14 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern (StrWG-MV). Gem. § 14 StrWG-MV sind die Gemeinden für die Gemeindestraßen Träger der Straßenbaulast. Gem. § 11 Abs. 1 StrWG-MV umfasst die Straßenbaulast alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Straßen zusammenhängenden Aufgaben. Zu den öffentlichen Straßen, die in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand anzulegen und zu unterhalten sind, zählen gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 StrWG-MV auch die Bankette.

16

2. Haftende Körperschaft ist indes gem. Art. 34 S. 1 GG das Amt (hier: Amt W.), da seinen Beamten bzw. Angestellten infolge gesetzlicher Aufgabendelegation die Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflicht obliegt.

17

Gem. Art. 34 S. 1 GG trifft, wenn ein Amtsträger in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Körperschaft in diesem Sinne kann nur eine solche des öffentlichen Rechts sein. Nach ständiger Rechtsprechung beantwortet sich die Frage nach dem Haftungssubjekt danach, welche Körperschaft dem Amtsträger das Amt, bei dessen Ausübung er fehlsam gehandelt hat, anvertraut hat, wer - mit anderen Worten - dem Amtsträger die Aufgaben, bei dessen Wahrnehmung die Amtspflichtverletzung vorgekommen ist, übertragen hat. Es haftet daher im Regelfall die Körperschaft, die diesen Amtsträger angestellt und ihm damit die Möglichkeit zur Amtsausübung eröffnet hat. Die Anknüpfung an die Anstellung versagt nur dann, wenn kein oder mehrere Dienstherren vorhanden sind (vgl. BGHZ 99, 326; Staudinger-Wurm, BGB, 13. Bearb. [2002], § 839 Rn. 55 mwN).

18

Die Ämter sind gem. § 125 Abs. 1 der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (KV M-V) Körperschaften des öffentlichen Rechts. Gem. § 126 Abs. 1 KV M-V richtet das Amt zur Erfüllung seiner Aufgaben eine eigene Verwaltung ein und beschäftigt die erforderlichen Dienstkräfte.

19

Die Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflicht ist durch § 127 Abs. 1 Satz 2 KV M-V auf das Amt übertragen. Nach dieser Vorschrift entscheidet in Angelegenheiten der laufenden Verwaltung der Gemeinde das Amt. Die Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflicht für Gemeindestraßen ist eine solche laufende Verwaltungsangelegenheit und fällt nicht unter die Bürgermeisterkompetenz für Angelegenheiten von geringer wirtschaftlicher Bedeutung gem. § 127 Abs. 1 Satz 3 KV M-V. Diese Entscheidungs- und Handlungskompetenz des Amtes in gemeindlichen Angelegenheiten stellt eine gesetzliche Aufgabendelegation dar (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 24.4.70, OVGE 26, 499 [452]). Sie führt dazu, dass die Bürgermeister in gesetzlich geregelten Bereichen nicht mehr zuständig sind. Entsprechend geht auch die Verantwortlichkeit auf das Amt über (vgl. Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der KV M-V, 3. Aufl. [2005], § 127 Rn. 5).

20

Die Erörterung in der mündlichen Verhandlung am 26.04.2007 hat bestätigt, dass die beschriebene gesetzliche Aufgabendelegation auch in der beklagten Gemeinde praktiziert wird: Die beklagte Gemeinde hat außer dem ehrenamtlichen Bürgermeister und dem ehrenamtlichen Gemeinderat keine Beamten oder Angestellten. Die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht erfolgt durch das beigetretene Amt W., das die entsprechenden Angestellten beschäftigt, die zwei- bis dreimal jährlich die Gemeindestraßen kontrollieren. Reparaturen bis 2.500,- € werden selbständig durch das Amt aus dem Verwaltungshaushalt bezahlt. Lediglich die Mittelfreigabe über 2.500,- € erfolgt durch Beschluss der Gemeindevertretung, der vom Amt vorbereitet wird.

21

Die Rechtsauffassung der Kammer wird durch umfangreiche Rspr. zur Passivlegitimation bei gesetzlich übertragenen Verwaltungsaufgaben gestützt: Für Amtspflichtverletzungen von Amtsträgern einer Gemeinde bei der Erfüllung von übertragenen staatlichen Auftragsangelegenheiten (Pflichtaufgaben nach Weisung) haftet die Gemeinde in gleicher Weise wie bei der Erfüllung von Selbstverwaltungsangelegenheiten (vgl. BGH MDR 1981, 566; Staudinger-Wurm, aaO. Rn. 57 mwN). Für Amtspflichtverletzungen eines kreiskommunalen Bediensteten haftet stets der Kreis, gleichgültig ob kreiskommunale Aufgaben oder staatliche Aufgaben der Landesverwaltung erfüllt werden; andererseits haftet das Land stets bei Amtspflichtverletzungen von staatlichen Bediensteten, gleich ob diese kreiskommunale oder staatliche Aufgaben erledigen (BGHZ 99, 326; Staudinger-Wurm, aaO. Rn. 58 mwN). Schließlich haftet eine Verbandsgemeinde und nicht die Ortsgemeinde, die Trägerin der Straßenbaulast ist, wenn die Straßenverkehrssicherungspflicht anstelle der Ortsgemeinde durch die Verbandsgemeinde zu erfüllen ist (OLG Koblenz, NVwZ-RR 2005, 276).

22

Die in § 127 Abs. 1 Satz 6 KV M-V geregelte Vertretungsbefugnis des Amtes in gerichtlichen Verfahren, an denen die Gemeinde beteiligt ist, und die umstrittene Frage, ob sich hieraus eine Prozessführungsbefugnis des Amtes für die Gemeinde herleiten lässt (vgl. OLG Rostock, aaO.; OVG Greifswald, LKV 1995, 252; VG Schwerin, LKV 1999, 516; auch OLG Brandenburg, LKV 1998, 327; OLG Schleswig, NVwZ-RR 1992, 167 und OLGR Schleswig 1996, 333), haben mit der nach Art. 34 S. 1 GG zu bestimmenden Passivlegitimation nichts zu tun.

23

Nach allem sind in Mecklenburg-Vorpommern nur amtsfreie Gemeinden straßenverkehrssicherungspflichtig und damit bei diesbezüglichen Amtspflichtverletzungen passivlegitimiert, während amtsangehörige Gemeinden wegen der Fremdverwaltung durch das Amt ihrer Verkehrssicherungspflicht entledigt und damit bei Amtspflichtverletzungen der Mitarbeiter des Amtes auch nicht passivlegitimiert sind.

24

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I, 101 I, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

25

4. Streitwert: 2.000,- €

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 26.04.2007 - Az.: 4 O 260/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 5.237,07 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers aus Amtshaftung.

2

Der Kläger behauptet, er sei am 23.12.2003 gegen 10.30 h auf der Karower Straße hinter der Nebelbrücke in der Gemeinde Dobbin-Linstow bei winterlicher Glätte auf der nicht abgestreuten Fahrbahn gestürzt, wobei er einen Oberschenkelhalsbruch erlitten habe. Er habe am Unfalltag Trekkingschuhe mit grobem Profil getragen und trotz besonderer Sorgfalt den Sturz nicht vermeiden können. Auf der Fahrbahn habe es Stellen gegeben, an denen sich Wasser gesammelt habe, das dann überfroren sei; dies sei zum Unfallzeitpunkt nicht erkennbar gewesen, da es in der vorangegangenen Nacht geschneit habe und ein dünner Schneefilm auf der Fahrbahn gewesen sei.

3

Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger neben einer Zahlung von insgesamt 237,07 € die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 4.000,-- € und die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten verfolgt, abgewiesen, weil die Beklagte nicht passivlegitimiert sei. Dies sei, obgleich die Gemeinden verkehrssicherungspflichtig seien, das Amt, wenn die Gemeinde amtsangehörig sei, da dessen Mitarbeitern die Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflicht als delegierte Aufgabe obliege. Darüber hinaus habe auch die Nebenintervenientin ihre Räum- und Streupflichten nicht verletzt. Eine solche bestehe innerhalb der geschlossenen Ortslage nur an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen; dass hiervon auch der Unfallort erfasst werde, sei nicht ersichtlich. Auch könne nicht erkannt werden, ob sich der Kläger herausgefordert fühlen durfte, die Fahrbahn zu nutzen, weil ein Seitenstreifen nicht geräumt und/oder gestreut gewesen sei. Schließlich überwiege auch die augenscheinliche Selbstgefährdung die etwaige fahrlässige Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils.

4

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die form- und fristgerecht eingereicht und begründet worden ist. Der Kläger meint, das Landgericht habe fehlerhaft angenommen, ein Anspruch bestehe weder gegenüber der Beklagten noch gegenüber dem Amt als Nebenintervenientin. So sei das Landgericht fälschlich davon ausgegangen, der Kläger habe zum Seitenstreifen vortragen müssen; vielmehr sei unstreitig, dass ein Seitenstreifen nicht existiert habe. Auch sei das Landgericht seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen, indem es die Zeugen zum Unfallhergang und dem von dem Kläger getragenen Schuhwerk nicht vernommen habe. Zudem habe das Landgericht fehlerhaft ein erhebliches Mitverschulden des Klägers angenommen; dies würde dazu führen, dass unter den gegebenen Umständen die Bewohner eines Dorfes im Winter ihre Häuser nicht mehr verlassen dürften.

5

Der Kläger beantragt,

6

das Urteil des Landgerichts Rostock vom 26.04.2007 - Az.: 4 O 260/06- aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,

7

1. an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld - mindestens in Höhe von 4.000,-- € - nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

8

2. an den Kläger 27,07 € nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie weitere 210,-- € nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

9

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 23.12.2003 zu bezahlen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

10

Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen,

11

die Berufung zurückzuweisen.

12

Sie meinen, das Landgericht habe zwar unzutreffend die Passivlegitimation der Beklagten verneint, verteidigen aber im übrigen das landgerichtliche Urteil. Unabhängig von der Amtszugehörigkeit einer Gemeinde trage diese die Sachbefugnis bei behaupteten Ansprüchen wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten der Gemeinden. Zutreffend habe aber das Landgericht angenommen, dass die Gemeinde keine Verpflichtung traf, die verkehrsunbedeutende Dorfstraße so abzustreuen, dass sie von Fußgängern an beliebiger Stelle gänzlich gefahrlos begangen werden könne.

13

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten, bei der Akte befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle.

14

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ... und .... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2008.

II.

15

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Klage abgewiesen, auch wenn es zu Unrecht davon ausgegangen ist, die Beklagte sei - die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht hier einmal unterstellt - nicht passivlegitimiert (1.)). Denn der Senat hat nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht zu seiner Überzeugung feststellen können, dass überhaupt eine Wetterlage und Gefahrensituation herrschte, die die Beklagte zu Verkehrssicherungsmaßnahmen verpflichtet hat (2.)).

16

1.) Die Beklagte wäre allerdings die richtige Partei, wenn ihr die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht hätte nachgewiesen werden können.

17

Nach § 50 Abs. IV StrWG MV sind für die Reinigung der innerhalb geschlossener Ortschaften gelegenen öffentlichen Straßen die Gemeinden - die zugleich nach § 14 StrWG MV Träger der Straßenbaulast für die Gemeindestraßen sind - zuständig, sofern diese ihre Verpflichtung nicht per Satzung auf Dritte, insbesondere Grundstückseigentümer, delegieren, was vorliegend nicht ersichtlich ist.

18

Das Amt ist lediglich nach § 127 Abs. 1 S. 6 KV MV Vertreter der Gemeinde. Angesichts der klaren Bestimmung des StrWG kommt eine Verkehrssicherungspflicht des Amtes jedenfalls nicht in Betracht, auch wenn sich die Gemeinde zur Wahrnehmung ihrer Pflichten der Verwaltungsorganisation des übergeordneten Amtes bedient bzw. letzteres die Aufgaben der Gemeinde wahrnimmt (so schon 1. Zivilsenat, 1 U 174/97 für Straßenverkehrs-sicherungspflichten; 1 W 286/98 für sonstige Verkehrssicherungspflichten (dort: Phosphor-funde am Strand)).

19

2.) Die Räum- und Streupflicht auf öffentlichen Straßen bildet einen Unterfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (BGH, VersR 1970, 904). Die Verkehrssicherungspflicht der für die Straßen und Gehwege ihres Gebiets verantwortlichen Kommunen ist in Mecklenburg-Vorpommern hoheitlich ausgestaltet (§§ 10 Abs. 1, 50 StrWG MV), ihre Verletzung somit Amtspflichtverletzung iSd § 839 Abs. 1 BGB.

20

a) Nach § 50 Abs. 1 StrWG MV sind alle innerhalb der geschlossenen Ortslage gelegenen öffentlichen Straßen zu reinigen, wobei sich Art und Umfang der Reinigung nach den örtlichen Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung richten. Zur Reinigung gehört nach § 50 Abs. 2 StrWG MV auch die Schneeräumung auf den Gehwegen und Überwegen für Fußgänger sowie bei Schneeglätte und Glatteis das Bestreuen der Gehwege und Fußgängerüberwege. Nach § 50 Abs. 3 StrWG MV haben die Reinigungspflichtigen im übrigen die Fahrbahnen der öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit von Schnee zu räumen und bei Schnee- und Eisglätte zu streuen, soweit das zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

21

Nach der Rechtsprechung des BGH besteht die winterliche Räum- und Streupflicht nicht uneingeschränkt, sondern steht unter dem Vorbehalt des Erforderlichen und Zumutbaren. Inhalt und Umfang der Pflichten richten sich nach den Umständen des Einzelfalls, Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges sind ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs (BGH, VersR 1957, 758). Für Fußgänger sind innerhalb der geschlossenen Ortschaft auf der Fahrbahn nur die belebten, über die Fahrbahn führenden unentbehrlichen Fußgängerüberwege zu bestreuen, soweit dafür ein Bedürfnis des Verkehrs besteht (BGH, VersR 1991, 665 " belebt" oder "gefährlich", OLG Rostock, Urteil des 1. Zivilsenates, 1 U 11/01). Innerhalb geschlossener Ortschaften sind grundsätzlich alle diejenigen für den Fußgängerverkehr wichtigen Gehwege zu sichern, auf denen ein nicht unbedeutender Verkehr stattfindet (BGH, NJW 1960, 41; OLG Köln, VersR 1979, 551). Das OLG Hamm hat die Anforderungen dahingehend näher konkretisiert, dass aus dem Kreis der zu bestreuenden Gehflächen tatsächlich entbehrliche Wege, für die ein echtes, jederzeit zu befriedigendes Verkehrsbedürfnis nicht besteht, herauszunehmen sind; dem streupflichtigen Gehwegen muss eine notwendige Erschließungsfunktion in dem Sinne zukommen, dass die nach der Verkehrsauffassung für die Lebensführung wesentlichen Orte (Wohnungen, Schulen, Arbeitsstätten, Geschäfte etc.) für Fußgänger zu jeder Jahreszeit erreichbar sind, d.h. diejenigen Wege, die bei vernünftiger Beurteilung nach Verkehrsbedeutung und äußerer Anlage auch im Winter als die wesentlichen Verbindungen erscheinen (OLG Hamm, NZV 2004, 645).

22

An verkehrsunwichtigen Orten besteht hingegen nicht einmal dann eine Streupflicht, wenn der Fußgänger gezwungen ist, infolge einer Baustellenabsperrung die Straße zu betreten (BGH, VersR 1991,665). Den Fußgängern muss nicht generell die Möglichkeit geschaffen werden, ein gefahrloses Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Dies würde bewirken, dass auf zahlreichen nachrangig zu bestreuenden Straßen vorrangig Überwege für Fußgänger abgestreut werden müssten. Auch sind vorgesehene Fußgängerüberwege zu benutzen, nicht aber willkürlich gewählte Wegstrecken.

23

b) Ein Geschädigter muss deshalb darlegen und ggf. beweisen, dass eine Straßen - und Wetterlage bestand, bei der Sicherungsmaßnahmen erforderlich und nach der Tageszeit geboten gewesen wären, dass diese Arbeiten nicht durchgeführt wurden und dies schließlich für den Unfall kausal war (OLG Rostock, Urteil des 1. Zivilsenats, 1 U 144/97).

24

Dies kann nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden. Der Kläger hat nicht beweisen können, dass die Fahrbahn vereist gewesen ist mit der Folge, dass die Beklagte hätte Streumaßnahmen einleiten müssen. Die Aussagen der Zeugen waren insoweit bereits nicht ergiebig, so dass sich eine nähere Würdigung ihrer Aussagen erübrigt. Denn die Zeugen haben die Behauptung des Klägers, dass winterliche Glätte auf der Fahrbahn bestand, die die Durchführung von Streumaßnahmen notwendig machte, nicht bestätigen können. Nach ihren Aussagen ist vielmehr davon auszugehen, dass eine Streupflicht nicht bestand, weil die Straßen nicht glatt waren. Die Beklagte haftet hingegen nicht dafür, dass allein einzelne Stellen einer Straße wegen des Überfrierens von Nässe glatt sind; dies würde die Anforderungen an das Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht erheblich überspannen.

25

Darüber hinaus ist nach der Aussage des Zeugen ... vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger beim Sturz selbst nicht auf der Straße, sondern auf dem Sandstreifen daneben gegangen ist. Dass dieser durch die Beklagte hätte abgesichert werden müssen, kann ebenfalls nicht erkannt werden.

III.

26

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 101, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Bei der Streitwertfestsetzung hat der Senat für den Feststellungsantrag einen Streitwert von 1.000,-- € zugrundegelegt. Anhaltspunkte, dass zulasten des Klägers erhebliche weitere Schäden in Zukunft zu erwarten seien, bestanden nicht.

IV.

27

Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.